90. Sehnsucht 1790. Flügel! wer giebt mir Flügel! daß ich Ruhe Finde? Flügel mir her! Des Liedes Fittich Schweift in Banden, trunken, nicht frei, vergißt der Dichter die Kette, Aber sie klirret selbst im Schwung geteilter Lüfte; freiere Schwünge heisch' ich! Ahndung Hebt und Sehnsucht über den Wolkenkranz des Schneeichten Pindus; Aber auch da noch lechz' ich! Flügel! Flügel Wie die Liebe sie heischt! wer giebt mir Flügel, Daß ich Ruhe find', in der Ruhe Wonne, Wonne der Liebe! Täuschender Sinnentand, du bunter Kerker, Wo ich Schemen umarme, selbst ein Schemen, Einst zerfällst du! Nichtiger Zauber schwindet Dann vor der Liebe Mächtigen Stabe, dem in Tanz die Geister Folgen, Schemen nicht mehr! im Tanz des Fluges Hin zum Urquell ewiger Ruh' und Wonne, Ewiger Liebe!