101. Das Schwalbenpaar 1811. Ein Schwalbenpaar führte der Lenz mir herbei; Sie bauten ihr Nest mir über die Thür. Wie flogen sie her, wie flogen sie hin, Zu holen den Lehm; wie schlugen sie oft Mit dem Schnäbelchen an, zu verkitten das Nest! Sie verkleibten gar wohl und spündeten zart Ihr kleines Gemach und bezogen's mit Flaum; Sie legte hinein vier Eier und trug Den Jungen wohl früh, den Jungen wohl spät Die Speise; nicht Ruhe sie hatte, nicht Rast. Das helle Geschrei der hungernden Brut Erweckte sie früh, erweckte sie spat; Die Fliegen sind schnell, und die Ameisen schwer Zu erspähn, und die Piependen fordern so viel! Sie fastete selbst, um zu ätzen die Brut; Die wuchs nun heran und verlangte noch mehr. Da ermattete schier die Mutter und kam Mit wankendem Flug, vermochte mit Müh' Den Schnabel noch halb zu öffnen, und flog Bald wieder auf Jagd, denn Liebe macht stark. Sie härmte sich ab mit Kummer und Müh', Sie sorgte mit Angst, in dem Neste sei Not, Doch hatten vollauf die Jungen; da schlief Ein jegliches satt, bis sie weckte der Flug Der Mutter, dann schrie wie verschmachtend die Brut, Doch waren sie satt und die wachsende Kraft Trieb schwellende Kiel' aus dem gelblichten Flaum, Den Kielen entwuchs der Fittiche Paar, Der Schnabel ward hart und verschnappte schon oft Die Fliege, so keck sich dem Neste genaht; Nun flogen sie auf zum benachbarten Dach, Von dem Dache zum Baum und vom Baume davon. Die Mutter kam heim zum verödeten Nest, Sie jammerte laut, sie lockte, sie flog Vom Nestchen zum Baum und vom Baume zum Nest. Sie flatterten hin, sie flatterten her; Sie fastet den Tag, sie seufzet die Nacht. Ach Schwälbchen, du hast vergessen, wie du Die Mutter dereinst verließest, auch sie Hat ängstlich geklagt, als die Jungen entflohn!