53. An das Meer Februar 1777. Du heiliges und weites Meer, Wie ist dein Anblick mir so hehr! Sei mir im frühen Strahl gegrüßt, Der zitternd deine Lippen küßt! Wohl mir, daß ich, mit dir vertraut, Viel tausendmal dich angeschaut! Es kehrte jedesmal mein Blick Mit innigem Gefühl zurück. Ich lausche dir mit trunknem Ohr; Es steigt mein Geist mit dir empor, Und senket sich mit dir hinab In der Natur geheimes Grab. Wenn sich zu dir die Sonne neigt, Errötend in dein Lager steigt; Dann tönet deiner Wogen Klang Der müden Erde Wiegensang. Es höret dich der Abendstern, Und winket freundlich dir von fern; Dir lächelt Luna, wenn ihr Licht Sich millionenfältig bricht. Oft eil' ich aus der Haine Ruh Mit Wonne deinen Wogen zu, Und senke mich hinab in dich, Und kühle, labe, stärke mich. Der Geist des Herrn den Dichter zeugt; Die Erde mütterlich ihn säugt; Auf deiner Wogen blauem Schoß Wiegt seine Phantasei sich groß. Der blinde Sänger stand am Meer; Die Wogen rauschten um ihn her, Und Riesenthaten goldner Zeit Umrauschten ihn im Feierkleid. Es kam zu ihm auf Schwanenschwung Melodisch die Begeisterung, Und Ilias und Odyssee Entstiegen mit Gesang der See. Hätt' er gesehn, wär' um ihn her Verschwunden Himmel, Erd' und Meer, Sie sangen vor des Blinden Blick Den Himmel, Erd' und Meer zurück.