105. Das befreite Deutschland November 1814. Wenn der junge Tag, in der wallenden Locken Gold Errötend aus Wiege des Meers, zu dem Himmel schaut, So erwachen mit ihm die Sänger des Hains: Sie begrüßen der Erd' und des Himmels Kind mit Wonnegesang. Nur der Höhle Sohn, der die Hürde bei Nacht belaurt, Entfernt sich mit schleichendem Tritt, und es fleugt der Kauz Zu verdorrtem Geäst. Die Strahlen des Tags Sind verhaßt dem Gezücht, das im finstern Graun sich Wohlsein erspäht. Es erschalle laut, o ihr Sänger des Vaterlands, Der glühende deutsche Gesang aus der vollen Brust! Wir sind frei! wir sind frei! – O Freiheit, erkämpft Mit dem Schwerte des Ruhms, wer sich dein nicht freut, von hinnen mit dem! Wir sind frei durchs Schwert! Und durch uns ist Europa frei! Es rühmte des schnellen Erfolgs sich der eitle Feind. Was im Krieg er in zwanzig Sonnen errang Und erschlich, er verlor's nach erneutem Kampf im achtzehnten Mond! Was in zwanzig Sonnen errang und erschlich der Feind? O nein! er beschlich uns vorlängst in der Sitten Gift, In der gleißenden Sprache Schaum; in dem Tand, Der für Wesen ihm gilt, und auch uns so galt, in schnödestem Wahn. Wir verließen Gott, da verbarg Er sich uns; doch blieb Sein Zeuge, das Leiden, bei uns, und erweckte uns Aus dem Schlafe der Schmach, aus dem Todesschlaf! Und es kehrte zurück die verschämte Demut, Glaube mit ihr; Und die holde Hoffnung geführt an der Liebe Hand, Und Mut wie nur Gott ihn verleiht, durch Vertraun in Ihn. Da erhuben sich schnell so Fürsten als Volk In der Stärke des Herrn, es ergriffen den Feind die Schrecken des Herrn! Du bist frei, o Land der bewährten und festen Treu! Verdien' es zu sein, von Europa das Herz! Beharr' In vereintem Gemüt zu hegen die Glut, Die, an himmlischem Strahl sich entzündend, leuchtet, wärmt und belebt.