Nun grüße dich Gott, Frau Minne! Ein Lied, ein Lied, der Tag verhallt, Die Wälder atmen sacht, Und über die Tale wogt und wallt Das Ambrahaar der Nacht. Die Erde wie tief, und um mich her Eine Fülle edler Gestalten, Tief in der Brust ein flutend Meer Volltönender Gewalten; Und hast du lange versteckt gewohnt, O, freudige Kraft der Lieder, So schüttle heut' in den silbernen Mond Dein silbernes Gefieder! – Herr Walter war ein Ritter jung. Er hatte lang gestritten, Bis ihm ein scharfer Schwertesschwung Ins freudige Herz geschnitten. Herr Walter glitt in den blutigen Sand, Sein Hengst stob in die Winde, Sie trugen ihn aus dem Sonnenbrand Unter die breite Linde. Sie rissen entzwei den Fahnensaum, Zu stillen das Blut dem Degen; Auf den Sterbenden vom Lindenbaum Fiel reicher Blütenregen. Das war des Königs Töchterlein, Ihr Aug' in Tränen glühte, Sie hielt ihm einen Becher Wein An des Mundes welkende Blüte. Das war des Königs Töchterlein, Sie kniete zu ihm nieder, Da drang ein schneller Rosenschein Durch die sinkenden Augenlider. Es ging ein Schauer durch sein Mark, Ein Schauer jäher Wonne, Er sah sie an, so voll und stark, Wie der sterbende Aar die Sonne. Die Binden riß er, die er trug: »Nun rinne, mein Blut, o rinne!« Er trank den Becher auf einen Zug: – »Nun grüße dich Gott, Frau Minne!« In der Nacht, in der seligen Sommernacht, Wo niemand traurig bliebe, Da hab' ich Euch dennoch ein Lied gebracht, Ein Lied von blutender Liebe. Verzeiht, es ist das alte Lied Von Seligkeit und Verderben. Wenn der Dichter dem Himmel ins Auge sieht, Dann muß er jubelnd sterben. Der Himmel ist fern und hoch und hehr, Nun rinne, mein Blut, o rinne! Die Wunden brechen, der Becher ist leer, Nun grüße dich Gott, Frau Minne!