Moritz von Strachwitz Lieder eines Erwachenden »Ich seh' die Morgenwolke leuchtend steigen«. Anastasius Grün Prolog Die scheue Muse ward zur Amazone Und tummelt sich auf erzbeschupptem Renner; Ums Haupt den Stahlhelm statt der Blütenkrone, So stürzt sie freudig in die Schlacht der Männer. Der schöne Busen starrt von Panzerplatten, Die Hüfte trägt das Schlachtschwert an der Zona, Nicht Liebeslust und trunkenes Ermatten, Zorn glimmt im Aug' der herrlichen Bellona. Die weiße Hand, die Rosen sonst gebrochen, Greift kühn nach Lorbeer jetzt und Eichenreisern, Straff ward die Muskel, Mark erfüllt die Knochen, Die weichen Glieder wurden fest und eisern. Wer freit das Weib? Ein Kämpfer muß es werben, Vergessen sind der Siegwart und der Werther; Das Brautlied singt vom Siegen oder Sterben, Brautfackeln sind entblößte Flammenschwerter. Reicht mir den Speer, doch sei er von den schwersten, Schnallt mir den Panzer um, ich will es wagen; Die Besten seh' ich meines Volks, die Ersten, An mir vorüber auf das Schlachtfeld jagen. Fort mit dem Helm, es soll mich Jeder kennen, Und ganz erkennen, wer nur halb mich kannte; Laissez aller! anhebt das Lanzenrennen, Ich will dich freien, schöne Bradamante. Vermischte Gedichte Motto Mir ist auf Erden wenig quer gegangen, Und wenig Gram hat meine Stirn verdunkelt; Stets hat der Freude Rot aus meinen Wangen, Aus meinen Augen Jugendmut gefunkelt. Ich schminkte nie zum Spaß die Wange blasser, Noch quetscht' ich je mit affektierten Schmerzen In meine Augen künstlich Tränenwasser; Ich leide wenig an zerrißnem Herzen. Mich freut der Becher noch, der Schmerzvertilger, Mich freut der holde Zauber noch des Kusses; Ich walle rasch, ein froher Liebespilger, Im schrankenlosen Garten des Genusses. Und wenn der Sturm der Zeit mein Haupt getroffen, So meint' ich ihn am besten zu verstehen, Wenn ich mit Mut und meinem kühnsten Hoffen Dem blauen Himmel wollt' entgegensehen. Feierlicher Protest Ihr schwatzt mir viel von Lebenszwecken, Von Lebensziel und Ruhetag, Und quält Euch mühsam auszuhecken, Was wohl aus mir noch werden mag. Des stillen Glückes Seligkeiten Erzählt Ihr alle groß und breit, Ihr sucht mich in den Pfad zu leiten Philisterhafter Häuslichkeit. Da soll ich von den Lenzgewittern Der frischen Jugend endlich ruhn, Ein Weib mir nehmen, Kinder füttern Und still und fromm und häuslich tun. Da soll ich Flachs und Wolle schlichten Und Garben zählen nach dem Schock, Soll Gänse mästen, Hengste züchten Und Ochs und Schaf und Ziegenbock. Indes die Sinne wild und waglich Zum Ungewöhnlichen mich ziehn, Soll ich im Schlafrock träg', behaglich Beim Kaffee sehn mein Pfeifchen glühn. Ich aber sag' Euch: eher fesseln Könnt Ihr im Sturz den Wasserfall, Eh' Ihr's vermögt, mich einzukesseln In Euren engen Gänsestall. Ich aber sag' Euch: eher wandeln Könnt Ihr zur Gans den Falken um, Eh' Ihr's vermögt, mir einzuhandeln Eu'r häusliches Elysium. Ich mag einmal darauf nicht eingehn, Auf Euren schalen Alltagsspaß, Will kecklich durch die Welt allein gehn Mit meiner Lieb' und meinem Haß. So hört denn auf mir vorzuleiern, Daß einst der freud'ge Drang vergeht, Der Drang nach Tat und Abenteuern, Der wild durch meine Pulse weht. Und müßt' er endlich doch erschlaffen, So sprecht davon mir heut noch nicht, Indes im trotzigen Erraffen Ein jeder Herzschlag anders spricht. Indes ums Haupt sich, Kraft verkündend, Die braune Jugendlocke schmiegt, Indes das Aug' noch hell und zündend, Der Geist noch frisch und unbesiegt. Indes die Faust noch stahleskräftig Sich preßt an Feder oder Schwert; Indes das Blut noch wild geschäftig Vom Herzen nach der Zunge fährt. Sprecht mir davon, wenn matt und schwächlich Mir Herz und Hand und Zunge ward: Dann will ich leben fein gemächlich Nach Eurer saubern Lebensart. Laßt vorderhand mich ungeschoren, Philister bleibt vom Kopf zum Fuß, Und weil ich nicht dazu geboren, So will ich's sein erst, wenn ich muß. Leidenschaft über Empfindsamkeit Wenn die Wälder tief verstummen, Sich der Himmel weitet, breitet, Durch das Blau mit leisem Summen Nicht ein einzig Lüftchen gleitet; Wenn die Ströme schweigend rollen Und der Sturm die Renner zügelt, Auf dem See, dem ruhevollen, Nicht ein Hauch die Welle hügelt: Hört man wohl beim Abendschillern Turteltauben Seufzer tauschen, Hört man wohl die Lerche trillern Und das Bächlein schwatzend rauschen. Wenn in zornigem Erzittern Sich im Kampf die Äste schlagen, Durch das Blau in Schlachtgewittern Donnerwolkenheere jagen; Wenn der Stromschuß jach hereinbraust Und das Sturmroß schnaubt im Zorne, Hoch die Welle ans Gestein braust Aus des Seees Strudelborne: Schweige dann, du Westessäuseln, Lerchenschwirren, Taubengirren; Höre, Bächlein, auf zu kräuseln Und durch Rosen hinzuirren. Wenn mit Macht die Adern kochen Und im Sturm die Triebe streiten: Schweige dann, du leises Pochen Liebeszarter Seligkeiten. Tränen ihr, ihr süßen, bittern, Laßt euch stillen, flüssig laue, Wenn die Blitze Felsen splittern, Ist's nicht Zeit zum Morgentaue. Ein wildes Lied Viel Sänger singen weit und breit, Sie singen in Zorn und Harm, Sie wollen wecken die träge Zeit Aus des Schlummers bleiernem Arm. Im Schlummer sterben die Völker hin, Am Banner schläft der Soldat, Am Busen der Zeit, der Schläferin, Da schlummert die große Tat. Die Freiheit schlummert im harten Schoß Friedseliger Tyrannei, Nur der Krämer, er sucht noch ruhelos Sein goldenes Straußenei. Viel Lerchen schwirren im Sonnenlicht, Indes die Gebirge ruhn, Sie stören den Schlaf der Lawine nicht, Der Donner, er wird es tun. Und können die Sänger mit Wort und Klang Nicht erschließen das Aug' der Zeit: So wollt' ich, es bräche den Schlummerzwang Ein großer, grimmer Streit; So wollt' ich, es stürzte Geschlecht auf Geschlecht Und donnerte Stamm auf Stamm, So wollt' ich, es sprengte das Mordgefecht Der Erde vermorschten Damm. Komm, Schlachtengebrüll, du Donnerwort, Mit Wundengeklaff und Tod, Mit Völkergroll und Völkermord Und Völkermorgenrot! Komm, Klingenwechsel und Schwerterblitz, Komm, rasselnder Reitersturm, Vor deinem Atem, du Mordgeschütz, Zerfahre Mauer und Turm! Und bricht entzwei die alte Welt, Vom Stoß zusammengedrückt: Viel besser, daß sie in Trümmer fällt, Als daß sie schlafend erstickt. Ein Reiterlied Ich ritt durch klare Frühlingspracht Auf sturmbehendem Pferde, Da hab' ich bei mir selbst gedacht: Wie ist doch schön die Erde! Der Renner sprang, der Renner schwang Sich über Gräben und Hecken, Wohl über den sonnigen Bergeshang Und schattige Talesstrecken. Wie rannen im sausenden Luftgezisch Vorüber die blauen Weiten, Mir ward so froh, so frei und frisch, Als wollt' ich gen Himmel reiten. Fort stob der Erde Pein und Weh', Wie unterm Hufe die Kiese, Auf stieg aus der Brust zur Wolkenhöh' Des Gedankens freudiger Riese. Es klirrte der Bügel, es blitzte der Sporn, Ich saß in stolzer Ermannung; Wie stöhnte des Rosses Feuerzorn In kräftiger Schenkelspannung. Und wie es stürmte hinab, hinauf, Gehetzt vom Stachel der Ferse, Da ward zum Reime ein jedes Geschnauf, Ein jeder Hufschlag zum Verse: Gott grüße dich, tiefes Himmelsblau, Euch zuckende Sonnenstrahlen, Du rauschender Wald, du Wellentau; Gott grüß' euch zu tausend Malen! So hab' ich gejubelt, geschwärmt, gelacht, Im freudigen Jünglingsmute, Indes unter mir mit Windesmacht Hinjagte die schlanke Stute. Und als ich daheim beim Abendstrahl Abnahm den Sattel dem Pferde, Da sprach ich im Stillen noch einmal: Wie ist so schön die Erde! Hymnus an den Zorn Kann mir nichts die Harfe stimmen, Nicht die Liebe, nicht der Wein, Sei's das zornige Ergrimmen Über die Philisterlein; Schon erhebt sich's tausendtönig, Riesenhaft in Wort und Ton; Zorn, du freier Liederkönig, Sei gegrüßt mir, Göttersohn! Sei gegrüßt mir, hunderthänd'ger, Starker Retter! Kraftentketter! Immer stolzer und unbänd'ger Ras't dein wild Gedankenwetter; Eingetaucht in Sonnenbädern, Saust dein Schwert in glüh'nden Kreisen, Aus den raschen Feuerrädern Sprüh'n als Funken Liedesweisen. Himmelssturz und Erdvernichtung Zauberst du in Reim und Klang, Aus dem Flammenstrom der Dichtung Rollt's wie Weltenuntergang; Wie sie zornig mich umsprudeln, Meine Klänge wild und toll, Wie sie mich von dannen strudeln Unbezähmbar, zaubervoll. Auf den Nacken der Gemeinheit Seh' ich deine Sohle stampfen, An des Himmels Strahlenreinheit Deines Atems Stürme dampfen; In dem Kote, d'raus sie stammen, Seh' ich Knecht und Memme kauern, Wenn aus deiner Rede Flammen Donnerkeile niederschauern. Immer tobe, du Vernichter! Mich entzückst du! Mich entrückst du! Immer leuchtender und lichter Die Titanenwaffe zückst du! Magst mich immerhin verderben In dem Leuchten, in dem Lodern: Besser in der Flamme sterben, Als im faulen Schlamme modern. Probe aus einer Tragödie: König Kodrus Ägiserhebende, Schlachtendurchwebende, Völkererregende, Saitenbewegende! Höre mich, Städtezermalmerin! Höre mich, die du durch himmelanwirbelndes Flutgetos, Treulich und wandellos Trugest den Ithakerkönig dahin, Die du die Pfeile, die eisenumsponnenen, Bogenentronnenen, Tief in die Herzen der Freier triebst: Ab von des Uranos sterniger Wölbung, Niederwärts sause du! Über des Pontos mähnige Kämme, Über der Berge wolkige Dämme, Nahe dich, eherne Tritogeneia! Helmbuschumflatterte Tochter des Zeus! Stirnenentsprossene, Panzerumschlossene, Ratende Sprecherin, Reihenzerbrecherin! Heldendurchflammendes Aug' der Schlacht! Die du den Ares, das männerhinmordende Ungetüm, Nieder im Ungestüm Warfst mit des Speeres entsetzlicher Macht; Die du Hephästos, dem liebeverlangenden, Brünstig umfangenden, Brachest den wollustentflammten Trotz; Aus der Akropolis hallenden Kuppeln Brauset der Weheruf, Steigt der Altäre lodernder Duftrauch, Strömt das Gebet im wogenden Lufthauch: Rette, blauäugige Pallas Athene, Völkerbeschirmende Tochter des Zeus! Wie in Sturmesgewalt das Ägäische Meer Auftürmet die Flut, die erbrausende, die Anstürmt mit Geheul zu den Zinnen empor Der akrokeraunischen Felsburg, Und rings ums Geklipp', unabsehbar weit, Auf des Meerabgrunds schaummähnichtem Roß Zum Kampfe sich drängt Der Wogen blauschildige Heerschar: So rollt an dem Wall' sich der Kekropsstadt Dumpf brausend empor die behelmte Flut, Und es preßt sich der Schild an den Schild mit Macht, Und es reiht sich der Speer an den Speer weithin, Und es spiegelt der Busch sich unheilvoll Im silbernen Schaume der Salzflut. Aufwiehert das Roß in des Äthers Luft, Und es sprudelt der Schaum am Gebiß schneeweiß, Und es rasselt das Erz, und es donnert der Ruf Schlachtwagengetragener Führer; Und bebend hinweg durch des Bordes Grün Nach dem Meere hinab überstürzenden Lauf's Dem Waffengetos Leiszitternd entrinnt der Kephissos. Du aber, o Speerkampfkundige, die Durch die Schlachten daher auf Gewittern braust, Und die Völker vertilgt und die Völker schirmt, Und die Städte verheert und die Städte türmt: Du triff mit des Speer's hinschmetternder Wucht Das stolze Geschlecht des Herakles! Ein Wort für den Zweikampf Wem je im Grimm, wem je im Groll Die blaue Stirnenader schwoll, Wem je das Aug' in Wut geflammt, Wem je den Arm der Mut gestrammt; Wer je ein Schwert mit Händen griff, Wem je ein Schwert im Hiebe pfiff, Wer je der Klinge fest und traut Ins zornige blaue Aug' geschaut: Der nimmt den Streich und rächt ihn gleich, Und gält' es Erd' und Himmelreich; Für scharfes Wort den scharfen Stahl, Und gält' es Fluch und Höllenqual. Ein Gesicht Es liegt im Tal ein weißer Stein, Das ist ein Hünengrab; Dort senkten sie im Totenschrein Mein Vaterland hinab. Es fliegt im Blau ein schwarzer Aar, Das ist des Hünen Geist, Der überm Grabe Jahr für Jahr In steter Runde kreist. Es lehnt am Stein ein Sängersmann, Ich kenn' ihn wohl, bei Gott, Der sieht zum Adler himmelan Mit düster kaltem Spott. Und kreise du am Himmelsrand Viel tausend Jahre noch, Sie halten dich bei uns zu Land Für eine Krähe doch. Hier sieht man, was zur Sonne strebt, Für Dohl' und Raben an, Und was bei uns im Aase gräbt, Heißt Adler oder Schwan. Wohl schwebt' auch ich einst hoch genug Und ward verkannt, verhöhnt, Da hab' ich mir den Sonnenflug Für immer abgewöhnt. Hier stehen will ich, stumm und still, Und sterben auf dem Stein, Dann scharrt man mich, wenn's enden will, Vielleicht daneben ein. Du, komm herab zu dieser Gruft, Und stirb allhier, wie ich: Da droben in der deutschen Luft, Da ist nicht Raum für dich! Lebensansicht Hört auf zu mir zu sprechen, Ihr sprecht zu Stein und Holz, Ihr sollt mir ihn nicht brechen, Den freud'gen Jugendstolz. Ihr sollt mich nicht bereden, Daß alle Menschen schlecht, Daß ganz in einem Jeden Erstorben sei das Recht. Das Licht, es ist so blaß nicht, Als ihr es immer meint, Der Nebel ist so graß nicht, Als ihr es stets beweint. Die Welt ist nicht so schändlich, Als ihr es immer sagt, Die Not nicht so unendlich, Als ihr es stets beklagt. Der Himmel hat von Sonnen Noch eine große Schar, Es ist von allen Wonnen Die Erde noch nicht bar. Noch gibt es Helden bieder Mit Feder und mit Schwert, Noch gibt es Heldenlieder Von freier Helden Wert. Noch gibt es zarte Dichter Und Dichter wilder Art, Es glühn als Sangeslichter Noch Frauen wunderzart. Es ist das Gold der Rebe Noch lange nicht verglüht, Des Lenzes Duftgewebe Hat Jahr für Jahr geblüht. Wo Herzen, stolze, starke, Noch für das Rechte stehn, Da darf der Hoffnung Barke Nicht völlig untergehn. Und wo der Hoffnung Flammen Noch sprühn in einer Brust, Da soll man nicht verdammen Die frische Liedeslust. Und häuft sich noch so trübe Ums Herz der Nebeldunst, Das Herz sei voll von Liebe, Und fröhlich sei die Kunst. Streitlust Mein Herz erwacht, Es schlägt mit Macht, Mein Arm ist fest und sehnig; Die Liebesfehde, die Harfenschlacht, Sie sind mir viel zu wenig; Ich habe gezecht Im Bechergefecht, Mag nicht mehr schwärmen und zechen; Und wenn ihr Flaschenhälse zerbrecht, Möcht' ich andere Hälse brechen. Aus des Mädchens Schoß, Da ringt euch los Und zerdrücket die letzte Träne; Der Schlachtenjubel, das Schlachtgetos, Das ist es, was ich ersehne; Von dem Rosenpfühl In das Speergewühl Ein Jeder gepanzert springe; Zerreißt das tönende Saitenspiel Und ergreift die pfeifende Klinge! Ans Schwert die Hand! An der steinernen Wand Zerschmettert die klirrenden Humpen! Zum Kampf die Paniere ausgespannt, Zum Kampf mit Schelmen und Lumpen! An das Streitroß fest Den Schenkel gepreßt, In die Flanke gehauen die Sporen, Und wer die Zügel nicht schießen läßt, Der habe das Rennen verloren! In das Weite Gebt mir einen Stab von festem Holz, Daß ich dran durch die Länder schreite; Gebt mir einen Segler mastenstolz, Daß ich drauf durch die Wellen reite. Gebt mir das Roß aus dem Märchenland, Daß ich drauf um die Erde jage; Gebt mir des Adlers Federgewand, Daß es mich in den Himmel trage. Und ob ich nun segle durchs Wellengebraus, Ob ich fliege, wandele, reite: Nur laßt mich hinaus, nur laßt mich hinaus Aus dem Engen, hinaus in das Weite! Die Erde, sie ist so lang und breit, Das Meer ist noch viel breiter, Der Himmel, er ist so hoch und weit Und rückt mir täglich weiter. Was frommt mir die Erde, was frommt mir das Meer, Wenn ich drinnen nicht darf mich ergehen; Was frommt mir des Himmels Sternenheer, Wenn ich's darf nicht näher besehen? Drum ob ich nun segle durchs Wellengebraus, Ob ich fliege, wandele, reite! Nur laßt mich hinaus, nur laßt mich hinaus Aus dem Engen, hinaus in das Weite! Wer wagt es? Das Hirn der Zeit ist ehern, Es ist verstockt, vertaubt, Es hat entflammten Sehern Noch immer nicht geglaubt. Es hat Gebet und Jammern Noch nichts darüber vermocht, Wenn man mit eisernem Hammer Nicht donnernd daran gepocht. Das Roß der Zeit wälzt träge Am liebsten im Kote sich; Da frommen nur Geißelschläge Und spitziger Sporen Stich. Es brachte Liebkosen und Schmeicheln Es nimmer noch von der Stell': Man muß es blutig streicheln, Sein dickes Büffelfell. Das Feld der Zeit ist steinig, Es trägt nicht Blüte noch Frucht, Der Pflug zersplittert schleunig, Der d'rin zu wühlen versucht. Man muß mit ganzen Geschwadern Es stampfen locker und weich, Man muß des Erdreichs Adern Aufreißen mit Schwertesstreich. Wer reitet beherzt und wacker, Wer zwingt das störrische Pferd, Wer pflügt den steinigen Acker Mit dem schneidigen Heldenschwert? Das Roß bleibt unbezwungen, Das Feld bleibt ungestört; Und was ich hier gesungen, Wird bleiben ungehört. Noch ein Reiterlied Den letzten Kuß, den letzten Schluck! Ich bleibe Dir keines schuldig; Es schmachtet nach dem Schenkeldruck Mein Rößlein ungeduldig. Der linke Fuß im Bügel wiegt, Der rechte steht im Grase, Die linke Faust im Zügel liegt, Die rechte liegt am Glase. Er sah das Blut der Trauben an Und stürzt' es wild hinunter, Der Hengst, er hub zu schnauben an, Der Säbel klirrte munter. Er hob sie empor und herzte die Dirn' Und hob und herzte sie wieder, Es wogt auf des Mädchens weiße Stirn Der weiße Helmbusch nieder. Und wird man mich bringen stumm und blaß, Und tät' man mich erschießen, So sollst Du mir ein volles Glas Auf die blutigen Lippen gießen. Und sollst Deinen Mund mit heißen Druck Auf meinen pressen geduldig; Den letzten Kuß, den letzten Schluck! Dann bleib' ich Dir Beides schuldig. Den letzten Kuß, den letzten Schluck! Wir müssen uns endlich trennen; Der Hengst bekam den Schenkeldruck Und streckte sich aus zum Rennen. Aurea mediocritas Die »aurea mediocritas« des Horaz scheint mir ein Deckmantel für Memmen und Schufte. Passows Briefe Durch ungebahnte Bergesengen, Wo rechts und links der Abgrund gähnt, Dort hab' ich oft, dahinzusprengen Auf wildem Renner, mich gesehnt. Lawinen donnern, Geier schweben Fraßgierig über mir im Blauen; Ich aber will die Sporen geben Und nicht zurück, nicht seitwärts schauen. Im stillen Tal, auf weichen Matten, Von Lind' und Rose überpflanzt, Wo unterm breiten Blätterschatten Die Schäferin den Reigen tanzt: Dort, weinberauscht, auf üpp'gen Kissen Im Arm der Liebe mich zu dehnen, Auch dahin ging, Ihr sollt es wissen, Auch dahin ging mein heißes Sehnen. Ihr aber geht die Mittelstraße Hin zwischen Alpe, Tal und Fluß; Das Reiten dient Euch nicht zum Spaße, Drum geht Ihr lieber hübsch zu Fuß; Gemächlich schlendert Ihr von hinnen Und seht nicht vorwärts, noch zurücke, Und plumpt Ihr in die Straßenrinnen, So nennt Ihr's große Mißgeschicke. Indes ich zaumlos überspringe Des Felsenschlundes offnes Maul, Führt Ihr bequem am Nasenringe Den hüftenlahmen Karrengaul; Indes im weichlichsten Genusse Ich hingegeben schwelgend ruhe, Macht Ihr zu Hause Fidibusse, Damit der Geist doch etwas tue. Sollt schwarz und weiß Ihr unterscheiden Und zwischen beiden wählen schlau, So sagt Ihr: Her mit allen beiden! Wir mischen beide in das Grau. Wenn Leu und Tiger sich bedrängen, Steht Ihr parteilos in der Mitten; Sollt Ihr von Zweien Einen hängen, So nehmt Ihr ganz gewiß den Dritten. Das ist die Pest des edlen Blutes, Der Hemmschuh für das Rad der Zeit, Das ist der Tod des freien Mutes In Rat und Tat, in Fried' und Streit. Du Mittelweg für Schuft' und Memmen, Du Schlupfloch jeder feigen Blöße, Wann wird dich endlich niederschwemmen Der Alpenstrom der Kraft und Größe? An Platens Schatten Einmal nur den Göttern nah' sein Möcht' ich, du Verklärter! Lichter! Einmal nur, fürs ganze Dasein, Möcht' ich sein ein großer Dichter; Riesenharfen wollt' ich schüttern, Daß die Sterne sollten beben, Und auf Pindars Klanggewittern Solltest du gen Himmel schweben. Nicht mit Hellas stolzen Rhythmen Kann ich prunken vielgestaltig; Dir dies schwache Lied zu widmen, Treibt der Schmerz mich allgewaltig; An der Saite bebt der Finger, Und kein Ton mehr will sich melden, Denn der Dichtkunst jüngster Jünger Tritt zum Grabe eines Helden; Eines Helden, der wie Keiner Für das Reich der Kunst gestritten, Eines Martyrs, der wie Keiner Für das Reich der Kunst gelitten, Dem das Wort, ein Frühlingswetter, Von den Lippen rauschte, rollte, Dem der Zorn, wie Zorn der Götter, Die olymp'sche Stirn umgrollte. Sieh, dein Volk, es zürnt nicht länger, Das dich einst so schwer verkannte; Aber du, verklärter Sänger, Weilst im Paradies des Dante, Wo die Sonnen reiner brennen, Und die Monde voller schimmern; Unser Kennen und Verkennen Wird dich schwerlich mehr bekümmern. Keine Sinekure Mich quält ein sonderbar Verlangen Nach Sorg' und Müh', Gefahr und Streit, Es ist mir stets zu gut gegangen In dieser seid'nen Friedenszeit. Es hat kein Schmerz mich überflutet, Es hat kein Sturm mein Haupt umtobt, Es hat mein Herz noch nie geblutet, Es hat kein Streit mein Schwert erprobt. Noch ward kein Joch mir zum Zerbrechen, Kein Knoten, um ihn zu durchhaun, Noch keine Schmach, um sie zu rächen, Kein Tod, um ihm ins Aug' zu schaun. Mir ward kein Banner, es zu schirmen, Kein Kranz – dieweil ich nichts getan, Mir ward kein Gipfel zum Erstürmen Und zum Durchrennen keine Bahn. In der Charybde Strudelwallen Da taucht' ich freudig lange schon; Doch Keiner läßt den Becher fallen, Und keine Kön'gin ist der Lohn. Ich wollt', ich hörte Schwerter singen, Und hörte, wie ein Schlachtroß schnauft: Wie wollt' ich in den Sattel springen, Da wo die Zeit mit Blute tauft! In Kugelwetter, Speeresdornen, Wo Tod der Schnitter hält die Mahd, Da wollt' ich meinen Renner spornen Wie in ein kühlend Rosenbad. Gebt mir ein Schwert und laßt mich's ziehen Und gönnt mir einen einz'gen Schlag, Und seht ihr mich vom Felde fliehen, So sei's mein letzter Lebenstag. Gebt mir den Feind, daß ich ihn schlage, Gebt mir den Tod mit seiner Pein, Gebt Sieg mir, oder Niederlage, Nur laßt es bald gestritten sein! Romanzen und Märchen Motto Der Schacher und das Memmentum, Sie spreizen sich allwärts; Wo spricht für Ehr' und Heldenruhm Ein ritterliches Herz? Doch, wen der junge Tatendrang Zu kecker Wagnis zieht, Der hört vielleicht zum Becherklang Ein altes Heldenlied. Mein Blut ist warm, mein Herz ist jung, Gern läuft es fort mit mir, Gern schwingt es der Begeisterung Glutfarbiges Panier; Es wühlt noch gern mit Kindessinn Im alten Sagenwust: Drum nehmt sie heut in Frieden hin, Die bunte Märchenlust. Ein Faustschlag König Helge war ein alter Held, Der hatte sein Schwert zur Ruh' gestellt. Den Panzer er in die Halle hing, Der Spinne Geweb' den Helm umfing. Sein schwarzes Schiff die Bucht umschloß, Auf der Weide trabte sein weißes Roß. Er waltete gut und herrschte gerecht, Wog strenges Maß für Fürst und Knecht. Das frommte Landen und Leuten baß, Auf Norwegs Felsen wuchs Korn und Gras. Den Pflug hinschleppte des Stieres Mut; Der Kaufmann pflügte die blaue Flut. Aufstiegen Städte aus wüstem Moor, Und Freya herrschte für Aukathor. Der Bauer, der lebte frei und froh, Das wollten die trotzigen Jarls nicht so. Sie ritten zu Hauf', wohl dreißig und mehr, In des Königs Halle: da traten sie her; Da traten sie her, in Erz und Stahl, Vom Sporenklange dröhnte der Saal. Jarl Irold vor den König schritt, Hoch war sein Helmbusch und keck sein Tritt. Sein Schwert an den Boden er rasselnd stieß, Sein Wort er zornig erschallen ließ: »Wir wollen nicht sitzen und Spindeln drehn, Mit dem Normannsschwerte nicht Hafer mähn. Wir wollen furchen, wie Harald tat, Mit dem schwarzen Segler den feuchten Pfad. Wir wollen tragen, wie Rollo trug, Auf Südlands Acker den Nordlandspflug. Wir sind des Königs müd' und satt, Der immer das Schwert in der Scheide hat. Wir sind des Königs satt und müd', Der Unkraut jätet und Rüben zieht. Und wer will zähmen des Normanns Blut, Der halte das Schwert und halt' es gut!« Jarl Irold sprach's; der König schwieg, Auf der Stirn ihm grimmig die Ader stieg; Aus den Augen fuhr's ihm, wie Blitz und Flamm', Die Brust ward voll, die Faust ward stramm. Aus dem Sessel sprang er, der krachend brach; Wie dumpfer Donner er also sprach: »Mein Aug' ist trüb', mein Haupt ist kahl, Am Nagel rostet mein guter Stahl. Und tragt nach dem Schwert Ihr so heißen Trieb, So nehmt für heut mit der Faust vorlieb.« Der König sprach es und macht' es kurz: Er hieb den Jarl auf den Helmessturz. Er hieb einen Streich, einen Heldenstreich, Daß Helm und Schädel zerbarst sogleich. Einkrachte vom Hiebe Schlaf und Stirn, Aufspritzte vom Hiebe Blut und Hirn. Auf den hallenden Boden der Jarl sank hin; Da brach den andern der trotzige Sinn. Sie warfen aufs Knie sich Mann an Mann, Wollt' keiner proben die Faust fortan. Rolands Schwanenlied König Karl, der hielt ein Mahl mit Schall Im Schlosse zu Paris, Als auf der Jagd von Roncevall Roland sein Leben ließ. König Karl sprang auf in Angst und Zorn, Er horchte lang und tief: »Mir ist, als hört' ich Rolands Horn, Das fern um Hilfe rief. Mir ist, als hört' ich Olifant, Es hallt aus der spanischen Mark, Es hallt herüber aus Mohrenland Gewaltig und zauberstark. Am Ebro kämpft mein werter Pair, Der Ritter von Anglant, Und wenn er dort erschlagen wär', Dann sei mir Gott zur Hand!« Und tiefe Stille brach herein, Von wetterschwüler Art, Es biß Herr Karl in banger Pein Den stolzen Silberbart. Da klang es herüber zum zweitenmal, Es klang nicht leis' und lind, Es schmetterte durch den Königssaal, Wie rasender Wirbelwind. Und als zum Dritten das Horn erscholl, Da borsten Gewölb' und Wand, Da sank der Humpen, Weines voll, Dem König aus der Hand. Und wie der Ruf durch Hall' und Turm Zum dritten Mal gegellt, Da hatte des Ritters Atemsturm Das silberne Horn zerschellt. Und wie der Klang nun himmelwärts Als Todesröcheln verbraust, Da hob Herr Karl in tiefem Schmerz Die stahlbewehrte Faust: »Heut ist gefallen ein teurer Held, Das sei dem Himmel geklagt! Ihn haben die Heiden mit List umstellt, Mit List zu Tode gejagt.« Das war Graf Rolands letzter Schrei, Er kam aus fernem Süd, Wohl singt sich nimmer ein Ritter frei Solch donnerndes Schwanenlied. Richard Löwenherz' Tod 1. Hinweg die Lanze, hinab vom Roß! Bei Gott und unsrer Frau! Ich nehme das stolze Rebellenschloß Noch vor dem Abendgrau. Hinan, ihr Lords von Nord und Süd, Hinan, auf Wall und Turm! Durchs Löwenbanner der Sturmwind zieht, Er heult: zum Sturm, zum Sturm! Zieht, Schützen, den langen Bogen ans Ohr, Der oft den Hirsch bedroht; Auf, sendet in jedes Herz empor Den graubefiederten Tod! Hoch lebe das fröhliche Engelland, Und jedes Stück davon! Der König schwang in der Panzerhand Die Streitaxt von Askalon. Und wem die Axt um die Ohren pfiff, Der ward auf ewig taub, Und wem die Axt an den Nacken griff, Der lag ohne Kopf im Staub. 2. Wen legst du dort ins grüne Gras, Sag' an, mein kühner Gesell? – Seine Stirn ist hoch, seine Wange blaß, Sein Aug' blickt grimmig hell. Die Streitaxt hält die Faust umklemmt, Als gält' es das ewige Heil; Doch tief in dem blutigen Panzerhemd, Da zittert der dünne Pfeil. Die Faust ward matt, die Lippe weiß, Der Schlaf ihn überkam; Der Mund aber betete röchelnd leis': »Für Gott und meine Dam'!« Und wie er es sprach in zuckendem Schmerz, Der todeswunde Mann, Da hatte das brechende Löwenherz Den letzten Schlag getan. Die Faust war starr, und starr das Blut, Die Lippe war stolz gebäumt, Als riefe sie noch mit grimmem Mut: »Still, wenn der Löwe träumt!« Herrn Winfreds Meerfahrt Herr Winfred fuhr auf schwarzem Schiff, Er wollte fahren nach Islands Riff, Er wollte holen die Braut zur See, Das bracht' ihm gräßliches Todesweh; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Herr Winfred hoch am Maste stand, Er trug ein funkelndes Stahlgewand, Das blitzte hinunter und strahlt' und glimmt'; Die Nixe auf brausender Welle schwimmt; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Herr Winfred, komm in mein Schlößlein blau! Ich will dich letzen mit Perlentau; Du hast einen Helm von Golde klar, Viel goldner flutet dein Lockenhaar; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Herr Winfred sprach: Du falsches Bild! Ich mag nicht tauchen ins Meergefild, Du hast einen Leib halb Maid, halb Fisch, Und wohnst im kochenden Strudelgezisch; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Da wurde die Fey zur Wog' in Hast Und leckte hinauf am schwarzen Mast, Wollt' lecken hinab den Ritter gut; Der stand und lachte im trotzigen Mut; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Da wurde die Fey ein grimmer Nord, Schlug brüllend an Bug und Steuerbord, Sie schlug den Mast in Stücke drei; Herr Winfred stand und lachte dabei; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Da wurde zum Fische die schöne Fey Und schwamm an dem Schiffe und war ein Hai, Sie sah wohl hinauf mit dem Aug' voll Wut, Herrn Winfred gerann sein Herzensblut; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Und er schwang den Speer um das Haupt im Flug, Und er schoß ihn im Zorn durch des Tieres Bug, Und als es zuckt' in des Todes Qual, Da sah es hinauf zum letzten Mal; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Und als ihn der Blick der Feye fund, Da ward Herr Winfred ein Stein zur Stund', Und als sie erfaßte des Auges Bann, Da ward zu Steine so Maus als Mann; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Da ward zu Steine so Mast als Kiel Und stand als Felsen im Wellenspiel. Noch steht Herr Winfred und schaut vom Bord, Und ewig funkelt das Auge dort; Hoch schlagen die Wogen am Borde. Das Elfenroß Es hatt' eine Dam' einen Renner flink, Ein rasches, rotes Roß; Zum Boden herab die Mähne hing, Blitzfunken die Nüster schoß. Dem Renner, dem war sie treu und hold, Mit Silber war er gezäumt, Beschlagen der Huf mit rotem Gold, Mit Perlen der Gurt gesäumt. Und eh' die Sonne am Himmel schwamm, In dem Stalle die Dame war, Sie kämmte dem Tier mit goldigem Kamm Sein goldiges Mähnenhaar. Und Seide sie flocht und Perlenband Mit dem Lilienfinger hinein, Es trank der Renner aus ihrer Hand Den roten Burgunderwein. Den vollen Arm, den weißen Arm Um des Tieres Nacken sie schlug; Es rann von der Wange die Träne warm Auf des Renners glänzenden Bug: »Mein stolzes Roß, mein treues Roß, Dir klag' ich all mein Leid.« Auf riß das Roß, auf dehnte das Roß Die schnaubende Nüster weit. »Sie wollen mir trauen als Bettgenoß Den falschen, verhaßten Mann.« Da sprengte das Roß, da riß das Roß Der goldenen Halfter Bann. »Mein rotes Roß, mein rasches Roß, Heut rette mich, oder nie!« Tief senkte das Roß, tief bog das Roß Vor der Herrin das schlanke Knie. Und sah sie an gar bang und lang, Gar traulich und flehentlich, Die Dame sich auf den Renner schwang, Der Renner von hinnen strich. Die Schwalbe, die unten im Sturme glitt, Sie holt' ihn nimmer ein, Der Sturm, der oben auf Wolken ritt, Keucht' ächzend hinterdrein. Es steht ein Schloß im Elfenwald, Ein diamantenes Schloß, Da stockt' es im Laufe, da macht' es halt, Da stand es, das schnelle Roß. Und als sie ihm dankend den Hals umfing, Es koste mit Mund und Hand, Statt des Renners der Dame im Arme hing Der König von Elfenland: »Du schöne Frau, du minnige Frau, Nun sollst du mein eigen sein. Das Elfenschloß und der Elfengau Ist alles, alles dein! Und wie du vordem in Hof und Stall Kredenzt mir den roten Wein, So kredenze fortan mir in Schloß und Hall' Die roten Lippen dein.« Ballgeschichte Es schlief ein Junker auf blumigem Grund Im schweigenden Waldesdüster, Es tanzten die Elfen auf grünem Rund Mit neckischem Liebesgeflüster; Sie tanzten dahin im losen Spiel Bei lauschigem Mondenscheine: Die Königin auf die Nase fiel Wohl über des Junkers Beine. Sie hat sich am güldenen Sporenrad Die Spinnenweb'robe zerrissen, Sie hat in des Mehltaus frostigem Bad Den Schnupfen sich holen müssen, Sie hat sich zerzaust die Wiener Frisur, Den cul de Paris verloren, Da haben die Elfen mit hohem Schwur Dem Täter Rache geschworen. Den Fächer die Königin nahm geschwind, Aus Mückenflügeln geschnitten, Sie schlug den Junker gar ungelind Wohl über das Herze mitten, Und als er am Morgen erraffte sich, Da mußt' er die Folgen ermessen, Weh tat ihm sein Herzlein gar bitterlich, Ich glaube, er war besessen. Und wißt ihr, was ihn so sehr turbiert? Das will ich euch offenbaren, Mir ist die Geschichte schon oft passiert In meinen jungen Jahren: Schlug Eine mich mit dem Fächer heut, Da mußt' ich die Folgen spüren, Da tat man mich oft: nicht recht gescheut – Oder gar: verliebt – titulieren. Wie der Junkherr Ebbelin die Nürnberger foppen tät Ich weiß eine Märe, gut und kühn, Von keckem Ritterwerk: Es fingen den Junkherrn Ebbelin Die Herren von Nürenberg. Sie fingen ihn mit Hinterlist, Sie schnürten ihm Hand und Fuß: »Nun haben wir dich, du schlimmer Christ, Der Galgen dir werden muß.« Und jeder Ritter von Wag' und Ell', Der machte ein stolz Geschrei, Und jeder Schuster- und Schneidergesell, Der hatte sein Wort dabei. Fünf Schneider schleppten des Ritters Speer, Wie Goliaths Weberbaum, Sie keuchten gewaltig und schwitzten sehr Und brachten ihn vorwärts kaum. Die Sporen ein tapferer Fleischer hob, Zwei Schreiner den Helm zugleich, Und wenn der Helmbusch im Winde stob, Da wurden sie blaß und bleich. Und zwischen Mauer, Graben und Tor, Da wollten sie hängen ihn; Da sprach zu dem mannlichen Bürgerchor Der Junkherr Ebbelin: »Ihr Herrn, nehmt mir das Wort nicht krumm! Es sei meine letzte Bitt': Laßt reiten mich im Zwinger herum Meinen allerletzten Ritt. Rundum ist Schanze, Tor und Schloß, Ich kann euch nicht entgehn, Laßt mich mein Roß, mein tapfres Roß, Zum letzten Male sehn.« Es brachten das Roß Gesellen vier, Den Junkherrn banden sie los; Wie schwang sich auf das schlanke Tier Der Degen, kühn und groß! Und wie er es trieb mit Hieb und Ruf, Mit Zunge, Schenkel und Hand, Da flogen ringsum von des Renners Huf Da Männlein in den Sand. Wild stampfte der Hengst und tanzte keck, Zum Graben sprengt' er herum; Die Herren befiel ein grimmer Schreck, Sie standen betäubt und dumm. Und über Graben, Schanz' und Wall Hinsprang er wild und toll, Indes herüber mit Donnerschall Des Ritters Gelächter scholl: »Eh' zwängt der Maulwurf in sein Loch Den Adler, stolz beschwingt, Eh' Krämerwitz und Krämerjoch Den Ritternacken zwingt.« So rief der freudige Rittersmann Und wandte den wilden Gaul, Die Herren sahen einander an Und machten ein großes Maul. Wohl oftmals schon mir's widerfuhr, Wenn ich zu sehr getollt, Daß Philistertum und Philisternatur Mich fangen und hängen gewollt. Da sprang ich auf mein schnelles Roß, Aufs Roß der Phantasie, Sein Huf zerschmetterte Tor und Schloß, Die Guten fingen mich nie. Hei, Lumpengesindel, gib mir Platz, Hinüber, mein Roß, hinaus! Hei, Schenkeldruck und Sprung und Satz, Ade, Philisterhaus! Eh' zwängt der Maulwurf in sein Loch Den Adler, stolz beschwingt, Eh' Philisterwitz und Philisterjoch Den Dichternacken zwingt. Gute Jagd Schön Astrid saß im Grün und spann, Da ritt des Weges ein Rittersmann. Er ritt einen Hengst von schmuckem Bau, Er trug einen Falken, der Falk war grau. Und als schön Astrid das Aug' aufschlug, Flink sprang der Herr von des Rosses Bug. Fahr' hin, fahr' hin nun Falk und Jagd, Und Gott zum Gruße, vielschöne Magd! Es warf sich der Held in das grüne Gras, Schön Astrid schweigend zur Seite saß. Sie saß und saß und spann und spann Und sah ihn mit keinem Auge an. Bei Christi Blut und dem heiligen Gral, Dein Auge leuchtet wie Mondesstrahl! Und sähest du einmal her nach mir, Mein bestes Roß, das gäb' ich dafür. Und sprächst du nur ein Wort oder zwei, Meinen Hund und Falken noch gäb' ich bei. Und küßtest du mich auf den Mund sogleich, Ich gäbe darum ein Königreich. Du bist wohl ein schlanker Ritter gut, Mit dem Reiherbusch und dem Jägerhut; Mit dem grünen Mantel aus Gold und Samt, Mit dem Schwert, das hell in der Sonne flammt; Mit dem Federspiel und dem goldnen Sporn, Mit Bogen und Pfeil und Silberhorn; Du bist wohl ein Held, gar groß und hehr, Doch geb' ich den Kuß dir nimmermehr. Ich hab' es gelobt in banger Stund': Dem König allein gehört mein Mund. Und wird mir nimmer des Königs Kuß, Eine bleiche Nonne ich werden muß. Ha, laß die Sorge, vielschönes Kind, Zum König trag' ich dich sturmgeschwind. Und ist dem König der erste bestimmt, Den zweiten Kuß sich der Ritter nimmt. Da hob er die Maid in den Sattel vorn Und sprengte von dannen wie Wetterzorn. Und als sie kamen zum Reihermoor, Da hob der Jäger die Maid empor: Hoch auf, lieb Mägdlein, und horch und schau, Wie die Falken segeln durchs Himmelblau! Wie die Glöcklein klingeln, die Reiher ziehn, Viel Ritter sprengen durchs Heidegrün! Viel wackere Ritter in Grün und Gold, – Wie des Hifthorns Hall durch die Berge rollt! Wie der Reiher kreischt und der Falke krallt, Die Rosse jagen mit Sturmesgewalt! Gib acht, lieb Mägdlein, und merke still, Den König ich gleich dir nennen will: Des Falke von allen am höchsten kreist, Der ist der König, den küsse dreist! Und als ihm vom Auge die Kappe wich, Der Falk, der dehnte sich mächtiglich. Und als ihn vom Handschuh der Ritter zog, Der Falk in den Lüften sich schaukelnd wog. Und als er sich hob gen Himmel frei, Die andern duckten am Boden scheu. Und wie der Ritter den Falken erschaut, Sie jagten daher mit Jubellaut. Sie schwangen wohl freudig den Hut im Flug: Willkomm', Herr König, zum Reiherzug! Und siehst du, mein Lieb, wer der König dein? Dem sollst du den ersten Kuß verleihn. Und wer dir gewiesen des Königs Mund, Dem gibst du den zweiten Kuß zur Stund'; Und wirst noch heut zur Königin du, Du gibst ihm gewiß den dritten dazu. Ein Märchen Als jüngst im grünen Hage Am Schlaf sich ein Dichter geletzt, Da hat das Fräulein Sage Sich neben ihn hingesetzt. Es war ein schmuckes Pflänzchen, Nur etwas sehr kokett; Im Haare das Efeukränzchen, Das stand ihr gar zu nett. Ihr Haar war lang und flachsen, Ihr Nacken war superb, Sie war recht gut gewachsen, Nur etwas gar zu derb. Von Schminken und Schönheitspflastern, Da ward dem Dichter nichts kund; Ihr Busen war alabastern, Nur etwas gar zu rund. Ihr Aug' war tief und nächtig, Nur etwas gar zu groß, Sie trug sich reich und prächtig, Nur etwas gar zu bloß. Sie machten Wahlverwandtschaft, Der Dichter war galant, Sie war bei nährer Bekanntschaft Ausnehmend interessant. Viel Bilder, alt' und neue, Die malte sie frisch und gut, Das Blaue mit Augenbläue, Das Rote mit Heldenblut. Das Grüne mit Schmelz der Triften, Das Goldne mit Sonnenpracht, Das Helle mit Himmelslüften, Das Dunkle mit Waldesnacht. Sie erzählte lange Geschichten, Geschichten von Lust und Weh, Von den Nixen, ihren Nichten, Von ihrer Tante, der Fee. Sie sprach mit vielem Geschnatter, Nach echter Fräuleinsart, Von dem Kobold, ihrem Gevatter, Und seinem langen Bart. Vom Strommann im Flutkristalle Erzählte sie Zauberwerk, In des Berges Rubinenhalle, Da kannte sie jeden Zwerg. Mit der Heinzelmännchen Gelichter, Da hatte sie oft getost; Ein jeder der toten Dichter, Der hatte mit ihr gekost. Ein jeder der toten Ritter, Das war ein Buhle von ihr, Sie folgt' ihm ins Kampfgewitter, Als Fräulein Aventür'. Dem Dichter täten gefallen Nicht ganz die Märchen der Fee, Er vermißte in dem allen Die politische Grundidee. Er frug mit ängstlichem Flüstern – Die Sache war riskant – Nach den Elfen, ihren Geschwistern, Und den Dingen aus Elfenland. Er schwärmte ganz ekstatisch Von der Elfenkonstitution, Er bot recht demokratisch Der Elfenregierung Hohn. Sie aber sprach gar nicht verbindlich: Mein Herr, was schwatzen Sie da! Das erzählt man täglich und stündlich Auf allen Märkten ja. Von Ihren Freiheitsglorien, Da schwärmt ja jedermann, Was gehn dergleichen Historien Ein romantisches Fräulein an. Und wer unter Märchenbäumen Will schlummern ungeniert, Der muß die Welt verträumen Und wie sie wird regiert. Und wer sich an meinem Zauber Nicht freun kann innig und ganz, Der ist ein Blöder und Tauber Beim tönenden Sphärentanz. Das Fräulein tät sich flüchten, Er aber glaubt' ihr nicht, Er machte aus ihren Geschichten Ein politisches Lehrgedicht. Ein Dutzend Liebeslieder [Schon wieder ein beblümtes Blatt] Schon wieder ein beblümtes Blatt Von Liebeslust und Gram, Wir haben ihn von Herzen satt, Den ganzen Liebeskram; Was kümmert uns Dein Trachten noch Nach Deiner schönen Fee, Was kümmert uns Dein Schmachten doch, Und was Dein Herzensweh. Der großen Zukunft Samenkorn, Zum Säen liegt's bereit. Es wölbt sich mit Gewitterzorn Das finstre Aug' der Zeit; Der eherne Trompetensturm, Der ist es, der uns kirrt, Was schiert's uns, ob an Fräuleins Turm Des Ritters Laute girrt. – Es ist ein tiefes, ernstes Wort, Was ihr da alle sprecht, Ich sprech' es selber fort und fort, Und sprech's mit Fug und Recht; Doch wenn die Tat einmal verübt, Was hilft dann das Gericht? Ich hab' mich nun einmal verliebt Und kann es ändern nicht. Prahlerei Und bist Du stolz bei meinem Eid, Viel stolzer bin ich doch, Und blühte zehnmal blumiger Dein blühend Blumenjoch; Und prangte zehnmal prangender Dein wundervoller Bau, Noch bangender, verlangender Dein Auge himmelblau. Und bist Du kalt, Du stolzes Herz, Viel kälter noch bin ich; Und flammte zehnmal flammender Dein Antlitz morgendlich; Und wäre noch gewaltiger Der langen Wimper Zug, Noch lichter, lenzgestaltiger Der ganze Feeentrug. Und als ich diese Reime schrieb, Da wußt' ich nicht, warum? Und als ich sprach: von kalt und stolz, Da war ich herzlich dumm. Es bannt aufs Knie mich mit Gewalt Ein Augenblitz, ein Wort. So bleibe stolz und bleibe kalt, Nur jage mich nicht fort. [Du wunderschöne Schlanke] Du wunderschöne Schlanke, Dir biet' ich all mein Herz, Dies stolze, liebeskranke, Glutschmachtende Dichterherz. Wohl möcht' ich es gern umschlingen Mit Blumen aus Oft und Süd, Zu deinem Preise singen Ein hohes, hehres Lied. Ein Lied, das unermeßlich Von Klang zu Klange schwebt, Ein Lied, das unvergeßlich Von Lippe zu Lippe bebt. Ein Lied, drin Nebeldüster Mit Himmelsbläue sich eint, Ein Lied, drin Blumengeflüster Ins Waldesgebrause weint. Drein möcht' ich verweben, verzweigen, Den ganzen tönenden Drang, Verstummen darauf und schweigen All, all mein Leben lang. Doch wenn ich zum stolzen Vermessen Mich stolz zusammengerafft, Entgaukelt mir unterdessen Die ganze Gesangeskraft Es ist ein einz'ger Gedanke, Der stiehlt mir Lied und Herz: Du wunderschöne Schlanke, Dir biet' ich all mein Herz. [Ich habe nie das Knie gebogen] Ich habe nie das Knie gebogen, Den starren Nacken nie gebeugt, Mit Stolze ward ich aufgezogen, Mit Freiheit ward ich aufgesäugt. Doch allem Stolz im Sein und Handeln Entsagt' ich, und der Freiheit mit, Könnt' ich mich in den Staub verwandeln, Den Deines Schuhes Sohle tritt. [Ich bin gar lange gegaukelt herum] Ich bin gar lange gegaukelt herum Als naschender Schmetterling, Bis mich eine schöne Honigblum' Im süßen Kelche fing. Ich flatterte lang als Ikaros Am Liebeshimmel umher, Bis mich der Sonne Flammengeschoß Geschleudert ins tiefe Meer. Ich schaukelte lang in Well' und Wind, So wie ich oben flog, Bis mich die Nixe, das lose Kind, Am Beine hinunterzog. Es treibt's ein jeder, solang' es geht, Und Jeden trifft's einmal, Und wem der Wind nicht günstig weht, Der zahlt's mit Höllenqual. [Wenn auf zu den Wolken ich schaue] Wenn auf zu den Wolken ich schaue Ins feucht umwölkte Blau, Dann denk' ich an Deine Augen, Du wunderschöne Frau! Und wenn die weinenden Wolken Hinstäuben den Morgentau, Dann denk' ich an Deine Tränen, Du wunderschöne Frau! Und schau' ich zwei Wolken innig Zusammenrinnen in Grau, Dann denk' ich an unsre Liebe, Du wunderschöne Frau! Und tobt in der Wolken Busen Der Grimm der Orkane rauh, Dann denk' ich an unsre Schmerzen, Du wunderschöne Frau! Zwei Abenteuer des verliebten Odysseus 1. . . . . . . . . . . . . . ἐξίκετο νηῦς ενεργώς νῆσον Σειρήνοϊν . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ὣσ φάσαν ἱεῖσαι ὄπα κάλλιμον, αὐτὰρ ἐμὸν κῆρ ἤϑελ᾽ ἀκουέμεναι, λῦσαί τ᾽ ἐκέλευον ἐταίρους Deines Nackens stolze Beugung Seh' ich weiß, als Fels sich dehnen, Drüber hin mit Gruß und Neigung Spielend hüpfen die Sirenen, Deine Locken, Deine nächt'gen, Wie sie tanzen, wie sie flattern, Um in ihren zaubermächt'gen Ringen Herzen zu ergattern. Ob ich an den Mast mich binde, Wie der edle Laertide, Es zerreißt das Taugewinde Sehnsucht mir, die Eumenide; Ob ich Aug' und Ohr vergittert, Tobend will sie sich empören, Bis das Band ich selbst zersplittert, Lauschen muß den Feenchören. Und die Klippe zu umranken, Sie zu küssen, heiß zu pressen, Reißt mich's auf mit Glutgedanken, Wollustatmend Tod vergessen, Bis in quälender Verkettung Mich umklammert die Sirene Und auf harter Felsenbettung Ächzt der Schützling der Athene. 2. Τόν δὲ ἴδεν Κάδμου ϑυγάτηρ καλλίσφυρος Ἰνώ Lευκοϑέη . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ὥς ἄρα φωνήσασα ϑεὰ κρήδεμνον ἔδωκεν. Aus dem blauen Schoß der Wasser Fährt Poseidon rasch und plötzlich; Um die Stirn dem Weltumfasser Weht das Haupthaar wild, entsetzlich; Von dem Bart des Mastzersplitt'rers Träuft der Flutschaum Aphroditens, Um das Roß des Erderschütt'rers Schwärmt das Meervolk Amphitritens. Das ist dein Werk, Atrytone! Tochter du, vom Blitzversender, Auf des Weltalls Wellenzone Segelt der Zyklopenblender. Stürmisch walle, Wogenbusen, Stäube, Meer, in Schaum und Flocken! Gleich den Nattern der Medusen Schüttle deine Silberlocken! Auf des Atlas Himmelsfirne Regt der Notos sein Gefieder, Sausend von des Berges Stirne In die Meerflut stürzt er nieder, Legt sich grimmig und zerkrallend An Thalatta's volle Brüste, Mit dem Fittich donnerschallend Peitscht er Hella's Felsenküste. Rasend in des Untiers Klammern Hebt die Brandung an zu pochen, Aus des Abgrunds Wogenkammern Läßt sie Strudelwellen kochen. Aufwärts zu des Himmels Lichtung Wirft im Zorn sie Mast und Schiff mir, Bis in tosender Vernichtung Mast und Schiff zerschellt am Riff mir. Wie der Schnee auf Erymanthos, Der in Morgenstrahlen leuchtet, Wie der Silberschwan des Xanthos, Der im Strom die Schwinge feuchtet, Hebt ein Hals, vom hellsten Scheine Blendend, sich im Wogenschlage, Steigst du selber, Wunderreine, Als Leukothea zutage. Mit dem Schleier deiner Milde Hast du zärtlich mich umwoben, Aus dem heil'gen Meergefilde Rettend mich emporgehoben, Daß die Wellen mit Gekose Mich an Scherias Borde trieben; Doch du selber, Schöne, Lose! Bist im Meer zurückgeblieben. Ganz oder gar nicht Wer da will der Liebe leben, Muß sich ganz der Liebe geben, Sich nicht teilen, nicht zersplittern, Ganz im Kuß hinüberzittern; Muß des Herzens ganzes Drängen Auf des Mundes Spitze zwängen; Muß nicht denken, rechnen, klügeln, Sich nicht fesseln oder zügeln; Muß den Arm nicht ängstlich halten, Gilt es, Hüften zu umfalten; Nicht voll Scheu die Hand befühlen, Gilt's, im seidnen Haar zu wühlen; Muß im seligen Versenktsein Unklar, ob er ist und denkt, sein. [Ich wollt', ich wär' ein Dichter] Ich wollt', ich wär' ein Dichter, Ein Dichter reich und groß, Die Perlen, meine Lieder, Die würf' ich in deinen Schoß. Auf meiner Dichtung Blüten, Da sollte wandeln dein Fuß, Die Geister meiner Träume, Sie böten dir Knechtesgruß. Sie müßten dir dienend huld'gen, Als ihrer Königin; Ich wollt', ich wär' ein Dichter, Weh' mir, daß ich's nicht bin. Spiegelbilder 1. Ich hab' einen großen Spiegel, Das ist das grüne Meer, Blaß werfen die Wasserhügel Mein blasses Gesicht mir her. Es dehnt sich und es bricht sich Auf jeder Woge Bug, Es zieht sich und es flicht sich In jedes Wirbels Zug. Die Wellen, sie wallen und rollen Sich übereinander hinauf, Draus sieht im stummen Grollen Mein finsteres Auge herauf. 2. Ein Spiegel von bösem Schimmer, Das ist Dein Auge blau, Darin ich nimmer und nimmer Und nimmer mich müde schau'. Doch ob ich schaue und schaue, Viel Gutes erseh' ich mir nicht, Nie spiegelt sich unter der Braue Mein eigenes Angesicht. Zwei fremde Augen sind es, Die sehen mich spottend an, Im Auge des schönen Kindes, Da malt sich ein fremder Mann. 3. Doch weg mit dem falschen Gesichte, Und weg mit dem falschen Meer! Nun hol' ich vom treu'sten Lichte Den treu'sten Spiegel mir her. Ich reiße aus dunkler Scheide Die Klinge breit und blau, Drin seh' ich mit zorniger Freude Mein zorniges Auge genau. Drin steht es in rechter Flamme, Die Funken aus Eisen preßt, Du Spiegel vom echten Stamme, Nur heute halte mich fest! 4. Als ich noch jung gewesen, Einen Spiegel hatt' ich da, Da machten die Leute ein Wesen, Wenn ich in den Spiegel sah. Sie schalten mich einen Gecken Und stolz und eitel dabei; Wie würden sie jetzt erschrecken, Jetzt hab' ich der Spiegel drei. Zum Einen wend' ich mich heute, Zum Andern morgen hin, Nun sagt mir, ihr guten Leute, Ob ich nicht eitel bin? Bescheidene Bitten Ich will ja nur an Deiner Lippe sterben, Als Sonnenstaub in Deinem Kuß verfliegen, Will nur den Schmerz, den tiefen, schweren, herben, Mit Deines Mundes Lethetrank besiegen. Ich will ja nicht an Deinem Munde saugen, Nur fromm und gläubig in Dein Antlitz schauen Und auf dem Strahle Deiner Wunderaugen Zum Äther hin demant'ne Brücken bauen. Ich will ja nicht in Deinem Aug' mich sonnen, Nur Worte tauschen süßer Minnefehde, Nur rauschen hören Deiner Lippe Bronnen In sanften Wellen zarter Frauenrede. Ich will ja nicht Dich sehen, küssen, hören, Ich will ja nur Dein denken im geheimen Und hoffnungslos der Saite Gold empören Und mich ergehn in zarten Liebesreimen. [Dir hab' ich beklemmt und bänglich] Dir hab' ich beklemmt und bänglich Dies Dutzend Liedchen geweiht, Die Sache ist bedenklich, Denn gar zu ernst ist die Zeit; Gern hätt' ich's im geheimen Dir klüglich zugestellt, Es will von verliebten Reimen Nichts wissen mehr die Welt. Doch wenn mit feuchten Blicken Dein Auge in meines fällt, Dann muß darin versinken Für uns die Zeit und die Welt. Und wollte mich dann zerschmettern Des Zeitgeists schreitender Fuß, Ich würde Dich sterbend vergöttern Und sterben in Deinem Kuß. Reime aus Süden und Osten Motto Fort, Nebelbilder ihr, aus finst'rem Norden, Die wüst, gespenstisch mir das Hirn umtanzen; Fort, Schlachtgesänge ihr, von Blut und Morden, Die ihr erdröhnt von Schwertern und von Lanzen! Weicht vor des Südens weicheren Akkorden, Die ich beschwor in Florentiner Stanzen; Satt will ich eurer blut'gen Bacchanalien, Mich schaukeln auf dem Wohllaut von Italien. An Flordespina Wohl türmen andre nach durchfochtnen Kriegen Zur Ehrensäule stolze Architraven: Ich wölbe jauchzend meinem Unterliegen Den Siegesbogen jubelnder Oktaven; Wohl singen andre von der Freiheit Siegen: Ich sprühe Hymnen, weil ich ward zum Sklaven, Ausflutend in melodischer Entzückung Den ganzen Wonnesturm der Herzbedrückung. Ja, Deinen Siegestempel will ich bauen In kühner Säulenordnung der Terzine, Will in Sonetten meine Tränen tauen, Der Lieblingsmundart treuer Paladine; Entreißen will ich diesen Erdenauen Den Abglanz Deiner Gottheit, Flordespine! Dich rollen auf Akkorden von Toskana Ins bunte Wogenschloß der Fee Morgana. Schon liegt am Strand der Kahn, der Dich empfange. Drum kost das Meer im zauberhaften Tone, Das Segel bläht sich unterm Windesdrange, Das Wimpel flattert von des Mastes Krone; Das Ruder schlägt die Flut im Wechselsange Und schwatzt Geschichten vom Dekamerone, Das Reich der Wasser glimmt in Rosenflammen, Und Meer und Äther schwimmt im Klang zusammen. Du aber selbst! Du bist die Fee Morgane, Die dieses Feuer purpurfarb entzündet, Den Hauch der Luft, den Wogenschlag am Kahne In Wort und Reim zur Harmonie gegründet; Du schöne Herrscherin der Ozeane, Die Meere zähmt und Stürmen Rhythmus kündet, Du segle fliehend aus dem Reich der Prose Mit mir zum Blumenstrand der Südlandsrose. Terzinen Ja, Flordespina nennt sich meine Dame, Ich sag's noch einmal deutlich: Flordespine; Klingt Euch geziert der wunderschöne Name? Er paßt mir grade hier in die Terzine, Auch ging er mir viel besser zu Gemüte, Als Lore, Dore, Hanne, Grete, Trine. Schlagt nach im Ariosto, habt die Güte, Dort spielt Despinchen eine art'ge Rolle; Sie heißt zu deutsch: die Königin der Blüte. Sie liebt der junge Richardett', der Tolle, Und spielt mit ihr ein pfiffiges Romänchen; Ich will's verschweigen: les' es, wer da wolle; Denn heutzutag' mißraten solche Plänchen; Dem Richardetto war der Sieg beschieden Ohn' eine Ohnmacht und das kleinste Tränchen. Wie bist du mit dem Namen denn zufrieden, Du meine Blütenkön'gin, Flordespina, Du klarster Stern im Himmel und hienieden? Da fehlt mir just der zweite Reim auf ina , Den dritten aber hab' ich schon in Petto, Du schönste Frau von Portugal bis China, Sei Flordespin', ich bin dein Richardetto. Ein böser Traum Ich war entschlummert einst am Rasenbühle, Um mich des Lenzes würz'ges Duftgemische Und in mir selbst des Lenzes duft'ge Kühle. Da träumt' ich Liebesträume, zauberische, Und Heldenträume stolz und ungeheuer, Und Freiheitsträume, mut'ge, jugendfrische. Doch als verglomm des Morgens Purpurfeuer, Da war verstummt das buhlerische Kosen, Der Winter war genaht, der Flockenstreuer. Und um mein Haupt in Windeswirbeltosen Flog sparsam nur das Schneegelock des Greisen; Ich war verwelkt, wie Lenz und Baum und Rosen, Ein matter Nachhall schöner Frühlingsweisen. [Wenn ich mir so das Tun der Welt betrachte] Wenn ich mir so das Tun der Welt betrachte, Das fad und geistlos ist und kalt und trocken, Das ich so ganz aus tiefster Brust verachte, Und schaue dann auf Deine Feenlocken, Auf Deiner Wangen, Deiner Augen Gluten, Und höre hallen Deines Mundes Glocken: Dann ist die Welt ein Ozean voll Fluten, Voll Stürmen mir und bodenlosen Grüften Und Klippen, dran mein Herz sich will verbluten; Du aber scheinst ein reines Ätherdüften, Das säuselnd hinschwebt durch des Meeres Brüllen, Das rosenatmend rollt auf Morgenlüften, Des kranken Dichters schäumend Blut zu stillen. [Wohl stand ich oft im nächtlich stummen Grauen] Wohl stand ich oft im nächtlich stummen Grauen Dem Glanze Deines Fensters gegenüber, Dich lang' und ungesehen anzuschauen. Es bog die Kerze ihren Strahl herüber, Um Dir, wie ich, ins dunkle Aug' zu funkeln; Doch plötzlich schien sie lässiger und trüber. Es mochte wohl der argen Kerze munkeln, Daß ich zum Nebenbuhler ihr geworden. Drum fing sie neidisch an sich zu verdunkeln. Du aber saßest an des Fensters Borden Und schautest nicht auf mich, nein, auf die Flammen, Die leise bebten in des Winds Akkorden. Da warfst Du endlich all mein Glück zusammen Mit einem Hauche Deines stolzen Mundes, Daß Aug' und Kerze rasch in Nacht verschwammen. Ich preßte wild mein Herz, mein liebewundes, Im bittern Grolle auf das Glück der Kerze, Die längst mit Dir sich freut des Liebesbundes. Sie leuchtet stets in Deines Auges Schwärze Und buhlt mit Deiner Stirn und Deinen Wangen, Indes ich fern von Dir vergeh' im Schmerze. Allein von Deinem Mund den Tod empfangen Und zu verwehn in Deines Atems Wogen, Wie es der Kerze jene Nacht ergangen: Hätt' ich vom Schicksal solch ein Los gezogen, Ich wollte, ach! nur leben eine Stunde Und sterben dann, im süßen Hauch verflogen, Der Kerze gleich in jener Abendstunde. Sonette Mein kühnstes Lied, ich will es nun beginnen, Es braust hinan, im Ätherduft zu baden, Es quillt empor in sprudelnden Kaskaden, Und Melodie ist seiner Welle Rinnen. Es dreht als Turm um schroffe Wolkenzinnen Im Wirbelreigen sich der Oreaden, Es hallt als Glocke in des Äthers Pfaden, Weit auszuläuten mein gewalt'ges Minnen. Ich bin geliebt! Dir, Meer im Wogensunde, Euch blauen Lüften, tobenden Orkanen! Euch ruf' ich's zu mit klanggewalt'gem Munde. Es taucht das All in Liebesozeanen Und sprengt den Tau auf meine Liebeswunde, Gerissen ist die Fessel des Titanen. [Nun schlingt zum Reigen eure Elfenkette] Nun schlingt zum Reigen eure Elfenkette, Ums Haupt euch gürtet Myrten und Jasminen, Trinkt Honigseim aus Rosenkelchrubinen Und saugt den Duft von Nelk' und Violette. Dreht euch im Takt harmonisch um die Wette, Im losen Wechseltanz der Amorinen, Und unterm Saitenklang der Mandolinen Umwebt der Herrin Busen, ihr Sonette. Ihr seid der Fesseln endlich mir entronnen, Dem Kettendrucke der Melancholien; Denn aufgebrochen ist der Liebe Bronnen. Nun wiegt ihr euch auf losen Melodieen Und nascht als Falter von dem Staub der Sonnen Und taucht euch tief ins Meer der Phantasieen. [Nun sieh! Du Zaub'rin, Deines Winkes Schalten] Nun sieh! Du Zaub'rin, Deines Winkes Schalten: Vom Reich der Dichtung ist der Bann gehoben, Aus tiefstem Herzen weht's als Duft nach oben Und will Dir seine Herrlichkeit entfalten. Da quillt's von Liedern aus der Berge Spalten, Da wird zum Rhythmus aller Meere Toben, Harmonisch rauscht der Schwung der Sonnengloben, Und Melodie ist in des Sturms Gewalten. So unermeßlich ist die Macht der Dichtung, Daß sie die Sterne läßt im Wirbel kreisen Und fallen in harmonischer Vernichtung. Sie lag gebannt aus ihren Sonnengleisen, Als Zorn umwölkte Deines Auges Lichtung; Nun mag sie Dir ihr ganzes Sein beweisen. [Nicht bin ich Zeus, noch bin ich Zeus entsprossen] Nicht bin ich Zeus, noch bin ich Zeus entsprossen, Der niederwettert in der Blitze Schweben, An dessen Götterbrust die Braut von Theben, Als ird'scher Hauch, im Flammenkuß zerflossen. Die Liebe aber durch mein Blut gegossen, Sie stammt von Zeus und seiner Wetter Beben, Sie irrt als Blitz in meinem tiefsten Leben Und braust daher wie Sturz von Bergkolossen. Wenn du, Vesuv und Hekla, krachst zusammen Und mischest aller Sonnen Millionen, Du könntest nicht mein Lieben überflammen. Und ihr, ihr wollt den Brand der Mittagszonen Verlöschen, ihr Philister! und verdammen Die kühne Flamme der Uranionen? [So unergründlich ist das Meer von Glanze] So unergründlich ist das Meer von Glanze, Das leuchtend wogt in Deiner Reize Borden, Daß mein Gesang ein kühner Segler worden Auf Deiner Glieder üpp'gem Wellentanze. Mit Deiner Stirne schwarzem Lockenkranze Buhlt meiner Liebe Sturm in Luftakkorden, Nach Deines Herzens eisig kaltem Norden Dreht stets der Kompaß seine Stahleslanze. Und willst Du wissen, was ich Süden nenne? Das sind die Augen Dein, voll Glut und Drange, Daran ich stündlich Mast und Kiel verbrenne. Doch West und Osten meinem Liederboote, Das ist die rechte und die linke Wange, Die täglich stehn im Früh- und Abendrote. [Wie kommt des Winters Eis zum Maienfeste] Wie kommt des Winters Eis zum Maienfeste, Wo laut der Frühling jubelt im Erwachen, Wo jugendlich der Erde Wangen lachen, Des Sprossers Lied ertönt aus jedem Neste? Dort, an des Poles urgranitner Veste, Wo an dem Fels die Eisfregatten krachen, Wo zornig aufgähnt der Orkane Rachen, Dort ist das Heimatland der Schneepaläste. Was willst Du, Mädchen, auf des Frühlings Gleise, Die den Gefrierpunkt Du besiegst an Grimme, Nowaja Semlja an Schnee und Eise? Hier in dem Liederfest der Lenzesstimme, Im sonn'gen Blütenland der Wendekreise, Hier ist kein Eisblock, der Dir gleicht, Du Schlimme. [Zerstäuben wird die Felsenburg Moria's] Zerstäuben wird die Felsenburg Moria's, Und du, Jerusalem, verwehst im Sande! – So möcht' ich rufen über alle Lande Mit Wetterkraft, ein zorn'ger Jeremias. Wann naht dem Reich der Schönheit der Messias, Drin der Philister tobt im Tempelbrande, Drin die Gemeinheit prahlt mit ihrer Schande Und heult im schmutzigen Gallimathias? Sie haben Dich gestürzt, o Herr und Meister! Gebannt aus Deines Volkes Bundesladen, Drein sie gestellt ein Kalb aus goldnem Kleister. Du aber sende Deine Myriaden Und wolle tilgen jene Lügengeister, Die sich im Herzensblut der Schönheit baden. [Laßt uns auf Felsen eine Feste bauen] Laßt uns auf Felsen eine Feste bauen, Die weithin ragen soll ob Land und Meeren, Ein starker Schirmwall unsern Sängerheeren, Hoch in den Lüften, in den freien, blauen. Drum soll ein Strom von Sangeswogen tauen, Der Feinde roher Sturmeskraft zu wehren; Von stahlgespitzten, scharfen Liederspeeren Sei ringsumher ein Lanzenwald zu schauen. Drin sei ein ewig blühendes Hesperien, In ewig frischer, maiengrüner Schöne, Das Düfte schickt zum äußersten Iberien. Dort laßt uns feiern in des Sangs Gedröhne Der Dichtung dreimal heilige Mysterien, Daß Meer und Erde hört die Zaubertöne. Bei Platens Tode Du bist der Dichtkunst tapfrer Bogenschwinger, Der rastlos seine goldnen Pfeile sendet, Der endlich trotzig sich verblutend endet Als der Philister göttlicher Bezwinger. Nun schlummre sanft, Du kampfesmüder Ringer, Dem Nord und Süden Ruhm und Preis gespendet; Es sei Dein Haupt der Heimat zugewendet, Du melodieenvoller Rhythmenschlinger! Und ob die Vatererde Du gemieden Im Übermaße Deiner Zorngedanken, Reicht sie die Rechte doch ins Grab zum Frieden. Und dahin, wo ums Grab sich Lorbeern ranken, Sei auch der deutsche Eichenkranz beschieden, Und Dein verbleib' er ewig, ohne Wanken! [Ihr, die Ihr schwatzt von Winkeln, Polygonen] Ihr, die Ihr schwatzt von Winkeln, Polygonen Und regelrechten Parallelogrammen, Die Ihr berechnet des Gedankens Flammen Nach mathematischen Dimensionen; Die Ihr festnagelt alle Himmelszonen Und abdrescht in Broschüren und Programmen: So zirkelt fort und baut und brecht zusammen, Nur mögt Ihr mich mit Eurem Quark verschonen. Ich kann mich einmal nicht daran gewöhnen, Ich will mich einmal nicht damit befassen: Was will die Zahl in meinen wilden Tönen? Stets werd' ich Eure eck'gen Formen hassen Und regellos im Labyrinth des Schönen Mich ohne Faden freudig gehen lassen. [Es ist das Lied ein reisiges Geschwader] Es ist das Lied ein reisiges Geschwader Und sprengt von dannen im Trompetenschmettern; Aufbrüllt der Schlachtruf zu den ew'gen Göttern, Aus jedem Verse donnert Grimm und Hader. Aufquillt dem Hengst am Hals die dicke Ader, Es preßt der Sporn sich ein in blut'gen Lettern; Der Schwertblitz leuchtet in des Kampfes Wettern, Es sprüht der Feuerschlund, der Glutentlader. Auf, Sänger! auf, entfaltet die Standarten, Mit den Philistern laßt uns trotzig rechten, Die uns verwühlen unsern Blütengarten. Es stampft das Flügelroß, nun gilt's zu fechten, Es steigt Apoll von seinen Himmelswarten Und hilft uns selbst die Siegeskrone flechten. [Mit Liedern gürtet Eurer Rosse Weichen] Mit Liedern gürtet Eurer Rosse Weichen, Mit Liedern spornt sie zum entflammten Rennen, Aus Liedern dreht des Bogens goldne Sennen, Die Harfe sei des Schildes Wappenzeichen. Laßt auf den Bergen rings in allen Reichen Statt Feuerzeichen glühnde Lieder brennen, Mit Liedern fegt des Schlachtfelds blut'ge Tennen, Es trabe Pegasus auf Blut und Leichen. Da muß versinken Eurer Feinde Flotte, Wenn Eures Mundes Feuerstürme flammen, Wenn Euer Kampfruf steigt zum Liedergotte. Die wir des Fernhintreffers Kraft entstammen, Laßt uns zerbrechen die Philisterrotte Und hoch der Dichtkunst Siegesmale dammen! An das Sonett Ich mag mich gern auf Deinen Wellen wiegen, Die auf und nieder sich melodisch drehen; Ich mag mich gern in Deinem Maß ergehen, Drin Kunst und Kraft sich wechselnd überfliegen. Denn, wer die Form gelernt hat zu besiegen, Dem wird ihr Zauber gern zu Willen stehen; Wer einmal nur den Leu'n ins Aug' gesehen, Dem wird er willig sich zu Füßen schmiegen. Drum zürnt mir nicht, wenn mich der Klang begeistert, Der leicht dahinschwebt, kunstgerecht und kunstvoll: Der ist ein Meister, der die Form bemeistert. Der Rasende, der, wilder Dichterbrunst voll, Den Stoff mit rohem Mörtel überkleistert, Ihm sind die Pieriden nimmer gunstvoll. Ghaselen Windstille Es steht die schlanke Pinie im grünen Raume stumm, Es hängt die Windharmonika am grünen Baume stumm, Die Wolke zieht in Majestät vorüber ohne Laut, Der Adler tut den Flügelschlag am Wolkensaume stumm; Es schwebt vom Turm in blaue Luft die Wetterfahne still, Es schläft am Strand der Wellenstoß im weißen Schaume stumm; Und bis des Sturmes schwarzer Hengst die Wolkenzügel reißt, So ruht des All's Titanenleib im Göttertraume stumm; Bis aus des Herzens Felsengrund die Liebe stürmend schnellt, Schläft das Ghasel, das Blumenkind, auf rosigem Flaume stumm. [Ich hab' eine Lieb' im Herzen] Ich hab' eine Lieb' im Herzen, die sing' ich nimmer aus, Ich hab' einen Wein im Humpen, nie geht sein Schimmer aus; Hab' immer das Lieb' am Busen und küss' es immerfort, Hab' immer den Kelch am Munde und trink' ihn immer aus; Ich jubele gern und tose, von Lieb' entflammt und Wein, Und schmähten mich die Philister noch zehnmal schlimmer aus, Und wär' es am Weltenende, ich jauchzte trinkend fort; Und bräche das ganze Weltrund in Schmerzgewimmer aus, Und ständ' ich am Himmelstore, ich schlüg' es trunken ein, Und schlösse mich auch Sankt Peter von Gottes Zimmer aus. [Blitzesflammen, Wolkenschäume] Blitzesflammen, Wolkenschäume, Duftgestalt'ge Zauberträume, Lichter, die am Moore gaukeln, Rosenblätter, Blütenseime: Alle schlang ich sie zusammen Durch die Bänder loser Reime; Daß auch Grün dazwischen dunkle, Pflückt' ich Laub der Palmenbäume. Fang' ihn auf, den Kranz der Lieder, Den ich werfe durch die Räume, Daß der Herrin duft'ge Locke Er mit duft'gen Blüten säume. [Jeder Blume am Gestade] Jeder Blume am Gestade, Jedem Schaum im Wellenpfade, Jedem Stern im Dom der Nächte, Jedem Strahl im Sonnenrade Sang ich meine Liebesschmerzen Furchtlos vor im Tränenbade; Nun den Steinen will ich singen, Daß ich meinen Schmerz entlade; Du, der Härteste der Steine, Schenkst Du wohl vielleicht mir Gnade? [Ich singe und sage, Du hörst es nicht] Ich singe und sage, Du hörst es nicht, Ich weine und klage, Du hörst es nicht, Ich singe im heiligen Grau'n der Nacht, Ich singe am Tage, Du hörst es nicht, Ich singe wohl mächtig, wie Donnerhall Zum Wetterschlage, Du hörst es nicht; Ich singe wohl leise, wie Westeskuß Im Rosenhage, Du hörst es nicht; Und wenn ich zum Liede auch Blitz und Sturm Zusammenschlage, Du hörst es nicht; Und was ich auch immer in Leid und Lust Und Liebe trage, Du hörst es nicht. [Mag Sturm und Donner tosen] Mag Sturm und Donner tosen: ich weiß, ich liebe Dich; Mag West und Frühling kosen: ich weiß, ich liebe Dich; Mag über alle Lande hinrasen Wetterzorn Und brechen alle Rosen: ich weiß, ich liebe Dich; Das Weltrund mag zerfließen als Duft im Meeresborn, Vergehn im Wesenlosen: ich weiß, ich liebe Dich.