l. Vor längerer Zeit lebte in Drantum, Ksp. Emstek, ein Schneider, welcher, obschon 40 Jahre alt, noch nicht verheiratet war und mit seiner Mutter einen kleinen Haushalt führte. Dieser hatte einmal spät im Herbste ein kleines Schwein geschlachtet und beschloß, die Schinken in Emstek zu verkaufen. Um aber nicht zu viel Zeit und einen Tagelohn zu verlieren, wollte er die Schinken in der Abenddämmerung, in der sogenannten Sniders Ulenflucht, nach Emstek bringen und gedachte, dies in Zeit einer Stunde abzumachen. Er begab sich mit dem Schinken auf den Weg, aber ehe er denselben halb zurückgelegt hat, ist es so finster, als es nur werden will, und zwar ungewöhnlich finster, weil es diesen Abend sehr mistig (nebelig) war. Um so rascher ging der Schneider vorwärts und glaubte, bald die sogen. Giesenwinkels erreicht zu haben. Diese Giesenwinkels waren nämlich einige große Holzkämpe, unmittelbar am Emsteker Esch und etwa zehn Minuten vom Dorfe, und es sollte dort von jeher gespukt haben. Indessen diese Winkel blieben über Erwartung lange aus, und als er sie endlich erreichte, waren sie zu seinem Erstaunen nicht zur linken Hand, wie sie doch mußten, sondern zur rechten. Aber noch mehr erstaunte er, als er in einiger Entfernung ein stattliches, hellerleuchtetes Haus erblickte und lauten Gesang und schöne Musik von demselben her erklingen hörte. »Wie ist das doch möglich,« sagte er bei sich selbst, »hier hat ja nie ein Haus gestanden, nein, und es steht auch noch keins.« Er schlich sich näher, aber es war in der Tat so, es stand dort ein vornehmes Wirtshaus, in welchem lauter Lust und Freude zu sein schien. »Jetzt ists nicht richtig,« dachte er, machte sich heimlich fort und suchte und fand, wie er glaubte, den rechten Weg nach Emstek. Er ging und ging, kam aber nicht nach Emstek, sondern gelangte abermals bei diesem fremden Hause an. Der Schneider fing nun wirklich an, sich zu fürchten, schlich sich wieder heimlich fort und suchte und verfolgte mit aller Vorsicht den Weg nach Emstek. Aber auch zum drittenmal kam er bei dem wunderbaren Hause an. Diesmal aber bemerkten ihn die Türhüter des Hauses und luden ihn aufs freundlichste ein doch einzutreten, und als er nicht wollte, fingen sie an ihn zu bedrohen, bis er sich endlich bewegen ließ. Die Türsteher behandelten ihn nun sehr artig und zuvorkommend, nahmen ihm seine Schinken ab und stellten sie an einen sicheren Ort und zeigten ihm alle Speise-und Tanzsäle und die wohlbestellten Küchen und Keller. Dort ward gegessen und getrunken, gesotten und gebraten, Speise- und Tanzsäle waren überfüllt von bekannten und unbekannten Leuten, von vornehmen und geringen, jungen und alten, von Freiern und Bräuten, und alle so lustig, als wäre es Hochzeit. Aber es waren alle Hexen. Der Schneider konnte sich nicht freuen und wollte sich auch nicht freuen, aber er mußte doch zum Scheine mitmachen, und mußte, obwohl er es nicht gelernt hatte, auch mittanzen, denn es befanden sich dort auch einige der Mädchen, mit denen er früher gefreit hatte. Er schickte sich aber bald zur Abreise an und erhielt nach anhaltendem Bitten auch seine Schinken wieder eingehändigt. Als er sich indes verabschieden wollte, ließen ihn seine früheren Bräute, gegen die er wohl nicht ganz recht gehandelt hatte, nicht sogleich ziehen, sondern bedrohten ihn und machten Miene, ihn zu mißhandeln. Doch legten andere gute Bekannte Fürbitte für ihn ein und sagten: »O lasset ihn doch diesmal, er ist doch eigentlich allezeit ein guter Junge gewesen und wird sich gewiß auch noch bessern.« Da gaben die Bräute nach, nahmen aber dem Schneider die zwei Schweineschinken und steckten dieselben, so groß sie waren, in ihren siedenden Topf und entließen den Schneider dann mit der Bedrohung des Todes, wenn er etwas von seinem Erlebnis weiter sage. Der Schneider machte, daß er nach Hause kam. Bei Tagesanbruch aber ging er, begleitet von seinen Nachbarn nach jenem Orte, aber es war von allem, was er gesehen, auch keine Spur mehr da, nur seine Schinken fand er, sie staken unverletzt im Schnee. Froh nahm der Schneider die Schinken zu sich und verkaufte sie in Emstek, hat sich aber wohl gehütet, diesen Weg je wieder im Finstern allein zu machen.