Hermann Sudermann Der Bettler von Syrakus Tragödie in fünf Akten und einem Vorspiel Personen des Vorspiels Personen des Vorspiels. Lykon, Feldherr der Syrakusaner. Philarete, sein Weib. Diokles, Myrrha, beider Kinder. Arratos, sein Freund. Artemidor, dessen Sohn. Mago, Feldhauptmann der Karthager. Ein Syrakusanischer Hauptmann. Ein Zeltwächter. Die Erscheinung. Krieger der Syrakusaner. Personen des Dramas Personen des Dramas. Arratos, Tyrann von Syrakus. Artemidor, sein Sohn. Philarete. Diokles. Myrrha. Hegesias, ein Großer in Syrakus. Ktesias, Lysimachos, Hermachos, vornehme Jünglinge. Phaino, Strution, Hetären. Mago, Gubal, Karthager. Menesto, Schaffnerin. Bio, Phenippe, Dienerinnen. Eurytimos, Deonax, Sosthenes, Mandros, Der Blinde, Bettler. Der erste Späher. Der zweite Späher. Der Türhüter, Ein alter Diener, im Hause des Arratos. Der erste Diener beim Gastmahl. Erster, Zweiter, Dritter , Bürger. Erster, Zweiter , Leibwächter. Ein Reisender. Edle. Volk. Leibwächter des Arratos. Vornehme Jünglinge. Hetären. Karthager. Bettler. Diener. Vorspiel 1. Szene Erste Szene Lykon. Der Zeltwächter rechts neben dem Zelt. sitzt halb liegend im Lehnsessel in seinen Mantel gewickelt, die Hände vors Gesicht geschlagen. Nun ich dich rufe, Schlaf, enteilst du mir? So will ich denn die halbgelösten Glieder Zu neuem Wollen straffen. – Hier ist Wein! Er trinkt. Du Wachmann dort! Falls Arratos nicht schläft – – Ich glaub' es fast – auf seiner Treue lastet Entscheidungsnot – so sag ihm, euer Feldherr Begehre sein. Herr, Arratos steht dort Und steht seit einer Stunde – rufgewärtig. eilt zum Ausgange, freudig. Komm her, mein Freund! Was birgst du dich im Dunkel? 2. Szene Zweite Szene Lykon. Arratos. Herr, deine Ruhe zu bewachen – Ruhe? Dieweil blindwüt'ger Drang nach diesem Kampfe Die Seele mir mit Geierflügeln wundpeitscht? Ha, Ruhe! Wer kann ruhen, da uns endlich Karthagertücke lammfromm in den Stall geht, Durch dessen Pforte keiner lebend mehr Ans Licht sich stiehlt? In diesem Felsenrachen, Des Kiefer lückenlos zusammenklappen, Der hungrig greift und niemals wieder losläßt – Hab' ich sie erst – und morgen hab' ich sie. Denn ahnungslos ziehn sie des staub'gen Weges Nach Syrakus! – Du schweigst – du blickst zur Seite? Schenkst mir von meinem Jubel nichts zurück? Vergib mir, Herr! Wohl bist du unser Meister Und meisterlich der Plan, der sie ins Netz holt, Doch wolle nicht vergessen, daß der Schlag Noch nicht geführt ist, daß kein Schwerthieb noch Des Schicksals Wage sich dir neigen hieß ... Ich bin ein stiller Mann. Was ich mir wünschte, Das schlang ich in die wunde Kehle schweigend Herab. Auch jetzt wünsch' ich mir mancherlei – Das gleiche hoff' ich. Sicherlich. Wär' ich Der Sohn des großen Syrakus gleich dir, Getränkt mit Griechenmilch, von Hellas' goldnen Gestaden her mit Siegergeist gerüstet, Und dächte nicht wie du? – Doch sind der Fäden Gar viele, die die Parze spielend schlingt, Und eine Schere nur, die sie durchschneidet. Verständ' ich dich – ich will dich nicht verstehn! Phöbos, der Sehende, mag mit dir rechten! Doch meinem Sinn geziemt es – den erwognen Gedanken in Gewalt umsetzend –, alles Zu wagen, daß die meerumgürtete, Die weiße Stadt – karthagischer Umschlingung Gewaltig sich entwinde. Und damit Kein Zaudern, kein Zurück, kein dunkler Ausweg Den Fuß mir lahme, nahm ich als ein Pfand Ureignen Wollens und beschworner Pflicht Das Weib, das meiner Liebe Inbegriff, Und ihr Geschenk, die Kinder beide, mit mir. Im Heiligtum der Gäa, dessen Mauern Grauzahnig in die Felsenwand sich beißen, Ließ ich sie dir. Du sorgest wohl für sie? Ein Lager, Herr, aus Moos und weichen Farren Half ich zusammentragen. Dort – umschlungen – Sanken sie hin, noch halb in meiner Hand, Und regten sich nicht mehr. So dien' ich nun Der Stadt, die mich gebar, mit allem, was ich Mein eigen nenne: Weib und Kind und Ehre. Das Leben zähl' ich nicht; das ist des Kriegers Besitz nicht mehr, wenn er ins Blachfeld zieht. Doch eines zähl' ich zwiefach, tausendfach: Den Ruhm, der auch auf toter Stirne grünt, Der Wurzel schlägt in langversunkne Gräber Und, aufwärtsdrängend zu den Himmlischen, Verflognen Staub der Ewigkeit vermählt. Ob morgen auch mein Mund in blut'gem Stummsein Die Erde küßt, was tut's? Wenn nur sein Schweigen Vieltausendfält'gen Wonneruf erschließt. So will ich leben in des Volks Gedächtnis! In meines Namens Schatten sollen wandeln Die Namenlosen. Sieger sollen Zweige Sich pflücken von dem Baume meines Sieges. Mein Schwert soll glänzen über allen Schwertern. Stets warst du mir ein güt'ger Herr – Nicht Herr! Sag »Freund« – wie ich mit Stolz dich Freund mir nenne. – Und deine Trunkenheit zu nähren, sollte Gebot mir sein. Doch mein' ich's redlich, kenne Wohl auch aus eigenem die heiße Sucht, Die Halbgottähnliches verspricht und wohlfeil Zu geben scheint. Doch setze nun den Fall, Dein Schlag mißlingt – Wie sollt' er das?! Gesetzt Den Fall, sag' ich – nicht mehr! – Dann freilich! Sterben! Wir Männer haben's leicht – wir sterben. Aber Dann zogst du auch dein Weib, zogst deiner Kinder Vertraunde Unschuld mit dir in den Sturz. Du sprichst, als läg' ich schon besiegt! Ich sprach Als Freund! Ja, stürben sie mit uns, wir dürften Den Sprung zum Hades heitern Sinns erproben, – Doch was Karthago – Schweig! Den Sprung zum Hades, Dein Weib erprobt' ihn längst. Was quälst du dich Um meines? Und der Knabe, den die Tote Dir ließ, zog er nicht mit uns in das Feld? Er führt sein Schwert gleich allen. Freund, ich lobe Die Sorgfalt, die du mir beschertest, doch Blick auf! – So wahr nur schmählicher Verrat – Und wo zu Syrakus haust ein Verräter? – Den Feind zu jenen Felsentürmen trägt, So wahr weilt schon der Sieg in unsrer Mitte. Drum spare dein »gesetztenfalls« und spare Den Eulenschrei ... Was gibt's? Wer wecket uns Die Schläfer? 3. Szene Dritte Szene Die Vorigen. Ein Hauptmann und Mehrere Krieger führen Mago, dem die Arme über der Brust gebunden sind, in das Zelt. Herr! Vorposten fingen diesen, Wie er, gemächlich reitend durch die Ebne, Der Kluft sich näherte. Braucht' er sein Schwert? Nein! So erwürgt ihn! bricht in ein schneidendes Gelächter aus. Warum lachst du, Unhold, Der du mit giftig starrem Auge mich, Wie der gefangene Polyp im Korbe Den Fänger, anbohrst? Du, Karthager, sprich! Polyp? Mag sein! Gefangen nur, weil dieses Mir so beliebte. Und gefangen zehnfach So frei als ihr. Nun würg mich doch, Spaßmacher! Erwürg mich! Arratos! Verhandelnd gingst Du einst bei ihnen aus und ein. Kennst du Den Mann? Ich kenn' ihn. Und? Er nennt sich Mago Und ist des großen Feldherrn rechte Hand. Mich dünkt, nichts Gutes bringt er uns. Bevor Du stirbst – höhnend. Im Schlingnetz? Sag mir, was du nächtens Vor jenem Felsentor zu schaffen hattest? Kundschafterdienste tust du nicht. Du, Freund, Du feuerblickender, goldzüngiger Hellene, Feldherr du von meiner Hand, Wie – erstaunt, bestürzt. Arratos! – wie wär's, wenn du das Schwert, Mit dem du tollkühn spielst, zur Abwechslung In meine Hände legtest? Todesmut Bringt Ehre sonst in jeglicher Gestalt, Doch du, Karthager, machst zur Narrheit ihn. Genug der Narrheit also, arme Narren! Wollt ihr den Ernst von diesem Raubtierspiel, Das hier mit euch gespielt wird – löst mir dies! Er reißt an den Stricken, mit denen er gefesselt ist. Nicht ich – ihr brauchet meiner Hände Freiheit, Damit sie euch die Schlinge zeigen können, In der ihr euch verfinget leise. Arratos! verstört. Was, Herr? Wie dünkt dich dies? Ich weiß nicht, Herr! laut. Gefährlich scheint der Mann. Drum zieht die Schwerter – Will er entrinnen, taucht sie in sein Blut. haben die entblößten Schwerter erhoben, Mago im Halbkreis umgebend. zieht das seine, tritt vor Mago, ihn mit den Blicken messend, und durchschneidet dann die Stricke. Jetzt rede, Mann! dehnt sich mit wildem Lachen. Dies Bergtal, holde Griechen, Das ihr zur Mausefalle für uns machtet, Ist, wie im Eingang hier, im Ausgang dort Von jähen Felsen himmelhoch umstanden. Wer diese Felsen hält – wohl dachtet ihr, Sie mit dem Frührot zu erklettern – nicht so? – Vertraust du diese Fackel mir? nach kurzem Besinnen. Es sei! Er winkt dem Fackelträger, dem Mago den Stiel aus der Hand reißt. Ich schwinge sie im Kreise! Schaut empor! Was seht ihr wohl? sind seiner weisenden Hand gefolgt. Erstickte Ausrufe des Entsetzens. zurücktaumelnd, leise. Verrat! – Ich schwinge sie Zum zweiten Male! Schauet dorthin! Er weist nach der entgegengesetzten Seite. Lichtschein, Aufblitzend und verschwindend, gab mir Antwort So hier wie dort – beim Ausgang wie beim Eingang. Ihr klugen Männer, was wohl folgert ihr? Stille des Betäubtseins. Man sagt in unserm Volk: Ein Griechenmund Verlerne selbst im Grabe nicht das Schwatzen. Ihr Freunde, dünkt mich, seid gar schweigsam jetzt. gefaßt. Karthager, falls nach deines Feldherrn Meinung Und deiner eignen – denn so scheint es fast – Kein Rettungsweg für uns noch offen ist, Weswegen kamst du nachts hierher? Um dich An unsrer Not zu weiden kamst du nicht. Daß du nicht jammerst, Freund, gefällt mir wohl. Stolz magst du sein – doch sei bedachtsam auch Und horche, was in dieser Schicksalsnacht Mein Herr dir sagen läßt: Ihr Griechen seid Verloren. Dieses steht so unabwendbar, Daß jeder Tropfen Blutes, den der letzte Vom Söldnertroß an euern Schenkeln abwischt, Ihn überflüssig dünkt. Drum, wollt ihr Gnade Für euch und eure Stadt und eure Kinder, Ergebt euch, ehe noch der erste Streich Gefallen ist. So sprach der große Feldherr. Der Antwort steh' ich harrend. Diese Antwort Ist kurz. Sie lautet: Antwort gibt es nicht. So reinlich, mit so kühn verschränkten Armen Stirbt kein Kothurnenheld auf eurer Bühne. Doch wenn dein Machtrecht so vollkommen ist, Daß du mit keines Zweifels Frageblick Bei deinen Freunden dich um Rat bemühst, So hör noch eins: Du bist verantwortlich Für das, was nun geschieht. Und du allein. Die andern mögen sterben. Du stirbst nicht. Stahlt ihr mein Leben, ihr gefräß'gen Diebe – Um meinen Tod könnt ihr mich nicht bestehlen. Von Balearenhand ein Schleuderwurf Reißt dich herab und, wandelt dich zum Spielzeug Karthagischer Vergeltung. Speere werfen Und Schwerter schlagen lernt ihr wohl so gut Wie wir, doch Rache nehmen an dem Feinde, Der unserm Zorn die Stirne bot, verstehn Wir besser als jedwedes Volk der Erde. Wer unsre Kerker kennt, mag euch erzählen, Doch wer sie jemals kannte, der erzählt Nichts mehr. Es sei denn, daß er, losgelassen, Noch Schlimmres leidet als von unsern Schlangen. Und nun entscheide dich. Führt diesen Mann Aufs Feld hinaus, wo ihr ihn jüngst gefunden, Und setzt ihn auf sein Pferd. Doch hütet euch, Daß ihr die Schläfer stört. drohend aufgerichtet. Wir sehn uns wieder! Der Hauptmann, Mago und die Krieger hinter dem Zelt links ab. 4. Szene Vierte Szene Lykon. Arratos. für sich. Geschehn ist, was ich vermochte. Von Säumnissen weiß ich mir keine. Schuldlos versink' ich in Schmach. Auffahrend. Willst du des Vorwurfs Stachel an mir wetzen, Nur zu! – Hier bin ich – wehrlos – jedem Hohn, Der aus Verzweiflung seine Kräfte saugt, Willkommen .... Warum stehest du so stumm Und kehrst das Aug' nach innen? ... Töte mich! ... Hier faß mein Schwert und töte mich! ... Doch nein. Das wär' ein leichter Loskauf ... Arratos – Daß ein Verräter war in Syrakus, Das ist das Gift, das in der Wunde wütet, – Das ist der Tod, an dem wir sterben – heut' Und immerdar, so lange Griechensöhne Ausspeien werden über unsern Gräbern. Ach – Arratos! ... Wild. So sprich doch! Wehe tut Dies Schweigen, weil es Haß und Flüche birgt. Erwäge, Herr, wie ich dich lieben muß, Wenn ich in dieser Schreckensstunde dich An die gemahne, die dein eigen sind, Und die du opfergleich – O still doch! Still doch! Dies ist nicht Bürgschaft mehr, wie du gewollt, Für selbstgewähltes Handeln – dies ist Mord. Darum, so lang' es Zeit, errette sie Und gib mir Vollmacht, daß ich alsogleich Durch unsre Nachhut schützend sie geleite. Vom Felsentore weiter mag mein Sohn – Denn mir ist bang um ihn – ja, auch um ihn – Sie heimwärts führen. Lang und glücklich sei Ihr Leben! Wäre dies Verrat? – doch nein! Wer uns nicht helfen kann in diesem Notkampf – – Und auch dein Knabe hilft nicht viel – der zieh' In Frieden. Lykon! Ich will zu dir, Lykon! Wer weckte mir mein Weib? ... 5. Szene Fünfte Szene Die Vorigen. Philarete. Diokles. Myrrha. voll Angst. Vergib! Im Schlafe Vernahm ich Stimmen, unheilkündende –, Zornrufe – zähneknirschendes Gelächter –, Ein Murmeln wie verhaltnes Notgeschrei. Ich lauschte rings – und jetzt war alles still Doch träumt' ich nicht – es kam aus deinem Zelte, Aus deinem Zelte kam das Schreckliche. Drum nahm ich unsre Kinder bei der Hand – Verschlafen sind sie noch – und floh zu dir! plötzlich scherzend. Verschlafen sind sie noch, das muß wohl wahr sein! O schäm dich, kleiner Mann! Und Mädchen du, Wenn Hypnos dir Mohnkörner ins Gesicht wirft, So wirf sie ihm zurück ... Nun also! ... Ruhig, Geliebte! Siehst du nicht, wie ruhig ich bin? Zwei Führer stritten sich. Ein jeder wollte Der erste sein, den schwersten Platz erhalten. Da mußt' ich schlichten wie auch sonst. Das war es. Doch da du einmal wach bist – Arratos Und ich besprachen, wo wir in der Schlacht Dich mit den Kindern wohl verbergen könnten. Gefahr ist überall – das beste wäre – Und – siehe – darum bitt' ich dich! – ihr kehrt Nach Syrakus zurück noch in der Nacht. zuckt hoch auf. Des Freundes junger Sohn, Artemidor, Wird euch geleiten. – Seine fünfzehn Jahre Sind noch zu weich, um altes Holz zu spalten. sieht Arratos groß und forschend an. Ich hole nun den Knaben. zu Arratos. Wär' ich erst Erwachsen wie Artemidor, ich bliebe, Und nähm' das Schwert, und – trocken. Ja, mein Sohn. Ab. 6. Szene Sechste Szene Die Vorigen ohne Arratos. Du schweigst? Du starrst mich an? ... Du gehst nicht gerne heim? Doch wohl! – Es muß ja sein. Es muß wohl sein, Daß wir nun Abschied nehmen. Abschied nehmen? Was sollen uns die großen Worte? Morgen, Zur Abendzeit – in Jauchzen eingehüllt – Auf Purpurwolken ... Kinder, sehet euch Den Vater an. Macht Wachs aus euren Seelen – Und drücket seine Züge tief hinein; Denn heute – seht ihr ihn – zum letztenmal. Was?! – Philarete?! Tränen hab' ich keine. Von Klagen hörst du nichts. Und meinen Gram Empfang' ich heut' in aufgetanem Herzen, Wie Menschen sonst der Götter Sonnengabe. Ich will ihn hegen als mein Köstlichstes. Ich will, so schwör' ich dir, das wenige, Das mir vom Leben schmerzhaft übrig bleibt, Vor deinem Bildnis opfernd niederlegen. Nicht Witwe, Priesterin will ich dir sein. So spricht ein Weib, das Traumgesichte sah Und falsch sie deutet ... Freilich – Kinderspiele Sind's nicht, die auf uns warten. Mancher Speer Geht seine Bahn, und ... Gnädig sei, Geliebter – Und laß mich eins nur fühlen, daß ich deiner Nicht unwert war. Mein Weib! Mein edles Weib! Sie halten sich umschlungen. sich lösend. Nun schilt mich, daß ich eigensüchtig bin Und die vergaß, die mit gerechtrem Anspruch Als ich um deine Liebe betteln. scheinbar leicht. Kinder, Wenn's etwa länger dauert als bis morgen, Daß wir uns – Ausbrechend. Kinder – meine – meine –! Er herzt sie. 7. Szene Siebente Szene Die Vorigen. Arratos und Artemidor ein halbwüchsiger Jüngling erscheinen rechts im Halbdunkel. Herr, Vergib! Wir stehn bereit. Noch nicht! Noch nicht! Laß mich in Gier die Augenblicke trinken. Will ich doch nichts! Ich will nur ... Sieh, so blickt Das Auge ... So gewölbt der Stirne Rand! ... Das Haar ist so ... Und so der Mund – der liebe! O fluche mir, wenn ich jemals, wie Weiber Gemeinrer Art wohl tun im Drang der Jahre, Dies Eigentum, dies gütereiche Antlitz Kaltsinnigem Vergessen würdelos Zur Beute werden ließ! Und fluche mir, Wenn je die Nachtzeit zwischen Traum und Tränen, An finsterm Herd, auf notzerwühltem Lager, Mir nicht dies Bild als Leidgenossen bringt ... Die Stunden fliehen, Herr! So lebe wohl! Es sind zwar Angstgespinste, die dich quälen ... Doch – lebe wohl! Er wendet sich ab. Ach, Vater! Vater! sich mit dem Mantel das Gesicht verhüllend. Geht! Philarete nimmt die Kinder bei der Hand, wirft einen langen, abschiednehmenden Blick auf ihn. Mit Arratos und dessen Sohn rechts ab. 8. Szene Achte Szene allein. Wie sie dort fliehn, in Dunst schon halb zerronnen, So rinn' auch ich ins Meer des Niegewesnen. Des Niegewesenen? So war umsonst, Was ich dem Antrieb heil'ger Not entrang? Das Feuer, das aus tausend Herzen mir Entgegenschlägt, hab' ich umsonst entzündet? Und willenlos entweich' ich zu den Schatten? Ihr ew'gen Götter, die ihr Sieg und Fehlgang In hohlen Händen spielend wägt, weshalb Verräterischer Tücke den Gewinst? Und mir, der hohen Sinnes ausgezogen, Um eure Heiligtümer zu beschützen, Nur Fluch und Schimpf und Unwert und Vernichtung? Zeigt mir den Sinn der Klarheit und der Würde, Mit der ihr uns regiert! Gebt mir den Sieg! Mir gebt den Sieg! Und ist er längst vertan, Mir aus dem Schlunde des Unmöglichen Reißt ihn empor, wie ihr Persephonen Dem Hades einst entrissen! ... Was ist das? ... 9. Szene Neunte Szene Lykon. Die Erscheinung, eine lichtumflossene Jünglingsgestalt mit wüstem Schwarzhaar, fahlen, welken Zügen und brennenden Augen, bis zum Gürtel nackt und von gesträubten, fast bis zur Erde reichenden Fittichen umrahmt, deren Spitzen vorn zusammenstoßen. Sie trägt eine eherne Keule in der Hand und geht zwischen den im Hintergrund liegenden Kriegern umher, den einen und den andern mit der Keule berührend. Was wandelt dort, in weißes Licht gekleidet, Gleich einer Flamme durch die Felsen? ... Sandtet Ihr einen Boten aus den Höhn, ihr Götter, Mir Heil zu künden? Warum hält er inne Bei dem und dem und hebt und senkt die Keule Auf die Nichtsahnenden? An anderen Schaut er vorbei. Warum an diesem hier – Und nicht an dem? Wählst du so wählerisch Die Freunde dir, o Genius, an mir Geh nicht vorüber! Wer du immer seist, Mir halte stand – denn mir bist du willkommen! Was begehrst du, Staubentsproßner? Warum hemmst du meine Bahn? Und kämst du von den Unterirdischen Und bärgest einen Fetzen Sieg in deinem Gewande – gib ihn her! Ich kann ihn brauchen. Fordre nicht, du hast zu geben. Ungeschehn ist unverloren. Noch ruht Sieg in deiner Hand. In meiner Hand?! Lacht verzweifelt. Blick um dich, Leuchtender, Und jage nicht mein Hirn in wildes Hoffen! Wer sandte dich? Was schleichst du durch das Lager?! Du bist der Tod – der Tod sitzt dir im Auge!! Der Tod ist mein lächelnder Bruder. Nachblühendes Leben Gönnt er dem Schlafenden, Den fromm ein Denken geleitet. Ich aber zermalme die Beute Erbarmungslos. Ein Grausen packt mich an. Wer bist du, Dämon? Wer mir verfallen ist, Der wird gelöscht Von der Tafel der Zeiten. Wen ich berühre, Der stirbt den großen Tod: Vergessensein. Wie? Jene dort, die du dir auserwählt, Die jetzt ein Traum durch tausend Leben schaukelt, Die sind nicht tot nur – sind vergessen schon? Ein schnelles Handwerk treibst du da. Und ich? ... Mir gibst du Schonung? ... Hör mich an! Der Tod Ist mir ein Labsal – aber wenn ich lebe, So weih' ich mir den schreckenvollsten Fluch: Vergessen will ich sein wie jene dort. Gelöscht von allen Tafeln aller Zeiten. Kein Ruhm soll jauchzen, keine Liebe klagen. Mein Name sei ein wesenloser Schall. Mein Ich sei nicht mehr Ich ... Zerfallen Soll dieser Leib im Leben wie im Tode. Die Sonne will ich nicht mehr sehn ... Was noch? ... Was will ich noch? ... Mir gib den Sieg, o Dämon! Opfre Großes, und dir wird ein Größres. Mögliches erschafft Unmögliches. Fahre wohl! Du Sohn des Dunkels Wirst die Sonne nie mehr sehn. Verschwindet. ... Nie mehr sehn? Entschlossen. Drum Kampf, so lang' es nachtet! Er tritt hinaus und ruft nach hinten. ... Drommeten, ruft die Schläfer!! Ein langgezogener Tubaruf erschallt. Der Vorhang fällt. 1. Akt 1. Szene Erste Szene Menesto, eine alte Schaffnerin, mit Bio, Phenippe und anderen jungen Sklavinnen, die Blumenkörbe tragen. Erst kränzet den Altar, dann kränzt den Thron, Und Pfort' und Säule wollen auch ihr Teil. Nur jene Bilder lasset ungeschmückt, Denn Schmuck sind sie sich selbst, sagt unsre Herrin Was lacht ihr, Kinder? Lachen dürft ihr wohl. Das Haus verfällt, des Mägde mürrisch sind, Sagt unsre Herrin. Aber wenn ihr lacht Und lacht an diesem Tage – Ist er nicht Ein Tag der Freude? Jubelt nicht das Volk Und schmückt die Hermen – tanzt um die Altäre –? Und schielt nach rechts und schielt nach links derweilen, Ob kein Karthagischer des Weges komme. Denn übel deuten könnt' er das Gebaren. Was wollen sie in unsrer Stadt, die braunen, Gierschlündigen Gesellen? Wen ein Blick Aus ihrem Auge trifft, dem ist's, als führe Der Mordstahl ihm zum Herzen. Haben wir Umsonst sie überwältigt in der Quellenschlucht Heut' vor zehn Jahren, daß wir dulden sollen, Wie sie auf Markt und Gassen –? ängstlich. Still doch, still! Sorg um die Peitsche, Kind! Wir dienen Dem Herrn der Stadt. Mit der Gebieterin Und ihres Hauses Recht erwarb er uns Und hält uns gnädiglich. Wenn er so will, Wenn er zu Freunden die Karthager will, Ob deren Haupt er selbst die Geißel schwang, Wie darfst du Nichts, du Weniger-als-Nichts, Du, die du nicht den Kaufpreis wert bist, du – Ich schweige schon und denk' mir dies und das Und denk' auch an den Herrn, den gütigen, Der heute vor zehn Jahren – zusammenzuckend. Gar noch er! Gedenkst du seiner nicht, Menesto? verängstigt. Nein! Ich nicht, du nicht, die Herrin nicht und keiner. Verboten ist's, den Namen je zu nennen Des Mannes, der in frevlem Unbedacht Die Stadt der Väter und des Heers Vertrauen Der List des Feindes blindlings preisgegeben; Und wäre nicht – Sieh, wer dort – 2. Szene Zweite Szene Die Vorigen. Myrrha. sich tief verneigend. Kränze legten Wir achtsam um des Hauses Heiligtum. Der Hochsitz steht in Blumen. Was gebietet Die Herrentochter? Freuen wollt' ich mich Mit euch – Kranzopfer bringen, wie ihr tut, Und mit des Liedes Wechselsang den Tag, Des Feier alle Seelen hebt, verschönen. Doch schau' ich um mich, find' ich halb nur froh Die Blicke, und die Stirnen halb umwölkt. Die Hände streck' ich aus, doch jähes Schweigen Sagt mir voll Argwohn, daß ich draußen stehe. Was ist's? Was bergt ihr mir? O Herrentochter, Wer sonnumstrahlt den jungen Morgen grüßt Wie du, der hüte sich, zu viel zu wissen. Denn alte Sorgen sind wie alte Hände – Schwach scheinen sie und überflüssig –; doch Umspannen sie die Welt. Nur Kindersinn, Der ihre Macht nicht kennt, kann sie verlachen. Jüngst hört' ich zu, wie meine Mutter sagte, Ein neu Geschlecht erbaue sich von neuem Die Welt. Das Wort verstand ich nicht. Nun wird Es mir wohl klarer, doch wenn eure Sorgen Und unsere sich nicht die Hände reichen, Wo nehmen wir dann eine Zuflucht her? Sprich nicht von Zuflucht, nicht von Sorge. Du nicht. Wacht nicht die Mutter liebreich über dir? Hält nicht der Mann, den du als Vater preisest, Das Zepter dieser Stadt? Blüht nicht in Prangen Ein Bruder dir? Beschützt ihn nicht als Freund Artemidor? Und wenn mich nicht zuweilen Mein altes Auge täuscht, so will jetzt Eros Den schärfsten Pfeil aus seinem Köcher nehmen Und – Still doch, Liebste! Peitsche nicht mit Ruten Die wunde Seele, die sich schon genug Bestraft. Bestraft? Wofür? Ich weiß nicht. Weiß Nur eines, daß – Erschrocken. Er kommt! sich nach hinten wendend, wo die Sklavinnen sich an den Bildsäulen zu schaffen machen, indem sie sie beklopfen und behorchen. Was treibt ihr da, Ihr Mägde? 3. Szene Dritte Szene Die Vorigen. Artemidor ist, von den andern unbemerkt, erschienen und beobachtet vom Säulengange her Myrrha, die ihn in Beklommenheit nicht sehen will. Einst erzähltest du, Menesto, Am Flusse Nil – da gäb' es einen Gott, Der heißt – wie heißt er gleich? – der klänge grüßend Der Sonn' entgegen, wenn sie morgens aufsteigt. Hier – Zeus klingt auch. Welch Märchen! O, kein Märchen! Jüngst rührt' er seinen Donner – alles bebte, Und ich in Bangen flüchtete hierher. Da fand ich unsre Herrin knieend, lauschend – Sie winkte mir: »Sei still – es spricht der Gott.« In seinem Donner sprach er. Nein. Denn lauschend, Wie sie, vernahm ich dann aus diesem Stein Ein Klingen, das des Gottes Stimme war. Selbst wenn er klingt, euch klingt er nicht. Er klingt Er klang auch jetzt. Macht, daß ihr fortkommt! Schauet! Dort steht der Herrensohn! Artemidor, Der schöne! Fort nun! Menesto und die Sklavinnen links ab. 4. Szene Vierte Szene Myrrha. Artemidor. Heiß' ich »Schwester« so Dich, Mädchen, frag' ich immer mich mit Staunen, Was wohl geschwisterlich in dir und mir. Uns gab vertrautes Beieinanderwohnen Ein güt'ger Gott, doch größer war die Güte, Die mitten in der Jugend frohen Spielen Einander fremd uns bleiben hieß. Jawohl! Senk nicht die Wimper, zucke nicht die Lippen! Fremd sind wir uns, und also soll es sein. Denn unser wartet nun bedeutungsreich Ein holdes Näherkommen. Frommer Zwiespalt, Vorfreud'ges Angstgefühl erwarten uns. Du schweigst? O nenne nicht Vermessenheit, Was mir wie Zagen ist, und horche freundlich Dem Willkommruf in dir, wenn auch dein Auge Mich scheu von hinnen weist. Artemidor, Mein Bruder, glaube nicht, daß ich nicht wüßte, Was rings die Leute raunen. Füreinander Sind wir bestimmt seit langem. Warum spielen Wir nun mit Dingen, die so heilig sind? Ja, rissest du mich an dich, gäbst du mir Den Namen, den ich fühle, gut, so beugte Ich mich dem Willen, der von oben kommt, Und fragte nimmer. Denn wer bin ich Großes, Daß ich zu fragen hätte? Doch seit Monden Lieg' ich nun schlaflos lange Nächte – dunkle Gedanken kommen, gehn und kommen wieder. Ein Schatten kommt, den ich nicht nennen darf, Und will ich ihn ergreifen, ist's ein Schatten. Was wird mit diesem Hause? wird mit uns? Der Bruder geht leichtherzig seinen Weg. Wohin? Woher? Ich weiß es nicht. Nur du Hast Kunde von dem Leben, das ihn festhält. Die Mutter! Ja, die Mutter. Blut'ge Wunden Umkleidet sie mit ihrer Seele Weichheit. Drum zeig' ich ihr ein fröhlich Angesicht, Geh' mich als Kind und bin es doch so wenig. So bliebst nur du. Fremd, sagst du, sein wir uns. Du warst es nicht – mir nicht – doch wirst du's nun, Mit Schrecken fühl' ich's – wirst es mehr von Stund' Zu Stunde. Wenn ein plötzlich Zutraun leid'ge Verborgenheiten bloßlegt, stutzt man wohl – Ermannt sich aber langsam. Fremdsein heißt Uns neu sein. Neusein macht bemerkenswert. Und also soll der Fremderwerdende In höhrer Schätzung stehn als der Vertraute Du lächelst? – Fühlst du wohl, wie man es lernt Sich beugen dem, des künft'ge Herrschaft man Als gottgewollt empfindet? Hör mich.. Nein! Hier droht uns eine Feier. Ist mir doch, Als quält' uns schon des Flötentons Gekreisch.. Doch heut' am Abend, eh das Fest beginnt, Das Bruder Diokles den Jünglingen Zu spenden sich vermißt, sei leise dir Ein Fragewörtlein in das Ohr geraunt. Erschrick mir nicht. Was andre wie ein Recht Mit plumpen Händen in den Säckel tun, Das will ich mir als eine seltne Frucht Vom höchsten Wipfel der Gewährung pflücken. Dienerinnen öffnen die Tür links. Der Vater! Deine Mutter ist mit ihm. Willst du bereit sein? beklommen. Ja, ich will. 5. Szene Fünfte Szene Die Vorigen. Arratos. Philarete. neigt sich vor Arratos und wird von ihm auf die Stirn geküßt. Dann schmiegt sie sich an die Mutter. begrüßt mit großer Ehrfurcht Vater und Stiefmutter. Find' ich In trautem Zwiegespräch euch beieinander, Ihr beiden Kinder, wird der frohe Tag Noch heller. Strahlender wird mir der Sinn, Der Vor- und Nachbedeutung lieblich mischt. Mein gnäd'ger Vater, nimm von meinen Lippen Den Wunsch, daß dieses Tages Sonne, die Dein Haupt mit Ruhmgold glorienhaft umspinnt, Der Menschen und der Götter Neid enthoben, Durch Ewigkeiten dich umstrahlen möge! Ich danke dir. leise. Nun sprich auch du! Was soll Ich sprechen? leise. Sprich! Mein Vater, ungeschickt Bin ich in Lobesworten. Wardst du nicht Von allen Göttern so mit Glanz gesegnet, Daß du des Mädchens zage Huldigung Gar leicht entbehren magst, dem wider Willen – Ganz wider Willen – glaube mir, der Mund – Sich – leise. Weine nicht! drückt sich mit unterdrücktem Schluchzen an sie. Auch deine Mutter ist Nicht heiter, wie man sieht. Unausgesprochnes, Unauszusprechendes wühlt in den Seelen So ihr wie dir. – Ich ehr' es, und ich muß Es ehren. Menschlichkeit verleugn' ich nicht. Drum nehm' ich diesen Ansatz für die Tat Und sag' euch Dank. Doch was ich ungern jetzt Gewahren muß, ist, daß der einz'ge, der Noch hergehört und dessen schuld'gen Gruß Ich wohl erwartete, dem Hause fernbleibt. O zürn ihm nicht! Und täuscht mich nicht mein Ohr, So hör' ich ihn nach seiner kindischen Gemütsart scherzend mit dem Wächter. 6. Szene Sechste Szene Die Vorigen. Diokles. hereinstürmend und plötzlich stutzend. Was da? Wie seht ihr mich so strafend an? Oh, zwar Ein wenig strafbar fühl' ich mich auch sonst. Ja, daß ich atme, wirkt schon strafenswert. Doch, wie gesagt, ich grüß' euch, edler Vater Und liebe Mutter, und auch sonst die ganze Gesellschaft. Höre mich, du Wilder! Wer Sich Sohn mir nennen will, dem wär's geziemend, Daß er des Vaters würdig sei. Was nun? Du teilst die Ehren dieses Hauses – Das, Wenn ich gehorsamst dich erinnern darf, Von Hause aus mein eigen Haus ist! Schweig, Vermeßner! zerre nicht an meiner Güte, Die schon zu lange diesen Trotz erduldet. – Und läs' ich nicht in deiner Mutter Auge Ein heimlich Flehen, das um Losspruch bittet, Und wäre nicht der Tag so freudereich – – Der Tag? Was für ein Tag denn? Wär' es möglich? Auf welcher Erde hausest du, mein Sohn, Daß du nicht weißt, wie heute vor zehn Jahren In jener Schlucht durch aller Götter Hilfe Karthagos Übermacht –? Ja so! Das war Ja wohl der Tag, an dem sie meinen – – Wie? O nichts, vergib! Bald hätt' ich Schwereres Vergessen. Hätte gar an einem Namen Die Zunge mir verbrannt, dem heil'gen Namen, Der, wie du wolltest, uns zum Gift geworden, Da, der ihn trug, in allzustolzem Glauben Die weiße Stadt der Not zur Beute gab. Ich schweige schon! Beim Zeus! ... Doch schau hinaus, Mein gnäd'ger Vater. Leicht versieht man sich. Es gibt so viel Karthager in der Stadt, Die beinespreizend auf den Gassen prunken, Daß uns der Glaube wohl gedeihen kann, Der Tag sei nie gewesen – oder schlimmer – Er hätt' uns eine Schlappe heimgebracht. Bewegung. heftig. Genug! Im eignen Hause füglich sollte Man Dank sich ernten. Doch als Trotz und Hader Und kaum verhehlter Vorwurf kehrt mein Wohltun Zu mir zurück. beflissen. Mich, Vater – Laß, o laß! zu Diokles. Wie durftest du, zumal an solchem Tage, Der unsern Jubel zu den Göttern trägt, Den Helden, der die Stadt errettete – Den Helden, der uns Vater ist und Freund ... Tritt vor ihn, Kind, und wirf dich in die Knie! – Verschmäh ihn nicht, du Teurer. Sei ihm gnädig! Zu Diokles. Bei allen Göttern, sprich! Was ich da sagte, Mein hoher Vater, war kein Lästerwort, Dich zu betrüben tückisch vorbestimmt, Auch keines Murrens, das da heimlich hauset, Geschwätz'ger Widerhall. – Vergnüglich ist Die weiße Stadt – vergnüglich sind wir alle – Und wahrlich! Übel würd' es uns geraten, Wenn's anders wäre! Doch was unverstanden Und ungehört in jeder Brandung atmet, Was mit verhaltnem Herzdruck uns die Brust Zusammenschnürt – ich weiß nicht, was es ist, Mein Vater. – Ist's, was ich da faselte? Ist's jener eine Mago, der seit Monden Als wohlgehegter Gast im Land umherstreicht? Wie dem auch sei, mein Mund ist nicht berufen, Dich zu gemahnen, daß – – denn wer – wie ich – Von da herstammt, wo man – – wo ich herstamme, Der muß – maulhalten ... Drum – vergib! Er sinkt in die Knie. Steh auf, Mein Sohn. Unedel ist dein Wille nicht, Und so vergeb' ich dir. Doch acht in Zukunft Bedächtiger, wie Menschenwitz den Lauf Des Stromes lenkt, der, ob er tausendmal Bezwungen scheint, uns doch verschlingen würde. – Ihr Jünglinge, verkündet auf dem Markte, Daß euer Vater ohne viel Gepränge – Denn Aufsehn liebt er nicht, als Herr der Stadt Zu trumpfen liebt er nicht – dem Zeus-Erretter In dessen hehrem Tempel heut' als Opfer Zwei goldgehörnte Stiere bringen werde, Den alten Sieg zu preisen. So zerstört Ihr gleich das alberne Gerücht, die Feier Sei nicht beliebt, weil unsre guten Freunde Sich dran entrüsten könnten. – Noch ein Wort, Mein Sohn! Nimmt Artemidor beiseite. Ich aber will für meinen Teil Der Artemis 'nen Lichterkuchen opfern. Zehn Lichter drum herum und eins inmitten, Das ausgeblasen wurde, weil – es stank. Ab. leise zu Artemidor. Du lenkst ihn falsch. Unschädlich ihn zu machen, Begehrt' ich, als ich ihn dir übergab, Doch scheint sein Trotz im Wachsen. Sag, wie steht's? In Lüsten wälzt er sich. Sein Leumund ging Zuschanden. Was zugleich ihn abwärts treibt Und wieder hochreißt, dunkel ist's und schwer Zu bänd'gen – ist ein Gram, ein Groll, der heimlich Ihn strafft – der Gram um seines Namens Schande. Zu schonen ist mein Wunsch. Sein Blut begehr' Ich nicht. Doch wenn – ...'s ist gut. – Was jenes Mädchen Belangt, will ich mich umtun. nach Verabschiedung ab. zu Myrrha. Siegesfeste Laß andre feiern, Kind, und geh derweilen Dem Eros einen Schurz voll Rosen weihn. ab. 7. Szene Siebente Szene Arratos. Philarete. Der Tag erglänzt – die Herzen schlagen höher, Nur du – verfremdet und in Gram gemummt – Gesellst dich mir als Freudestörerin. Kehr heim aus deines Kummers dunklem Fernsein! Kehr heim – nicht bloß, wie du wohl sonst auch pflegtest, Glutheiße Händel bittend abzukühlen Und zwischen Fels und Fels ein weiches Wort Zu streun – kehr heim und bring die Seele mit, Die irgendwo an hoffnungslosen Ufern Schiffbrüchig in die Leere weint. Kehr heim, So rufst du! Mahnst du mich an Pflichten, Die ich vergaß? Sprich, war ich nicht daheim, Wenn du in Sorgenächten, krampferfaßt, Auf deinem Pfühl dich schütteltest? Wenn du Im Halbtraum angstverzerrte Laute stöhntest, Und wenn du wahnkrank an des eignen Handelns Gesetz das Messer der Verzweiflung legtest? Nicht! Laß! Nichts mehr davon! Das war einstmals, War jüngst noch meinethalben! – aber – sieh! – Das hat sich aufgehellt – genas – und ward Zum Heile, denn, was heute – – ja, ich muß Dich loben! Treulich standest du zu mir, Vergaßest eigne Not und legtest kühlend Den Balsam deiner Hände mir aufs Haupt. Doch wüßt' ich gern, in welcher Bahn derweilen Dein Denken kreist – ob du nicht gar mißbilligst, Vergleiche stellst und dich im Rückerinnern Entthronten Göttern vor die Füße wirfst. Kehr dich nicht ab. Ich weiß, daß ich mit Schatten Im Kampfe liege, daß ich Nacht für Nacht Mir zollbreit meines Lebens Grundwerk neu Erobern muß. Mein Freund, laß uns des Daseins Verhüllte Bürde schweigend weitertragen – Gleich Weggenossen, die bei hartem Wandern Die Füße sich wundliefen und dies Wehtun Wie eine Schande nicht bekennen wollen. An Heimlichkeiten zwischen dir und mir Wuchert's in Fülle. Wir ersticken fast Daran und können, dürfen doch nicht reden. Bedenkst du mich, mein Handeln steht so hell, So klargefügt vor dir und aller Welt – Ich weiß nicht, was ich noch zu hehlen hätte! Schau her! Tyrannenschaft ward mir geschenkt Von einem Volke, das in Dankesjubel Nicht Maß noch Schranke sah. Ich wehrte mich Und tat sie weg – bescheiden, zagend fast – Wie einen Lorbeer, der mir nicht gebührt. Kein Schandmal flecket diese Stirn, kein Feind Sank unter meines Henkers Fäusten hin. Und wen ich bannte, dessen Schätze machten Mich selbst nur ärmer. Sieh! Wo ist der Goldreif, Der herrscherhaft die Schläfen schmücken sollte? Wo der Palast, der seiner Mauerzinnen Gebiß der weißen Stadt entgegenfletscht? In meines Weibes Hause wie ein Gast, Ja wie ein Fremdling wohn' ich unbewehrt. Kaum, daß ich mir die tausend Wächter gönne, Die mir zu meines Leibes Schutz das Volk In Liebe dargebracht. So leb' ich – leb' Und sühne! – Sühne – was? – Was wär' zu sühnen! Wohl jener Sieg? Doch sühnt man Siege? Sühnt Man Glück, das kein Glück ist? Das wie der Nattern Geringel Seel' und Leib zuschanden schnürt? – – Ja so! Vergib! ... Denn dein vergaß ich fast! Undankbar bin ich nicht! Vergib. Von Danken Sprich nicht. Weiß ich ein Wort, das zwischen uns Nicht sinnlos wär' – ein Wort, das unsrer Seelen Gemeinschaft bündig trifft, so heißt es: Schuld. Was – Schuld? Auch das noch Schuld! Warst du nicht frei? Warst du nicht mit der Deinen Leib und Leben Mir anvertraut? Wie könnt' ich dies Vertrauen Bewähren – klüger, maßvoller bewähren – Als euch in meines eignen Namens Hut Vor des empörten Volkes Ungestüm Zu schützen? So nur wurdest du gerettet Und mit dir Kinder, Haus und Heimatsrecht. Du sträubtest dich, du wolltest aus dem Fehlen Des nie gefundnen Leichnams Schlüsse ziehn – Und noch in diesem Augenblicke zuckt Dein Körper wie vom Blitz berührt. So banne Jetzt endlich jene Sorge! Viele waren Durch niederdonnerndes Gestein in Staub Zermalmt und selbst der Liebe Sucherblick Ganz unerkennbar. Laß ihn ruhen! ... Laß Ihn ruhen! ... Schlimmer wär' es ihm ergangen, Wenn etwa – doch genug! Zu Heiterm jetzt. Was unsre beiden Kinder anbelangt, So wär's wohl Zeit, daß wir Entscheidung träfen. Doch bitt' ich noch einmal: Den Schatz des Hauses, Den unermeßlichen, der von den Vätern Drin aufgehäuft, gib frei! Bekenne mir Die Stätte, wo du ihn bewahrst. So kläglich, So mitgiftlos wirst du die einz'ge Tochter Nicht aus dem Hause tun. Und von dem Anteil, Der deinem Sohne zukommt, soll kein Deut Entwendet sein. So schwör' ich abermals, Wie ich dir oft geschworen. Und so oft Du dieses tatst, erhärtete mein Schwur, Daß ich die Güter alle, die dem Hause Zu eigen, ohne Rückhalt, ohne Mißtraun In deine Hände gab und daß die Stätte, Nach der du forschest, mir Geheimnis blieb. Nun richte mich, doch quäle mich nicht mehr. Soll ich den Maulwurf spielen unter diesem Gestein? Soll ich die Sklaven foltern lassen, Bis Blut und Worte durcheinander sprudeln? in Angst und Flehen. Nicht einer weiß, nicht einer! Aber mir Hängt Hand und Herrschaft an dem einen Wissen! In tausend Truggestalten schleichen sie Durch Stadt und Lager – wispern hier Und tuscheln dort und kaufen Trödel, der Nicht schenkenswert ... Wo dieser schnell verarmte, Wo jenem Ruf und Ansehn brüchig ward, Wo Habsucht lauert und verhaltner Groll Die Fäuste ballt, da nisten sie verstohlen Und werden Gastfreund, Spiel- und Zechgenosse – Da gleißt das rote Gold! ... So kaufen sie Das halbe Syrakus mir, kaufen Volk Und Edle – kaufen mir die Wächter – kaufen Das Bettzeug unter meinem Leibe mir. Nicht ganz so freudereich erglänzt der Tag, Wie du mich glauben ließest. Und auf wen Kannst du wohl zielen, sind es jene nicht, Die – –? Die Karthager, glaubst du? Nein, o nein! Die sind mir freund! Ist Mago nicht mein Freund? Er mehr als alle? ... Ja ... Denn wär' er's nicht, Was wollt' er sonst in dieser Mauern Obhut Und prüfte liebend ihre Kraft und prüfte Noch liebevoller meine Morgengrüße? Doch – immerhin – an Einfalt krank' ich nicht. Ich zäune mir den Garten, drin mein Schicksal Zur Blüte kam. Spürfinger streck' ich weit Hinaus. Glaub nicht, daß mir in Stadt und Hafen Ein Hauch entwischt, und was zu nächt'ger Stunde Sich zutrug, was – An das metallne Becken schlagend, das links an einer Säule hängt. He, holla, Hüter! 8. Szene Achte Szene Die Vorigen. Der Türhüter. Herr? Sind von den Männern, die frühmorgens hier Zu warten pflegen, etliche vorm Tor? Es lauern ihrer zweie, Herr! 's ist gut! Sie sollen kommen. Der Türhüter ab. 9. Szene Neunte Szene Die Vorigen. Zwei Spaher. Was berichtet ihr? Eurytimos, o Herr, der starke Ringer – – Derselbe, den ich unlängst bannte, weil – – –? Was ist's mit ihm? Bebärtet und als Bettler Schlich er zur Stadt herein in grauer Frühe. Dies wird mich später kümmern. Doch – wie steht's Mit Mago? verlegen. Mago sah ich nicht. zum zweiten. Und du? sieht zaudernd Philarete an. Du schweigst? Geheimnisse, die mich mit euch Verbinden, wird die Herrin ruhevoll Ertragen! Sprich! Ein andrer Bettler, Herr – Was, Bettler! Bettler! Kümmern mich die Bettler? Von Mago, meinem Freunde, laß mich wissen! Der Bettler, Herr, von dem ich Kundschaft bringe, Wird dich erstaunen, mehr als Mago kann. Wie das? Vom Hafen kam er. Welch ein Schiff Ihn hertrug, blieb unaufgehellt. In Mühsal Sich weitertastend, führerlos – denn er Ist blind, vom Stahl geblendet, wie es scheint – So kroch er allgemach zur Oberstadt, Gesellte sich den Gabeflehenden, Die haufenweis am Tor der Achradina Im Staube knieen – und – Und? Wirre Reden Führt er allda: Wenn je du wüßtest, Herr, Was ihm zu wissen ward vergönnt, du würdest Ihn lohnen königlich, du würdest – Weiter, Nur weiter! Herr, ich darf nicht weiter. Wer Versagt es dir? Du selbst. Bei Kerkerstrafe Verbotest du, den Namen je zu nennen Des Feldherrn, der – streckt mit einem fragenden Aufschrei die Hände gegen ihn aus. halb zu Philarete gewandt. Wenn ich so tat, geschah's, Damit nicht Schmähung ungerecht sich häufe Ob einem Grabe, das nur Tränen heischt. Bei allen Göttern, warum sprichst du nicht? fragend zu Arratos gewandt. Ich weiß nicht – Sprich! So bleib' ich straflos? Ja. Der Blinde Bettler also dort am Tor Berühmte sich in Worten mancherlei – Und alle lauschten wie verzaubert ihm –, Er könne melden, was auf Erden keiner Gehört und wahrgenommen außer ihm: In welcher Art – und wo – und wann – einst jener – Der – – der – Sich ein Herz fassend, fast schreiend. einst Lykon, unser Feldherr, starb. nach einem langen Schweigen. Am Achradina-Tor, so sagtest du? Dort, wo die Bettler knieen, hohe Herrin. Wie sieht er aus, der Mann? leise. Laß! Davon später! sich hoch aufrichtend. Wie sieht er aus, der Mann? Kein Menschenanblick War je so schreckensvoll. Gesicht und Glieder Von Marterspuren wundgefleischt. Der Augen Zerrissne Höhlen wie mit Blut erfüllt. Wildweißes Dünnhaar starrend um die Schläfen. Die Stimme kreischend wie geborstnes Glas Und Lästerworte speiend. Böse scheint Der Mann, und Böses hängt an seinen Fersen. Ihr mögt nun gehn. Doch harret, bis ich eurer Bedarf. Die beiden Späher ab. 10. Szene Zehnte Szene Arratos. Philarete. stammelnd, fassungslos. Ich will – Menesto will ich rufen – Damit sie mich geleite. Bleib! Ich bitte! Unwürd'ges Fragespiel vor aller Welt! Zudem – wie leicht verfielst du Gauklerkünsten, Die mit gefälschter Botschaft dich umgarnen! Ich will den – da – verhören lassen – strafbar Ist er gewiß – und mit dem nächsten Schiffe Beiseite tun. Du, Mann, jetzt höre mich! Seit Jahren wandl' ich neben dir in Stummheit, Und meiner Seele Haus hab' ich verschlossen Mit tausend Schlössern. Jetzo spreng' ich sie. Daß ich Verbrechen, todeswürdige, Beging, als ich mich deinem Willen gab – Denn jenem einzigen war ich geweiht –, Davon will ich nicht reden, dieses trifft Mich ganz allein. Doch wenn du jemals wähntest, Daß, weil ich um dich war in wacher Sorge, Weil ich dein Bett geteilt und deine Nöte, Daß darum dir von dieses Herzens Fülle Mehr als ein Überrest, ein Armutsopfer Zu eigen ward, so täuscht sich deine Mannheit Denn ihm gehör' ich ganz – so heut' wie je – Doch nicht in Sehnsucht mehr, nicht mehr in Liebe, Die willenlos nach Unsichtbarem greift – Angst ward mein Wesen, Angst und nichts als Angst, Angst, daß er leb', Angst, daß er eines Tages – Als Rächer nicht, denn seine Rache soll Willkommen sein – o nein, in stummem Jammer Als Freund und Mahnender so vor mir stehe, Wie du hier stehst Und nun, da hergesandt aus dunklen Landen Eine Bote naht, der Frieden mir verheißt – Da sträubst du dich und spinnest Ränke? Wahrlich, Kannst du mit eignem Werke nicht den Mann Vergessen machen, der mir alles war, So hol dir einen Helfer! Ich dafür Gelobe dir: Wenn ich erst wieder lebe – Vielleicht werd' ich lebendig, weil er tot –, Dann will ich – ja doch – lieben will ich dich Und lachen will ich wieder lernen – und – Zutraulich will ich sein – und – mich – kleinmachen – So klein, wie jener groß war, dessen Sterben Mich jetzt befreien soll. Versteh mich gut – Die Zukunft klammert sich in diese Stunde – Und schaff ihn her, den blinden Mann – hierher, Daß ich ihn fragen möge, zeugenlos. Erfüllst du mein Verlangen? nach einem Schweigen. Dein Verlangen Soll alsobald erfüllt sein. Noch vor Nacht Wird er an dieser Stätte stehn. Hab Dank! Der Vorhang fällt. 2. Akt 1. Szene Erste Szene Bettler in zwei Reihen knien vor dem Tor, eine Gasse freilassend, Darunter Eurytimos, Deonax, Sosthenes, Mandros, der Blinde. Ein Reisender mit seinem Diener kommt eben durch das Tor. in singendem Tonfall. Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen, Seid ihr Kinder der nährenden Stadt, Weigert uns nicht die helfende Gabe; Vaterlandslos Könnt ihr einst werden wie wir. zu seinem Diener zurückgewandt. Du, leere meinen Säckel unter sie. Manch einer kennt gewiß verborgnen Zauber, Und gerne käm' ich heim. Der Diener wirft ihnen Münzen zu, um die sie sich reißen. Nur der Blinde, der abgewandt als letzter der vorderen Reihe sitzt, rührt sich nicht. Der hochthronende Zeus, Poseidons Lächeln Seien dir gnädig. Der Reisende und sein Diener nach links ab. Drei Schiffe liefen ein. Von Hellas eins, Zwei von Karthago. Doch weil Festtag heute, Wird niemand ausgeschifft, wenn nicht – wie diesem – Das Geld die Tore sprengt. Der Weg bleibt leer, Und mager der Ertrag. Doch steigt hernach Der Opferzug zum Tempel – zum Tor hinweisend. Dort Karthager! 2. Szene Zweite Szene Die Vorigen. Drei Reisende in afrikanischer Tracht, einer davon Gubal, kommen durch das Tor von rechts. wie vorhin. Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen, Seid ihr Kinder der – Die Karthager gehn an der Gruppe vorüber. Schweigt stille! Stille, sag' ich! Von Karthagern Wird nichts genommen, solang' ich hier kniee. Die Karthager, die mit feindseligen Gebärden den Schauplatz mustern, ohne die Bettler zu beachten, links ab. Wer bist du, Eindringling, der du mit plumpen Gelenken maststiergleich die Erde drückst? Was willst du hier? Geh lieber Weizen schleppen Zum Hafen, wo man deinesgleichen braucht, Und schäm dich, daß du bettelst ... Von Karthagern Wird nichts genommen. Und wer's trotzdem tut – Den mahl' ich zwischen diesen Fäusten – so! Will der uns wohl Gesetze geben? Fragt Den Blinden dort. Der Blinde soll uns helfen! Du Blinder, horch! Zum Führer wählten wir Dich heute nacht, weil du uns klüger schienst Als all die andern. Jetzt entscheide du. im Singsang. Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen, Seid ihr Kinder der nährenden Stadt – – – Er hört nichts. Seit er von der Wandrung Zurückkam, die er durch die Stadt gemacht – – Wie er's vermochte, fremd und blind zugleich, Das weiß ich nicht – seitdem sitzt er wie tot Und streckt die Hand nicht aus. Selbst wenn ein Goldstück Ihm vor die Füße fiele, tät er's nicht. Du, Blendling – du! – Die andern lachen. Hä! – Was? – – Wir meinten gestern, Du hättest zwanzig Augen statt der zweie, Die man dir ausgestochen. Heute scheint's, Als fehlten dir zwei Ohren noch dazu. Nun schüttle dich und sprich ... Daß Hunde beißen, Ist ihr Geschäft. Auch solche gibt's, die tückisch Dem, dessen Futter sie schwanzwedelnd nahmen, Stracks an die Waden gehn. Daß aber ein Zahnlos gewordner, wackrer, alter Haushund Mit schlaffem Gaumen seinem eignen Herrn Ins Schienbein schnappt, sah ich noch nie – bis heute. Und wenn selbst eines Hundes Nase trügt, Wie sollten Menschen wohl noch Wittrung halten? Lacht. 's ist gut so! Was begehrt ihr? Hier sitzt einer, Der will, daß niemand von Karthagern was Annehmen soll. Feinschmecker scheinst du mir, Mein Bursche. – Bist du auch ein Schuft mit Auswahl, Wie du zum Betteln dir die Menschen wählst? Karthager sind nicht Menschen. Sind sie Götter? Karthager sind vom Höllenhund erzeugt, Von Blut verpestet, von Begier gedunsen. Landräuber – kriechende – neidbrünstige Landräuber ... Schlamm aufwühlen tun sie – Feuer Anlegen tun sie ... Ich ... ich hab' geschworen, Erwürgen will ich jeden, der mir einsam Begegnet – und erwürgen tu' ich jeden, Der hier ein Wort zu ihren Gunsten spricht. Ich aber sage dir: Wohltäter sind Uns die Karthager – edle, führende Genossen, die wir ehren sollen, die – auf ihn eindringend. So stirb – du –! ihm entgegen. Halt, halt, halt! Weil du vielleicht Brusthaarig bist – Viehtreiberfäuste hast – Aus strohgestopftem Schädel strohige Gedanken klaubst und sie hohlschnäuzig andern In das Gesicht speist – darum meinst du Prahlhans – Du Stänkerfratz – du Maultrompeter – ich Und alle müßten vor dir ducken? – Komm! Laß dich befühlen! – komm! – auf daß ich weiß, Welch großer Held mich blinden Mann erwürgt. Leise. Ich denk' wie du – ja soviel stärker hass' Ich sie als du – wie meine armen Augen Geringer sehn als deine. Gib die Hand! Die Hand ist keines Bettlers. Sprich, wer bist du? leise. Gebannt bei Todesstrafe ward ich jüngst Von hier. Aus welcher Ursach? Weil ich schwor – Ich sagt' es schon. Folg mir, als wärst du blind – Und du wirst sehend sein. Laut. Ein guter Mann; Ich bat ihn sehr – da wurd' er weich, versprach Mich zu verschonen, auch das Handwerk stören Will er nicht mehr. Gebt ihm den besten Platz ... Nun andres! ... Weil ich landfremd bin, belehrt mich: Ein Fest wird heut' gefeiert, heißt es – gar Ein Siegesfest. Allein – wie schon gesagt – Es war ein Mann, den ich einst sterben sah – Und dieser Mann – seid unbesorgt, den Namen Verschluck' ich, wie's geboten ward. Auch mich Gelüstet's nicht, im Kerkerschlamm zu enden. Ja – dieser Mann behauptete, der Sieger In jener Schlacht sei er – und rühmte sich – Und mehr noch seines Volkes Dank. Statt dessen Find' ich schon nach zehn Jahren sein Gedächtnis Erloschen – seinen Namen weggeschwärzt – Und was er tat, im Kote ganz verschüttet. Vielleicht geschah ihm recht, doch wie geschah's? Daß Kraft in Ohnmacht sich verwandelt, daß Ein Sieg zur Niederlage wird und Männer, Die mit gebrochnem Schwert noch Wunder taten, Vor einem armen, willenskranken Nichts Zu nichts vergehn – dies war ein Meisterstück. Doch sagt: Wo sitzt der Meister? ... Wie seid ihr doch Verschwiegen plötzlich! Baumelt euch die Peitsche Im Nacken, oder zittert euer Hunger Vor einer Wahrheit, die die Spatzen pfeifen? Ach was! Als Stoppelvieh begrasen wir Den Markt – das übrige geht uns nichts an. Doch sag' ich ... leise zu ihm. Stille! Zu einem laut. Du! Wer bist du? sprich! – Wo kamst du her? Zu andern. Und du – Und du? Zu Mandros. Dich halt' Ich fest. Gib Antwort! Laß! Wie Eisen, blindes Gerippe, greift dein Arm. Drum sprich nun endlich! Als Krieger einstmals – in der Quellenschlucht – Da kämpftest du? bejahend. In jenem grausen Dunkel, Das Tod und Steinsturz rätselvoll Aus sich gebar, dort unter unserm Feldherrn – Den andren – toten – mein' ich – Den! Erinnerst Du dich, wie er von Ansehn war? So klar Seh' ich ihn vor mir, wie ich dich hier sehe. So klar! – Nur weiter! Nun – dort in der Nacht Ward ich zum Krüppel – und – – Mußt betteln gehn? Weil ich für jenen andren – den – den andren Unklugerweise meine Stimm' erhob, Macht' ich mich unbeliebt – Bei wem? Bei wem? Bei Arratos – dem – Arratos! Bisher, Wie Diebe ums Schafott, so schlichet ihr Um dieses Namens Drohung scheu herum. Jetzt halt' ich ihn und euch. Ein edler Mann – So hieß es in der Welt, die ich durchwandert – Von milden Sitten – klug und wohlberedt ... Was habt ihr gegen ihn? O – nichts – gar nichts ... Von milden Sitten! Töten läßt er keinen – Und doch verschwand auf Nimmerwiederkehr Gar mancher Mutter Sohn. vor sich hin. Der eine kehrt Ihm wieder! Laut. Dann auch hört' ich, daß er jenes – Des andern – Toten – Weib zur Ehe nahm. Was spricht die Stadt von solcher Paarung? ... Gutes? ... In seinem Hausstand lobt man ihn und sagt, Er find' an seinem Weibe Glück und Halt. Was taumelst du? greift um sich, lachend. Ich finde keinen Halt, Drum taumel' ich. Sehr einfach. nach links weisend. Ordnet euch. Karthager kommen dort. Auch Griechen gehn Mit ihnen. Einer von den Fremden, scheint's, Ist Mago! in Wut aufflammend. Mago! leise, knirschend. Mago! – Zu Eurytimos. Was ihn angeht – Sag rasch mir eines: Wurde der Verräter Jemals gefunden, der vor jener Schlacht Dem Feinde Heer und Land verkaufte? ... Welcher Verräter? Wie? Ihr wißt von nichts? Gab's nicht Prozeß und Untersuchung? Nein. Doch waren Der Zeugen, hört' ich – manche! Wem ein Steinklotz Den Schädel bricht, wie kann der zeugen? Und Der einzige, der blieb, ist Magos Freund?! ... 3. Szene Dritte Szene Die Vorigen. Mago. Gubal. In einiger Entfernung hinter ihnen zwei Karthagische Diener. Die beiden Späher. leise. Wann also wird die Flotte, deren Nahen Du meldest, vor der Stadt erscheinen, Gubal? Mit nächstem Sonnenaufgang. Bringst du mir Des hohen Rats Befehl? Du selber mögest Ermessen, was uns not und nütze, sprach Der hohe Rat. Die Stund' ist meinem Plan Gewogen. Volk und Krieger, die so lange Durch Argwohn unbezähmbar, wurden mürbe. Die Jünglinge verdampfen ihre Kraft In Wollust. Flatternd hängt in unsern Stricken Der Herrscher, den wir ihnen heimlich schufen. Heut' vor zehn Jahren war's, und morgen erst Gedeiht die Rache. Doch damit nicht zwischen Dem Tun und dem Getansein irgendwie Gespenster sich erheben – rasch noch eines. Er geht einige Schritte nach rechts, die Bettler mit einem Blicke umfassend. Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen, Seid ihr Kinder der nährenden ... zu den Dienern. Werft Münzen unter sie. Die Späher heranwinkend, zum zweiten. Hier, sagtest du? beflissen. Hier in dem Haufen, Herr. Beschreib ihn mir. Der zweite von der rechten Reihe, Herr. Der weißbehaarte – der – Mach keinen Aufwand Mit deinen Blicken, Freund. Wirft einen vorsichtigen Blick nach dem Blinden hin. Entsinn' ich mich, Ihn je – –? Zu Gubal. Ein Strolch, so scheint's, der auf Gefahr Der Folterbank den Helden spielt ... Zur Sichrung Jedoch erfaß dein Schwert, und blinzl' ich nur, So stoß ihn nieder. Stellt man Fragen dann, Geschah's durch ein Versehn. legt die Hand an den Schwertgriff. sich umwendend, laut. Den Blinden schafft Herbei. diensteifrig. He, Blinder dort, der edle Mago, Karthagos Hauptmann, wünscht mit dir zu reden. sehr ängstlich in jämmerlichem Ton. Mit mir? Mit mir? Was kann der große Mago Mit –? Frage nicht und folge! leise. Soll ich ihn –? aufstehend leise zu Eurytimos. Was du auch siehst, halt an dich – deine Stunde Wird kommen. Tastend. Wehe, wehe mir! Wo steht – Wo steht der große, der allmächt'ge Mago, Daß ich den Staub von seinen Füßen trinke? Was du von jenes Feldherrn Untergang Gesprochen, wurde ruchbar, Blinder. Wehe, O wehe mir! Ist dies des Großen Stimme? Bestätige dein Wort und schaff Beweise. Denn bin ich gleich ein Fremder, weiß ich dennoch Gar manchen Weg, Vergessnes wach zu peitschen. War's ein karthagisch Eisen, welches dich Geblendet hat? Ja. Ein karthagisch Eisen, Das mich geblendet hat. Ach ja. Zur Strafe Wofür? Nicht Strafe. Nein doch. Sage Lohn. Verdienten Lohn für greuelvolle Tat. Ein Söldner war ich, in Iberien Geworben. Als der Krieg dem Ende nah Und wir entlassen werden sollten, da – – Von jenen warst du, die den Aufruhr damals Entzündeten? Doch wie entrannest du Dem Kreuzestod? Ich gab dem Richtenden Der Führer Namen preis und wurde darum Zur Blendung und zu ew'gem Kerker huldreich, Erbarmungsreich begnadigt. Und entkamst Dem Kerker – wie? Du weißt am besten, Herr, Nur durch ein Wunder können jene Riegel Sich öffnen, jene Gräber ihren Raub ausspein. Ich war gestorben, ja – war tot – ganz tot – Kein Toter jemals war so tot wie ich. Doch als ich auf dem Scheiterhaufen lag, Bereit, des Morgens mich in Dunst zu wandeln, Da – plötzlich – kriegten meine Beine Leben Und liefen – liefen – liefen – liefen – Herr! Ach Herr, wie liefen meine Beine! Wenn Du jene Kerker kennst, so weißt du, Herr, Wie meine Beine liefen! Und dort im Kerker als Gefährten – tretet Zurück ihr andern – Nur Gubal bleibt bei ihm – leiser. fandest du – So war's! Genau, wie du's errietest, Herr. Da fand ich – Du irrst! Dort fandst du niemand. Laß mich deinem Gedächtnis hilfreich sein. Und wenn es ferner Dich täuschen sollte, muß ich von dem Herrn Der Stadt dich als der Kerker Eigentum Zurückverlangen. in die Knie sinkend. Hilf mir, Herr! – und töte Mich Häuflein Elend, mich verdorrtes Unkraut Zertritt mit deinen Füßen – nur das eine, Das eine nicht – in jene Kerker nicht Zurück! Nicht in die Kerker, Herr! Muß das Ein Volk ertragen? zu Eurytimos. Auch du Starker dort Erträgst es? Schlage drein jetzt! Der ist klüger Als wir – der weiß, warum da knieen. zu Gubal. Dieser Heulende Jammer, dies zerfaulte Nichts Wird uns noch nützlich sein ... Steh auf und höre! wimmernd. Ich höre, Herr, ich höre. Warst du damals Mit in der Quellenschlucht? sich unwillkürlich hoch aufrichtend, mit schriller Stimme. Bei allen Göttern, Da war ich! Und somit nach eignem Schauen Weißt du genau, wie jener Feldherr starb. Doch fühlst du dich zu weitrem stark und pfiffig, So denk an jene Kerker – rat' ich dir! Hab Dank, du gnadenreicher ... Fuhrt ihn weg! Ein karthagischer Diener stößt den Blinden zur Bettlergruppe zurück. Dumpfes Geräusch von vielen Stimmen erhebt sich links. Ein Volksruf – horch! ... Wir sind in Feindes Landen. Nur eine schmalgeschnittne Siegesfeier, Die mit dem Trotz des Schuld'gen Arratos Dem Pöbel auftischt. Zu den Spähern. Edle Griechen, sprecht! Auf welchem Wege steigt der Zug zum Tempel? beflissen. Von dort herab – und hier empor die Stufen. Nun kriecht nicht länger mehr um mich herum. Doch wollt ihr mich auch künftig gut bedienen, Ihr Pack, so spei' ich euch manch Wörtlein hin, Das ihm ein Schatz wird. Zu Gubal. Für den Fall, daß Volkswut Verwirrung schafft und wir mit klugem Wort Sie kirren müssen – laß uns nahe sein. Er, Gubal und die zwei Diener verschwinden rechts hinten. 4. Szene Vierte Szene Die Vorigen ohne Mago, Gubal und die beiden karthagischen Diener. Die beiden Späher haben sich nach dem Hintergrunde zurückgezogen. Das Rauschen der Volksmenge nähert sich. Die Szene beginnt sich von links her zu füllen. Auch durch das Tor von rechts kommen Vereinzelte. Das Schwert, das schon gezückt war, hat noch nichts Zu tun bekommen. Alsobald wird man Mich besser kennen lernen ... Starker Mann, Bist du an meiner Seite? Ja. Wohin Man mich auch führe, folge mir stillschweigend! Vor jedem erznen Tor, das mich verschlingt, Bleib sitzen wie ein Hund, denn deine Stunde Will kommen. Hörtest du? Wie Hunde hören! He! Du dort. Blinder, kniest du nicht? wirft sich lachend nieder. Ich kniee. im Litaneienton. Kamt ihr als Fremde, von Wogen getragen, Seid ihr Kinder der nährenden Stadt, Weigert uns nicht die helfende Gabe; Vaterlandslos Könnt ihr einst werden wie wir. Der Blinde spricht, die Arme hochstreckend, eifrig mit. derweilen. Verschwanden dort nicht von Karthagern welche? Ja, hinterm Wächterhaus. Und Mago war Der eine. Mago? Saht ihr Mago? Sprechet Nicht laut von ihm. Sein Anhang wächst. Es könnte Uns Schaden tun. Wenn Arratos gescheit wär' – Statt diesen Henkersknecht hier in der Stadt Zu dulden – Still – der Zug. 5. Szene Fünfte Szene Die Vorigen. Arratos, umgeben von den Großen der Stadt, darunter Hegesias, Artemidor, Diokles, erscheint auf der Terrasse links. schreiend. Heil Arratos! Freunde! Wenn ich zu sprechen mich erkühnen mag, So bitt' ich, daß ihr mit des Jubels Lohnung Sparsamer seid. Was tat ich Großes? Was Gelang mir, daß geneigten Herzens ihr Mich lobt? Rufe freundlichen Widerspruchs. Ich weiß, ihr nennet mich den Sieger Der Quellenschlucht. Doch bin ich's wirklich? Rufe: »Ja – ja!«. in Verwunderung. Hört! Bin ich der Weise, dessen hoher Wille Fernschauend Weg und Ziel vorherbemaß? Bin ich wohl gar ein sonnenfroher Held, Der in des Augenblickes Strudel tollkühn Hinabgetaucht, Verlornes an das Licht Zu heben? Nein, ihr Freunde, denn ich selber Ward an das Licht gehoben von dem Strudel Des Unglücks, das mir Glück hieß und so allen In Glück sich wandelte. leise. Ist er ein Heuchler Oder ein Narr geworden? Darum jauchzet Mir nicht als eurem Helfer blindlings zu, Seid herrisch nicht in eurem Dienenwollen, Und gönnet mir, dem Leis'hinwandelnden, In eurer Mitte schweigend zu verschwinden. Unter den Beifallsrufen des Volkes steigt er die Stufen nach der Mitte der Bühne herab. Für einen Schweigenden spricht er zu gut. Verschwinden wird er auch nicht. sich Arratos entgegenstellend. Hoher Fürst! Erlauchter Vater! Es wird still. Wer sprich jetzt? leise. Sein Sohn Artemidor. leise. Acht auf dies Spiel! Gewähr uns, Wenn nicht dich selbst zu preisen – dies verbietet Dein hochgemuter Wille –, so doch uns! Uns, die wir unter deines Zepters Obhut Des goldnen Weltenalters Blütentage Neu sich vollenden sehn. So schufest du Granitnen Boden für die Macht, die du Und nach dir dein Geschlecht, das glückliche, Der Stadt erobern soll. Denn dies Geschlecht, Durch mich vertreten – und ich schwör' es heut' Mit heil'gem Schwure – wird dir ähnlich sein. Vereinzelter Beifall. Der Schlaukopf schwört in seine eigne Tasche. zu Artemidor. Nicht neid' ich dir des Thrones Anwartschaft, Und stets will ich dir dienen. Doch warum Dir nichts als Ehren und mir nichts als Schmach? der sich mit den ihn umgebenden Männern leise verständigt hat. Im Namen dieser Edlen, die des Rechtes Bestimmung zwar in deine Hand gelegt, O Herr, doch nicht der Wünsche sich entäußert, Bitt' ich, Hegesias, des Theron Sohn: Gib, was die Zukunft dieser Stadt an Macht Und Mit einem Blick nach Artemidor. Machtgelüst einst bringen wird, für heute Den Winden. Laß in liebesinnendem Gedenken uns zu jenen rückwärts schauen, Die – ob nun schuldvoll oder nicht, ob nun Vergessen oder nicht – auf daß wir leben, In heißer Treue sich den Tod gewählt. für sich. Der Falke stieß gradaus! für sich. O das tat wohl! seinen Arger verbeißend. Ihr edlen Freunde! Glaubet nicht, daß ich Den Notkampf dieser Nacht verkleinern will. Ich selbst hab' ihn geführt. Noch eben sagt' er, Er tat es nicht. Ich selber besserte Nach meiner schwachen Kraft, was andere Leichtfertig unterhöhlten. knirschend, leise. Glaubst du das? Doch nein! Nicht so! Mein eignes Walten zählt Nicht mit. Ein Speerschaft war ich nur, ein toter, Zielsicher schwirrend aus der Hand von Helden. Gewaltiges, Nichtzubegreifendes Geschah in jenem Dunkel, dessen Wirrnis Dem Wissenden sogar, was wahr und falsch, Zu solchem Knoten durcheinander knäult, Daß auch der Augen allerschärfstes nicht – – sehr laut, mit schriller Stimme. Hier kniet ein Blinder, und der löst ihn euch! Bewegung. Was ist's? Wer wagt den güt'gen Herrn der Stadt Mit kecker Zwischenrede zu verdrießen? sich an Arratos drängend, leise. Das war der Mann, von dem ich Kunde brachte. fährt zusammen, faßt sich rasch. Laßt, Freunde! Dieses Tages Wohlgefühl Darf keinen Mißklang in die Ferne tragen. Leichthin. Ein Bettler, sagt man mir, der dort am Tore Nach Gaben lungert. Führt ihn in die Schenke, Gebt ihm zu trinken, und so sei's genug. Zum zweiten Späher, leise. Du sorgst dafür, daß, wenn ich sein begehre – Ja, Herr! Mahn' ich dich, Herr, zum andern Male, Vergib's in Gnaden. Doch falls dieser Blinde Nicht ganz Betrug, nicht ganz Verirrung ist, So wär's ein Schaden, wollten wir in Hoffart An ihm vorübergehn. Darum – im Namen Auch dieser Edlen – bitt' ich ohne Zagen: Hier und vor allem Volke heiß ihn reden. Schon mit dem ersten Wort wird sich's erweisen, Ob er um Zeit und Achtung uns bestiehlt. Zustimmung im Volke. leise. Ich flehe: Sprich ein Ja. Des Augenblicks Bedeutung will es so. Du blinder Mann, Was du mir zu verkünden hast, verkünde. einfältig. Verkünden? Ich? Was könnt' ich dir, Erhabner, Der du ja alles besser weißt als ich, Wohl je verkünden? Nein doch: Bloß zu fragen Erkühn' ich mich – und das ist schon zu viel. Drei Fragen, Herr – drei ganz, ganz kleine Fragen, Für unsre armen Toten, die von Blumen Und von Musik und von den schönen Reden Nichts hören und nichts sehn – dir vorzulegen, Bitt' ich, der Ärmste aller Lebenden, Dich, Herr, den Quell der Einsicht und der Würde. Zustimmung im Volke. leise. Sieh, wie das Volk sich seiner annimmt, Vater! Und nicht einmal begehr' ich einer Antwort. Beliebt es dir zu schweigen, Herr, so schweige. Dein gnäd'ges Ohrhinhalten gilt genug. Und nochmals bitt' ich: höre meine Fragen, Halb lauernd, halb einfältig. Weil – du's – vielleicht – den Toten schuldig bist. Erhöhte Zustimmung. nach einem Zaudern. Die toten Helden, die ich heiß beklage, Sollst du vergebens nicht gerufen haben. Zu hören, was du fragst, gelob' ich. Dank, Erhabner! Meiner Fragen erste lautet: Wenn du die toten Helden heiß beklagst, Beklagst du nicht den Feldherrn, der sie führte? verwirrt. Den Feldherrn? – Welchen Feldherrn? Horcht! O horcht! Ich hörte sagen: Schrill. Lykon heißt der Mann. Ja – Lykon – ja! Große Bewegung im Volk. Der Name geht in scheuem Flüstern von Mund zu Munde. Ihr Götter, was wird dieses?! Genug des Lärms. Gesetz in Syrakus – Ein jeder kennt's, ein jeder kennt die Gründe – Ist, daß der Name jenes toten Mannes Für alle Zukunft nicht genannt soll werden. Du, Blinder, hast hiergegen dich verfehlt Und wirst die Strafe dulden. Nehmt ihn in Gewahrsam. Einige Wächter umringen den Blinden. lachend. Solches nennst du Strafe, Herr? Fast lieblich fühl' ich es, denn – beim Hephästos! – Das Kettentragen bin ich sehr gewöhnt. zu den Edlen, scheinbar unbefangen. Welch seltsam Ungetüm! Aus Einfalt halb Und halb aus Arglist dünkt er mich gebacken. Zu dem Blinden. An Freveln, scheint es, schleppst du mancherlei, Du Gauch – warst unter jenen Feinden gar, Den steineschleudernden, die wir verfluchen. Kann sein, o Herr! Versuch es zu ergründen! Und jetzt – und trotz den Fäusten, die mich kitzeln – Kommt meine zweite Frage. Sie zu hören, Hast du vorhin gelobt. Jetzt höre sie: Verfluchst du jener Feinde Steineschleudern Und fluchst nicht auch dem mitternächt'gen Gaste, Der dies gedroht? Große Bewegung. Der mitternächt'ge Gast? Was will er damit sagen? Welcher Gast? O seht, der König wankt. Erhabner Fürst! Ein Wahnwitz dünkt uns dieses Blinden Rede, Doch ist dem anders – und so scheint es gar – Dann klär uns dies: der mitternächt'ge Gast – Wer war's? Und von wem redet er? 6. Szene Sechste Szene Die Vorigen. Mago, Gubal und die beiden Karthagischen Diener sind von rechts hinten hervorgetreten. Der Gast, Der einst zur Mitternacht, von Fesseln blutend, Des Feldherrn Lagerzelt betrat – war – ich – Ich, Mago, der Karthager Feldhauptmann Und gleichbenannt mit jenem großen Mago, Des Blutes ich mich rühme. Wer behauptet – – Sei's eigne Zeugenschaft schlau zu benützen, Sei's nur im Nachschwatz müßigen Geredes – Daß ich nicht als ein Freund von Syrakus, Und nicht zu warnen, statt zu drohen kam, Den nenn' ich – – Gaukler, Schweinhund, Schwindelmatz, Aufschneidermeister – Sudelkoch – gar einen Verlognen Lügenpriester nennt er mich, Weil ich, als ein stockblinder Mann ihm – bis – In seine Eingeweide sah. Hallo im Volke. Rufe: »Fort mit Mago! – Nieder mit Mago!«. nachdem er und Gubal sich in grenzenlosem Staunen angesehn haben, vor Wut zitternd, die Hand am Schwertgriff. Erhabner, duldest du, daß auf dem Markte Ein Bettler mich verhöhnt? Nicht unvergolten Beleidigt man in mir Karthagos Hoheit. Rufe: »Nieder mit Karthago!«. Mein edler Mago, tiefgekränkten Herzens Muß ich ersehn, daß deine Gegenwart In dieses Tages wildgewachsner Stimmung Das Volk erbittert. Wolle mir hernach Die Gunst erweisen, daß in meinem Hause Ich dich begrüßen darf – für jetzt jedoch – – Breitet zum Zeichen seiner Ohnmacht die Arme aus. verbeugt sich. Mit seinen Begleitern links oben ab, während die Wächter ihm einen Weg bahnen. Von der Terrasse her blickt er sich noch einmal drohend um. 7. Szene Siebente Szene Die Vorigen ohne Mago, Gubal und die karthagischen Diener. Mir ist, der griechenfresserische Mago Zog ab. Lauschend. Still alles! Habt ihr ihn verjagt? Einer: »Du warst es. Du hast ihn verjagt.« Rufe: »Dankt dem Blinden!«. Blick um dich. Deiner Herrschaft Zügel schleifen Am Boden, Vater. Rufend. Stille für den Herrscher! Es wird still. auf die Stufen steigend, die zum Tempel hinanführen. Ihr Freunde! Daß ihr mit des Zorns Gebärden Die Hoheit eurer Vaterstadt verteidigt, Kann ich nur loben, doch vergaßet ihr, Daß keiner war, der Hand an sie gelegt. Vereinzeltes Murren. Was jenen Bettler anlangt, dessen Zunge, Mit Gift getränkt, die böse Wallung schuf, So harr' ich, treu dem eigenen Gelöbnis, Der dritten Frage. Hab' ich sie gehört – Und ihr bezeugt, daß ich geduldig höre –, Dann erst will ich des heil'gen Amtes walten, Das Tod und Leben meinem Spruch vertraut. Und ich, o Herr, freu' mich des Mauselochs, Das mir dein Wort zum Durchschlupf angeboten. Die dritte Frage möcht' ich gern verschweigen, Bis – ich vorher mir selbst die Antwort gab. Antwort und Strafe weiß ich dann zugleich ... Und so schlüpf' ich ins Mauseloch, mein Fürst. Unterdrücktes Lachen. Nach diesem Narrenwerk, das allzulange Uns außer Atem hielt, laßt andachtsvoll Zu jenes Tempels würdigem Bereich Uns aufwärts steigen. Ruhige Betrachtung Und einer Gottheit sonnenklares Auge Erwarten uns. Er wendet sich zum Gehen. Der Zug setzt sich in Bewegung. zu den ihn Festhaltenden. Ihr aber, liebe Wächter, Bewahrt mich gut. Karthagerdolche sind Gar spitz, und sonnenklare Augen möcht' Auch ich auf mir noch einmal ruhen fühlen. aus dem Zuge zurückkehrend. Ich hab' dich gern, du tausendzüng'ger Tollkopf, Und ist das Glück dir hold und du wirst frei, So komm zu meinem Feste heut' am Abend. Bring uns zum Lachen, und wenn du's vermagst, Tu mehr! Er wendet sich zum Zuge zurück. der in wachsender Spannung gelauscht hat. Schon fort? Ich kenne diesen Ton! Klang so nicht meines Vaters Stimme – oder – Vielleicht – die eigne, als ich noch – ein Mensch war? Ihr Wächter, liebe Wächter, sagt mir doch, Wie ist der Name – dessen – der hier –? Dieses War Diokles, des Herrschers Stiefsohn. in zitternder Erregung ihm nachrufend. Höre Mich, Knabe! Ob in Ketten oder frei, Ob lebend oder tot, ich komme. Der Vorhang fällt. 3. Akt 1. Szene Erste Szene Arratos. Mago. Beide auf Stühlen sitzend, die zu Füßen des Thrones stehen. Noch einmal, edler Mago, was mich schmerzt, Ist weniger des Pöbels harscher Unmut Als viel, viel mehr die Furcht, du könntest glauben, Daß ich durch halbverhüllte Weisungen, Durch – sei was dem auch sei – der Dankbarkeit, Der ungemessnen, die mich an dich bindet, In Überdruß die Quellen abgegraben. Mein Fürst – ob dich das Volk nun Fürst, ob König, Ob sonstwie nennt – ich folg' ihm um so lieber, Als du's von meinen Gnaden bist. ängstlich. Sprich leiser! Stehn Lauscher an der Tür? Das nicht, doch bitt' ich – Gut also! Denkst du noch des Augenblicks In jener Kampfnacht, da du von der Sichrung Des Weibes, das nun dein Weib, wiederkehrend, Die Todesbarre, die wir zwei gebaut, Von Lykons Armen jäh durchbrochen fandest? Und als ein kriegsgefangner Mann des Trosses Scheu vor mich tratst, der ich auf Katzenpfaden Herabgeklommen? – Weißt du noch? ... Ich weiß. Da sagt' ich dir: der schlau gewobne Plan, Den du zum Königsmantel schneidern wolltest – Tollkühnheit riß ihn mitten durch. Der Sieg Ist uns verloren. Denn obwohl sie noch Dort in der Ebne sich die Schädel spalten – Das End' ist so gewiß, wie daß den Scharen, Die oben in den Felsen eingepfercht, Nicht Flügel wuchsen, sie hinabzutragen. Doch – sprach ich ferner – bleibt ein Ausweg: Lykon, Der seiner selbst nicht achtend uns ins Garn Geriet, wird noch zur Stunde abgetan. Du aber eile zu den Kämpfern, reiße Die Führung an dich, und wenn wir hernach Dich, demutsvoll um freien Abzug bittend, Als Sieger grüßen, wirst du Sieger sein. Geschah dies? Dies geschah. Doch warum marterst Du mich? Damit die Feier des Erinnerns Auch zwischen uns begangen werde. – Dann Wollt' ich dich fragen: Jener blinde Bettler, Der irgend etwas weiß, womit er spielt, Und dessen Prüfung mir verwertbar scheint, Gibst du ihn wohl in meine Hand? Ich tät's Gewiß, doch ein Versprechen, fast ein Schwur, Jawohl ein Schwur, gebietet mir, daß – Schwüre Verschenkt man nicht, ist man so arm wie du. die Demütigung hinunterwürgend. Du irrst, mein Freund. Solange dir mein Wille Nicht wertlos scheint, nenn' ich mich reich. – Der Blinde Wird gut bewacht und wartet hier. Im Hause? Im Hause. Wenn er es verläßt – Und wann Verläßt er es? Noch heut' am Abend. Dann? Gehört er dir. 's ist gut. Doch hüte dich Vor Aufsehn, denn das Volk – Schon gut. Leb wohl. Leb wohl. wiederkehrend. Doch ja, noch eins. Mir wurde Nachricht, Daß in der nächsten Zeit, vielleicht schon morgen, Von unsern Schiffen etliche – ob viel, Ob wenig, weiß ich nicht – an dieser Küste Die Anker werfen wollen. Wärest du Wie wohl auch sonst, nicht abgeneigt, den Hafen Freundwillig aufzutun? Wieviel der Schiffe Erwartest du? Ich sagte schon: ich weiß Es nicht. Vorerst muß ich das Volk, die Edeln Befragen. Frage nur, doch gib inzwischen Befehl, daß man die Kettensperre löse. Wie quälst du mich! Wenn Lykons Name wieder In Syrakus ertönt, dann ist es Zeit, Daß du nach Rückendeckung spähst. Wer schafft Sie dir, wenn nicht Karthago? Ich erkenn' es Voll Dank, mein Freund. mit Doppelsinn. Bis morgen früh – mein Freund. Sie schütteln sich die Hände. Mago ab. 2. Szene Zweite Szene Arratos. Der Türhüter. Dann Philarete. schlägt an das erzene Becken. Der Türhüter tritt ein. Bringt mir den Blinden. Philarete erscheint. Was begehrst du, Herrin? Der Türhüter ab. Die Sonne sinkt, und jener fremde Bettler, Auf den ich angstumengten Herzens warte, Wo ist er? Wünsche, die ich dir gewähre, Erfüllen sich, als wären sie das Schicksal Doch bringe nun auch meinem Wunsch Erfüllung. Woran gemahnst du mich? Artemidor Und deine Tochter Myrrha, die, du weißt's, In Eros' Netzen sich verfingen, stehen Hinlauschend auf den Spruch, der auch ein Schicksal. Wo Eros sprach, da braucht es keines Spruches. Und ob der Jungfrau Ungewisser Scham Der Vater machtvoll sonst die Wege weist, Hier fehlt er, denn du bist der Werbende. Drum sei sie selbst des Schicksals Walterin. So kund ihr, daß der Weg bereitet ist, Und komm! Doch jener Bettler? Wenn es Zeit, Will ich dich rufen. Und wann ist es Zeit? lauscht nach rechts hin, begütigend. Geduld ... und komm! Führt sie nach links ab. 3. Szene Dritte Szene Der Blinde mit zwei Wächtern. Später Arratos. Hier warte, bis der Herrscher wiederkehrt. Die zwei Wächter ab. lauscht hinter ihnen her, vergewissert sich, daß er allein ist, dann geht er suchenden Schrittes zum Altar, wirft sich auf dessen Stufen nieder und umklammert ihn in tiefster Erschütterung mit seinen Armen. tritt ein. ist beim Geräusch der Schritte aufgefahren. Was treibst du da? sich von den Knien erhebend. Es sprach ein Mann zu mir: »Stehst du in Lykons einstigem Palast, Dicht an dem Tor, das in die Halle führt, So mach der Schritte sieben grad hinein. Dort wirf dich betend nieder. Tatst du dies, So wende dich nach rechts Er tut es. und ruf ins Leere: Euch, Zeus und Hestia, den Hütenden, Sendet der Herr des Hauses diesen Gruß! ...« So hab' ich mein Gelübde nun erfüllt – Und bin, Erhabener, zu deinem Dienst. – Von jenem Manne sprich mir mehr. Wo sahst Du ihn dereinst von Angesicht? Ach Herr, Es ist so weltenlange her, daß ich Noch Angesichter sah – fast muß ich lachen – Und geb' ich dir zur Antwort: Herr, ich sah Ihn nie, so wirst du mich Betrüger schelten. Und doch: Ich sah ihn nie! Beim Zeus! 's ist wahr. Wie blinde Regenwürmer lagen wir Zum Knauf gewälzt in einer schlamm'gen Grube Und balgten tastend uns um jeden Brocken. Da lernten wir ihn – fühlen, – Herr! Ach, Herr, Was hatte dieser Mensch für eine Faust! Geprügelt hat er mich und jeglichen, Der ihm zu nahe kam. Noch heute juckt Der Buckel mir. – Das macht, er war ein Held. So sind die Helden alle, sagt man. Bist Du auch so einer, Herr? Erzähle weiter. Doch wenn du glaubst, daß ich den Schwachsinn, welchen Du heuchelst, nicht durchschaue, Freund – Durchschaue, So viel du immer willst Und wenn du mir Mit deinen Foltern drohst – ach, lieber Herr, Ich bin in Folterkniffen höchst erfahren! Weißt du, wie man empfindungslos sich macht, Als wäre man ein Stein, ein Aas, ein Hauklotz? Vielleicht kannst du das Spiel einst brauchen, Herr; Ich lehr's dich gern, nur weil du mir gefällst. knirschend. Wie also trifft man dich? Man trifft mich gar nicht, Denn wer so wund wie ich, ward unverwundbar. einlenkend. Du meinst, ich sei dir bös gesinnt; mit nichten, Mein Freund. Ich könnte manches für dich tun, Doch müßtest du, damit ich weiß, für wen, Mich deine wahre Stimme hören lassen. Die hört' ich selbst nicht mehr – seit Ewigkeiten, Denn ich ward heiser, muß das Echo spielen, Das Echo jenes einen, der im Sterben Leibeigen mich gemacht mit harten Schwüren Und den ich hasse, weil er durch die Träume Mir mahnend folgt und Rechenschaften fordert, Ob ich das Wort gelöst, das er sich einst Erzwungen. Was gelobtest du? Viel, Herr, Viel mehr, als ich im Ernst erfüllen kann. Geschah's nach seinem Auftrag, daß beim Feste Du jene Fragen mir entgegenwarfst? Wie anders, Herr? Doch formtest du sie so, Daß sie in meine jüngst gesprochnen Worte Sich hakten wie ein Fingerglied ins andre. So vorherwissend war der Tote nicht. Du weißt ja, Herr, daß ich nur Echo bin, Und weil du mehr an Kraft hast als ein Schatten, So ward ich wider Willen auch das deine. Doch nun berichte mir der Wahrheit nach, Was jener Tote damals über mich – Sei's Böses oder Gutes – von sich gab. Ach Herr, was fragst du erst. Ein Maulwerk hatte Das Untier! Prasselnd wie ein Erbsensieb. So glich es wohl dem deinen? lachend. Meins dem seinen?! Wir schimpften zwar nach seinem Vorbild, doch Dies war ein trübes Wässerchen, verglichen Mit einem kräftigen Mistjauchenwurf. Womit er insbesondre dich bedachte, Verstand ich nicht – und hätt' ich es verstanden, Dürft' ich's aus Ehrfurcht jemals wiederholen? Und nur, weil du befahlst, verkünd' ich dir, Was man ein Kosewort wohl heißen kann. So sagt' er einst: »Poseidons Liebling ist Der sanfte Arratos, denn hätt' er ihm Schwimmhäute nicht zur Hilfe wachsen lassen, Im Meer des eignen Speichels müßt' er längst Ertrunken sein.« Sodann zum andernmal: »Ein Selbstlob stinkt, doch hat es Arratos In Wohlgeruch verwandelt – und wodurch? Indem er sich nach heimlichem Vertrag Von Syrakusens Feinden loben ließ.« Ein drittes Mal – – Genug, genug jetzt. Schade! Mir wär' es ein Genuß, dir nachzuweisen, Wie schändlich dieser Lykon sich benahm. Ein Gottesfrevler war er auch, der Unhold. So sprach er einst: »Drei hohe Götter herrschen Ob allem Weltgeschehn von Anbeginn.« Nicht Zeus – nicht – rate was für welche? – »Zufall, Gewalt und Lüge sind die Götter drei, Und Arratos, der weise, dienet allen.« Dies waren seine eignen Worte, Herr. Ich sage »pfui« – sonst nichts. Wenn's wahr ist, Blinder, Daß du dem Toten – – Sprich, wann starb er wohl? – Erlaube, Herr! Eins – zwei – drei Jahre sind's, Daß ich nicht mehr im, Kerker faule. Und So lange –? unschuldig. Wie? – ist's, daß man ihn begrub? Begrub. Jawohl. Wenn du, wie deine Reden Mich glauben machten, jenem Toten Haß Nachträgst, so wird es dir ein leichtes werden, So hassenswert ihn an die Wand zu malen, Daß ob dem Bilde frommes Nachgefühl In Graun erstirbt. Der Blinde zuckt auf. Verstandst du mich? unschuldig. Nein, Herr. Was lauschest plötzlich du nach allen Winkeln? Mir war – ein Lüftchen fing sich – irgendwo, Das mir erzählen will, weshalb ich hier bin. Beliebt's mir mehr zu sagen, denk das eine: Wir Könige belohnen königlich. Wenn Sträflinge – unsträflich dich bedienen. Nun wohl, ob du ein Lügner bist, ob nicht, Mein Weib verlangt – auffahrend. Dein Weib? stutzend. Nun ja! Gleichgültigkeit heuchelnd. Nun ja – Verlangt –? – daß du ihr jetzt, und zeugenlos, Verkündest, was du von dem Toten weißt, Der einst ihr Gatte war. tonlos. Ihr – Gatte – war – Und tatst du dies durchaus nach meinem Wunsche – Sprich, Blinder – willst du? stammelnd. Herr, wie sollt' ich nicht? Dann wirst du frei des Weges gehn, woher Du kamst außer Fassung. Mit deinem Weibe – zeugenlos? von neuem, stärkerem Argwohn gepackt. Fast scheint's, du habest Auftrag auch an sie. ist wieder zu sich gekommen und fährt, scheinbar entsetzt, in dem vorigen Tone fort. Mit deinem Weibe, Herr – dies wolle nicht! Erbarm dich meiner! Dieses nicht! Ich bin Ein armer Bettler, schlechtgekleidet – würde Vor hohen Frauen blöd verstummen – würde Voll Angst vergessen, was mir einst geschah. Den Toten hab' ich schon vergessen, weiß Kein Sterbenswörtchen mehr von ihm. Nein, Herr, Dies kann ich nicht. Verlange was du willst, Dies nicht. beruhigt. Doch wirst du frei hernach, – ganz frei. scheinbar in staunender Ungläubigkeit. Ganz – frei? Bleibt dir alsdann noch Zeit, die dritte Von jenen Fragen mir ans Herz zu legen – Wohlan, ich werde dir zu Willen sein. Zutunlich. Vielleicht vertrauest du sie mir schon jetzt? Was schert dich eine Frage, Herr, die du Auf dieser Erde nie vernehmen wirst? Denn die Karthagerklingen müßten schlecht Geschliffen sein, die meinen blinden Leib Nicht an der nächsten Ecke stolpern ließen. In meinem Schutze stehet jedermann Zu Syrakus. Ich auch? Du mehr als alle. scheinbar überzeugt. Ich dank' dir, Herr! Jetzt harre meines Weibes. Ab. 4. Szene Vierte Szene allein. Was ihr mir als Geschenk hinwarft, ihr Götter, Ob sich's zum Guten oder Bösen wende, Es ist zu viel, daß ich es tragen kann. 5. Szene Fünfte Szene Der Blinde. Philarete. erscheint zwischen den Falten des Vorhangs und betrachtet ihn lange. steht und horcht, bei jedem Geräusch erbebend. Du, fremder Mann – taumelt beim Klang ihrer Stimme mit einem gurgelnden Aufschrei gegen die Wand zurück, wo er sich mit den Händen festhält. Warum bei meinem Anruf Erzitterst du? Man sagte mir, daß du Von steinerner Gemütsart seist. vom Klang ihrer Stimme berauscht. So sprich doch – Sprich weiter, hohe Herrin, sprich! Bist du Ein Gaukler – gut. Vollführe, was du kannst Ich aber will dem Hunger meiner Seele Vorgaukeln, daß du keiner wärest, Mann. sich wieder verhärtend. Sag! Soll ich Dolche schlucken, Feuer blasen, Meerkiesel blinkend aus dem Munde spein? Den Wundermann der Märkte spiel' ich dir! Doch willst du Größres, flehe zu den Göttern! Geburtsreif ist die Stunde. Was sie bringt – Nachtüberschattet bergen es die Tiefen. Du aber sorge, daß kein Mißgeschöpf Ans Licht sich quäle. Worte hast du, Fremder, Wie nur der Sendung eines dunklen Zornes Sie sprechen kann. Vergib die trägen Zweifel, Die dir mißtraut. Doch sag' ich gleich: vergib – Du wirst sie nimmermehr zum Schweigen zwingen. Hast du kein Zeichen, dem ich glauben muß, Auch wenn du als die Lüge selber kämest? Nicht einen Ring, ein Schlüsselwort, nicht Kenntnis Von Heimlichkeiten, die er stummer Sehnsucht Im Traum der Fiebernacht entgleiten ließ? Du schweigst? Du weißt von keinem? Dann, o Fremdling, Geh wieder fort und laß dir von den Hütern An Trank und Speise reichen, was du magst. Es sprach ein Mann zu mir – Gequält. was sprach der Mann? Ich weiß nicht, was der – laß mich suchen – laß – Ein weniges mich – – zagend, scheu. Welcher Mann? Neugierig Sollst du nicht sein, bis ich ein Zeichen fand. wie vorhin. Selbst – ohne Zeichen auch – – Und ohne Glauben? Nein, Herrin, Spielwerk bin ich nicht. Es sprach Der Mann: »Entkommst du diesem Kerker, dann – Durch Sand und Meer, durch Feind' und wilde Tiere, Betrügend – bettelnd – feilschend – Beute raffend, Vom Dom zerfetzt – vom Geißelknecht zerschunden, Auf Bahnen, die der Zufall dir gebaut, – Und ob sie quer durchs Totenreich dich führen – Hinwandre du nach Syrakus! Und findest Du dort mein Weib getreu dem heil'gen Schwure, Den sie beim Scheiden, keinem Zwang willfährig, Nein, aus ureignem Wesen stolz mir gab, Als Witwe meiner trauervoll gedenkend – –« in Angst und Entsetzen. So sprach der Mann? So sprach –? – »dann«, sprach der Mann, »Such deinen Weg zu ihr, und aus den Zeiten, Da du auf nackter Erd' mein Bettgenoß, In gleichem Blindsein Philarete zuckt hoch auf. Feind und Freund mir warst, Leg lieberfüllte Botschaft vor ihr nieder.« In gleichem Blind –? »Erzähl ihr, wie ich starb – Doch vorher noch – erzähl ihr, daß – ich – siegte.« In gleichem Blindsein, sagtest du? Und etwas Wie »siegte« sagtest du ... Warum erzählst Du nicht? Beliebe zu bedenken: dieses Gilt nicht für dich. An Arratos' Gemahlin Trag' ich ganz andre Botschaft – Klärt sich's nun, Daß du ein Gaukler bist? Denn wärst du's nicht, Wie könntest du ein harrend Weib so quälen? Und wenn du meinst, ich hätte nun mein Zeichen, Erwidr' ich dir: Den Schwur, den ich beim Scheiden Dem Gatten gab, den hast du frech belauscht – Warst unterm Kriegsvolk, das dort Wache stand, Und schreckst mich nun zu eigenem Gewinst. Ein andres Zeichen – stärker noch als dieses: Kennst du den Ort, an dem der Schatz des Hauses Von deinem Gatten einst verborgen ward? Wohl wurd' ich oft bedrängt, doch – nein, ich kenn' Ihn nicht. Zu Nutz und Frommen seiner Kinder Läßt er dir sagen: »Unter jenen Sockeln, Auf denen Gott und Göttin hütend walten,« Sich besinnend. – Dort stehn sie irgendwo – nicht wahr? – »entreiße Der nächt'gen Erde, was die Väter schufen.« Und glaubst du dieses nicht – Ich glaube dir. Denn Zeus – er selber – mit des Donners Mahnung Wies mir den Platz, und ich verstand ihn nicht; – Verstand auch dich nicht, Fremdling, der du mahnend Die Stimme meines Herrn mir heimgebracht. Ihr beug' ich mich ... Nun sprich die andre Botschaft! Des Arratos Gemahlin hört, was du Zu sagen hast. Selbst in die Kerkergrüfte Dringt brandend aus der Welt ein Widerhall – So hat er dies gewußt? – – Gewußt, doch nicht Geglaubt! Und für den Fall, daß Wissen einst Der Tat begegne, spricht er so zu dir: »Daß du, mein Weib, den Schwur zerbrachst, der Sein Und Nichtmehrsein in Glut verkettet, sei Wie jeder Meineid, jeder Treuebruch Des Abgekühlten Recht.« in entsetzter Abwehr die Hände ausstreckend. O nicht so, nicht! »Doch daß du Weib den hinterhergekrochnen, Von Neid zerwühlten Affen meines Tuns, Der heut' zum Guten allzuklein und morgen Zum Schlechten allzuklein, in hohler Zagheit Von Angst zu Reue und von Reue zum Verbrechen taumelt, daß du den Zerstückler, Den Schänder meiner Kraft und meines Sieges In deine brünstig leeren Arme zogst – sinkt schweigend vor dem Altar zusammen. – Für dieses, Weib, send' ich aus ew'ger Nacht, Aus der Umarmung unsrer Freundinnen, Der Kerkerschlangen – keine war so Schlange Wie du, Weib – send' ich dir als letzten Willen Des ungebrochnen Mannes diesen nie Zerbrechenden und – du wirst es erproben – Dir sehr getreuen – – Dank. « So sprach der Mann, Der einst dein Gatte war. die an den Altarstufen niedergesunken ist, erhebt sich in die Knie. Wenn statt des Fremden, Der unser Leid mit fremdem Hasse schärft, Du selbst, mein Lykon, strafend vor mir stündest, Du hättest erst gefragt, und ich – in Tränen Wohl auch, doch nicht so, Blut und Leben weinend Wie jetzt – ich hätte klagend dir gestanden, Wie alles kam, und also kommen mußte. Die Kinder in Gefahr – ich selbst gebannt – Des alten Stammes Güter eingezogen, Da galt's ergreifen, was geworfen ward. Und ob erfüllter Eide Hochgefühl In hündisches Gepeitschtsein sich verwandle, Wer hat den Mut nach eignem Wert zu geizen, Wenn, was ihm angehört, in Unwert sinkt? Und Lykon ist der letzte, mich hierum Zu schelten. Will er's dennoch tun, so sei's Um folgendes: Mit jeder Stunde drängten Der neuen Pflichten viele sich herzu, Und auch der Mann, dem ich mich anverlobt, Trat sorgumdunkelt oft zu meinem Stuhl Und sah mich flehend an und wollte – – ja Wie nenn' ich das, was über aller Liebe, Was mehr als Lustverlangen, mehr als Glück, Und was allein ein Weib und nur an einen Verschenken kann? Das nahm ich Lykon fort Und gab's dem andern. Ob er's wohl verdiente, Ob er so feig, so schlecht, wie Lykon will, Ich weiß es nicht und weiß auch nicht, wie weit Er mir vertraute. Doch ich mußt' es tun, Denn ich bin Weib, und helfen ist mein Amt, Um dies lebt' ich in Angst durch all die Jahre Und schlief nicht, sprach nicht, lachte nicht In diesem Ward ich ihm untreu und zerbrach den Eid. Und wenn jetzt Lykon käme, mir zu fluchen – Ich will nicht wissen, daß er dies schon tat –, Dann fänd' er eine, die sich selber fluchte Und die er liegen ließe, wo sie liegt. der in wachsender Erschütterung gelauscht hat, vor sich hin. Vergessensein! ... Bist du zufrieden, Dämon? Laut. Noch kam ich nicht zum Ende, Herrin. Was ich Getreu dir wiedergab, steht unverrückbar. Doch als beim Niederstieg zum großen Dunkel Sich seiner Seele Zorn entatmend löste, Da, meine Stirn zu seiner Brust geneigt, Vernahm ich andre Kunde. Hör auch sie: »O glaub ihm nicht, mein Weib,« so sprach er hauchend, »Denn wie mein Zorn mir log, so log auch er. Und schleppt' ich Flüche durch die Kerkernacht Und pflegte meines Grimmes Ungestalt, Nicht galt es dir und den vergessnen Eiden. Was ist ein Eid, was will der Mund dabei? Denn unsrer Seele letztes, stummes Müssen, Das schwört die Eide, die uns Leben sind. Und schlug mir unbewehrter Haß die Zähne Ins eigne Fleisch – was tut's? Der Mann will Kraft – Und meine Kraft fraß mir die eigne Kraft auf. Du aber, stille Seele,« sprach er weiter, »Du bringe Glück, wo immer Glück vonnöten, Wahllos, uneingedenk, wem du gehörst; Wem du gehörst, der wird geadelt sein.« So sprach der Mann und wandte sich zum Sterben. in glückseligem Nichtglaubenwollen. Und – und? – Nun ist er eben tot. Und starb In Frieden? Starb versöhnt? Kein Qualgedanke Riß den entflohnen Hauch in seine Brust Zurück? Mit einem Lächeln starb er? Starb, Wie Götter sterben, deren Welt zerbarst? Kann ich, die Schuldige, mit deren Fleisch Die Geier Mahlzeit hielten Tag um Tag, Das Glück begreifen, daß ich nun erlöst? Und starb, so sagtest du? Mir starb er nicht. Mit heut'gem Tage soll in tote Form Lebend'ger Glaube stärkend sich ergießen. Der Staub wird Wurzel schlagen, klingen wird, Was einst zersprang, und seinen Kindern, deren Beklommne Fragen ich in Scheu verwies, Wird er der Helfer sein, den sie ersehnen. Wie hat er sorgend sie umhegt! Und wie Mit gnäd'ger Hand ihr Daseinsrecht gefestet! Ihr Kinder, kommt und hört, was – Diokles Zwar hält sich fern dem Hause – eine doch, Die zagen Herzens oft – – wo bist du, Liebe? Eilt nach links. 6. Szene Sechste Szene Der Blinde. Später Philarete und Myrrha. allem geblieben, reckt wie betend die Arme hoch und steht so, bis nach kurzer Zeit Philarete, Myrrha an der Hand führend, wieder eintritt. leise. Dort steht der Blinde. Nah ihm ohne Furcht, Denn sieht er auch ein wenig schreckhaft aus, Süßredend bringt er Kunde dir von einem, Der deinem Nachtgebete wohlbekannt. Laut. Ich aber, lieber Fremdling, muß nun fort, Denn jemand weiß ich, der in Ängsten harret, Ob du ihm raubtest, was er halten will. Ab. 7. Szene Siebente Szene Der Blinde. Myrrha. der bei den letzten Worten Philaretes aufgefahren ist, für sich. Zum Liebestiften freilich ... Lacht. Sei's drum. Weich. Wer Ist hier? Du, fremder Mann, die Mutter sagte, Daß du – du – meinen Vater – sterben sahst. So – bist – du –? Myrrha bin ich. Auf den Schultern Trug er mich oft und gab mir liebe Namen Und – – Standest du an seinem Lager? Ja. Und hielt er da wohl deine Hand gefaßt? Ei ja doch. Welche? verwundert auf die Rechte weisend. Diese. neigt sich rasch auf die Hand herab und bedeckt sie mit Küssen. zurückfahrend. Kind, was tust Du mir? Erschreckt es dich? glückselig lächelnd. Ein wenig, doch – Vergib! Ich wünschte wohl, ich sähe dich. Nicht meinethalben – doch befahl dein Vater – fährt, die Augen schließend, beim Worte »Vater« hoch auf. – weil ich ein wenig schwachgesichtig bin, So möcht' ich dich mir gut beschreiben lassen. Sag, stehst du hochgegürtet, wie die Mädchen, Die schlanken, hierzulande? nach ihrem Gürtel fassend. Hochgegürtet, Das bin ich. Trägst wohl Blumen um den Hals Gelegt? Nicht um den Hals – doch in das Haar Hat man mir festlich einen Veilchenkranz Gewunden. Veilchenfarben waren einst Auch deine Augen – sagte mir dein Vater. So sind sie lang' nicht mehr – und sind auch trübe. Du irrst, mein Kind. Der Treue Sonnenklarheit, Die ich ersehnte, hellet mir die Nacht. ein wenig ängstlich, da sie ihn nicht versteht. Menesto sagt es auch – die Schaffnerin. Menesto! Und das kommt vom Wachen, sagt sie. Wie? Wachst du gar so viel? Ach, wenn du wüßtest, Wie ruhelos ich immer nach ihm rief Durch all die Jahre – all die langen Jahre! Nicht daß mir nur ein Vater fehle! ... Doch! Er fehlt mir sehr! Und nun du vor mir stehst, Botschaften bringst und wahrlich keine frohen – – Ich schäme mich! – da wird mir froh zumut! Ich fühl's, er sandte dich, mir beizustehn In meiner Not. In welcher Not? Denn siehe! Es lauern rings um uns geheimer Zwecke So viel, und schon so viele Jungfraun wurden Geopfert am Altar – wer weiß für wen? – Wer weiß für was? ... Vielleicht ist's nun an mir! Entscheidung naht, doch Angst und Wunsch gehn irre. Drum bitt' ich dich, der als des Vaters Bote Hierherkam, rate du – an Vaterstatt: Steig' ich zum Glücke, oder soll auch ich Geopfert werden? 8. Szene Achte Szene Die Vorigen. Artemidor erscheint links. heftig zusammenschreckend. Der dort steht, der ist's! Du – an der Frauentür, laß deine Stimme Mich hören! Kannst du mir wohl sagen, Schwester, Wie das dort in des Herrschers Halle kam? auffahrend, leiser. Den kenn' ich gut genug, um dir zu künden: Du sollst geopfert werden. Sieh dich vor. Hinweg von Ihr! Mit deiner Dünste Schmutz Besudelst du die Luft, in der sie atmet. ihn mit vorgestreckten Armen schützend. Rühr ihn nicht an! Beim Zeus! Was will mir dies? Er schlägt mehrere Male an das metallene Becken. 9. Szene Neunte Szene Die Vorigen. Türhüter eilen von rechts herein. Eine Schar älterer Sklaven, von Menesto geführt, kommt mit Lichtern von links. Einer trägt ein weißes Gewand, andere Salbgefäße und goldenes Geräte. Hier diesen dreisten Bettler, diesen Auswurf Der Gosse, packt und stoßet – Nur gemach, Du Herrensöhnlein! Die Gebieterin, Der wir gehorsam sind, befahl den Dienern Des Hauses, diesen blinden Mann, der segnend In ihm verweilt, zu baden und zu salben, Ein weißes Ehrenkleid ihm umzutun Und an dem Ehrentisch ihn zu bewirten. Was uns geboten ward, erfüllen wir Mit Freuden. Geht und meldet mich dem Herrscher. Die Herrin weilt mit ihm. Du mögest warten. Sag du mir, Schwester: Was geschieht? Ich will Zu seinen Füßen sitzen. Das geschieht. Artemidor mißt sie erstaunt und drohend, dann rechts ab. 10. Szene Zehnte Szene Die Vorigen ohne Artemidor. Einige Sklaven umdrängen den Blinden, während andere die Tür hüter mit leisen Worten aufzuklären suchen. Hier hast du Speis' und Trank! Hier ist das Festkleid! Die Schuhe lüften – Baden will ich dich! der derweilen immer in sich hineingelacht hat. Ein Bad – beim Hermes! – täte meinem Leibe Wohl nott und auch das Festkleid kann ich brauchen, Doch – – Dann mußt du erzählen. Eine Bettstatt Räum' ich dir ein. Wir sitzen drum herum, Und du erzählst von unserm lieben Herrn! Das wär' ein Fest, doch leider – Macht eine Bewegung nach der Ausgangstür hin. Nimmermehr Wirst du dies Haus verlassen, wirst beglückt Darinnen weilen, bis der Tod uns naht. – Du willst nicht? Segen auf dein Haupt, o Jungfrau! Doch muß ich fort. Mir ist, ich hab' heut' abend Noch dies und jenes in der Stadt zu tun. Und kehrst uns nicht zurück? um sich tastend. Wo – mein Gewand? Der Sklave reicht es ihm. Wenn dieses Kleides Weiß in Purpur glüht, Dann bin ich wieder da! Der Vorhang fällt. 4. Akt 1. Szene Erste Szene Auf jedem der neun Speiselager eine Person; rechts vorn Diokles, ihm gegenüber Artemidor, hinter diesem Lysimachos; Ktesias in der Mitte; rechts hinter Diokles Hermachos. Hinter jedem der Gäste steht ein Diener. Andere Diener sind beschäftigt, die Tische abzuräumen und den Boden von Speiseresten zu säubern. Noch andere reichen Wasserschalen zum Reinigen der Hände und sodann Kränze herum. Später zwei Flötenspielerinnen. – Bunter Wirrwarr und lautes Durcheinander von Stimmen. Nur Diokles liegt, der Rampe zugewandt, in finsteres Sinnen verloren. geht von links nach rechts zu ihm hinüber. Das Mahl ist aus. Daß es mit Frohsinn prunkte, Kann man nicht sagen, denn der Wirt blieb stumm. Doch nun der Wein die Herzen lösen soll, Bedenke wohl, daß du ihn lächelnd spendest; Sonst wirst du hören, daß er sauer schmeckt. Was starrst du nach der Tür? der sich dem Hintergrunde zugewandt hat. Weil einer fehlt. Mich dünkt, wir sind beisammen. Einer fehlt. Genug an Rätseln bot mir dieser Tag, Darum – Geht mit einem Achselzucken auf seinen Platz zurück. tritt mit Trinkschale und Kanne an Diokles heran. Der Mischkrug steht bereitet, Herr, Die Kränze sind verteilt. Wenn du das Opfer Darbringen willst – So laßt die Flöten kommen. winkt einem anderen Diener, der vorne links an der Türe steht. Dieser öffnet den Vorhang. treten ein und bleiben an der Tür. Derweilen gießt der ältere Diener Wein in die Trinkschale. die Schale hochhebend, während die Flötenspielerinnen eine getragene Musik beginnen. Soll, was der Väter Sitte heischt, ihr Freunde, Von uns verleugnet sein? Und ob des Nachtreichs Dämonen, ob die Gorgo selbst der Stunde Gebietet – diese Schale fromm erhebend, Spritz' ich die Tropfen ungemischten Weins Ins Leere hin, wo gute Geister wohnen – Denn irgendwo muß ihre Wohnung sein –, Und rufe, mehr weil unsrer Seele Suchen Als dumpfer Brauch es will: » Dem guten Geist. « Er trinkt und reicht die Schale dem Nachbarn, während die Musik fortfährt. leise. Seltsamer Weihespruch! leise. Lud man mich etwa Zum Leichenschmause? leise. Seht, wie er den Mund Zerbeißt! Artemidor, was fehlt ihm nur? zurück. Der Becher ist dir nah, drum schweige. Später Will ich ihn wandeln, wie man Wolle kratzt. Er trinkt und reicht die Schale dem Diener. Die Musik hört auf. Nun – statt des Lobgesangs, den wir den Göttern Ersparen – sprich, mein Ktesias, der du Gedankenschnell wie kaum ein andrer bist: Wen als des Landes höchsten Ruhm und Preis Lobst du am meisten? Wollt' ich Harfen stimmen Und jener scheuen Mädchen Blasebinde Mir vor die Lippen tun, ich würde wahrlich Bei Saiten- und bei Flötenschall dir niemand Zu nennen wissen, mein Artemidor, Der für Siziliens Gewalt und Fülle Beredtres Zeugnis gäbe, mit des Ruhmes Holdatmendem Gedüfte weiterhin Die Welt durchzöge, als – sizil'scher Käse. Allgemeines Gelächter. seinen Ärger verhehlend. Der Scherz gefiel auch mir, und Wohlgeruch Entströmt ihm, wie den Locken, die du kräuselst. Doch höher noch – vergib! – preis' ich die Würde, Die sich vor Helden stolz zu beugen weiß! leise. Tut ihm die Liebe und lobt Arratos, Damit wir Frieden haben. Helden! Helden? Was ist uns Heldentum? für sich. Was Heldentum Uns ist? Ein Kinderlied, zum Graulichmachen Von wackelzahn'gen Weibern vorgesungen, Tugendermahnungen, mit rollendem Nachtmützenpathos an den Mann gebracht, Dünnbein'gem Elend eine Strahlenhülle, Raubsücht'ger Gier ein Biedermannsgewand, Dem Witzigen ein Werkzeug, und ein Rausch Dem Dummen – das, ihr Freunde, sind die Helden, Die man uns tanzen läßt wie Hampelmänner. Beifall. vor sich hin. Wenn du die toten Helden heiß beklagst – – Erstaunlich prasselten der Worte Schauer, Doch was, mein Hermachos, sagst du dazu? Wie fragst du mich? Zum Weisheitslehrer fehlt Mir dies und das, und auch die Torheit lehren Könnt' ich – beim Zeus! – nur durch das eigne Beispiel. Doch grübelnd, wie der dunkle Heraklit, Frag' ich ein andres, das mich wicht'ger dünkt Als eines Ahns verstaubtes Heldentum: Weshalb wir nämlich auf den breiten Lagern, Die für zwei Glückliche gezimmert sind, Einsam die Zeit verquälen müssen? ... Scheint's Beinahe doch, als ob der liebenswerte, Der heldenhafte Diokles – denn so Möcht' ich ihn nennen – Gelächter. uns zu Speis' und Trank, Zu dieser Knaben hochgeschürzter Anmut, Noch ein weit Besseres bescheren wolle! Ihr Freunde, kurz und rund: Es riecht nach Weibern – – Die beiden Dudelnymphen zähl' ich nicht –, Und weil's nach Weibern riecht, mein Diokles, Bewähre dich als Held und schaff sie uns. Lachender Beifall, Zurufe. Wie? Hört er nicht? schüttelt bedenklich den Kopf. Uns andre ludst du ein, Dich selbst hast du vergessen. auffahrend. Ja. Vergebt ... Mir war ... Wir sprachen wohl von – Helden. Nicht so? Von Weibern sprachen wir. Ja so doch! Weiber Sind da. Laßt sie nur kommen. tritt zu ihm, eine Lyra und ein goldgewirktes Kleid tragend. Herr, du selbst Als Führer wolltest sie geleiten. Hier: Apolls Gewand und Leier! Weg! Und laßt Sie kommen! Unser Heldentum verlangt's! Die Diener lüften den Vorhang links. Die Flöten beginnen von neuem. 2. Szene Zweite Szene Die Vorigen. Neun verschleierte Mädchen, mit den Sinnbildern der neun Musen, unter ihnen Phaino, Strution, treten in langsamem Zuge ein. Entschleiert euch und werdet, was ihr seid! Die Mädchen wenden die Köpfe zueinander. Ihr zögert noch? Und unser Wechselsang? Und unsers Reigens wohlgefügtes Spiel? Du selbst hast ihn geübt. Du selbst gedachtest Im Zitherspiele dich hervorzutun! Entschleiert euch und legt euch zu uns Helden! schlagen murrend die Schleier zurück. Freudige Ausrufe des Erkennens von seiten der Jünglinge. Melissa, du! gleichzeitig. Du hier, Stratyllis? Lypta, Hierher! gleichzeitig. Ortaia, komm! Chalkiope, Auch du? Auch du, mein Hermachos! Alle haben sich verteilt. Nur zwei, die stolze, dunkle Phaino und die blonde, zarte Strution sind vorne stehen geblieben. sich umwendend. Und mir, Der braunen Phaino, bietet sich kein Freund? trocken. Das Gastrecht dieser Kissen gönn' ich dir. Das Gastrecht meines Mundes weigr' ich dir. Ich will's ertragen, schöne Phaino. Sei's! Sie legt sich zu ihm. nach Diokles hin, weinerlich. Ich als Urania muß diese schwere Weltkugel schleppen. Keinen kümmert's, keiner Begrüßt mich. Ludst du mich, um mich zu kränken? Strution, armer Spatz, was schielst du noch Hierher? Vergeudet ist der letzte Brocken, Den man mir jüngst von meinem Eignen zuwarf, Und morgen werd' ich ärmer sein als du. Was schert das mich? Sie will sich zu ihm setzen. Halt ein! Der Platz gehört Nicht dir. Wem sonst? Noch einen Gast erwart' ich. eifersüchtig. Ein Weib? schüttelt den Kopf. Dann will ich hier am Boden sitzen! Auch wenn der Mann an deiner Seit' ein Bettler, Ein schmutz'ger, blinder Bettler ist? O hört Die Tollheit! Einen blinden Bettler gibt er Zum Tischgenossen uns! Was? Einen Bettler? aufspringend. Denselben, der beim Achradina-Tor In dreistem Fragespiel an meinen Vater Sich drängte? Unglücksel'ger, sprich ein Ja! Wag es zu sprechen! lachend. Wenn auf Erden mir Nicht mehr zu wagen bliebe als dies Ja! zu Artemidor. Nun wandl' ihn doch! Es scheint mir hohe Zeit. in kaltem Zorne. Und hohe Zeit, daß ich mit dir, den ich Bis heut' als Bruder grüßte, dir, des besten, Liebreichsten Pflegers dünkelhaftem Sohn – – die sich halb erhoben hat. Ihr Schwestern! Diese Männer wissen nicht, Was Groll dem Weine, Zank dem Liebreiz, Sturm Dem Hauch der Frauennähe schuldig ist. Gib Frieden, schöne Phaino. Meine Schuld Bezahlt mein Schweigen. Artemidor mit den Blicken messend. Und mein Schweigen werf' ich Als Gastgeschenk noch obendrauf. Zudem, Wenn man's erwägt, ihr Freunde, jener Bettler – Ich hört' ihm zu und stehe für mein Wort – Ist an Ergötzlichkeit ein Kleinod, das – Die schöne Phaino woll' verzeihn! – der Frauen Hauchsüße Nähe fast entbehrlich macht. Zurufe lachenden Zweifels. Noch keinen Lustigmacher fand ich, dessen Von Hohn getränkte Wortflut so aufklatschend Den Ernst, dem sie entquoll, erraten ließ. vor sich hin, leise. Wenn du die toten Helden heiß beklagst – Drum Dank dir, Diokles – hochauffahrend, laut ihm ins Gesicht. Beklagst du nicht Den Feldherrn, der sie führte? aufspringend. Lieber, was – –? Er ist von Sinnen! ihn streichelnd. Werde ruhig! Auch andre bemühen sich um ihn. Laßt! Der Spruch des Blinden, scheint es, wühlt in ihm. Und so wird's klar, weshalb er ihn geladen. Geladen – ja ... doch nicht geleitet Und – Karthager lieben dunkle Gassen. Mago, Des Herrschers Freund, den er dem Volksgespötte – – – – Horch! Welch ein Lärm erhob sich vor dem Hause? Man hört das dumpfe Geräusch vieler Stimmen. Ihr Diener! ... Still! Klang nicht das Außentor? Die Tür des Hintergrundes wird geöffnet. Dank sei den Göttern, die dich hüteten! Er stürzt nach hinten. 3. Szene Dritte Szene Die Vorigen. Der Blinde, von Eurytimos geführt, ist im Hintergrunde erschienen. faßt ihn bei der Hand und führt ihn auf der rechten Seite nach vorne. Hier eine Stufe! Achtsam! So! um den Blinden zu verspotten. Was brausend Sich eben in die Nacht verliert, war das Dein Prunkgefolge, Bettler? mit Nachdruck. Mein Gefolge! Auch prunkend! Wie zur Schlacht ... denn als zum zweiten, Zum dritten Mal vermummte Mordgesellen Von meinem Führer – Rückwärts nach Eurytimos tastend, der ihm gefolgt ist. – Stämm'ger Bursche, ha? – Den Wink erhielten, der zum Hades führt, Und strömend Volk im Giftblick der Erschlagnen Die Freundschaft von Karthago wiederfand, Da folgte man und fing mir jede Braunhaut, Wie Mäuse, die sich mausig machen ... Gruß Euch edlen Jünglingen! ... Ein Mädchenlachen Vernahm ich auch ... So meinen Gruß auch ihnen, Die Goldsand streuen in die staub'ge Welt! Er setzt sich, von Diokles behutsam herabgedrückt, auf das Lager. leise. Wie wunderlich! Herzpochen fiel mich an Beim ersten Worte, das er sprach, ebenso. Wenn Hera Gewalt des Herrschens einer Dirne leiht, Warum nicht Zeus dem Bettler? steht, vor Wut schwer atmend, zu Füßen seines Lagers und beobachtet, was drüben geschieht. Unser Mahl Hast du versäumt und könntest hungrig sein. Darum, ihr Diener, eilt und – Laß die Knaben! Längst schon speist' ich zur Nacht, und zwar so trefflich, Wie man am goldnen Ehrentisch des Herrschers Von Syrakus nur speisen kann. Gelächter. Ihr glaubt Mir nicht, ihr Jünglinge? ... Nun denn, weilt nicht Des Herrschers edler Sohn – Artemidor, So heißt er wohl – in eurer Mitte? Bejahung. Dann Mag er bezeugen, daß auch dieses Kleid – Als Bettelbruder putz' ich mich mit Lumpen – Lachen. Mir im Palast ob meines hohen Wertes In feierlichem Prunk verliehen ward. Erneutes Lachen. So rede doch, Artemidor! Ja, rede, Du teurer Jüngling, der du mich so liebst. Gelächter. Was dieses Ungetüm da sagt, ist Wahrheit. Bewegung. Ihr staunt? Mit Pathos. O glücklich Syra – Sich unterbrechend. Wo ist Wein? reicht ihm eine Schale. leise. Bist du's? leise. Ja! leise. Wasser gib fortan mir, doch Tu's heimlich. Mit Pathos wie vorhin. O du glücklich Syrakus, Wo das Gesindel, das am Tore lungert – Der Landfeind wie der Bettler –, herrlich blühend Mit Ehrenkleidern sich behängt, dieweil Der arme Tropf, der nichts getan, als für Sein Vaterland zu sterben – anderswo Nennt man ihn einen Helden – schmachbedeckt, Nur durch Vergessenheit sich rein'gen kann! Doch da ich zum Gesindel zähle, hab' Ich's gut und schrei' aus vollem Halse: Mißtönig, krähend. Heil – Du glücklich – Syrakus! Er trinkt, böse lachend. nach einem Schweigen. Dies Hohnwort, Bettler, Das jeden träfe wie die Peitsche, spräch's Ein anderer als du – – ihm ins Wort fallend. Verwirrung schaffend Wie heut' am Tore nistet er sich ein, Und wenn ihr ihm nicht bald die Türe weist, Dann – hierfür bürg' ich – werden wir am Schlusse Mit diesen Bechern uns die Schädel spalten. in großer Erregung. Der Bettler ist mein Gast, und freies Wort Wird ihm vergönnt wie dir. Zudem, was er Vom Landfeind sprach – und manches andre sonst –, Darin bedünkt er mich so sehr im Recht, Daß wir, die Brust mit unsern Fäusten schlagend, Gleich einem Seher Dank ihm spenden sollten. Ich warne dich noch einmal, Bruder – Halt! Halt! Halt! Bin ich im Händelstiften zwar Von Hellas bis nach Afrika berüchtigt, So ist mein eigentliches Handwerk doch, Als Genius des Friedens die Rohrflöte Zu blasen. Drum, ihr Jünglinge wie Mädchen, Laßt uns in Eintracht philosophische Gespräche führen, wie's beim Gastmahl sich Geziemen will – von Freundestreue, Haarputz, Geldnöten, tarentinischem Gewebe – Und was die Weisen sonst wohl – – doch da Weisheit Nur Knochen ist am süßen Fleisch der Liebe Und man die Knochen gern den Hunden hinwirft –, Vorerst von Liebe – viel – sehr viel – von Liebe. Lachender Beifall, besonders der Mädchen. Er spielt mit uns, wie man mit Kindern spielt. Vergib mir, Fremdling. Ehe tändelnd wir Von Liebesdingen reden, hör noch eins: »Wo anders nennt man einen Helden ihn«, So sagtest du. Just solches Heldentum Gab der Genossen einer – Ktesias Benennt er sich – dem Spottgelächter preis. Entscheide du, wie weit er sich verirrte. ins Leere sprechend. Gib deine Gründe mir, mein Ktesias. kleinlaut, stockend. Ich meinte nur – sich der Stimme zuwendend, freundlich. Was meintest du? Beim Zeus! Dein blindes Aug' verschlägt die Stimme mir! Nicht Ursach', Freund! Doch sag' ich ohn' Besinnen: Du warst im Recht ... Wenn du die Helden meinst, Die – ob getanem Werke – pfauengleich Durch Markt und Halle stelzen und Bewundrung Als Tageszoll in ihren Säckel tun – – freudig. Die meint' ich, ja, die meint' ich! – oder die, Bescheidenheit erheuchelnd, mit geklemmtem Gesäß und ausgespreizten Händen Stimmen Sich betteln gehn für unerlaubte Macht – triumphierend. Die meint' ich – o, die meint' ich! Nach wem zielst Du Frevler? unschuldig. Ich? ... Nach Ktesias. Gelächter. – Ja dann, Mein junger Freund, wie könnt' ich widersprechen? Doch andre Helden gibt's – und manchesmal Sind's gar dieselben, nur zu andrer Zeit –, Die blut- und schweißbesudelt und vor Sorgen Kaum des Gedankens mächtig, der sie rettet, Schwer ackernd mit der Pflugschar der Gewalt – Dann wieder klein in schämenswerten Ränken Wie Gaukler, die das eigne Spielzeug würgt, Doch immer groß im Opfer ihrer selbst – Aus Not zu Not, von Sieg zu Siege gehn. Bewegung. Die sind euch fremd, und wenn ihr Herakles Schweißtriefend, schnaufend, kotig bis zum Nabel Augias' Miststall hättet schaufeln sehn – Was gilt die Wette? – naserümpfend wäret Ihr an dem Arbeitsmann vorbeigegangen. Nun ist zwar Arbeit noch nicht Heldentum, Doch Heldentum ist Arbeit, liebe Kinder. Dies Wort bedenkt, wenn einst auch euch in Wirrsal Die Schweißflut segnend von der Stirne rinnt. Verhaltene Ergriffenheit. aufspringend. Gebt Raum, ihr! – Er schiebt die kleinen Tische auseinander, die vor den Lagern stehen und schreitet quer durch das Innere des Saals auf den Blinden zu. Mann, wer bist du? die Hände auf die Schultern des Blinden legend. Wer du bist? Der beste Freund, den ich auf Erden habe, Denn du sprachst meines Vaters Namen aus. für sich. Man wird nach ein paar Wächtern schicken müssen. seine Bewegung hinunterwürgend. Willst du noch mehr von ihm erfahren? aufflammend. Wenn Du das – Allein mich dünkt, ihr mochtet jetzt Von Liebe reden? Allgemeiner Widerspruch. Weichliches Getue, Das man verachten muß! Zustimmung. Doch eure schönen Spielmädchen werden ungeduldig sein. Spielmädchen sind wir nicht, und was den Helden Geziemt, geziemt auch uns. Der Ton war Schlachtruf! Wohl euch, ihr Knaben, wenn die Quellen, deren Gefäß ihr liebt, so weiß zu schäumen wissen. Die Hand Strutions erwischend, die sich mit einem übrig gebliebenen Kranz an ihn herangeschlichen und ihn ihm auf den Kopf gedrückt hat. Was halt' ich da? ängstlich. Vergib, ich wollte dir Nur einen Kranz aufsetzen. Und wer bist du? Ein armer Spatz, den Mit einem Blick nach Diokles hin. man – vergessen hat. ihre Hand loslassend. Von einem ebenso vergeßnen Spatze – Den man gar einst als Adler pries –, will ich Euch nun erzählen – – wenn es euch beliebt. begierig. Erzähl! Erzähle! Heute vor zehn Jahren – Nur später nach der Stunde, Mitternacht War schon vorbei – da lag ich nah des Feldherrn Weitoffnem Zelte schlafend auf der Erde. Du kämpftest in der Schlucht? Für Syrakus? Mit meinem Vater? Lykon hieß der Mann. Verboten ist's bei schwerer Kerkerstrafe, Den Namen je zu – – Allgemeines Gelächter erstickt seine Worte. herausfordernd. Lykon hieß der Mann! rufen taktmäßig. Lykon – Lykon – Lykon – drohend. Nur weiter! Was geschehen wird! nach dem Blinden hin. Weiter! Weiter Und plötzlich – ob uns gleich bis an das Frührot Die nöt'ge Rast verheißen worden – stürmte Der Tuba Weckruf dröhnend in die Nacht. Wir schnellten hoch – wir tasteten zum Speerschaft Was ist's? Was will man uns? – Dort stand der Feldherr. Wir drängten zu ihm. Und er sprach: »Ein Hauptmann Karthagos kam ins Lager. Nie bisher Sah Syrakusens Heerschaar einen Würger Gleich ihm. Was er uns kündet, heißt Verderben, Und keiner von uns allen wird jemals Die Tempel seiner Heimat leuchten sehn, Wenn wir nicht auf der Stelle, ohn' Besinnen Und ohne daß ein Herzschlag uns versagt, Dem Tode sperrend in den Rachen springen.« So sprach der Feldherr, und die Dunkelheiten Benützend, die der tiefe Mond uns ließ, Stürzt' er uns anderen vorauf zum Engpaß, Der wenig Ellen breit des Hochtals Kerker Mit der ersehnten Welt verband ... Ein Schlund Mit schwarzer Fuge, wie von Menschenhand Geritzt, den Fels durchfurchend ... Lärmendes Wildwasser quoll hervor – sonst alles still. Doch wie zur Höhe jener Felsentürme Der Blick sich hob – ah – da erstarb das Blut Uns doch. Denn reglos, wie dem Stein entwachsen, Stand dort ein Kriegerhaufe kampfbereit, Doch nicht mit Schwertschlag oder Lanzenwerfen, Wie sich's für wack're Männer wohl geziemt – O nein – vor jedem künstlich aufgebaut Ein Mauerwerk von lockerem Gestein, Durch eines Armes Beuge niederschollernd. Und als der Feldherr, unsern Schreck zu bannen, Mit halbem Schritte nur die Kluft betrat, Vernahmen wir mit geller Stimme – ah! Ihr kennt sie wohl – ein einziges Befehlswort. Und schon in dumpfem Donner prasselte, Den trägen Dunst zum Wirbelsturm aufpeitschend, Der erste Sturz ... Und soviel würden folgen, Als noch ein Krüppel auf zwei Stümpfen kroch. Da wandte sich der Feldherr und sprach so: »Wehrlos uns morden lassen, dieses schmeckt Mir nicht. Darum, wenn zwanzig oder dreißig Bereit sind, auf Gefahr des Lebenbleibens Ihr Fell zu Markt zu tragen, wie auch ich, So meldet euch.« Wir waren mehr als dreißig. Im Nebel halb entschwunden rief er noch: »Hört ihr ein Schwerterklirren, dann heißt's: durch!« Das galt den Bleibenden. – Wir hinterher – Und wie er, katzengleich, in finsterm Spalte Die jähe Felswand zu erklettern anfing, Da folgte Mann für Mann, Mann über Mann. Das ging wohl hundert Atemzüge – wieder An hundert Atemzüge – noch einmal – Und – – doch vergebt mir, edle Freunde, falls Ich euch ermüden sollte, wie wir nicht Ermüdeten – – durcheinander, ungestüm. Nein, nein doch! Fahre fort! Alle sind aufgesprungen und umgeben begierig den Blinden. Auch die Mädchen und die Diener nehmen an der allgemeinen Erregung teil. atemlos. Und dann – mein Vater – was – was tat er dann? Als erster rang er sich empor. Gestein Barg ihn und uns, bis wir so viel beisammen, Um jauchzend, mit des Abersinns Gewalt, Die Abwärtsspähnden rücklings zu befallen. Was nun geschah, – der Mond kroch ins Gewölk, Und Finsternis verzehnfacht' unsre Zahl – Wie wir, ein jeder schreiend, spießend, plänkelnd, Auf immer neues Angriffsspiel bedacht, Den hoffnungslosen Kampf so lang' zu dehnen Versuchten, bis der Durchbrach unten sich Vollendet, dies, ihr lieben Freunde, schaut Mein Blick nicht mehr, denn Dunkel deckt ihn lange. Doch hör' ich noch die Stimme jenes Würgers, Der mit dem Stahl die uns Bekämpfenden Zum Steingeröll zurücktrieb. »Rollt und rollt Und laßt die Handvoll mir!« So schrie er, und Wer nicht gehorchte, sank, von ihm durchbohrt, Mitsamt dem Mordblock in die Tiefe. Doch Derweilen drängten immer neue Scharen, Von Mago hergehetzt – – Von Mago? Mago? Ja so! Ah ja! Ihr wißt nicht, daß der Würger In jener Nacht, der tausend hingemordet, Derselbe Mago war, der heute hier Als Freund herumläuft. Tod dem Mago! – Nieder Mit Mago! Höret weiter! Hört ihn! Es wird still. Und Schon glaubten wir, daß gegen solchen Ansturm Die letzte Wehr verspielt war, da – wie Rauschen Der Stygischen Gewässer, friedevoll – Drang aus den Tiefen ein Gesang empor, In dem der Unsern Todesnot sich löste. Ein Söldnerlied, ein altes, das ging so: Singt. Sterbend mahnen euch Weiber wir: Nähret die Knaben, belehret die Knaben, Daß sie einst sterben wie wir. in Tränen nachsingend. Daß wir einst sterben wie sie. Er schlägt aufschluchzend die Hände vors Gesicht. Dies hörend, wuchsen wir zu Götterkraft, Und spielend saust' ein Funkensturm ringshin. »Nur noch ein Augenblick, dann ist's getan,« So rief ich. »Rollt und laßt ihn schrein,« schrie Mago. Im Kampf und bei den Rollern – überall War Mago ... Da, wie freie Bahn mir mähend, Ich auf ihn eindrang – Blinder, tatest du Dies alles – sprich, wo war mein Vater? nach einem Schweigen, lächelnd. Lykons Vergeßner Schatten, laß es mich nicht büßen, Wenn ich ruhmredig nur an mich gedacht! Wo Lykon war? Der Feldherr lag am Boden. Denn – sagt' ich's nicht? – der Kampf war hoffnungslos. Erst einer – dann der andre – wen es traf. Ein Kieselstück so groß wie eine Nuß, Von Balearentücke hergesandt, Fand seine Stirn, wie später auch die meine. Und dann? Nichts dann! Dies dann! – Er zeigt auf seine Augenhöhlen. Was ihr hier seht, Und was in glühndem Eisen bald mit uns Bekanntschaft machte. – – Aber in die Qual Hinein, die unaussprechliche, verklang Das Schwerterklirren jetzt aus ferner Flur. Und ob wir auch, gefesselt und geblendet, Zu Schmach und Jammer und Begrabensein Verdammt, im Krampf uns schüttelten – was tat's? Der Sieg war nah und – Syrakus gerettet. vor ihm auf die Knie sinkend und das Gesicht in seinem Gewande verbergend. O Vater, Vater! zuckt hoch auf und tastet zitternd nach Diokles' Kopf. Ruhig, lieber Knabe! Nun ist er lange tot! – – – Doch einer lebt, Derselbe, der ihn würgte – der, obwohl Ihn uns die Rachegöttinnen geschenkt, Mit neuer List und neuer Fluchgewalt In Syrakusens Mauern ungestört Auf Syrakusens Nachteil sinnen darf. Stürmisches Geschrei: »Nieder mit Mago! Tod den Karthagern!« Drei Schläge tönen an der Tür. In das plötzliche Schweigen hinein hört man das dumpfe Brausen einer Volksmenge draußen. Diokles gibt das Zeichen, zu öffnen. 4. Szene Vierte Szene Die Vorigen. Zwei bewaffnete Wächter treten ein und stellen sich rechts und links vor der Tür auf. Ihnen folgt Mago barhäuptig und verwildert, das Schwert in der Hand. Wer ist der Wirt? Ich bin's. Du ludest dir Zum Späßemachen einen blinden Bettler. Der Mann gehört Karthago. Liefr' ihn aus! mit Ausnahme von Artemidor drängen sich mit lauten Rufen: »Niemals! Dies wird nicht geschehn!« zwischen ihn und den Blinden. Ihr weigert euch? ... Ihr lärmt Nach hinten weisend. gleichwie der Pöbel, Den ich verachte? ... Eures Herrn Gebot, Das ich mit Schrift und Siegelwachs mir eben Bezeugen ließ – – da nimm! – Er hebt eine Briefrolle hoch und gibt sie einem Diener, der sie Diokles bringt. – wird euren Trotz Gefügig machen. knirschend. Ist kein Schwert im Hause? der einen Blick in die Rolle geworfen hat. Karthager, ob du gleich mit unsres Herrschers Befehl und Waffen vor uns tratst, das Recht, Den Blinden mir zu nehmen, weigr' ich dir! Er zerknittert die Rolle und wirft sie zu Boden. Das kostet dich das Haupt, mein Bruder! Sei's! Und sage dem, mit dessen Schergen furchtsam Du dich beschütztest – – Halt! Halt! Halt! Halt! Ich, Der Ball in diesem Spiel, bin auch noch da. Euch Freunden Dank für hochgemuten Schutz, Den ihr mir botet – doch ich brauch' ihn nicht. Denn ob er gleich in Ketten mich ersticke, Mit diesem Helden werd' ich immer fertig ... Mein edler Mago, gern, aus freiem Antrieb Will ich dir folgen, will auch noch das Volk Besänftigen, das – du hast's erfahren – mehr Als lärmen kann. Doch einen Wunsch zuvor Erfülle mir, zumal es Höflichkeit Gebietet. Nenn ihn! Einen Becher leere Auf Syrakusens Wohl. Dann bin ich dein. entsetzt. Du willst, – du –? leise, heftig. Widersprich mir nicht! Er tastet nach Eurytimos' Hand, der sich rasch an ihn drängt. sich mißtrauisch im Kreise umsehend. Mit Freuden, Und ohne daß ein Bettler mich gemahnt, Will ich dies tun, doch bitt' ich, daß ich stehend, Auf diesem Platze trinken möge. leise. Was Wird dies? Ihr Diener tragt – – Und schöpft den Trank Vor meinen Augen. Gut denn! Er winkt den Dienern. leise zu Eurytimos. Deine Stunde Ist da! Nimm dir, was mein ist! die zwei Diener fortstoßend, die den schweren Mischkrug an den Henkeln gefaßt haben. Weg da! Er erfaßt den Krug mit beiden Armen und trägt ihn vor sich her quer durch den Saal bis vor Mago. Der ältere Diener folgt ihm mit Schöpfgefäß und Becher. Beide stellen sich rechts und links vor ihm auf. Der Diener schöpft Wein in den Becher. Atemlose Stille. Trinke Dich satt, Karthago! zieht die ausgestreckte Hand zurück, misst ihn einen Augenblick lang, dann nimmt er mit verächtlichem Auflachen den Becher und trinkt. hebt den Mischkrug hoch und läßt ihn auf Magos Kopf herniederfallen. Mago sinkt lautlos zu Boden. Banges Aufatmen, mit leisen Rufen durchmischt. der ein kurzes Schwert unter dem Gewand hervorgerissen hat, zu den unbeweglich stehenden Wächtern. He! Ihr Klötze dort! Nun packt mich doch! Uns ward befohlen, dieses Kundschaftende Geschmeiß hierher zu führen. Das Weitre schert uns nicht. hochaufhorchend. Bring mir die Wächter! die beiden mit gutem Zureden nach vorne führend. Hier sind sie! Wer in eurem Haufen denkt, Wie ihr tut? Alle! freudig vor sich hin. Arratos! Artemidor, der zu entschlüpfen versucht hat, im Nacken fassend. Wo kriechst Du hin, du Schlauer? Laß mich! Gebt ihn los! Das Werk, das jetzt beginnt, hält er nicht auf. Artemidor ab. Doch Blinder, du, der du Verblendete Gelehrt, wie man die Augen auftut, wie Die Hand, die längst erschlaffte, löwenstark Zum Schwerte greift – du, der du meines Vaters Gedächtnis aus dem Schlamme hobst und uns Erlöst Aufatmenden die Wege wiesest, Die er gegangen – du vollbring die Tat, Die kühn begonnene! Verlaß uns nicht! Verlaß uns nicht! Und führ uns Jünglinge Zum Kampf, zur Freiheit und – wohin du willst! Begeisterte Rufe: »Führ uns! Verlaß uns nicht! Führ uns, wohin du willst!«. Was ihr mir schenkt, das geh' ich morgen euch Vor eines leeren Thrones Stufen wieder. Doch draußen, dünkt mich, rollt ein schöner Volkszorn Weglos ins Ungewisse. Öffnet ihm Die Tür. Allein zuvor verhüllt den Leichnam, Der Wankenden die Kniee steifen soll. Aller Augen wenden sich dem Hintergrunde zu. Ktesias breitet einen Mantel über Magos Körper, ein andrer geht zur Tür. lacht in sich hinein. der allein bei ihm geblieben ist. Du, Blinder, warum lachst du? Starker Mann! Dich, der die Tat getan, hat man vergessen. Sei ohne Groll! Es geht uns allen so! – – Ans Werk nun! Die Pforte ist geöffnet worden. Das Brausen des hereindringenden Volkes schwillt an. Der Vorhang fällt. 5. Akt 1. Szene Erste Szene Arratos. Später der Türhüter. allein, sitzt auf dem Thronsessel, in seinen Mantel gehüllt, und starrt ins Leere. Von der Straße dringt ab und zu gedämpftes Stimmengewirr, durchbrochen von vereinzelten Notschreien. Bei jedem zuckt er zusammen. Dann springt er zitternd auf und schlägt an das Becken. erscheint rechts. Von meinem Sohne nichts? Noch immer nichts! Doch stehn die Wächter dienstbereit? Umstarren Die tausend Spieße Hof und Halle? Viele Der Boten sandt' ich, doch die Wächterhalle Ist leer. betroffen, leise. Ist leer? Ist leer? Dann, weil ein Schutz Von bessrer Art nicht zu erhoffen, hab' ich Die rostzerfressnen Stangen vor die Tore Gelegt, doch ob sie jähem Ansturm – Rechnest Du schon mit – –? Schläge ertönen von der Außentür her. Öffne! ab. 2. Szene Zweite Szene Arratos. Der erste Späher. Du? Was bringst du? Herr, Kaum wag' ich – – mit bitterem Lachen. Wage! Man wagt viel heut' nacht. Kurzum – gradaus: Der blinde Bettler herrscht In Syrakus; die Edlen und das Volk, Die Weiber selbst und auch die Sklaven, alles, Vom Taumelgift getroffen, schwärmt ihm zu. Doch meine Söldner? Meine tausend Söldner? Wenn es noch Söldner gibt in Syrakus, Ihr Soldherr ist der Bettler – schickt die einen Zur Burg, die andern in den Hafen, ganz Wie's ihm beliebt. halb für sich. Die Weisen sagen, Milde Sei Göttersegen. Schade drum! Zu spät! Für was zu spät, o Herr? Mir zehn, auch zwanzig Starkarm'ge Henker anzuschaffen. kriechend. Doch Ich blieb dir treu, Erhabner! höhnisch lachend. Hier ist Gold! gierig nach dem Beutel greifend. Hab Dank, und falls noch einmal dir der Sieg An deine Pforten pocht – Schläge an der Außentür. mit demselben Lachen. Gib acht! Er ist's. 3. Szene Dritte Szene Die Vorigen. Der zweite Späher. Ich weiß nicht, Herr – Auch du darfst wagen, Freund! Der Blinde zog mit allem Volk zum Hafen. Die Ketten, die allnächtlich sonst die Furt Versperren und die heut' – man weiß nicht, wie? – Am Grunde schleiften – zuckt zusammen. – hieß er schleunig spannen. Dann ging's zur Jagd. Und als man der Karthager Jüngstangekommne Schiffe scharf durchsuchte, Fand man sie mit verborgnen Kriegern ganz Erfüllt. Man griff sie oder tötete, Was nicht sich greifen ließ. Doch dann, als hell Die Schiffe brannten – sieh! noch gleischt's am Himmel – Da, im Gefühl des halbgesättigten Verlangens, wandte sich des Volkes Wut Auch gegen dich ... »Wenn er dies duldete,« So sprang ein fliegend Feuer durch die Menge, »Dann ist er schuldig. Schuldig ist auch er.« Der Bettler aber sprach: »Den Arratos Laßt mir! Und dies gelob' ich: Eh' es tagt, Wird er gerichtet sein.« Schweigen. Sehr schlimm! heiser. Was dann? Noch ist es Zeit, Erhabner! Fliehe schnell Ins Land hinaus, wohin Artemidor, Dein Sohn, dir um die Mitternacht voranging. entsetzt. Artemidor – entflohn! Dein Stiefsohn aber – in letzter Hoffnung. Ja, Diokles! – Das ist's ... denn ob er gleich Im Wahn der Kränkung gegen mich sich bäumte, Lenkbaren Sinns und liebreich – und vor allem Der Erbe jenes Namens, den der Blinde – ... Das ist's ... mein Diokles! Ruft ihn hierher, Den Einz'gen, der – Dein Stiefsohn aber, Herr, Ward nächst dem Blinden der Empörung Haupt. Ja so ... Wie anders! – Ja ... Gibt auch dem zweiten Späher einen Beutel. Da nimm! Und ehe Mir nicht das Glück die Füße küßt, sieht man Euch zwei nicht wieder. Die beiden Späher eilends ab. 4. Szene Vierte Szene Arratos. Später Philarete. steht auf, will an das Becken schlagen, läßt erschlaffend den Schlegel sinken und verbirgt, von Schauern geschüttelt, den Kopf hinter der Lehne seines Sessels. tritt von links ein, betrachtet ihn und legt dann die Hand auf seine Schulter. fährt, nach seinem Schwerte greifend, mit einem Aufschrei zurück. Mich fürchte nicht, mein Gatte! Wüßtest du, Du würdest zögern, die Noteinsamkeit Der letzten Stunde mir zu süßen, Weib! Drum geh – und – Glaubst du, daß die Frauenwohnung Dem Schrei des Schicksals Ohr und Einlaß wehrt? Doch weil ich diesen Bettler sprach und rings Um seine blut'gen Augen, aus der Schwärze Des haßerfüllten Elends ein Gewirr Von Licht und Güte plötzlich lachen sah – Drum fühl' ich, daß hier Göttermächte walten Und daß, wer Ihnen sich ergab, auch dem Vertrauen darf, den sie für ihren Willen Zum Werkzeug wählten. Bist du auch von denen, Die, wie dein Sohn, durch ihn verzaubert sind? Und kehrst dich wider mich? – Und trachtest heimlich –? Geh fort und neige dich in Furcht vor jenen, Als deren Werkzeug du den Blinden liebst! Mich aber laß in meiner Schmach verderben, Mich, der so sehr nichts fürchtete – wie dich. Mein Freund! Fern sei's von mir, zu leugnen, daß – – Ich weiß nicht, wie? – ein traurig Wohlsein leise Mich überkommt, wenn ich des Manns gedenke, Der mir von – von – den Toten Kunde gab. Doch weil ich deines Leibes Anteil ward Und deine Seele sich an mir verkroch, So breit' ich meine Hände über dich, Und statt zu hadern, teil' ich Todesschuld Und Todesgrauen still mit dir. Suchst so Du wahr zu machen, was der Tote sprach: Der sei geadelt, dem du angehörst? Geadelt? Lacht. Ich? Wodurch wohl? Durch dich selbst. Denn siehe! Gutes schaffen war dein Wille, Und atemhaltend hört' ich dich oft ringen Mit nächtigen Versuchern, die du stolz Zertratst. Ah! Hätte das Verhängnis je Dir freie Hand gegönnt, du Armer, wärest Du in des Volkes Weiheglück nicht selbst Zum Glücklichen geweiht? Ah ja – ja, ja! – Das ist's! ... So ist's! Denn frei zu machen – mich Zu – – frei zu machen – hab' ich – stets – – – doch Schwäche, So nannten sie's – und andre: Schmeichelkunst – – – Und meine Wächter – Wächter! Tausend Wächter! Weil ich sie Frieden halten hieß, darum Sind sie mir untreu – und das Volk – weil ich Nicht strafte! – Und jetzt – hab' ich nichts als dich – Und diesen Ring. Was ist's mit diesem Ringe? Hähä! Und wenn der Bettler dort hereintritt, Von Syrakusens Edeln dicht umdrängt, Und seiner Fragen dritte, schreckensvollste Mir auf den Leib hetzt – ah! ich kenn' sie wohl, Die dritte Frage – dann – Betrachtet den Ring. Dann wachs empor Hoch über deine Schuld – um deren Wissen Ich mahnend niemals in dich drang – und lasse Redlichen Wollens allversöhnende Gewalt an haßgestählte Herzen klingen. Du redest wie zu einem Hirtenknaben, Der Honig naschte, weil er hungrig war. Doch zwischen Tat und guten Willen schiebt Die Klugheit sich. Und Klugheit sagt: Dies laß – Und das erst recht – dies sprich und das verschweige! Dann wälzt des Willens Hoheit sich im Staube Und wird ein schleichendes Getier und – – – Ja, Wüßt' ich, wieviel der Blinde weiß und welche Gewähr er mitbringt – ah! – dann hielt' ich stand, Dann wüchs' ich mit dem Worte, dann – – – In aufquellender Angst. Sie werden Das Tor erbrechen – Flüche rasen – Schwerter Gezückt! – – Nicht einer glaubt mir – jeder glaubt Dem Blinden! Wenn er dann mit seinen Fingern – Auf jeder Fingerspitze sitzt ein Auge, In jedem Worte brennt ein Feuerstrahl – Und jedes Wort, das ich, ich selber spreche, Wird ihm ein Haken – so hab' ich's erlebt – Daran zieht er mich langsam – langsam – – Hilfe! Der Blinde! ... Hörst du vor dem Tor die Stimmen, Die klagenden? Um mich klagt keine! Um Wen klagen sie? Heftige Schläge an der Außentür; in sich zusammenkriechend. Hä! Schon? Was jetzt auch komme – wie erwachend. Ja – du! Er versucht sich um Philaretens willen zusammenzuraffen. Ich will in Größe sterben. – Ja. 5. Szene Fünfte Szene Die Vorigen. Die beiden Späher atemlos. Ihr seid's? Wir liefen, Herr – Im Wettlauf, Herr. Der Blinde – zum zweiten. Ich geb' Kunde – ich war erster Am Tor – Und ich – Der Blinde? Ist – erschlagen. Von den Karthagern, die gefangen zwischen Den Wächtern gingen, riß gedankenschnell Der eine – gestern sahst du ihn bei Mago – Dem Nächsthinschreitenden das Schwert fort, stürzte Sich auf den Blinden, der, zu Tod getroffen Darniedersank. Hierauf bot er sich lachend Den Speeren preis. kriechend. Wir aber eilten her, Denn dich würd's freuen, dachten wir in Demut. seine freudige Erregung bemeisternd, winkt ihnen schweigend, sich zu entfernen. Beide mit Bücklingen ab. 6. Szene Sechste Szene Arratos. Philarete. Später der Türhüter. wendet sich erschüttert ab. Frohlockst du nicht? Denn jetzt behältst du Recht! Jetzt, da der Alpdruck einer schwülen Nacht Beim Hahnenschrei im Nebel sich verlor, Jetzt werd' ich wachsen! Süß wird meine Rede Des Herrn verlorne Wittrung ihnen wieder Zur Nase führen, und was guter Wille Höhnisch. – Warum soll man's nicht guten Willen heißen?– An Gunst gewann, wird sich zu Taten wandeln. – Zu welchen Taten, frage mich noch nicht, Doch – ... Horch! Ein Volksruf schwillt vom Hafen her – Und nähert sich – schon schlägt er um das Haus – Er springt auf und pocht an das Becken. erscheint. Die Pforten auf! Und wen's zu schaun gelüstet, Wie heut' ein Herrscher um Vergebung bettelt, Der sei willkommen! Leiser. Doch es wird ihn reun. ab. 7. Szene Siebente Szene Die Vorigen. Myrrha. Menesto, gefolgt von Bio, Phenippe und andern Dienerinnen und Dienern eilends von links. Mein gnäd'ger Vater! Todesbangen trieb Uns in die Männerhalle. Durch das Tor Und über Mauern drängt ein schreiend Volk. Drum laß uns hier, die wir sonst schutzlos wären. Zu deiner Mutter tritt. Ihr andern – Winkt ihnen, hinten zu bleiben. 8. Szene Achte Szene Die Vorigen. – Durch die Tür rechts kommen langsam und scheu Edle und Volk durcheinander gemischt, darunter Hegesias. Hinter ihnen her stürzen in großer Erregung, das Schwert in der Hand, Diokles, Ktesias, Lysimachos und andere Jünglinge. aufstehend. Ruhig, Ihr Knaben! Dieses ist das Haus des Friedens. Drum berget Wut und Waffen! ... Meinen Dank Euch Allen, die ihr euch ums Morgenrot Zu mir bemühtet Täuscht mich nicht mein Ahnen, So gab es eine heiße Nacht voll Dunst Und Blut und Feuersegen. Streng erwogen, Müßt' ich nun zürnen, weil ihr, ohne mich Zu fragen, Spiele spieltet, die – beim Zeus! – Ich ungern andern überließ als mir. Doch liegt es wenig mir nach Wunsch, die Siegerfreude Grämlich zu dämmen, die euch flutend trägt, Zumal – vertraulich sei's gesagt – ich selbst Sie mit euch teile. Bewegung. Dies verwundert euch? als Sprecher einer Gruppe älterer Edlen. Ja, Herr! Weil wir dich mit des Landes Feinden In zartem Frieden sahn, der uns gefahrvoll Und kaum begreiflich schien, so nahmen wir Geringen Anlaß wahr, um ohne dich – Und, notgedrängt, auch gegen dich – dem Siege, Den du dereinst erkämpftest – Wer erkämpfte Den Sieg? mit einem strafenden Blick nach ihm hin. – sein gottgewolltes Recht zu geben. Doch daß wir uns erkühnen sollten, jetzt, Da wir dich, Herr, in schenkender Vergebung Den Händeln dieser Nacht – ich selbst geriet Hinein und weiß nicht, wie? – Wir aber wissen's, Denn wir entflammten sie. Die Jagend schweige, Wenn altersschwere Häupter sich zum Rat Begegnen. Was gilt uns ein Altersvorrang, Wenn er der Freiheit goldne Gabe träg' Verschleudern läßt? Noch halten wir sie fest, Doch wenn die Geißel erst geschwungen wird, Dann trifft sie eure Nacken wie die unsern. Mein teures Kind! Mit ungemessnem Kummer Seh' ich dich dort in Widersachertrotz Den Schwertgriff drehn. An eignen Sohnes Statt, Der heut' entwich und nimmer wiederkehrt, Wollt' ich dich setzen. Darum nimm den Platz An meiner Seite. Er gebühret dir. Vergib, mein gnäd'ger Herrscher! Wenn ein Platz Der Welt in dieser Stunde mir gebührt, So ist er an der Seite jenes Mannes, Der mir den Vater, euch die Freiheit gab Und den ich unter meuchlerischer Faust Dahingesunken, unfromm liegen ließ, Weil mich sein matter Wink hierher entsandte Und daß du's weißt: Ich steh' hier als dein Feind! Nicht weil ein kleiner Haß, weil Argwohn mir Das Herz zerfräße – Argwohn heg' ich auch, Ah ja! – Doch davon schweig' ich, rede nur Von einem: Wer Karthagos Freund gewesen, Kann uns nicht Führer werden in dem Kampf, Der um das nackte Lebenbleiben jetzt Entbrennt Der ist gezeichnet und – muß fort! für sich. O meine tausend Wächter! Laut, lächelnd. So, ihr Freunde, Erseht ihr, wie die Jugend Aug' und Urteil Im Blauen ahnungslos lustwandeln läßt. Schau her, mein Sohn, wie deine Mutter zittert Und wie die Schwester leblos an ihr hängt! Nicht mich, dein eigen Blut hast du gelästert. schmerzergriffen. O Mutter! Und wofür? Karthagos Freund Wär' ich gewesen? Weil ich Frieden suchte? Weil ich den Kampf, in dem die weiße Stadt Zu schwarzem Trümmerschutt sich wandeln mußte, Hinausschob – bis, durch unsern Schatz geworben, Das Mark der Welt für uns die Speere hob? Und wenn ich Syrakusens Todfeind witternd In diesen Mauern duldete, wenn selbst Dies oder jenes Fahrzeug Heimlichkeiten In seinen Planken barg, was tut das euch? Denn mir war nichts verborgen. Zeugnis kann ich Euch bringen – wenn ihr's fordert, auf der Stelle –, Daß jede Tat, die ein Karthager plante – Auch Mago – er, mein Freund, zuerst –, von mir Erspäht, durchforscht, im Keim vernichtet ward. So, von des Volkes Mißtraun hart getadelt, Dem Freundesblick zur Scham, vom eignen Sohn Verraten, wacht' ich selbstlos, ruhelos Ob euch und eurem Wohl! Und wenn ihr heut' Zum Danke der Empörung Fackel mir Ins Antlitz werft, sie fällt vor mir zur Erde, Zerspaltet und erlischt, denn hier ist keiner, Ihr Freunde, gegen den man sich empöre. Zögernder Beifall im Volk. Vergib, o Herr, wenn wir in Unverstand Gefrevelt! Rufe: »Vergib uns! Vergib!«. Was zuerst uns obliegt, ist, Der Söldner Schutz um deinen Thron zu sammeln – Seid ihr von Sinnen? – denn es rast das Volk Und will Gericht und Sühne – und was noch? seinen Triumph verbergend. Ich dank' euch, edle Freunde! Würd' es mich Auch mehr erbauen, wenn in Gunst ihr selbst Mit euern Schutz – Wir selbst? Wir werden bald Staub fressen, Wärmer nähren oder barhaupt Für Syrakusens schnell gewonnene, Schnell fortgeworfne Freiheit betteln gehn! Ein von fernher anschwellendes dumpfes Murmeln hat sich erhoben. Alles lauscht. 9. Szene Neunte Szene Die Vorigen. Der Türhüter stürzt herein. Was ist's? Der Blinde lebt! – Vom Liebesruf Des Volks geleitet, naht er dem Palast! Große, gedämpft-freudige Bewegung. springt auf und taumelt, das Auge entsetzt auf den Eingang gerichtet, zurück, sich an dem Thronsitz festhaltend. dem Eingang zugewandt. Er lebt! Heil unsrer weißen Stadt! Nun lebt Auch sie! – O seht! O seht! nach dem Eingang starrend. Wie wenn ein Toter Dem Schattentand entwich, so wandelt er, Durch Grabesbinden blutend, schattengleich Daher! in Angst entgeistert. Sieh, Weib! Der ist's, den Götter sandten! Eine Gasse hat sich gebildet. Das Murmeln draußen pflanzt sich auf die Szene fort. Alle schauen dem Kommenden entgegen. 10. Szene Zehnte Szene Die Vorigen. Von Eurytimos gestützt, erscheint der Blinde. Kopf, linker Arm und Brust mit Binden umwickelt, durch die blutige Streifen hindurchschimmern. Sein Gesicht ist wie das eines Toten. Er hält sich nur mit höchster Willensanstrengung aufrecht. ihm entgegen. Du kamst zu rechter Zeit. Sie wähnten dich Gestorben und verwürfelten dein Erbe. Noch lebend – schon vergessen! Ich verstehe Dich, Dämon ... Ihr Abtrünnigen, muß ich Euch bannen mit des Auges blut'gem Griffe, Auf daß ihr – mir nicht – nein, euch selbst gehorchet! Noch bin ich da! Noch wächst mein Werk, und zwischen Den Fäusten halt' ich euch wie – euren Herrn. Du Mächtigster der Männer hast zur Stunde Bezahlter Wächter keinen, mich zu fangen, Und keinen Mago, der mich heimlich würge! Mein bist du – mein ist das Gericht! – Wer – setzte – Dich mir zum Richter? Wer –? Du selbst Doch ehe Der Fragen letzte, die zehn Jahre schon Die Gräber der Verratenen umirrt, In Zorn aufschreiend, ihm das Herz bloßlegt, Verkünd' ich allen, die im Dunkel noch Hierhergeeilt, daß seit dem Dämmergraun Karthagos hundertbord'ge Flotte rings Vorm Hafen steht. Rufe des Entsetzens. Seid unbesorgt! Ihr selbst Mit mir vollführtet, was die Not erzwang. Die frevlerisch gelösten Ketten sind Gestrafft – die tückisch vorgesandten Schiffe Vernichtet – alte Söldner kampfbereit. Und was an Schaden dieser Mann euch antat – Was er – auch – mir – Er taumelt, von einer Schwäche ergriffen. O seht! Er wankt! von Eurytimos und Diokles gestützt. Vergebt! Noch finstrer – wird die Nacht – in mir. Noch tiefer Die – – vorstürzend. Stirb uns nicht, o Fremdling! sich aufraffend, mit seligem Lächeln. Welche Stimme War das? – Du, Mädchen – weilest in der Halle Der Schrecken? – Deine Mutter ist mit dir? Sie ist's. zuckt auf. Und weil sie weiß, daß gütereich Das Herz dir schlägt – mit innerlichem Lachen. Schon schwächer wird der Schlag! – so flehet sie, des Toten eingedenk: Laß Schonung walten, wie er mich geschont. mit schriller Stimme. Hinweg ihr alle! Wer ein Henkeramt Versieht, der muß allein stehn ... Arratos, Mein – Freund! in Angst halb besinnungslos. Wann war ich wohl dein Freund? Du warst's! Und weil ich Ehr' und Einsicht dir vertraute – Du –? Mir –? – so muß ich – Keine Frage mehr! Wer du auch immer seist, ich hab' genug Von deinen Fragen! ... Guten Willen hab' ich Bewiesen all die Jahre – doch was half's! Entsühnen hab' ich wollen – doch was half's? Faß meine Hand, Weib! So! – – Während er mit der Linken Philaretens Hand umklammert, führt er mit der Rechten rasch den Ring zum Munde. Wem – du – gehörst – Der wird – geadelt – sein! Er taumelt im Todeskampfe die Stufen hinab und bleibt reglos hinter dem Throne liegen. Philarete wirft sich mit einem Aufschrei über ihn. Dumpfes Murmeln des Schreckens. sich nach Eurytimos umwendend. Was ist's? Er gab Sich selbst den Tod, so scheint es. Sein Geheimnis Werf' ich ihm nach! ... Jetzt hört! Auch meine Zeit Ist karg bemessen ... Diokles, wo bist du? Bei dir! Wo sonst? Da du als deines Vaters Echtblüt'gen Sprossen dich erwiesen hast, So leg' ich, seinem Auftrag untertan, Des Feldherrn Amt in deine Hände! Ferner: Nimm dieses Hauses altererbte Schätze – Wo sie geborgen, frage deine Mutter – Und waffne jung und alt. Und was in Zweifel, In Wollust oder Armut feig' erlosch, Das laß zu neuer Flamme himmelauf Entbrennen! Arm ist keiner, der dem Lande Des Lebens einen Tod zu schenken hat – Auch nicht der Bettler, der jetzt von euch geht. Du Herrlicher, dem alles untertan, Befiehl dem Tode – und er weicht von dir! Doch ist's dein Wunsch, zu scheiden, dann entsiegle Das Rätsel, das unlösbar scheint, und sprich: Wer bist du, der als Heros uns erlöste? Wohlan denn! Führet mich zu dem Altar, Der blumenübervoll des Gastes harret, Und zündet fromm das reinigende Feuer, Das Leid und Glück, das Tod und Sühne frißt. Dann will ich reden, will – – – Was ist's? Wer steigt Dort aus den ...? Was begehrst du, Dämon? ... So Zornblickend mahnst du mich? ... Betrogen hab' ich Dich längst! Denn war ich nicht der Herold jenes In Nacht Verschollenen, des Name jetzt – – –? Du lächelst? ... Oder kämpfte gar ein Schatten Für einen Schatten? Nach Philarete hinlauschend. Weinen hör' ich dort! Wer weint, da alles jubeln soll? Die Mutter, Die über ihrem Toten klagt, o Fremdling! Ja so ... Ach so ... Das war dein Lächeln, Dämon! So lohnst du mir mein Werk! Und so wird er Auch euch einst lohnen! So euch Allen! ... Sei's drum! Tastend. Wo sind die Stufen? Ich will heim. Laß mich Dich führen! Ja – und leg mich nieder! So! ... Er legt sich, von Myrrha gestützt, auf den Stufen des Altars nieder. Und bettest gar den Kopf in deinem Schoße? Ah! Das tut gut ... Das tut sehr – – – Diokles! Der Feind ist ... und – sag – deiner – Mutter – – Mutter, Der Fremde ruft nach dir! Nein, nein! Mag sie – – – Ah! Das – tut – gut. Er streckt sich im Sterben. Wer bist du? Sprich! Wer bist du? Von allen auf der Welt kann dies nur einer Gewesen sein. Sag wer? Wer? die herzugetreten ist, in aufdämmernder Erkenntnis die Arme hochhebend. Wer? umklammert aufschluchzend den Kopf des Toten. Nur einer! Der Vorhang fällt.