Torquato Tasso Befreites Jerusalem (La Gerusalemme liberata) Erster Gesang Erster Gesang. 1. Den Feldherrn sing' ich und die frommen Waffen, So des Erlösers hohes Grab befreit. Viel führt' er aus, was Geist und Arm geschaffen, Viel duldet' er im glorreich kühnen Streit. Und fruchtlos droht die Hölle, fruchtlos raffen Sich Asien auf, und Libyen, kampfbereit; Denn Gottes Huld führt zu den heil'gen Fahnen Ihm die Gefährten heim von irren Bahnen. 2. O Muse, die mit welken Lorbeerkronen Nie auf dem Helikon die Stirn umflicht, Doch die im Himmel, wo die Sel'gen wohnen, Strahlt mit des Sternenkranzes ew'gem Licht: Hauch' in die Brust mir Glut aus Himmelszonen! Erleuchte du mein Lied; und zürne nicht, Füg' ich zur Wahrheit Zier, schmück' ich bisweilen Mit anderm, als nur deinem Reiz, die Zeilen. 3. Du weißt ja, daß die Welt, wo seiner Gaben Parnaß die süßesten verströmt, sich drängt; Und daß die Wahrheit manchesmal, vergraben In holden Reim, die Sprödsten lockt und fängt. So reichen wir auch wohl dem kranken Knaben Des Bechers Rand mit süßem Naß besprengt; Getäuscht empfängt er, ohne Widerstreben, Den herben Saft, und, durch die Täuschung, Leben. 4. Großmüthiger Alfons, erhabner Retter Des irren Wandrers, den das Glück verrieth, Der aus dem Wogendrang, aus Sturm und Wetter, Gescheitert fast, in deinen Haven flieht: Mit heitrer Stirn empfange diese Blätter; Wie zum Gelübde weiht' ich dir mein Lied. Einst tönt vielleicht die ahnungsvolle Leier, Statt leisen Winks, von dir mit lauter Feier. 5. Wohl ist es recht – wenn je in künft'gen Jahren Die Völker Christi sich in Frieden sehn, Und nun mit Schiff und Roß kühn dem Barbaren Die große Beute zu entreißen gehn – Daß sie die Führung, wie du willst, der Schaaren Zu Wasser oder Land dir zugestehn. Nacheifrer Gottfrieds, horch' auf seine Siege In unserm Lied, und rüste dich zum Kriege! 6. Schon lief das sechste Jahr, seitdem die Christen Zum hohen Kampf gen Ost sich aufgemacht. Nicäa war durch Sturm, durch Ueberlisten War Antiochien schon in ihrer Macht, Und wider Persiens Heer, nach kurzem Fristen, Die Stadt vertheidigt in gewalt'ger Schlacht. Tortosa fiel; dann räumten sie der harten Jahrszeit das Feld, um auf den Lenz zu warten. 7. Und jener feuchte Winter, der dem wilden Kriegstoben wehrte, war beinah entflohn: Als aus des Himmels heitersten Gefilden Der ew'ge Vater, vom erhabnen Thron, So weit erhöhet ob den Sterngebilden, Wie sie sind ob des Abgrunds Region, Das Aug' herniederwandt' und faßt' in Eine Anschauung, was die Welt in sich vereine. 8. Er schaut das All, und weilet bei der Franken Heerführern, die in Syriens Gau'n verziehn; Und mit dem Blick, dem in des Busens Schranken Stets die geheimste Regung klar erschien, Sieht er den Gottfried glühn von dem Gedanken, Die heil'ge Stadt den Heiden zu entziehn, Und, treu und eifrig, jedes ird'sche Trachten Nach Ruhm der Welt, Herrschaft und Gold verachten. 9. Er sieht in Balduin die Begierde lauern Nach allem was zur Erdengröß' erhebt; Und wie Tancred, versenkt in tiefes Trauern Durch Liebeswahn, nur wider Willen lebt; Wie Bohemund in Antiochiens Mauern Sein neues Reich fest zu begründen strebt, Gesetz' und Sitten einführt, und Belehrung In Künsten giebt und wahrer Gottverehrung; 10. Und wie sein Geist, nur thätig und geschäftig Bei diesem Werk, nichts Andres denkt noch thut. Dann siehet er Rinaldo, kühn und kräftig, Der Ruhe feind, entflammt von Kriegesmuth. Nicht Gold noch Herrschaft lockt ihn an; doch heftig Durchlodert ihn der Ehr' unmäß'ge Glut. Er sieht ihn treu an Guelfo's Munde hangen Und edler Vorzeit würd'ge Kund' empfangen. 11. Doch als der Herr des Weltalls wahrgenommen Den tiefsten Wunsch, den jedes Herz gebar, Heißt er den Gabriel zum Throne kommen, Den Zweiten aus der ersten Engel Schaar, Der immer zwischen Gott und seinen Frommen Ein froher Bot' und treuer Dolmetsch war. Er bringt hinab die himmlischen Befehle Und bringt zu Gott das Flehn der gläub'gen Seele. 12. Ihm sagt der Herr: Zu Gottfried, meinem Treuen, Eil' hin und sprich: Warum nunmehr verziehn? Warum nicht jetzt mit Macht den Krieg erneuen, Jerusalem dem Joche zu entziehn? Die Fürsten ruf' er in den Rath, die Scheuen Sporn' er zum Werk; zum Feldherrn wähl' ich ihn. Ich wähl' ihn hier; die Andern thun's auf Erden, Die, einst ihm gleich, jetzt seine Diener werden. 13. So spricht der Herr; und diesem nachzuleben Bereitet sich der Engel alsobald. Luft muß den unsichtbaren Leib umweben, Von ihm geformt zur menschlichen Gestalt, Um sich den ird'schen Sinnen kund zu geben, Doch von des Himmels Majestät umwallt. Ein Knabe scheint er an des Jünglings Gränzen Und läßt das blonde Haar von Strahlen glänzen. 14. Dann nimmt er weiße, goldgesäumte Schwingen, Die unermüdlich sind, und schnell und leicht Der Wind' und Wolken Region durchdringen, Daß Meer und Land tief unter ihm entweicht. Er eilt, vom Himmel sich hinabzuschwingen; Bald hat er schon die untre Welt erreicht, Läßt auf dem Berge Libanon sich nieder Und wiegt sich auf verbreitetem Gefieder. 15. Nun lenkt er, abwärts fliegend, seine Pfade Nach dem Gefild, in dem Tortosa ruht. Die Sonn' entsteigt dem östlichen Gestade, Zum Theil herauf, doch mehr noch in der Flut; Und Gottfried sendet zu dem Quell der Gnade Sein frühes Flehn, wie er gewöhnlich thut: Da, mit der Sonne, doch in hellerm Lichte, Erscheint der Engel seinem Angesichte, 16. Und sagt ihm: Gottfried, sieh die Zeit erscheinen, Die wieder Raum den Kriegesthaten schafft. Warum noch säumst du länger mit den Deinen, Jerusalem zu ziehn aus schnöder Haft? Eil', in den Rath die Fürsten zu vereinen, Und sporn' ans Ziel die träggewordne Kraft. Gott will zu ihrem Führer dich erheben, Auch werden sie sich selbst dir untergeben. 17. Gott schickt als Boten mich, dir zu berichten Was er beschloß. Wie hoffest du mit Fug Nun sichern Sieg! Wie groß sind deine Pflichten Für jenes Heer, das Er dir übertrug! Er schwieg, verschwand und lenkte zu den lichten Glücksel'gen Höh'n des Himmels seinen Flug; Und Gottfried, ob dem Glanz, ob dem Befehle, Steht da, geblendten Aug's, erstaunter Seele. 18. Doch als er sich gefaßt, und klar ergründet, Wer kam, wer sandt', und was zu ihm erscholl: Da, wünscht' er erst, fühlt er sich ganz entzündet, Den Krieg zu enden, den er lenken soll. Nicht daß sein Herz, weil ihm die Gunst verkündet, Die ihm der Himmel schenkt, von Ehrsucht schwoll; Doch fühlt er, daß sein Wille sich entflamme In dem des Herrn, wie Funken in der Flamme. 19. Er lud demnach die Helden, in der Gegend Ringsum zerstreut, zum Rath, den er berief. Stets zu dem Vorschlag noch die Bitte legend, Schickt Boten er auf Boten, Brief auf Brief. Was nur für Edle lockend ist und regend, Was nur die Thatkraft wecket, die entschlief: Er findet's auf und schmückt es, und erringet, Daß sein Bemühn zugleich gefällt und zwinget. 20. Ein jeder Feldherr kam nun mit den Seinen, Nur Bohemund vermißte man im Rath. Tortosa nimmt sie auf, wie sie erscheinen, Und draußen lagern, die zuletzt genaht. An einem feierlichen Tag vereinen Die Großen sich, ein würdiger Senat; Und Gottfried nun spricht zu dem Heldenbunde Mit hehrem Blick und wohllautreichem Munde: 21. Ihr Krieger Gottes, die der Herr der Schaaren Zu seines Reichs Herstellern hat gemacht, Und zwischen Trug und Waffen, in Gefahren Zu Land' und Meer geleitet und bewacht; So daß wir ihm, in nur so wenig Jahren, So manch abtrünnig Volk zurückgebracht, Und in bezwungnen, unterworfnen Reichen Verbreitet seinen Ruhm, sein Siegeszeichen: 22. Wohl darum nicht – wenn mich kein Wahn betrogen – Flohn wir die Heimat und der Liebe Pfand, Vertrauten uns des Meeres falschen Wogen, Der Kriegsgefahr an so entferntem Strand, Um einen kurzen Ruhm, der leicht verflogen, Um zu gewinnen der Barbaren Land. Das hieße wohl sich schlechten Lohn erwählen, Und Blut verströmen zum Verderb der Seelen. 23. Dies Ziel vielmehr ermuthigt' unsre Waffen: Die edeln Mauern Zions zu befrein, Unwürd'gem Joch die Christen zu entraffen Und einer so verhaßten Knechtschaft Pein; Im heil'gen Land ein neues Reich zu schaffen, Der Andacht sichre Wohnung zu verleihn, Damit am hohen Grab der fromme Pilger In Ruh anbete, des Gelübdes Tilger. 24. Zwar Großes ist für die Gefahr geschehen, Mehr für die Miihe, für den Ruhm nicht viel, Nichts für den Zweck; bleib' hier der Krieger stehen, Such' anderswo der Waffendrang sein Ziel. Was hilft's, Europa's Macht vereint zu sehen, Und daß der Brand in Asiens Fluren fiel, Ist doch das Ende so gewalt'ger Thaten Nicht Staatengründung, nur Verderb der Staaten? 25. Der baut auf Sand, der nur auf Erdenstützen Ein neues Reich zu gründen sich vermißt, Wo wenig der Verbundnen ihn beschützen, Wo er von Heiden rings umgeben ist. Das ferne Westland kann ihm wenig nützen, Und trauen darf er nicht der Griechen List. Nur Trümmer häuft er auf, wovon begraben, Er selbst ein Grab sich wird erbauet haben. 26. Daß Türken, Perser, Antiochier sanken – Glorreicher Schall der Namen und der That – War unser nicht; dem Himmel war's zu danken, Der wundervoll auf unsre Seite trat. Doch brauchen wir, zuwider den Gedanken Des Gebers, dies Geschenk nach unserm Rath: So fürcht' ich, wird sein Arm sich von uns wenden, Und unser Ruhm ein Spott der Völker enden. 27. Ha! Keiner werd' in unserm Heer getroffen, Der das verderbe, was der Herr geschenkt! So, wie der Glanz des Anfangs ließ erhoffen, Sei bis ans Ziel das große Werk gelenkt. Jetzt, da die Wege gangbar sind und offen, Jetzt, da nicht mehr die Jahrszeit uns beschränkt: Warum nicht zu der Stadt hinan, dem hehren Zielpunkte jedes Siegs? Wer kann's noch wehren? 28. Ja, ich bezeug's, ihr Fürsten – und erfahren Wird dieses Zeugniß Welt und Afterwelt, Und droben selbst der Himmelsbürger Schaaren – Die Zeit der Reife hat sich eingestellt. Je mehr wir zögern, wachsen die Gefahren; Unsicher wird, was man für sicher hält. Ich seh's voraus, bald wird, wenn wir nicht eilen, Aegyptens Macht dem Feinde Hülf' ertheilen. 29. Er sprach's. Ein Murmeln folgt' itzt im Senate, Und Peter sprach, der Eremit, sodann; Ein Niedrer, saß er mit im Fürstenrathe, Als der den großen Heereszug begann: Was Gottfried sagt, ist, was auch ich hier rathe; Es ist so klar, daß Keiner zweifeln kann. Durch sich ist's kund, er setzt' es ganz ins Reine; Ihr billigt es; ich füg' hinzu dies Eine: 30. Fass' ich den Streit, den Widerspruch zusammen, Den um die Wette Jeder übt' und trug; Die Meinungen, die wechselnd sich verdammen, Die Thaten, stockend mitten im Vollzug: So seh' ich all' aus Einer Quelle stammen, Die Händel, die Verwirrung, den Verzug; Aus dem Gewicht, das Viele, die oft streitig In Meinung sind, behaupten gegenseitig. 31. Wo Einer nicht der Oberherrschaft Quellen In sich vereint, verbietet und erlaubt, Die Arbeit austheilt, Würden giebt und Stellen, Da ist dem Staat die innre Kraft geraubt. Eilt denn, euch fest als Glieder zu gesellen, Und Einer nur sei dieses Körpers Haupt. Auf Einen sammelt der Regierung Bürde, Gebt ihm des Königs Ansehn, Macht und Würde. 32. Hier schwieg der Greis. Doch welcher Herzen Pforte Kann dir, o heil'ge Glut, verschlossen sein? Dein Hauch beseelt des Eremiten Worte, Du prägest sie ins Herz der Ritter ein. Du tilgst so ganz aus seinem Heimatsorte Den Trieb nach Freiheit, Macht und äußerm Schein, Daß Wilhelm gleich und Guelf, die allen Diesen Vorgehn im Rang, Gottfried zum Haupt erkiesen. 33. Die Andern stimmen bei; er soll erwägen, Beschließen, und gebieten Jedermann; Gesetze den Besiegten auferlegen, Krieg führen gegen wen er will, und wann. Die sonst ihm gleich, sehn ohne Widerregen Sich jetzt als Diener seiner Herrschaft an. Beschlossen ist's, und schon, nach allen Seiten, Fliegt das Gerücht, die Kunde zu verbreiten. 34. Er zeigt den Söldnern sich, und wird von allen Des Rangs, der ihm verliehen, werth geschätzt; Und kriegerische Grüße, die ihm schallen, Verkünden laut, wie sie die Wahl ergetzt. Er sieht des Heeres Freude mit Gefallen Und danket Allen heiter und gesetzt; Dann ordnet er, daß mit der Morgenhelle Die ganze Macht zur Heeresschau sich stelle. 35. Kaum ist die Sonn' im Osten aufgegangen, Und heitrer als sie lange nicht gethan, Als bei dem ersten Strahle, voll Verlangen, Mit ihren Fahnen schon die Krieger nahn, Und jeder sich, in seinem besten Prangen, Dem frommen Gottfried zeigt auf weitem Plan. Er aber steht und sieht, in aller Muße, Vorüberziehn das Heer zu Roß und Fuße. 36. Du, des Vergessens Feindin und der Jahre, Erinnerung, die Alles aufbehält, Erfülle du mich, daß ich offenbare, Wie jede Schaar sich wies und jeder Held; Daß man erneut den alten Ruhm gewahre, Den lange Zeit verdunkelt und entstellt. Was meine Zunge schmückt mit deinen Schätzen, Soll jedes Alter hören, keins verletzen. 37. Die Franken ziehn vorauf, an deren Spitze Graf Hugo einst, des Königs Bruder, stand. Sie hatten Isle de France zum Heimatsitze, Vier Ström' umziehn ihr schönes, weites Land. Seit Hugo starb, folgt mit gewohnter Hitze Die Schaar dem Lilienbanner in der Hand Clothars, des Feldherrn ohne Furcht und Tadel, Dem nichts gebricht, als königlicher Adel. 38. Auf Dies', in schwere Rüstung eingeschlossen, Und ihrer Zahl nach tausend, folgt alsbald Ein Trupp von gleicher Zahl auf muth'gen Rossen, Den ersten gleich an Waffen und Gestalt. Normannen sind's; dem Fürstenstamm entsprossen, Lenkt Robert sie mit erblicher Gewalt. Zwei Völkerhirten führten ihre Schaaren Sodann herbei, Wilhelm sammt Adhemaren. 39. Sie Beide, die vordem, mit heil'gem Streben, Ihr frommes Amt verwaltet am Altar, Jetzt üben sie das rauhe Waffenleben; Ein schwerer Helm verbirgt das lange Haar. Die Stadt Oranien und ihr Weichbild geben Dem Ersten die Vierhundert seiner Schaar; Zum Kriege führet die aus Puy der Zweite, In gleicher Zahl und gleich geübt im Streite. 40. Dann führet Balduin aus Boulogne's Gauen Sein eignes Volk, sammt dem aus Gottfrieds Land; Ihm übergab's der Bruder mit Vertrauen, Da man zum Haupt der Häupter ihn ernannt. Der Graf von Chartres läßt sodann sich schauen, Von Rath gewaltig und von tapfrer Hand. Vierhundert führt er, und an Balduin schlossen Sich dreimal mehr, im Harnisch und auf Rossen. 41. Zunächst zeigt Guelf sich auf des Feldes Bahnen, An hohem Glück und Werth gleich unbeschränkt. Vom welschen Vater ward der Este's-Ahnen Glorreiche Folg' als Erbtheil ihm geschenkt; Doch deutsch von Namen und von Unterthanen, Dem alten Stamm der Guelfen eingesenkt, Herrscht er, wo Suev' und Rhätier einst am Rheine Und Ister wohnt'; auch Kärnthen ist das Seine. 42. Mit diesem Erb' aus mütterlichem Hause Verband er großen, rühmlichen Gewinn. Es trotzt sein Volk dem wilden Kriegsgebrause Und folgt ihm in den Tod mit kühnem Sinn. Den Winter bringt es gern bei heiterm Schmause, Gesellig froh, in warmer Wohnung hin. Fünftausend zogen aus; zwei Drittel rieben Die Perser auf, kaum ist ihm Eins geblieben. 43. Dann kommt das blonde Volk, deß Land vom Meere, Frankreich und Deutschland eingeschlossen ruht, An Heerden reich und Ceres goldner Aehre, Durchströmt vom Rhein und von der Mosel Flut. Ihm folgt der Inseln Volk, das hohe Wehre Baut vor des Oceans raubgier'ger Wut; Des Oceans, der nicht nur Schiff' und Waaren, Auch Stadt und Land verschlingt und Völkerschaaren. 44. Von beiden waren tausend; beide standen In eines andern Robert Dienst und Lohn. Kaum stärker ist der Britten Schaar vorhanden, Die Wilhelm führt, des Königs jüngrer Sohn. Mit Bogen kämpft sie, und ihr folgt, aus Landen Noch näher an des Nordpols Region, Ein borstig Volk. Von dichten Wäldern sendet Dies Irland aus, der Welt ganz abgewendet. 45. Dann kommt Tancred; und keiner ist von allen, Der, nach Rinald, ein größrer Krieger sei, Deß Anstand und Betragen mehr gefallen, Deß Herz so groß, von jeder Zagheit frei. Muß doch auf seinen Ruhm ein Schatten fallen, So ist's der Liebe holde Raserei; Sie, die im Krieg, von Einem Blick entsprungen, Mit Qualen sich genährt und Kraft errungen. 46. Als einst der Franken Heer – so geht die Kunde – Das Perservolk ruhmwürdig überwand, Und nun Tancred, sieghaft in letzter Stunde, Dem Feind zu folgen sich ermüdet fand, Da sucht' er Labung dem verlechzten Munde, Dem Leibe Rast, von Kämpfen abgespannt, Und kam zu einem Quell, wo grüne Sitze Ihm Kühlung boten nach des Tages Hitze. 47. Hier ließ sich plötzlich eine Jungfrau blicken, Bis auf das Antlitz ganz gehüllt in Stahl, Die, eine Heidin, um sich zu erquicken, Gleichfalls gesucht dies kühle Schattenthal. Er schaut sie an, bestaunt mit frohen Blicken Den holden Reiz, und glühet auf einmal. O Wunder! Amor, kaum geboren, flieget Erwachsen schon, bewaffnet sich und sieget. 48. Sie nahm den Helm und hätt' ihr Schwert geschwungen, Erschien nicht plötzlich andres Volk allda. Das stolze Weib verließ den sie bezwungen, Obwohl ihr Fliehen nur aus Noth geschah. Allein ihr Bild war in sein Herz gedrungen, So kriegrisch hold, wie er sie lebend sah; Und stets umschwebt ihn die Gestalt, die Gegend, Wo er sie sah, den Brand von neuem regend. 49. Und deutlich kann in seinem Antlitz lesen, Wer Liebe kennt: Der glüht, und hoffnungslos. So spricht von innrer Qual sein ganzes Wesen, Der trübe Blick, das Herz von Seufzern groß. Achthundert Reiter hatt' er auserlesen; Sie kamen aus Campaniens holdem Schooß, Dem Prachtwerk der Natur, von sonnenhellen Anhöh'n, geliebkos't von Tyrrheniens Wellen. 50. Zweihundert Griechen kommen dann gezogen, Mit Eisenrüstung wenig nur beschwert. Auf ihrem Rücken tönen Pfeil und Bogen, An einer Seite hängt ein krummes Schwert. Die Rosse, schlank, bei magrer Kost erzogen, Sind rasch im Lauf, im Dienste wohl bewährt. Zum Angriff schnell, schnell sich zurückzuziehen, Ficht dieses Volk zerstreut und noch im Fliehen. 51. Sie führt Tatin, er, den man bei den Schaaren Von Latium als einz'gen Griechen sah. O Schmach! O Unthat! Griechenland, und waren Dir diese Kriege damals nicht so nah? Doch saßest du, den Ausgang der Gefahren Erwartend, ruhig, wie beim Schauspiel, da. Beugt jetzo dir der Knechtschaft Joch den Rücken, So klage nicht; Recht ist's, und kein Bedrücken. 52. Nun kommt der letzte Haufen, doch an Ehre, An Muth und Kunst der erste von der Zahl: Die freien Ritter, die gefolgt dem Heere, Der Schrecken Asiens, Mavors Donnerstrahl. Schweig' Arthur von der Seinen Fabelmähre! Schweig' Argo von den Minyern allzumal! Der Vorwelt Ruhm muß sich vor ihrem neigen; Doch wer wird würdig sich als Führer zeigen? 53. Dudo von Consa ist's; denn welcher eben Adliger, tapfrer sei, schien zweifelhaft; Ihm hatten sie sich willig untergeben, Dieweil er mehr gesehn und mehr geschafft. In ernster Würd' und reifem Mannesleben Zeigt er, bei grauem Haar, noch frische Kraft; Zeigt er, der Ehre würd'ges Maal, die Narben, So Wunden ohne Mißzier ihm erwarben. 54. Ihm folgt Eustaz, deß Lob schon oft erklungen, Doch durch Bouillon, den Bruder, mehr bekannt. Gernand, von Norwegs Königstamm entsprungen, Erscheinet, stolz auf Scepter, Kron' und Land. Alt ist der Ruhm, den sich im Kampf errungen Roger von Balnavill und Engerland; Und mit den Tapfersten verglichen warden Ein Rambald, Ein Genton, sammt zwei Gerharden. 55. Hier ist Rosmund, Lancasters reicher Erbe, Der, wie Ubald, bei den Gepriesnen steht. Obizo von Toscana, der biderbe, Sei in dem Kreis der Tapfern nicht verschmäht. Nicht der Lombardenbrüder Ruhm ersterbe, Achill genannt, Sforza und Palamed: Noch Otto's Preis, der jenen Schild erstritten, Auf dem ein nacktes Kind der Schlang' entglitten. 56. Nicht soll es Guasco'n noch Ridolfen fehlen Am Ruhme, der den zwei Guidonen ward; Nicht will ich schweigend, undankbar verhehlen Des Gernier Namen, noch des Eberhard. Wohin entreißt ihr mich, der schon vom Zählen Ermüdet ist, Gildipp' und Odoard, Geliebte, Gatten? Eins im Kampfesbunde, Bleibt ungetrennt auch in der Todesstunde! 57. Was läßt sich nicht in Amors Schule lernen? Zum Kriege stählt sich dort ihr weiblich Herz; Um nie sich von dem Gatten zu entfernen, Hüllt sie die zarte Brust in rauhes Erz. Es hängt ihr Schicksal an denselben Sternen, Und ungetheilt ist jeder Wunde Schmerz. Ist Sie verletzt, sieht man wie Er sich quäle; Wenn Ihm das Blut, entwallet Ihr die Seele. 58. Doch durch Rinald, den Knaben, übertroffen Sind Beid' und alle, die zur Mustrung ziehn. Hebt er mit holder Wildheit, groß und offen, Die Königstirn, schaut Alles nur auf ihn. Den Jahren eilt er vor und jedem Hoffen; Man harrt' auf Blüthen, und die Frucht erschien. Wenn er, gewaffnet, blitzt von Muthesfülle, Glaubst du ihn Mars; und Amor, ohne Hülle. 59. Sophia gab ihn an den stolzen Wogen Der Etsch dem mächtigen Berthold zum Sohn; Doch als er noch der Mutter Brust gesogen, Nahm zur Erziehung ihn Mathildis schon. Sorgfältig ward er von ihr auferzogen In jeder Kunst, die fähig macht zum Thron; Bis Thatendrang die junge Brust durchwallte, Als aus dem Ost die Kriegstrommet' erschallte. 60. Da fliehet er, allein, auf fremden Pfaden, Eh noch das dritte Lustrum ihm entweicht, Durchstreift die See sammt Griechenlands Gestaden, Bis er das Heer im fernen Land' erreicht. O edle Flucht, wohl würdig, einzuladen Zur Nachahmung den Enkel, der ihm gleicht! Drei Jahr' ist er im Krieg, und kaum entsprießet Unzeit'ger Flaum, der zart sein Kinn umschließet. 61. Des Fußvolks Banner, hell vom Strahl der Sonne, Führt Raimund von Toulouse würdig an. Er nahm die Seinen zwischen der Garonne, Den Pyrenäen und dem Ocean. Viertausend sind's; sie achten Krieg für Wonne, Sind wohl bewehrt, gewohnt der rauhen Bahn, Ein wackres Volk; und nicht wär' auszuspüren, Wer klüger sie und kräft'ger könnte führen. 62. Stephan d'Amboise führt nun, aus der Gegend Von Blois und Tours, Fünftausend, wohlgeschaart; Kein starkes Volk und wenig Kampflust hegend, Obwohl es nicht die Eisenrüstung spart. Das Land, anmuthig, üppig, wonneregend, Erzeugt Bewohner von der gleichen Art. Wild ist ihr Angriff bei dem ersten Zeichen, Doch leicht ermatten sie hernach und weichen. 63. Dann kommt Alcast mit drohender Geberde, Wie Kapaneus vor Thebä's Mauern stand. Er führt sechstausend Schweizer, zur Beschwerde Geübt auf Alpenhöh'n, wild, muthdurchmannt. Das Erz, das Furchen zog und brach die Erde, Ward, umgeformt, zu würd'germ Dienst verwandt; Und diese Faust, gewohnt das Vieh zu leiten, Scheint kühn genug, mit Königen zu streiten. 64. Sieh! dort erhebt sich das Panier der Ehren, Durch Peters Kron' und Schlüsselpaar geweiht, Vor siebentausend Kriegern, die in schweren Stahlwaffen gehn; sie führt Camill zum Streit, Froh, daß der Himmel ihn erkor, den hehren Ruhm zu erneun der alten Römerzeit; Zu zeigen mindstens, daß der muth'gen Seele Des Latiers nichts, wenn nicht die Kriegszucht, fehle. 65. Als Gottfried nun das Ganze wahrgenommen – Denn diese zog als letzte Schaar einher – Läßt er die Oberfeldherrn zu sich kommen Und meldet der Versammlung sein Begehr: Sobald die neue Morgenröth' entglommen, Soll, leicht und rasch, aufbrechen unser Heer; Damit wir nahn Jerusalems Bezirken So unversehn, wie möglich zu bewirken. 66. Bereitet euch demnach zum schnellen Zuge, Bereitet euch zum Treffen und zum Sieg: So sprach beredten, kühnen Munds der Kluge, Und weckt' in Jedem neuen Muth zum Krieg. Bereit macht' Alles sich in raschem Fluge Und harrte, bis empor Aurora stieg. Doch ist der kundige Bouillon von Sorgen Nicht ganz befreit, hält er sie gleich verborgen. 67. Denn sichre Nachricht hatt' er schon empfangen, Daß sich Aegyptens König aufgemacht, Um nach der Festung Gaza zu gelangen, Die Syriens Gränzen droht mit starker Macht. Der Mann, gewöhnt zu kühnem Unterfangen, Ist schwerlich jetzt auf träge Ruh bedacht. Wohl sieht Bouillon, er muß als Feind ihn scheuen, Und spricht zu Heinrich, seinem Vielgetreuen: 68. Auf leichtem Schiff – denn nichts ist zu verschieben – Begieb nach Griechenland dich unverweilt. Dort nahet sich, wie mir ein Mann geschrieben, Der niemals noch mir falsche Kund' ertheilt, Ein Jüngling, der, von Thatendurst getrieben, Sich unsern Schaaren anzuschließen eilt; Ein Dänenfürst. Bis aus dem fernsten Norden Führt er heran zahlreiche Kriegerhorden. 69. Doch weil vielleicht mit den gewohnten Ränken Der Griechen Kaiser sich ihm listig naht, Um heimwärts seinen kühnen Lauf zu lenken, Wenn nicht auf andern, von uns fernen Pfad: So heiß' in meinem Namen ihn bedenken – Du, mein Gesandter, du, aufricht'ger Rath – Was uns frommt, und was ihm; sporn' ihn zum Fluge, Denn Unglimpf würd' er ernten vom Verzuge. 70. Du sollst nicht mit ihm kommen, sondern bleiben Am Hof des griech'schen Kaisers, um sofort Den oft verheißnen Beistand zu betreiben, Der uns gebührt nach des Vertrages Wort. Er spricht's und giebt ihm die Beglaubungschreiben, Und der Gesandte weilt nicht länger dort, Beurlaubt sich und fördert seine Reise; Und seinen Geist beruhigt nun der Weise. 71. Kaum daß am andern Tag der Sonnenwagen Durchs glänzend helle Thor des Aufgangs dringt, Als, um dem Heer den Aufbruch anzusagen, Der Trommeln und Trommeten Schall erklingt. Der Donner selbst, wenn er an heißen Tagen Der matten Welt des Regens Hoffnung bringt, Schallt nicht willkommner, als die stolzen Klänge Der Kriegsmusik dem Ohr der kühnen Menge. 72. Alsbald, gespornt von eifrigem Verlangen, Legt Jeder die gewohnten Waffen an; Und bald, in voller Wehr hervorgegangen, Schließt sich an seinen Führer jeder Mann. Und als das Heer sich nun geordnet, prangen Vor jeder Schaar die Fahnen stolz voran; Und in dem Hauptpanier sieht man vor allen, Hoch im Triumph, das Kreuz gen Himmel wallen. 73. Die Sonn' indeß, am weiten Himmelsbogen Stets höher steigend, wirft ihr stärkres Licht Hell auf die Waffen; wie mit Glut umzogen Strahlt das Metall; das Aug' erträgt es nicht. Ein Feuermeer scheint rings die Luft zu wogen, Wie wenn ein Brand die Dunkelheit durchbricht; Und muth'ges Wiehern mischt sich mit dem rauhen Geklirr der Waffen und betäubt die Auen. 74. Der Feldherr, um die Seinen vor Gefahren Des Ueberfalls zu sichern, schickt nunmehr Der leichten Reiterei zahlreiche Schaaren Auf Kundschaft durch die Gegend rings umher. Schanzgräber auch, den Pfad zu ebnen, waren Vorausgeschickt, um vor dem Zuge her Wegtiefen auszufüllen, Höh'n zu flächen Und ungangbare Pässe zu durchbrechen. 75. Nichts, was den Zug des Heers verzögern müsse: Kein Heidenvolk, das sich vereint zur Schlacht, Kein Forst, kein Felsen, keines Bergstroms Güsse, Kein Mauerwall, umringt von tiefem Schacht. So bricht zuweilen der Monarch der Flüsse, Unmäßig angeschwellt, mit stolzer Macht Verderblich über seines Betts Gestade, Und nichts vermag zu wehren seinem Pfade. 76. Nur Tripoli's Regent, mit Volk, Gewehren Und Gold versehn in sichrer Mauern Hut, Konnt' ihren Zug den Franken wohl erschweren; Doch sie zum Krieg zu reizen fehlt ihm Muth. Er schickt vielmehr, um jedem Zwist zu wehren, Gesandte, Gaben, heißt den Einzug gut Und macht auf die Bedingung seinen Frieden, Die Gottfrieds eigne Willkühr ihm beschieden. 77. Hier steigt vom Berge Sëir, der erhaben Von Osten her die Mauern überschaut, Ein langer Zug von Männern, Frauen, Knaben, Ins Thal herab, mit Christus Wort vertraut. Er bringt dem gläub'gen Sieger seine Gaben, Froh, ihn zu sehn, zu hören seinen Laut. Das fromme Volk staunt ob den fremden Waffen Und eilt, dem Heer ein treu Geleit zu schaffen. 78. Der kluge Feldherr führt den Zug am weiten Meerstrande stets auf graden Wegen hin, Wohl wissend, daß am Ufer, ihm zu Seiten, Die Flotte kreuzt, des Heers Versorgerin, Die stets im Lager Ueberfluß verbreiten, Und schaffen kann, daß ihm nur den Gewinn Der reichen Flur die Griecheninseln spenden, Ihm ihren Wein Chios und Kreta senden. 79. Mit großen Schiffen und mit leichtern Kähnen Belastet, stöhnt die See am nahen Strand, So daß im Mittelmeer den Saracenen Zu sichrer Fahrt kein Durchweg offen stand. Denn große Zahl von Schiffen, außer denen, Die Genua's und Venedigs Port bemannt, Ließ Frankreich, Engelland und Holland rüsten, Sicilien auch an seinen reichen Küsten. 80. Und alle diese, durch die stärksten Bande Zu Einem Willen fest und treu vereint, Beluden sich an fern und nahem Strande Mit allem, was dem Landheer nöthig scheint. Dies fand indeß von keinem Widerstande Sich mehr gehemmt, die Gränzen ohne Feind, Und eilt nunmehr mit flügelschnellen Schritten Dahin, wo Christus einst den Tod gelitten. 81. Doch das Gerücht, des Falschen und des Wahren Verkünderin, hat schon sich aufgerafft Und sagt, daß sich vereint die Siegerschaaren, Daß sie sich nahn, daß nichts mehr Hindrung schafft. Es hat des Heeres Zahl und Stärk' erfahren, Erzählt die Namen, preist den Muth, die Kraft Der Tapfersten im Heer und schreckt die rohen Tyrannen Zions mit des Blickes Drohen. 82. Des Leids Erwartung ist vielleicht den Sinnen Ein größres Leid, als Leid der Gegenwart. Wo nur Gerüchte zweifelhaft beginnen, Lauscht jedes Ohr, und jedes Herz erstarrt. Gemurmel läuft von außen und von innen, In banger Ahnung liegt die Stadt und harrt. Der alte Fürst, da sich die Wolken schwärzen, Wälzt grausen Rath im ungewissen Herzen. 83. Sein Nam' ist Aladin; er lebt, beim Schwanken Des neuen Throns, in steter Sorg' und Noth. Einst war er grausam; doch im Alter sanken Die wilden Triebe, wie's die Zeit gebot. Er nun, vernehmend von dem Plan der Franken, Der seiner Stadt mit nahem Sturme droht, Fühlt alte Furcht und neue sich vereinen; Ihn schreckt der Feind, ihn schrecken selbst die Seinen. 84. Denn hier wohnt ein vermischtes Volk, die Kinder Verschiednen Glaubens, an demselben Ort. Die Christo glauben, sind nur schwach und minder; Der größre, stärkre Theil glaubt Mahoms Wort. Doch als der König, Zions Ueberwinder, Zu festen suchte seinen Sitz alldort, Verringert' er die Lasten seiner Heiden, Und ließ um so viel mehr die Christen leiden. 85. Und der Gedank' ertheilt dem alten Hange, Der, eingeschläfert durch die Zeit, geruht, Von neuem Kraft zu grausem Unheilsdrange, Und mehr als jemals dürstet ihn nach Blut. So wird im Sommer wieder wild die Schlange, Die bei dem Frost so milde schien und gut; So pflegt, wenn man ihn reizt, dem zahmen Leuen Die angeborne Wut sich zu erneuen. 86. Ich sehe, sprach der Fürst, an sichern Zügen, Wie bei dem falschen Volk die Freud' erwacht. Nur allgemeines Leid wird ihm Vergnügen; Wenn Alles weint, dann jubelt es und lacht. Vielleicht schon sinnt es auf Verrath und Trügen, Ist schon vielleicht auf meinen Tod bedacht, Und wie es meinem Feind, mit ihm im Bunde, Die Pforten öffne zu geheimer Stunde. 87. Das soll es nicht! Eh sie das Werk vollführen, Will ich der Nachgier Sättigung verleihn. Nicht soll das Kind im Mutterschooß mich rühren, Ihr ganzes Volk will ich dem Tode weihn. An Haus und Tempel will ich Flammen schüren, Dies soll der Todten Scheiterhaufen sein; Und mitten im Gelübd', auf diesem Grabe, Schlacht' ich die Priester selbst zur Opfergabe! 88. So unheilsvoll ist seines Herzens Brüten; Allein der grause Plan wird nicht zur That. Doch, vor dem Mord der Unschuld sich zu hüten, Lehrt ihn der Feigheit, nicht des Mitleids Rath. Denn reizet ihn die eine Furcht zum Wüten, So hemmt die andre, größre, seinen Pfad; Er scheut, zu sehr der Sieger Zorn zu regen Und zum Vergleich den Weg sich zu verlegen. 89. Noch also mäßigt er die Blutgedanken Und läßt den Grimm auf andern Wegen aus. Weit um die Mauern her im Lande sanken, Auf sein Gebot, in Flammen Hütt' und Haus. Wo Nahrung fänden oder Schutz die Franken, Er wandelt Alles um in Schutt und Graus. Er trübt die Bäch' und Quellen in den Triften Und mischt die klare Flut mit bösen Giften. 90. Auch läßt er schnell Jerusalem verstärken Und paart die Vorsicht mit der Grausamkeit. Drei Seiten sind versehn mit festen Werken, Nur gegen Norden fehlt's an Sicherheit. Doch macht ihn kaum sein Argwohn dies bemerken, So läßt er Wäll' errichten, hoch und breit; Und schleunigst nimmt er ein noch viele Fahnen Von Söldnervolk und eignen Unterthanen. Zweiter Gesang Zweiter Gesang. 1. So rüstet der Tyrann zum Kriegsgedränge, Als einst Ismen sich seinem Blick entdeckt; Ismen, der aus des Grabes dumpfer Enge Den todten Leib zu neuem Leben weckt; Ismen, der durch geheimnißvolle Sänge In seiner Burg den Höllenkönig schreckt, Und Diener stets in seinen Geistern findet Zum Werk der Bosheit, und sie löst und bindet. 2. Einst war er Christ; zu Mahom abgefallen, Hat er den frühern Dienst nicht ganz verbannt; Vielmehr vermengt er beide, nach Gefallen, Zu bösem Zweck, mit jedem schlecht bekannt. Jetzt aus der Nacht einsamer Felsenhallen, Wo er der dunkeln Kunst sich zugewandt, Treibt ihn zum Fürsten die Gefahr des Staates, Zum schlimmen Herrn den Bringer schlimmern Rathes. 3. Herr, spricht Ismen, die mächt'gen Feinde richten Den ungehemmten Siegerzug hieher; Doch laß nur uns, was uns gebührt, verrichten, Denn Erd' und Himmel sind des Tapfern Wehr. Des Königs und des Feldherrn hohe Pflichten Erfülltest du, sahst Alles längst vorher. Wenn Alle so die Pflicht vor Augen haben, Soll dieses Land bald deinen Feind begraben. 4. Was mich betrifft, ich will bei den Gefahren, Will bei der Arbeit dein Gehülfe sein. Was kluger Rath, die Frucht von langen Jahren, Was meine Zauberkunst vermag, ist dein; Es sollen selbst der Engel mächt'ge Schaaren, Die Gott verstieß, uns ihren Beistand leihn. Doch höre nun, eh' ich mein Werk beginne, Wie und womit ich dir zu helfen sinne. 5. In ihrem Tempel hegt der Christen Rotte Auf unterirdischem Altar ein Bild Der Göttin, die von dem gebornen Gotte, Dem hier begrabnen, für die Mutter gilt. Ein nie erlöschend Licht erhellt die Grotte, Ein dichter Schleier deckt das Wunderbild; Und rings umher sieht man Gelübde prangen, So ihm geweiht leichtgläubiges Verlangen. 6. Dies Bild nun mußt du rauben den Rebellen, Und, wenn du selbst es dort hinweg gebracht, Mit eigner Hand in deinen Tempel stellen. Dann will ich ihm verleihn so starke Macht, Daß es zur Wacht soll dienen deinen Wällen, So lange man es selber hier bewacht. Unüberwindlich werde Zions Mauer Durch dieses Bilds geheimnißvollen Schauer! 7. Er spricht's; der König, der ihm Glauben spendet, Eilt in das Gotteshaus mit wilder Hast, Zwingt ohne Scheu die Priester und entwendet Das keusche Bild, und trägt die hehre Last Zum Tempel, wo man oft, ruchlos, verblendet, Gebräuche feiert, die der Himmel haßt. Aufs heil'ge Bild, am ungeweihten Orte, Summt dann der Zaubrer seine Lästerworte. 8. Doch kaum erscheint die erste Morgenstunde, Als der, in dessen Hut der Tempel steht, Das Bild vermißt, und überall im Runde Des weiten Bau's vergeblich nach ihm späht. Er sagt's dem König an, der bei der Kunde Gleich wider ihn in heft'gen Zorn geräth, Und wohl sich denkt, daß eine Christenseele Das Bild geraubt, und nun es ihm verhehle. 9. Sei nun der Raub von gläub'ger Hand begangen, Sei hier die Macht des Himmels zu erspähn, Der seiner Herrin Bildniß nicht umfangen Von ungeweihten Mauern wollte sehn: Noch zweifelt man, ob, was hier vorgegangen, Durch Menschenkunst, durch Wunderkraft geschehn. Der Fromme glaubt, daß nicht der ird'sche Fromme Die That vollbracht, daß sie vom Himmel komme. 10. Nachforschung läßt der Fürst sogleich vollstrecken, Gewaltsam durchgestört wird Kirch' und Haus. Dem Hehler droht er einen Tod voll Schrecken, Belohnung setzt er dem Bekenner aus. Durch Zauber will Ismen den Raub entdecken, Doch alle seine Kunst bringt nichts heraus. Sei's, oder nicht, des Himmels Wunderstärke: Er birgt es ihm, zur Schmach der Zauberwerke. 11. Doch als der König sieht, was er Verbrechen Der Gläub'gen wähnt, bleib' in des Schweigens Hut: Da will sein Haß durch alle Schranken brechen, Zorn flammt empor und ungeheure Wut. Nichts achtet er nun mehr; er will sich rächen, Was auch erfolg', und kühlen seine Glut. So sterbe, ruft er aus, mit der Verräther Gesammter Schaar auch der verborgne Thäter! 12. Lebt nur der Schuld'ge nicht, mag der Gerechte, Der Reine sterben! Doch wen nenn' ich rein? Strafbar ist Jeder hier; in dem Geschlechte Wird Keiner je ein Freund der Unsern sein. Wer auch der neuen That sich nicht erfrechte, Gnüg' ihm die alte Schuld zu neuer Pein. Ihr Treuen, auf! Tilgt die verruchte Horde Mit Feu'r und Schwert! Auf, auf zu Brand und Morde! 13. So spricht der Fürst, und das Gerücht verbreitet Sogleich das Unheil, das den Gläub'gen droht. Sie bleiben wie erstarrt; so furchtbar schreitet, So rasch herbei der gegenwärt'ge Tod. Nicht Gegenwehr, nicht Flucht wird noch bereitet; Kein Flehn erhebt sich wider das Gebot. Doch das verzagte Volk, von Furcht gekettet, Ward, wie's am mindesten erhofft, gerettet. 14. Ein Mädchen lebt dort in der Christenmenge, Von reifer Blüth' und königlichem Geist; Von hohem Reiz; doch achtet sein die Strenge Nur insofern er Schmuck der Tugend heißt. Ihr größter Werth ist, daß, in stiller Enge, Sie solchen Werth dem Blick der Welt entreißt Und sich verbirgt dem eiteln Lob' und Spähen Der Bulerschaar, einsam und ungesehen. 15. Doch keine Hut, die ganz den Reiz verhülle, Der würdig ist des Schauens und der Acht. Das, Amor, hinderst du; der Schönheit Fülle Zeigst du dem Jüngling, den die Glut durchfacht. Jetzt blind, jetzt Argus, legst du bald die Hülle Um unser Aug', und hellest bald die Nacht. Durch tausend Hüter lenkst du, sonder Schonung, Den fremden Blick zur keuschen Mädchenwohnung. 16. Sophronia und Olind nennt man die Beiden, Derselben Stadt, desselben Glaubens Zier. So reizend sie, so sehr ist er bescheiden, Voll Wunsch, an Hoffnung arm, fern von Begier. Zu reden bang, erträgt er still sein Leiden, Wenn nicht verschmäht, doch unbemerkt von ihr. So hat der Arme längst für sie geschmachtet, Die ihn nicht sieht, nicht kennt – vielleicht verachtet. 17. Indeß verbreitet das Gerücht des frommen Unschuld'gen Volks entsetzliche Gefahr. Der Jungfrau, sittsam, doch von Muth durchglommen, Stellt sich sogleich ein Rettungsmittel dar. Ihr Heldenmuth heißt den Entschluß willkommen; Die jungfräuliche Schaam bekämpft ihn zwar, Doch siegt der Muth; vielmehr, sich ihr bequemend, Macht er sich selbst verschämt, sie unternehmend. 18. So tritt die Jungfrau in des Volkes Mitte, Verhehlt nicht ihren Reiz und zeigt ihn nicht: Sie geht allein, mit sittsam edlem Schritte, Verhüllt, gesenkt der Augen holdes Licht. Schmückt Fleiß und Kunst, bei dieser reinen Sitte, Schmückt Zufall nur ihr schönes Angesicht? Natur und Lieb' und selbst der Himmel machten Zum Meisterstück dies reizende Nichtachten. 19. Von Jedem angeschaut, nicht schauend, gehet Die hohe Jungfrau in des Königs Haus; Nicht weichend, weil er zornig vor ihr stehet, Hält sie beherzt den furchtbar'n Anblick aus. Ich bringe, spricht sie, Herr – und sei erflehet, So lange nur zu hemmen Zorn und Graus – Gefangen bring' ich dir und unvertheidigt Den Schuld'gen, den du suchst, der dich beleidigt. 20. Von ihrem Blick, der königlich und offen Umherstrahlt wie mit einer heil'gen Macht, Fühlt, überrascht, der König sich getroffen; Er zähmt den Grimm und hellt des Auges Nacht. Ließ sein Gemüth, ihr Blick nur Mildrung hoffen, Wohl wäre Lieb' in seiner Brust erwacht; Doch nie entflammt des spröden Herzens Triebe Ein spröder Reiz; nur Huld erzeuget Liebe. 21. Er fühlt Erstaunen, Lust, Begier entstehen, Wenn es nicht Liebe war, was er empfand. Erzähle; nichts soll deinem Volk geschehen; Ich gebe, spricht er, dir mein Wort zum Pfand. Und sie: Den Schuld'gen siehst du vor dir stehen, Den Raub, o Herr, verübte diese Hand. Ich nahm das Bild; ich bin's, die deine Sklaven Gesucht auf dein Gebot; mich mußt du strafen. 22. So, um allein dem Schicksal zu genügen, Beut sie ihr Haupt für Aller Rettung an. Großmüth'ger Trug! Wer sagt, ob solchen Lügen Die Wahrheit je den Vorzug abgewann? Der König schwankt; zu milderem Verfügen, Als er gewohnt, neigt sich der harte Mann. Dann fordert er: So eile zu entdecken, Wer gab dir Rath? Wer half die That vollstrecken? 23. Auch keinen Theil des Ruhmes wollt' ich missen – Sophronia spricht's – ich gönnt' ihn mir allein; Ich wollt' allein um diese Handlung wissen, Rathgeber selbst und selbst Vollstrecker sein. So falle, ruft, von Staunen hingerissen, Der König aus, auch nur auf dich die Pein! Mit Recht, versetzt sie; mir geziemt, ich trage, So wie allein den Ruhm, allein die Plage. 24. Von neuem nun ergrimmt das Ungeheuer: Wo, fragt er sie, hast du das Bild versteckt? Und sie: Ich barg es nicht, ich gab's dem Feuer, Und glaube, daß ich Löbliches vollstreckt. So wird es mindstens nimmermehr von neuer Berührung einer Frevelhand befleckt. Willst du den Raub, den Räuber dir gewiesen: Den siehst du ewig nicht, hier siehst du diesen. 25. Doch bin ich Räuber? hab' ich Raub begangen? Recht ist, zu nehmen, was uns nahm Gewalt. Dies hörend, knirscht der Wütrich; seine Wangen Erglühn von Zorn, der losbricht ohne Halt. O hoffe nicht Verzeihn, Herz ohne Bangen, Schaamhafte Seele, herrliche Gestalt! Vergebens macht die Liebe selbst, wo wilde Zornglut entbrennt, die Schönheit dir zum Schilde. 26. Man greift das schöne Weib; aufs neu' entglommen, Verdammt der König sie zum Todesbrand. Schon sind ihr Schleier und Gewand genommen, Die weichen Arme drückt ein rauhes Band. Sie aber schweigt, von keiner Furcht beklommen; Ein wenig nur fühlt sie die Brust gespannt, Und es entsteht im holden Angesichte, Nicht fahles Bleich, ein Weiß vom reinsten Lichte. 27. Kund ward der große Fall; neugierig machte Das Volk sich auf; Olind kam mit der Schaar. Die That war sicher, nicht, wer sie vollbrachte; Gleich ahnet ihm, daß die Geliebt' es war. Doch als er die Gefangne, scharf Bewachte Nicht bloß beschuldigt sieht, verdammt sogar, Und sieht die Henker schon mit roher Strenge Ihr Amt vollziehn: da stürzt er durchs Gedränge. 28. Nicht sie, nicht sie hat jenen Raub begangen – So ruft er laut – nur Wahnsinn reißt sie fort! Nicht denkt, nicht wagt, nicht übt solch Unterfangen Ein unerfahrnes Weib ohn' Hülf' und Hort. Wie hat sie nur die Wächter hintergangen? Wie jenes heil'ge Bild entführt von dort? That sie's, sie sag's! Ich, Herr, ich ward zum Diebe! – So liebt' er die Geliebte sonder Liebe. 29. Dann fuhr er fort: Ich stieg bei nächt'ger Weile Dahin, wo euer Tempel Einlaß hat Für Licht und Luft, und drang von jener Steile Durch einen Spalt auf ungangbarem Pfad. Mir werde Ruhm, mir werde Tod zu Theile! Nicht raube sie die Strafe meiner That! Mein sind die Ketten hier; für mich entlodern Muß diese Glut, mich dieser Holzstoß fodern! 30. Sophronia hebt das Aug' und sieht mit frommen, Mitleid'gen Blicken sanft den Jüngling an: Warum, unschuld'ger Armer, bist du kommen? Treibt Absicht oder Wahnsinn dich heran? Wär' ohne dich mir wohl die Kraft benommen, Kühn zu bestehn, was Menschenzorn ersann? Wohl hab' auch ich ein Herz, nicht feig erbangend Einsamem Tod', und kein Geleit verlangend. 31. So sagt sie ihm, doch ohne daß er wanke; Fest bleibt er stehn auf seiner edeln List. O großes Schauspiel, wo in offner Schranke Sich treue Lieb' und hohe Tugend mißt; Wo Tod dem Sieger wird zum Siegesdanke, Und Rettung des Besiegten Elend ist! Doch mehr ergrimmt der Fürst, je mehr sie wagen, Standhaften Sinns, sich selber anzuklagen. 32. So arg verspottet wähnt er sich zu finden, Daß sie die Marter höhnen, ihm zum Hohn. Man glaube Beiden, spricht er; überwinden Soll Er und Sie, und würdig sei der Lohn. Er winkt der Dienerschaar, sie greift Olinden; Man fesselt ihn, und gleich stehn Beide schon An Einen Pfahl geschnürt, den Rücken kehrend Dem Rücken zu, der Blick des Blicks entbehrend. 33. Schon sieht man rings den Holzstoß sich erheben, Schon wird die Glut des Todes angefacht; Da bricht der Jüngling aus mit leisem Beben Und spricht zu ihr, ihm nun so nah gebracht: Sind dies die Bande denn, die ich, im Leben Mit dir mich zu vereinen, mir gedacht? Ist dieses denn die Glut, die uns zusammen Das Herz entzünden sollt' in gleichen Flammen? 34. Ach! andre Band' und Glut bot Lieb' hienieden, Und andre will das Schicksal uns verleihn. Zu sehr, zu sehr hat es uns einst geschieden; Zu hart, im Tode, gönnt es uns Verein. Doch wohl mir, war dir solcher Tod beschieden, Des Scheiterhaufens Mitgenoß zu sein, Wenn nicht des Betts. Dein Schicksal dünkt mich herbe, Das meine nicht, weil ich ja mit dir sterbe. 35. Und o mein Tod, du einziges Verlangen! O süße Marter! Qual, beglückt genug! Darf nun mein Mund an deinem Munde hangen, Verhauchen nur den letzten Athemzug In deine Brust, den deinigen empfangen, Und so vereinen unsrer Geister Flug! Er spricht's und weint; mit freundlichem Verweise Ermahnet sie den Jüngling solcher Weise: 36. Andre Gedanken, Freund, und andre Klagen, Aus höherm Grund, erheischet jetzt die Zeit. Willst du der Schuld nicht denken? Nicht dir sagen, Wie reichen Lohn dem Frommen Gott verleiht? Ihm dulde du, und lieblich sei'n die Plagen, Und trachte froh nach seiner Herrlichkeit. O sieh den schönen Himmel! Sieh die Sonne! Sie tröstet uns, sie winkt zu höh'rer Wonne. 37. Hier muß sich laut der Heiden Klag' erheben; Es klagt der Christ mit leiserm Schmerzenswort. Beinahe reißt ein ungewohntes Streben Zum Mitgefühl den harten König fort. Er merkt es, zürnt, und, um nicht nachzugeben, Kehrt er die Augen und verläßt den Ort. Nur du, Sophronia, fremd der allgemeinen Bekümmerniß, willst, allbeweint, nicht weinen. 38. So dräut die Noth; da, sieh! sprengt durchs Gedränge Ein Krieger, scheint's, von würdiger Gestalt. Es zeigt die Tracht, der Waffen fremd Gepränge, Daß er aus fernen Landen hergewallt. Des Helmes Tiger zieht den Blick der Menge – Berühmtes Zeichen! – auf sich alsobald, Ein Zeichen, das Clorind' im Krieg erwählet; Man glaubt, sie sei's, und hatte nicht gefehlet. 39. Seit ihrer frühsten Jugendzeit verschmähte Sie schon der Weiber Sitt' und Lebensart. Arachnens Arbeit, Nadel, Spinngeräthe, Ward nimmer mit der stolzen Hand gepaart. Sie floh die Tracht und Weichlichkeit der Städte, Denn Ehr' und Zucht wird auch im Feld bewahrt. Stolz waffnet' ihr Gesicht, ihr Wohlgefallen War strenger Ernst; doch, ernst, gefiel sie Allen. 40. Als Kind schon lenkte sie mit kleiner Rechten Das muth'ge Roß, hielt's auf und trieb es an. Bald lernte sie mit Schwert und Lanze fechten, Und übt' und stärkte sich auf freiem Plan. Dann folgte sie, auf Höh'n, in Waldesnächten, Den Leu'n und Bären nach auf rauher Bahn. Sie schien, im Forst und auf dem Schlachtgefilde, Ein reißend Thier dem Mann, ein Mann dem Wilde. 41. Jetzt kehrte sie zurück von Persiens Strande, Denn stets verfolgt die Christen ihre Wut: Mit ihren Gliedern deckte sie die Lande, Die Wogen färbte sie mit ihrem Blut. Hier bietet nun zum ersten Gegenstande Beim Kommen sich des Scheiterhaufens Glut. Um das Vergehn der Schuld'gen zu erfahren, Treibt sie das Roß neugierig durch die Schaaren. 42. Es weicht das Volk; und sie, um nach Verlangen Die Beiden nah zu schauen, hemmt das Pferd. Sie sieht der Einen Ruh, des Andern Bangen, Die Schwächre hier mit stärkerm Muth bewehrt. Doch scheint auch Er vom Mitleid nur befangen, Und nicht von Schmerz, von Schmerz um sich, verzehrt; Sie aber, schweigend, fest den Blick gen Himmel, Scheint, vor dem Tod, entflohn dem Erdgewimmel. 43. Clorinde fühlt der Beiden bittre Plagen So tief, daß ihr die Thrän' ins Auge steigt; Doch scheint ihr mehr, die nicht klagt, zu beklagen, Und minder er, der seufzt, als sie, die schweigt. Nicht länger säumend, richtet sie ihr Fragen An einen Greis, der neben ihr sich zeigt: Wer sind die Armen? Sprich! Führt ein Verhängniß, Führt eine Schuld dies Paar in solch Bedrängniß? 44. So fragt sie ihn; der Greis, auf ihr Begehren, Erzählt den Fall, kurz, doch genau und gut. Sie hört's erstaunt und kann sich leicht erklären, Daß man den Beiden gleiches Unrecht thut. Und schon beschließt sie ihren Tod zu wehren, So viel vermag ihr Flehn, ihr Heldenmuth. Sie läßt sogleich die Brände, die schon flammten, Herunterziehn, und spricht zu den Beamten: 45. Daß Keiner sich erkühne fortzufahren In dieser harten Pflicht der Grausamkeit, Bis ich den König sprach. Was für Gefahren Der Aufschub droht: ich geb' euch Sicherheit. Und es gehorchen gleich der Diener Schaaren, Bewegt durch ihres Ansehns Herrlichkeit. Zum König eilt sie nun, der in der Mitte Des Weges schon begegnet ihrem Schritte. 46. Ich bin Clorinde, spricht sie, die bisweilen Vielleicht dir ward genannt. Bald wirst du sehn, Herr, daß ich kam, mit dir den Kampf zu theilen Für unsers Glaubens, deines Reichs Bestehn. Zu jedem Werk, gebeut nur, werd' ich eilen, Nicht Hohes fürchten, Niedres nicht verschmähn. Willst du der Mauern Schutz mir übertragen, Das offne Feld: ich werde nichts versagen. 47. Der König spricht: Wo wird ein Land gefunden, So fern von Asien und der Sonnenbahn, Glorreiche Jungfrau, da zu allen Stunden Sich nicht dein Ruhm erhebe himmelan? Nun, da dein mächtig Schwert mit mir verbunden, Vermag nicht Furcht noch Sorge mir zu nahn. Und wär' ein Heer jetzt bei mir eingetroffen Zu meinem Schutz, nicht fester würd' ich hoffen. 48. Fast, fast schon däucht mir, über sein Gebühren Bleibt Gottfried aus. Doch deine Huld erbot Zum Beistand sich; dir kann nur das gebühren, Was wichtig ist und mit Gefahren droht. Den Feldherrnstab des ganzen Heers zu führen Verstatt' ich dir; Gesetz sei dein Gebot. So spricht der Fürst; sie giebt ihm, freundlich heiter, Dank für sein Lob und führt die Rede weiter: 49. Zwar scheint es wohl ein unerhört Erfrechen, Begehrt man, vor dem Dienst, Vergeltung schon; Doch deine Güte macht mich kühn zu sprechen: Gieb mir die Zwei, als künft'ger Dienste Lohn. Mir schenke sie; obwohl, ist ihr Verbrechen Noch ungewiß, sprach man dem Rechte Hohn. Doch davon schweig' ich, schweige von den Zeichen, Die Beider Unschuld zum Beweis gereichen; 50. Und dieses sag' ich nur: Von Christenhänden, Wähnt Alles hier, sei jenes Bild geraubt; Doch solcher Wahn kann nicht mein Auge blenden, Aus wicht'gem Grund ist Andres mir beglaubt. Des Höchsten heiliges Gesetz zu schänden, Hat, auf des Zaubrers Wort, man sich erlaubt; Denn nimmer darf in unsern Tempelmauern Ein Götterbild, geschweig' ein fremdes, dauern. 51. Drum glaub' ich gern, von Mahom selber rühre Dies Wunder her; und dieser hab's gethan, Um anzudeuten, daß uns nicht gebühre Den Tempel zu entweihn durch fremden Wahn. Wend' immer nur Ismen die Zauberschwüre, Die seine Waffen sind, nach Willkühr an: Uns Rittern ziemt, mit Schwertern drein zu hauen; Nur dies ist unsre Kunst, ihr laß uns trauen. 52. Sie schweigt; und er, obwohl der Huldverleihung Sein zornig Herz im Innern widerspricht, Will ihr gefällig sein, und zur Verzeihung Bewegt ihn Recht und ihres Worts Gewicht. Werd' ihnen Leben, spricht er, und Befreiung! Was auch vermögt' ein solches Fürwort nicht? Gnad' oder Recht will ich als Richter sprechen, Geb' Unschuld frei, und schenke das Verbrechen. 53. So wurden sie befreit. Welch Glück entstammte Olinden jetzt aus wundervollem Loos, Das ihn zu einer Heldenthat entflammte, Die Lieb' erzeuget aus der Liebe Schooß! Vom Pfahl zur Hochzeit geht der schon Verdammte, Wird Gatte jetzt und nicht Geliebter bloß. Er wollte Tod mit ihr; jetzt ist ihr Streben, Daß, der mit ihr nicht stirbt, mit ihr soll leben. 54. Allein des Königs Argwohn sieht mit Grauen Ihm nah, vereint, so große Heldenkraft; Drum wurden Beid' aus Palästina's Gauen, Durch sein Gebot, verbannt und fortgeschafft. Auch andre Christen treibt er aus, der rauhen Staatsklugheit folgend, andern giebt er Haft. Wie traurig scheiden sie von zarten Sprossen, Von grauen Vätern, liebenden Genossen! 55. Grausame Trennung! Der nur muß von hinnen, Der stark von Kräften ist und kühn von Muth; Die Frau'n, die Greis' und Kinder hält er drinnen Als Geißeln fest, in sichrer Mauern Hut. Viel' irren nun umher, und Viele sinnen Empörung aus; und mehr, als Furcht, kann Wut. Sie eilen, sich den Franken zu vereinen, Die an dem Tag vor Emaus erscheinen. 56. Der Flecken Emaus liegt wenig Stunden Vom fürstlichen Jerusalem getrennt. Wer zeitig geht, hat dort sich eingefunden, Gemächlich wandelnd, eh der Mittag brennt. O wie's die Schaaren freut, dies zu erkunden! O wie die Sehnsucht heft'ger nun entbrennt! Doch weil die Mittagstunden schon verrannen, Befiehlt Bouillon, die Zelt' hier aufzuspannen. 57. Schon waren sie errichtet, und schon wandte Zum Meere sich die Sonn' in hehrer Pracht, Als man gewahrt, daß sich zwei unbekannte Vornehme nahn, in fremder Landestracht, An deren Thun und Wesen man erkannte, Daß Freundesabsicht sie hieher gebracht. Botschafter von Aegypten sind's, und haben Der Knappen viel' um sich und Edelknaben. 58. Alet ist Einer, namenlos entsprungen Aus schlechten Pöbels Schmutz und Niedrigkeit; Doch hat er sich zum ersten Rang geschwungen Durch schlaue, schmeichelnde Beredsamkeit, Gewandte Sitten, feine Huldigungen Und einen Geist, zum Truge stets bereit; Stark in der Knust, Verläumdung vorzubringen, Die Schmähung ist und scheint wie Lob zu klingen. 59. Argant, der Andre, vom Circasserlande, Der an Aegyptens Hof als Fremdling trat, Schwang sich empor zum Reichssatrapenstande Und stieg im Kriegsheer bis zum höchsten Grad. Rauh, ungeduldig, wild im Zornesbrande, In Waffen unbezwungen, rasch zur That, Verhöhnt' er jede Gottheit, und begehrte Sein Recht und sein Gesetz allein vom Schwerte. 60. Gehör beim Oberfeldherrn suchten Beide, Und er gewährt' es, ohne zu verziehn. Auf niederm Sessel und in schlichtem Kleide, Umringt von seinen Fürsten, sahn sie ihn; Doch ächtem Werth, auch fern vom Prunkgeschmeide, Ist durch sich selbst der höchste Schmuck verliehn. Kaum, daß Argant ihn zu begrüßen dachte, So wie ein großer Mann, der Keinen achte. 61. Alet indeß, an seine Brust geschlossen Die Rechte, beugt, gesenkten Blicks, das Haupt, Und ehrt ihn ganz nach Sitte der Genossen, Wie man in seinem Land' es schicklich glaubt. Es schien, als Worte seinem Mund entflossen, Dem Honig selbst die Süße fast geraubt; Und da die Franken Syriens Sprache kannten, Verstand man leicht die Rede des Gesandten: 62. O würdig du allein, daß edler Franken Berühmte Helden dich zum Haupt ernannt, Die, was sie dir und deinem Rath verdanken An Palmen und an Reichen, längst erkannt! Dein hoher Ruhm, den Herculs Felsenschranken Nicht mehr begränzen, füllt auch unser Land; Soweit der Nil durch unsre Gau'n daherrollt, War das Gerücht längst deiner Thaten Herold. 63. Und Jeder hört mit Staunen sie erschallen, Wie man nur Wunder zu vernehmen pflegt. Doch nicht von Staunen nur, von Wohlgefallen Fühlt sich durch sie des Königs Brust bewegt. Ihn freut's, sie zu erzählen, weil, was Allen Nur Neid und Furcht, ihm wahre Lieb' erregt. Er liebt den Muth, und wünscht mit dir Vereinung Durch Freundschaftsbund, wenn nicht durch Glaubensmeinung. 64. Deßhalb, bewogen von so schönem Grunde, Beut er nun Frieden dir und Freundschaft an. Sei Biedersinn das Band in eurem Bunde, Wenn gleicher Glaub' euch nicht vereinen kann. Doch weil zu ihm gelangt des Krieges Kunde, Den gegen seinen Freund dein Schwert begann: So wollt' er, um dem Schlimmern vorzubeugen, Durch unsern Mund dir seinen Sinn bezeugen. 65. Und dieser ist's: Willst du dich jetzt begnügen Mit dem, was du im Kriege dein gemacht, Judäa nicht bedrohn mit Heereszügen, Noch andres Land, das seine Huld bewacht, So will er Alles gern zum Schutz verfügen Des noch nicht sichern Reichs. Wenn eure Macht Sich so vereint, wie könnten Perser, Türken, Von ihrem Fall Herstellung dann bewürken? 66. Herr, Großes hast in Kurzem du verrichtet, Was lange Zeit nicht mit Vergessen deckt, Kriegsheer' und Städte rasch besiegt, vernichtet, Noth überwunden, neue Weg' entdeckt; So daß der Ruf, der's nah und fern berichtet, Die Lande weit umher betäubt und schreckt. Und kannst du wohl manch neues Reich erlangen, Doch wirst du nimmer neuen Ruhm empfangen. 67. Zum Gipfel stieg dein Ruhm; deßhalb, besonnen, Meid' itzt des Krieges zweifelhafte Bahn. Denn siegest du, so wird nur Land gewonnen, Doch größern Ruhm kannst du nicht mehr empfahn. Schnell aber ist, was du erwarbst, zerronnen, Die Ehre selbst, mißlingt dein kühner Plan. Und nur ein thöricht Glückspiel setzt, verwegen, Unsicherm Wenig sichres Viel entgegen. 68. Doch dessen Rath, der deine Heldenthaten Vielleicht im Stillen tadelt und verdammt; Dann, daß dir alles Thun so wohl gerathen, Und jener Trieb, der der Natur entstammt, Besiegt zu sehn die Völker und die Staaten, Der höher stets in großen Herzen flammt: Dies alles macht vielleicht von dir den Frieden Mehr, als von Andern Krieg und Schlacht, vermieden. 69. Dies reizet dich, die Straße fortzuwallen, Die das Geschick weit offen dir gewährt; Nicht eh dies Schwert zu senken, das in allen Kriegsthaten nie gewissen Siegs entbehrt, Bis Mahoms göttliches Gesetz gefallen, Bis Asien gänzlich sei durch dich verheert. O süßer Trug, so schmeichlerisch den Ohren, Wie oft ging Alles schon durch dich verloren! 70. Doch wenn Erbittrung nicht dein Auge blendet Und dunkelnd dir des Geistes Umsicht raubt, So wirst du sehn: wohin dein Schwert sich wendet, Ist dir nur Furcht, ist Hoffnung nicht erlaubt; Denn stets ist wandelbar das Glück und spendet Bald Gutes und bald Schlimmes, eh man's glaubt; Und zu den allzu raschen, hohen Flügen Pflegt oftmals sich ein schneller Sturz zu fügen. 71. Sprich, wenn Aegypten, reich an Gold und Waffen, Sich wider dich erhebt, ein mächt'ger Feind; Wenn Türk' und Perser wieder auf sich raffen Zu neuem Kampf, mit Kassans Sohn vereint: Wer wird dir Schutz vor solchem Angriff schaffen? Wer rettet dich, wann die Gefahr erscheint? Ist wohl auf Griechenland, das dir verpflichtet Durch heiligen Vertrag, dein Blick gerichtet? 72. Wer könnte nicht von Griechentreue sagen? Aus Einem Trug sieh jeden andern ein, Vielmehr aus tausend; denn wohl tausend Plagen Bracht' über euch dies falsche Volk allein. Und die euch erst den Durchzug abgeschlagen, Die sollten jetzt euch Gut und Leben weihn? Die euch den Weg, den Alle frei genießen, Verweigert, jetzt für euch ihr Blut vergießen? 73. Doch kann es sein, daß nur auf diesen Schaaren, Die um dich sind, dein ganz Vertrauen liegt. Die einzeln, denkst du, zu besiegen waren, Die werden auch vereint so leicht besiegt; Obwohl, geschwächt durch Mangel und Gefahren, Dein Volk nur noch in kleiner Anzahl kriegt; Obwohl, als neue Feinde dich zu drängen, Mit Persern, Türken, sich Aegypter mengen. 74. Und wähnst du doch, den Sieg dir zu entraffen Verwehre das Verhängniß jedem Stahl: Wohlan, es sei! und selber dir erschaffen Magst du des Himmels Spruch, nach eigner Wahl. Der Hunger siegt dir ob! Mit welchen Waffen, Mit welcher Wehr bekämpfst du seine Qual? Auf! schwinge gegen ihn den Speer, und zücke Das mächt'ge Schwert, und träume noch vom Glücke! 75. Das reiche Feld, vom Abend bis zum Morgen, Liegt öde durch des Landmanns kluge Hand; In sichre Mauern ward die Frucht geborgen, Lang' eh du deinen Zug hieher gewandt. Wie hoffst du Ross' und Fußvolk zu versorgen, Du, der so muthig eindrang in dies Land? Die Flotte, sprichst du, wird mir Vorrath geben. So hangt denn an der Winde Gunst dein Leben? 76. Gebeut auch dein allmächtig Glück den Winden, Kann sie nach Willkühr fesseln und befrein? Das Meer, vor dem sonst Klag' und Bitte schwinden, Beugt es, sobald du sprichst, sich dir allein? Wenn Türk' und Perser sich mit uns verbinden, Könnt' unsrer Völker mächtiger Verein Nicht eine Flotte sammeln auf den Wellen, Die deiner Macht sich dürft' entgegenstellen? 77. Willst du dir Ruhm bei deinem Plan erwerben, So ist Ein Sieg, o Herr! dir nicht genug; Nur Ein Verlust führt schon dich ins Verderben, Stürzt deinen Ruhm, vereitelt deinen Zug. Im Lager muß dein Heer vor Hunger sterben, Sobald die Bundesflotte deine schlug; Und mußt du hier dem nahen Feind erliegen, So wird umsonst dann deine Flotte siegen. 78. Verweigerst du, in einer solchen Lage, Aegyptens Herrn sein friedliches Begehr, So stimmet dies – vergieb, daß ich es sage – Zu deinen andern Tugenden nicht sehr. Doch lenke Gott, neigt sich zum Krieg die Waage, Dein großes Herz aufs Gegentheil vielmehr; Daß endlich nun sich Asiens Wunden schließen, Und deiner Siege Frucht du mögst genießen! 79. Und ihr, die ihm gefolgt in Noth und Glücke, Gefährten seines Ruhms und seiner Macht, O daß euch nicht des Glückes Gunst berücke, Von neuem aufzurufen Krieg und Schlacht! Dem Schiffer gleich, der aus der Wogen Tücke Sein Schiff in den ersehnten Port gebracht, Zieht jetzt die Segel ein, wie stolz sie schwellen, Und trauet nicht aufs neu den falschen Wellen. 80. Hier schweigt Alet, und es erhebt sich leise Gemurmel in der Helden tapfrer Schaar; Und wie ihr Stolz den Antrag von sich weise, Macht Jedes zürnende Geberde klar. Der Feldherr schaut dreimal umher im Kreise Und nimmt sogleich der Fürsten Meinung wahr; Dann läßt er seinen Blick den Redner fassen, Der seiner Antwort harrt, und spricht gelassen: 81. Du zeigst, Gesandter, uns in schöner Rede, Bald sanft, bald drohend, eures Herrschers Plan. Belobt dein König unsrer Thaten jede, So will ich gern mich seiner Freundschaft nahn; Doch kündigst du hernach die nahe Fehde Mit dem gesammten Heidenthum uns an, So geb' ich dir, wie Jedem aller Orten, Freimüth'gen Sinn in ungeschmückten Worten. 82. Drum wisse nun: Zu Land' und auf dem Meere, Bei Tag' und Nacht, ertrugen wir so viel Nur darum, daß der Weg uns offen wäre Zu jenen Mauern, unserm heil'gen Ziel; Bei Gott uns zu erringen Gnad' und Ehre, Indem wir sie befrein, wenn's ihm gefiel; Und Jeder wagt an ein so würdig Streben, Mit Freude, Ruhm der Welt und Reich und Leben. 83. Denn nicht die Macht ehrsüchtig geiz'ger Triebe Hat unser Thun gespornet, noch gelenkt. So schnöde Pest vertilge Gottes Liebe, Wenn sie sich je in unser Herz gesenkt, Und dulde nicht, daß eins beflecket bliebe Vom süßen Gift, das schmeichelnd Tod verschenkt. Nein! seine Hand, die jedes Herz, verwildert Wie es auch sei, durchdringt, erweicht und mildert: 84. Sie hat uns aufgeregt, uns ergezogen; Sie giebt in jeder Fahr uns sichre Hut, Macht Berge gleich, schlägt über Ströme Bogen, Bezähmt des Winters Eis, des Sommers Glut; Sie stillt des Meeres ungestüme Wogen, Und fesselt und befreit der Stürme Wut; Sie öffnet und zerstört die festen Werke, Sie tilget und zerstreut der Feinde Stärke. 85. Sie hebt den Muth, sie kräftigt die Gedanken, Nicht unser schwacher Arm und müdes Schwert; Die Flotte nicht und nicht die Macht der Franken, Noch so viel Völker Griechenland ernährt. Läßt diese Hand uns fallen nicht, noch wanken, So ist das Andre keiner Sorge werth. Wer weiß, wie sie vertheid'gen kann und tödten, Begehrt nicht andern Schutz in seinen Nöthen. 86. Will aber sie den Beistand von uns scheiden, Sei's unsre Schuld, sei's ein verborgner Rath: Wer würde dort nicht gern den Tod erleiden, Wo Gottes Leib sein hehres Grabmal hat? Wir sterben, ohn' ein Leben zu beneiden; Wir sterben, doch der Rache Stunde naht. Nicht lachen wird der Feind, wenn wir verderben, Nicht weinen werden wir um unser Sterben. 87. Doch glaube nicht, daß wir den Frieden scheuen, Wie man des Kriegs Verheerung scheut und haßt; Denn deines Herrn Zuneigung soll uns freuen, Auch ist der Bund mit ihm uns keine Last. Doch ist Judäa sein? Warum mit neuen Vorsorgen, sprich, hält er dies Land umfaßt? Er wehr' uns nicht Erwerbung fremder Staaten, Und mag in Ruh sein eignes Land berathen. 88. So sprach Bouillon, und seine Worte drangen Gleich Dolchen in Argants empörte Brust. Er hehlt es nicht; mit zornentflammten Wangen Tritt er hervor und spricht voll arger Lust: Wer Frieden nicht will, der soll Krieg empfangen, Denn fehlen hat's an Streite nie gemußt; Und wohl bezeigst du unfriedsamen Willen, Wenn nicht sogleich dich unsre Worte stillen. 89. Rasch greift er nun nach seines Mantels Saume, Macht einen Schooß und hebt den Schooß empor; Und aus des Busens grimmerfülltem Raume Bricht frecher, trotziger dies Wort hervor: Du, der Gefahren achtet gleich dem Schaume, Hier leg' ich Frieden so wie Krieg dir vor. Dein sei die Wahl, doch zaudre nur nicht lange; Entschließe dich, und, was du willst, empfange! 90. Die rohe That und Rede ward von Allen Gesehen und gehört mit innrer Wut. Krieg! ließen All' einmüthig laut erschallen, Eh Gottfried Antwort zu verleihn geruht. Den Mantel schüttelnd, läßt Argant ihn fallen: So fodr' ich, spricht er, Krieg aufs letzte Blut. Es schien, er öffne mit dem rauhen Worte Dem Janustempel die verschlossne Pforte. 91. Und aus des Mantels Schooß, so schien es, sprangen Die Zwietracht und die tolle Wut heraus; Und aus den fürchterlichen Augen schwangen Die Eumeniden ihrer Fackeln Graus. So war vielleicht, der einst, mit stolzem Prangen, Thürmt' himmelan des Irrsals großes Haus; So sah ihn Babylon, den schrecklich Hohen, Die Stirn erheben und den Sternen drohen. 92. Nun sprach Bouillon: Sagt nur, er solle kommen, Eu'r mächt'ger Fürst, und zaudre nicht zu viel. Der Krieg, den ihr uns droht, wird angenommen; Und kommt er nicht, erwart' er uns am Nil. Nachdem die Beiden Abschied nun genommen, Beschenkt' er sie, wie's seiner Huld gefiel. Aleten ward ein Helm von hohem Werthe, Der einst die Beute zu Nicäa mehrte. 93. Argant bekam ein Schwert, mit Gold und Steinen An Griff und Knopf von edler Künstlerhand So schön verziert, daß selbst den ungemeinen Reichthum des Stoffs die Arbeit überwand. Er prüft die Härte, Pracht und Kunst mit feinen, Sorgfält'gen Blicken, lang' und unverwandt; Dann spricht er zu Bouillon: Dank dem Geschenke! Bald sollst du sehn, wie ich's zu brauchen denke. 94. Sie gehn; und er, stets eingedenk des Zieles, Spricht zu Alet: Nun schnell uns aufgemacht! Gen Zion ich, du nach dem Strand des Niles; Beim Morgenlichte du, und ich bei Nacht. Denn meiner Gegenwart und meines Kieles Wird, wo du hingehst, kein Gebrauch gemacht. Die Antwort bringe du; für mich zu schaffen Giebt's nöth'ger hier, wo man verkehrt mit Waffen. 95. So ward zum Feinde nun der Abgesandte. Ob seine Hast unzeitig oder nicht, Ob er der Völker Recht, die anerkannte Kriegssitte brach, das hatt' ihm kein Gewicht. Auch harrt' er nicht auf Antwort, sondern wandte Sich zu der hohen Stadt beim Sternenlicht, Unduldsam des Verzugs; und der geblieben, Fühlt sich von gleicher Ungeduld getrieben. 96. Jetzt war es Nacht; es schweigt der Winde Sausen, Die Wogen ruhn und es verstummt die Welt. Die müden Thiere, die im Meere hausen, Und die der Seeen klarer Schooß enthält, Und die in Hürden ruhn, in Waldesklausen, Die bunten Vögel unterm Laubgezelt, Sie alle jetzt vergessen Sorg' und Kummer, Beim stillen Graun der Nacht, in süßem Schlummer. 97. Doch nicht der Feldherr, noch das Heer der Franken, Läßt Schlummer oder Ruhe jetzt sich nahn; So eifrig sind bei Allen die Gedanken, Den ersten Strahl des Morgens zu empfahn, Der, ihren Weg erhellend, zu den Schranken Der Stadt sie führ', ans Ziel der hohen Bahn. Sie schau'n und schau'n, ob noch kein Lichtgefunkel Hervorbricht und erhellt das nächt'ge Dunkel. Dritter Gesang Dritter Gesang. 1. Schon war der Morgenlüfte sanftes Kosen, Auroren zu verkünden, früh erwacht. Sie kränzet noch ihr goldnes Haupt mit Rosen, Die Edens Flur zum Schmuck ihr dargebracht: Als murmelnd, wie bewegter Wellen Tosen, Das Heer sich schon zum Aufbruch fertig macht, Eh noch die Kriegstrommeten sich erheben Und hellern Klangs das frohe Zeichen geben. 2. Der weise Feldherr lenkt mit sanftem Walten Den Trieb der Seinen und begünstigt ihn; Denn leichter wär's, die Wasser aufzuhalten, Die raschen Laufes zur Charybdis fliehn, Und selbst den Nord, wann sein unhemmbar Schalten Versenkt die Schiff' und packt den Apennin. Er ordnet sie, führt an und lenkt die Straße, Noch eilend zwar, doch eilend nun mit Maaße. 3. Ein Jeder trägt an Herz und Füßen Flügel Und fühlt doch nicht, wie rasch er fortgerannt. Doch höher schwingt die Sonne nun den Zügel Und spaltet, heißern Strahls, das dürre Land: Da sieh, Jerusalem! dort Zions Hügel! Da sieh! Jerusalem zeigt jede Hand; Da sieh! es rufen Tausend nun und Tausend: Jerusalem! in frohem Gruß erbrausend. 4. So, wann ein kühnes Volk auf schwachen Schiffen Dem ungewissen Meere sich vertraut, In fremder Zon', umringt von Felsenriffen, Vom Sturm umheult, dem Tod' entgegenschaut, Und nun sein Blick das ferne Land ergriffen, Erschallt sein Gruß mit hellem Jubellaut; Und Einer zeigt's dem Andern, und vergessen Sind Müh' und Noth des Wegs, den sie durchmessen. 5. Doch nach der Freude, der sie sich ergeben, Vom ersten Anblick wunderbar entzückt, Fühlt Jeder sein zerknirschtes Herz erbeben, Von heil'ger Scheu und Ehrfurcht tief gedrückt. Kaum wagen sie das Aug' empor zu heben Zu jener Stadt, die Christus einst beglückt, Wo er verschied und wo er ward begraben, Wo dann die Glieder ihn aufs neu' umgaben. 6. Gebrochnes Aechzen, halb ersticktes Weinen, Schmerzvolles Seufzen, klagendes Gestöhn Der Schaaren, welche Freud' und Schmerz vereinen, Erfüllt die Luft mit murmelndem Getön, Wie man's vernimmt in dichtbelaubten Hainen, Wann leiser Wind herabfährt aus den Höh'n; Wie das bewegte Meer, mit hohlem Sausen, Ans Ufer hin durch Klippen pflegt zu brausen. 7. Baarfüßig, nach der Führer Beispiel, wallen Die Völker nun, da man der Stadt sich naht; Und abgelegt wird demuthsvoll von Allen Gold, Seide, Helmschmuck, jeder eitle Staat. So auch der Herzen stolze Kleider fallen, Und heiße Zähren netzen fromm den Pfad; Und doch, als ob der Thränen Quell verschlossen, Klagt reuig so ein Jeder der Genossen: 8. Wo du, o Herr! das Erdreich ließest saugen, In tausend Strömen, dein geheiligt Blut, Kann solches Leids Gedächtnis mir nicht taugen, Zwei Bäche dir zu weihn von bittrer Flut? O kaltes Herz! warum nicht durch die Augen Strömst du dahin, geschmelzt in Thränenglut? O hartes Herz! gleichst du noch jetzt den Steinen? Weinst du nicht heut, so mußt du ewig weinen! 9. Ein Mann indeß, der über Berg' und Anger Als Wächter schaut von einem Thurm am Wall, Sieht unten Staub entstehen, der in langer Fortwälzung aufsteigt wie ein Wolkenball. Die Wolke scheint mit Glut und Blitzen schwanger, So funkelt sie, so strahlt sie überall. Jetzt sieht er schon der Waffen und Geschosse Metallnen Glanz, und kennet Leut' und Rosse. 10. Da ruft er laut: Wie wälzt sich ungeheuer Der Staub daher! wie schimmert er herauf! Auf, Bürger, auf! vertheidigt das Gemäuer! Bewaffnet euch und eilet rasch hinauf! Schon nahet sich der Feind! – Und dann, mit neuer Anstrengung, ruft er: Zu den Waffen, auf! Der Feind ist da! Seht, welche Nebelwolke Erhebt sich gräßlich vor dem nahen Volke! 11. Die schwachen Kinder, die entnervten Alten, Der Weiber bange Schaaren, ohne Kraft Den Feind zu treffen, noch ihn abzuhalten, Ziehn zur Moschee, laut flehend, kummerhaft. Doch wer von kräft'germ Arm und muth'germ Walten, Hat alsogleich die Waffen aufgerafft. Die ziehn zum Schutz der Thore, die des Walles; Der König geht umher und ordnet Alles. 12. Nachdem, was nöthig, überall geschehen, Besteigt er einen Thurm, zwei Thoren nah; Hier kann er Berg' und Felder übersehen Und ist, im Nothfall, gleich zur Hülfe da. Er läßt hieher Erminia mit sich gehen, Die seinen Hof zum Zufluchtsort ersah, Seit Antiochien ihr der Feind genommen, Und dort der Fürst, ihr Vater, umgekommen. 13. Den Franken fliegt Clorinde schon entgegen, Vor ihrer Schaar, mit reißender Gewalt; Argant indeß lauscht auf geheimen Wegen, Zur Hülfe stets bereit, im Hinterhalt. Die Heldin weiß der Ihren Muth zu regen Durch kühnes Wort und kriegrische Gestalt: Heut, ruft sie, kommt uns zu, den Grund zu bauen, Auf welchen Asien stütze sein Vertrauen! 14. Clorinde ruft's und sieht auf wenig Schritte Ein Frankenhäuflein ziehn, mit Raub beschwert, Das auf die Beute ging, nach Kriegessitte, Und nun mit Schlachtvieh heim zum Heere kehrt. Sie sprengt heran, und aus der Franken Mitte Spornt auch der Führer auf sie los sein Pferd. Sein Nam' ist Gardo, wohlberühmt in Schlachten, Doch freilich nicht der Heldin gleich zu achten. 15. Ihr kräft'ger Stoß macht ihn vom Sattel weichen; Die Franken sehn's, es sieht's der Heiden Schaar Und nimmt, hell jauchzend, dies als gutes Zeichen Dem ganzen Kriege; doch es ward nicht wahr. Sie stürzt' aufs andre Volk mit wilden Streichen, So daß ihr Arm gleich hundert Armen war. Die Heiden folgten ihr auf diesem Wege, Gebahnt durch Stöße, frei gemacht durch Schläge. 16. Die Beute wird dem Plündrer abgenommen; Die Franken weichen nach und nach gelind, Bis sie auf eines Hügels Gipfel kommen, Wo sie im Schutz des Ortes sichrer sind. Nun, Flammen gleich, die in der Luft entglommen, Und wie sich reißend löst ein Wirbelwind: So stürzt Tancred, durch Gottfrieds Wink verpflichtet, Mit seiner Schaar hervor, den Speer gerichtet. 17. Er führt den Schaft so stark, mit solcher Hitze, So kriegrisch reizend kommt der junge Held, Daß gleich der König, auf des Thurmes Spitze, Ihn unter Kühnen für den Kühnsten hält. Er spricht zu der, die schon auf ihrem Sitze, Was sie empfand, mit Mühe nur verstellt: Du hattest ja mit Christen viel zu schaffen, Und kennest jeden wohl, auch unter Waffen. 18. Wer ist denn Jener, der mit starkem Speere, Furchtbaren Anblicks, Allen rennt zuvor? Da, statt der Antwort, steigt ihr eine Zähre Ins Aug', ein Seufzer aus der Brust empor. Sie strebt umsonst, daß sie der Regung wehre, Die doch nicht ganz sich unbemerkt verlor; Denn Purpur färbt die feuchten Augenlieder, Und halb nur senkt des Seufzers Hauch sich nieder. 19. Dann, sich verstellend, deckt sie mit dem rauhen Gewand des Hasses sehr verschiedne Glut: Wohl kenn' ich ihn! Muß ich umringt ihn schauen Von Tausenden, ihn kenn' ich nur zu gut. Denn oft, schon früher, sah ich, wie er Auen Und Gräben füllte mit der Meinen Blut. Wie grausam trifft er! Ach! für seine Wunden Ward nie ein Kraut noch Zauberspruch gefunden. 20. Es ist Tancred. O hätt' ich ihn, gefangen, In meiner Macht! Todt dürft' er noch nicht sein; Nein, leben müßt' er, diesem Glutverlangen Durch süße Rache Lindrung zu verleihn. Sie spricht es; und der Fürst, leicht hintergangen, Trägt fremden Sinn in wahres Wort hinein; Und es entschlüpft mit ihren letzten Tönen, Umsonst zurückgedrängt, ein zärtlich Stöhnen. 21. Zum Gegenangriff sprengt indeß Clorinde, Den Speer gefällt, rasch auf Tancreden los. Sie treffen die Visir', in alle Winde Fliehn Splitter auf, der Schönen Haupt wird bloß; Denn es zerriß von ihrem Helm die Binde, Er sprang herab – o wunderbarer Stoß! – Und es erschien, gelöst die goldnen Locken, Im Schlachtgefild' ein Mädchen, unerschrocken. 22. Ihr Auge flammt, als ob es Blitze sprühte, Im Zorne hold; wie wär's im Lächeln gar? Was schaut Tancred? Was sinnst du im Gemüthe? Wird dir das vielgeliebte Bild nicht klar? Dies ist das Antlitz, das dich ganz durchglühte; Sag's dir dein Herz, das längst sein Tempel war. Dies ist sie, die du einst am stillen Quelle Die Stirne kühlen sahst mit klarer Welle. 23. Er, der auf Schild und Helmschmuck nicht geachtet, Wird jetzt zu Stein, da ihn ihr Blick erreicht. Sie, die ihr Haupt zur Noth zu decken trachtet, Greift ohne Zögern an; er aber weicht Und kreist sein wildes Schwert, das Andre schlachtet. Doch sie vergönnt ihm Frieden nicht so leicht; Denn drohend folgt sie ihm und ruft: Verweile! Daß sie zugleich zwiefachen Tod ertheile. 24. Sie haut auf ihn, er kann nicht wieder hauen, Nicht so bedacht auf Schutz und Widerstand, Als ihr ins Aug', ins Angesicht zu schauen, Wo Amor nie umsonst den Bogen spannt. Er spricht zu sich: Wohl fehlet von den rauhen Schwertstreichen mancher der bewehrten Hand; Doch ihrem Antlitz, unbewehrt und offen, Fehlt nie ein Streich, stets wird mein Herz getroffen. 25. Er will, zwar hoffnungslos sie zu erweichen, Als stummer Liebender nicht aus der Welt; Sie wiss' es erst, daß sie mit ihren Streichen Den wehrlos zitternden Gefangnen fällt. Drum sagt er ihr: Du, die nach allen Zeichen Mich hier allein für ihren Gegner hält, Komm aus der Schlacht; so können wir, vom Toben Der Menge fern, du mich, ich dich erproben. 26. Dann wird man besser sehn, ob meine Stärke Der deinen gleicht. Sie nimmt den Vorschlag an; Als ob sie kaum des Helms Verlust bemerke, Sprengt kühnlich dem Betäubten sie voran. Kaum sind sie fern, so schreitet sie zum Werke; Schon hat sie einen mächt'gen Hieb gethan, Da ruft er aus: Halt' ein mit Blutvergießen, Daß, vor dem Kampf, wir Kampfverträge schließen. 27. Sie senkt das Schwert, und bis zur Kühnheit heben Lieb' und Verzweiflung den verzagten Sinn. Dies, spricht er, sei Vertrag: versagt dein Streben Den Frieden mir, so nimm mein Herz nur hin. Mein Herz, nicht mehr das meine, wenn sein Leben Dir mißbehagt, hält Sterben für Gewinn. Dein war es lange Zeit, und wohl ist zeitig, Daß du es nehm'st! ich mach' es nicht dir streitig. 28. Sieh her! die Arme senk' ich, nicht versagen Soll sich die Brust; was zaudert nun dein Stoß? Soll ich dein Werk erleichtern? Ohne Zagen Leg' ich den Panzer ab, willst du sie bloß. Wohl hätte länger noch in bittern Klagen Tancred bejammert sein unselig Loos; Allein ihn hemmt, unzeitig, eine Menge Von Heiden und von Franken, im Gedränge. 29. In Flucht gejagt vom Christenheere, weichen Die Palästiner, Furcht sei's oder List. Ein Franke, der im Winde wehn die reichen Goldlocken sieht, hebt, ruchlos wie er ist, Die Hand empor, um, im Vorüberstreichen, Sie da zu hau'n, wo sie der Deckung mißt. Allein Tancred gewahrt's und wirft den Degen, Mit lautem Schrei, dem mächt'gen Hieb entgegen. 30. Wie schnell er auch zu ihrer Hülf' erschienen, Ward doch vom Hieb der weiße Hals verletzt. Doch streift' er kaum; die blonden Locken schienen, Von wenig Tropfen ihres Bluts benetzt, Dem Golde gleich, das schimmernd mit Rubinen Des hochberühmten Künstlers Hand besetzt. Doch der ergrimmte Fürst eilt jenem Schlechten Voll Eifer nach, das Schwert in seiner Rechten. 31. Der aber flieht; ergrimmt auf den Barbaren, Folgt Dieser, wie ein Pfeil die Luft durchbricht. Sie blickt ihm sinnend nach; doch Beide waren Schon weit entfernt, und folgen will sie nicht. Nun zieht sie sich zurück mit ihren Schaaren, Zeigt bald den Franken wieder ihr Gesicht, Greift an, kehrt um; man sieht sie fliehn und jagen; Doch, ist es Jagd, ist's Flucht, bleibt schwer zu sagen. 32. So, wann ein Stier im weiten Kampfgefilde Den Hunden rasch sein Horn entgegenstreckt, Hält sie die Furcht zurück; doch flieht der wilde, Wie dreist ihn dann der freche Haufen neckt! Clorinde schützt im Fliehn sich mit dem Schilde, Mit dem von hinten sie das Haupt bedeckt: So schützt der Flüchtling bei der Mohren Spielen Vor Kugeln sich, die drohend nach ihm zielen. 33. Schon waren die im Jagen, die im Fliehen Bis nahe zu den Mauern hingerannt: Als nun auf einmal laut die Heiden schrieen, Und plötzlich hatten sie sich umgewandt. Sie machen einen Bogen und umziehen Den Feind im Rücken und von jeder Hand; Indeß Argant mit seinen Kriegern allen Vom Berge kommt, um vorn ihn anzufallen. 34. Der wilde Heide flog voraus, erbittert, Weil er den ersten Stoß zu thun beschloß; Und der Getroffne, der ihn kaum gewittert, Stürzt auch sogleich, und über ihn sein Roß; Und ehe dann der mächt'ge Speer zersplittert, Wird Mancher noch im Fallen sein Genoß. Das Schwert hernach, wo's einen Feind gefunden, Da giebt es Tod, zum mindsten Fall und Wunden. 35. Mit ihm wetteifert nun Clorind' im Streite, Und hat Ardelio's edles Blut versprützt, Des unbezwungnen Greises, vom Geleite Des tapfern Söhnepaars nicht g'nug beschützt. Alkandern nahm ein Schwerthieb von der Seite Des Vaters, den er sorgsam unterstützt; Und kaum errettet Polyfern, der neben Dem Alten blieb, mit Noth sein eignes Leben. 36. Tancred indeß, der mit verhängtem Zügel Umsonst dem schnellern Flüchtling nachgejagt, Schaut rückwärts und gewahrt, daß an dem Hügel Sein kühnes Volk zu weit sich vorgewagt. Er sieht's umringt, und wie auf Windesflügel Eilt er dahin, wo man die Seinen plagt; Und nicht nur Er bringt Hülfe seinen Schaaren, Auch jener Bund, nie fehlend in Gefahren: 37. Die Ritterschaar, so Dudo'n Führer nannte, Der Nerv und Stolz der ganzen Christenwelt. Rinald, des Blitzes Flug besiegend, rannte Vor Allen her, der schönste, kühnste Held. Erminia, die ihn an der Haltung kannte, Am weißen Aar im himmelblauen Feld, Sah auch des Königs Blick ihm schon begegnen, Und sprach: Sieh hier den Bänd'ger der Verwegnen! 38. Fast Keiner ist, der ihn im Kampf erreiche; Noch ist er Knab' und ward doch nie besiegt. Ja, wären Sechs im Feindesheer' ihm Gleiche, Längst hätt' in Fesseln Syrien sich geschmiegt, Längst sich gebeugt des Mittags fernste Reiche Und welches Reich zunächst dem Aufgang liegt. Vielleicht, daß selbst der Nil das unentdeckte, Weit ferne Haupt dem Joch umsonst versteckte. 39. Er heißt Rinald; mehr als Belagrungswerke Scheu'n Mauern des ergrimmten Arms Gewicht. Nun wende dorthin deinen Blick; bemerke Den, der in grün und goldnen Waffen ficht. Dudo ist dies; ihm folgt des Heeres Stärke, Die Ritterschaar, frei von des Dienstes Pflicht. Er ist von hohem Blut und vielerfahren, Weicht Keinem an Verdienst und siegt an Jahren. 40. Den Großen, Braunen, laß Gernand dir nennen; Sein Bruder herrscht in Norwegs Länderkreis. Kein stolzer Haupt mag wohl die Erde kennen, Nur dies verdunkelt seiner Thaten Preis. Sieh diese Beiden, die sich niemals trennen, In Weiß gekleidet, jede Zierde weiß: Gildipp' und Odoard, Geliebt' und Gatten, Die längst den Ruhm des Muths, der Treue hatten. 41. Sie sprach's; da sahn sie auf des Feldes Mitten Das Kampfgewühl anwachsen mehr und mehr. Tancred, und neben ihm Rinald, durchschnitten Der Feinde Kreis, so stark an Volk und Wehr; Die Ritter dann, die unter Dudo stritten, Erschienen auch und drängten hart und schwer. Argant, Argant sogar, den jetzt danieder Rinaldo warf, erhob sich mühsam wieder. 42. Wohl hätt' er nie vom Falle sich erhoben, Allein Rinaldo's Roß fiel gleich darauf; Und da sein Fuß sich untern Leib geschoben, Hielt das Zurückziehn ein'ge Zeit ihn auf. Die Heiden nun, durchbrochen und zerstoben, Fliehn nach der Stadt in ordnungslosem Lauf. Argant nur und Clorinde sind dem Schwalle Der nachergossnen Wut zum Damm und Walle. 43. Sie weichen erst zuletzt; dem raschen Fliegen Des Frankenschwarmes hemmen sie die Bahn, So daß, die fliehn, nicht ganz dem Feind erliegen Und sichrer sich dem Schutz der Mauern nahn. Der wackre Dudo folgt, erhitzt vom Siegen, Den Flücht'gen, stößt den schrecklichen Tigran Mit seinem Roß; dann wirft ihn, ungehindert, Sein Schwert zur Erd', um einen Kopf vermindert. 44. Nichts half Algazars Panzer ohne Fehle, Noch that der Helm Korbans ihm Widerstand; Er traf sie rücklings, daß durch Jenes Kehle, Durch Dieses Brust sein Schwert den Ausgang fand. So trieb auch Amuraths und Mehmets Seele Aus ihrer süßen Wohnung seine Hand; Almansors dann; der mächtige Circasser Blieb selbst nicht sicher vor dem Heidenhasser. 45. Es knirscht Argant; dem Strom, der nach ihm flutet, Begegnet er bisweilen, weicht dann auch. Jetzt aber wendet er sich unvermuthet Und stößt sein Schwert dem Ritter in den Bauch, Daß tief der Stahl hineindringt; Dudo blutet, Und mit dem Blut entflieht des Lebens Hauch. Er stürzt vom Roß, und auf die Augenlieder Sinkt harte Ruh und schwerer Schlaf hernieder. 46. Noch öffnet er dreimal dem süßen Lichte Des Tages sie, strebt auf dem Arm empor Und sinkt dreimal zurück; schon hüllet dichte, Graunvolle Nacht sein Aug' in dunkeln Flor; Die Glieder starren, und im Angesichte Bricht langsam nun der kalte Schweiß hervor. Nicht länger bleibt Argant, der wilde Streiter, Beim todten Leichnam stehn; rasch fliegt er weiter. 47. Doch ruft er überlaut, wie schnell er rannte, Den Franken zu: Ihr Ritter! dieses Schwert, Mit Blut gefärbt, ist jenes wohlbekannte, Das gestern erst mir euer Herr bescheert. So sagt ihm nun, wie ich es heut verwandte, Denn sicherlich ist ihm die Kunde werth. Er muß sich freu'n, daß seine Gastbescheerung Gab beim Versuch der Tüchtigkeit Bewährung. 48. Sagt ihm, er selbst, an seinen Eingeweiden, Soll bald davon gewissre Probe sehn; Und sollt' er wohl uns anzufallen meiden, Komm' ich zu ihm, eh' er sich deß versehn. Der Christen Heer stürmt auf den frechen Heiden Wetteifernd los, erbittert durch sein Schmähn; Doch er und seine Schaar, kraft ihrer Schnelle, Sind schon gedeckt vom Schutz der Freundes-Wälle. 49. Vom Walle nun und von den Mauern flogen Die Stein' in solchem Hagel weit umher, Und Köcher ohne Zahl verliehn den Bogen So viele Pfeile jetzt zur Gegenwehr, Daß sie zum Halt der Franken Schaar bewogen; Und in die Thore zog der Heiden Heer. Allein Rinald, der seinen Fuß befreite Vom Rossesdruck, kam schon nach dieser Seite. 50. Er kam, um Dudo's Fall an dem Barbaren Zu rächen, der den tapfern Greis erschlug. Was warten wir? – so rief er seinen Schaaren Voll Eifer zu – was hemmt noch unsern Zug? Der Edle fiel, von dem wir Ritter waren, Und noch verweilt der blut'gen Rache Flug? Bei solchem Grund zu kühnem Zorneswalten, Soll eine morsche Mauer noch uns halten? 51. Und wäre diese Mauer undurchdringlich, Zwiefach von Eisen oder Diamant: Was ist der Kraft der Franken unerschwinglich? Sie schütze nicht den frevelnden Argant! Wohlauf, zum Sturm! Er rief's, und unbezwinglich War er vor Allen schon voraus gerannt, Und trug sein sichres Haupt dem Sturm und Regen Der Stein' und Pfeile sonder Furcht entgegen. 52. Er hebt die Stirn, sein Auge sprüht Verderben, So drohend schüttelt er das große Haupt, Daß auch die kühnsten Krieger sich entfärben, Selbst in der Stadt sich Keiner sicher glaubt. Doch da er den ermuntert, dem mit herben Scheltworten dräut, wird ihm die Macht geraubt; Denn Sigiern schickt Bouillon nach jenem Orte, Den strengen Ueberbringer ernster Worte. 53. Er schilt den Uebermuth und heischt vom Bunde, In Gottfrieds Namen, Rückkehr alsobald. Kehrt um, so spricht er; weder Ort noch Stunde Begünst'gen jetzt den Zorn, der euch durchwallt. Gottfried befiehlt es euch. Auf diese Kunde Zähmt sich sogleich, der Andern Sporn, Rinald; Obwohl er knirscht und durch Geberd' und Stimme Manch Zeichen giebt von schlecht verhehltem Grimme. 54. Die Schaaren kehrten um, und aus der Veste Ließ man dem Rückzug ungestörte Rast. Nicht mißten auch der letzten Pflicht die Reste Des edeln Dudo, der im Feld erblaßt. Der Freunde treuer Arm trug sie aufs beste Zum Lager heim, als theure, werthe Last. Vom Hügel schaut indeß Bouillon die Stärke Jerusalems, die Lag' und Festungswerke. 55. Auf zweien Hügeln ist die Stadt erhoben, Ungleicher Höh', einander zugewandt; Ein Thal, das in die Mitte sich geschoben, Trennt, wie die Stadt, so beider Hügel Wand. Drei Seiten führen mühsam nur nach oben, Die vierte steigt kaum merklich auf vom Land; Doch ist die ebne Seite, die gen Norden, Durch hohe Mauern um so fester worden. 56. Im Innern fehlt's dem Orte nicht an Teichen, Cisternen und lebend'ger Quellen Flut; Doch weit umher kein Wasser zu erreichen, Verbrannt der Boden durch der Sonne Glut. Kein Strauch erblüht, und keine Bäume reichen Dem Wandrer Schutzwehr vor des Mittags Wut; Nur ist, drei Stunden fern, ein Wald zu schauen, Von gift'gem Schatten voll und düsterm Grauen. 57. Der edle Jordan strömt auf jener Seite, Wo man erblickt des neuen Tags Beginn; Gen Abend streckt sich bis in ferne Weite Des Mittelmeeres sand'ges Ufer hin. Gen Nord liegt Bethel, die Altäre weihte Dem goldnen Stier; Samaria weiterhin; Und da, woher der feuchte Südwind regnet, Bethlem, durch die Geburt des Herrn gesegnet. 58. Indem Bouillon die Mauern nun und Zwinger Der Stadt beschaut, die Gegend und das Land, Sinnt, wo zu lagern sei, und wo geringer, Bei einem Sturm, der Mauern Widerstand, Nimmt ihn Erminia wahr, zeigt mit dem Finger Auf ihn und spricht, zum Aladin gewandt: Dort ist Bouillon, vom Purpur stolz umfaltet, So herrlich und so königlich gestaltet. 59. Er ist fürwahr zum Oberherrn geboren, So ganz ist ihm die Herrscherkunst verliehn. Doch doppeltes Verdienst ist ihm erkoren: Als Ritter, wie als Führer, preist man ihn. Ihm ist von Allen, die zum Kreuz geschworen, An Muth und Klugheit Keiner vorzuziehn; Nur Raimund ist im Rath, es sind in Schlachten Rinald nur und Tancred ihm gleich zu achten. 60. Der König sprach: Er ist mir nicht entgangen, Als ich Gesandter von Aegypten war An Frankreichs Hof; schon da sah ich ihn prangen, Im Lustgefecht, vor aller Ritter Schaar. Zwar säumte noch die jugendlichen Wangen, Das zarte Kinn, ihm kaum ein weiches Haar; Doch ließ sein Reden, Handeln und Betragen Die größte Hoffnung für die Zukunft wagen. 61. Zu wahre Hoffnung! Und mit stillem Leide Senkt er den Blick, erhebt ihn dann und spricht: Wer ist denn Dieser, auch im Purpurkleide, Ihm gleich, so scheint's, an Ansehn und Gewicht? O wie einander ähnlich sind sie Beide! Erreicht er auch an Größe Jenen nicht. Graf Balduin, spricht sie; und noch mehr an Werken, Als an Gestalt, kann man den Bruder merken. 62. Betrachte Jenen nun, der neben Diesen, Wie Rath ertheilend, steht; sieh ihn genau. Raimund ist dies, den ich vorhin gepriesen Als fein und klug; ein Mann, bejahrt und grau. Im Heer hat Keiner sich so reich bewiesen An Kriegeslist, so vielgewandt und schlau. Der, mit dem goldnen Helme, mehr von dannen, Ist Wilhelm, Sohn des Königs der Britannen. 63. Bei ihm steht Guelf, ihm gleich durch hohe Werke, Durch edles Blut und königlichen Stand. Wohl kenn' ich diesen an der Schultern Stärke Und an der Brust, gewölbt und weit gespannt. Doch daß ich meinen Hauptfeind nicht bemerke, Wie weit umher ich auch den Blick gesandt! Ihn, Bohemund, den Räuber meines Gutes, Den Tilger meines königlichen Blutes. 64. So sprachen sie. Nun kehrt zu seinen Mannen Bouillon zurück, da er sich umgeschaut. Und weil er nicht, die Stadt zu übermannen Von jenen schroffen Seiten, sich getraut, Befiehlt er jetzt, ein Zelt ihm aufzuspannen Vor jenem Thore, das gen Norden schaut; Damit von dort bis zu dem Thurm der Ecke – So nennt man ihn – das Lager sich erstrecke. 65. Fast um den dritten Theil der Festung schlingen, Wenn auch nicht völlig, sich die Zelte her; Denn mit dem Lager ganz sie zu umringen, Erlaubt ihr großer Umfang nimmermehr. Doch jeden Weg, Verstärkung ihr zu bringen, Besetzt der Feldherr gleich mit seinem Heer; Und jeder Paß, um in die Stadt zu kommen Und von ihr auszugehn, wird eingenommen. 66. Er läßt das Lager dann mit tiefen Graben Und festen Schanzen rings umher versehn, Um vor der Städter Ausfall Schutz zu haben Und fremden Streiferei'n zu widerstehn. Als diese Werke nun die Zelt' umgaben, Wollt' er den Leichnam seines Dudo sehn Und ging dahin, wo dem verehrten Todten Die Freunde schon der Wehmuth Opfer boten. 67. Sie schmückten rings mit würdigem Gepränge Die hohe Bahre, die den Helden zeigt. Als Gottfried nahet, bricht der Schmerz der Menge Gewalt'ger aus und lautre Klag' entsteigt. Allein Bouillon, im Antlitz weder Strenge Noch Heiterkeit, zähmt sein Gefühl und schweigt; Und dann, nachdem er lang' in tiefem Sinnen Ihn angeschaut, hört man dies Wort beginnen: 68. Nun nicht gebührt dir Schmerz noch Thräne weiter; Denn starbst du hier, lebst du in Himmelsau'n, Und lässest, ein vom Erdgewand Befreiter, Uns deines Ruhms erhabne Spuren schau'n. Du hast gelebt als Christi heil'ger Streiter, So starbst du auch; jetzt wird für dein Vertrau'n, O sel'ger Geist! dir Gottes Schau'n zum Lohne; Du trägst der guten Thaten Palm' und Krone. 69. Du lebst fürwahr beglückt; und daß wir weinen, Macht unser Schicksal, deines nicht, erlaubt; Denn ach! dein edler Hingang trennt die Deinen Von einem so verehrten, mächt'gen Haupt. Doch ward durch das, was Tod heißt den Gemeinen, Ein ird'scher Beistand uns mit dir geraubt, So kannst du jetzt uns himmlischen erwerben, Da dich der Himmel zählt zu seinen Erben. 70. Und wie, zu unserm Heil, wir dich erproben, Als Irdischen, der Erde Waffen sahn: So hoffen wir, du wendest nun dort oben, Als sel'ger Geist, des Himmels Waffen an. Lern' itzt empfangen, was wir dir geloben, Und steh' uns bei auf unsrer sauern Bahn. Erring' uns Sieg! Wir lösen, fromme Krieger, Dir das Gelübd' im Tempel einst, als Sieger. 71. So sprach er, und schon tilgen jetzt die Schauer Der dunkeln Nacht das letzte Tageslicht Und hemmen jede Zähr' und jede Trauer Durch das Vergessen aller Sorg' und Pflicht. Doch Gottfried, der nicht stürmen kann die Mauer, Wenn's an Belagrungswerkzeug ihm gebricht, Sinnt, woher Holz zu ziehn, was nöthig thue An Sturmgezeug, und gönnt sich wenig Ruhe. 72. Aufstehend mit der ersten Morgenhelle, Giebt er dem Trauerzuge selbst Geleit. Schon war das Grab, an eines Hügels Schwelle, Von duftendem Cypressenholz bereit, Dem Lager nah; des Tapfern Ruhestelle Hüllt' eine Palm' in ernste Dunkelheit. Hier ward er beigesetzt, und Priester flehten Für seine Ruh mit Liedern und Gebeten. 73. Rings an den Aesten sah man Kriegeszeichen Und Waffen aufgehängt verschiedner Art, Die er in Syriens und in Persiens Reichen Dem Feinde nahm auf manch beglückter Fahrt. Sein Harnisch und die andre Wehr deßgleichen Ward an dem Stamm des Baumes aufbewahrt; Und eine Grabschrift muß dem Wandrer melden: Hier ruhet Dudo; ehrt den hohen Helden. 74. Wie also nun Bouillon mit frommen Sorgen Der Andacht und der Freundschaft Pflicht vollstreckt, Schickt er zum Forst, noch an demselben Morgen, Die Zimmerleute sämmtlich, wohl bedeckt. Tief zwischen Thälern liegt der Wald verborgen, Den Franken hatt' ein Syrier ihn entdeckt. Da gehn sie hin, um Werke zu vollbringen, Die sicher bald die feste Stadt bezwingen. 75. Der Eine regt den Andern auf zur Eile, Damit der Wald des Schmuckes sei beraubt. Der starke Zirn erliegt dem scharfen Beile, Die Fichte stürzt, der Palme heil'ges Haupt; Die traurige Cypresse sinkt, die steile Hochtanne fällt, die Esche, dicht belaubt; Der Ulmbaum, oft vermählt den zarten Reben, Die mit gekrümmtem Fuß gen Himmel streben. 76. Ahorne fallen hier, dort stürzen Eichen, Die tausendmal den Scheitel neu geschmückt, Und tausendmal den ungestümen Streichen Der Stürme widerstanden, ungebückt. Dort knarren schon die schwerbeladnen Speichen, Von duft'ger Buch' und Ceder Last gedrückt; Und Wild und Vögel fliehn, in bangen Schwärmen, Aus Höhl' und Nest beim Waffenklang und Lärmen. Vierter Gesang Vierter Gesang. 1. Als Diese nun das schöne Werkzeug bauen, Das bald die hohe Stadt bestürmen soll, Erhebt der Menschen großer Feind, mit Grauen, Auf Christi Volk den Blick, von Tücke voll. Er sieht der Schaaren freudiges Vertrauen, Zerbeißt die Lippen beide sich vor Groll, Und haucht, wie ein verletzter Stier, die Schmerzen Mit Aechzen und Gebrüll aus seinem Herzen. 2. Das größte Weh den Christen zu bereiten, Ist nun sogleich sein ganzer Geist bedacht. Zusammen ruft er schnell von allen Seiten In seine Burg den grausen Rath der Nacht. Als wär' es – Thor! – ein Leichtes nur, zu streiten Den großen Kampf mit Gottes heil'ger Macht; Thor! der den Himmel wagt herauszufodern, Vergessend schon, wie Gottes Blitze lodern. 3. Es ruft dem grausen Volk urnächt'ger Klüfte Der höllischen Posaune heisrer Ton. Ihr zittern rings die weiten schwarzen Grüfte, Des Orcus Nacht rückhallt ihr rauhes Drohn. So schmettert nie der Blitzstrahl durch die Lüfte Herab aus höchster Himmelsregion; So bebt die Erde nie mit wildem Stoße, Wann sie die Dünste preßt im schwangern Schooße. 4. Rings sammeln sich an hoher Pforte Stufen Des Abgrunds Götter raschen Flugs sofort: Scheusal', aus Nacht und Graun hervorgerufen, Verderben sprühend aus dem Aug' und Mord. Hier stampfen sie den Grund mit Thiereshufen, Um Menschenstirn wehn Schlangenhaare dort; Ein ungeheurer Schweif erscheint bei allen, Der, Peitschen gleich, sich dehnen läßt und ballen. 5. Centauren, Sphinxe siehst du und Gorgonen Und der Harpyen ekelhafte Brut; Die Hydra heult, es zischen die Pythonen, Die Scylla bellt' voll raubbegier'ger Wut. Hier grause Polyphemen, Geryonen; Dort spei'n Chimären dunkelrothe Glut; In neuer Mißform, nirgend sonst gefunden, Scheusal' unzähl'ger Art in eins verbunden. 6. Die setzen sich zur Rechten, die zur Linken Um den gewalt'gen Schreckenskönig her. In Pluto's Hand sieht man das Scepter blinken, Das ungeheure Scepter, roh und schwer. Nicht Calpe's noch des Atlas hohe Zinken, Kein Bergfels ist und keine Klipp' im Meer, Die man vor ihm nicht kleine Hügel glaubte; So ragt er auf mit hornbewehrtem Haupte. 7. Den stolzen Geist erhebt dem Schreckenvollen Der Ungestalt furchtbare Majestät. Der rothen Augen Paar, von Gift gequollen, Flammt wie ein unheilbringender Komet; Sein Kinn umhüllt ein Bart, der, dick geschwollen, Bis auf die borst'ge Brust hernieder weht. Es öffnen ihm, gleich ungeheuern Tiefen, Die Kiefern sich, die schwarz von Blute triefen. 8. Wie aus des Aetna Feuerschlund mit Krachen Glut, Schwefeldampf und Donner steigt empor, So stürzt sich jetzt aus seinem wilden Rachen Der Athem schwarz und glutgemischt hervor. Ihm schweigt der Laut des hundertköpf'gen Drachen, Und Cerberus verstummt am Höllenthor; Es stocket der Cocyt, die Gründ' erzittern, Und seine Stimm' erschallt gleich Ungewittern: 9. Des Orcus Mächte, würd'ger dort zu wohnen, Hoch über Sonnen, wo eu'r Mutterland; Die einst der große Fall von sel'gern Thronen Mit mir in diese düstre Kluft gebannt: Der alte Zorn des Herrschers jener Zonen Und unser hoher Plan sind längst bekannt. Er aber lenkt die Sterne nun als Meister Und richtet uns als widerspenst'ge Geister. 10. Und fern vom heitern Tag, der uns umflossen, Der Sonne Pracht, der Sterne goldnem Kranz, Hält er in diesem Abgrund uns verschlossen, Versagt auf ewig uns den alten Glanz. Und dann – weh mir! von seines Zorns Geschossen Traf keins mein Innerstes so tief, so ganz! – Ließ er den Menschen Himmelsbürger werden, Aus schlechtem Staub geboren auf der Erden. 11. Und nicht genug; zu unserm Sturz verschworen, Gab er dem Tode selbst den ein'gen Sohn. Er kam herab, brach von des Orcus Thoren Das Siegel los, trat kühn vor unsern Thron; So viele Seelen, uns zur Beut' erkoren, Führt' er dem Himmel zu, und, uns zum Hohn, Schwang triumphierend er auf jenen Bahnen Als Sieger der besiegten Hölle Fahnen. 12. Doch was erneur' ich meinen Schmerz durch Klagen! Wer wüßte nicht, wie tief er uns gekränkt! Wann hat, und wo, der altgewohnten Plagen Erledigung uns Jener dort geschenkt? Nicht laßt fortan vom alten Leid uns sagen, Aufs gegenwärt'ge sei der Sinn gelenkt! Ha! und durchschaut ihr noch nicht, wie er strebe, Daß alles Volk sich seinem Dienst ergebe? 13. Wir hielten träg' uns länger hier verkrochen Und blieben bei so würd'ger Sorge kalt? Wir litten, daß sein Volk, ununterbrochen, In Asiens Gau'n zunehm' an Macht und Halt? Daß es Judäa dürft' itzt unterjochen, Noch mehren seines Herrschers Ruhmgewalt? Daß man in andrer Sprach' und andrer Weise, Auf neuem Erz und Marmor noch ihn preise? 14. Daß unsre Bilder stürzen vom Altare, Der, umgeweiht, ihm künftig Opfer zollt? Daß man nur ihm Gelübde zahl', ihm spare Des Weihrauchs Duft, ihm spende Myrrh' und Gold? Daß man vor uns die Tempel jetzt verwahre, Wo Alles sonst uns eigen war und hold? Daß wir den Zoll so vieler Seelen missen, Und Pluto herrsch' in öden Finsternissen? 15. Ha, nimmermehr! Noch ist er nicht entschwunden Aus uns, der Geist der alten Tapferkeit, Als wir, mit Stahl und Flammen kühn umwunden, Des Himmels Macht bekriegt in edelm Streit. Und wurden wir im Kampf auch überwunden, War der Gedanke doch voll Göttlichkeit. Zwar kam der Sieg den Glücklichern zu Gute; Uns blieb der Ruhm von unbesiegtem Muthe. 16. Doch warum euch zum Zögern noch verdammen? Eilt, meine Treuen, meine Macht und Kraft! Eilt, und verderbt das schuld'ge Volk zusammen, Eh' es zum Krieg sich neue Stärke schafft; Vertilgt im Reich Judäa's diese Flammen, Eh' ihre Glut noch weiter um sich rafft. Stürzt auf sie ein, und zum Verderb der Christen Braucht jetzt Gewalt und jetzt Betrug und Listen. 17. Geschick sei, was ich will! Umher zu irren Sei dieses Loos; den treffe Todesqual; Der soll versenkt in Lieb' und Wollust girren, Ein süßer Blick sei Gottheit seiner Wahl. Aufruhr und Zwietracht soll das Volk verwirren Und lenken auf den Führer selbst den Stahl. Das ganze Heer verderb', und alle Kunde Und Spur von ihm geh' auf einmal zu Grunde! 18. Nicht harrten sie, die von dem wahren Gotte Abfäll'gen Geister, bis das Wort vollbracht, Und schwangen sich empor in dichter Rotte, Zum Wiederschau'n der Stern', aus tiefer Nacht: Wie rauhe Stürm' aus heimatlicher Grotte Sich brausend stürzen mit gewalt'ger Macht, Den Himmel zu verdüstern und die Strecken Des Landes und des Meers mit Krieg zu schrecken. 19. Schon eilten sie, die Flügel auszubreiten, Nach jeder Richtung, durch die offne Welt, Und fingen an viel Listen zu bereiten, Und jeder suchte seiner Kunst ein Feld. Sag' uns, o Muse! du, von welchen Seiten Sie nun zuerst den Christen nachgestellt. Du weißt es; doch von so entfernten Dingen Mag kaum zu uns ein schwacher Nachhall dringen. 20. Fürst von Damaskus und den nahen Gauen War Hydraot, ein mächt'ger Zaubergreis, Der auf die Kunst, die Zukunft zu durchschauen, Von Jugend an verwandte Müh' und Fleiß. Doch wozu half's, wenn ungewisses Grauen Der Krieg ihm droht, deß Ausgang er nicht weiß, Da der Planeten und Gestirn' Aspecten, Die Hölle selbst, ihm Wahrheit nicht entdeckten? 21. Es wähnte der – wie falsch sind deine Schlüsse, O Menschengeist, in deinem blinden Wahn! – Den Franken sei durch himmlische Beschlüsse Verderb und Tod bestimmt auf ihrer Bahn. Und glaubend nun, das Volk Aegyptens müsse Am Ende doch die Siegespalm' empfahn, Begehrt' er bei dem Sieg für seine Leute Auch einen Theil des Ruhmes und der Beute. 22. Doch muß er wohl den Muth der Franken ehren, Und weil ein blut'ger Sieg ihm mißlich scheint, Geht er zu Rath, um Künste vorzukehren, Wodurch er ihre Macht zu schwächen meint, Daß leichter dann sie zu besiegen wären, Wenn mit Aegypten sich sein Volk vereint. Ihn trifft der böse Geist bei solchem Sinnen Und reizt ihn noch zu frevelndem Beginnen. 23. Er giebt ihm Rath, sammt klugem Unterrichte, Wie er am besten seinen Zweck erreicht. – Ein junges Mädchen ist des Königs Nichte, Dem keins im Morgenland an Schönheit gleicht. Was Frauenlist, was Zauberkunst verrichte, Das Alles ist ihr gleich bekannt und leicht. Die ruft der Fürst, macht ihr des Plans Entdeckung Und will, daß sie ihm helfe zur Vollstreckung. 24. O, spricht er, du, die unter blondem Haare Und der Gestalt, so zart und mädchenhaft, Birgt Mannesmuth und Klugheit grauer Jahre, Und mich schon übertrifft an Zauberkraft: Groß ist der Plan, den ich dir offenbare, Und wenn du hilfst, wird bald uns Sieg verschafft. Verwebe du das Garn, das ich gesponnen, Und Kühnheit laß vollziehn, was List ersonnen. 25. Geh' in des Feindes Lager; dort nun zeige, Was dir von Liebeskünsten nur bewußt. Mit Thränen, Seufzern untermischt entsteige Des Flehens holder Laut der zarten Brust; Als klagende, verfolgte Schönheit, neige Den rauhsten Sinn nach deines Herzens Lust. In Schaam verbirg des Muthes Ueberfülle Und decke Lügen mit der Wahrheit Hülle. 26. Mit holdem Blick und süßem Schmeichelklange Nimm, ist es möglich, selbst den Feldherrn ein, Daß der verliebte Mann vom läst'gen Zwange Der Kriegsbeschwer sich wünsche zu befrei'n. Doch wenn nicht ihn, die andern Größten fange Und führe sie in ew'ge Haft hinein. Dann schließt er, nach Berathung einzlen Falles: Für Vaterland und Glauben darf man Alles. 27. Armida, kühn durch nie getäuscht Vertrauen Auf ihre Gaben, Jugend und Gestalt, Giebt ihm ihr Wort, und mit des Abends Grauen Wird ein geheimer Pfad von ihr durchwallt. Besiegen will sie, in der Tracht der Frauen, Siegreicher Schaaren Waffen und Gewalt. Indeß verbreitet man, geschickter Weise, Gerüchte mancher Art von ihrer Reise. 28. Nach wenig Tagen naht die junge Schöne Dem Orte, wo der Franken Lager steht. So wie sie ankommt, flüstern ihr die Töne Des Staunens nach, und Jeder schaut und späht: Wie wann bei Tag', in nie geseh'ner Schöne, Ein Stern erscheint, ein strahlender Komet; Und Alle sind zu forschen gleich behende, Wer diese Fremde sei, und wer sie sende. 29. Der Schönheit Glanz in einer höhern Feier Sah Delos, Cypern, Argos nie zuvor. Ihr goldnes Haar glänzt durch den weißen Schleier Bald nur hindurch, bald strahlt es frei hervor: So, wann der Himmel heitrer wird und freier, Blinkt bald die Sonne durch den Wolkenflor; Bald, dem Gewölk' entwallt, im Strahlenkranze Bricht sie hervor mit doppelt hellem Glanze. 30. Mit neuen Locken schmückt der Weste Kosen Ihr Haar, das schon Natur in Locken flicht. In sich gewandt den Blick, den anspruchlosen, Zeigt sie der Lieb' und eigne Schätze nicht. Sanft mischet sich die Farbe zarter Rosen Zum Elfenbein auf ihrem Angesicht, Indeß, vom süßen Hauch der Lieb' umfächelt, Die Ros' allein auf ihrem Munde lächelt. 31. Des schönen Busens reiner Schnee entzündet Und nähret sanft der Liebe stillen Brand. Die unentblühten Knospen, zart geründet, Verhüllt, mit Neid, zur Hälfte das Gewand. Mit Neid; allein, was nicht das Aug' ergründet, Bleibt sehnender Begier nicht unbekannt, Die, unbefriedigt von dem äußern Reize, Bis ins Verborgne dringt mit stillem Geize. 32. Gleichwie der Sonne Strahl, unaufgehalten, Untheilend, durch Krystall, durch Wasser dringt: So schlüpft die Phantasie durch dichte Falten In Sphären ein, die das Gewand umschlingt, Irrt dort umher, durchspäht mit freiem Schalten Das schöne Wunderland, das sie umringt, Und eilt, es dem Verlangen kund zu machen, Um seine Glut noch heller anzufachen. 33. Armida geht durch der Begier'gen Mitte, Gelobt, bestaunt, und sie bemerkt es bald; Doch zeigt sie's nicht, obwohl bei jedem Schritte Ihr lächelnd Herz von Siegeshoffnung wallt. Jetzt weilet sie ein wenig, mit der Bitte Um ein Geleit zu Gottfrieds Aufenthalt; Und hastig eilt, eh sich die Andern regen, Eustaz, des Feldherrn Bruder, ihr entgegen. 34. Von ihrer Götterschönheit angezogen, So wie das Licht den Schmetterling erregt, Naht er und blickt, durch ihren Reiz betrogen, Ins Auge, das sie sittsam niederschlägt. Doch hat er schon ihm helle Glut entsogen, Dem Zunder gleich, den man ans Feuer legt, Und spricht zu ihr (denn rasch verwegne Triebe Weckt' ihm die Glut der Jugend und der Liebe): 35. O Jungfrau – darfst den Namen du empfangen, Denn dich gebar die Erde nimmermehr; Nie strahlt' auf einer Adamstochter Wangen Des Himmels heitres Licht so schön und hehr – Von wannen kommst du? Was ist dein Verlangen? Führt dein, führt unser Schicksal dich hieher? Wer bist du? Sprich, daß ich dir nicht entziehe Was dir gebührt, und, wenn es recht ist, kniee. 36. Sie spricht: Dein Lob steigt mit zu hohen Flügen, Und mein Verdienst reicht lange nicht so weit. Nicht sterblich nur, ach! irdischem Vergnügen Längst, Herr, gestorben, leb' ich nur dem Leid. Mich treibt hieher des Unglücks hartes Fügen, Ein Mädchen, fliehend, ohne Sicherheit. Vertrauend flücht' ich zu Bouillon, dem frommen; So laut wird seiner Güte Ruf vernommen. 37. Wenn Leid und Unschuld, wie es scheint, dich rühren, So führe du mich bei dem Feldherrn ein. Und er: Es ziemt, zum Bruder dich zu führen, Dem Bruder wohl, und Anwalt dir zu sein. Bald wirst du, Schönste, seinen Beistand spüren, Denn meine Gunst bei ihm ist nicht gemein. Verwende ganz nach eigenem Erwägen, Was nur vermag sein Scepter und mein Degen. 38. Er führt sie zu Bouillon, der jetzt im Kreise Der Helden weilt, fern von der Menge Drang. Sie neigt sich ehrfurchtsvoll und schweigt, denn leise Verschämtheit hält zurück der Worte Klang. Allein der Krieger stillt auf milde Weise Der Schönen Furcht und löset jeden Zwang, So daß sie den erdachten Trug beginnet Mit einem Ton, der jedes Herz gewinnet: 39. Siegreicher Fürst, deß Name, sonder Gleichen, Die Welt durchfleugt, von solchem Glanz verklärt, Daß, dir zu fallen, deinem Arm zu weichen, Den Königen und Landen Ruhm gewährt: Kund ist dein hoher Geist in allen Reichen; Und wie der Feind sogar ihn liebt und ehrt, So schafft er auch dem Feinde das Vertrauen, Zu dir zu fliehn, auf deinen Schutz zu bauen. 40. Ich, die als Kind den Glauben schon bekannte, Den du verfolgst, dem du so wehgethan, Ich hoffe kühn, durch dich das mir entwandte Ererbte Scepter wieder zu empfahn. Und fleht man sonst Genossen und Verwandte Vor fremder Wut um Schutz und Rettung an: So ruf' ich, bei der Meinen Frevelmuthe, Des Feindes Stahl um Schutz vor meinem Blute. 41. Dich ruf' ich an, dir trau' ich; wiederschaffen Kannst du allein mir den geraubten Stand. Nicht minder willig, als zum Niederraffen, Sei nun auch zum Erheben deine Hand. Nicht minder, als dem Sieg ob Feindeswaffen, Wird Lob und Preis dem Mitleid zuerkannt; Und konntest Viele du des Reichs entsetzen, Sei's gleicher Ruhm, in mein's mich einzusetzen. 42. Doch kann des Glaubens Unterschied erzeugen Verachtung für mein billiges Begehr: Mein Glaub' an deine Mild' ist nicht zu beugen, Und unrecht wär's, blieb' er getäuscht und leer. Der Gott, der Allen Gott ist, mag's bezeugen: Gerechtern Beistand gabst du nimmermehr. Doch daß ich's deutlich dir vor Augen rücke, Vernimm nunmehr mein Leid und Andrer Tücke: 43. Die Tochter Arbilans bin ich geboren, Ihn nennt Damask in seiner Fürsten Zahl; Doch nicht Geburt hatt' ihn zum Thron erkoren, Er ward ihm als Charikliens Gemahl. Sie hab' ich, fast vor meinem Sein, verloren; Kaum sah ich noch des Tages ersten Strahl, Da starb die Mutter. Ach! der mir das Leben, Der Schreckentag hat ihr den Tod gegeben. 44. Kaum floh das fünfte Jahr, seitdem, erblassend, Die Mutter sich der Erdenhüll' entrang, Als schon mein Vater, diese Welt verlassend, Vielleicht zu ihr sich auf gen Himmel schwang, Mich und das Reich zur Aufsicht hinterlassend Dem Bruder, den er so mit Lieb' umschlang, Daß, läßt sich je dem Menschenherzen trauen, Er sicher durft' auf Dieses Treue bauen. 45. Als Dieser nun die Leitung übernommen, Schien er so eifrig meinem Wohl geweiht, Daß man ihn pries an ächter Treu vollkommen, An Vaterlieb' und reiner Zärtlichkeit. Sei's, daß die Bosheit, schon in ihm entglommen, Noch ward verhüllt durch ein erborgtes Kleid; Sei's, daß die Treu noch wirklich in ihm wachte, Weil er dem Sohn mich zu vermählen dachte. 46. Ich wuchs, mit mir der Sohn; doch lernt' er nimmer Der Ritter Art, noch irgend edle Kunst; Ihn reizte nie der hohen Thaten Schimmer, Nichts Schönes, Großes war in seiner Gunst. Schlimm war sein Aeußres, doch sein Innres schlimmer; Im stolzen Herzen flammt' habsücht'ge Brunst. An wüster Rohheit nimmer zu erreichen, Schien er an Lastern nur sich selbst zu gleichen. 47. So war der Jüngling, den mein wackrer Hüter Mir auserkor zum würdigen Gemahl, Den er als meines Betts und meiner Güter Genossen mir mit klarem Wort empfahl. Kunst, Ueberredung, Scharfsinn, was Gemüther Zu lenken dient, er braucht' es allzumal; Doch nicht gelang's, mein Wort mir abzujagen, Und was ich that, war schweigen, war versagen. 48. Er ging zuletzt mit einem Blick voll Drohen, Der seines argen Sinns Verräther war; Und schon zu lesen auf der Stirn des Rohen Glaubt' ich die Kunde nahender Gefahr. Seitdem war nächt'ge Ruhe mir entflohen, Verscheucht von böser Träum' und Larven Schaar; Und meiner Brust unüberwindlich Grauen Ließ ahnungsvoll in die Gefahr mich schauen. 49. Oft zeigte sich, ein ängstlich Traumgebilde, Der Mutter bleiche, schmerzliche Gestalt; O wie so ungleich der gewohnten Milde, Dem holden Liebreiz, der ihr Bild umwallt! Flieh vor dem Tode, sprach sie, den der wilde Tyrann dir droht; o Tochter, fliehe bald! Sieh! Gift und Dolch in des Verräthers Händen, Bereit, dein Leben meuchlerisch zu enden. 50. Doch, wehe mir! was half's, daß des Tyrannen Verruchten Plan mein ahnend Herz errieth, Wenn, zum Entschluß sich kraftvoll zu ermannen, Der Jugend Zagheit immer noch vermied? Durch Flucht mich selbst freiwillig zu verbannen, Nackt zu verlassen meines Reichs Gebiet – Das war so herb'! Eh wollt' ich Alles leiden, Und, wo mir Leben ward, vom Leben scheiden. 51. Wohl fürchtet' ich den Anschlag des Barbaren, Und hatte doch – wer glaubt's? – nicht Muth zu fliehn. Noch fürchtet' ich die Furcht zu offenbaren, Um schneller nicht den Tod herbeizuziehn. So führt' ich bang' ein Leben voll Gefahren Und stets verfolgt von schwarzen Phantasien: Dem Manne gleich, der bei dem kleinsten Schalle Bebt, daß das Schwert auf seinen Nacken falle. 52. In dieser Noth – ward mir mein Stern gewogen, War's, daß er mich zu Härterm ausersah? Genug, ein Mann, am Königshof erzogen Von meinem Vater, der ihn gerne sah, Entdeckte mir, durch alte Treu bewogen, Die Stunde meines Untergangs sei nah; Versprochen hab' er, auf des Frevlers Dringen, Noch diesen Tag den Giftkelch mir zu bringen. 53. Er fügt' hinzu, dem hart bedrohten Leben Gewähre nur die schnellste Flucht Bestand. Und da mir andre Hülfe nicht gegeben, Bot er sogleich zur Rettung mir die Hand, Und wußte so den schwachen Muth zu heben, Daß ich, zerreißend meiner Zagheit Band, Mich schnell entschloß, Oheim und Reich zu fliehen Und, wann es nachte, mit ihm fort zu ziehen. 54. Die Nacht stieg auf mit ungewohntem Schauer, Die freundlich dunkelnd uns zum Beistand kam. Zwei Mädchen nur, Genossen meiner Trauer, Sie waren Alles, was ich mit mir nahm. Ach, thränenvoll zur väterlichen Mauer Wandt' ich zurück das Aug' in stillem Gram, Und ward nicht satt, den trüben Blick im Scheiden An meiner mütterlichen Flur zu weiden. 55. Es folgten Aug' und Geist demselben Gange, Und vorwärts schritt der Fuß, unwillig nur: So wie ein Schiff, das mit gewalt'gem Zwange Ein jäher Sturm reißt von geliebter Flur. Wir flohn die Nacht, den nächsten Tag noch lange, Durch Wüstenei'n ohn' alle Menschenspur; Bis endlich uns, an meines Reiches Gränzen, Die Zinnen einer Burg entgegen glänzen. 56. Sie war Aront's – wie man den Edeln nannte, Der rettend, leitend, mir zur Seite trat. Kaum aber, daß der Bösewicht erkannte, Ich sei entflohn dem tödtlichen Verrath, Als er von Zornglut auf uns Beid' entbrannte, Auf uns die Schuld warf seiner eignen That, Und so auf unser Haupt den Frevel rollte, Den wider mich er selbst vollführen wollte. 57. Ich, sprach er, habe den Aront getrieben, Ihm Gift zu mischen unter seinen Wein, Daß Keiner mehr, sobald er todt geblieben, Mich zügeln mög' und mir im Wege sein, Um, angereizt von ungezähmten Trieben, Mit tausend Bulern mich der Lust zu weihn. O daß ein Strahl vom Himmel mich verzehre, Eh, heil'ge Zucht, ich dein Gesetz entehre! 58. Daß der Barbar, in schändlicher Bethörung, Mein Reich begehrt und mein unschuldig Blut, Wohl schmerzt es mich; doch meines Rufs Zerstörung, So unverdient, die raubt mir ganz den Muth. Der Bösewicht, aus Furcht vor Volksempörung, Verbreitet schlau so arge Lügenbrut, Damit die Stadt in Ungewißheit schwebe Und nicht vielleicht, mich schützend, sich erhebe. 59. Und sitzt er gleich auf meiner Väter Throne, Hat auf sein Haupt mein Diadem gerafft, Doch treibt zu neuer Unbill, neuem Hohne, Ihn seiner Bosheit fürchterliche Kraft. Der Flammentod wird dem Aront zum Lohne Im eignen Schloß, stellt er sich nicht zur Haft; Und mir und Allen, die sich mir verbündet, Wird nicht nur Krieg, nein, Qual und Tod verkündet. 60. Er thue dies – so sucht er vorzuwenden – Um rein zu waschen von der Schmach sein Haupt, Und seinem Blut und Königstuhl zu spenden Den alten Glanz, den ihm mein Fehl geraubt. Allein er thut's, weil noch in seinen Händen Er sicher nicht mein Erb' und Scepter glaubt; Denn nur die Trümmer meines Sturzes können Haltbare Stützen seinem Reich vergönnen. 61. Und wohl erreichen wird sein arges Drohen Das Ziel, das sich der Wüterich gesetzt; Und löschen meine Thränen nicht die Lohen Der Zornesglut, löscht sie mein Blut zuletzt, Wenn du's nicht wehrst. In deinen Schutz geflohen Komm' ich, o Fürst! schuldlos, verwaist, entsetzt; Und diese Thränen netzen deine Füße, Damit ich nicht mit Blutesströmen büße. 62. Bei diesen Füßen, die den Stolz zermalmen, Bei dieser Hand, die wohl den Frommen thut; Bei deiner Siege nie befleckten Palmen, Bei diesen Tempeln, die du nahmst in Hut: Hilf auf, du kannst es, meiner Hoffnung Halmen Und wahre mir des Reichs, des Lebens Gut Aus Mitleid; doch, kein Mitleid soll dich rühren, Wenn nicht auch Recht und Billigkeit dich führen. 63. Du, der vom Himmel selbst zum Loos' empfangen, Daß er Gerechtes will, Gewolltes kann: Mein Leben retten und mein Reich erlangen, Du kannst es; denn dein ist's, wenn ich's gewann. Von all' den Helden, die dich hier umfangen, Vertraue Zehn nur meiner Führung an. Der Adel ist mir treu, das Volk ergeben; Drum gnügen sie, mich auf den Thron zu heben. 64. Ja, einer von des Reiches ersten Sassen, Der ein geheimes Thor der Burg bewacht, Will's öffnen, sagt er, um uns einzulassen Bei nächt'ger Zeit. Nur räth er mit Bedacht, Um Beistand dich zu bitten; denn verlassen Will er sich mehr auf deine kleinste Macht, Als auf die Heere, die von Andern kamen; So schätzt er dein Panier und selbst den Namen. 65. Sie schweigt, und harrt der Antwort nun entgegen Mit einem Blick, der stumm noch Bitten wagt. Unschlüssig schwankt Bouillon und fühlt, verlegen, Von Zweifeln mancher Art sein Herz zernagt. Er scheut der Feinde Trug, in dem Erwägen, Daß Treue fehlt, wo man sie Gott versagt; Doch regt sich auch der Trieb mitleid'ger Güte, Der nie entschläft in adligem Gemüthe. 66. Und nicht nur die gewohnte Mild' und Gnade Räth ihm, der Jungfrau Hülfe zu verleihn; Sein Vortheil heischt in nicht geringerm Grade, Der mög' im Reich Damaskus Herrscher sein, Der ihm, gehorsam, öffne Weg' und Pfade Und ihm erleichtre seines Werks Gedeihn, Und Völker, Gold und Waffen ihm gewähre, Wann die Aegypter nahn mit ihrem Heere. 67. Indem er so, von Zweifeln umgetrieben, Gedankenvoll den Blick zur Erde schlägt, Ist immer starr ihr Aug' auf ihm geblieben, Um zu erspähn, was sich im Innern regt; Und da die Antwort länger ausgeblieben, Als sie gedacht, seufzt sie, von Furcht bewegt. Auch weigert er zuletzt der Schönen Bitte, Doch mild und sanft, nach edler Herzen Sitte: 68. Wenn wir, die Gott in seinen Dienst genommen, Nicht unsre Schwerter hätten ihm geweiht, So wäre dein Vertrau'n uns hoch willkommen, Und nicht nur Mitleid, Hülfe dir bereit. Doch ehe wir die Heerde seiner Frommen Und die bedrängten Mauern dort befreit, Ist's nicht erlaubt, durch unsers Heers Vermindern Den Sieg in seinem raschen Lauf zu hindern. 69. Doch nimm mein Wort zum edeln Unterpfande, Und laß von dir des Zweifels Sorge fliehn: Wenn jemals wir der Knechtschaft niedrer Schande Die heil'ge, gottgeliebte Stadt entziehn, Dann sei, zur Lösung der geraubten Lande, Wie Mitleid will, dir Beistand gern verliehn. Jetzt würde Mitleid selbst dem Mitleid wehren, Wollt' ich zuerst nicht Gott sein Recht gewähren. 70. Dies hörend, blieb die Jungfrau unbeweglich Und stand, gesenkten Blickes, wie erstarrt; Dann schaute sie empor und sagte kläglich, Indem ihr Auge feucht von Thränen ward: Weh mir! Wem gab der Himmel solch unsäglich Grausames Loos, so unverändert hart, Daß Andrer Sinn und längst gewohntes Handeln Sich eher muß, als mein Verhängniß, wandeln? 71. Nichts hoff' ich mehr, umsonst sind meine Klagen; Kein Menschenherz wird noch durch Flehn erweicht. Hoff' ich wohl gar, es fühle meine Plagen, Die dich nicht rührten, der Tyrann vielleicht? Doch wag' ich nicht als hart dich anzuklagen, Weil du versagst, was sich gewährt so leicht; Den Himmel klag' ich an, Quell meiner Schmerzen, Der Mild' unrührbar macht in deinem Herzen. 72. Nicht dich verkenn' ich, Herr, und deine Güte; Mein Schicksal ist's, das grausam mich verstößt. Unsel'ger Stern, der stets mir feindlich glühte, Sei mir durch dich des Lebens Qual gelöst! Der Eltern Tod in ihrer Jugend Blüthe Hat noch dir kein Erbarmen eingeflößt; Des Reiches auch muß ich beraubt mich sehen Und als ein Opfer arm zur Schlachtbank gehen! 73. Denn giebt des Glaubens Vorschrift und der Sitte, Hier zu verziehn, mir länger keinen Fug: Wo berg' ich mich? Wer hört der Flücht'gen Bitte? Wo bin ich vor dem Wütrich sicher g'nug? Kein Ort, wie fest verwahrt, der seinem Schritte Den Eingang wehrt! Warum denn noch Verzug? Rings seh' ich Tod; und kann mir Fliehn nicht frommen, So will ich selbst frei ihm entgegen kommen. 74. Sie schweigt, indem ihr Antlitz übergossen Von Flammen königlichen Zorns erscheint; Und schon sich wendend, wie zum Gehn entschlossen, Zeigt sie den Groll, der sich dem Schmerz vereint. Der Augen Quell, nun länger nicht verschlossen, Strömt Zähren aus, wie Zorn und Gram sie weint; Und sie verklärt, indem sie niederwallen, Der Sonne Strahl zu Perlen und Krystallen. 75. Der Wangen Paar, das klare Naß empfangend, Das niederfällt zu des Gewandes Saum, Scheint wie mit weiß und rothen Blumen prangend, Wann sie, beperlt vom Morgenthau, noch kaum Vom ersten Frühroth überglänzt, verlangend Aufthun dem West des Kelches zarten Flaum, Und sie Aurora schauet mit Entzücken Und lüstern wird, ihr Haar damit zu schmücken. 76. Die reine Flut, dem holden Aug' entsunken, Durch welche Wang' und Busen schöner blüht, Macht tausend Herzen wie von Feuer trunken, Schleicht heimlich sich hinein, und flammt und sprüht. O Wunderwerk der Liebe, die den Funken Aus Thränen lockt, wodurch ein Herz entglüht! Zwar immer muß ihr die Natur erliegen, Doch diese Kraft hilft ihr sich selbst besiegen. 77. Der falsche Gram entlockt viel wahre Zähren, Und selbst die rauhste Brust fühlt seine Macht; Und Jeder seufzt, gequält vom Schmerz der Hehren: Hat Gottfried jetzt nicht ihres Flehens Acht, So mußt' ihn eine wilde Tig'rin nähren, Ein rauher Fels hat ihn hervorgebracht, Wenn nicht die Woge, die sich bricht mit Schäumen. Barbar, der solche Schönheit kann versäumen! 78. Jedoch die Andern murmeln nur und schweigen; Allein Eustaz, der Jüngling, mehr entbrannt Von Lieb' und Mitleid, muß sich kühner zeigen, Tritt vor und spricht mit muth'gem Widerstand: O Herr und Bruder, wohl beharrt zu eigen Dein Sinn auf dem, was er zuerst erkannt, Wenn er nicht jetzt, was Jeder wünscht und billigt, Nachgiebig, auch in etwas nur, bewilligt. 79. Nicht daß die Fürsten hier, in deren Händen Der untergebnen Schaaren Zügel ruht, Sich sollten fern von diesen Mauern wenden Und so versäumen ihrer Völker Hut. Doch aus uns Rittern, die wir Dienste spenden Ohn' eigentliche Pflicht, aus freiem Muth, Und minder unterthan den Kriegsbefehlen, Kannst du gar wohl zehn Rechtsbeschützer wählen. 80. Denn der hat nicht sich Gottes Dienst' entzogen, Deß Arm unschuld'gen Jungfrau'n Schutz verleiht; Und stets empfängt der Himmel wohlgewogen Trophäen, die Tyrannenblut geweiht. Drum, würd' ich nicht vom Vortheil angezogen, Der sicher uns aus diesem Werk gedeiht, So treibt mich Pflicht; in unserm hohen Orden Ist Frauenschutz als Pflicht geheiligt worden. 81. Ha! nimmer soll in Frankreich man erfahren, Und wo nur sonst noch Rittertugend gilt, Daß wir geflohn Beschwerden und Gefahren Bei einem Anlaß so gerecht und mild. Hier leg' ich ab, vor allen diesen Schaaren, Helm, Panzer, Schwert; und nie im Kampfgefild Will ich, beschimpft, mit Roß und Waffen rennen, Noch wider Recht mich einen Ritter nennen. 82. So spricht Eustaz. Die Ritter all' empfangen, Was er gesagt, mit lautem Beifallsschrei'n, Und nennen gut und nützlich sein Verlangen, Und stürmen bittend auf den Feldherrn ein. Wohl, spricht Bouillon, ich gebe mich gefangen Und will so Vielen nicht entgegen sein. Erfüllet werde, wenn's euch dünkt, ihr Trachten, Nach eurem zwar, doch nicht nach meinem Achten. 83. Doch, wollt ihr Gottfrieds Rath nicht unnütz wähnen, Sei nicht zu viel der Leidenschaft vertraut! Dies sagt er nur, und schon genügt es Jenen, Weil Alles nur auf die Gewährung schaut. O Zauberkraft in eines Weibes Thränen, In einer süßen Zunge Schmeichellaut! Anmuth'ger Lipp' entsteigen goldne Ketten, Und Keiner ist aus ihrer Haft zu retten. 84. Schnell eilt Eustaz ihr nach: Nunmehr ersticke, O holde Jungfrau, spricht er, deinen Schmerz; Denn solche Hülf' in deinem Mißgeschicke Erhält, wie es verlangt, dein zagend Herz. Armida heitert die umwölkten Blicke Und wendet sie so lächelnd himmelwärts, Daß selbst der Himmel fühlt ein süß Verlangen, Als sie die Zähren trocknet von den Wangen. 85. Drauf für die Gunst, so man ihr zugestanden, Dankt sie in süßen Worten, tief bewegt; Gepriesen werd' es sein in allen Landen Und ewig ihrem Herzen eingeprägt. Wofür die Lippen keinen Ausdruck fanden, Wird durch beredte Blicke dargelegt; Und so verbirgt sie sich in Trugeshülle, Daß Keiner ahnt, was ihren Geist erfülle. 86. Gewahrend nun, daß den entworfnen Schlingen Schon im Beginn des Glückes Beifall lacht, Schickt sie sich an, den Frevel zu vollbringen, Eh man vereitle, was sie schlau erdacht. Durch Reiz und Anmuth soll ihr mehr gelingen, Als Circe'n und Medee'n durch Zaubermacht; Und bei dem Klange der Sirenenlieder Sink' auch der wachste Geist in Schlummer nieder. 87. Sie lockt, anwendend jede Kunst der Frauen, Stets neue Buler in ihr Netz herbei, Und läßt Geberd' und Blick oft wechselnd schauen, Bleibt Allen nicht, noch allzeit einerlei. Bald senkt ihr Blick sich schaamhaft zu den Auen, Bald schickt sie lüstern ihn umher und frei. Der wird gezügelt, Jener wird getrieben, Nachdem sie schnell sind oder träg' im Lieben. 88. Wird sie gewahr, daß Zweifel den und Bangen Mißtrauisch wende von der Liebe Bahn, Dann lächelt sie ihm froh und unbefangen, Und blickt mit heiterm Aug' ihn gütig an. So spornet sie das schüchterne Verlangen, Bestärkt aufs neu der Hoffnung süßen Wahn; Und so, anfachend die verliebten Flammen, Schmelzt sie das Eis der Furchtsamkeit zusammen. 89. Wer aber kühn die Gränzen überschreitet, Gelockt durch einen Führer, blind und arg, Wird schnell zur Furcht und Scheu zurückgeleitet; Ihm ist sie kalt, mit Wort und Blicken karg. Doch hie und da ein Strahl der Güte gleitet Sanft durch die Wolke, so die Stirne barg; Daß Jener fürchte, doch nicht ganz erblöde, Und werd' entflammter nur, je mehr sie spröde. 90. Bald, einsam wandelnd, wie in tiefem Sinnen, Erheuchelt sie durch Mien' und Gang den Schein Von bitterm Gram, läßt manche Thrän' entrinnen Dem schönen Aug', und preßt sie wieder ein; Und zwingt indeß durch solch ein Trugbeginnen Arglose Seelen, Thränen ihr zu weihn, Und stählt in Mitleidsglut der Liebe Waffen, Um jedes Herz gewisser hinzuraffen. 91. Doch bald entreißt sie sich der Schwermuth Qualen, Gleichwie belebt von neuer Zuversicht, Und läßt die Freud' auf ihrer Stirn sich malen, Sucht die Verliebten auf und scherzt und spricht. Das süße Lächeln und das heitre Strahlen Des klaren Aug's, ein doppelt Sonnenlicht, Zerstreut des Grames düstre Nebelwogen, Womit sie erst der Freunde Brust umzogen. 92. Ihr holdes Lächeln und ihr holdes Scherzen Erfüllet Aller Sinn mit trunkner Lust Und reißet fast aus Aller Brust die Herzen, Noch nie so großer Wonne sich bewußt. Grausame Lieb'! es bringen gleiche Schmerzen Dein Wermut und dein Honig unsrer Brust; Und gleich verderblich sind, zu allen Stunden, Aus deiner Hand uns Arzenei und Wunden. 93. Durch solch Gemisch von Lächeln und von Stöhnen, Von Eis und Glut, von Furcht und Hoffnungstrahl, Hält das verschlagne Weib, mit innerm Höhnen, In Ungewißheit stets der Buler Zahl. Und deutet einer wohl in leisen Tönen, Nur zitternd und von fern, auf seine Qual, So stellt sie sich im Lieben unerfahren, Und weiß nicht, was die Wort' ihr offenbaren. 94. Auch läßt sie wohl ihr Antlitz sich umfloren Von edler Schaam, und senkt der Augen Licht, Und junge Rosen drängen, zart geboren, Das frische Weiß vom holden Angesicht. So sehen wir im Morgenglanz Auroren, Wann sie die Dämmrung, leisen Flugs, durchbricht; Und mit der Schaam zugleich hervorgegangen, Färbt nun der Zorn mit höherm Roth die Wangen. 95. Doch merkt sie erst, daß einer will entdecken, Welch heiße Sehnsucht seine Brust durchwallt, Den flieht sie jetzt, beut jetzt zu seinen Zwecken Ihm Mittel dar, und nimmt sie alsobald. So weiß sie ihn den ganzen Tag zu necken, Und läßt am End' ihn ohne Hülf' und Halt. Er gleicht dem Jäger, dem in Abendstunden, Nach langem Lauf, des Wildes Spur entschwunden. 96. Dies sind die Künste, die sie ausgesonnen, So viele Herzen trügerisch zu fahn; Vielmehr die Waffen, die den Sieg gewonnen, Der jedes macht zu Amors Unterthan. Ist's Wunder, daß von seinem Netz umsponnen Sich Hercules, Achill und Theseus sahn, Wenn Jene selbst, die für den Heiland ringen, Der Frevler oft verstrickt in seine Schlingen? Fünfter Gesang Fünfter Gesang. 1. Indeß Armida die bethörten Seelen Der Ritter so umwebt mit Liebestrug, Und heimlich hofft vom Lager fortzustehlen Nicht nur die Zehn, auch Andre noch genug: Sinnt Gottfried nach, wer etwa sei zu wählen Zur Theilnahm' an dem zweifelhaften Zug; Denn ungewiß macht ihn der Ritter Menge, Ihr gleich Verdienst, ihr eifriges Gedränge. 2. Zuletzt ist dies sein weisliches Entscheiden, Daß Einen sie aus ihrer Zahl ersehn, Des edeln Dudo Kriegsamt zu bekleiden, Und diesem dann die Auswahl zugestehn. So hofft er jeden Anlaß zu vermeiden, Daß einer klag', ihm sei nicht Recht geschehn, Und zeigt zugleich vor seinem ganzen Heere, Wie er die tapfre Schaar nach Würden ehre. 3. Drum ruft er sie, um ihnen dies zu sagen: Ihr habt gehört, worin mein Rath besteht; Der Jungfrau nicht den Beistand abzuschlagen, Doch ihn zu geben, wann die Zeit es räth. Noch einmal sei der Rath euch vorgetragen, Und ihm zu folgen ist noch nicht zu spät; Denn oft beruht, in dieser Welt voll Wanken, Beständigkeit im Wechsel der Gedanken. 4. Doch glaubt ihr noch unwürdig euerm Stande, Euch der Gefahr vorsichtig zu entziehn; Verschmäht eu'r Muth, entflammt von edlem Brande, Was ihm als zu bedächt'ger Rath erschien: Ich halt' euch nicht durch unfreiwill'ge Bande Und nehme nicht zurück, was ich verliehn. Denn gegen euch sei meines Amts Verwaltung Sanft, wie's gebührt, und leicht der Zügel Haltung. 5. Bleibt also, oder geht, ich bin's zufrieden; Von eurer freien Willkühr hängt es ab. Doch statt des Helden, der von uns geschieden, Gebt Einem erst von euch den Führerstab. Er wähle dann die Zehn; nur sei vermieden, Daß er die Anzahl mehre, die ich gab. Hierin allein bleibt mir die Oberlenkung, Sonst aber bind' ihn keinerlei Beschränkung. 6. So sprach Bouillon. Der Ritter Wort zu führen, Ward dem Eustaz von seiner Schaar gewährt: Wie man an dir, o Feldherr, nach Gebühren, Bedächt'gen Muthes fernen Blick verehrt, So fordert man von uns, rasch zu vollführen Mit kräft'gem Arm, was kräft'ges Herz begehrt. Drum wär' ein Zögern, so bedacht und glimpflich, Bei Andern Vorsicht, uns als Feigheit schimpflich. 7. Und da nun die Gefahr bei diesem Zuge Nicht mit dem Vortheil sich ins Gleiche stellt, So wird die Schaar der Zehn, mit allem Fuge, Der Jungfrau folgen, wenn es dir gefällt. So redet er, mit so geschicktem Truge Deckt er die Glut, die ihm den Busen schwellt, Durch fremden Trieb; und auch die Andern streben, Die Liebesgier für Ehrgier auszugeben. 8. Allein Eustaz, der schon im Stillen leidet Von eifersücht'ger Mißgunst auf Rinald, Weil er des Helden Tapferkeit beneidet, Achtbarer noch durch Schönheit der Gestalt, Mögt' ihn vom Zuge fern; und so entscheidet Zur Arglist ihn der Eifersucht Gewalt. Er lockt den Freund nach einem fernen Orte Und spricht zu ihm die schmeichlerischen Worte: 9. O du, so jung, der Erste schon im Heere, Du, eines großen Vaters größrer Sohn! Wer ist's, den man zum Führer jetzt erkläre Der Ritterschaar? Wem wird so edler Lohn? Ich, der ich Dudo'n kaum, und nur zur Ehre Des grauen Haars, war unterwürfig schon; Ich, Gottfrieds Bruder – sage, was für Einem Ständ' ich jetzt nach? Bist du es nicht, sonst Keinem. 10. Dich, Jedem gleich an Adel und Geschlechte, Muß ich an Ruhm und Thaten vor mir sehn. Selbst Gottfried wird den Preis dir im Gefechte, Den du verdienst, mit Freuden zugestehn. Dir also nur geb' ich der Führung Rechte, Verlangst du mit der Fremden nicht zu gehn; Doch wenig scheint dir solcher Ruhm gerathen, Den man erwirbt durch nächtlich dunkle Thaten. 11. Und daß dein Arm mit hellerm Muth sich zeige, Fehlt hier gewiß dir weder Zeit noch Ort. Daß nun die Andern dir die höchste Steige Der Ehr' anbieten, wirk' ich durch mein Wort. Doch ungewiß, wohin mein Herz sich neige, Im Zweifel schwankend zwischen Hier und Dort, Verlang' ich nur mir freie Wahl beschieden, Ob ich bei dir bleib', oder folg' Armiden. 12. Hier schweigt Eustaz, doch hat er's kaum gesprochen, Als brennend Roth sein Antlitz überschleicht; Und was für Trieb' in seinem Herzen pochen, Bemerkt, mit Lächeln, jener Andre leicht. Doch weil der Pfeil dem nur die Haut gestochen, Ermattet schon, eh' er die Brust erreicht: Scheint ihm der Nebenbuler kaum beschwerlich, Noch das Geleit der Jungfrau ihm begehrlich. 13. Doch tief in seinem Herzen eingegraben War unauslöschlich Dudo's bittrer Tod; Daß lang' Argant sollt' überlebt ihn haben, Das ist des edlen Jünglings größte Noth. Dann aber mußt' es ihn mit Wonne laben, Daß man den Platz, den er verdient, ihm bot; Auch hört sein junges Herz mit Wohlgefallen Den süßen Ton wahrhaften Lobs erschallen. 14. Mehr, spricht er, als den Vorrang zu erstreben, Glaubt' ich, ihn zu verdienen, meine Pflicht; Und wird mein eigner Werth mich nur erheben, Leist' ich auf Scepterhoheit gern Verzicht. Doch wenn ihr denkt mir jenen Platz zu geben, Als mir gebührend, widerstreb' ich nicht; Und werth sein muß gewiß mir die Ernennung, Als ein Beweis verdienter Anerkennung. 15. Nicht also weigr' ich, wie ich nicht verlange; Und wählt ihr mich, wird dir dein Wunsch verliehn. Eustaz verläßt ihn, um mit raschem Drange Die Andern auch in seinen Plan zu ziehn. Allein Gernand strebt nach dem gleichen Range; Und zielt Armida manchen Pfeil auf ihn: Weit minder doch besieget Frauenliebe Sein stolzes Herz, als kühner Ehrsucht Triebe. 16. Entsprossen war Gernand von Norwegs Thronen, Die weites Land sich unterwürfig sahn; Stolz machten ihn die Scepter und die Kronen, Die einst sein Vater trug und mancher Ahn. Rinalden kann nur eigne Würde lohnen, Sein Stolz ist nicht, was längst vor ihm gethan; Wenn seine Väter gleich, seit grauen Jahren, Im Frieden groß, erlaucht im Kriege waren. 17. Allein der fremde Fürst, der nur betrachtet, Wie's mit dem Gold, der Herrschaft sei bestellt, Und jede Tugend für unscheinbar achtet, Die nicht der königliche Nam' erhellt, Zürnt, daß in dem, wonach er selber trachtet, Mit ihm der Ritter auf den Platz sich stellt, Und läßt durch Groll und Unmuth sich verleiten, Die Gränzen alles Rechts zu überschreiten. 18. Nun schleicht sich einer der verruchten Geister, Dem er das Thor so weit geöffnet hat, Leis' in die Brust, macht drinnen sich zum Meister Und lenkt sein Herz durch schmeichlerischen Rath. Er stachelt Haß und Groll, regt immer dreister Den Hochmuth auf, spornt ihn zu arger That, Und läßt in seiner Brust geheimsten Hallen Ohn' Unterlaß ihm diese Stimm' erschallen: 19. Mit dir nun kämpft Rinald! Giebt seiner alten Erblichnen Helden Zahl dazu ihm Recht? Er sage denn, will er dir gleich sich halten, Welch Volk Tribut ihm zahlt, ihm dient als Knecht. Die Scepter zeig' er, mess' an Herrscherwalten Sein todtes und dein lebendes Geschlecht! Was wagt ein Ritter so geringen Standes, Italiens Sohn, der Sohn des Sklavenlandes? 20. Und ob er Sieger, ob Besiegter wäre: Er siegte schon, seit er dir widerstand. Der, sagt die Welt – und ihm zur höchsten Ehre – Der hat einst wettgekämpfet mit Gernand! Zwar Ruhm und Glanz verschaffte dir der hehre, Glorreiche Platz, auf welchem Dudo stand; Doch minder nicht mußt' er von dir empfangen: Verringert ist er durch Rinalds Verlangen. 21. Und wenn, da hier kein Andrer wagt zu sprechen, Fürst Dudo noch in seines Glücks Genuß Theil nimmt an unsrer Menschlichkeit Gebrechen: Wie, glaubst du, daß sein Zorn entlodern muß, Wirft er den Blick herab auf diesen Frechen Und seinen tollkühn frevelnden Entschluß, Da Er, hohnsprechend dem Verdienst, den Jahren, Ihm sich vergleicht, ein Knab' und unerfahren? 22. Und doch, er wagt's; und statt der Zücht'gung spendet Die Meng' ihm Lob und Ehre, hoch vergnügt; An ihn wird Rath, Ermuntrung noch verschwendet, Und – o der Schande! – Keiner, der es rügt. Doch sieht's Bouillon, und leidet er, verblendet, Daß man um das, was dein ist, dich betrügt: Du, duld' es nicht! Hier dulden wäre feige; Nein! wer du bist, was du vermagst, das zeige! 23. Als diese Töne sich ihm hören lassen, Flammt auf sein Zorn gleichwie ein flackernd Licht; Schon kann das volle Herz ihn nicht mehr fassen, Er tritt hervor auf Zung' und Angesicht. Was an Rinald zu tadeln und zu hassen, Was er ihm schimpflich wähnt, verschweigt er nicht; Hochmüthig schilt er ihn und aufgeblasen, Nennt seinen Muth Verwegenheit und Rasen. 24. Und was an ihm nur herrlich und erhaben, Was seinen Ruhm mit edlem Glanz erhellt, Das sucht er tief in Schatten zu begraben, Das wird als Laster tückisch dargestellt. Bald muß hievon Rinaldo Kundschaft haben, Durch öffentlich Gerücht erfährt's der Held; Doch nicht hemmt Jener seinen Groll, noch zügelt Die blinde Wut, die seinen Tod beflügelt. 25. Denn jener Höllengeist, ihm stets zur Seite, Der jedes Wort auf seine Zunge legt, Reizt ewig ihn zu ungerechtem Streite Und schürt die Glut, die er im Busen hegt. Im Lagerraum ist eine flache Weite, Wo sich der Ritter Schaar zu sammeln pflegt, Und, mit Turnier und Ringerkampf beschäftigt, Im edeln Spiel die Glieder übt und kräftigt. 26. Hier klagt er einst, im Kreise der Genossen, Rinalden an, wie sein Geschick verhängt, Und kehrt auf ihn, gleich spitzigen Geschossen, Die Zunge, mit der Hölle Gift besprengt. Rinald ist nah' und hört's; nicht mehr verschlossen Hält er den Zorn, der alle Bande sprengt. Er ruft: Du lügst! und den entblößten Degen In seiner Faust, stürzt er ihm wild entgegen. 27. Ein Donner schien die Stimm', ein Blitz das Eisen, Dem bald der Wetterschlag zu folgen droht. Der Andre bebt; kein Mittel will sich weisen, Zu fliehn den unausweichbar nahen Tod. Doch, da die Schaaren all' ihn hier umkreisen, Zwingt ihn zum Schein beherzten Muths die Noth; Und so, den Stahl entblößend zu verwegner Vertheidigung, erwartet er den Gegner. 28. Auf einmal hört man tausend Schwerter klirren, Im gleichen Augenblick der Scheide frei; Denn vieles Volk, mit Drängen und Verwirren, Rennt, unvorsichtig stürmend, rings herbei. Es rauscht durch die bewegte Luft ein Schwirren Verworrner Tön', ein ungewiß Geschrei: Wie wann am Meergestade sich das Brausen Der Wogen mischt mit hohler Winde Sausen. 29. Allein Rinaldo's Wut, statt zu erkalten, Wird durch der Andern Lärm nur noch vermehrt. Kein Ruf, kein Arm vermag ihn aufzuhalten, Vergebens wird der Zugang ihm verwehrt. Er weiß die dichtgedrängte Schaar zu spalten, Schwingt wild im Kreis herum sein blitzend Schwert; Und ihm gelingt's, allein, trotz tausend Klingen, Bis zum Gernand, rachathmend, durchzudringen. 30. Sein Arm, im Zorn noch Meister im Gefechte, Giebt tausend Hiebe dem bestürzten Mann; Und bald den Kopf, die Brust, und bald die rechte Und bald die linke Seite fällt er an. So ungestüm, so rasch ist seine Rechte, Daß Jenem Aug' und Kunst nicht helfen kann, Und daß Gernand oft unversehens blutet Durch Hieb und Stich, wo er sie nicht vermuthet. 31. Nicht ruht Rinald, bis er sein Schwert getauchet Ins Herz des Feindes, zweimal, da und dort. Der Arme stürzt auf seine Wund' und hauchet Auf zweien Wegen Seel' und Athem fort. Der Sieger steckt das Eisen, das noch rauchet, An seinen Platz und weilet nicht am Ort; Er geht hinweg, und alsobald verlassen Den hohen Geist Rachgier und blindes Hassen. 32. Bouillon indeß, gelockt vom Lärm der Menge, Erblickt jetzt, unversehns, den grausen Fall: Da liegt Gernand, im Antlitz Todesbänge, Gewand und Haar befleckt vom Blutesschwall; Er hört die Seufzer, Klagen, Trauerklänge Um den Erschlagnen schallen überall, Und fragt bestürzt: Wer übte dies Verbrechen Hier, wo am mindsten ziemte solch Erfrechen? 33. Arnald, am wärmsten dem Gernand ergeben, Zeigt ihm die That im häßlichsten Gewand: Rinaldo sei's, der ihm geraubt das Leben; Durch leichten Scherz zu blinder Wut entbrannt, Hab' er das Schwert, für Christus ihm gegeben, Auf Christi Streiter meuchlerisch gewandt Und wider das Verbot sich frech vergangen, Das kürzlich erst vom Feldherrn ausgegangen. 34. Er sei des Todes werth nach den Gesetzen Und müsse die bestimmte Straf' empfahn; Denn schwer sei schon die That an sich zu schätzen, Noch schwerer durch den Ort, wo sie gethan. Und wolle man bei ihm das Recht verletzen, So werden Alle, die solch Beispiel sahn, Bei jeder Kränkung sich mit eignen Waffen Die Rache, die des Richters ist, verschaffen, 35. Und dieser Grund werd' ew'gen Streit erregen Und der Parteiung öffnen Thür und Thor. Er heißt sodann Gernands Verdienst erwägen Und sucht, was Zorn und Mitleid weckt, hervor. Allein Tancred steht muthig ihm entgegen Und stellt die That in besserm Lichte vor. Der Feldherr hört's; des Auges finstrer Schatten Scheint eher Furcht, als Hoffnung, zu gestatten. 36. Nun fügt Tancred hinzu: Halt' in Gedanken, O Feldherr, wer und welcher ist Rinald; Was er für Ehre hat sich selbst zu danken, Und seinem Stamme, so erlaucht und alt, Und seinem Oheim Guelf. Nicht ohne Schranken Darf gleich für Alle sein die Strafgewalt. Ein andrer Stand prägt Schuld mit andern Zeichen, Und Gleichheit ist gerecht nur unter Gleichen. 37. Der Feldherr spricht: Und von den Höchsten eben Gehorchen lerne der gemeine Mann. Willst du, ich soll in Ruh das freche Streben Der Großen sehn, so räthst du Schlechtes an. Sollt' ich dem Pöbel nur Gesetze geben, Tancred, was wäre meine Herrschaft dann? Ohnmächtig Scepter! schimpfbeladne Würde! Nein! so bedingt, nehmt sie zurück, die Bürde. 38. Frei hab' ich sie und ehrenvoll empfangen, Und Keiner soll ihr Ansehn mir entweihn. Auch meinem Blick ist sicher nicht entgangen, Wann man verschieden Straf' und Lohn verleihn, Wann am Gesetz der Gleichheit müsse hangen, Ohn' Unterschied behandeln groß und klein. So redet er; und Jener, in Betrachtung Des ernsten Worts, verstummt, besiegt von Achtung. 39. Raimund, noch ganz Verehrer jener alten Gestrengen Zeit, lobt, was der Feldherr spricht: Wer also mit dem Scepter weiß zu schalten, Dem zollen Niedre gern der Achtung Pflicht. Da ist die Ordnung schon nicht wohl erhalten, Wo man Verzeihn erwartet, Strafe nicht. Die Herrschaft fällt, und ihr gewisser Schade Wird, wenn nicht Furcht sie stützet, jede Gnade. 40. Er spricht's; Tancred nimmt wohl in Acht, was eben Gesprochen ward, und weilt nicht länger dort; Vielmehr, um sich zum Freunde zu begeben, Steigt er aufs Roß und spornt's im Fluge fort. Rinald indeß, nachdem er Stolz und Leben Dem Feinde nahm, ging in sein Zelt sofort. Hier findet ihn Tancred und sagt in Eile Den Inhalt ihm der Reden beider Theile. 41. Er fügt hinzu: Obwohl zu mancher Stunde Das Herz nicht wahrhaft sich im Aeußern weist; Denn in zu dunkelm und geheimen Grunde Ruht, tief verborgen, oft des Menschen Geist; Doch, so viel Ich von Gottfrieds Sinn erkunde, Den er nicht ganz verhehlt, behaupt' ich dreist: Behandeln will er dich gleich niedern Schuld'gen Und zwingen, seiner Herrschermacht zu huld'gen. 42. Rinaldo lächelt, doch im Lächeln färben Zornflammen sein Gesicht mit hellem Schein. In Fesseln, spricht er, mag sein Recht erwerben, Wer Sklav ist oder es verdient zu sein. Frei ward und lebt' ich; frei auch will ich sterben, Eh' Arm und Fuß unwürd'ge Band' entweihn. Gewöhnt an Schwert und Palm' ist diese Rechte Und weigert sich der Fesseln niedrer Knechte. 43. Doch wird für meine Thaten, meine Wunden Ein solcher Lohn von Gottfried mir verliehn; Und wähnet er, wie einen Knecht, gebunden, In einen niedern Kerker mich zu ziehn: Er komm'! ich warte sein zu allen Stunden, Und Schwert und Glück richt' über mich und ihn. Verlangt er doch, daß man mit unserm Streite Dem Feind ein wildes Trauerspiel bereite! 44. Er spricht's, und läßt sogleich die Waffen kommen; Mit feinem Stahl wird Haupt und Brust bewehrt, Schon hat der Arm den großen Schild genommen, Schon an der Seite hängt das mächt'ge Schwert. Und so, von Ansehn herrlich und vollkommen, Strahlt er, ein Blitz, der aus den Wolken fährt. Dir gleicht er, Mars, steigst du vom fünften Himmel, Mit Stahl und Graun umhüllt, ins Kampfgewimmel. 45. Tancred indeß versucht auf alle Weise Zu stillen ihm des wilden Herzens Glut: Siegreicher Jüngling, auch die höchsten Preise, Ich weiß, erringet leicht dein Heldenmuth; Ich weiß, er strahlt am herrlichsten im Kreise Versuchter Waffen, zwischen Graun und Blut. Doch Gott verhüte, daß zu unserm Schaden Er heute sich so furchtbar sollt' entladen! 46. Sag' an, was willst du thun? die Hände tauchen In Bürgerblut? vor Zorn und Eifer blind, Sie wider Christus, deinen Herrn, gebrauchen, Von dem die Christen Theil' und Glieder sind? Der Ehre Dunstgebilde, die verrauchen, So wie die Well' herankommt und zerrinnt, Sie sollten dich dem ew'gen Ruhm entreißen, Den Glaub' und Treu' im Himmel uns verheißen? 47. Ha nein, bei Gott! Besiege dich und stille Des Zornes Glut in deinem stolzen Geist. Gieb nach; es sei nicht Furcht, dein heil'ger Wille, Dem solch Nachgeben Siegeslohn verheißt. Und ist's vergönnt, daß in bescheidner Stille Sich meine Jugend dir als Beispiel weist: Man reizt' auch mich; allein, um nicht zu kämpfen Mit Christi Volk, wußt' ich den Zorn zu dämpfen. 48. Denn als ich einst Cilicien eingenommen, Und dort verbreitet unsers Herrn Panier, Nahm Balduin, der später hingekommen, Dies Land für sich, und raubt' es treulos mir. Da er sich stets als Freund mit mir benommen, Blieb mir verhehlt die geizige Begier; Doch durch Gewalt es wieder zu erringen Versucht' ich nicht, und konnt's vielleicht vollbringen. 49. Und willst du auch dich vor dem Kerker schützen, Und scheu'st der Band' unwürd'ge Last mit Grund, Und denkst auf Brauch und Meinung dich zu stützen, Die in der Welt als Recht der Ehre kund: So laß mich hier, beim Feldherrn dir zu nützen; Nach Antiochien geh, zu Bohemund. Nicht rathsam ist, daß man der Richterschärfe In seinem ersten Zorn sich unterwerfe. 50. Bald, wenn Aegyptens König mit den Seinen, Wenn andre Heiden sich hieher gewandt, Wird heller deine Tapferkeit erscheinen, Erst in der Fern' im vollen Werth erkannt, Wird, ohne dich, das Heer verstümmelt scheinen, Gleichwie ein Körper sonder Arm und Hand. Hier kommt auch Guelf, und billigt diese Worte, Und will sogleich ihn fern vom Lagersorte. 51. Des kühnen Jünglings Sinn, von Zorn entglommen, Beugt sich zuletzt dem Rath, den sie verliehn; Er weigert nicht, dem Wunsche nachzukommen Und ungesäumt vom Lager fortzuziehn. Viel seiner Freunde sind indeß gekommen, Und gern begleiten will ein Jeder ihn; Er, Allen dankend, nimmt vom Knappentrosse Nur Zwei als Diener mit und steigt zu Rosse. 52. Er eilt hinweg; ein glühend heißes Ringen Nach ew'gem Ruhm begleitet seine Bahn. Sein Geist, entflammt, das Höchste zu vollbringen, Sinnt nur auf Thaten, wie man nie gethan: Als Christi Kämpfer in den Feind zu dringen, Cypressen oder Palmen zu empfahn; Aegypten zu durchziehn, bis wo die Welle Des Nils entströmt der unentdeckten Quelle. 53. Nachdem Rinald, entflammt von kühnem Streben, Den Flug beeilend, von den Seinen schied, Säumt Guelf nicht mehr, dahin sich zu begeben, Wo, wie er denkt, der Feldherr jetzt verzieht. Laut ruft Bouillon, da er ihn sieht so eben: Du bist es, Guelf, den ich hieher beschied! Herolde hab' ich schon von allen Seiten Nach dir gesandt, zu uns dich zu geleiten. 54. Die Andern alle schickt er weg, und leise Beginnt er dann zu ihm ein ernstes Wort: Fürwahr, o Guelf! zu weit aus jedem Gleise Reißt Zorneswildheit deinen Neffen fort. Schwer, glaub' ich, wird es sein, daß man beweise, Ihn trieb gerechter Grund zu jenem Mord. Wenn du's vermagst, gern lass' ich mir's gefallen; Doch Gottfried ist ein gleicher Feldherr Allen, 55. Und wird allzeit ein Widerhalt der Frechen, Des Rechts und des Gesetzes Hüter sein, Und seine Brust, soll er als Richter sprechen, Von Leidenschaft erhalten frei und rein. Ward nun Rinaldo, das Gebot zu brechen, Die Heiligkeit der Kriegszucht zu entweihn, Gezwungen, wie man sagt: mag er sich neigen Vor unserm Richterstuhl, und mag es zeigen. 56. Frei mag er nur sich in die Haft begeben; Was ich vermag, kommt seinem Werth zu Gut. Doch wagt er dem Gebot zu widerstreben – Wohl kenn' ich ja sein ungestümes Blut – So suche du des Jünglings Trotz zu heben; Sonst zwingt er mich, den Mann von sanftem Muth, Daß ich, nach strengem Recht, an dem Verbrecher Werd' unsrer Herrschaft und Gesetze Rächer. 57. So sagt er ihm, und Guelf versetzt dagegen: Ein Geist, in dem der Ehre Feuer glimmt, Hört nie ein Wort, beschimpfend und verwegen, Das er nicht rächt, wo immer er's vernimmt. Und traf's ihn, den Beleid'ger zu erlegen: Wer hat gerechtem Zorn sein Ziel bestimmt? Wer zählt die Streiche, wann die Schwerter glänzen? Wer mißt, im wilden Kampf, der Rache Gränzen? 58. Und willst du, daß er vor Gericht sich stelle, Sich unterwerfe dem, was du erkannt: Vergieb, es kann nicht sein; in aller Schnelle Hat er den Schritt vom Lager abgewandt. Doch wer ihn schmäht mit beißigem Gebelle, Beweisen will ich dem mit dieser Hand – Und jedem, der sich solcher Tück' erfrechte – Daß Unrecht er bestraft mit vollem Rechte. 59. Den schwülstigen Gernand für sein Vermessen Zu zücht'gen, war, behaupt' ich, seine Pflicht; Er fehlte nur durch des Verbots Vergessen, Und ich erkenne dieses Fehls Gewicht. Er schwieg, und Gottfried sprach: Er mag indessen Zank suchen, wo er will; doch leid' ich nicht, Daß du hier Saamen wirfst zu neuem Streite; Bei Gott! schafft endlich diesen Groll zur Seite. 60. Um die versprochne Hülf' ins Werk zu bringen, Läßt nichts indeß die Zaubrin außer Acht. Sie fleht den ganzen Tag, und braucht die Schlingen Der List und Klugheit, wie der Schönheit Macht; Doch wann im West mit ihren dunkeln Schwingen Die Nacht vertilgt des Tages heitre Pracht, Dann geht sie mit zwei Rittern und zwei Frauen In ihr Gezelt, und läßt sich nicht mehr schauen. 61. Doch wenn sie gleich, als Meisterin im Trügen, Durch Sitt' und Anstand jedermann gefällt; Wenn gleich der Himmel nie mit holdern Zügen Ein Weib geschmückt auf dieser Erdenwelt, So daß ihr Reiz in fesselndem Vergnügen Die Tapfersten des Heers gefangen hält: Gelingt's ihr dennoch nicht, durch Liebesgirren Den frommen Gottfried schmeichlerisch zu kirren. 62. Umsonst, daß sie ihn zu umgarnen trachtet, Zur Lieb' ihn reizt durch lockenden Verrath; Denn gleich dem satten Vogel, der nicht achtet, Ob einer ihm mit Speise kirrend naht, Hat Gottfried längst die Lust der Welt verachtet Und klimmt gen Himmel an auf ödem Pfad. Und wie auch stets mit ihren holden Blicken Ihn Amor körnt, er kann ihn nicht bestricken. 63. Kein Hinderniß vermag ihn aufzuhalten Auf diesem Pfad, den Gott ihm kund gethan. Sie sucht, in tausend wechselnden Gestalten, Ein neuer Proteus, schmeichelnd ihm zu nahn; Und wo auch längst die Triebe schon erkalten, Wohl fachte solcher Reiz sie wieder an. Doch hier – durch Gottes Gunst – muß all' ihr Streben, Fruchtlos erneut, sich jedes Lohns begeben. 64. Sie setzte sonst mit ihres Auges Winken, So wähnte sie, das strengste Herz in Brand; Wie mußte jetzt ihr alter Hochmuth sinken! Wie kränkte sie der feste Widerstand! Doch endlich ließ sie dort die Waffen blinken, Wo sie die schwächre Gegenwehr empfand: Dem Feldherrn gleich, der von zu festen Thürmen Ermüdet weicht, um andre zu bestürmen. 65. Doch auch Tancred bekämpft das Siegverlangen Der Zauberin mit gleich entschlossnem Muth, Weil seine Brust, von anderm Trieb befangen, Nicht Raum mehr hat für eine neue Glut; Denn wie durch Gift dem Gifte wird entgangen, So ist vor Lieb' auch Liebe sichre Hut. Nur Diese blieben frei; viel oder wenig Ward Jeder sonst der Schönen unterthänig. 66. Wohl geht's ihr nah, daß sie dem großen Werke Mit aller Kunst nicht ganz Vollendung schafft; Doch ist ihr Trost, so vieler Helden Stärke Besiegt zu sehn durch ihrer Schönheit Kraft. Drum will sie nun, eh man den Anschlag merke, Die Ritter führen in gewissre Haft, Um sie zu fesseln dort mit andern Banden, Als jene sind, die sie bisher umwanden. 67. Da endlich der ersehnte Morgen tagte, Bestimmt vom Feldherrn, um ihr beizustehn, Trat sie mit Ehrfurcht vor ihn hin und sagte: Der Tag ist da, Herr, den du ausersehn. Und hört vielleicht der Wütrich, daß ich wagte, Um Beistand deine Waffen anzuflehn: Wird er zur Gegenwehr bereit sich halten, Und minder leicht sich unser Werk gestalten. 68. Deßhalb, bevor er diese Kund' erfahren Durch ungewissen Ruf, gewisses Wort, Wähl' ein'ge Wen'ge von den Heldenschaaren, Die dich umstehn, und laß sie mit mir fort. Denn sieht der Himmel menschliches Gebaren Nicht scheelen Blicks und bleibt der Unschuld Hort, So wird die Krone mein, und meine Lande Sind zinsbar dir im Kriegs- und Friedensstande. 69. So sagte sie; und was er hintertreiben Nicht füglich kann, wird von Bouillon gewährt, Obwohl er sieht, daß, durch des Zugs Betreiben, Die Last der Wahl zu ihm nun wiederkehrt. Doch sich der Schaar der Zehn einzuverleiben, Das ist's, was Jeder ungestüm begehrt; Und dieses Wettkampfs hitziges Entlodern Macht heft'ger stets und dringender ihr Fodern. 70. Sie aber schauet klar der Herzen Triebe Und wendet gleich ein neues Mittel an, Um durch den Sporn der Furcht, die Geißelhiebe Der Eifersucht, zu fördern ihren Plan. Denn ohne diese Kunst wird leicht die Liebe – Das weiß sie – matt und träg' auf ihrer Bahn: So pflegt ein Roß im Laufe zu verweilen, Wenn andre nicht vor oder nach ihm eilen. 71. Und so vertheilt sie ihre süßen Reden, Des Lächelns Reiz, der Blicke Schmeicheltrug, Daß Neid entbrennt in Jedem gegen Jeden, Und Furcht hält mit der Hoffnung gleichen Flug. Der Buler Schaar, stets unter sich in Fehden, Gespornt durch schnöder Reize Kunst und Lug, Rennt ohne Zaum und Scheu in ihre Garne, Und wenig hilft's, daß sie der Feldherr warne. 72. Er, welcher sich auf Keines Seite wendet Und Alle zu befried'gen sich bemüht, Obwohl beim Wahnsinn, der die Ritter blendet, Er bald von Schaam und bald von Zorn erglüht, Bringt, da er sieht, daß die Begier nicht endet, Durch neuen Rath zur Eintracht ihr Gemüth. Auf Zettel, spricht er, laßt die Namen schreiben, Und mag alsdann der Zufall Richter bleiben. 73. Der Name wird nun aufgesetzt von Allen, Und eine Vase faßt den ganzen Chor. Man zieht; der erste, dem das Loos gefallen, Ist Pembrok's edler Graf, Artemidor. Den Namen Gerhards hört man drauf erschallen, Und Wenzel kommt sogleich nach ihm hervor; Der Wenzel, sonst so ernst und wohlerfahren, Jetzt kinderhaft, ein Bul' in grauen Haaren. 74. O wie erfreuten sich die drei Erwählten, Da ihnen jetzt das Glück zur Seite stand! Ihr froher Mund, der Augen Glut verhehlten Die Wonne nicht, die ihre Brust empfand. Doch Eifersucht und bange Zweifel quälten Der Andern Herz, die man noch nicht genannt; Begierig hingen sie an dessen Munde, Der aus dem Loos' ertheilt der Namen Kunde. 75. Der vierte, Guasco, tönt; nach Diesem kommen Ridolf und Olderich, dem Loose Dank! Wilhelm von Roussillon wird dann vernommen; Der Baier Eberhard, Heinrich der Frank; Zuletzt Rambald, der bald hernach vom frommen Dienst unsers Herrn zum Heidenthume sank. Hat Liebe so viel Macht? Ihm war gefallen Das zehnte Loos; nichts blieb den Andern allen. 76. Von Diesen, die vor Neid und Aerger beben, Wird als verrucht und falsch das Glück verdammt. Dich, Liebe, schilt man, daß du zugegeben, Es üb' in deinem Reich ein Richteramt. Doch weil im Menschen der Begierde Streben Durch meist Verbotnes wird zumeist entflammt, Entschließen Viele sich, bei Nacht zu fliehen Und, trotz dem Glück, der Schönen nachzuziehen. 77. Ihr folgen wollen sie bei Nacht und Tage Und Blut und Leben ihrem Dienste weihn. Sie deutet darauf hin mit leiser Frage, Und ladet sie durch Blick' und Seufzer ein, Und schenkt bald dem, bald jenem eine Klage, Daß sie von ihm nicht soll begleitet sein. Die andern Zehn indeß, in vollen Waffen, Gehn zu Bouillon, sich Urlaub zu verschaffen. 78. Zwar säumt er nicht, manch gutes Wort zu spenden: Wie Heidentreu sei ungewiß genug, Ein trüglich Pfand; wie Zufall sei zu wenden, Und wie zu meiden Hinterlist und Trug. Doch Liebe nimmt nicht Rath aus weisen Händen, Und seine Wort' entführt des Windes Flug. Er läßt sie ziehn; die Jungfrau, nun geborgen, Verschiebt den Abzug nicht bis auf den Morgen. 79. Die Sieg'rin geht und führt an ihrer Seite Der Buler Schaar gefangen mit sich fort, Wie im Triumph; und läßt im wilden Streite Unendlich bittrer Qual die Andern dort. Doch als die Nacht im flüchtigen Geleite Der Träum' hervorgeht aus dem stillen Ort: Da folgen rasch, von Amorn eingeladen, Der Ritter viel' Armidens Zauberpfaden. 80. Eustaz, der erste, wartet kaum so lange, Bis günstig ihm des Abends Dunkel lacht; Dann folgt er ungesäumt dem mächt'gen Drange Des blinden Führers durch die blinde Nacht. Im Dunkeln streift er fort mit irrem Gange; Doch als er sieht der Sonne hehre Pracht, Sieht er Armiden auch sammt den Genossen, Die nächt'ger Rast in einem Dorf genossen. 81. Rasch eilt er auf sie zu; am Helm und Schilde Erkennt Rambald von weitem ihn und schreit, Weßhalb er komme, was für Plan' er bilde? Ich, spricht er, komm' Armiden zum Geleit, Und bleib' ihr stets, vergönnt es ihre Milde, Nicht minder treu zu Hülf' und Dienst geweiht. Und, fragt der Andre, zu so kühnem Triebe, Wer gab dir Recht? Der Jüngling sagt: Die Liebe. 82. Dich wählte Glück, mich Liebe zum Begleiter; Nun sage: wessen Wahl hat mehr Gewicht? Doch ihm Rambald: Nichts hilft dein Reden weiter, Dein falscher Grund giebt weder Recht noch Pflicht. Dich drängen unter die berufnen Streiter Der königlichen Jungfrau darfst du nicht, Ein unberufner Knecht. Und, schon im Gähren Des Zornes, spricht Eustaz: Wer wird es wehren? 83. Ich, ruft Rambald, ich werd' es nimmer leiden! Und sprengt indem zum Angriff schon dahin; Doch Jener auch denkt nicht den Kampf zu meiden, Und stürmt heran mit gleich entbranntem Sinn. Jetzt aber hebt, um solchen Grimm zu scheiden, Den Arm empor der Seelen Herrscherin, Und spricht: Rambald, nicht dünk' es doch dir bitter, Erwächst dir ein Gefährte, mir ein Ritter. 84. Willst du mein Wohl: warum nicht soll mir frommen, In solcher Noth, die neue Hülfe dort? Und zu dem Andern spricht sie: Sei willkommen, Du, meiner Ehre, meines Lebens Hort! Fürwahr, mir wäre Sinn und Geist entnommen, Wies' ich so edlen, werthen Beistand fort. Sie spricht's, und immer nahn von allen Seiten Der Ritter mehr, die Schöne zu begleiten, 85. Der da, der dort her; und mit scheelen Mienen Sieht Jeder hier den Andern in der Schaar. Gleich froh empfängt sie Jeden unter ihnen Und Allen beut sie Gruß und Lächeln dar. Als aber kaum die Morgenröth' erschienen, Wird Gottfried schon der Ritter Flucht gewahr, Und sein Gemüth, bei ihres Unglücks Ahnung, Fühlt kummervoll zukünft'ger Uebel Mahnung. 86. Noch sinnt er drüber nach, da kommt in Eile, Bestäubt und athemlos, ein Bot' heran, Dem Manne gleich, der schlimme Kund' ertheile, Und zeigt schon auf der Stirn den Kummer an. Herr, spricht er zu Bouillon, in kurzer Weile Wird sich Aegyptens große Flotte nahn. Mir ward von Wilhelm, von dem Meereshelden Liguriens, der Auftrag, dir's zu melden. 87. Er fügte dann hinzu: von Wilhelms Schiffen Sei für das Lager Vorrath abgesandt; Der schwere Zug sei plötzlich angegriffen Von Arabern; nach kurzem Widerstand Die Wache theils getödtet, theils ergriffen, So daß auch nicht ein Einz'ger Rettung fand; Denn vorn und hinten fiel mit Einem Male Das Räubervolk sie an in engem Thale. 88. Und so gewachsen nun sei dieser kecken, Streiflust'gen Horden Trotz und Uebermuth, Daß, ohne Hemmung, sie die weiten Strecken Rings überziehn, gleich einer Wasserflut. Drum solle man, um sie zurückzuschrecken, Kriegsvölker senden zu des Landes Hut, Die jenen Weg, der von Judäa's Küsten Zum Lager führt, mit Obmacht sichern müßten. 89. Von Zung' auf Zunge fliegt, in wenig Stunden, Das Angstgerücht der nahen Hungersnoth; Und alles Volk, vom Schrecken überwunden, Erwartet schon den jammervollsten Tod. Der Feldherr, als er sieht den Muth entschwunden, Der sonst dem Heer so starke Waffen bot, Sucht, mit verständ'gem Wort und heitern Blicken, Das zage Volk zu trösten, zu erquicken: 90. O die ihr kühn durch Leiden und Gefahren Mir seid gefolgt in so entfernte Gau'n; Ihr Gotteskämpfer, die geboren waren, Die Kirche Christi siegreich aufzubau'n! Die ihr der Griechen List, der Perser Schaaren, Gebirg und Meer und Sturm und Wintergrau'n, Und selbst des Hungers und des Durstes Plagen Muthvoll besiegt: Ihr könnet jetzt verzagen? 91. Wie? diesem Gott, der unsern Schritt gelenket, Den wir in größerm Mißgeschick erkannt, Dem traut ihr nicht? als hätt' er abgesenket Von uns den Segensblick, die Gnadenhand! Bald kommt ein Tag, da ihr mit Lust gedenket Vergangnen Leids und einlöst euer Pfand. Jetzt dauert aus, und, welche Noth euch drücke, Erhaltet, bitt' ich, euch dem künft'gen Glücke. 92. So mindert er die Furcht dem bangen Heere Mit heiterm Wort und frohem Angesicht; Doch tausend Sorgen, die mit mächt'ger Schwere Sein eignes Herz belasten, zeigt er nicht. Er sinnt darauf, wie er das Volk ernähre, Wenn's in der Noth an Zufuhr ihm gebricht; Wie er die Flott' im Mittelmeer bekämpfe Und wie den Trotz der Räuberhorden dämpfe. Sechster Gesang Sechster Gesang. 1. Doch in der Stadt ermannt am andern Theile Der Heide sich durch Hoffnung bessrer Art. Denn frischer Vorrath kam bei nächt'ger Weile Zu dem hinzu, den man noch aufgespart; Auch ward die Mauer gegen Nord in Eile Durch Kriegsgezeug und Waffen so verwahrt, Daß sie, geschützt durch Höhe, Stärk' und Größe, Nicht der Belagrer Würfe scheut noch Stöße. 2. Und dennoch wird vom König sie noch immer Bald stärker hier, bald höher dort gemacht, Beim goldnen Sonnenglanz, beim Silberschimmer, Den Mond und Sterne leihn der dunkeln Nacht; Und neue Wehr zu schaffen ruhet nimmer Der Schmiede Volk, schon matt und überwacht. Indem der Fürst so die Vertheid'gung rüstet, Erscheint vor ihm Argant und spricht entrüstet: 3. Wie lange hältst du noch in diesen Hallen In schimpflicher Belagrung Haft dein Heer? Wohl tönt der Amboß, Waffen hör' ich schallen, Es klirren Helm und Panzer, Schild und Speer: Doch seh' ich nicht wozu; denn nach Gefallen Ziehn diese Räuber keck im Land' umher, Und Keiner ist, der ihre Kühnheit strafe, Noch stört sie je die Kriegstrommet' im Schlafe. 4. Ihr Mittagsmahl darf Niemand unterbrechen, Und nichts vergällt ihr nächtlich Lustgelag; Vielmehr in gleicher Ruh geht diesen Frechen Die Nacht dahin, so wie der lange Tag. Doch euch wird Elend bald und Hunger schwächen, Wird zwingen euch zu schimpflichem Vertrag; Wo nicht, hier zu empfahn den Tod der Feigen, Wenn sich nicht bald Aegyptens Völker zeigen. 5. Doch nicht hinab in des Vergessens Schauer Soll meine Tage ziehn unedler Tod; Und nicht umschlossen mehr von dieser Mauer Gewahre mich das neue Morgenroth. Das Schicksal walt' ob meines Lebens Dauer, Wie es die Macht dort oben ihm gebot; Ich aber will nur mit dem Schwert in Händen, Nicht ohne Ruhm noch ohne Rach', es enden. 6. Und fänd' ich nur an euch von jenem ächten Gewohnten Muth noch irgend einen Schein: Nicht edlen Tod in rühmlichen Gefechten, Nein, Sieg und Leben würd' ich prophezeihn. Laßt uns dem Feind' und des Geschickes Mächten Entgegen ziehn in muthigem Verein: Denn oft, je grauser uns Gefahr umpreßte, Ist für den Mann der kühnste Rath der beste. 7. Doch scheust du dich, in so bedrängter Lage, Mit deiner ganzen Macht hervor zu gehn: Laß uns den großen Streit, mit Einem Schlage, Durch zweier Krieger Kampf entschieden sehn. Und daß Bouillon um so viel eher wage, Den Vorschlag, den ich thun will, einzugehn: So mag er jeden Vortheil sich erringen, Die Waffen wählen und den Kampf bedingen. 8. Hat der, mit dem ich kämpfe, nur Zwei Hände Und Einen Geist, wie kühn auch und entbrannt: So fürchte nicht, daß deine Herrschaft ende; Das Recht, das Ich vertheid'ge, hat Bestand. Und ob sich Glück und Schicksal von dir wende, Vollkommnen Sieg verleiht dir diese Hand Und reicht sich selber dir zum sichern Pfande, Daß, traust du ihr, geschützt sind deine Lande. 9. Er schweigt, und ihm der Fürst: Obwohl die Schwere Des Alters mich, o rascher Jüngling, drückt; Doch ist mein Arm nicht so entwöhnt vom Speere, Noch mir so ganz des Geistes Kraft entrückt, Daß mir ein Tod voll Schande lieber wäre, Als der mit Ruhm und Preis den Kämpfer schmückt: Müßt' ich nur irgend jener Noth und Plagen, Wovon du sprichst, Furcht oder Sorge tragen. 10. Gott wende solche Schmach! Jetzt, im Vertrauen, Entdeck' ich dir, was Keiner weiß bisher: Fürst Solyman, der einst Nicäa's Gauen Beherrscht, will rächen seine Schmach nunmehr Und sammelt' in Arabien jene rauhen Zerstreuten Horden bis von Libyen her, Um nächt'ger Weil' auf unsern Feind zu dringen, Uns aber Hülf' und Mundbedarf zu bringen. 11. Bald ist er hier. Der Feind indessen wohne In unsern Schlössern, bis ihn der vertreibt; Nicht kümmern soll uns das, wenn nur die Krone Und dieser edle Königsitz mir bleibt. Du aber mäß'ge diese Kühnheit, schone Der raschen Glut, die ohne Maaß dich treibt, Und wart' in Ruh bis eine Zeit erwache, Gedeihlich deinem Ruhm und meiner Rache. 12. Gewalt'ger Zorn erfaßt den Saracenen, Der Solymans Mitwerber lange war; Denn mit Verdruß erfährt er, daß auf Jenen Der Fürst so fest vertrauet in Gefahr. Krieg wähl' und Frieden, Herr, nach eignem Wähnen, Versetzt Argant; ich schweige ganz und gar. So zögre denn, bis Solyman erscheine; Er, der sein Reich verlor, schütz' er das Deine. 13. Er komme, wie von Himmelshöhn gestiegen, Und mag des Heidenvolks Befreier sein; Ich aber will, mir selbst genug zum Siegen, Die Freiheit danken diesem Arm allein. Nun, da die Andern all' in Ruhe liegen, Laß mich hinabziehn in der Feinde Reihn, Daß ich als Ritter, nicht dein Kriegsgeselle, Den Franken dort zum Einzelkampf mich stelle. 14. Der König spricht: O würde Zorn und Degen Von dir bewahrt zu würdigerm Gewinn! Doch bin ich deinem Wunsche nicht entgegen, Beharrt auf einem Kampf dein kühner Sinn. Und Jener nun, ohn' andres Ueberlegen, Sagt einem Herold: Geh ins Lager hin Und bringe dort, vor seinem Heeresbunde, Dem Feldherrn diese nicht geringe Kunde: 15. Ein Ritter, sprich, unwillig, daß als Feigen Ihn dieser starke Mauerkreis versteckt, Wünscht mit den Waffen in der Hand zu zeigen, Wie viel sein Muth und seine Kraft erzweckt. Zum Zweikampf in das Feld hinabzusteigen, Das von der Stadt zum Lager sich erstreckt, Ist er bereit, und ruft den in die Schranken, Der sich am meisten zutraut von den Franken. 16. Nicht Einen oder Zwei nur aus den Mitten Des Christenheers verlangt er zum Gefecht; Der Viert' und Fünfte folge gern dem Dritten, Die Herkunft sei erhaben oder schlecht. Man leiste Sicherheit; nach Kriegessitten Sei der Besiegte des Besiegers Knecht. – So ordnet er; und mit dem Goldgeschmeide Schmückt Jener sich und mit dem Purpurkleide. 17. So wie er in Bouillons und der Barone Erhabner Gegenwart alsdann erschien, Fragt' er: O Feldherr, wird, mit freiem Tone Zu reden, den Gesandten hier verliehn? Es wird verliehn, sagt ihm Bouillon, und ohne Die mindste Furcht kannst du dein Amt vollziehn. Jetzt also, spricht der Herold, wird man schauen, Ob meine Botschaft Freud' erregt, ob Grauen. 18. Dann eilt' er, sein Begehr zu offenbaren, Und fuhr in aufgeblasnen Reden fort. Laut knirschten hier vor Grimm die tapfern Schaaren, So tief verdroß sie das verwegne Wort. Schnell ließ Bouillon ihm Antwort widerfahren: Wohl Schweres unternimmt der Ritter dort; Auch wird er bei so mißlichen Entwürfen, Ich glaub' es fast, des Fünften nicht bedürfen. 19. Doch komm' er nur; frei aller Fährlichkeiten, Sei ihm der Kampf gewährt auf sichrer Flur, Und Einer aus der Schaar wird mit ihm streiten Ohn' allen Vortheil; dies verbürgt mein Schwur. So spricht Bouillon; der Herold, seiner Seiten, Kehrt um zur Stadt auf schon betretner Spur Und hemmet eher nicht des Schrittes Eile, Als bis er Antwort dem Argant ertheile. 20. Herr, spricht er, waffne dich; was säumst du lange? Die Christen sagen zu, was du begehrt. Nicht bloß die größten Helden sind zum Gange Mit dir bereit, auch die von minderm Werth; Und tausend Blicke drohten zum Empfange, Und tausend Hände griffen an das Schwert. Der Feldherr will dir sichern Raum verschaffen. So sagt er ihm, und Jener heischt die Waffen. 21. Er legt sie an, und schon, zum Kampfesorte Hinab zu eilen, treibt ihn die Begier. Drauf zu Clorinden spricht der Fürst die Worte: Nicht recht ist, wenn er geht, du bleibest hier. Drum folg' ihm du, zu seinem Schutz und Horte, Und tausend unsrer Leute nimm mit dir. Doch Er nur soll zum rechten Kampf sich stellen; Du bleibst zurück mit deinen Kriegsgesellen. 22. Der König schwieg; nachdem man sich bereitet, Zieht nun die Schaar ins freie Feld hinaus, Und im gewohnten Waffenschmucke reitet Der kühne Held den Andern stolz voraus. Dicht vor der Stadt, bis an das Lager, breitet Weit und geräumig sich ein Blachfeld aus, Wo nichts sich ungleich oder steil erhoben, Als sei's mit Fleiß gemacht zu Kampfesproben. 23. Dorthin nun kam allein, dort hielt der wilde Argant, gesehn von aller Feinde Zahl. Kühn stand er da, ein drohend Schreckgebilde, Stolz auf Gestalt und Muth und Kraft zumal, Wie ehmals im Phlegräischen Gefilde Enceladus, wie Goliath dort im Thal. Doch Viele sind, die keine Furcht verwundet, Weil sie nicht völlig seine Kraft erkundet. 24. Noch hatte nicht den Tapfersten von Allen Der fromme Gottfried zum Gefecht ernannt; Doch sah man Aller Blick' auf Einen fallen Und zu Tancred verlangend hingewandt, Der durch der Mienen deutlich Wohlgefallen Ward als der Tapfern Würdigster erkannt. Auch nennt ihn das Gemurmel schon nicht leise, Und nun winkt auch Bouillon ihn aus dem Kreise. 25. Schon wich der Andern jeder gern dem Hehren, Auf dem die Wahl des Feldherrn sichtbar ruht: Geh, spricht er nun, dir will ich's nicht verwehren, Geh hin und bänd'ge dieses Frevlers Wut. Der kühne Jüngling, stolz, zu solchen Ehren Ernannt zu sein, im Antlitz Freud' und Muth, Verlangt vom Knappen Helm und Roß, und reitet Zum Wall hinaus, von vielem Volk begleitet. 26. Noch war er fern von jenen ebnen Auen, Wo ihn Argant erwartet voll Begier, Da zeigt sich ihm die tapferste der Frauen In ihrer Schönheit wundervoller Zier. Weiß, wie der Schnee auf Alpenhöh'n zu schauen, War ihr Gewand, und von des Helms Visir Ihr Antlitz unverhüllt; so, ganz vollkommen, Ward sie auf einem Hügel wahrgenommen. 27. Nun sieht Tancred nicht mehr, wo jener Wilde Die grausenvolle Stirn gen Himmel kehrt; Er lenkt sein Roß langsam durch die Gefilde Und schaut empor, wo sie sich ihm verklärt. Dann hält er still, gleich einem Marmorbilde, Von außen kalt; doch innen kocht's und gährt. Ihr Anblick ist ihm g'nug, und aller Schlachten Scheint er für jetzt nur wenig mehr zu achten. 28. Allein Argant, der Keinen wahrgenommen, Von dem sich zeigt, er sei zum Streit bestimmt: Aus Kampfbegier bin ich hieher gekommen, Wer kämpft denn nun mit mir? ruft er ergrimmt. Tancred indessen, ganz betäubt, beklommen, Zeigt, unbeweglich, daß er nichts vernimmt; Da sprenget Otto, mit entschlossner Schnelle, Zuerst hervor auf die noch leere Stelle. 29. Auch ihn ergriff vorhin schon das Verlangen Zum Kampfe mit dem übermüth'gen Feind; Doch wich er dem, der Allen vorgegangen, Und ritt hinaus, mit Andern mehr vereint. Jetzt, da Tancred von fremdem Wunsch befangen, Zum Kampfe träg' und fast unwillig scheint, Ergreift der Jüngling, kühn und schnell entschlossen, Rasch die Gelegenheit, die ihm entsprossen. 30. Und schneller nun, als Pardel oder Tiger Durchstreifen oft der Wälder düstre Schlucht, Rennt Otto muthig auf den fremden Krieger, Der ihm entgegenstemmt des Speeres Wucht. Nun wird Tancred erst der Betäubung Sieger, Erwachend endlich nach der Träume Flucht. Wohl ruft er nun: Der Kampf ist mein, verweile! Doch schon zu weit führt den des Muthes Eile. 31. Er hält demnach, und Zorn und Unmuth brennen Im Busen ihm, und seine Wang' ist Glut, Weil er als Schimpf und Schande muß erkennen, Daß ihm ein Andrer kam zuvor an Muth. Der Jüngling trifft indeß im Gegenrennen Den Helm des Saracenen stark und gut; Doch wird zugleich der Panzer ihm durchstochen Vom spitzen Stahl, nachdem der Schild zerbrochen. 32. Der Franke sinkt vom Roß herab zur Erde, So heftig trifft ihn der gewalt'ge Stoß; Allein Argant, gewohnter der Beschwerde, Von höhrer Kraft, wird nicht im Sattel los. Mit übermüthig höhnischer Geberde Gebeut er dem Gefallnen, schonungslos: Gieb dich besiegt; g'nug Ehre dem Verwegnen, Daß ihm vergönnt, im Kampf mir zu begegnen. 33. Nein, giebt ihm der zurück, im Christenheere Senkt man so bald den Muth, die Waffen nicht. Es rett' ein Andrer unsers Namens Ehre; Rach' oder Tod, das ist nun meine Pflicht. Entsetzlich, wie Alecto und Megäre, Knirscht der Barbar, sprüht Flammen sein Gesicht. So sollst du, spricht er, meine Stärke sehen, Da dir's beliebt, die Milde zu verschmähen. 34. Er spornt sein Roß, als hätt' er keine Kunde Von allem, was ihm Ritterpflicht befahl. Der Frank, ausweichend, schwenkt sich in die Runde, Stößt in die Seite rasch ihm seinen Stahl Und zieht – so arg und bitter ist die Wunde – Das Schwert zurück, gefärbt mit blut'gem Maal. Doch wozu hilft die Wunde, die nicht schwächer Den Sieger macht, und grimmiger den Rächer? 35. Rasch hemmt Argant, aufs höchste nun erbittert, Des Rosses Lauf und wendet es so leicht, Daß, ehe noch sein Feind die Schwenkung wittert, Ihn unversehns der mächt'ge Stoß erreicht. Der Athem geht ihm aus, der Schenkel zittert, Der Geist verwirrt sich, das Gesicht erbleicht; So heftig schüttelt ihm der Stoß die Glieder, Und schwach und matt sinkt er zur Erde nieder. 36. Argant, voll Wut, macht seines Rosses Füßen Des Ueberwundnen Brust zum blut'gen Pfad: So, ruft er aus, soll jeder Stolze büßen, Wie dieser, den mein Roß zum Schemel hat. Da bricht Tancred hervor, ihn zu begrüßen, Von Zorn entflammt ob solcher Frevelthat, Und will, daß seine Kraft durch hohe Werke Den Fehler tilg' und strahl' in vor'ger Stärke. 37. Er sprengt heran und ruft im schnellsten Laufen: Elende Seel', im Siegen noch verrucht! Was hoffest du für Ehre zu erkaufen Durch Thaten, die auch ein Barbar verflucht? In welcher Hord', in welchen Räuberhaufen Hast du an solchen Freveln dich versucht? Ha, fleuch das Licht, mit andern Ungeheuern In Wäldernacht zur Wut dich anzufeuern! 38. Er schweigt; Argant, der nie solch Wort vernommen, Beißt sich vor Grimm und Zorn die Lippen wund; Verworrne Töne, statt der Antwort, kommen, Wie Thiergebrüll, hervor aus seinem Schlund; Und wie ein Blitz, der in der Luft entglommen, Hervorbricht aus verschlossner Wolken Grund, So scheint das Wort, das er versucht zu sprechen, Laut donnernd aus der Brust hervorzubrechen. 39. Als Beide nun, wetteifernd, wild und heftig Des Stolzes Grimm gespornt durch Droh'n und Schrei'n, Da wenden sie die Rosse, gleich geschäfftig, In weitem Ring, um Raum sich zu verleihn. Hier stärk', o Muse, mir die Stimme kräftig, Und hauche Wut, gleich jener Wut, mir ein; Daß nicht der Thaten Ruf mein Lieb verhöhne, Und im Gesang der Waffen Hall ertöne! 40. Nun stemmt der Helden jeder, fest im Bügel, Die knot'ge Stang' und richtet sie empor. Nie war des Laufs, des Sprunges, nie der Flügel Geschwindigkeit so ungestüm zuvor, Nie Wut gleich der, womit, verhängt die Zügel, Hier stürmt Tancred und dort Argant hervor. Die Lanzen brechen an dem Helm, und tausend Lichtfunken, Splitter, Spän' entfliegen brausend. 41. Nur von des Stoßes mächt'gem Wiederhalle Bebt rings die Erd' und das Gebirg erkracht; Doch widersteht dem ungeheuern Pralle, Nicht winkend nur, der stolzen Häupter Macht. Die Rosse bringt der heft'ge Stoß zum Falle, Und aufzustehn hat keins so schleunig Acht. Das große Kämpferpaar, den Bügel lassend, Zieht nun das Schwert, Fuß auf dem Boden fassend. 42. Vorsichtig folgt dem Hieb des Andern Rechte, Dem Schritt der Fuß, dem Blick das Auge nach. Man dringt heran, weicht, kreist sich im Gefechte Und wechselt Lag' und Stellung tausendfach; Droht bald, als ob man hier zu treffen dächte, Und wo man nicht gedroht, trifft man hernach; Scheint bald, hier oder da, sich bloßzugeben, Und sucht die List durch Gegenlist zu heben. 43. Dem Heiden zeigt Tancred, im hitz'gen Streite, Vom Schild und Schwert die Seite frei und bloß; Der eilt zum Hieb, und läßt die ganze Breite Der linken Hüft' indeß vertheid'gungslos. Nun schlägt Tancred, abwehrend, auf die Seite Des Feindes Stahl, und giebt ihm einen Stoß; Schnell weicht er dann und setzt, nach diesem Schlage, Sich wohl gedeckt in die gehör'ge Lage. 44. Als nun Argant sich muß besudelt schauen Vom eignen Blute, das der Wund' entquoll: Da brüllt er laut, mit ungewohntem Grauen, Von Grimm und Schmerz ganz übertäubt und toll, Hebt mit der Stimme gleich das Schwert zum Hauen Und stürzt sich, blind vor Ungestüm und Groll, Auf seinen Feind, und muß verletzt sich finden Durch Stich, wo Arm und Schulter sich verbinden. 45. Wie im Gebirg ein Bär, wann er die Spitze Der harten Lanze fühlt, von Wut verzehrt, Entgegen stürmt den Waffen, schnell wie Blitze, Und nicht mehr an Gefahr und Tod sich kehrt: So wild entlodert des Circassers Hitze, Da Wund' auf Wunde, Schmach auf Schmach sich mehrt; Und voll Begier zu rächen die Beleid'gung, Höhnt er Gefahr und denkt nicht an Vertheid'gung. 46. Tollkühnen Muths, vor Ingrimm fast von Sinnen, Und stark und unermüdlich von Natur, Kreist er das Schwert mit solchem Wutbeginnen, Daß rings der Himmel blitzt, erbebt die Flur. Der Andre kann nicht Zeit zum Hau'n gewinnen, Noch sich zu decken, kaum zu athmen nur, Und keine Schutzwehr, die ihn sicher stelle Vor des Circassers Riesenkraft und Schnelle. 47. Lang' hat Tancred den großen Sturm gelitten, Und hofft umsonst, er werde bald verziehn; Jetzt wehrt er ab, sucht jetzt mit Meisterschritten Und kluger Wendung sich zurückzuziehn; Allein Argant fährt fort, wie er gestritten, Und zwingt zu gleichem Rasen nun auch ihn, So daß Tancred, erboßt, sein mächtig Eisen Mit größtem Ungestüm beginnt zu kreisen. 48. Vorsicht und Kunst läßt sich vom Zorn entraffen, Und Beider Kräft' erzeugt und mehrt die Wut. So oft das Eisen niederrasselt, klaffen Ring' oder Blech, und jeder Streich ist gut. Bedeckt mit Waffen ist das Feld, die Waffen Mit Blut bedeckt, mit Schweiß vermischt das Blut. Blitz ist im Flammen, Donnerhall im Schallen, Und Wetterschlag das Schwert im Niederfallen. 49. Die Völker beid', erfaßt von tiefem Schauer, Sehn diesen Kampf, so graunvoll wunderbar, Und schweben bald in Freude, bald in Trauer, Wie Vortheil jetzt sich zeigt, und jetzt Gefahr. Und doch erhebt sich in des Kampfes Dauer Kein Wink, kein Laut bei so unzähl'ger Schaar; Vielmehr steht Jeder still und ohne Regung, Und nur das Herz bleibt zitternd in Bewegung. 50. Wohl hätten Beid', erschöpft vom langen Streite, Sich selbst, unzeitig, an das Ziel gebracht; Schon aber hüllt das Nahe wie das Weite Sich rings umher ins dunkle Graun der Nacht. Ein Herold kam heran von jeder Seite, Und diese trennten die gewalt'ge Schlacht: Der Frank Arid, mit ihm Pindor, der jene Ausfodrung bracht', ein schlauer Saracene. 51. Kühn streckten Diese mitten in das Toben Des wilden Kampfs ihr friedlich Scepter hin, Mit jener Sicherheit, die sie erproben, Allgültig, seit des Völkerrechts Beginn. Ihr seid, o Krieger, beide gleich zu loben, Begann Pindor, an Kraft und Heldensinn; Drum laßt den Kampf, daß er nicht Eintrag thue Dem heil'gen Recht der Nacht und ihrer Ruhe. 52. Am Tag' ist Zeit zur Arbeit uns gegeben, Doch Alles ruht, wenn Nacht herniedersteigt; Und ein erhabnes Herz wird nimmer streben Nach dunkelm Ruhm, der sich verbirgt und schweigt. Argant versetzt: Den Zweikampf aufzugeben, Weil's eben dunkelt, bin ich nicht geneigt. Wohl wünscht' ich Tag zum Zeugen meiner Ehre; Doch schwöre Dieser, daß er wiederkehre. 53. Auch du, versetzt Tancred, mußt dies versprechen, Und dein Gefangner werde mitgebracht; Sonst hoffe nicht, den Kampf zu unterbrechen, Und währt' er auch bis in die tiefste Nacht. So schwuren sie. Die Zeit zum zweiten Stechen Ward durch erwählte Herold' ausgemacht; Um für die Wunden nach Gebühr zu sorgen, Bestimmten sie des sechsten Tages Morgen. 54. Den Heiden wie den Gläub'gen läßt das Schauen Des wilden Kampfs so unerhörter Art Ein tiefes Staunen eingeprägt, ein Grauen, Das ihre Brust noch lange Zeit bewahrt. Man rühmt die Kraft, den Muth, das Selbstvertrauen, So jeder Held im Zweikampf offenbart; Doch wem der Kranz gebühre von den Beiden, Das hört man oft auf andre Weis' entscheiden. 55. Und Jeder thut, erwartend, sich die Frage, Welch Ende sei bestimmt dem rauhen Streit; Ob Heldenkraft die Wut zu Boden schlage, Ob Kühnheit weiche der Verwegenheit. Doch mehr als Alle fühlt in dieser Lage Erminia sich bedrängt von Sorg' und Leid, Die ihres Wesens besten Theil, mit Bangen, Sieht an dem ungewissen Kriegsglück hangen. 56. Sie war die Tochter Kassans, der vor Jahren Den Thron besaß im Antiochierland. Als dieses ward ersiegt von Christenschaaren, Fiel sie, mit andrer Beut', in ihre Hand. Allein so menschlich war Tancreds Verfahren, Daß sie bei ihm kein Ungemach empfand; Und sie erhielt, bei ihres Reichs Verheerung, Vom Sieger stets als Königin Verehrung. 57. Er ehrte sie, bediente sie, und setzte, Der edle Held, in Freiheit sie alsbald, Und ließ ihr alles, was sie liebt' und schätzte, Geschmeide, Gold, großmüthig in Gewalt. Wie sie sich nun an solchem Hochsinn letzte, Vereint mit Jugendblüth' und Wohlgestalt: Da fesselt' Amor sie mit stärkern Banden, Als jemals noch ein liebend Herz umwanden. 58. So blieb, war gleich der Körper frei zu nennen, Der Geist noch immer in Gefangenschaft. Wohl war's ihr großer Kummer, sich zu trennen Vom theuern Herrn und der geliebten Haft; Allein, was nie großherz'ge Frau'n verkennen, Der königlichen Würd' erhabne Kraft, Zwang sie, sich in ein Land, wo Freunde leben, Mit der bejahrten Mutter zu begeben. 59. So kam sie nun zum Palästinerlande, Wo Aladin ihr eine Freistatt bot; Doch bald, umhüllt von schwarzem Leidgewande, Betraurte sie der guten Mutter Tod. Und dennoch riß, in so bedrängtem Stande, Nicht dieser Gram, nicht der Verbannung Noth Aus ihrer Brust den mächt'gen Drang der Liebe, Noch tilgt' ein Fünklein nur so glüh'nder Triebe. 60. Die Arme liebt und glühet, unbeachtet, Und so durchaus ist hoffen ihr verwehrt, Daß sie die stille Glut, in der sie schmachtet, Mehr mit Erinnrung als mit Hoffnung nährt; Und um je mehr sie ihn zu bergen trachtet, Je heft'ger flammt der Brand, der sie verzehrt. Doch neu erwacht die Hoffnung aus dem Trauern, Als nun Tancred erscheint vor Zions Mauern. 61. Den Andern wird, beim Nahn des unzählbaren Siegreichen Volks, das Herz von Sorgen schwer; Sie aber läßt nun Angst und Kummer fahren, Und schaut mit heiterm Blick das stolze Heer, Und späht begierig in der Krieger Schaaren Nach dem ersehnten theuern Freund' umher. Oft sucht sie ihn umsonst, und oft, ihn kenntlich Gewahrend, ruft sie aus: Da ist er endlich! 62. Ein alter Thurm, hart an der Mauerschwelle, War aus der Königsburg empor gebaut, Von dessen Gipfel man die Lagerstelle Des Christenheers, und Berg und Ebne schaut. Hier nun, vom ersten Blick der Morgenhelle Bis dunkle Nacht die Erde rings umgraut, Verweilet sie, schaut nach dem Heer der Franken, Und seufzt und spricht mit ihren Gramgedanken. 63. Hier schaute sie den Kampf; mit solcher Bängniß Pocht' immerfort das Herz in ihrer Brust, Daß es zu sagen schien: Der in Bedrängniß Des Todes schwebt, ist deine süße Lust! Sie sah des Kampfes zweifelhaft Verhängniß, Vor Furcht und Angst kaum ihrer selbst bewußt, Und immer, wenn Argant den Stahl geschwungen, Fühlt sie ihr Herz von Schwert und Hieb durchdrungen. 64. Doch als sie nun der Wahrheit Kund' empfangen, Und daß sich soll erneu'n des Kampfes Wut: Da faßt ihr Herz solch ungeheures Bangen, Daß sie zu Eis erstarren fühlt ihr Blut. Verborgne Seufzer stößt sie aus, die Wangen Befeuchtet oft geheimer Thränen Flut; Bleich und entstellt, in gänzlicher Bethörung, Ist sie ein Bild des Grams und der Verstörung. 65. Ein schreckliches Gesicht wähnt sie zu schauen, Bald hier, bald dort, das alle Sinn' empört; Und bänger ist ihr Schlaf als Todesgrauen, Von schwarzen Träumen fürchterlich gestört. Den theuern Mann, gepackt von Mörderklauen, Blutig, zerfleischt, glaubt sie zu schau'n; sie hört Um Hülf' ihn flehn; auf wacht sie mit Entsetzen Und fühlt, daß Thränen Aug' und Brust benetzen. 66. Und doch, die Furcht vor Leiden, die erst kommen, Ist's nicht allein, die ihr das Herz zerreißt; Die Wunden auch, die er im Kampf bekommen, Sind ew'ge Marter dem geschreckten Geist. Manch falsch Gerücht hat sie zugleich vernommen, Das größer stets Entferntes, Fremdes weist; Daher sie glaubt, der Ritter, ohne Labe, Verschmachtet und erschöpft, sei nah am Grabe. 67. Und da der Mutter sie verdankt die Kunde Von jedes Krauts geheimster Wunderkraft, Und welcher Zauberspruch die schlimmste Wunde Der Glieder heilt, und Schmerzen Lindrung schafft (Wovon nur in der Königstöchter Munde Sich dort zu Land' erhält die Wissenschaft): So mögte sie nunmehr mit eignen Händen Den Wunden ihres Herrn Genesung spenden. 68. Gern weihte sie dem Freunde Kunst und Kräfte, Und muß, gezwungen, sie dem Feinde weihn. Sie sinnt bisweilen, sich durch gift'ge Säfte Von dem verhaßten Gegner zu befrei'n; Doch will sich zu so böslichem Geschäfte Die fromme, jungfräuliche Hand nicht leihn. Sie wünscht zum mindsten, daß, bei solchem Brauche, Der Sprüch' und Säfte Kraft fruchtlos verrauche. 69. Auch würde sie es nicht für schrecklich achten, Zum Feind zu gehn; denn oft und vielerwärts Umhergewandert, sah sie Krieg' und Schlachten, Und führt' ein Leben voll Gefahr und Schmerz; So daß Gewohnheit längst zu kühnerm Trachten Hob über die Natur ihr weiblich Herz, Das nicht so schnell zu scheuer Angst sich neigte, Wenn irgendwo ein Schreckenbild sich zeigte. 70. Und mehr noch treibt der Liebe kühnes Feuer Die Furcht hinweg aus ihrer zarten Brust; Sie wär', umringt von allem Ungeheuer, Das Libyen nährt, sich keiner Angst bewußt. Doch, ist das Leben auch ihr nicht zu theuer, So fürchtet sie des edlen Rufs Verlust; Und feindlich kämpfen nun zwei mächt'ge Triebe In dem zerrissnen Herzen, Ehr' und Liebe. 71. Die Eine spricht: Du, die mit hohem Ruhme Bis jetzt, o Jungfrau, mein Gesetz bewahrt; Ich schützte dir, in Feindes Eigenthume Den keuschen Leib, die Seele, rein und zart. Und nun, als Freie, wirfst du weg die Blume, Die du so treu als Sklavin aufgespart? Weh mir! Wie ward dein zarter Busen offen Für solchen Wunsch? was kannst du denken, hoffen? 72. So wenig achtest du den Ruf der Ehre, Giebst nun so leicht den Preis der Keuschheit hin, Daß du, um Schmach zu suchen, willst zum Heere Des Feindes gehn, als nächt'ge Bulerin? Damit der stolze Sieger dir erkläre: Mit deinem Reich verlorst du Königssinn; Unwürdig bist du mein! und in die Hände Der Andern dich als niedre Beut' entsende. 73. Dagegen lockt, sanft schmeichelnd ihren Ohren, Der Andern Rath mit holden Trügerei'n: Du bist von keiner Bärin ja geboren, O junges Kind, von keinem kalten Stein, Daß Amors Pfeil und Fackel du verschworen, Und müßtest jeder Freude dich verzeihn; Noch ist dein Herz von Demant oder Eisen, Daß Liebe wär' als Schmach dir zu verweisen. 74. Auf, gehe nur, wohin dich Sehnsucht lenket! Und warum denkst du ihn als rohen Feind? Weißt du nicht mehr, wie ihn dein Leiden kränket, Wie er bei deinem Schmerz und Jammer weint? Feindlich bist du, die träge sich bedenket, Eh sie dem Treuen dort zur Hülf' erscheint. Tancred, der milde, schmachtet dort vergebens; Und du, Hartherz'ge, wartest fremden Lebens! 75. Ja, heil' Argant, damit er den erschlage, Der dich erlöst von niedrer Knechtschaft Hohn; So legst du deine Dankbarkeit zu Tage Und spendest dem Befreier würd'gen Lohn! Ist's möglich nur, daß nicht zur ärgsten Plage So sehr dir werde der verruchte Frohn, Daß Abscheu und Verdruß allein genügen, Dich fortzutreiben mit den schnellsten Flügen? 76. Welch schöner Dienst der Menschlichkeit hingegen, Und welche Wonne, welche sel'ge Lust, Wenn deine Hand, um heilend sein zu pflegen, Sich dürfte nahn der tapfern Heldenbrust! Wenn Rosen frisch sich auf der Wange regen, Und du wärst seiner Heilung dir bewußt, Und dürftest Reize, die jetzt traurig schmachten, Aufs neu' erblüht, als dein Geschenk betrachten! 77. Du würdest Theil an seinem Ruhme haben, An jeder hohen, ehrenwerthen That. Dann würd' er dich mit keuschen Küssen laben, Als froher Gatte zärtlich dir genaht; Dann, unter Latiums Frauen, hoch erhaben, Gingst du einher auf ruhmgeschmücktem Pfad, Dort, in Italiens heitern Regionen, Wo wahrer Muth und wahrer Glaube wohnen. 78. Geschmeichelt von so süßer Hoffnung, dachte Die Thörin sich ein Glück, wie keines mehr. Allein die Sorg' um ihr Entkommen machte Durch tausend Zweifel nun das Herz ihr schwer; Denn am Palast und auf den Mauern wachte Der Hüter Schaar, und streifte rings umher; Auch ward, in Kriegesnoth, zu keiner Stunde Ein Thor geöffnet, als aus wicht'gem Grunde. 79. Gar oft verweilt Erminia bei Clorinden, Mit der sie längst im Freundschaftsbunde war. Oft muß die Abendsonne dort sie finden, Oft wird das Morgenroth sie dort gewahr; Und oftmals auch, wenn alle Strahlen schwinden, Empfängt Ein Bett das schwesterliche Paar; Und kein Gedank' ist, außer dem der Liebe, Der vor der Freundin Brust Geheimniß bliebe. 80. Nur diesen hält Erminia ihr verborgen; Und wenn sie manchmal vor Clorinden klagt, So giebt sie andern Grund den herben Sorgen, Und scheint vom Schmerz um ihr Geschick zernagt. Nie wird daher am Abend noch am Morgen Der Zutritt zu der Freundin ihr versagt, Und kein Gemach, das sie nicht frei beschreite, Clorinde sei nun dort, im Rath, im Streite. 81. So kam sie einst, als ihre Freundin eben Abwesend war. In Sorgen tief versenkt Verweilt sie dort, der Seele ganzes Streben Auf Mittel zur ersehnten Flucht gelenkt. Indem nun wechselnd die Entschlüsse schweben, Und sie noch immer Sichres nicht erdenkt: Sieht sie Clorindens Wehr, dort oben hangend Zusammt dem Waffenrock, und seufzt verlangend. 82. Sie seufzt und spricht: O seltnes Glück des hehren, Des tapfern Weibes! Wie beneid' ich's ihr! Und nicht beneid' ich ihr des Ruhmes Ehren, Die Schönheit nicht, der Frauen Preis und Zier. Kein langer Rock darf ihrem Schritte wehren, Kein eng Gemach hemmt ihres Muths Begier. Nicht Furcht noch Schaam hält sie daheim; gerüstet Geht sie hinaus, sobald es sie gelüstet. 83. O warum hat so kräftig zu gestalten Natur und Himmel nicht auch mich gewußt? Den Schleier dann und des Gewandes Falten Für Helm und Panzer gäb' ich hin mit Lust; Dann hemmten Glut und Frost, und Sturmeswalten Und Regen nicht den Flammentrieb der Brust. Gewaffnet dann, allein und mit Geleite, Bei Tag und Nacht, wär' ich in Feldesweite. 84. Dann hätte nicht, Argant, mit dir Verwegnen Mein theurer Herr den ersten Gang gemacht; Voraus wär' ich gerannt, ihm zu begegnen, Und hätt' ihn jetzt vielleicht in meiner Macht. Wohl würd' er dann die süßen Bande segnen, So ihm die milde Feindin zugedacht; Und, o gewiß! durch seine Fesseln würde Erleichtert mir und sanft der meinen Bürde. 85. Allein hätt' Er, in blut'ger Kampfesstunde, Geöffnet mir die Brust, durchbohrt das Herz: Zum mindsten wäre dann der Liebe Wunde Durch seinen Stahl geheilt von allem Schmerz. Der müde Leib ruht' aus im kühlen Grunde, Die Seele wär' entflohen himmelwärts; Auch hätte dann der Sieger Asch' und Beine Mit Thränen wohl geehrt und einem Steine. 86. Doch weh! unmöglich ist mein Wunsch; ich jage In thörichten Gedanken mich umher. So bleib' ich hier in eitler Furcht und Klage, Wie eine von der Frau'n gemeinem Heer? Ich bleibe nicht! Mein Herz, vertrau' und wage! Warum nicht nehm' auch ich einmal die Wehr? Warum nicht tragen könnt' ich sie gemächlich Auf kurze Zeit, obwohl nur zart und schwächlich? 87. Ich kann es, ja! mich wird die Liebe rüsten Mit hoher Kraft, die sie auch Schwachen leiht; Der feige Hirsch, gespornt von ihren Lüsten, Bewaffnet ja mit Kühnheit sich zum Streit. Doch nicht im Kampf als Heldin mich zu brüsten, Zu schlauem Trug sei diese Wehr geweiht. Clorinde will ich sein; in ihren Waffen Bin ich gewiß, mir Ausgang zu verschaffen. 88. Den kühnen Schritt der Hehren zu beschränken, Hat keine Wach' am Thore wohl den Muth. Kein ander Mittel weiß ich zu erdenken, Nur dieser Weg scheint offen mir und gut. Glück möge Schutz unschuld'gem Truge schenken, Und nehm' ihn Liebe, die ihn lehrt', in Hut! Ich eile fort, eh diese Stund' entschwinde; Beim König ist zur günst'gen Zeit Clorinde. 89. Beschlossen ist's; von Liebeswut entglommen, Von ihr gespornt, hält sie nicht länger ein. Schon hat sie schnell die Rüstung abgenommen Und trägt sie in ihr nah Gemach hinein. Sie konnt' es wohl; denn als sie hergekommen, Macht' Alles Platz und ließ sie ganz allein; Auch war indeß die dunkle Nacht, verschwiegen, Der Dieb' und Liebe Schutz, herabgestiegen. 90. Und da schon hie und dort ein Stern zu schauen, Und tiefres Dunkel deckt des Himmels Bahn, So ruft sie heimlich die von ihren Frauen, Die ihr mit Lieb' am treusten zugethan, Sammt einem Knappen, dem sie darf vertrauen, Und sagt, zum Theil, den Beiden ihren Plan. Sie wolle fliehn, entdeckt sie; doch vom Grunde, Der sie bestimmt, ertheilt sie falsche Kunde. 91. Der treue Knecht besorgt sogleich die Pferde Und alles, was er sonst für nöthig hält. Sie legt nun ab die hemmende Beschwerde Des Prachtgewands, das bis zum Fuße fällt. So steht sie da mit reizender Geberde, Im leichten Rock, die Lieblichste der Welt; Und von den Frau'n bedient sie nur die Eine, Die zur Gefährtin sie erwählt, sonst Keine. 92. Den weichen Hals, vom goldnen Haar umflossen, Drückt und verletzt des Helmes rauhe Wehr; Die zarte Hand ergreifet, unverdrossen, Den großen Schild, ihr unerträglich schwer. So strahlt sie nun, vom Eisen rings umschlossen, Und geht, sich zwingend, kriegerisch einher. Voll Freude sah ihr Amor zu und lachte, Wie einst, da er Alcid zum Weibe machte. 93. O wie es ihr so schwer wird, auszuhalten Die große Last! wie schleicht ihr matter Schritt! Sie muß sich an die treue Freundin halten, Die langsam vor ihr her den Weg betritt; Doch stärkt den Geist der Lieb' und Hoffnung Walten Und theilet Kraft den müden Gliedern mit. So kommen sie zum Orte, wo indessen Der Knappe harrt, und schnell wird aufgesessen. 94. Verkleidet ziehn sie fort und wählen immer Nur die geheimsten Wege, mit Bedacht; Doch treffen sie auf vieles Volk, und Schimmer Von hellen Waffen leuchtet durch die Nacht. Allein sie aufzuhalten wagt man nimmer, Man räumt den Weg und läßt sie außer Acht; Denn diese weiße Tracht, das droh'nde Funkeln Des Tigerhelms, erkennt man auch im Dunkeln. 95. Obwohl nun mehr und mehr die Sorgen schwinden, Glaubt noch Erminia nicht gedeckt den Pfad; Noch immer fürchtet sie Verrath zu finden, Und zittert selbst vor ihrer kühnen That. Doch sucht sie sich am Thor zu überwinden, Und spricht zu dem, der dort die Wache hat: Clorinde bin ich, öffne sonder Weile! Mich schickt der Fürst, und mein Geschäfft hat Eile. 96. Die Weiberstimme, gleich genug den Tönen Der Kriegerin, erleichtert den Betrug. Wer denkt zu Roß sich eine von den Schönen In voller Wehr, die niemals Waffen trug? Auch eilt der Thorwart, dem Befehl zu fröhnen; Die Andern ziehn hinaus im schnellsten Flug Und wählen dann, zur Sicherheit der Reise, Im tiefen Thal weit umgekrümmte Gleise. 97. Erminia nun, da sie sich einsam findet Und fern genug, hemmt ihren Lauf gemach; Denn da die erste Noth so leicht verschwindet, Befürchtet sie nicht mehr, man setz' ihr nach. Doch was sie früher nicht bedacht, empfindet Sie jetzt nicht ohne Sorg'; und allgemach Dünkt schwerer ihr, als eiliges Verlangen Vorhin gezeigt, ins Lager zu gelangen. 98. Jetzt sieht sie ein, wie sehr es Thorheit wäre, In Kriegestracht dem Feinde sich zu nahn; Auch will sie Keinem sich vertrau'n im Heere, Eh den Geliebten ihre Blicke sahn. Geheim und unentdeckt, mit sichrer Ehre, Als Freundin ihn zu suchen, ist ihr Plan. Sie hält demnach, von besserm Rath geleitet, Und spricht zum Waffenknecht, der sie begleitet: 99. Du sollst, mein Treuer, mir als Bote frommen; Doch sei behend' und klug, wie sich's versteht. Ins Lager geh', und bist du aufgenommen, Laß alsobald dich führen zu Tancred. Sag', eine Jungfrau wolle zu ihm kommen, Die Heil ihm bringt und ihn um Frieden fleht; Um Frieden fleht, bekriegt vom Liebesdrange, Damit er Heil, Erquickung sie erlange. 100. So traue sie auf ihn, daß sie nicht zage, In seinem Schutz, vor Schmach noch vor Gewalt. Sag' ihm nur dies; auf irgend andre Frage Antworte nicht, und komm zurück alsbald. Ich wähl' indeß, denn dieses Ortes Lage Scheint sicher g'nug, hier meinen Aufenthalt. So redet sie; und wie mit Vogelschwingen Eilt Jener fort, den Auftrag zu vollbringen. 101. Er macht es klug, so daß man bei den Franken Des Lagers Eingang freundlich ihm gewährt; Man führt ihn gleich zur Ruhestatt des Kranken, Der seine Botschaft heitern Blicks erfährt. Und während Diesem zweifelnder Gedanken Zahllose Menge durcheinander gährt, Eilt Jener, mit der Antwort sie zu laben, Sie solle frei und heimlich Zutritt haben. 102. Doch sie, mit Mühe den Verzug ertragend, Harrt ungeduldig seiner Wiederkehr, Und zählt des Boten Schritt', im Stillen sagend: Nun ist er da, tritt ein, kommt wieder her. Schon däucht es ihr, und sie bemerkt es klagend, Er sei so schnell, wie sonst gewohnt, nicht mehr. Sie wagt zuletzt, den Hügel zu ersteigen, Wo ihrem Blick die Zelte schon sich zeigen. 103. Nacht war es, und den hellen Sternenschleier Entfaltet sie, ohn' einer Wolke Spur; Schon steigt der Mond herauf in stiller Feier Und überthaut mit Perlen rings die Flur. Das liebevolle Weib verhaucht nun freier Der Flammen Füll' am Busen der Natur, Und wagt, die alte Glut den stummen Auen Und der gewognen Stille zu vertrauen. 104. Sie schaut aufs Lager hin und spricht mit Beben: Wie blickt ihr, Zelte Latiums, hold mich an! Ich fühle Luft von euch herüber schweben, Die mich erquickt, ermuthigt, euch zu nahn. O mögte doch mein mühsam irres Leben Vom Himmel jetzt so würd'ge Ruh' empfahn, Wie ich nur such' in euch! Denn unter Waffen Hoff' ich allein mir Frieden zu verschaffen. 105. Nehmt mich denn auf und laßt mich hier empfangen, Was Liebe mir versprach, des Mitleids Lohn; Ach! wohl erhielt ich, fern von hier, gefangen, Von meinem milden Herrn ihn früher schon. Mich treibet nicht ehrsüchtiges Verlangen, Von eurer Gunst erwart' ich keinen Thron; Auch ohne den werd' ich beglückt mich glauben, Will man in euch zu dienen mir erlauben. 106. So ruft sie schwärmend aus und ahnet nimmer Des nahenden Geschickes herbe Qual. Sie stand an einem Ort, wo Mondesschimmer Die glatte Rüstung trifft mit hellem Strahl, So daß ihr weiß Gewand, der Waffen Flimmer, Im Silberscheine leuchtet weit durchs Thal; Und bei des Tigers Glanz, der wunderbarlich Vom Helme strahlt, ruft Jeder: Sie ist's wahrlich! 107. Nicht weit davon, im Hinterhalte, lagen Der Franken viel; so wollt's Erminia's Stern. Zwei Brüdern war die Führung übertragen, Alkander ist ihr Nam' und Polyfern. Ihr Auftrag war, die Heerden abzujagen, Die man zur Stadt geführt von nah und fern; Und kam der Knappe durch an dieser Stelle, So dankt' er's einem Umweg und der Schnelle. 108. Der junge Polyfern, vor dessen Blicken Der Vater stürzte durch Clorindens Hand, Glaubt hier die hohe Heldin zu erblicken, Da er gewahrt ihr schimmernd Kriegsgewand. Er kann des Zorns Aufwallung nicht ersticken, Kommt mit den Seinen auf sie los gerannt Und ruft im Ungestüm rachgier'gen Strebens: Du bist des Tods! und wirft den Speer vergebens. 109. Der Hindin gleich, die mit verlechzten Sinnen Nach frischem Wasser rings den Wald durchzieht, Und schon vom Felsen sah die Quelle rinnen, Den klaren Fluß, der durch Gebüsche flieht, Doch plötzlich nun, statt Labung zu gewinnen, Im dichten Busch die Hunde lauern sieht, Und schnell sich wendet, und vor Angst und Zagen Vergißt der Hitze, der Ermüdung Plagen: 110. So Diese, die, von Sehnsucht hingerissen, Der Liebe Durst, der ihre Brust durchdrang, Nun bald auf immer glaubt gestillt zu wissen In des Geliebten fröhlichem Empfang; Aufs neu' umringt von mächt'gen Hindernissen, Geschreckt durch Droh'n und wilder Waffen Klang, Giebt sie sich selbst und ihren Wunsch verloren Und treibt voll Angst das Roß mit beiden Sporen. 111. Erminia flieht, die Arme; durch die Fluren Jagt, flücht'gen Hufs, mit ihr das schnelle Roß. Die Andre flieht ihr nach, und ihren Spuren Folgt jener Wilde mit dem ganzen Troß. Die Nachricht, die sie leider nicht erfuhren, Bringt jetzt zu spät der gute Kriegsgenoß; Noch ungewiß, folgt er den flücht'gen Frauen, Und so zerstreut die Furcht sie durch die Auen. 112. Der andre Bruder, klüger von Betragen, Der auch die fälschliche Clorinde sah, Bleibt in der Stellung, ohn' ihr nachzujagen, Denn jenem Vorgang war er minder nah. Doch läßt er gleich die Kund' ins Lager sagen: Kein Rinderzug noch Wollenvieh sei da, Noch andre Beute sonst; vielmehr befinde Sich vor dem Bruder auf der Flucht Clorinde. 113. Und könn' er die Besorgniß nicht verhehlen, Daß sie, die anführt, nicht bloß kämpft im Streit, Nicht solche Zeit zum Auszug werde wählen Um einen Anlaß sonder Wichtigkeit. Doch Gottfried mög' entscheiden und befehlen, Ihm zu gehorchen sei er stets bereit. Die Nachricht kommt ins Lager, und erfahren Wird sie zuerst von den Lateinerschaaren. 114. Tancred, vorhin von Zweifeln noch beklommen, Denkt, da die neue Botschaft ihm gebracht: Sie ist zu mir gefällig hergekommen, Für mich in Noth; nichts weiter wird bedacht. Nachdem er einen Theil der Wehr genommen, Steigt er zu Roß, eilt fort in stiller Nacht Und jagt es, achtsam auf die neuen Spuren, Im allerschnellsten Lauf durch Thal und Fluren. Siebenter Gesang Siebenter Gesang. 1. Indessen war in dunkle Wälderschatten Erminiens Roß mit seiner Last geflohn; Denn freien Lauf muß ihm die Hand gestatten, Und zwischen Tod und Leben schwankt sie schon. Der Gaul durchstreift, nach Willkühr, ohn' Ermatten, So manchen Pfad der wald'gen Region, Daß sie zuletzt der Andern Blick' entschwindet, Und man die Jagd nunmehr vergeblich findet. 2. Wie oft die Hund' umkehren von der langen Mühsamen Jagd, schwerkeuchend, matt und lahm, Wenn jede Spur des Wildes ausgegangen, Das aus dem Blachfeld in den Wald entkam: So ziehen jetzt, mit Zornglut auf den Wangen, Die Ritter heim, ermüdet und voll Schaam. Sie aber flieht, und wagt, vor Angst und Grauen, Nach den Verfolgern nicht sich umzuschauen. 3. Sie irrt die Nacht, den Tag, mit blindem Jagen, Von keiner Leitung, keinem Rath bestimmt; Und ihre Thränen nur und ihre Klagen Sind alles, was sie schauet und vernimmt. Doch als die Sonne nun vom schönen Wagen Die Rosse löst und tief im Meer verglimmt, Naht sie dem Jordan sich auf irrem Pfade; Hier steigt sie ab und wirft sich ans Gestade. 4. Sie speiset nicht; denn Gram ist ihre Speise, Und nur mit Thränen wird ihr Durst getränkt. Allein der Schlummer, der dem Erdenkreise In seligem Vergessen Ruhe schenkt, Wiegt Sinn' und Schmerzen ein, indem er leise Auf sie herab den weichen Fittig senkt. Doch Liebe stört durch mancherlei Gestalten Den Frieden ihr, auch bei des Schlummers Walten. 5. Nicht eher wacht sie auf, bis von den Zweigen Der Vögel Heer mit Zwitschern grüßt den Wald, Die Wogen murmeln, sich die Büsche neigen, Und Morgenluft um Well' und Blume wallt. Die matten Augen öffnen sich und zeigen Ihr rings der Hirten stillen Aufenthalt; Ihr däucht, es ruf' aus Well' und Laub ein Tönen Sie nun zurück zum Weinen und zum Stöhnen. 6. Doch da sie weinend folgt dem Schmerzendrange, Füllt auf einmal ein heller Schall ihr Ohr, Als mische sich mit hirtlichem Gesange, Wie ihr bedünkt, ein kunstlos Haberrohr. Nun steht sie auf und nähert sich dem Klange, Und aus dem Schatten blickt ein Greis hervor, Der Körbe flicht, von seiner Heerd' umgeben, Indeß drei Kinder den Gesang erheben. 7. Als Diese nun die fremden Waffen schauen, Erschrecken sie und fürchten schon Gefahr. Doch Jene weckt mit holdem Gruß Vertrauen, Das Aug' enthüllend und das goldne Haar: Ihr, die der Himmel liebt, nehmt ohne Grauen, So redet sie, der schönen Arbeit wahr; Denn keinen Krieg soll diese Tracht der Waffen Dem stillen Werk, den holden Liedern schaffen. 8. Dann fuhr sie fort: O Vater, da im Lande Rings um euch her die Kriegesflamme zehrt, Wie bleibt ihr hier im stillen Friedensstande Und fürchtet nicht des Söldners wildes Schwert? Sohn, sprach der Greis, an diesem fernen Strande Blieb Haus und Heerde stets noch unversehrt Von Noth und Schmach, und nimmer drang das Brausen Des wilden Kriegs in diese stillen Klausen. 9. Vielleicht behütet uns des Himmels Milde, Die frommer Hirten Demuth hebt und hält; Vielleicht, so wie der Blitz nicht aufs Gefilde, Nur auf die Höhn erhabner Zinnen fällt, Bedränget mit ergrimmtem Schwert der wilde Ausländer nur die stolzen Herrn der Welt. Auch kann die Krieger, die nach Beute geizen, Der Armuth schlechtes, niedres Loos nicht reizen. 10. Nur Andern schlecht und niedrig, mir so theuer, Daß mich kein Wunsch nach Gold noch Scepter drängt; Daß nie des Geizes Gier, der Ehrsucht Feuer Eingang in meine stille Brust empfängt. Im Bache lösch' ich meinen Durst, von scheuer Besorgniß fern, er sei mit Gift gemengt. Gesunde Speisen, die ich nicht bezahle, Reicht Heerd' und Garten mir zum mäß'gen Mahle. 11. Geringes g'nügt, uns Unterhalt zu geben; Geringes nur ist unsrer Wünsche Ziel. Sieh meine Söhne, die mich hier umgeben, Der Heerde Schutz; was brauch' ich Knechte viel? So fließt in stiller Einsamkeit mein Leben; Mich freut der Hirsch' und Rehe muntres Spiel, Die Fische freu'n mich, die im Flusse springen, Die Vögel, die sich froh gen Himmel schwingen. 12. Auch mir hat andrer Wunsch, in jungen Jahren, Da man am meisten irrt, die Brust geschwellt; Ich hielt's gering, der Heerde nur zu wahren, Und ich verließ mein heimatliches Feld. Zu Memphis lebt' ich eine Zeit, den Schaaren Der königlichen Diener beigesellt: Und hatt' ich nur die Gärten zu besorgen, Blieb doch der Höfe Trug mir nicht verborgen. 13. Von kühner Hoffnung schmeichelnd hingehalten, Ertrug ich lang' ein jedes Ungemach. Doch endlich schwand, bei meines Bluts Erkalten, Die Hoffnung mir, die Kühnheit, nach und nach; Da sehnt' ich seufzend mich nach meiner alten, Verlornen Ruh, dem niedern Hirtendach: Hof, sprach ich, lebe wohl! und schnell entschieden, Kehrt' ich zum Wald zurück und lebt' in Frieden. 14. So spricht der Greis. Mit stiller Ueberlegung Horcht aufmerksam Erminia fort und fort, Und fühlt der Schmerzen stürmische Bewegung Zum Theil gestillt durch dieses weise Wort. Und sie beschließt, nach reiflicher Erwägung, An diesem einsam abgelegnen Ort Zum mindsten nun so lange zu verziehen, Bis vom Geschick ihr Heimkehr wird verliehen. 15. O du Beglückter – spricht sie mit Vertrauen – Der Leiden hat empfunden auch einmal! Läßt solchen Frieden dich der Himmel schauen, So gönne Mitleid nun auch meiner Qual Und nimm mich auf in diese holden Auen, Denn weilen mögt' ich hier im stillen Thal. Vielleicht wird meine Brust, darf ich hier rasten, Der schweren Bürde sich zum Theil entlasten. 16. Begehrtest du, was blinden Pöbels Wähnen Als Gott anbetet, Gold und Edelstein: Vermögt' ich leicht zu stillen dieses Sehnen, Denn noch genug von solchem Tand ist mein. Nun fängt sie an, indem des Kummers Thränen Dem Aug' entfließen, wie Krystall so rein, Von ihrem Leid den Hirten zu belehren, Und mitleidsvoll weint er in ihre Zähren. 17. Er tröstet sie mit väterlicher Güte, Beut liebreich ihr die stille Wohnung dar Und führt sie hin, wo, ähnlich von Gemüthe, Die schon bejahrte, treue Gattin war. Die Fürstin hüllt der Jugend holde Blüthe In groben Zeug und birgt das goldne Haar; Und doch, im Blick, in ihres Anstands Würde, Erscheint sie nicht Bewohnerin der Hürde. 18. Der Hoheit edler Glanz bleibt unverborgen, Obwohl sie nur im schlechten Kleide geht; Und auch beschäfftigt mit gemeinen Sorgen, Erstrahlt sie noch von hehrer Majestät. Sie führt die Heerden auf die Weid' am Morgen Und bringt zur Hürde sie am Abend spät, Und preßt die Milch, den Eutern abgewonnen, In runde Formen ein, wann sie geronnen. 19. Oft, wann die Heerd' in kühler Waldesdichte Sich schützte vor des Mittags heißem Strahl, Schnitt sie dem Stamm des Lorbeers und der Fichte Den theuern Namen ein wohl tausendmal, Und grub in tausend Bäume die Geschichte So seltner Lieb' und so unsel'ger Qual; Und las sie dann die eignen Züge wieder, So strömten Zähren heiß die Wange nieder. 20. Dann rief sie aus: Bewahr' in dir die Kunde, Wirthbarer Hain, so ich dir anvertraut: Damit, wann einst in diesem Schattengrunde Ein treuer Liebender dies Denkmal schaut, Wehmüth'ges Mitleid ihm das Herz verwunde Bei meiner Leiden schmerzenvollem Laut: O, sag' er dann, wie herben Lohn hienieden Hat Lieb' und Glück so großer Treu beschieden! 21. Und hört der Himmel jemals die Gebete, Die Sterbliche voll Inbrunst hier ihm weihn: So kommt vielleicht, der lebend mich verschmähte, Einst, wenn ich nicht mehr bin, in diesen Hain. Und blickt sein suchend Aug' auf jene Stäte, Die dann bewahrt mein schlummerndes Gebein, Wird er vielleicht so unverdienten Qualen Den späten Lohn von wenig Thränen zahlen. 22. Und war das Herz dem Elend hier zum Raube, So hat die Seel' im Tode doch Genuß, Wenn seiner Liebe Glut dem kalten Staube Ein Glück gewährt, dem Ich entsagen muß. So spricht die Arme zu dem stummen Laube, Und ihrem Aug' entströmt ein Thränenguß. – Tancred indeß, der ihr zu folgen denket, Irrt fern von ihr, wie ihn der Zufall lenket. 23. Er ließ zuerst von ihrer Spur sich leiten Und lenkte seinen Lauf zum nahen Wald. Doch aus den Bäumen dringt von allen Seiten So schwarz und dicht der Finsterniß Gewalt, Daß er sogleich in diesen Dunkelheiten Die Spur verliert und in der Irre wallt, Und nur die Ohren anstrengt, um zu lauschen, Ob Roßgetrampel schallt, ob Waffen rauschen. 24. Und wenn einmal des Nachtwinds leises Regen Der Ulm' und Buche zartes Laub berührt, Wenn Wild und Vögel einen Zweig bewegen, Er folgt sogleich, wohin der Schall ihn führt. Zuletzt entkommt er aus den Waldgehegen, Und ein Geräusch, das er von weitem spürt, Lockt ihn auf unbekanntem Pfad, vom vollen Mondlicht erhellt, dahin, wo es erschollen. 25. Dort angelangt, erblickt er eine Quelle, Die, reich und klar, lebend'gem Fels entsprang Und als ein starker Bach mit rascher Welle, Laut plätschernd, durch die grünen Ufer drang. Unmuthig macht er Halt an dieser Stelle Und ruft; allein er hört nur Wiederklang, Und sieht indeß mit weiß und rothen Strahlen Aurora schon den Rand des Himmels malen. 26. Er seufzt vor Grimm und zürnt, daß seinen Händen Der Himmel das gehoffte Glück entzieht; Doch heiße Rache schwört er zu vollenden, Wenn seiner Herrin jetzt ein Leid geschieht. Zum Lager nun beschließt er sich zu wenden, Obwohl er sich des Wegs nicht sicher sieht; Denn er bedenkt, es sei nicht fern vom Tage, Da er von neuem mit Argant sich schlage. 27. Er reitet fort mit ungewissem Schritte, Als plötzlich Rossestrab sein Ohr erreicht, Und aus dem Thale kommt, in schnellem Ritte, Ein Mann hervor, der einem Boten gleicht; Er schwingt die Peitsch' und trägt, nach unsrer Sitte, Zur Seit' ein Horn, das bis zur Hüfte reicht. Bei Diesem forscht Tancred, um zu erfahren, Wie er gelange zu den Christenschaaren. 28. Der sagt italisch: Eben dahin wende Ich meinen Ritt, gesandt von Bohemund. Ihm folgt Tancred, der sicher glaubt, ihn sende Sein großer Ohm, und traut dem falschen Mund. Zu einer Burg gelangen sie am Ende, Umringt von trüben See's morast'gem Grund, Zur Zeit, da sich die Sonne scheint zu neigen, Um in ihr nächtlich Haus hinabzusteigen. 29. Der Bote läßt sein Horn die Ankunft sagen, Und eine Brücke sinkt herab sofort. Nun spricht er zu Tancred: Weil' ohne Zagen, Bist du ein Christ, bis Tagesanbruch dort; Denn Graf Cosenza nahm, vor kaum drei Tagen, Den Saracenen diesen sichern Ort. Der Ritter hält, die Beste zu betrachten, Die Lag' und Kunst unüberwindlich machten. 30. Es fällt ihm ein, ob hinter diesen Thüren Der starken Burg vielleicht die Tücke wacht. Doch Todsgefahr kann seine Brust nicht rühren, Kein Wort, kein Blick verkündet den Verdacht; Denn wohin Schicksal oder Wahl ihn führen, Da will er sicher sein durch eigne Macht. Nur weil er andern Kampf schon eingegangen, Trägt er nach neuer Fehde kein Verlangen. 31. Er hemmt daher den Schritt, zum guten Glücke, Da, wo die Brück' auf einer Wiese ruht, Dicht vor der Burg, und folget nicht der Tücke Des falschen Führers, der zum Schloß ihn lud. Indem erscheint ein Ritter auf der Brücke, Dem Ansehn nach entflammt von Zorn und Wut; Gerüstet, in der Hand den bloßen Degen, Ruft der ihm zu, bedrohend und verwegen: 32. O du, der zu Armida's mächt'gen Reichen Durch Schickung oder Willkühr sich gewandt, Leg' ab die Wehr! Nicht denke zu entweichen, Und beut den Fesseln die gefangne Hand! Komm in dies Schloß, wo Alle deines Gleichen Sich unterwerfen dem, was Sie erkannt; Und hoffe nie, den Himmel mehr zu schauen Durch Jahreslauf und deines Haars Ergrauen, 33. Wenn du nicht schwörst, für sie, und wider jeden In Kampf zu gehn, der sich nach Christus nennt. Tancred betrachtet ihn bei diesen Reden, Bis er die Waffen und die Stimm' erkennt. Es war Rambald, der zu erlognen Fehden Armiden folgt' und ihrethalb bekennt Das Heidenthum, und den Gebrauch vertheidigt, Der hier besteht und alles Recht beleidigt. 34. Von heil'gem Zorn entbrennt der fromme Krieger, Und glüh'nden Blicks erwidert er im Flug: Ich bin Tancred, nichtswürdiger Betrieger! Ich, der für Christus stets die Waffen trug. Durch ihn nur ward ich seiner Feinde Sieger, Und dies erproben sollst du bald genug; Denn meine Rechte hat der Herr erkoren, Dein treulos Herz dir rächend zu durchbohren. 35. Rambald, als ihm der hehre Nam' erklungen, Erschrickt urplötzlich und erbleicht vor Grau'n. Doch spricht er keck: Von welcher Macht gedrungen, Kommst du, Unsel'ger, hier den Tod zu schau'n? Hier wird die Kraft gelähmt dir und bezwungen; Und dies dein stolzes Haupt, vom Rumpf gehau'n, Send' ich den Franken zu als Siegesbeute, Bin ich derselbe, wie vordem, auch heute. 36. So spricht der Heid'; und weil des Tages Sinken Nichts mehr erkennen läßt, als dunkle Nacht, Sieht man auf einmal tausend Lampen blinken, So daß ein neuer, heller Tag erwacht. Das Schloß erglänzt, wie auf des Meisters Winken Bei nächt'gem Fest der Bühne stolze Pracht. Erhaben sitzt Armida, ungesehen; Doch ihrem Aug' und Ohr kann nichts entgehen. 37. Der edle Kriegsheld rüstet sich indessen Mit Muth und Waffen zu gewalt'ger That; Vom matten Roß war er schon abgesessen, Weil ihm der Feind zu Fuß entgegen trat. Bedeckt vom Schild, des Helmes nicht vergessen, Das Schwert gezückt, kommt Jener nun genaht. Der Fürst eilt auf ihn zu in vollem Grimme, Mit wildem Blick und fürchterlicher Stimme. 38. Der Andre nähert sich in weiten Bogen Und droht zu hau'n, geschützt vom Waffenbach. Entschlossen kommt Tancred herangezogen Und faßt ihn hart, obwohl noch krank und schwach; Und wie Rambald sich kaum zurückgebogen, Rückt er sogleich aufs allerschnellste nach, Treibt fort, dringt zu, haut ein mit rascher Hitze Und lenkt auf sein Gesicht des Schwertes Blitze, 39. Und sucht am meisten stets den Ort zu finden, Wo die Natur die Lebensgeister nährt, Läßt stolzes Drohn mit Streichen sich verbinden Und macht, daß Furcht sich mit dem Schaden mehrt. Der hurt'ge Franke stiehlt durch Drehn und Winden Die leichten Glieder weg ihm unterm Schwert, Und setzt des Feindes fürchterlichen Schlägen Die Klinge bald und bald den Schild entgegen. 40. Doch sein Bemühn, dem Sturm sich zu entrücken, Ist minder schnell, als seines Gegners Wut. Schon ist der Helm zerhau'n, der Schild in Stücken, Durchbohrt der Harnisch und bedeckt mit Blut; Hingegen will kein einz'ger Hieb ihm glücken, Der seinem Feind den mindsten Schaden thut. Er zittert, zagt und fühlt sein Herz zerrissen Von Liebe, Zorn, Beschämung und Gewissen. 41. Verzweifelnd will er, um den Kampf zu enden, Die letzte Probe des Geschicks bestehn. Er wirft den Schild hinweg; mit beiden Händen Packt er das Schwert, das noch kein Blut gesehn, Und eilt, dem Gegner einen Hieb zu senden, Sich dicht ihm nähernd, dem zu widerstehn Kein Stahl vermag. Das Schwert durchzischt die Lüfte Und dringt ihm schmerzlich in die linke Hüfte. 42. Dann auf die breite Stirn haut er erbittert, So daß der Schlag wie eine Glocke schallt. Tancred, wird auch der Helm ihm nicht zersplittert, Nickt doch und wankt, indem das Eisen prallt. Nun fühlt er erst, wie ihn die Wut durchzittert; Aus seinen Augen sprüht des Grimms Gewalt, Und durchs Visir des Helmes dringt zusammen Der Zähne Knirschen mit der Blicke Flammen. 43. Den Anblick trägt er nicht, der falsche Heide, Nicht dieses Auges schrecklich blitzend Drohn; Das Eisen zischt, und tief im Eingeweide, Tief in der Brust, fühlt er die Wunde schon. Auf einen Pfeiler fällt des Schwertes Schneide, Denn zeitig noch ist ihm der Feind entflohn; Die Spän' und Funken fliegen auf mit Sausen, Und des Verräthers Herz durchfährt ein Grausen. 44. Er flieht der Brücke zu; nur durch die Schnelle Wird des Entkommens Hoffnung noch erfrischt. Allein Tancred verfolgt ihn auf der Stelle, Drückt Fuß an Fuß und glaubt ihn schon erwischt: Als plötzlich, zu des Flücht'gen Schutz, die Helle Des Fackellichts sammt jedem Stern erlischt; Und vom verarmten Himmel strahlt ins Dunkel Der blinden Nacht nicht mehr des Monds Gefunkel. 45. In diesen Nacht- und Zauber-Finsternissen Kann ihm Tancred nicht folgen, noch ihn sehn, Und darf, da jeder Lichtstrahl ihm entrissen, Unsicher nur und tappend weiter gehn. Zu einem Eingang kommt er, ohne Wissen; Er geht hindurch, und merkt nicht, was geschehn. Doch hinter ihm schließt krachend sich die Pforte Und sperrt ihn ein an einem dunkeln Orte. 46. Gleichwie der Fisch – wo unser Meer, vom Bogen Comacchio's eingehegt, zum Sumpf gerinnt – Um zu entgehn den sturmbewegten Wogen, In stillerm Wasser sich zu schirmen sinnt, Und so sich selber einschließt, rings umzogen Vom sumpf'gen Kerker, dem er nicht entrinnt; Denn dies Gefängniß seltner Art läßt immer Den Eingang frei, allein den Ausgang nimmer: 47. So war Tancred von selbst hier eingegangen – Wie immer auch der wunderbaren Haft Einrichtung sei – und fand sich da gefangen, Wo Niemand sich von selbst den Ausgang schafft. Wohl rüttelt' er am Thor; doch sein Verlangen Blieb ohne Frucht, trotz seines Armes Kraft. Da tönt ein Ruf: Umsonst ist dein Beginnen, Armidens Sklav, dem Kerker zu entrinnen! 48. Grab des Lebend'gen bleibt dir dies Gefängniß Auf ew'ge Zeit; Tod wäre dir noch Glück. Der Ritter schweigt und drückt des Leids Bedrängniß, Den bittern Gram, ins tiefe Herz zurück. Sich klagt er an, die Liebe, das Verhängniß, Den eignen Wahn, der Andern Bubenstück. Still sagt er oft, von Unmuth hingerissen: Leicht wär' es wohl, der Sonne Licht zu missen; 49. Doch weh! mir ist das süß're Licht benommen Der schönern Sonn', und weiß ich Armer nicht, Ob je an einen Ort ich werde kommen, Wo meinen Schmerz ein Liebestrahl durchbricht. Er denkt Argants, und wird noch mehr beklommen: Wie strafbar, spricht er, fehlt' ich meiner Pflicht! Wie muß er mich verachten und verhöhnen! O schwere Schuld! o Schmach, nie zu versöhnen! 50. So drücken jetzt der Ehr' und Liebe Schmerzen Des Kriegers Brust mit sorgenschwerer Last. Doch während sie die trüben Tag' ihm schwärzen, Hat nicht Argant auf weichen Federn Rast. So glühen Blut- und Ruhmgier ihm im Herzen, So sehr ist Ruh dem wilden Sinn verhaßt, Daß er mit Eifer wünscht, noch von der rauhen Verwundung krank, den sechsten Tag zu schauen. 51. Die Nacht vorher kaum will er Ruhe schaffen Dem müden Leib, der grimme Heidenheld, Und eilt, dem Lager schon sich zu entraffen, Eh noch ein Strahl des Berges Haupt erhellt. Dem Knappen ruft er zu: Gieb mir die Waffen! Und schon sind in Bereitschaft sie gestellt; Nicht die gewohnten: neue, hoch an Werthe, Die zum Geschenk der König ihm verehrte. 52. Er legt sie an – kaum mag er sie gewahren – Und diese Last, er fühlt sie nicht einmal, Und nimmt das alte Schwert, das er seit Jahren In Schlachten führt, vom allerfeinsten Stahl. Wie ein Komet mit gräulich blut'gen Haaren Schießt durch entbrannte Lüfte seinen Strahl, Furchtbarer Seuch' und Volksempörung Boten, Ein drohend Licht bepurpurten Despoten: 53. So ist Argant im Waffenschmuck zu schauen. Sein Auge flammt, berauscht von Zorn und Blut; Die furchtbare Geberd' haucht Todesgrauen, Und Todesdrohn haucht seiner Blicke Wut. So fest vermag kein Herz sich zu vertrauen, Daß es nicht bebt vor dieses Auges Glut. Laut brüllend, läßt er sein entblößtes Eisen Die finstre Luft mit leerem Hieb durchkreisen. 54. Bald soll der Räuber aus der Christenbande, Der, ruft er aus, mich zu erreichen glaubt, Daliegen, blutig und besiegt, im Sande, Mit Staub besudelt sein verruchtes Haupt. Noch lebend, seh' er, seinem Gott zur Schande, Von dieser Hand die Waffen sich geraubt; Und sterbend soll er nicht durch Flehn mir wehren, Sein Fleisch zum Mahl den Hunden zu gewähren. 55. Nicht anders brüllt der Stier durch Thal und Schlüfte, Wann Eifersucht ihn reizt mit scharfem Sporn, Und weckt in sich, beim Wiederhall der Klüfte, Durch sein Gebrüll die Rachgier und den Zorn. Mit leeren Stößen ladet er die Lüfte Zu Kämpfen ein und wetzt am Stamm sein Horn, Und wühlt im Sand und fordert aus der Weite Den Nebenbuler auf zum wilden Streite. 56. Von Wut gepeitscht, daß ihm die Lippen beben, Spricht er zum Herold in des Hochmuths Wahn: Ins Lager geh' und künd' auf Tod und Leben Furchtbaren Kampf dem Ritter Jesu an. Nun kann er nicht sich länger Ruhe geben, Schwingt sich aufs Roß, läßt den Gefangnen nahn, Enteilt der Stadt, und mit verhängtem Zügel, In tollem Lauf, sprengt er hinab den Hügel. 57. Er stößt ins Horn; mit grausenvollem Schalle Dringt durch das Feld die rauhe Stimm' hervor Und füllet rings, gleich Donners Wiederhalle, Mit rascher Furcht der Hörer Herz und Ohr. Versammelt ist in jenem Zelt, das alle An Umfang übertrifft, der Fürsten Chor. Der Herold bringt die Ladung, nennt Tancreden, Schließt aber Keinen aus von diesen Fehden. 58. Mit ernstem Blick und zweifelndem Gemüthe Hat Gottfried schon den ganzen Kreis durchspäht; Und doch, wie sehr sich Aug' und Geist bemühte, Zeigt Keiner sich, der solchem Werke steht. Verlassen hat ihn seiner Helden Blüthe: Noch keine Kund' ergab sich von Tancred; Auch Bohemund ist fern vom Heer, entwichen Der mächt'ge Held, durch den Gernand erblichen. 59. Und in Armidens trügrischem Geleite Flohn, außer jenen, die das Loos erwählt, Die Besten, die Berühmtesten im Streite, Vom Schweigen der gewognen Nacht verhehlt. Die Andern stehn beschämt und stumm zur Seite, Weil Kraft dem Arm, dem Geiste Kühnheit fehlt; Und Keiner will für Ruhm sein Leben wagen, So ganz besiegt ist Ehrgefühl vom Zagen. 60. An jeder Mien', an ihrem Blick und Schweigen Wird leicht der Feldherr diese Furcht gewahr. Von edlem Zorn fühlt er den Busen steigen, Und plötzlich tritt er mitten in die Schaar: Wohl müßt' ich unwerth mich des Lebens zeigen, Entzög' ich jetzt mein Leben der Gefahr, Zugebend, daß ein Heid', an dieser Stäte, So schimpflich unsern Ruhm mit Füßen trete. 61. Mein Lager mag den Frieden sich bewahren, Schau'n die Gefahr, selbst von ihr unerreicht. Auf! auf! bringt mir die Rüstung! Und schon waren Im Augenblick die Waffen ihm gereicht. Doch Raimund nun, deß längst gereiften Jahren Die edle Reife des Verstandes gleicht, Und dem, von Allen, Keiner überlegen An grüner Kraft, tritt dem Bouillon entgegen. 62. Nein, spricht der Greis, nie werden wir erlauben, Auf Eines Haupt das Heer gewagt zu sehn. Nicht Einen, Alles würdest du uns rauben; Als Feldherr sollst du, nicht als Krieger, stehn. Du stützest ja das heil'ge Reich, den Glauben; Durch dich soll Babels Herrschaft untergehn. Du sollst nur mit dem Geist, dem Scepter walten, Und Andre laß mit Schwert und Kühnheit schalten. 63. Und ich, obwohl mich zu gebeugtem Rücken Das Alter schon verdammt, gern tret' ich ein. Mag sich, wer will, der Kriegsgefahr entrücken; Mir soll das Alter nicht Entschuld'gung sein. O mögte so mich Jugendkraft beglücken, Wie euch jetzt, die ihr steht in bangen Reihn, In denen Zorn und Schaam so fest entschlafen, Daß nichts euch spornt, den Lästrer zu bestrafen; 64. Wie mich, als ich vordem – mir sah das ganze Germanien zu – vor Kaiser Conrads Thron, Dem wilden Leopold mit meiner Lanze Die Brust zerriß und gab den Todeslohn. Wohl war es eine That von höherm Glanze, Den Mann zu fällen, der noch nie geflohn, Als wenn man hier, allein, mit nacktem Arme, Jagt' in die Flucht ein Heer von diesem Schwarme. 65. Ja, wär' in mir noch jenes Blut und Feuer, Längst dämpft' ich dieses Stolzen Uebermuth. Doch wie ich sei: noch schlägt mein Herz nicht scheuer, Und auch dem Greise fehlt es nicht an Muth. Bezahlen soll den Sieg der Heide theuer, Und lass' ich auf dem Kampfplatz all mein Blut. Ich waffne mich; mein ganzes vor'ges Leben Soll dieser Tag mit neuem Glanz umgeben. 66. So spricht der hohe Greis, und für die Schaaren Ist seine Red' ein Sporn der Tapferkeit. Sie, die vorhin so stumm und furchtsam waren, Sind jetzt in Worten muthig und bereit. Nicht nur scheut Keiner mehr des Kampfs Gefahren, Gar Viele jetzt wetteifern um den Streit. Ihn wollen Balduin, Rüd'ger sich beschieden, Guelf, Stephan, Gernier und die beiden Guiden; 67. Und Pyrrhus, dessen Trug, mit Lob vernommen, Einst Antiochien gab dem Bohemund. Und um den Kampf wetteifern, muthentglommen, Jetzt Eberhard, Ridolf auch und Rosmund, Aus Schottland, Irland, Engelland gekommen, Durchs Meer getrennt von unserm Länderbund; Und ihn verlangen, mit beredter Lippe, Die treuen Gatten, Odoard und Gildippe. 68. Doch mehr entflammt, als alle diese Jugend, Den Heldengreis die edle Kampfbegier; Und schnell die Rüstung in einander fugend, Steht er bewehrt, bis auf des Helmes Zier. Ihm sagt Bouillon: O du, der alten Tugend Lebend'ger Spiegel! wollte Gott, in dir Schaut' unser Volk sein Muster, seine Lehre! Du zeigst ihm Krieges Kunst und Zucht und Ehre. 69. O wären noch zehn Andre mir gegeben, Dir gleich an Heldenwerth, bei jüngerm Blut: Wie wollt' ich dann das heil'ge Kreuz erheben, Wie tilgt' ich bald der Babel stolze Brut! Doch jetzt laß ab; erhalte noch dein Leben Zu Thaten, würd'ger für den grauen Muth. Mag ein Gefäß der Andern Namen fassen, Und sei der Spruch dem Zufall überlassen; 70. Vielmehr dem Höchsten, der sein heil'ges Wollen Vom Glück und vom Verhängniß läßt vollziehn. Doch Raimund steht nicht ab, und will, sie sollen Auch seinen Namen mit zum Loose ziehn. Nun läßt Bouillon die Zettel alle rollen In seinen Helm, und regt und schüttelt ihn; Und auf dem ersten, der dem Loos' entwunden, Wird Raimunds von Toulouse Nam' erfunden. 71. Der Nam' erschallt mit jauchzendem Empfange, Und Keiner wagt zu schmähn des Looses Wahl. Mit frischer Kraft erfüllt sich Stirn und Wange, Und so verjüngt der Greis sich auf einmal, Wie in der neuen Haut die wilde Schlange, Die, goldumglänzt, sich schmückt im Sonnenstrahl. Doch Gottfried nun, zur höchsten Freud' erhoben, Verheißt ihm Sieg und hört nicht auf zu loben. 72. Dann löset er sein Schwert vom Wehrgehänge Und reicht's dem Greise dar, und spricht im Flug: Dies ist das Schwert, das stets im Schlachtgedränge Der fränkische Rebell von Sachsen trug. Ich nahm es ihm, da, mit gerechter Strenge, Für tausendfache Schuld ich ihn erschlug. Stets war es siegreich mir in jedem Kriege; Nimm du es nun, und helf's auch dir zum Siege! 73. Der Heid' indeß, von Ungeduld entglommen Ob ihrem Zögern, droht von fern und schreit: O unbesiegtes Volk, o Volk der Frommen! Ein einz'ger Mann ruft euch heraus zum Streit. Mag doch Tancred, der große Kriegsheld, kommen, Traut er so viel auf seine Tapferkeit. Doch harrt er wohl, auf Federn weich gebettet, Der dunkeln Nacht, die Einmal ihn errettet? 74. So komm' ein Andrer, wenn er zagt; in Schaaren Kommt insgesammt zu Fuß und Roß heran, Wenn nicht ein Einz'ger von so Unzählbaren Mit mir zu kämpfen waget Mann an Mann. Seht da das Grab, gewürdigt zu bewahren Mariens Sohn; warum noch steht ihr an? Lös't eu'r Gelübde doch; der Weg ist offen. Welch größer Werk bleibt eurem Schwert zu hoffen? 75. So, wie mit Geißeln, wird mit bitterm Hohne Der Christenschaar vom Heiden zugesetzt. Doch Raimund duldet's nicht; von diesem Tone Fühlt er noch mehr, als Alle, sich verletzt. Gereizter Muth sieht nichts mehr, was er schone, Wenn er am rauhen Stein des Zorns sich wetzt; Und so besteigt nun Raimund auf der Stelle Den Aquilin, benannt von seiner Schnelle. 76. Geboren ward das Roß an Tajo's Wogen, Wo oft der kühnen Heerde Mutterpferd, Vom Liebeshauch des Frühlings angeflogen, Wann der Naturtrieb stärker in ihm gährt, Fruchtbarer Luft den Saamen hat entsogen, Mit offnem Schlund dem Winde zugekehrt; Und, wunderbar! vom lauen Hauch durchdrungen, Empfängt es mit Begier und wirft die Jungen. 77. Gewiß, du sprächest: die am leichtsten wehen, Die Himmelslüfte zeugten Aquilin, Sähst du so schnell, daß keine Spur zu sehen, Ihn ausgestreckt auf ebnem Sande fliehn; Sähst du ihn lenksam und gewandt sich drehen, Und rechts und links die engen Kreise ziehn. Dies edle Roß besteigt der Graf und sendet Aufwärts den Blick, da er zum Kampf sich wendet: 78. O Herr, der einst die unerfahrnen Waffen In Terebinth mit seinem Arm gelenkt; Der jenen starken Goliath hinzuraffen Gebot der Schleuder, die ein Knabe schwenkt': O mögst du jetzt auch mir den Sieg verschaffen! Durch mich sei dieser Heid' in Staub gesenkt; Daß jetzt ein Greis den Hochmuth überwinde, So wie er einst erlag vor einem Kinde. 79. So fleht der Graf, und sein inbrünstig Lallen, Von sichrer Hoffnung auf den Herrn beschwingt, Steigt auf im Flug zu den gestirnten Hallen, Wie von Natur empor die Flamme dringt. Der ew'ge Vater hört's mit Wohlgefallen Und wählet aus der Schaar, die ihn umringt, Ihm einen Beistand, der den Greis als Sieger Soll unverletzt entziehn dem frechen Krieger. 80. Der Engel, den vom ersten Augenblicke, Als Raimunds Eintritt in die Welt geschehn, Zum steten Schutz im irdischen Geschicke Dem wackern Mann die Vorsicht ausersehn: Da jetzt aufs neu mit gnadenvollem Blicke Der Herr ihm winkt, dem Greise beizustehn, Ersteigt die Burg, wo die gesammten Schaaren Der Himmelsmacht die Waffen aufbewahren. 81. Hier ruhn gehäuft die mächt'gen Donnerkeile Und der gewalt'ge Speer, des Drachen Tod, Und jene graunvoll unsichtbaren Pfeile, Die Pest erzeugen und viel andre Noth. Hier schwebt der große Dreizack hoch am Seile, Der schrecklicher als Alles uns bedroht, Wann er mit ehrner Kraft am Grundbau rüttelt Der weiten Erd', und rings die Städte schüttelt. 82. Hier flammt zugleich mit anderm Kriegsgeräthe Ein großer Schild vom hellsten Diamant; Vom Kaukasus bis an des Atlas Stäte Bedeckt er leicht die Völker und das Land, Und für gerechte Fürsten, heil'ge Städte, Wird dieses Schildes mächt'ger Schutz verwandt. Den nimmt der Engel jetzt, um ungesehen Mit ihm dem wackern Raimund beizustehen. 83. Schon füllte sich indeß die Mauerbreite Mit vielem Volk; auch sandte der Tyrann Clorinden aus mit mächtigem Geleite, Das rings am Hügel sich zu reihn begann. Zu gleicher Zeit rückt von der andern Seite Ein Christenhauf' in guter Ordnung an; Und der geraume Platz, den Beid' umfassen, Wird für den Kampf der Ritter frei gelassen. 84. Der Heide schaut umher; doch nicht Tancreden, Den unbekannten Kämpfer sieht er dort. Ihm sagt der Graf: Der, den du willst befehden, Ist anderswo, zu deinem Heil und Hort. Doch sei nicht stolz; du riefst der Franken jeden, Und prüfen will ich deine Kraft sofort; Denn kämpfen darf ich für den andern Ritter, Auch ist's erlaubt, daß ich erschein' als Dritter. 85. Der Stolze spricht mit lächelnd bitterm Munde: Wo weilt Tancred? Was hält ihn denn so fest? Ihn, der dem Himmel droht, und in der Stunde Des Kampfs sich nur auf seinen Lauf verläßt? Doch flieh' er zu des Meers, der Erden Grunde: Kein Ort ist, wo mein Schwert ihm Ruhe läßt! Du lügst, sagt Jener, wenn du vom Entweichen Des Tapfern sprichst, den du nicht kannst erreichen. 86. Der Heide knirscht: Nimm, ruft er mit Erboßen, Zum Rennen Platz; für ihn nehm' ich dich an. Bald wird sich's zeigen, ob dein Arm die großen, Tollkühnen Worte wohl vertheid'gen kann. So sprengen sie zum Kampf, und Beide stoßen Nach ihres Gegners Helm mit Macht hinan; Der brave Raimund trifft, wohin er zückte, Doch ohne daß sein Feind im Sattel rückte. 87. Argant durchrennt umsonst das Kampfgefilde, Sein Stoß – ein seltner Fehler ihm – bleibt leer; Denn jener Himmelshort hielt mit dem Schilde Von Raimund ab das mördrische Gewehr. Vor Wut zerbeißt die Lippen sich der Wilde, Zerbricht am Boden fluchend seinen Speer Und zieht den Stahl, und sprengt mit Sturmesdrange Auf seinen Gegner an zum zweiten Gange. 88. Wie Widder, die das Haupt zum Stoße senken, Rennt, graden Laufs, das mächt'ge Roß herbei; Doch Raimund eilt, zur Rechten abzulenken, Trifft seines Feindes Stirn und fliegt vorbei. Von neuem kommt Argant; mit neuem Schwenken Läßt Jener ihn zur Rechten und bleibt frei, Trifft wieder seinen Helm, und fruchtlos immer; Der Helm, demantner Härtung, weicht ihm nimmer. 89. Der Heide nun, um seinen Mann zu fassen In engerm Kampf, drängt und umschließt den Feind. Der Andre, der so ungeheuern Massen, Sammt seinem Roß, schier zu erliegen meint, Weicht aus, greift an, und, ohn' ihm Ruh zu lassen, Kreist so umher, daß er zu fliegen scheint; Und das behende Roß folgt den Befehlen Des Zügels stets, ohn' einen Schritt zu fehlen. 90. Wie vor der Burg, gedeckt durch ihre Lage Auf Höh'n, im Sumpf, ein Feldherr zieht umher Und tausend Weg' und Künste, Tag vor Tage, Versucht und übt: so macht's der Graf nunmehr. Und da er sieht, daß er mit keinem Schlage Verletzt der Brust, des stolzen Hauptes Wehr, Sucht er an schwächerm Ort hineinzudringen Und zwischen Stahl und Stahl sein Schwert zu bringen. 91. Schon hat die Wehr des Feindes manche Spalten, Schon macht' er oft sie lau und roth von Blut; Und seine Rüstung ist noch wohl erhalten, Und jeder Schmuck noch unversehrt und gut. Wie auch Argant nur toben mag und schalten, Vergebens braucht er alle Kraft und Wut. Doch unerschlafft verdoppelt er, nicht zählend, Der Hieb' und Stöße Meng', und stärkt sich fehlend. 92. Zuletzt gelingt ihm unter tausend Streichen Ein mächt'ger Hieb, und Raimund ist so nah, Daß Aquilin vielleicht nicht zu entweichen So schnell vermogt', als dieser Hieb geschah. Doch jener Bot' aus überird'schen Reichen Ist schon mit unsichtbarer Hülfe da; Er hebt den Arm und streckt dem wilden Degen Den diamantnen Himmelschild entgegen. 93. Die Klinge bricht – denn Widerstand zu schaffen Vermag kein Schwert, gestählt von Menschenhand, Den unzerstörbarn, ungemischten Waffen Des ew'gen Meisters – und sie fällt in Sand. Kaum glaubt's der Heide, der mit starrem Gaffen Die kleinen Splitter fallen sah aufs Land, Und staunt, da er entwaffnet spürt die Rechte, Daß mit so starker Wehr sein Gegner fechte. 94. Wohl glaubt Argant, die Klinge sei gesprungen Am andern Schild, den Raimund vor sich hält; Und Dieser ist vom gleichen Wahn bezwungen, Unwissend, welcher Schutz sich ihm gesellt. Kaum aber sieht der Graf das Schwert entrungen Der Feindeshand, als Zweifel ihn befällt; Denn niedre Beut', unedles Siegeszeichen Könnt' er, mit solchem Vortheil, nur erreichen. 95. Ergreif' ein andres Schwert! Schon wollt' er's sagen, Allein ihm fällt ein neuer Zweifel ein; Denn Schmach der Seinen wär's, würd' Er erschlagen, Der Kämpfer für den ganzen Volksverein. So will ihm nicht unwürd'ger Sieg behagen, Noch soll der Christen Ruf gefährdet sein. Indem er zaudert, säumt Argant nicht lange Und wirft Gefäß und Knauf ihm an die Wange. 96. Er sprengt zugleich, wild wie ein Ungewitter, Zum Ringen auf ihn los und naht ihm dicht. Dem Grafen trifft der Wurf des Helmes Gitter Und quetscht im Anprall heftig sein Gesicht; Doch unbestürzt entweicht der greise Ritter Dem starken Arm, der ihn beinah umflicht, Und eilt, den Heiden in die Faust zu hauen, Die ihn umklammern will, gleich Unthiersklauen. 97. Dann schwenkt er sich von der auf diese Seite, Von dieser nun auf die, ohn' Unterlaß; Und nah' er sich, enteil' er in die Weite, Stets wird sein Schwert vom Feindesblute naß. Die ganze Kraft, die ganze Kunst im Streite, Was neuer Zorn vermag und alter Haß, Er sammelt es, zum Fall Argants entschlossen, Und Glück und Himmel sind ihm Bundsgenossen. 98. Der Heide steht dem Angriff, sonder Wanken, Stark durch sich selbst und durch die feinste Wehr: Dem Schiffe gleich, dem Mast und Segel sanken, Das steuerlos wogt auf empörtem Meer, Und dennoch, da mit wohlgefugten Planken Die Seiten ihm gedeckt sind rings umher, Der wilden Flut sich zeigt noch ohne Spalten Und noch nicht ganz verzweifelt, sich zu halten. 99. So sehr, Argant! war guter Rath dir theuer, Als dir zum Schutz Beelzebub erwacht Und eine Wolke – seltsam Ungeheuer! – Zum leichten Schatten eines Menschen macht, Dem er Clorindens Hochgestalt in treuer Nachbildung giebt, sammt ihrer Waffentracht, Sprach', ohne Seel', in den bekannten Tönen, Und Haltung und Geberdungsart der Schönen. 100. Das Trugbild kommt zum Oradin, von allen Pfeilschützen dem erfahrensten, und spricht: Berühmter Oradin, der nach Gefallen Sein Ziel erwählt und trifft mit Zuversicht! Wie hart für uns, wenn Er hier sollte fallen, Der tapfre Held, der für Judäa ficht, Und wenn mit seiner Wehr, im Siegesprangen, Sein Gegner sollt' in Frieden heim gelangen! 101. Hier zeige deine Kunst, und mit dem Blute Des fränk'schen Räubers röthe deinen Pfeil; Denn, außer ew'gem Ruhm, kommt dir zu Gute Vom König würd'ger Lohn für solches Heil. Der Krieger bleibt nicht lang' im Zweifelmuthe, Sobald er hört, ihm werde Lohn zu Theil; Schnell aus dem Köcher ist der Pfeil gezogen, Er legt ihn auf und spannt den sichern Bogen. 102. Die Sehne schwirrt; der Pfeil, mit schnellen Schwingen, Fliegt ab und zischt, da er die Luft durchfährt. Und, wo des Gürtels Schnallen sich verschlingen, Bohrt er sich ein und trennt sie unverwehrt. Doch kann er nicht den Panzer tief durchdringen, Kaum wird er roth und kaum die Haut versehrt; Denn weiter läßt der Engel ihn nicht kommen, Der dem Geschoß die beste Kraft benommen. 103. Der Ritter zieht den Pfeil aus seiner Wunde, Und plötzlich springt das warme Blut hervor, Und, höchst erzürnt, wirft er mit droh'ndem Munde Dem Heiden die gebrochne Treue vor. Der Feldherr auch, der in so wicht'ger Stunde Den theuern Freund nie aus dem Blick verlor, Sieht des Vertrages Bruch, glaubt zu entdecken, Der Graf sei schwer verletzt, und bebt vor Schrecken. 104. Um würd'gen Lohn dem Frevel zu verhängen, Regt er die Seinen auf mit Wink und Schrei'n. Schon fallen die Visire, schon verlängen Die Zügel sich, die Speere legt man ein; Und nun, im gleichen Augenblicke, sprengen Von da und dort hervor die wilden Reihn. Das Feld verschwindet, und vom Kampfgewimmel Wälzt sich der Staub in Wolken hoch gen Himmel. 105. Beim ersten Anfall prasseln Helm' und Schilde, Und Lanzen krachen, daß die Erde dröhnt. Hier stürzt ein Roß, dort irrt durch die Gefilde Ein andres hin, das keinem Lenker fröhnt. Hier liegt ein Todter; Jener dort stößt wilde Verwünschung aus, und Dieser ächzt und stöhnt. Rauh ist die Schlacht, und wie gedrängter worden Das Kampfgemisch, so wächst und steigt das Morden. 106. Leicht wirft Argant sich mitten ins Gedränge, Reißt einen Kolben aus der nächsten Hand, Schwingt rasch ihn um sich her, die Breit' und Länge, Durchbricht die Schaar und säubert rings das Land. Nur Raimund sucht er in der Krieger Menge, Hat gegen ihn nur Zorn und Stahl gewandt, Und will, so scheint's, mit seinen Eingeweiden, Gleich einem gier'gen Wolf, den Hunger weiden. 107. Doch nun erscheint, den Weg ihm zu verlegen, Den Lauf zu hemmen, eine tapfre Schaar; Er findet Ormann, Guido sich entgegen, Den Balnavill und der Gerharde Paar. Er weicht nicht, zögert nicht; nur mehr verwegen Macht ihn der Helden Widerstand sogar: Wie Feuer, in verschlossnem Raum gehütet, Ausbricht mit Macht und doppelt furchtbar wütet. 108. Er tödtet Ormann, macht den Guido wanken, Wirft Balnavill matt zu der Todten Heer; Doch immer wächst der Waffen und der Franken Furchtbarer Kreis und drängt ihn mehr und mehr. Indem der Kampf, durch ihn allein im Schwanken, Wogt zwischen beiden Völkern hin und her, Beschließt Bouillon, den Bruder aufzumahnen, Und ruft ihm zu: Jetzt rege deine Fahnen, 109. Und auf den linken Flügel wirf die Deinen, Da, wo am stärksten brennt des Kampfes Glut. Der bricht hervor und stürzt zusammt den Seinen Seitwärts sich auf den Feind mit solcher Wut, Daß Asiens Völker schwach und furchtsam scheinen Und nicht mehr widerstehn dem Frankenmuth, Der ihre Reihn durchbricht, Panier' und Streiter Zu Boden wirft, und mit dem Roß den Reiter. 110. Vom gleichen Sturm wird auch der rechte Flügel In Flucht gejagt, und Keiner als Argant Vertheidigt sich; so, mit verhängtem Zügel, Treibt sie die Furcht hinaus ins weite Land. Nur er noch trotzt den Franken, fest im Bügel; Wer hundert Arm', in jeder rechten Hand Ein Schwert, ein Schild in jeder linken rührte, Er thäte kaum, was jetzt Argant vollführte. 111. Er steht dem Schwerthieb und dem Kolbenpralle, Der Speer' und Rosse drängendem Gewicht, Und scheint allein genug dem ganzen Schwalle, Und zeigt bald dem, bald dem sein Angesicht. Wund ist sein Leib, zerfetzt die Waffen alle, Blut strömt er aus und Schweiß, als fühl' er's nicht. Allein das Volk stößt, drängt ihn so gewaltsam, Daß es zuletzt ihn fortreißt unaufhaltsam. 112. Er wendet sich beim ungeheuern Drange Der Menschenflut, die ihn von hinnen reißt; Doch Flucht ist nicht im Herzen noch im Gange, Wenn Armesthat des Herzens Muth beweist. Noch macht der Augen Glut den Feinden bange, Noch droht aus ihr der alte zorn'ge Geist; Noch müht er sich, mit aller Macht des Strebens, Das flücht'ge Volk zu hemmen, doch vergebens. 113. Der kühne Held vermag nicht zu erringen, Daß sie gehaltner nur und mäß'ger fliehn, Denn Furcht mag weder Kunst noch Zügel zwingen; Er fleht, er herrscht: sie hören nicht auf ihn. Bouillon nunmehr, dem seines Plans Gelingen Des Glückes Beistand zu verbürgen schien, Folgt ungesäumt des Sieges frohen Bahnen Und schickt dem Siegerheere neue Fahnen. 114. Und war der Tag dies, der dem höchsten Gotte In seinem Rath von Ewigkeit gefiel: Wohl sah noch heut, dem mächt'gen Feind zum Spotte, Das Siegerheer der heil'gen Arbeit Ziel. Kaum aber ward gewahr die Höllenrotte, Wie sehr in diesem Kampf ihr Reich zerfiel, Als sie, da ihr's vergönnt, die Luft sich thürmen In finstre Wolken ließ und rief den Stürmen. 115. Sogleich erlischt, bedeckt von schwarzer Hülle, Der Sonne Glanz; mit mehr als Höllengrau'n Flammt rings der Himmel auf und läßt die Fülle Der Blitze nur und Wetterstrahlen schau'n. Der Hagel stürzt, beim Donnerwutgebrülle, Herab, zerschlägt und überschwemmt die Au'n. Der Sturmwind tobt, die Bäume rings zersplittern; Nicht Eichen nur, auch Fels und Hügel zittern. 116. Platzregen, Sturm und Ungewitter fahren Mit gleicher Wut den Franken ins Gesicht, Und unbezwinglich Grau'n hemmt ihre Schaaren, Da auf sie los solch plötzlich Wetter bricht. Die mindre Zahl nur kann den Platz bewahren Bei den Panieren; denn man sieht sie nicht. Clorinde nun läßt keine Zeit verloren – Sie war nicht fern – und giebt dem Roß die Sporen. 117. Sie ruft den Ihren zu: Für uns, Genossen! Kämpft jetzt der Himmel und beschützt das Recht. Wir sind verschont von seines Zorns Geschossen, Frei ist der Blick, die Hand uns zum Gefecht, Und in das Antlitz fahren seine Schlossen Dem Feinde nur, den die Bestürzung schwächt, Und gönnen Waffen nicht, noch Licht ihm weiter. Wohlauf zum Kampf, denn das Geschick ist Leiter! 118. So spornet sie das Volk, giebt ihren Nacken Dem Ungestüm der ganzen Hölle bloß, Eilt mit Gewalt das Frankenheer zu packen, Und achtet nicht den eiteln Widerstoß. Nun aber wendet auch Argant die Hacken Und stürmt mit Macht auf die schon Sieger los, Und Diese räumen das Gefild' und fliehen, Um sich dem Schwert und Sturme zu entziehen. 119. Den Nacken nun des flücht'gen Heers bedrohten Der Heiden Schwert, der Geister mächt'ge Wut, Und mit dem Regenstrom vermischt, in rothen Geschwollnen Bächen, floß dahin das Blut. Zur Schaar gemeiner Sterbenden und Todten Sinkt hier Ridolf, sinkt Pyrrhus in die Flut; Den würgt die Faust des grimmigen Circassen, Der muß den edeln Sieg Clorinden lassen. 120. So fliehn die Franken fort, und der Dämonen, Der Palästiner Wut verfolgt sie dicht. Bouillon allein, laut zürnend den Baronen, Die er mit Eifer mahnt an ihre Pflicht, Beut ohne Furcht den Feindeslegionen, Dem Blitz und Sturm sein sichres Angesicht, Und hält zu Roß am Thor, und sammelt alles, Was fliehend sich zerstreut, im Schutz des Walles. 121. Wohl stürmt er zweimal dem Argant entgegen Und drängt ihn weit zurück, der kühne Held; Wohl haut er zweimal ein mit nacktem Degen, Da, wo der Feind am dichtsten sich gestellt. Doch endlich zieht auch er zu den Gehegen Des festen Walles ein, und räumt das Feld. Der Feind kehrt um, und in des Lagers Schranken Verschließen sich, matt und bestürzt, die Franken. 122. Doch die Gewalt des Regenstroms, das Toben Des wilden Sturms verfolgt sie auch noch dort. Das Feuer wird verlöscht; der Wind von oben, Die Flut von unten, dringt an jeden Ort, Zerreißt das Tuch, zerbricht die Pfähl' und Kloben, Und führt die ganzen Zelte mit sich fort. Geheul und Regen, Sturm und Donnerbrausen Betäubt die Welt mit Harmonien voll Grausen. Achter Gesang Achter Gesang. 1. Der Donner schwieg, das Wetter war vergangen, Und Süd und Nord verstummten allgemach, Und schon, mit goldnen Füßen, ros'gen Wangen, Erschien Auror' aus himmlischem Gemach. Doch Jene, die der Stürme Wut erzwangen, Sie ließen nicht in ihren Tücken nach; Denn Astragor, auch einer aus dem Kreise, Sprach zur Alekto jetzt auf diese Weise: 2. Sieh dort, Alekto, sieh den Ritter kommen – Und nicht zu hemmen ist durch uns sein Gang – Der lebend jener furchtbarn Hand entkommen, Die unserm Reich so mächt'ge Hülf' errang. Erzählt nun Er den Franken seines frommen Heerführers und der Seinen Untergang, So thut er Großes kund, und wir befahren, Man wird Rinald heimrufen zu den Schaaren. 3. Wie noth es thut, dem mit Gewalt und Listen Sogleich zu widerstehn, ist dir bewußt. Drum geh' ins Lager, und was Er den Christen Zum Vortheil sagt, das wende zum Verlust. Laß Gift und Glut durch deine Kunst sich nisten In der Helvetier, Britten, Welschen Brust; Errege Zorn und Zwietracht und Empörung, Und wirke so des ganzen Heers Zerstörung. 4. Dein würdig ist das Werk; auch hast du dessen Dich stolz gerühmt in unsers Herrschers Rath. So sagt er ihr, und dies genügt; vermessen Wagt sich das wilde Scheusal an die That. Dem Lagerwall der Christen war indessen Der Ritter, der verkündet ward, genaht, Und sprach zu Ein'gen: Leitet doch, ich bitte, Ihr Krieger, zu dem Feldherrn meine Schritte. 5. Gar Viele sind, die willig ihn geleiten, Weil Jeder Neues zu erfahren denkt. Er neigt sich tief, zum Kusse der geweihten, Verehrten Hand, die Babels Stolz gesenkt. Herr, spricht er dann, der mit des Weltmeers Weiten Und mit den Sternen seinen Ruhm beschränkt, O könnt' ich bessre Botschaft dir ertheilen! Hier seufzt er tief und spricht nach kurzem Weilen: 6. Sueno, der einz'ge Sohn des Herrn der Dänen, Der Ruhm, die Stütze seiner Alterszeit, Begehrte längst zu kämpfen unter Jenen, Die sich mit dir dem heil'gen Krieg geweiht. Kein Zagen vor Beschwerd' und Noth, kein Sehnen Nach Herrschermacht, selbst nicht die Zärtlichkeit Für den bejahrten Vater, ihm so theuer, Schwächt' in der jungen Brust dies edle Feuer. 7. Er wünschte nun zum rauhen Kriegesstande Von dir, dem hohen Meister, ehrenvoll Sich eingeweiht; auch achtet' er für Schande, Daß noch sein Nam' in Dunkelheit verscholl, Da ihm Rinaldo's Ruhm durch alle Lande, Schon in der Jugend reif, entgegen schwoll. Doch mehr noch trieb ihn eifrigstes Begehren, Nicht nach der Erde, nach des Himmels Ehren. 8. Nichts hielt ihn auf; vom heimischen Gestade Führt' er ein Heer versuchter Krieger fort Und wandte rasch gen Thracien seine Pfade, Nach jener Stadt, des Reiches erstem Ort. Der Griechen Kaiser nahm ihn auf voll Gnade, Und deiner Boten einer sagt' ihm dort, Wie Antiochien, trotz des Feindes Horden, Erobert erst und dann vertheidigt worden; 9. Vertheidigt wider Persien, das zum Streite Herausgesandt ein so unzählbar Heer, Als wäre nun die ungeheure Weite Des ganzen Reichs von Volk und Waffen leer. Er nannte dich und Andre dir zur Seite, Doch nach Rinaldo nannt' er Keinen mehr. Die kühne Flucht erzählt' er und die Thaten, Die unter euch so herrlich ihm gerathen. 10. Er fügt' hinzu, wie bald schon diesen Thoren Bestürmung drohe durch der Franken Reihn, Und rief ihn auf, eh ganz die Zeit verloren, Des letzten Siegs Gefährte noch zu sein. Dies ernste Wort dringt tief, wie scharfe Sporen, In das Gemüth des kühnen Jünglings ein; Die Stunde wird ein Jahr dem raschen Muthe, Bis Schwert und Hand sich färbt mit Heidenblute. 11. Der Andern Ruhm, so däucht es seinem Eilen, Schilt ihn als feig, was seinen Stolz empört; Und wer ihm räth, ihn bittet, zu verweilen, Wird nicht erhört und selbst nicht angehört. Gefahr und Ruhm noch nicht mit dir zu theilen, Ist der Gefahren einz'ge, die ihn stört; Von allen Nöthen scheut er nur die Eine, Der andern kennt er oder fürchtet keine. 12. Er selbst beschleunigt nun des Schicksals Walten, Des Schicksals, das ihn führt, uns mit ihm reißt; Denn kaum des Aufbruchs kann er sich enthalten, Bis sich der erste Morgenschimmer weist. Den nächsten für den besten Weg zu halten Strebt' unsers Herrn und Führers kühner Geist; Drum wollt' er nicht die schlimmsten Pässe meiden, Noch feindliches Gebiet gereizter Heiden. 13. Bald mußten wir des Mangels Plag' erfahren. Bald rauhen Weg, bald List, bald offne Macht; Doch wir besiegten Drangsal und Gefahren: Bald floh der Feind, bald fiel er in der Schlacht. So manch gelungner Sieg hatt' unsre Schaaren Zur Sicherheit, zum Uebermuth gebracht, Als eines Tages wir im Lager standen, Nicht ferne mehr von Palästina's Landen. 14. Dort war vom Vortrab uns Bericht gekommen, Man höre Waffenlärm und Kriegsgeschrei, Und hab' auch andre Zeichen wahrgenommen, Daß große Heerschaar in der Nähe sei. Doch unser Herr blieb ruhig, unbeklommen; Geist, Blick und Stimme schien nicht minder frei, Obgleich an Vielen, bei dem Schreckberichte, Die Furcht sich wies im bleichen Angesichte. 15. O welche Märtyr- oder Sieges-Krone, So ruft er aus, scheint unserm Haupt zu nahn! Mehr hoff' ich die; doch jene, gleich an Lohne Und höhern Werths, lockt minder nicht mich an. Ein heil'ger Tempel sei dem fernsten Sohne, Zu unserm Ruhm, o Brüder! dieser Plan, Wo staunend soll die späte Nachwelt sehen Auf unsre Gräber oder Siegstrophäen. 16. So spricht der Fürst, stellt Wachen, ordnet Runden Und spendet Jedem seine Müh' und Pflicht. In Wehr zu ruhn wird Jedermann verbunden, Er selber trennt sich von der Rüstung nicht. Noch weilte jetzt die Nacht in jenen Stunden, Wo sie am meisten Still' und Schlaf verspricht: Als der Barbaren Mordgeheul erschallte, Das vom Gewölb' und Abgrund wiederhallte. 17. Zum Kampf! Zum Kampf! so ruft man, und vor Allen Springt Sueno schon hervor in voller Wehr; Aus seinen Blicken sieht man Strahlen wallen, Sein kühnes Antlitz leuchtet hell und hehr. Und siehe! plötzlich sind wir überfallen; Rings drängt ein dichter Kreis sich um uns her, Ein Schwert- und Lanzenwald starrt uns entgegen, Und auf uns stürzt der Pfeile scharfer Regen. 18. Im so ungleichen Kampf – denn zwanzig Heiden Stehn wider Einen, als die Schlacht beginnt – Muß viel der Feind von unserm Schwerte leiden, Das in die Nacht hineinhaut, keck und blind; Doch Keiner kann im Dunkeln unterscheiden, Wie viel der Todten, der Verletzten sind. Die Nacht deckt unsern Schaden, und die Werke Deckt sie zugleich von unsrer Heldenstärke. 19. Nur Sueno ragt hervor so ohne Gleichen, Daß Jeder leicht ihn unterscheiden kann, Und selbst im Finstern kennt man an den Streichen Des Schwertes ihn, dem nie ein Feind entrann. Ein Strom von Blut, ein hoher Berg von Leichen Sind Wall und Graben um den tapfern Mann; Es scheint, wo man ihn wahrnimmt im Gefechte, Da bringt sein Auge Furcht, Tod seine Rechte. 20. So kämpfen wir, bis mit dem Morgenthauen Des Lichtes erster Schimmer sich enthüllt. Doch als nunmehr entweicht des Dunkels Grauen, Das uns bis jetzt des Todes Grau'n verhüllt, Da läßt der Tag uns einen Anblick schauen, Der jede Brust mit Schmerz und Schrecken füllt: Rings auf dem Feld die Todten aufgeschichtet, Und unsre ganze Heerschaar fast vernichtet. 21. Kaum Hundert von Zweitausend der Genossen Sind übrig noch. Wenn auch dies bittre Schau'n, So Vieler Tod, so Vieler Blut vergossen, Sein kühnes Herz erfüllt mit Schmerz und Grau'n, Doch zeigt er's nicht. Auf, ruft er unverdrossen, Auf, folgen wir den Tapfern mit Vertrau'n, Die, fern vom Styx und des Avern Gestade, Mit ihrem Blut gemarkt des Himmels Pfade! 22. Der Jüngling spricht's, und (glaub' ich) im Gemüthe So sterbensfroh, wie's kund sein Aeußres thut, Trägt er die Brust, die Heldenkraft durchglühte, Entgegen der Barbaren roher Wut. Kein Stahl, und wär' er von demantner Güte, Hielt aus die Streiche, wodurch Er mit Blut Das Schlachtfeld überströmt in weiter Runde; Auch ist sein ganzer Leib nur Eine Wunde. 23. Der Heldenmuth allein, nicht mehr das Leben, Giebt diesem grausen Leichnam Kraft und Halt. Getroffen, trifft er, ohne nachzugeben; Wie man ihn angreift, wächst ihm die Gewalt. Da, siehe! stürzt auf ihn, mit blut'gem Streben, Ein großer Mann von schrecklicher Gestalt, Und dem, vereint mit vielen Kriegsgesellen, Gelingt's, nach langem Wutkampf, ihn zu fällen. 24. Er sinkt – o herber Fall! – und der Genossen Vermag ihm Keiner Rache nur zu weihn. Bezeug's, o Blut, das er so wohl vergossen, Du, meines Herrn ruhmwürdiges Gebein: Ich schonte nicht mein Leben; unverdrossen Drang ich auf Lanzen und auf Schwerter ein. Und schien mein Tod dort oben nur gerathen, Wohl hätt' ich ihn verdient durch meine Thaten. 25. Nur Ich sank lebend auf die Leichen-Schichten, Und wohl ist Keiner, der mich lebend glaubt; Auch kann ich nichts vom Feinde mehr berichten, So ganz war die Besinnung mir geraubt. Als mir gelang, die Augen aufzurichten – Denn lang' umzog ein dunkler Flor mein Haupt – Da schien es Nacht, und meine Blicke sahen, Noch matt und schwach, ein wankend Licht sich nahen. 26. Nicht übrig war der Kraft genug dem Schwachen, Um rings umher die Dinge klar zu sehn; Ich sah, wie Einer zwischen Traum und Wachen, Dem jetzt die Augen zu, jetzt offen stehn. Und heft'ger fühlt' ich nun den Schmerz erwachen, Weit lästiger der Wunden bittre Wehn, Geschärft durch rauhe Nachtluft und die Kälte Auf bloßer Erd' und unterm Himmelszelte. 27. Stets näher kam indeß das Licht gegangen, Auch nahte, murmelnd, sich ein leiser Ton. Am Ende schien es bei mir anzulangen, Und ich erhob den Blick, ob mühsam schon. Zwei Männer, Fackeln in der Hand, mit langen Gewändern sah ich, und vernahm: O Sohn, Vertraue du dem Herrn! Er hilft den Frommen Und eilt sogar, dem Flehn zuvorzukommen. 28. So sprach der eine Mann, und wie zum Segen Erhob er über mich zugleich die Hand, Und flüsterte mir leise Tön' entgegen, Wovon ich wenig hört' und nichts verstand. Er sprach: Steh' auf! Ich that's mit leichtem Regen, Da ich gesund und ohne Schmerz mich fand. O herrlich Wunder! ja, in alle Glieder Floß neue Kraft und neues Leben nieder. 29. Ich sah sie an mit hocherstaunten Mienen, Und glaubte noch die sichre Wahrheit kaum. Was zweifelst du? spricht Einer jetzt von ihnen, Und welchem Wahn, Kleingläub'ger, giebst du Raum? Dir ist in uns wahrhafter Leib erschienen, Und Diener Jesu sind wir, die dem Traum Der Welt entsagt, und ihrem eiteln Streben, Um hier in rauher Einsamkeit zu leben. 30. Zum Werkzeug deiner Rettung auserlesen Hat mich der Herr, der die Geschaffnen zählt Und oft zu großen Thaten niedre Wesen, Zu mächt'ger Wirkung schwache Mittel wählt. Auch will er jenen Leib nicht sehn verwesen, Den hier ein so erhabner Geist beseelt, Mit dem er dort, in jenen sel'gen Hainen, Unsterblich, leicht, verklärt sich soll vereinen. 31. Ich meine Sueno's Leib; ihm sei erhoben Ein Grabmal, werth so großer Tapferkeit, Das noch die fernste Nachwelt möge loben, Und das man zeig' und ehre, weit und breit. Jetzt aber wende deinen Blick nach oben, Sieh jenen Stern in Sonnenherrlichkeit. Hinführen wird dich jetzt der Strahlenreiche Zu deines edeln Herrn entstellter Leiche. 32. Da nehm' ich wahr, daß eine Funkenwelle Dem Stern, vielmehr der nächt'gen Sonn', entfließt, Die, wie ein goldner Streif, bis zu der Stelle Des großen Leichnams schimmernd sich ergießt Und über ihn verstreut so starke Helle, Daß jede Wunde flammt und Strahlen schießt. Und ich, sogleich, erkenn' ihn sonder Irrung, In dieser graunvoll blutigen Verwirrung. 33. Nicht auf dem Antlitz lag er; wie sein Streben Sich immer nur den Sternen zugekehrt, Mußt' er auch jetzt den Blick gen Himmel heben, Wie Einer, der nur Himmlisches begehrt. Die Rechte hielt gepackt, als wollt' er eben Noch einhau'n in den Feind, das mächt'ge Schwert; Die Linke lag auf seines Busens Mitten Und schien von Gott Vergebung zu erbitten. 34. Indeß ich wusch mit Thränen seine Wunden, Und doch mein Schmerz Erleichtrung nicht genoß, Hatt' ihm der heil'ge Greis den Stahl entwunden, Den mannhaft noch die Heldenhand umschloß: Dies Schwert, begann er, das vor wenig Stunden So manchen Strom von Feindesblut vergoß, Ist, wie du weißt, vollkommen, und ich glaube, Daß ihm kein andres Schwert den Vorzug raube. 35. Drum, ward es jetzt vom ersten Herrn geschieden Durch bittern Tod, ist droben ihm erkannt, Daß nicht es solle müßig sein hienieden, Vielmehr aus starker gehn in starke Hand, Der, es zu brauchen, Kraft und Kunst beschieden Auf längre Zeit, mit fröhlicherm Bestand, Und die mit ihm – denn dazu ist's erkoren – Den Mörder Sueno's rächend soll durchbohren. 36. Durch Solyman fiel Sueno jetzt, und fallen Soll Solyman durch Sueno's Stahl nunmehr; Drum nimm ihn und geh hin, wo vor den Hallen Der hohen Stadt sich lagert Christi Heer. Und fürchte nicht aufs neue, beim Durchwallen Des fremden Landes, Hemmung und Beschwer; Denn jede Noth des rauhen Pfades wendet Die hohe Rechte deß, der dich gesendet. 37. Mit dieser Stimme, so dir zu bewahren Der Herr gewürdigt, sollst du nicht entstehn, Die Frömmigkeit, den Muth zu offenbaren, Die an dem theuern Fürsten du gesehn; Auf daß sein Beispiel weck' auch andre Schaaren, Sich mit des Kreuzes Purpur zu versehn, Und daß es jetzt und bis zum fernsten Ziele Entflamme noch der edeln Herzen viele. 38. Nun ist nur übrig noch, daß ich bemerke, Wer dieses Schwert als Erbe soll empfahn: Das ist Rinald, der Jüngling, dem an Stärke Und Heldenmuth es Keiner gleich gethan. Ihm gieb's und sage, daß zum Rächerwerke Der Himmel und die Welt nur ihn ersahn. – Noch horcht' ich still auf seines Mundes Laute, Als ich erstaunt ein neues Wunder schaute. 39. Denn dort, wo Sueno's Leichnam lag so eben, Ward ich ein hohes Grabmal jetzt gewahr, Das, wie es sich erhob, ihn hatt' umgeben; Wie, und durch welche Kunst, ist mir nicht klar. Des Kriegers Namen und sein würdig Streben Stellt' eine Schrift in wenig Worten dar. Nicht trennen konnt' ich mich vom theuern Orte, Beschaute bald den Marmor, bald die Worte. 40. Hier, sprach der Greis, hier wird bei seinen Treuen Der edle Leichnam deines Feldherrn ruhn, Indeß die Geister sich der Liebe freuen Und ew'gen Lohn empfangen für ihr Thun. Doch jetzt laß ab, die Thränen zu erneuen; Du hast der Pflicht genügt, so ruhe nun. Du wirst mein Gast sein, bis mit hellerm Blinken Die Morgenstrahlen dir zur Reise winken. 41. Der Alte schwieg und lenkte nun die Tritte Bald über Höh'n, durch enge Klüfte bald. Bei einer Grotte hemmten wir die Schritte, Die sich in Felsen wölbt, im dichten Wald. Und hier ist, in der Wölf' und Bären Mitte, Sein und des Schülers sichrer Aufenthalt; Denn bessre Wehr, als Schild und Panzer schaffen, Sind nackter Brust der Unschuld heil'ge Waffen. 42. Des Waldes Kost, die harte Lagerstelle, Bot meinen Gliedern Ruh' und Labung an. Doch als im Ost die Gold- und Purpurhelle Des Morgenschimmers zu erglühn begann, Erhoben zum Gebet, mit frommer Schnelle, Sich jene Beiden, und auch ich sodann. Drauf nahm ich Abschied von dem heil'gen Greise Und lenkt' hieher, nach seinem Wink, die Reise. 43. Der Deutsche schwieg; mit gramerfülltem Munde Erwiedert ihm Bouillon: Du bringst hieher, O Rittersmann, uns eine schlimme Kunde, Und wohl mit Recht dünkt sie uns hart und schwer. Ein wenig Land, in einer kurzen Stunde, Verschlang ein so getreues, tapfres Heer; Und euer Fürst, dem Blitze zu vergleichen, Mußt' auf einmal erscheinen und entweichen. 44. Doch wie? ein Tod, geprägt mit solchem Stempel, Ist mehr als Land und Gold, dem Feind geraubt. Nie sah das alte Capitol Exempel, Daß schönrer Lorbeer eine Stirn umlaubt. Nun schmücket, in des Himmels Strahlentempel, Der ew'ge Siegkranz ihr unsterblich Haupt; Dort, glaub' ich, zeigen sie die edlen Narben Mit Freud' und Stolz, die sie so schön erwarben. 45. Du aber, der für Drangsal' und Gefahren Noch bleibt zurück im Kriegesdienst der Welt, Erfreue dich des Siegs der tapfern Schaaren, Und, wie's geziemt, sei nun dein Blick erhellt. Und weil du vom Rinaldo willst erfahren, So wiss', er streift umher auf fernem Feld. Drum such' ihn nicht auf ungewisses Hoffen, Eh sichre Kunde von ihm eingetroffen. 46. Dies ihr Gespräch weckt und erneut das Sehnen, Das nach Rinalden jede Brust bewahrt; Und Mancher spricht: Ach! unter Saracenen Schweift er umher auf irrer Wanderfahrt! Und fast kein Einz'ger ist, der nicht dem Dänen Des Jünglings Werke preisend offenbart; Und so entwickeln All' ihm um die Wette Der hohen Thaten staunenswürd'ge Kette. 47. Als jede Brust nun durch Rinalds erneute Erinnerung sich schmerzlich fand berührt: Da kam ein Trupp, der, wie der Kriegesleute Gewohnheit ist, nach Vorrath umgespürt. Sie hatten diesmal nicht geringe Beute An Horn- und Wollenvieh herbei geführt; Auch etwas Korn ward mitgebracht vom Trosse, Und Futter für die heiße Gier der Rosse. 48. Und Diese bringen jetzt ein traurig Zeichen, Das durch den Schein gewissen Unglücks schreckt: Rinaldo's Waffenrock, zerfetzt von Streichen, Und seine Wehr, zerhau'n, mit Blut befleckt. Schon hört man das Gerücht durchs Lager schleichen, Und wie auch blieb' ein solcher Fall versteckt? Schon läuft das Volk herbei mit Schmerz und Grauen Bei dieser Kund', und will die Waffen schauen. 49. Es sieht und kennt, von tiefem Gram bezwungen, Den ungeheuern Harnisch bald genug, Die Waffen mit dem Vogel, der die Jungen Prüft an der Sonn' und noch nicht traut dem Flug. Denn immer sah es sie vorangedrungen, Wenn nicht allein, bei jedem kühnsten Zug, Und sieht sie jetzt, unwillig und bekümmert, Im Staube liegen, blutig und zertrümmert. 50. Schon wird im Lager manch Gerücht vernommen, Und mancher Grund des Todes wird gesagt; Da läßt der Feldherr Alipranden kommen, Den Führer derer, so die Beut' erjagt, Den wackern Mann, freimüthig, unbeklommen, Als wahrhaft wohl bekannt. Der Feldherr fragt: Wie sind, und wo, die Waffen aufgefunden? Laß Gutes mich, wie Böses, rein erkunden. 51. So fern, spricht Jener, daß man auf dem Wege Von hier zwei Tag' im Botenschritt verbringt, Nach Gaza hin, trifft man ein Thalgehege, Vom Pfad' ein wenig ab, von Höh'n umringt. Von oben fällt ein Flüßchen, das nur träge Mit leisem Gang durch Bäum' und Bäume dringt; Und dichtes Holz und Buschwerk hüllt die Stelle In dunkle Nacht, bequem für Ueberfälle. 52. Nach Heerden suchten wir, die zu den Fluren Vielleicht gekommen an des Baches Rand, Und fanden hier im Grase blut'ge Spuren Und eines Kriegers Leichnam, hart am Strand. Wir Alle sahn die Rüstung kaum, und fuhren Erschrocken auf; sie ward sogleich erkannt. Ich nahte mich, das Antlitz zu beschauen, Allein ich fand, das Haupt sei abgehauen, 53. So auch die rechte Hand; mit vielen Wunden War Brust und Rücken überall besä't; Auch ward, nicht fern, der leere Helm gefunden, Auf dem der Aar mit weißem Fittig steht. Ich spürt' umher, um Weitres zu erkunden, Da ward ein Bauersmann von mir erspäht, Der gleich, umkehrend, sich zum Fliehen schickte Mit großer Hast, sobald er uns erblickte. 54. Doch ward er eingeholt, und wir erfahren, Was er zuletzt auf unsre Frag' entdeckt: Es kamen Tags zuvor zahlreiche Schaaren Zum Wald heraus, weßhalb er sich versteckt. Von diesen einer hielt an blonden Haaren Ein abgetrenntes Haupt mit Blut befleckt, Das, wie es schien dem angestrengten Sinne, War eines Jünglings, ohne Haar am Kinne. 55. Und in ein Tuch, das er am Sattel führte, Wand drauf derselbe dieses Haupt hinein. Soviel der Landmann an der Tracht verspürte, Schien dieser Trupp von unserm Volk zu sein. – Ich ließ den Leib entkleiden, und mich rührte Schon der Verdacht zu thränenvoller Pein. Die Waffen nahm ich mit, und gab Befehle, Daß nicht ihm schickliche Bestattung fehle. 56. Doch muß ihn wohl ein würd'ger Grab umfassen, Gehört der Rumpf dem ruhmgekrönten Mann. Wie dies gesagt, wird Aliprand entlassen, Da er nichts Sichres mehr berichten kann. Bouillon erseufzt; doch sucht er sich zu fassen Und nimmt die That noch als gewiß nicht an; An Zeichen erst, die mehr die Wahrheit fördern, Will er den Rumpf erkennen sammt den Mördern. 57. Die stille Nacht erscheint und deckt indessen Des Himmels Raum mit ihren Flügeln zu; Der Schlaf, der Seelen Rast, des Leids Vergessen, Wiegt, leise schmeichelnd, Sinn und Sorg' in Ruh. Nur du, o Argillan! das Herz zerfressen Von scharfer Pein, denkst große Dinge du. Auf die empörte Brust, die Augenlieder, Senkt keine Ruh, kein Schlummer sich hernieder. 58. Aufbrausend, wild, geneigt zum Widerstande, Von kühner Zung' und rasch entflammtem Muth, Wuchs Argillan herauf am Tronto-Strande, Im Bürgerzwist genährt mit Haß und Wut. Geächtet dann, verheert' er jene Lande Und übergoß Gestad' und Höh'n mit Blut; Bis er nach Asien kam zum heil'gen Kriege Und edlern Ruhm erfocht durch bessre Siege. 59. Am Morgen erst ward Schlummer ihm gestattet, Doch dieser Schlummer war nicht sanft und leicht; Alekto hatt' ihn düster überschattet Mit schwerer Dumpfheit, die dem Tode gleicht. Die innre Kraft und Thätigkeit ermattet, Da selbst im Schlaf die Ruhe von ihm weicht; Denn grausam sucht die Furie, durch Gestalten Furchtbaren Anblicks, ihn im Schreck zu halten. 60. Das Scheusal eines Rumpfes – abgehauen Sind Kopf und rechte Hand – stellt sie ihm vor; Die linke hält, entsetzlich anzuschauen, Den nackten Schädel, blutig, bleich empor. Das Todtenantlitz athmet, und, o Grauen! Es spricht, und Blut und Röcheln dringt hervor: Flieh, Argillan! Siehst du kein Licht noch zücken? Flieh vor des Lagers Gräul, des Führers Tücken! 61. Wer sichert euch vor ihm, der mich erschlagen, Vor Gottfried, theure Freund', und seinem Trug? Der Bösewicht, den Haß und Neid zernagen, Sucht euern Tod, so wie er mich erschlug. Doch, will dein Arm für edeln Ruhm sich wagen, Vertraut er seiner Tapferkeit genug: So fliehe nicht, so laß mit Todesstöhnen Den Wütrich meinen irren Geist versöhnen. 62. Ich selber will, als Schatte, dich behüten, Mit Zorn und Stahl dir waffnen Brust und Hand. So sagte sie und haucht' ein neues Wüten In seinen Geist, wie er noch nie empfand. Er fuhr empor, und aus den Augen sprühten Dem aufgeschreckten Krieger Gift und Brand, Und, schon bewaffnet, rief er, von den Flammen Des Zorns durchglüht, Italiens Volk zusammen. 63. Wo aufgehängt Rinaldo's Waffen waren, Vereint er sie. Mit stolzem Angesicht Und frecher Stimme gießt er vor den Schaaren Den neuen Groll, den Unmuth aus, und spricht: Soll denn ein Schwarm Tyrannen und Barbaren, Der Recht verachtet, Treu' und Glauben bricht, Nie satt des Bluts und Goldes, so uns placken, Uns, mit dem Zaum im Mund, dem Joch im Nacken? 64. Daß wir, gefesselt von so rauhem Bande, Mit solcher Last schon sieben Jahr' uns mühn, Darüber wird im Grimm- und Zornesbrande Rom und Italien noch nach tausend glühn. Ich schweige, daß Tancred Ciliciens Lande Durch Arm und Geist bewältigt, stark und kühn, Und daß des Franken Trug sie ihm entzogen, Und List den Muth um seinen Lohn betrogen. 65. Ich schweige, daß, wenn man in Fährlichkeiten Schlagfert'ge Faust und kühnen Geist begehrt, Die Unsern stets, wo tausend Tode streiten, Vorangehn, keck, mit Feuer und mit Schwert. Doch wenn hernach, in Muß' und Friedenszeiten, Der Lorbeer und die Beute wird bescheert: Nicht wir alsdann, nur sie allein empfangen Herrschaften, Gold, Ruhm und Triumphesprangen. 66. Daß sie so schmählich uns mit Füßen traten, Schien einst vielleicht mit Recht uns roh und wild; Jetzt acht' ich's kaum: die gräßlichste der Thaten Macht allen frühern Unglimpf leicht und mild. Ermordet haben sie Rinald, verrathen Was als Gesetz vor Gott und Menschen gilt. Und blitzt der Himmel nicht? und ziehn die Klüfte Sie nicht hinab zur ew'gen Nacht der Grüfte? 67. Todt ist Rinald! Er, der zum Schwert und Schilde Dem Glauben diente, liegt noch ungerächt, Blutig, zerfleischt, auf nackendem Gefilde; Denn man versagt ihm selbst des Grabes Recht. Ihr fragt bestürzt: Wer war der gräßlich Wilde? Wer, o Gefährten, kennt nicht dies Geschlecht? Wem ist es unbekannt, wie jene Beiden, Gottfried und Balduin, welschen Muth beneiden? 68. Braucht's noch Beweis? Beim Himmel will ich's schwören, Der uns vernimmt, den man nicht täuschen kann: Ich sah, zur Zeit da Tag und Nacht sich stören, Als irren Geist den unglücksel'gen Mann. O welch ein Anblick, gräßlich, zum Empören! Was kündet dies von Gottfrieds Bosheit an! Ich sah ihn, nicht im Traum; wohin ich sehe, Scheint's daß er jetzt noch mir vor Augen stehe. 69. Was jetzt zu thun? Wie? lassen wir von Händen, Besudelt mit so frech vergossnem Blut, Uns immerdar beherrschen? Oder wenden, Von Diesen fern, wir uns zu Euphrats Flut, Die Städt' und Dörfer rings mit reichen Spenden Nährt und beglückt für Völker sonder Muth? Vielmehr für uns; wir werden sie erbeuten Und theilen nicht die Macht mit fränk'schen Leuten. 70. Wir wollen gehn, und keine Rach' empfange Dies edle Blut, wenn das euch G'nüge schafft. Zwar, wär' euch jener Muth, der schon so lange Im Schlummer lag, noch frisch und unerschlafft: Dann sollte die verpestend gift'ge Schlange, Die Latiums Blüth' und Zierde hingerafft, Durch ihren Tod und Martern ohne Gleichen Dem andern Ungethüm ein Beispiel reichen. 71. Ja, wagte nur eu'r hoher Muth zu wollen, Was er vermag, so sollt' an diesem Ort Das schnöde Herz, von Gift und Haß geschwollen, Noch heute büßen den verruchten Mord. So spricht er wild und reißt zu seiner tollen Verblendung Wahn die Andern mit sich fort, Und: Waffen! Waffen! tobt er, blind und wütig, Und: Waffen! tobt die Jugend, übermüthig. 72. Alekto schwingt die glutbewehrte Rechte Und schüttet Gift und Flammen auf das Heer. Der Haß, die Raserei, die ungerechte Begier nach Blut wächst immer mehr und mehr, Und diese Pest, erzeugt im Reich der Nächte, Schleicht von den Zelten der Lateiner her Zu den Helvetiern fort, aus deren Mitten Sie weiter dringt zur Lagerstatt der Britten. 73. Der harte Fall, des Heers Verlust befeuert Nicht mehr allein der fremden Völker Wut; Manch alter Zwist, dem nur die Zeit gesteuert, Trägt Nahrung zu und Stoff der neuen Glut. Der längst verjährte Groll wird jetzt erneuert; Tyrannisch, ruchlos heißt der Franken Brut; Und schon, in stolze Drohungen ergossen, Bricht aus der Grimm, und bleibt nicht mehr verschlossen. 74. So dampft und sprudelt in des Kessels Räumen Das Wasser, von zu starker Glut erhitzt; Es faßt sich selbst nicht mehr; mit wildem Schäumen Entwallt es dem Gefäß, und braust und spritzt. Nicht mehr genügt, das tolle Volk zu zäumen, Die kleine Zahl, die bessres Licht besitzt; Und Wilhelm und Camill sind fern den Zelten, Tancred und Alle, die am meisten gelten. 75. Das wilde Volk, in wirrigem Gedränge, Rennt zu den Waffen schon von da und dort. Aufrührischer Trommeten rauhe Klänge Erfüllen schon, Lärm blasend, jeden Ort. Zu Gottfried eilt indeß der Boten Menge Und mahnt, daß er sich waffnen soll sofort; Und Balduin kommt vor Allen, wie zum Streite Durchaus bewehrt, und stellt sich ihm zur Seite. 76. Bouillon, die Anklag' hörend, hebt die Blicke Und giebt sich, wie er pflegt, in Gottes Hut: Du siehst, o Herr, in diesem Augenblicke, Wie meine Hand sich scheut vor Bürgerblut; Zerreiße diesen Schleier denn, ersticke In ihrer Brust die ausgelassne Wut, Und laß die Unschuld, offenbar dem Himmel, Auch sichtbar sein dem blinden Erdgewimmel! 77. Er schweigt; und Glut, vom Himmel ausgeflossen, Durchströmt ihn so, daß seine Brust sich hebt Von hoher Kraft und Hoffnung, und entschlossen Sein Blick erstrahlt, durch neuen Muth belebt. So naht er sich, umringt von den Genossen, Dem, der Rinaldo's Tod zu rächen strebt, Und weder Kampfgeschrei noch Waffenklirren, Das ihn umbraust, vermag den Schritt zu irren. 78. Er trägt den Harnisch, und mit reichen Falten Umgiebt ihn ein Gewand von seltner Pracht. Hand und Gesicht sind bloß; mit mächt'gem Walten Erstrahlt sein Blick, von Himmelsglanz durchfacht. Er schwingt das goldne Scepter; niederhalten Soll diese Waff' allein des Aufruhrs Macht. So zeigt er sich, so spricht er zu der Menge, Und übermenschlich tönen diese Klänge: 79. Welch eitler Waffenlärm wird hier erhoben? Wer ist's, der solch ein thöricht Drohen wagt? So kennt ihr mich, nach diesen langen Proben? Dies ist die Achtung, die für mich ihr tragt? Man hat Verdacht, man billigt ihn mit Toben; Verruchter That wird Gottfried angeklagt! Hofft ihr vielleicht, daß ich vor euch mich neige, Und Gründe sag' und mich euch flehend zeige? 80. Nie hören soll die Welt, voll meiner Ehre, Daß meiner Würd' ich einst so viel vergab! Vertheid'ge mich der Wahrheit strenge Lehre, Der Thaten Ruhm und dieser Herrscherstab. Der Gnade weiche jetzt des Rechtes Schwere, Und Strafe falle nicht auf Schuld herab. Eu'r alt Verdienst soll diesem Fehler frommen, Und auch Rinald mag euch zu Gute kommen. 81. Nur Argillan wasch' ab mit blut'gen Wogen Die ganze Schuld, die auf dem Stifter ruht, Der, von dem leichtesten Verdacht betrogen, Die Andern aufgereizt zu gleicher Wut. Er sprach's, und Blitz' und Wetterstrahlen flogen Aus seinem Antlitz mit so heller Glut, Daß Argillan, in gänzlicher Vernichtung, Erbebt – wer glaubt's? – vor eines Blickes Richtung. 82. Und dieses Volk, von dem, in wildem Gähren, Man erst nur Trotz und Uebermuth vernahm, Das so bereit den Fackeln, Schwertern, Speeren, Die ihm die Wut gereicht, entgegenkam, Hört schweigend jetzt das stolze Wort des Hehren, Senkt seine Stirn, gedrückt von Furcht und Schaam, Und sieht den Argillan, von Freundeswaffen Umringt, geduldig in den Kerker schaffen. 83. Ein Löwe so, der erst mit grausem Dröhnen, Laut brüllend, stolz, die rauhe Mähne schwang, Wann er gewahrt den Herrn, der durch Gewöhnen Bezähmt der Wildheit angebornen Drang Kann nachmals, feig, dem niedern Joche fröhnen, Aus Furcht vor Drohn und strengem Herrscherzwang, Und auf das große Vließ, die Zähn' und Klauen, Wie stark sie sind, wagt er nicht mehr zu trauen. 84. Man sagt, es ward ein Krieger wahrgenommen, Geflügelt, drohender Geberd' und wild Von Angesicht, der alsobald den frommen Bouillon umschloß mit dem Vertheid'gungschild Und zückt' ein blitzend Eisen, zornentglommen, Von dem noch Blut herabfloß aufs Gefild; Vielleicht das Blut von Städten oder Landen, Die Gottes spät erwachten Zorn empfanden. 85. So stillt sich der Tumult, und Alle legen Die Waffen ab, Viel' auch den argen Sinn. Ins Zelt kehrt Gottfried heim, und dem Erwägen Des neuen Planes giebt er ganz sich hin; Denn auf zum Sturm will er die Seinen regen Noch vor des dritten, vierten Tags Beginn. Dann geht er und beschaut die großen Werke, Erbaut aus Balken von unmäß'ger Stärke. Neunter Gesang Neunter Gesang. 1. Doch als das große Höllenungeheuer Den Zorn gestillt, die Herzen ruhig sieht, Unlenkbar ihm des Schicksals festes Steuer, Und wandellos was ew'ger Will' entschied: Da weicht's, und schnell erblaßt der Sonne Feuer, Die Flur vertrocknet, wo's vorüberzieht; Und andres Unheil, andre Wut zu bringen, Beschleunigt es zu neuem Werk die Schwingen. 2. Die Furie, wissend, fern vom Lager walle, Durch ihrer Brüder List und Emsigkeit, Der Sohn Bertholds; auch sei Tancred und alle Die Tapfersten des Heers getrennt und weit, Rief aus: Was warten wir? Jetzt überfalle Sie Solyman mit unversehnem Streit! Gewiß, ich hoff's, winkt uns zu hohem Siege Ein Heer, geschwächt, und mit sich selbst im Kriege. 3. Sie spricht's und fliegt zu ihm, dem anerkannten Heerführer irrer Schaaren, Solyman; Denn unter allen, die von Gott sich wandten, War Dieser jetzt der stärkste, kühnste Mann, Und brächt' aufs neu die Erde der Giganten Furchtbare Brut hervor, er wär's auch dann. Er war der Türken Herrscher, und erlesen Zum Sitz des Reichs Nicäa ihm gewesen. 4. Da streckte sich zur Griechenküste nieder, Vom Sangar zum Mäander hin, sein Land, Wo man vordem Bithyner, Myser, Lyder Und Phryger und des Pontus Volk gekannt. Doch nachmals, da die fremden Waffen wider Die Türken und die Heiden sich gewandt, Ward er des Reichs beraubt, und er, geschlagen, Erlitt zweimal gewalt'ge Niederlagen. 5. Er sucht' umsonst sein Unglück zu bezähmen; Vom Vaterland trieb ihn der Christen Macht, Und nach Aegypten mußt' er Zuflucht nehmen, Wo ihn der Fürst empfing mit Würd' und Pracht, Voll Freude, daß zum großen Unternehmen Solch tapfrer Mann sein Schwert ihm zugebracht. Denn schon beschloß er vor der Christenschaaren Eroberung das heil'ge Land zu wahren. 6. Doch eh' er sich erkühnt, wie er beschlossen, Mit offnem Krieg den Feind zu überziehn, Wollt' er die Araber als Bundsgenossen, Für vieles Gold, durch Jenen an sich ziehn. Indeß die Seinen nun zusammenflossen Aus Asien und dem Mohrenland, erschien Fürst Solyman und dingt' Arabiens Haufen, Raubgierig jederzeit und leicht zu kaufen. 7. Mit Diesen streift' er durch Judäa's Lande Auf Raub und Plündrung, als ihr Oberhaupt; Auch war seitdem der Weg vom Meeresstrande Zum Frankenlager Keinem mehr erlaubt. Und stets gedenkend der erlittnen Schande, Des alten Throns, den ihm der Feind geraubt, Wälzt er um Größres glühend die Gedanken, Doch ungewiß und immer noch im Schwanken. 8. Ihm naht Alekto zu gelegnen Stunden Und stellt sich ihm als greiser Kriegsmann dar, Von Antlitz bleich, in Runzeln eingeschwunden, Mit glattem Kinn, nur auf der Lippe Haar. Mit langem Linnen ist das Haupt umwunden, Bis auf den Fuß hängt faltig der Talar. Der Rücken trägt den Köcher; an den Lenden Hat sie das Schwert, den Bogen in den Händen. 9. Wir, spricht sie, streifen in den öden Schauern Der Wüst' umher, im unfruchtbaren Sand, Wo wir nicht können Beute mehr erlauern, Noch Sieg empfahn, der rühmlich sei genannt. Gottfried indeß bestürmt die hohen Mauern Und hat sie mit den Thürmen schon berannt, Und bald erblicken wir, säumst du noch immer, Selbst hier den Einsturz und der Flammen Schimmer. 10. Sind Schaafe nun, und Rinder, und vom Brande Verzehrte Hütten Solymans Trophä'n? So hoffest du Herstellung deiner Lande? So den Verlust, die Schmach gerächt zu sehn? Sei kühn! sei kühn! Inmitten seiner Bande Muß der Tyrann zur Nachtzeit untergehn. O folg' Araspen, dem bewährten Manne, Deß Rath du oft erprobt im Reich, im Banne! 11. Die Araber verachtet er, die Schwachen, Denkt nicht an uns, ist nicht auf seiner Hut, Noch glaubt, daß eine Schaar, zum Beutemachen, Zum Fliehn gewöhnt, so Großes wagt und thut. Doch muthig wird dein Heldenmuth sie machen, Wenn nun das Lager wehrlos liegt und ruht. So redet sie und bläst mit Flammenhauche Wut in sein Herz, und schwindet gleich dem Rauche. 12. Der Krieger ruft, die Hand gen Himmel hebend: O du, der diese Glut im Herzen schürt, Als Mensch gestaltet, doch als Mensch nicht lebend, Ich folge dir, wohin dein Ruf mich führt. Schon komm' ich, wo Gefild ist, Berg' erhebend, Von Todten und Verletzten aufgeführt. Blutströme schaff' ich; sei mir du zur Seite Und lenke meine Faust im nächt'gen Streite! 13. Er ruft das Volk und redet so zu Allen, Daß auch der Feig' und Träge sich ermannt, Und setzt mit Flammen, die sein Herz durchwallen, Die Schaar, bereit zur Heeresfolg', in Brand. Schon läßt Alekto die Posaun' erschallen Und schwingt das Hauptpanier mit eigner Hand. Rasch zieht das wilde Heer, vielmehr es flieget, So daß es selbst den flücht'gen Ruf besieget. 14. Alekto, die zuerst den Zug begleitet, Verstellt in einen Boten sich alsdann, Und um die Zeit, da Licht mit Dunkel streitet Und keines ganz die Welt bezwingen kann, Erscheint sie zu Jerusalem und schreitet Durchs bange Volk zum Könige hinan, Und bringt vom nahen Heer' ihm wicht'ge Kunde, Vom Ueberfall, vom Zeichen, von der Stunde. 15. Schon breitet rings der Schatten dunkles Grauen Den Schleier aus, mit rothem Dunst befleckt; Anstatt des nächt'gen Reifes wird von lauen Bluttropfen schaurig das Gefild bedeckt. Scheusal' und Wunder läßt der Himmel schauen; Der Larven Schaar irrt flüsternd um und schreckt. Den Abgrund leerte Pluto; durch die Lüfte Goß er die ganze Nacht der Orkusgrüfte. 16. Durch solches Grauen führt zu nächt'gen Kriegen Der wilde Fürst aufs Lager seinen Zug, Und als die Nacht des Laufes Mitt' erstiegen, Von wo sie niederfährt mit schnellerm Flug, Sieht er dem Orte, wo die Franken liegen In sicherm Schlaf, sich nahe schon genug. Hier speiset er sein Volk, und spricht mit Stärke Ihm Muth ins Herz zum grausenvollen Werke: 17. Ein Lager seht, voll tausendfacher Beute, Weit mehr durch Ruf als innre Stärke groß, Das allen Reichthum, deß sich Asien freute, Schlang, wie ein Meer, in seinen gier'gen Schooß. Dies bietet euch das güt'ge Schicksal heute, Und könnt' es nie so fahr- und mühelos. Die gold- und purpurreichen Ross' und Wehre Sei'n Raub für euch, nicht Schutz für Feindesheere. 18. Auch ist dies Heer als das nicht zu betrachten, Das Persiens und Nicäa's Volk besiegt; Gefallen ist der größre Theil in Schlachten, Seit man so lang' und wechselnd schon gekriegt. Und wär's noch ganz: nicht furchtbar könnt ihr's achten, Da es entwehrt in tiefer Ruhe liegt. Wer schläft, ist schon geweiht dem Untergange; Der Weg vom Schlaf zum Tode währt nicht lange. 19. Hinan! hinan! Hoch über Feindesleichen Oeffn' ich zuerst ins Lager euch die Bahn. Mit euerm Schwert folgt meines Schwertes Streichen Und nehmt von ihm die Kunst der Wildheit an. Heut endlich soll die Herrschaft Christi weichen, Heut Asien Freiheit und Ihr Ruhm empfahn. So muthigt er zum nahen Kampf die Streiter Und führt sie dann in aller Stille weiter. 20. Sieh! Wachen nun gewahrt er auf dem Zuge, Beim schwachen Licht, das durch die Schatten graut, Und überraschen kann er nicht die kluge Vorsicht des Feldherrn, wie er wohl vertraut. Die Wächter kehren um mit raschem Fluge, Beim Anblick solcher Meng', und rufen laut, So daß die ersten Reihn vom Lärm erwachen Und, nach Bedarf, zum Kampf sich fertig machen. 21. Gewiß nun der Entdeckung, läßt erbrausen Arabiens Volk sein gräuliches Metall. Gen Himmel dringt des Mordgeheules Grausen, Vermischt mit Roßgewieh'r und Hufesschall. Rings brüllen Berge, brüllen Thalesklausen, Und Antwort brüllt des Abgrunds Wiederhall. Alekto läßt die Höllenfackel lodern, Das Volk des Bergs zum Mitkampf aufzufodern. 22. Der Sultan stürzt, vor seinen Kriegern allen, Auf jene Schaar, die sich noch kaum bewehrt, So reißend los, daß aus Gebirgeshallen Der wilde Sturm mit mindrer Schnelle fährt. Ein Wogensturz, dem Bäum' und Häuser fallen, Ein Blitz, der Thürme schmettert und verzehrt, Ein Erdstoß, der die Welt erfüllt mit Grauen, Sind seiner Wut ein schwaches Bild zu schauen. 23. Sein Schwert, so oft es sinkt, trifft ohne Fehle, Und wo es trifft, läßt Wunden sein Gewicht, Und jede Wund' entkerkert eine Seele; Ich sagte mehr, doch Wahrheit scheint Gedicht. Sei's, daß er täuschend seinen Schmerz verhehle: Es scheint, er fühlt der Andern Hiebe nicht; Wenn gleich der Helm, auf den ein Schwert gesunken, Wie Glocken tönt, und Flammen sprüht und Funken. 24. Als Er nun, ganz allein, die ersten Haufen Des Frankenheers fast in die Flucht gesprengt, Da kommt Arabiens Volk mit wildem Schnaufen, Ein Strom aus tausend Bächen, nachgedrängt. Nun wenden sich die Franken um und laufen; Der Sieger, mit den Flüchtigen vermengt, Dringt unaufhaltsam durch das Thor des Walles, Und Grau'n, Verwüstung, Klag' erfüllet Alles. 25. Des Sultans Helm läßt einen Drachen schauen: Er dehnt sich aus und reckt den Hals hervor, Schlägt mit den Flügeln, hebt sich auf den Klauen Und ringelt den gespaltnen Schweif empor. Drei Zungen schnellt er, scheint's, haucht grünlich blauen Giftschaum, und schreckt durch sein Gezisch das Ohr; Und durch den Schwung entbrennt das Ungeheuer Im Brand der Schlacht, und speiet Rauch und Feuer. 26. Und wer den argen Solyman im Scheine So schauderhaften Lichts gewahrt, dem graust, Wie oft bei Nacht der bangen Schiffgemeine, Wann, blitzumstrahlt, das wilde Meer erbraust. Der Eine hebt zum Lauf die Schlotterbeine, Der Andre hebt ans Schwert die sichre Faust. Die Nacht vermehrt noch den Tumult der Schaaren Und häuft, Gefahr verbergend, die Gefahren. 27. Von denen, die beherzt zum Kampfe flogen, War auch Latin, erzeugt am Tiberstrand, Dem Alterlast den Rücken nicht gebogen, Noch Ungemach gelähmt die kräft'ge Hand. Fünf Söhne, fast einander gleich, umzogen Den Vater stets, wo er in Schlachten stand, Indem sie, vor der Zeit, in Waffen zwangen Die Glieder, noch im Wuchs, die zarten Wangen. 28. Zum Kampfe wetzten sie, auf das versuchte Beispiel des Vaters schauend, Zorn und Schwert. Auf, spricht er, laßt uns hin, wo der Verruchte Den Uebermuth auf flücht'ge Schwärme kehrt. Heut werde nicht, wie wild auch die verfluchte Mordgier ertobt, eu'r alter Muth entbehrt; Denn Ruhm, o Söhn'! ist ohne Werth und Dauer, Wenn nicht geschmückt mit manch vergangnem Schauer. 29. So führt die wilde Löwin ihre Jungen, Eh mit der Zeit gewachsen sind die Klau'n, Eh um den Hals die Mähne sich geschlungen Und auf des Rachens Wehr sich läßt vertrau'n, Mit zu Gefahren aus und Plünderungen, Und macht durch Beispiel frühe sie zum Grau'n Des Jägers, wenn er stört die Heimatforste Und schwächres Wild verjagt aus seinem Horste. 30. Dem Vater folgt der fünf beherzten Sprossen Achtlose Schaar und greift den Türken an. In Einem Zeitmaaß, Rath und Geiste schossen Sechs lange Speere los auf Einen Mann. Allein der ältre Sohn, zu rasch entschlossen, Wirft weg den Speer, drängt sich an Solyman Und sucht umsonst, wie mit des Schwertes Schärfe Er unter ihm sein Roß zu Boden werfe. 31. Doch wie ein Fels, von Wogen rings umschwollen, Vom Sturm gepeitscht, ragt übers Meer hinaus, Und, fest durch sich, dem Donner und dem Grollen Des Himmels trotzt, dem Wind- und Flutgebraus: So hält der wilde Türk mit festem Wollen Den Sturm der Lanzen und der Schwerter aus, Und spaltet dem, der nach dem Roß gehauen, Das kecke Haupt gleich zwischen Wang' und Brauen. 32. Kaum sieht Armant, des Bruders Blut entwalle, So reicht er ihm den Arm, da Jener fällt; Vergeblich thöricht Mitleid, das zum Falle Des Andern nun den eignen Fall gesellt! Der Heide trifft den Arm mit mächt'gem Pralle Und stürzt mit ihm auch Jenen, den er hält. Sie sinken auf einander hin und lechzen, Und mengen Beid' ihr Blut und letztes Aechzen. 33. Durch haut er nun den Speer, womit so eben Sabin ihm aus der Fern' entgegen fuhr, Und rennt den Knaben um; er stürzt mit Beben Und liegt, vom Roß zerstampft, auf blut'ger Flur. Die Seel' entflieht mit bitterm Widerstreben Dem jungen Leib', und scheidet traurig nur Vom süßen Lebenshauch, den heitern Tagen Der Jugend, reich an wonnigem Behagen. 34. Laurent und Pico standen noch dem Heiden, Sie, die zugleich die Mutter einst gebar; So ähnlich von Gestalt, daß durch die Beiden Ein süßer Irrthum oft entstanden war. Doch wollte sie Natur nicht unterscheiden, So unterschied sie jetzo der Barbar. Grausame Sondrung! denn vom Rumpf gewettert Wird dem das Haupt, und dem die Brust zerschmettert. 35. Der Vater – nicht mehr Vater! o Verhängniß, Das so viel Söhn' auf einmal ihm geraubt! – Sieht, in fünf Toden, seines Tods Begängniß Und seines Stamms, der vor ihm liegt entlaubt. Ich weiß nicht, wie, in solches Leids Bedrängniß, Das Alter ihm noch Kraft und Muth erlaubt Zu leben, kämpfen: nicht wohl mogt' er schauen Geberd' und Blick der Söhn' im Todesgrauen; 36. Und wohl verbarg, zum Theil, sein ungeheuer Furchtbar Geschick ihm die gewogne Nacht. Doch wie dem sei: nicht mehr ist Sieg ihm theuer, Zerschmettert nicht auch ihn die wilde Schlacht. Sein Blut verschwendend, und mit allem Feuer Habsücht'ger Gier auf Feindesblut bedacht, Entdeckt er nicht, was seinem heißen Werben Das Liebste sei, ob Tödten oder Sterben. 37. Er ruft dem Gegner zu: Ist so geringe, So schwach mein Arm, so der Verachtung werth, Daß ihm mit allen Kräften nicht gelinge, Zu reizen wider mich dein grausam Schwert? Er schweigt, und hebt zu solchem Hieb die Klinge, Daß sie sogleich durch Blech und Ringe fährt Und faßt die Seit' und macht in lauen Wellen Des Feindes Blut der großen Wund' entquellen. 38. Bei diesem Ruf und Angriff kehrt der Heide Mit gleicher Wildheit Zorn und Schwert auf ihn. Den Panzer spaltet er, nachdem die Schneide Den Schild zerhau'n, den sieben Häut' umziehn, Und taucht den Stahl ihm tief ins Eingeweide. Schon keucht und schluchzt der sterbende Latin, Und bald, im Wechselschwall, entströmt der Wunde Das heiße Blut, und bald dem offnen Munde. 39. Gleichwie ein Baum, der, stark und unentblättert, Auf Alpenhöh'n dem Ost getrotzt und Nord, Wann ihn zuletzt die Windsbraut niederwettert, Mitreißt die Bäume rings um seinen Ort: So stürzt er hin, und seine Wut zerschmettert, Im mächt'gen Fall, noch mehr als Einen dort; Und wohl geziemt dem Tapfern so zu sterben, Daß er verbreit', im Sturze noch, Verderben. 40. Indeß der Sultan dort, gleich gier'gen Geiern, Den langen Hunger mit Gewürgten stillt, Will auch Arabiens grimmig Volk nicht feiern Und tobt im Frankenheere graß und wild. Den Britten Heinrich, Olifern den Baiern Stürzt deine Faust, o Dragut! aufs Gefild. Gilbert und Philipp, beid' erzeugt am reichen Gestad des Rheins, macht Ariaden zu Leichen. 41. Auch Ernst wird von Albazars Keul' erschlagen, Algazels Schwert reißt Engerland ans Ziel. Doch wer könnt' all' die Todesarten sagen, Und welche Meng' unedlen Volkes fiel? – Vom ersten Schrei, der an sein Ohr geschlagen, Erwacht Bouillon sogleich und säumt nicht viel. Schon ist er ganz bewaffnet, schon umringen Die Seinen ihn, schon eilt er vorzudringen. 42. Als, nach dem Schrei'n, der Lärm vom wilden Morden, Der Kampftumult furchtbarer um sich greift: Gedenkt er wohl, daß jene Räuberhorden Durch Ueberfall ins Lager ihm gestreift. Denn lange war's dem Feldherrn kund geworden, Daß sie die Gegend rings umher durchschweift; Doch glaubt' er nicht, daß jemals der verzagte, Feldflücht'ge Schwarm ihn anzugreifen wagte. 43. Schon naht er sich, und von der andern Seite Tönt's: Waffen! Waffen! mit gewalt'gem Schall; Zugleich dringt furchtbar aus des Himmels Weite Barbarischen Geheules Wiederhall. Clorind' ist dies, die in Argants Geleite Des Königs Völker führt zum Ueberfall. Zu Guelf, dem Nächsten auf der Würden Stufe, Kehrt sich der Feldherr nun mit diesem Rufe: 44. Hörst du, welch neues Kriegsgetös vom Hügel Herüber schallt, und von den Mauern her? Wohl thut es noth, du hemmst die raschen Flügel Des ersten Sturms durch Kunst und tapfre Wehr. Drum geh' und halte dort den Feind im Zügel, Und nimm die Hälfte mit von meinem Heer; Ich, mit dem andern Theil, will dem verwegnen Andrang des Feinds auch hier indeß begegnen. 45. So wird bestimmt, und auf verschiednem Gange Nimmt Jeder gleiches Glück als Führer mit. Guelf eilt zum Hügel, Gottfried zum Empfange Der Araber, die Niemand mehr bestritt. Allein er wächst im Gehn; mit starkem Drange Strömt neues Volk ihm zu auf jedem Schritt; So daß er, groß und mächtig schon geworden, Ankommt, wo Solyman sich letzt am Morden. 46. So füllt der Po, wenn er mit schwacher Welle Vom Berge stürzt, das enge Bett nicht an; Doch immer mehr, je ferner seiner Quelle, Schwillt er von neuer Kraft auf seiner Bahn, Hebt, weitausströmend, über Dämm' und Wälle, Als Sieger die gehörnte Stirn hinan, Sucht, stoßend, selbst die Meerflut zu bezwingen Und scheint ihr Krieg, und nicht Tribut, zu bringen. 47. Dort, wo sein Volk, vom Schrecken überwunden, Die Flucht ergreift, kommt Gottfried angejagt: Wo flieht ihr hin? Ist aller Muth entschwunden? Betrachtet nur den Feind, vor dem ihr zagt: Ein feig Gesindel, das von vorn die Wunden Nicht zu empfangen noch zu geben wagt, Das nicht, eu'r Antlitz sehend, würde taugen Zu widerstehn den Waffen eurer Augen. 48. Ruft's, spornt den Gaul, und, wo im flücht'gen Trosse Der Sultan wütet, jagt er hin sofort, Dringt mitten durch Gefahren, durch Geschosse, Durch Staubgewölk, Blutströme, Grau'n und Mord; Durchbricht und öffnet mit dem Schwert und Rosse Die stärkste Schaar, den dichtverwahrtsten Ort, Und schleudert rechts und links im Drang der Streiter Wehr und Bewehrte hin, und Roß und Reiter. 49. Im Sturmlauf, über Leichenberge springend, Verfolgt er seinen Pfad durch Nacht und Graus. Der kühne Türk, der ihn, verderbenbringend, Anstürmen hört, flieht nicht und weicht nicht aus; Vielmehr, den Stahl hoch durch die Lüfte schwingend, Sprengt er entgegen ihm zu wildem Strauß. O welch ein Ritterpaar die Macht der Sterne Im Kampfe jetzt vereint aus fernster Ferne! 50. Hier nun, um Asiens große Herrschaft, ringen Im engen Kreise Wut und Heldenmacht. Wer sagte wohl, wie schwer, wie rasch die Klingen Im Schwunge sind, wie schauervoll die Schlacht? Nichts melden kann ich von den furchtbarn Dingen, Die hier geschahn, verhüllt von tiefer Nacht, Der hellsten Sonne werth, und daß die ganze Volkschaar der Welt sie schau' im reinsten Glanze. 51. Der Christen Heer, geführt von solchem Leiter, Dringt wieder vor, von neuem Muth geschwellt, Indeß sich eine Schaar der besten Streiter Rings um den mörderischen Sultan stellt. Mehr, als der Heide, färbt der Christ nicht weiter, Noch jener mehr, als dieser, nun das Feld; Gleichmäßig, hier wie dort, Besiegt' und Sieger, Empfangen Tod und geben ihn die Krieger. 52. Wie Nord und Süd zum Kampf die Luft durchstreichen, Von da, von dort, gleich an Gewalt und Muth; Sie weichen nicht, noch Meer, noch Himmel weichen, Und Wolke ringt mit Wolke, Flut mit Flut: So weder da noch dort giebt nach im gleichen Hartnäck'gen Streit der beiden Völker Wut, Und rasselnd, laut, im engen Kampfesringe, Prallt Schild an Schild, an Helm Helm, Kling' an Klinge. 53. Nicht minder dicht ist auf der andern Seite Der Krieger Schaar, der Kampf nicht minder schwer. Hier füllt des Luftraums ungeheure Weite, In tausend Wolken, der Dämonen Heer Und stärkt der Heiden Kraft; dem rauhen Streite Sich zu entziehn denkt nicht ein Einz'ger mehr. Argant, seitdem die Höllenfackel flammte, Fühlt heißre Glut noch, als die angestammte. 54. Auch seinerseits verjagt er bald die Wachen Und schwingt mit Einem Satz sich übern Wall, Schafft Gräben durch der Leichen Schutt zu flachen Heerstraßen um, und bahnt dem Ueberfall. Nun folgen rasch die Seinen ihm und machen Die ersten Zelte roth von blut'gem Schwall, Und nichts giebt, oder wenig, ihm an Schnelle Clorinde nach, ungern an zweiter Stelle. 55. Schon flohn die Franken, als, gar sehr gelegen, Guelf kam mit seiner Schaar herbeigerannt, Und führt' aufs neu dem Feinde sie entgegen, Und hielt dem Sturm der Heidenvölker Stand. So ward gekämpft, und Blut strömt allerwegen, Hier so wie dort, in Bächen übers Land. Nun aber lenkt' aufs wilde Schlachtgewimmel Der Weltenkönig seinen Blick vom Himmel. 56. Wo er dem großen All, gerecht und schonend, Gesetze giebt, und Alles schafft und schmückt, Hoch ob der Welt beschränkten Gränzen wohnend, Den Sinnen und Gedanken weit entrückt: Dort saß er, auf dem ew'gen Stuhle thronend, Im dreifach- einen Glanz, durch sich beglückt; Zu seinem Fuß, gehorsam jeder Regung, Verhängniß und Natur, Zeit und Bewegung; 57. Und Raum und Jene, die, nach Wohlgefallen Der höchsten Macht, Ruhm, Gold und Reich verschenkt, Und läßt, wie Staub und Asche, sie zerfallen; Die Göttin, nie von Menschenzorn gekränkt. Dort, vor den Strahlen, die ihn rings umwallen, Bleibt auch des Seraphs Angesicht gesenkt. Der Geister Chör' umringen ihn unzählig, Ungleicher Weis' im Wonnempfang gleich selig. 58. Vom großen Chor der heil'gen Jubellieder Erscholl die Himmelsburg mit frohem Klang. Zum Michael, deß unbezwungne Glieder Der Demantrüstung Flammenglanz umschlang, Sprach nun der Herr: Siehst du, wie ihr Gefieder Die Höllenrotte schwingt, zum Untergang Der gläub'gen Schaar? wie aus des Todes Schlünden Sie sich erhebt, das Weltall zu entzünden? 59. Geh, sag' ihr du, sie soll den Kriegerschaaren Kriegführung zugestehn nach Recht und Brauch, Und nicht des Lebens Reich, nicht mehr den klaren Sternhimmel trüben durch den gift'gen Hauch; Sie soll hinab zur würd'gen Wohnung fahren, Zur schuld'gen Pein im dunkeln Höllenrauch. Dort mag sie sich und die Verdammten quälen: So ist mein Schluß, so lass' ich ihr befehlen. 60. Der Höchste schweigt; und, ihm zu Fuß sich legend, Verehrt der Fürst des Engelheers sein Wort. Zum Fluge dann die goldnen Schwingen regend, Geschwinder als Gedanken, eilt er fort, Durchfleugt die heitre Licht- und Feuergegend, Der sel'gen Schaar glorreichen Wohnungsort, Und schauet den Krystall zusammt dem Kreise, Der, goldgestirnt, sich schwingt im Gegengleise; 61. Sieht links Saturn und Jupiter sich drehen, Ungleich, so wie an Wirkung, an Gestalt; Sammt jenen andern, die nicht irre gehen, Gelenkt, bewegt durch englische Gewalt. Dann kommt er aus den hellen Empyreen Dahin, wo Donner rollt und Regen wallt, Wo stets die Welt sich auflöst und ernähret, In ew'gem Krieg vergeht und sich gebäret. 62. Er kommt und scheucht das tiefe Grau'n, die dichte Umschattung fort durch seines Fittigs Macht, Und mit dem Glanz, der ihm vom Angesichte Hellfunkelnd strömt, vergoldet sich die Nacht. So, nach dem Regen, malt beim Sonnenlichte Sich auf Gewölk der Farben bunte Pracht; So sieht man einen Stern durch Aether wallen Und in den Schooß der großen Mutter fallen. 63. Doch angelangt, wo mit verruchtem Schalten Die Höllenrott' entflammt der Heiden Wut, Fest in der Luft durch Flügelkraft gehalten, Schwingt er den Speer und spricht zur argen Brut: Noch kennt ihr nicht des Weltbeherrschers Walten Und seine Donner, seiner Blitze Glut? O Ihr, des Elends und der Schmach vergessen, Im Abgrund eurer Martern noch vermessen! 64. Dem Kreuze soll sich Zions Mauer neigen, Ihr Thor sich öffnen, wie der Herr befahl. Warum dem Schicksal euch rebellisch zeigen? Warum herabziehn seiner Rache Strahl? Eilt, Frevler, in eu'r Reich hinabzusteigen, Ins Reich des ew'gen Todes und der Qual! Dort, in verdienter Haft, in eurem dumpfen Gefängniß, kriegt und prahlet mit Triumphen. 65. Dort wütet aus; dort, an verzweiflungsvollen Verdammten, übt Gewalt, stillt eure Sucht, Bei Angstgeheul, Zähnklappen, Kettenrollen Und Eisenrasseln, in der düstern Schlucht. Er spricht's, und zwingt, die länger säumen wollen, Verwundend, mit dem mächt'gen Speer zur Flucht. Tiefseufzend muß die Rotte sich entfernen Vom heitern Licht und von den goldnen Sternen, 66. Und stürzt sich in des Abgrunds finstre Klausen, Und schärft den Schuld'gen die gewohnte Pein. Nie, übers Meer, in solchem Schwarme sausen Die Vögel hin, zum wärmern Sonnenschein; Nie sieht der Herbst, beim ersten Sturmesbrausen, Der Blätter fallen solche Meng' im Hain. Die Welt, des Zwanges frei, legt endlich nieder Ihr düstres Ansehn, und erfreut sich wieder. 67. Doch in Argants wild tobendem Gemüthe Bleibt dennoch Wut und Kühnheit stark genug, Obwohl nicht mehr Alekto's Fackel glühte, Die Höllengeißel nicht die Seit' ihm schlug. Sein furchtbar Schwert, das helle Funken sprühte, Kreist er umher im dichtsten Frankenzug, Mäht groß und klein, und gleich macht seine Rechte Das stolze Haupt der Fürsten dem der Knechte. 68. Clorind', ihm nah, verstreut mit gleicher Hitze Zerfetzte Glieder in nicht mindrer Zahl. Zur Brust hinein, bis zu des Lebens Sitze, Jagt sie dem tapfern Berlinger den Stahl So kräftig, so gewaltsam, daß die Spitze Zum Rücken fährt hinaus mit blut'gem Strahl. Dann, wo die erste Nahrung wir empfangen, Trifft sie Albin, und spaltet Gallus Wangen. 69. Nun wirft sie Gerniers Rechte, die so eben Nach ihr gehaun, glatt abgetrennt aufs Land. Noch zückt den Stahl, und noch, mit halbem Leben, Am Boden, fingernd, gleitet fort die Hand: So wie, umsonst, zwei Schlangenhälften streben Nach Einigung im vorigen Bestand. Clorinde läßt ihn stehn, so übler Dinge; Dann rennt sie auf Achill und senkt die Klinge, 70. Und eilt, das Schwert im Nacken einzusetzen, So daß es Nerven gleich und Schlund zerspellt. Schon rollt der Kopf, den blut'ge Ströme netzen, Mit Staub besudelt, weit hin übers Feld, Indeß der Rumpf – o Anblick voll Entsetzen! – Ein kläglich Scheusal, sich im Sattel hält, Bis ihn das Roß, das, zügelfrei, sich rüttelt Und um sich schlägt, zuletzt vom Leibe schüttelt. 71. So fährt sie fort, die Reihen zu durchschneiden, Die Franken geißelnd mit unmäß'ger Wut; Indeß Gildipp', an ihrem Theil, die Heiden Nicht minder schlägt und peinigt bis aufs Blut. Gleich war Geschlecht, und ähnlich war in Beiden Die Tapferkeit, der unbezwungne Muth; Doch trafen sie sich nie im Schlachtgewimmel, Denn größerm Feinde spart sie auf der Himmel. 72. Wie sehr sie, drängend, stoßend, auch sich regen, Glückt's Keiner doch, daß sie die Schaar durchbricht. Jetzt aber sprengt Clorinden Guelf entgegen Mit hochgeschwungnem Stahl und naht ihr dicht, Thut einen Hieb und röthet kaum den Degen In ihrem schönen Leib; sie zaudert nicht, Und läßt durch einen Stoß ihm Antwort bringen, Kräftig genug, die Rippen durch zu dringen. 73. Nochmals haut Guelf und kann sie nicht erlangen; Denn eben jagt der Heid' Osmid durchs Feld, Um die nicht seine Wunde zu empfangen, Die, durch den Zufall, ihm die Stirn zerspellt. Guelf aber sieht nun enger sich umfangen Von jener Schaar, die sich ihm beigesellt, Und jenseits auch erhält das Volk Vermehrung, So daß der Kampf sich mischt in wildrer Gährung. 74. Schon zeigt' Aurora nun vom Himmels-Erker Die Purpurwang' in morgendlicher Huld, Und schon hatt' Argillan aus seinem Kerker Sich selbst befreit im wilden Schlachttumult, Und rasch in Wehr, wie, schwächer oder stärker, Der Zufall ihm sie bot, voll Ungeduld Stürmt' er heran, der Ehre neue Flecken Durch neu Verdienst und neuen Ruhm zu decken. 75. Gleichwie ein Roß den königlichen Ställen, Wo man es aufzog zu des Krieges Mühn, Entspringt, und fliegt, nun endlich frei, zum hellen Gewohnten Fluß, zur Heerd', ins frische Grün; Um Hals und Bug spielt ihm die Mähn' in Wellen, Es schüttelt seinen Nacken, stolz und kühn; Mit lautem Wiehern füllt's die Au'n, glutdampfend, Huftön'gen Laufes die Gefilde stampfend: 76. So flieget Argillan; Zornblitze dringen Aus seinem Blick, die hohe Stirne dräut; So rasch ist er im Lauf, so leicht im Springen, Daß er dem Sande kaum die Spuren beut. Dem Feinde nah, läßt er die Stimm' erklingen, Wie wer nun Alles wagt und nichts mehr scheut: Abschaum der Welt! elende Räuberhorden! Woher ist jetzt euch solcher Muth geworden? 77. Ihr seid zu schwach, um Helm und Schild zu tragen, Zu waffnen Brust und Leib auf Schutz und Trutz, Und überlaßt, nacktleibig und voll Zagen, Den Hieb der Luft, den Fersen euern Schutz. Eu'r herrliches Bemühn, eu'r keckes Wagen Ist Werk der Nacht, nur Dunkelheit euch nutz. Doch nun sie flieht, wer wird euch Hülfe schaffen? Jetzt gilt es festern Muth, jetzt gilt es Waffen. 78. So redend, haut er bis zum tiefsten Grunde Der Kehl' Algazeln in den Hals hinein, Und haut das Wort ihm durch zusammt dem Schlunde, Eh' er's vermag zur Antwort auszuschrei'n. Dem Armen raubt ein plötzlich Grau'n zur Stunde Des Tages Licht, Frost rinnt ihm durchs Gebein; Er stürzt dahin und packt im Todeswahne Den tiefverhaßten Grund mit wüt'gem Zahne. 79. Nun fällt er, mancher Weis', hier Saladinen, Da Muleassen, Agricalten dort, Und Aldiaziln haut er, neben ihnen, Mit Einem Hiebe durch und durch sofort. Die Brust hierauf durchbohrt er Ariadinen Von oben her, und höhnt mit rauhem Wort; Der hebt den matten Blick und giebt den herben Hochmüth'gen Worten dies zurück im Sterben: 80. Wer du auch bist, der mich ins Reich der Nächte Hinunter stößt, nicht lange frommt es dir. Dein harrt ein gleiches Loos; bald legt die Rechte Des stärkern Helden dich zur Seite mir. Doch Jener lacht: Laß sorgen Himmelsmächte Für mein Geschick; du stirb indessen hier, Der Hunde Mahl! Dann, mit dem Fuße gegen Den Leib gestemmt, aus reißt er Seel' und Degen. 81. Ein Edelknapp des Sultans war dem Wüten Der Heidenschaar gefolgt zum rauhen Streit, Deß holdes Kinn mit ihren ersten Blüthen Noch nicht geschmückt die frühe Jugendzeit. In Perlen auf der schönen Wange glühten Die reinen Tropfen warmer Feuchtigkeit; Dem wilden Haar wird selbst der Staub zur Zierde, Zum Reize dem Gesicht die Kampfbegierde. 82. Ihn trägt ein Roß, das an vollkommnem Glanze Dem neuen Schnee der Apenninen gleicht; Im leichten Sprung, im raschen Wirbeltanze Von keinem Sturm, von keiner Flamm' erreicht. Er schwingt, sie mittlings fassend, eine Lanze, Führt an der Seit' ein Schwert, gekrümmt und leicht, Und glänzt mit fremder Pracht in einem Kleide, Aus Gold gewirkt und purpurfarbner Seide. 83. Indeß der Knabe, dem des Ruhms Vergnügen Zum erstenmal die junge Brust durchdringt, Die Schaaren alle neckt auf flücht'gen Zügen, Und Keiner ihn zum festen Kampfe bringt: Sucht Argillan, bei diesen leichten Flügen, Den Augenblick, da er die Lanze schwingt, Wirft tückisch ihm das Roß und fällt mit Toben Den Knaben an, da er sich kaum erhoben. 84. Und nach dem flehnden Angesicht des Armen – Des Mitleids Wehr vertheidigt ihn zu schwach – Streckt der Barbar die Hand, und, ohn' Erbarmen, Die Zierde der Natur verletzt er jach. Das Eisen schien zu fühlen, zu erwarmen, Menschlicher als der Mensch, und fiel nur flach. Allein was half's? zum zweitenmale schwirrte Der Stahl und traf nun, wo er Anfangs irrte. 85. Der Sultan, der, nicht fern von diesen Beiden, Noch immer kämpft mit Gottfried, hart und schwer, Sieht kaum den Liebling solche Noth erleiden, So eilt er aus dem Kampf, sprengt rasch daher Und läßt sein Schwert Bahn durch die Menge schneiden, Und kommt zur Rache, nicht zur Rettung mehr; Denn sein Lesbin – o Schmerz! die holde Blume Fiel schon, zerknickt, dem Tod zum Eigenthume. 86. So sanft erlischt sein Aug', er senkt den weichen Schneeweißen Hals so lieblich hinterwärts, So reizend ist sein Blaß, und aus den Zeichen Des Todes selbst haucht ein so holder Schmerz, Daß Thränen mitten durch den Zorn sich schleichen, Zerschmelzend schier ein sonst so hartes Herz. Du weinest, Solyman? du, der Verstockte, Dem selbst der Thronsturz keine Thrän' entlockte? 87. Doch als er kaum gewahrt des Feindes Degen, Noch naß und rauchend von des Knaben Blut, Flieht Mitleid fort, und Zorn, mit mächt'gem Regen, Hemmt glühend in der Brust die Thränenflut. Den Stahl gezückt, rennt er dem Feind entgegen Und haut durch Schild und Helm in voller Wut, Und dann durch Kopf und Schlund mit Einem Hiebe, Werth Solymans und der erzürnten Liebe. 88. Doch nicht genug; ab steigt er, und das Sehnen Nach Rache wird am Leichnam erst gekühlt: So wie ein Hund den Stein packt mit den Zähnen, Der hart ihn traf, und ihn im Staube wühlt. O eitler Trost so jammervoller Thränen, Zu rasen gegen Erde, die nicht fühlt! Jedoch der Franken-Feldherr, kräft'gen Strebens, Verwandte Zorn und Hiebe nicht vergebens. 89. Um ihn stehn tausend Türken dort zusammen, Durchaus bewehrt mit Panzer, Helm und Schild, Gewohnt der Mühsal, heiß von Muthesflammen, Im Krieg' erfahren und in Schlachten wild. Sie, die des Sultans altem Heer' entstammen, Sind in Arabiens wüstes Sandgefild Ihm nachgefolgt auf seinem irren Jagen, Erprobte Freund' auch in des Unglücks Tagen. 90. Kunstrecht geordnet, wichen sie im Streite Den Franken selbst nur wenig oder nicht. Auf Diese stößt Bouillon, haut in die Seite Den Rustan, haut den Korkut ins Gesicht, Schnellt Selims Kopf mit Einem Hieb ins Weite, Worauf er dem Rossan die Arme bricht. Nicht Diese nur, mit tausend andern Streichen Verletzt er Viel' und wandelt Viel' in Leichen. 91. Indem er so, von Feinden dicht umzogen, Sie kräftig stößt und aushält ihren Stoß, Und immer noch das Schlachtenglück gewogen Den Heiden bleibt, und ihre Hoffnung groß: Da sieh! kommt eine Staubwolk' angeflogen, Die Kriegeswetter hegt im schwangern Schooß; Sieh! Waffenblitz fährt plötzlich aus dem Dunkel Und schreckt die Heiden durch sein Glutgefunkel. 92. Vor funfzig Kriegern strahlt, im Winde brausend, Auf Silbergrund des Purpurkreuzes Pracht. Und hätt' ich auch der Münd' und Zungen tausend, Und ehrner Stimm' und ehrnen Athems Macht: Nicht nennen könnt' ich alle hier, die grausend Hinstürzten gleich im ersten Sturm der Schlacht. Feig sinkt der Araber; der Türke, bieder Und unverzagt, sinkt kämpfend auch danieder. 93. Mordgierde, Grausamkeit, Entsetzen, Trauer Ziehn rings umher; in wechselnder Gestalt Durchstreift der Sieger Tod mit wildem Schauer Das Schlachtgefild, von blut'gem See umwallt. – Schon war der König außerhalb der Mauer Mit einem Theil des Volks, als dächt' er bald Des Sieges sich zu freun, und sah von oben Das Blachfeld und des Kampfs ungleiches Toben. 94. Kaum siehet er die größre Schaar gewendet, Als er sogleich zur Umkehr blasen läßt Und zu Arganten, zu Clorinden sendet, Und dringend, wiederholt, den Rückzug preßt. Das wilde Paar, von Zorn und Haß verblendet, Von Blut berauscht und toll, verweigert fest. Doch endlich weicht's und sucht die flücht'gen Haufen Zu sammeln nur, zu hemmen noch im Laufen. 95. Doch wer kann Pöbel meistern? Zügel legen Der Furcht und Feigheit? Flucht ist allgemein. Den Schild wirft dieser weg, und der den Degen; Last scheint das Eisen, nicht mehr Schutz zu sein. Vom Lager führt ein Thal der Stadt entgegen, Von West gen Süd, durch rauhes Felsgestein; Dem fliehn sie zu, und dunkeln Staubes Wolke Wälzt sich zur Mauer mit dem flücht'gen Volke. 96. Indeß sie jäh' hinunter fliehen, fahren Die Christen fort, derb auf sie einzuhau'n; Doch als sie aufwärts klimmen und die Schaaren Des Königs schon bereit zur Hülfe schau'n, Will Guelf nicht mehr des Felsensteigs Gefahren Mit offenbarem Nachtheil sich vertrau'n. Er hemmt sein Volk; der Fürst bringt in die Veste Des unglücksel'gen Kampfs nicht kleine Reste. 97. Was Menschenkraft im Stand' ist zu erweisen, Erwies der Sultan; mehr vermag er nicht. In Strömen dringt ihm Schweiß und Blut durchs Eisen, Beklemmt ist seine Brust, der Athem bricht; Die Rechte schwingt den Stahl in trägen Kreisen, Der Arm ermattet von des Schilds Gewicht. Nur schmetternd, nicht mehr schneidend, stumpf vom Morden, Ist nun sein Schwert zum Schwert unbrauchbar worden. 98. Dies merkend, bleibt er stehn, wie wer in Sichtung Von Zweifeln schwankt, und sinnt, was vorzuziehn: Ob er soll sterben, und, durch Selbstverrichtung, Dem Feinde so erlauchte That entziehn; Ob, überdauernd seines Heers Vernichtung, In Sicherheit sich bringen soll durch Fliehn. Wohl! spricht er dann, ich will dem Schicksal weichen, Und meine Flucht sei ihm ein Siegeszeichen. 99. Der Feind mag meinen Nacken schau'n, und lache Der schmählichen Verbannung noch einmal, Darf ich nur bald den Frieden ihm, das schwache Hinfäll'ge Reich bedrohn mit neuem Stahl. Ich weiche nicht, nein! ewig sei die Rache, Wie ewig ist der Schmacherinnrung Qual. Zurück, stets wilder, kehr' ich ohn' Ermatten, Auch als begrabner Staub und nackter Schatten! Zehnter Gesang Zehnter Gesang. 1. Er spricht's, und sieht ein Roß im Felde streifen, Das hin zu ihm die irren Schritte kehrt. Den freien Zügel eilt er zu ergreifen, Und springt, obwohl geqüalt und matt, aufs Pferd. Schon fiel der Helmbusch mit den furchtbarn Schweifen Und ließ den Helm gedrückt und ungeehrt; Das Kriegskleid ist zerfetzt, von allem Prangen Des Fürstenpomps die kleinste Spur vergangen. 2. Wie manchesmal ein Wolf, verjagt vom vollen Verschlossnen Schafstall, flieht und sich versteckt, Der noch, obwohl der große Bauch geschwollen, Und Raubesmeng' im gier'gen Magen steckt, Die Zunge reckt hervor in seiner tollen Unmäß'gen Blutgier, und die Lippen leckt: So wich der Türk, dem nach so blut'gem Morden Die Hungerwut noch nicht ersättigt worden. 3. Sein gutes Glück führt durch der Pfeile Regen, Der ihn umfliegt mit mächtigem Gebraus, Durch so viel Kolben, so viel Lanzen, Degen Und andre Todeswerkzeug' ihn hinaus. Dann sucht er, unerkannt, von allen Wegen Im Weiterziehn die einsam öd'sten aus, Und scheint, erwägend nun, was zu bestimmen, Auf stürmischem Gedankenmeer zu schwimmen. 4. Zuletzt beschließt er, nach dem Ort zu eilen, Wo sich Aegyptens Heer zusammenzieht, Mit ihm sich zu vereinen, und zu theilen, Was ihm das Glück im neuen Kampf beschied. Dies festgesetzt, verfolgt er ohne Weilen Die grade Straße, die er vor sich sieht; Denn ohne Führer kennt er wohl die Pfade Nach Gaza's heißem, sandigem Gestade. 5. Obwohl er fühlt, wie seine Kräft' ermatten, Und wie der Wunden Schmerz sich immer mehrt, Will er am Tag sich keine Rast gestatten, Legt nicht die Waffen ab, noch steigt vom Pferd. Erst als die Nacht in einfach dunkle Schatten Die wechselnde Gestalt der Welt verkehrt, Steigt er vom Roß, pflegt der zerhau'nen Glieder Und schüttelt Frucht von hoher Palme nieder. 6. Zu kurzer Rast vertraut er dem Gefilde Den müden Leib, nachdem er sich gespeist, Und stützt das Haupt mit seinem harten Schilde, Und sucht zu stillen den gequälten Geist. Doch heft'ger in den Wunden wühlt die wilde Vermehrte Pein; auch fühlt er, ihm zerreißt Die Brust, zernagt das Herz, verscheucht den Schlummer Die Wut der innern Geier: Grimm und Kummer. 7. Erst als die tiefste Nacht sich eingefunden Und Alles rings mit schwarzer Hüll' umfaßt, Da senkt auch er, von Mattheit überwunden, In Lethe's Flut der Sorgen schwere Last, Und gönnt den müden Augen und dem wunden Hinfäll'gen Leib' unlabend kurze Rast. Noch liegt er so, im Schlummer tief verloren, Da dringt ein ernster Ton zu seinen Ohren: 8. O Solyman, fröhn' in beglückterm Stande Der trägen Ruhe, die dich jetzt besiegt, Indeß voll Gram, in fremden Volkes Bande Das Vaterland, wo du geherrscht, sich schmiegt! Hier ruhest du? hier, auf demselben Lande, Auf dem dein Heer noch unbegraben liegt? Wo rings die Spuren deiner Schmach sich regen, Liegst du und schläfst dem neuen Tag entgegen? 9. Der Fürst erwacht und hebt die Augenlieder, Und schauet einen Mann, höchst schwach und alt, Dem ein gekrümmter Stab die matten Glieder Im Gehen trägt, der Füße Stütz' und Halt. Und wer bist du, fragt er erzürnt ihn wieder, Beschwerliches Gespenst, das mit Gewalt Den Wandrer stört, daß er vom Schlaf erwache? Was kümmert dich mein Schimpf und meine Rache? 10. Ich bin ein Mann, entgegnet ihm der Alte, Der weiß, zum Theil, was du dir vorgesetzt, Und weil ich mehr von deinem Wirken halte, Als du gedenkst, erschein' ich eben jetzt. Recht war es, daß mein Wort so rauh erschallte, Denn Tapferkeit wird oft am Zorn gewetzt. Vergönne, Herr, daß deinem raschen Muthe Mein ernstes Reden dien' als Sporn und Ruthe. 11. Erkenn' ich recht, was du dir vorgenommen, So willst du zu Aegyptens Herrscher gehn; Doch wenig wird die rauhe Wandrung frommen, Ich seh's voraus, willst du darauf bestehn. Wohl wird das Sammeln und das schnelle Kommen Des großen Heers auch ohne dich geschehn, Und dort ist nicht der Platz, wo deine Stärke Sich zeig' an unserm Feind durch würd'ge Werke. 12. Doch willst du meiner Lenkung dich vertrauen, So führ' ich mitten durch der Franken Reihn, Am hellen Tag, ohn' einen Hieb zu hauen, In die bedrängten Mauern dich hinein. Mit Feindes Waffen, mit des Mangels Grauen Wird dort der Kampf dir Ruhm und Freude sein. Du wirst die Stadt vertheid'gen, bis die treuen Aegypter nahn, die Feldschlacht zu erneuen. 13. Der wilde Türk hat auf den Blick, die Stimme Bewundernd Acht, indem der Alte spricht, Und er enthüllt den raschen Geist vom Grimme, Verbannt den Stolz vom finstern Angesicht: O Vater, spricht er, über mich bestimme, Wie dir's gefällt; ich folg' in Zuversicht. Dem Rath zuerst werd' ich Gehorsam leisten, Wobei es giebt der Müh' und Fahr am meisten. 14. Ihn lobt der Greis und stillt den Schmerz der Wunden, Der in der Nachtluft schärfer sich erhebt, Mit einem Saft, durch den sie bald gesunden; Er hemmt das Blut, die Kraft wird neu belebt. Nun schauend, daß Apoll, im Lauf der Stunden, Aurorens Rosen schon mit Gold umwebt: Fort, spricht er, fort! schon leuchtet den Bezirken Der Sonne Licht, das Alle ruft zum Wirken. 15. Dem stolzen Sultan setzt er sich zur Seiten Auf einen Wagen, der nicht ferne stand; Er weiß geschickt das Roßgespann zu leiten, Und treibt es wechselnd an mit kluger Hand. So schnell enteilt's, daß auf den staub'gen Weiten Von Rad und Huf nicht wird die Spur erkannt. Du siehst es dampfen und im Lauf sich strecken, Und das Gebiß mit weißem Schaum bedecken. 16. Die Luft umher – erstaunlich ist's zu sagen – Verdichtet sich und sammelt wunderbar Als Wolke rings sich um den großen Wagen, Und dennoch bleibt sie Allen unsichtbar. Kein mächt'ger Stein, von Schleudern fortgetragen, Dräng' in der Wolke schützende Gewahr; Doch Beide schau'n, von dieser Hüll' umwoben, Den Nebel rings, den heitern Himmel drohen. 17. Der Ritter blickt mit staunendem Vergnügen Die Wolke bald und bald den Wagen an, Der leicht und schnell, als ob ihn Schwingen trügen, Fliegt übers Feld mit brausendem Gespann. Der Andre merkt an seinen starren Zügen, Welch Staunen ihm dies Wunder abgewann, Und bricht die Still' und sucht ihn aufzustören; Er nun, erwacht, läßt diese Worte hören: 18. Wer du auch bist, dem, nie gesehner Weise, So dienstbar die Natur zu Willen steht, Der auf der Menschenbrust geheimstem Gleise Mit Forscherblick nach Willkühr sich ergeht; Wenn auch der Zukunft weit entlegne Kreise Dein Wissen, das von oben stammt, durchspäht: Sprich, welche Ruh, welch härteres Bedrängniß Erzeugt aus Asiens Krämpfen das Verhängniß? 19. Doch deinen Namen laß mich erst vernehmen, Und welche Kunst so seltne Werke schafft; Denn wirst du nicht dies Staunen mir bezähmen, Wie hätt' ich dann, dich anzuhören, Kraft? Mit Lächeln spricht der Greis: Wohl mich bequemen Kann ich, zum Theil, zu solcher Rechenschaft. Ich heiß' Ismen, und Zaubrer bei den Leuten, Weil mich verborgne Künste lang' erfreuten. 20. Doch Künft'ges zu entdecken, aufzuschlagen Des Schicksals Buch mit meiner schwachen Hand: Den zu verwegnen Wunsch muß ich versagen, So viel ist nicht dem Staube zugewandt. Ein Jeder brauch', umringt von Noth und Plagen, Sein irdisch Maaß von Kräften und Verstand; Denn nur dem Weisen, Starken ist hienieden Oftmals vergönnt, sein eignes Glück zu schmieden. 21. Du, waffne diese Rechte, die das Steuer Des Frankenreichs mit leichtem Stoß zerschellt, Nicht bloß beschirmt der hohen Stadt Gemäuer, Das jenes wilde Volk so dicht umstellt – Sie waffne muthig gegen Stahl und Feuer; Trau, dulde, wage! Meine Hoffnung hält. Doch sag' ich dir – denn du vernimmst es gerne – Was ich erblick' in dunkler Nebelferne. 22. Zu sehen glaub' ich, oder zu errathen – Eh vielmal' uns der große Stern umkreist – Den Mann, der Asien schmückt durch hohe Thaten, Und den Aegypten einst als Herrscher preist. Von Künsten schweig' ich, von des Friedens Saaten, Vom hohen Werth, der mir nicht ganz sich weist; Nur dies genüge dir: die Macht der Franken Bringt sein gewalt'ger Arm nicht bloß zum Wanken: 23. Bis auf den Grund wird er sie einst bezwingen, Vernichten ganz ihr ungerechtes Reich, Und nur das Meer beschützt noch den geringen Kraftlosen Rest bis zu dem letzten Streich. Aus deinem Blut wird dieser Held entspringen. Hier schweigt der Greis, und Jener ruft sogleich: O glücklich Er, den solcher Ruhm wird schmücken! – Und halb erfüllt ihn Neid, und halb Entzücken. 24. Sei, fuhr er fort, mir des Geschickes Walten Mild oder hart, nach höh'rer Mächte Plan: Nie soll es über mich ein Recht erhalten, Und nie mich schau'n besiegt noch unterthan. Eh zieht es Mond und Stern' aus ihrem alten Gewohnten Gleis, als von der graden Bahn Je meinen Schritt! Und seinem Aug' entsprühte, Bei diesem Wort, der Muth, der ihn durchglühte. 25. So redend, zog man fort, bis auf den Auen Der Christen Lager ihrem Blick sich bot. O welch ein Anblick, schmerzlich und voll Grauen! Wie vielgestaltig zeigt sich hier der Tod! Wohl läßt der Fürst den Gram im Antlitz schauen, Der ihm den Busen zu zersprengen droht. Wie schimpflich liegen dort die stolzen Fahnen, Einst so gefürchtet auf des Krieges Bahnen! 26. Die Franken treten oft mit Freudenzeichen Auf seiner Freunde Brust und Angesicht, Und lassen selbst den unbegrabnen Leichen Den Waffenschmuck und die Gewänder nicht. Und Viele dann, in langem Zuge, reichen Geliebten Todten ihre letzte Pflicht; Und wieder Andre werfen bunt zusammen Die Araber und Türken in die Flammen. 27. Der Sultan seufzt; die Rache zu beflügeln, Springt er vom Wagen ab, das Schwert in Hand. Doch Jener eilt, die tolle Wut zu zügeln, Reißt ihn zurück und schilt den raschen Brand. Er setzt sich ein, und nach den höchsten Hügeln Wird eilend nun der Rosse Lauf gewandt. So fahren sie dahin, bis man die Gassen Der Frankenzelte weit zurückgelassen. 28. Der Wagen, kaum daß sie herabgesprungen, Verschwindet schnell; zu Fuß und unentdeckt Gehn Beide nun, von ihrer Wolk' umschlungen, Ins Thal hinab, das sich zur Linken streckt, Bis sie zum Berge Zion vorgedrungen, Wo er gen Abend seine Schultern reckt. Nun hält der Greis, und naht sich dann der Jähe Des Felsenhangs, gleichsam als ob er spähe. 29. Hier öffnet eine Höhl' im harten Rücken Des Felsen sich, vor grauer Zeit gemacht; Doch Gras und Buschwerk wächst aus allen Lücken Und birgt den längst nicht mehr gebrauchten Schacht. Um einzugehn muß sich der Zaubrer bücken, Mühsam wird das Gesträuch hinweg gebracht; Die eine Hand muß nach dem Durchgang spüren, Die andre soll den stolzen Sultan führen. 30. Der aber spricht unwillig: Was für schnöde Verstohlne Pfade heißest du mich gehn? Wohl bessern Weg, als durch des Abgrunds Oede, Bahnt sich mein Schwert, willst du es zugestehn. O stolzer Geist, spricht Jener, nicht so spröde Laß deinen Fuß die dunkle Bahn verschmähn; Denn hier einst ging der große Fürst Herodes, Den Ruhm umstrahlt noch in der Nacht des Todes. 31. Sein störrig Volk gehorsam zu erhalten, Durchbrach der König diese Felsenwand; So daß er einen Weg durch ihre Spalten, Vom Thurme des Antonius – so genannt Nach seinem hohen Freunde – zu dem alten Berühmten Tempel ungesehen fand, Um dann, von dort, zur Stadt hinaus zu dringen Und heimlich Kriegsvolk ein und aus zu bringen. 32. Doch außer mir, von Allen die da leben, Kennt diesen dunkeln Weg nicht Freund noch Feind. Er führt uns an den Ort, wo sich so eben Der hohe Rath beim Könige vereint, Der, bei des Schicksals hartem Widerstreben, Wohl mehr, als nöthig ist, zu fürchten scheint. Gar sehr gelegen kommst du; hör' und schweige, Daß, ist es Zeit, dein Wort sich kräftig zeige. 33. So spricht der Greis; zur niedern Grotte schreitet Der Fürst hinein, obwohl nicht ohne Zwang, Und folget dem, der ihn auf Wegen leitet, Wohin noch nie ein Strahl des Tages drang. Erst wandeln sie gebückt; doch bald erweitet, Indem sie fortgehn, sich der Felsengang; Das Steigen wird bequem, und ihre Schritte Erreichen bald der dunkeln Höhlung Mitte. 34. Ein Pförtchen öffnet sich, und aufwärts immer Führt eine Treppe sie, gekrümmt und schmal, Von oben her, mit ungewissem Schimmer, Nur schwach erhellt vom fernen Tagesstrahl. Sie kommen in ein unterirdisch Zimmer Und dann in einen hellen, prächt'gen Saal. Hier nun, das Scepter und die Krone tragend, Saß unter Klagenden der König, klagend. 35. Der wilde Türk, von seiner Wolk' umschlossen, Sieht, ungesehn, und horcht auf jeden Ton, Und hört den König, der die Rathgenossen Zuerst anredet vom geschmückten Thron: Wohl hat, ihr Treuen, gestern sich ergossen Auf unser Reich viel Unglück, Schmach und Hohn, Und uns, die auf den Höh'n der Hoffnung waren, Bleibt keine Hülf', als der Aegypter Schaaren. 36. Allein ihr seht, noch fern sind diese Retter, Und die Gefahr naht immer mehr und mehr. Wie abzuwenden nun dies droh'nde Wetter, Das zu berathen rief ich euch hieher. Der König schweigt, und wie durch Waldesblätter Ein Lüftchen rauscht, so flüstert's rings umher. Nun aber, kühn und heiter um sich blickend, Erhebt Argant sich, das Gesums' erstickend. 37. O großer Fürst – so sprach hier ohne Zagen Der tapfre Held, den nichts zu Boden warf – Warum versuchst du uns, und willst erfragen Was Jeder weiß, und keines Worts bedarf? Vertrau'n wir auf uns selbst, dies laß mich sagen; Und ist dem Muth kein Ungemach zu scharf: Soll er uns Schutz, soll er uns Beistand geben; Und lieben wir nicht über Werth das Leben! 38. Ich sag' es nicht, um das Vertrau'n zu brechen Auf Hülfe, die Aegypten uns verheißt; Denn zweifeln, ob mein König sein Versprechen Erfüllen wird, wär' allzu keck und dreist. Ich sag' es, weil ich hier, statt mancher Schwächen, Wünscht' edlern Muth zu schau'n und kühnern Geist, Der jedem Schicksal zu begegnen trachte, Auf Sieg vertrau' und fest den Tod verachte. 39. Nur so viel sprach Argant, vor nichts erbebend, Wie einer, deß Vertrau'n Gewißheit stählt. Darauf erstand, sich wicht'ges Ansehn gebend, Orkan, der lange Reihn von Ahnen zählt, Vor Zeiten selbst nach Waffenruhme strebend; Doch seit er sich der jungen Frau vermählt, Der Kinder sich erfreut, erstickte Liebe Im Vater und Gemahl die edlern Triebe. 40. Herr, sprach Orkan, nicht will ich mürrisch zanken, Wenn durch so prächt'ge Wort' ein Feuer rann, Erzeugt vom Muth, der in des Herzens Schranken Verschlossen bleiben weder will noch kann. Drum, wenn zu kühn vor dir die Glutgedanken, Nach seiner Art, ausspricht der tapfre Mann: Sei's ihm vergönnt, weil er hernach in Werken Dieselbe Glut nicht minder läßt bemerken. 41. Hingegen dir, der auf Erfahrungswegen Klugheit gesammelt seit so manchem Jahr, Dir ziemt es wohl, dort Zügel anzulegen, Wo er zu rasch, zu unbedachtsam war; Des fernen Beistands Hoffnung abzuwägen Mit naher, ja vorhandner Kriegsgefahr, Und mit des Feindes ungestümer Schnelle Die alten Mauern und die neuen Wälle. 42. Zwar ist die Stadt – ich rede frei und offen – Durch Lag' und Kunst nicht ganz vertheid'gungslos; Doch auch der Feind hat Zurüstung getroffen Mit Sturmzeug aller Art, furchtbar und groß. Was sein wird, weiß ich nicht; in Furcht und Hoffen Harr' ich aufs ungewisse Kriegesloos, Und sorge sehr, wenn dichter die Umschaarung Des Feindes drängt, so fehlt es bald an Nahrung. 43. Denn diese Heerde Vieh und dies Getraide, So gestern du gebracht an sichern Ort, Indeß man drunten nur der Schwerter Schneide Zu röthen sann, fürwahr zu unserm Hort: Das nährt uns – kleine Hülf' in großem Leide – Nur kurze Frist, währt die Belagrung fort. Und lange noch währt sicher diese Lage, Kommt auch Aegypten am bestimmten Tage. 44. Wie aber, wenn es säumt? Und mag es fliegen Noch vor der Hoffnung, dem Versprechen her: Doch seh' ich nicht für unser endlich Siegen, Doch für der Stadt Befreiung nicht Gewähr. Denn jener Gottfried, Herr, ist zu bekriegen, Und jene Feldherr'n und dasselbe Heer, Die sich so oft gezeigt als Triumphirer Der Perser, Türken, Araber und Syrer. 45. Du kennst sie wohl, du, der dem Ueberwinder So oft das Feld geräumt, o Held Argant! So oft, den Fersen trauend, mit geschwinder Behendigkeit den Rücken ihm gewandt. Clorinde kennt sie auch, und ich nicht minder; Denn Keinem werd' ein Vorzug zuerkannt. Auch tadl' ich Keinen; denn durch hohe Werke Bewies, nach Möglichkeit, sich unsre Stärke. 46. Doch sprech' ich aus, obwohl mit Todesstreichen Mir Jener droht und Wahrheit zürnend hört, Daß mit dem mächt'gen Feind – klar sind die Zeichen – Ein unvermeidlich Schicksal sich verschwört. Vor keiner Schaar noch Mauer wird er weichen, Nichts hält ihn auf, bis er dies Reich zerstört. Der Himmel zeug's: mich zwingt zu solchem Tone Nur Lieb' und Treu für Vaterland und Krone. 47. O kluger Fürst von Tripolis, der Frieden Und Thron zugleich vom Frankenvolk erhielt! Doch jener Sultan ist nun wohl verschieden, Wenn nicht die Kette seinen Fuß umspielt, Wenn nicht, verbannt und flüchtig, er hienieden Zum größten Elend noch sich aufbehielt. Doch, opfernd Einen Theil, gerettet haben Würd' er den andern durch Tribut und Gaben. 48. So spricht Orkan, so hüllt er sich, verschlagen, In einen Kreis zweideut'ger Reden ein; Denn offenbar auf Frieden anzutragen, Auf Zinsbarkeit, scheint ihm zu kühn zu sein. Der Sultan aber kann's nicht mehr ertragen, Still und verborgen ihm sein Ohr zu leihn; Auch spricht Ismen: Vergönnst du Jenem dorten, Herr, daß er reden dürf' in solchen Worten? 49. Längst mit Verdruß, versetzt der Sultan, weilte Ich hier versteckt, und glüh' in Zorn und Schaam. Kaum sprach er's aus, als sich die Wolke theilte, Die sie bis jetzt in ihre Hülle nahm, Und plötzlich auf zum freien Himmel eilte; Er aber blieb im Glanze, wundersam, Und, strahlend im Gesicht von Stolz und Grimme, Stand er im Kreis' und sprach mit lauter Stimme: 50. Ich, der, von dem man redet, bin zugegen, Der Sultan selbst, der weder zagt noch läuft, Und Diesem hier beweisen soll mein Degen, Daß sein verfluchter Mund von Lügen träuft. Ich, der das Feld beströmt mit blut'gem Regen, Der Berge rings von Leichen aufgehäuft, Versperrt im Feindeswall, und endlich tücht'ger Genossen ganz entbehrend – ich, ein Flücht'ger? 51. Doch sollt' hier der, sollt' Einer sonst, dem Glauben Abtrünnig, ein verräthrischer Vasall, Sich noch ein Wort vom Schandvertrag' erlauben – Vergieb, o Fürst! – den tödt' ich überall. Eh berg' Ein Nest die Schlangen und die Tauben, Eh hause Lamm und Wolf in Einem Stall, Bevor jemals in Eines Ortes Mauern, Nicht mehr entzweit, wir mit den Franken dauern. 52. So spricht der kühne Held, und legt ans wilde Furchtbare Schwert mit droh'ndem Blick die Hand. Bei diesem Wort, bei diesem Schreckgebilde, Bleibt Jeder stumm, von Staunen übermannt. Er aber spricht sodann, in größrer Milde, Mit Höflichkeit zum Aladin gewandt: Herr, hoffe nun! ich bringe, dir zum Frommen, Nicht kleinen Beistand: Solyman ist kommen. 53. Schon nahte sich der König mit Vertrauen Und sprach zu ihm: Wie froh seh' ich dich hier, Geliebter Freund! Kaum fühl' ich nun den rauhen Verlust des Heers; und Schlimmres ahnt' ich schier. Du wirst befest'gen meinen Thron, aufbauen In kurzer Zeit aufs neu den eignen dir, Wenn's nicht der Himmel wehrt. Er sprach's, durchdrungen Von hoher Freud', und hielt ihn fest umschlungen. 54. Der König will, nach freudigem Willkommen, Auf seinem eignen Thron den Sultan sehn, Und da er selbst zur Linken Platz genommen, Ruft er an seine Seite den Ismen. Indeß er Diesen fragt nach ihrem Kommen, Und ihm der Greis berichtet, wie's geschehn, Tritt, zum Empfang des Sultans, aus dem Kreise Die Jungfrau erst, die Andern gleicher Weise. 55. Auch Ormus naht, den Solyman ernannte, Heerführer seiner Araber zu sein, Und der, indeß der Kampf am stärksten brannte, Im Schutz der stillen Nacht, mit seinen Reihn Auf Nebenpfaden so umher sich wandte, Daß er zur Stadt sie glücklich bracht' hinein, Und mit dem Korn und den geraubten Heerden Abhalf des Hungers drückenden Beschwerden. 56. Allein, mit scheelem Blick und innerm Grollen, Bleibt der Circasser stumm und unbewegt: So wie ein Leu, mit glühndem Augenrollen, Daliegt in Ruh' und keine Klaue regt; Indeß, aus Furcht vor jenem Schreckenvollen, Orkan den Blick besorgt zur Erde schlägt. So sitzen nun im würdigen Senate Die Fürsten und die Ritter hier zu Rathe. 57. Verfolgt indeß hat Gottfried, weit vom Walle, Sieg und Besiegt', und jeden Weg befreit, Und seinen Todten, nach so würd'gem Falle, Der letzten Ehre fromme Pflicht geweiht. Nun giebt er den Befehl, es seien Alle Am zweiten Tag zum Sturm der Stadt bereit, Und droht mit größern, schrecklichern Gefahren Erneuten Kriegs den eingeschlossnen Schaaren. 58. Und weil er jenes Fähnlein, das ihm heute Im wilden Kampf so treu zur Hülfe kam, Wohl hatt' erkannt als seine besten Leute, Die jene list'ge Zaubrin mit sich nahm, Bei ihnen auch Tancreden, den zur Beute Armida jüngst in ihrer Burg bekam: So ließ er Alle, nebst dem Eremiten Und wen'gen Freunden, zu sich jetzt entbieten. 59. Ich bitt' euch, sprach er, lasset uns erkunden, Was auf der kurzen Irrfahrt euch geschehn, Und wie sodann ihr euch bereit gefunden, Uns in der Noth so kräftig beizustehn. Doch Allen hielt die Schaam das Wort gebunden, Denn bitter fühlt' ihr Herz ein klein Vergehn. Der Brittenfürst brach endlich, widerstrebend, Die tiefe Still' und sprach, das Aug' erhebend: 60. Wir, die das Loos verschmähte zu begnaden, Flohn jeder einzeln und in Heimlichkeit, Vom holden Antlitz trügrisch eingeladen, Gelockt von Amors tückischem Geleit, Der Schönen nach auf abgelegnen Pfaden, Ein Jeder eifersüchtig, All' entzweit, Und Lieb' und Groll – zu spät belehrt Erfahrung! – Empfingen stets durch Wort' und Blicke Nahrung. 61. Wir kamen hin, wo einst in breiten Bächen Des Himmels Flamm' herabfuhr mit Gewalt, Um die beleidigte Natur zu rächen An jenem Volk, dem nichts für Frevel galt. Einst waren's reiche, fruchtbegabte Flächen, Jetzt sind es heiße Wasser voll Asphalt: Ein todter See, der rings umher die Lüfte Verpestet schier durch seine faulen Düfte. 62. Nichts kann den Boden dieses Sees erreichen, Was man hineinwirft, sei es noch so schwer; Dem leichten Holz der Tanne zu vergleichen, Schwimmt Mensch und Stein und Eisen obenher. Ein prächtig Schloß liegt mitten in den Teichen, Und nur ein schmales Brücklein führt hieher. Hier nun empfing sie uns; und wahrlich! drinnen Bezaubert Alles, Alles lacht den Sinnen. 63. Ein heitrer Himmel überwölbt die Auen; Die Bäume blühn, von klarer Flut bespült. Die schönsten Myrtenwälder sind zu schauen, Die hier ein Quell und dort ein Flüßchen kühlt. Ein sanfter Schlummer scheint herab zu thauen, Indeß die Luft im zarten Laube wühlt; Süß tönt der Vögel Lied. Von Wunderwerken In Gold und Marmor will ich nichts bemerken. 64. Sie ließ, im Schutz der dichtern Dunkelheiten, Wo durch das Gras die Quelle murmelnd rollt, Die Tafel, reich an Prachtgeschirr, bereiten An Speisen reich, dem feinsten Gaumen hold. Hier war die Ausbeut' aller Jahreszeiten, Was nur die Erde schenkt, das Meer nur zollt, Die Kunst nur würzt; und hundert junge Schönen Bedienten uns, des Mahles Lust zu krönen. 65. Dies Mahl des Todes, diesen Trank der Lügen Versüßte sie mit holdem Blick und Wort; Und Jeder schlürft' in langen Flammenzügen Ein lang Vergessen ein am sel'gen Ort. Nun stand sie auf; mit minder sanften Zügen Und strengerm Blick kam sie zurück sofort, Und hielt ein Buch nebst einem kleinen Reise; Dies schwenkte sie, aus jenem las sie leise. 66. Die Zaubrin las, und gleich schien Neigung, Leben, Sinn, Aufenthalt verwandelt mir zu sein. Seltsame Kraft! ich fühlt' ein neues Streben, Sprang in die Flut und tauchte tief mich ein. Der Leib verkürzte sich – wie sich's begeben, Begreif' ich nicht – hinweg schwand Arm und Bein; Auf meiner vor'gen Haut wuchs eine frische, Von Schuppen voll, und kurz – ich ward zum Fische. 67. Die Andern, auch verwandelt, schlüpften nieder Mit mir zugleich zum flüss'gen Silberraum. Wie mir zu Muthe war beim Tausch der Glieder, Kommt jetzt mir vor wie toller Fiebertraum. Am Ende gab sie die Gestalt uns wieder; Doch wir, erstaunt, erschrocken, wagten kaum Zu athmen noch, als sie mit finsterm Blicke So nun begann, zu unserm Mißgeschicke: 68. Jetzt, sprach sie, liegt euch meine Macht zu Tage, Und wie mein Will' entscheidet euer Loos. Von mir hängt's ab, daß Dieser Fesseln trage In ew'gem Kerker, licht- und hoffnungslos, Der Vogel werd', ein Andrer Wurzel schlage Und als Gewächs keim' aus der Erde Schooß, Zum Kiesel sich verhärt', als Bach zerfließe, Als Thier entwandle mit behaartem Vließe. 69. Noch steht's bei euch, den harten Zorn zu meiden, Wenn mein Gebot ihr zu erfüllen schwört: Folgt unserm Dienst, kämpft für das Reich der Heiden, Bis wir Bouillons ruchlose Macht zerstört. Doch Jedermann will lieber Alles leiden, Als solche Schmach; Rambald nur ward bethört. Uns warf sie – denn kein Wehren half – gebunden In einen Schlund, den nie der Tag gefunden. 70. Durch Zufall nun mußt' auch Tancred gelangen In diese Burg, und blieb dort in Gewahr. Doch hielt sie uns nur kurze Zeit gefangen, Die Zauberin; denn, wie die Rede war, Ließ uns von ihr Damaskus Herr verlangen Durch einen Boten, der, mit einer Schaar Von hundert Mann, uns nach Aegyptens Landen Führt' als Geschenk, entwaffnet und in Banden. 71. So zogen wir dahin, und, wie die Leitung Des Himmels fügt und ordnet, uns zu Gut, Kommt nun Rinald, der seines Ruhms Verbreitung Durch neue That zu mehren nimmer ruht, Des Wegs daher, stürmt los auf die Begleitung, Die uns bewacht, übt den gewohnten Muth, Besiegt und tödtet sie; und so bekommen Wir ihre Waffen, die man uns genommen. 72. Ich sah ihn, Diese sahen ihn; uns Allen Reicht' er die Hand, auch hörten wir sein Wort; Und Truggerüchte sind's, die hier erschallen Von seinem Tod: er lebet, unser Hort. Drei Tage sind's, da Er, zum Weiterwallen Vereint mit einem Pilgrim, von uns fort Gen Antiochien zog, und auf den Auen Ließ er die Rüstung, blutig und zerhauen. 73. So spricht er, und mit heiligem Vergnügen Hebt nun der Eremit das Aug' empor; Sein Antlitz wandelt sich in Farb' und Zügen, Ehrwürd'ger, heller strahlt es, denn zuvor. Der Gottheit voll, entzückt zu hohen Flügen, Schwingt er sich aufwärts zu der Engel Chor. Die Zukunft rollt ihm auf; in fernen Weiten Schaut er die ew'gen Reihn der Jahr' und Zeiten. 74. Die Lippen öffnend, thut er laut in vollen Klangströmen kund, was künftig wird vollbracht; Und auf das Antlitz, auf das Donnerrollen Der hehren Stimm' hat Alles staunend Acht: Rinaldo, spricht er, lebt; was hier erschollen, Ist Trug und Lüge, die ein Weib erdacht. Er lebet, und der Jugend zarte Blume Bewahrt der Himmel auf zu reiferm Ruhme. 75. Vorzeichen ist's und knabenhaft Ermannen, Was Asien von ihm kennt und rühmt bis nun. Ich seh' es klar: eh viele Jahr' entrannen, Zähmt er des Herrschers ungerechtes Thun. Weit wird sein Aar den Silberfittig spannen, Daß Kirch' und Rom in seinem Schatten ruhn, Durch ihn erlöst aus jenes Unthiers Klauen; Und Söhne wird er, seiner würdig, schauen. 76. Der Söhne Söhn' und kommende Geschlechter, Sie werden ganz sich solchem Beispiel weihn, Und wider die Tyrannen und Verächter Den Infuln und den Tempeln Schutz verleihn. Des Stolzes Bändiger, der Unschuld Wächter, Der Schwachheit Schirm, der Bosheit Grau'n zu sein, Das ist ihr Amt. So fliegt aus hehrem Neste Einst über Sonnen hin der Aar von Este. 77. Und dringt er zu des Lichts, der Wahrheit Thoren, Dann reich' er Petern einst den Donnerkeil. Er ist zum Sieg und zum Triumph erkoren, Wo man für Christus kämpft und ew'ges Heil; Das ist ihm hoch und göttlich angeboren, Ihm ward's durch ewiges Gesetz zu Theil. Ruft denn zurück – der Himmel hat's beschlossen – Zum großen Werk den würdigen Genossen. 78. So tilgt der Weise nun die Furcht der Franken, Die das Geschick Rinaldo's ihnen gab. Bouillon allein, verloren in Gedanken, Lenkt schweigend sich vom lauten Jubel ab. Indeß erschien die Nacht; zur Erde sanken Die dunkeln Hüllen, thaubenetzt, herab. Die Andern leihn dem Schlummer ihre Glieder, Dem Feldherrn nur steigt keine Ruh hernieder. Eilfter Gesang Eilfter Gesang. 1. Indeß der Kriegesfürst der gläub'gen Menge Nur auf den Angriff sinnet fort und fort, Und Sturmzeug rüstet, das die Stadt bedränge, Naht Peter sich, der Eremit, ihm dort, Führt ihn zur Seit' und spricht mit frommer Strenge, Ehrwürdig ernst, zu Gottfried dieses Wort: Wohl seh' ich, daß du ird'sche Waffen rüstest, Doch nicht beginnst du, Feldherr, wo du müßtest. 2. Vom Himmel sei der Anfang! Laß erschallen Ein fromm und öffentlich Gebet zuvor Den Kriegesengeln und den Heil'gen allen, Daß sie dem Heer aufthun des Sieges Thor. Im Festschmuck laß voran die Priester wallen Mit flehender Gesäng' andächt'gem Chor, Und dann von euch erlauchten Führern lerne Das Volk die Gottesfurcht, und folg' euch gerne. 3. So sagt der Eremit, ernst und gerade, Und Gottfried lobt der Rede weisen Sinn: Knecht Jesu, spricht er, bei dem Herrn in Gnade, Sieh, ob ich deinem Rathe folgsam bin. Indessen ich die Führer zu mir lade, Geh zu den beiden Völkerhirten hin, Wilhelm und Adhemar, und eurer Leitung Sei anvertraut des heil'gen Fests Bereitung. 4. Der Greis versammelt bei der frühsten Helle, Nebst jenen Zween, der niedern Priester Schaar, Da, wo im Lager die geweihte Schwelle Dem frommen Dienst des Herrn bereitet war. Sie alle nehmen an der heil'gen Stelle Ein weiß Gewand; der Oberhirten Paar Schnallt auf der Brust des goldnen Mantels Spangen Und läßt das Haupt vom Bischofshut umfangen. 5. Den Zug führt Peter an, im Winde breitend Das hohe Bild, vor dem der Himmel kniet; Worauf der Chor, ernst und gemessen schreitend, Einher in langer Doppelreihe zieht: Demüth'gen Tons von frommen Lippen gleitend, Erschallet leis' ein flehend Wechsellied; Und endlich gehn, zum Schluß der heil'gen Schaaren, Die Fürsten, Wilhelm neben Adhemaren. 6. Nun kommt Bouillon, und zwar, nach Feldherrnsitte, In keines Manns Begleitung, er allein. Die Führer folgen paarweis seinem Schritte, Und dann, für sie bewehrt, der Krieger Reihn. So zieht, geordnet, aus des Lagers Mitte Das Volk hervor in würdigem Verein; Nicht der Trommeten kriegerisch Gedröhne, Nur Psalmen hört man und der Andacht Töne. 7. Erzeuger dir; dir, dem ihm gleichen Sohne; Dir, der von Beiden aus, in Liebe, geht; Dir, des Gottmenschen Mutter, die am Throne Zur Rechten sitzt, euch schallet ihr Gebet; Und, Führer, euch, die in der Strahlenzone Ihr vor dem Heer der Himmelschaaren steht; Und dir, o Göttlicher, der hochbegnadet Die Gottesstirn in heil'ger Flut gebadet. 8. Auch deinen Beistand wollen sie erwerben, Du Fels des Hauses, das der Herr gebaut, Wo durch die Huld des neuen, würd'gen Erben Das Gnadenthor die Welt geöffnet schaut; Auch jener andern Boten, die das Sterben Voll hohen Siegs verkündet hoch und laut; Und jener spätern, die, in voller Klarheit, Blutzeugen sind und Märtyrer der Wahrheit; 9. Und jener, die gezeigt durch Schrift und Worte Den Himmelspfad, der lange war verhehlt; Und Christi treuer Magd, die sich zum Horte Des edlern Lebens hohes Gut erwählt; Und jener Jungfrau'n an geweihtem Orte, Die Gott mit heil'ger Hochzeit sich vermählt; Und jener heldenmüth'gen Märtyrinnen, Der Fürsten und des Volks Verächterinnen. 10. So singend zieht das Volk in weitem Kreise, Mit ernsten Schritten, langsam seinen Pfad, Und lenkt zum Oelberg nun die fromme Reise, Der vom Olivenbaum den Namen hat Und, aller Welt berühmt mit heil'gem Preise, Der hohen Mauer sich von Osten naht. Nur Josaphat, mit schroffer Thaleswindung, Verwehrt des Berges und der Stadt Verbindung. 11. Dorthin begiebt das Heer sich mit Gesängen, Und durch die tiefsten Thäler dringt der Schall, Und Berg' und Grotten füllen sich mit Klängen, Und tausendfach antwortet Wiederhall. Ein Waldchor scheint sich in den Felsengängen, Im dichten Laub zu bergen überall, So deutlich ruft's den frommen Melodieen Die Namen nach von Christus und Marien. 12. Das Heidenvolk bleibt auf der Mauer stehen Und nimmt, erstaunt und still, dies alles wahr; Der ernste Gang, das demuthsvolle Flehen, Der fremde Pomp, erscheint ihm wunderbar. Doch wie es um der Neuheit Reiz geschehen Des heil'gen Schauspiels, hebt die freche Schaar Zu toben an, und Schmähn und Lästrung füllen Die Luft, daß Waldstrom, Thal und Berg erbrüllen. 13. Doch mit des Bittgesangs anmuth'gen Tönen Hält Christi frommes Volk deßhalb nicht ein, Und achtet mehr nicht auf ihr Drohn und Höhnen, Als auf geschwätz'ger Vögel lautes Schrei'n. Auch sorgt man nicht, ob Wurfgeschosse dröhnen, Daß sie des heil'gen Friedens Störer sei'n Aus solcher Fern', und so vollbringt die Menge In Sicherheit die frommen Festgesänge. 14. Dem Priester nun wird ein Altar dort oben, Als Tafel jenes großen Mahls, geschmückt, Und auf den goldnen Leuchtern hoch erhoben Ein strahlend Licht ihm rechts und links gerückt. Ein andres Kleid, doch schön und reich gewoben, Nimmt Wilhelm dort, und sinnet, still gebückt. Die Stimm' erhebt er dann mit hellem Schalle, Verklagt sich selbst, dankt Gott und fleht für Alle. 15. Der Nahe hält sein Ohr zu ihm gewendet, Der Ferne mindstens des Gesichtes Sinn. Doch als er das Geheimniß nun vollendet Des reinen Opfers, spricht er: Gehet hin! Und mit der priesterlichen Rechte spendet Den Kriegern er des Segens Vollgewinn. Entsündigt wandelt nun die Schaar der Frommen Den Pfad zurück, auf welchem sie gekommen. 16. Als man im Lager Reih' und Glied verlassen, Begiebt der Feldherr sich in sein Gezelt, Und bis zur Schwelle bleibt, in dichten Massen, Ihm der Begleiter große Schaar gesellt. Hier wendet sich Bouillon, sie zu entlassen; Den Führern aber winkt der fromme Held, Mit ihm sich durch ein stärkend Mahl zu letzen; Ihm gegenüber muß sich Raimund setzen. 17. Schon hat durch Speis' und Trank beim Festgelage Befriedigt den Naturtrieb jeder Gast, Da spricht der Feldherr: Mit dem neuen Tage Macht insgesammt zum Angriff euch gefaßt. Das sei ein Tag des Krieges und der Plage, Doch diesen weiht der Rüstung und der Rast. Drum ruhe nun ein Jeder, und bereite Sodann sich selbst und seine Schaar zum Streite. 18. Sie gingen fort, und nun macht sonder Weile Der Herold bei Trommetenschall bekannt, Daß jeder Krieger mit dem Frühlicht eile, In voller Wehr, zum angewiesnen Stand. So ward zum Theil zur Labung, und zum Theile Zum Fleiß und Denken, dieser Tag verwandt, Bis leise kam die Nacht herangezogen, Die Mühe störend und der Ruh gewogen. 19. Noch schwankt Aurora, und noch nicht hernieder Blickt aus dem Ost des Tages Lichtgestalt; Noch kehrt der Hirt nicht zu den Auen wieder, Noch fühlt die Erde nicht des Pflugs Gewalt; Gesichert ruht auf Zweigen das Gefieder, Und kein Gebell noch Horn durchstört den Wald, Als: zu den Waffen! die Trommete dröhnet, Und: zu den Waffen! rings der Himmel tönet. 20. Auf, zu den Waffen! Waffen! so erneute Sich tausendmal der Ruf im großen Heer. Sogleich steht Gottfried auf, doch nimmt er heute Nicht die gewohnte Rüstung, stark und schwer; Er wählt sich andre Waffen, wie für Leute Zu Fuß sich schickt, bequeme, leichte Wehr. Schon hat er die geringe Last genommen, Da sieht er schnell den wackern Raimund kommen. 21. Als Gottfried, so bewaffnet, sich dem weisen Rathgeber zeigt, der seinen Sinn erspäht, Spricht Dieser: Herr, wo ist dein starkes Eisen? Des Panzers Last? das andre Stahlgeräth? Warum fast waffenlos? ich kann's nicht preisen, Daß mit so schwacher Wehr der Feldherr geht. Nun seh' ich wohl aus allen diesen Dingen, Du willst ein niedres Ziel des Ruhms erringen. 22. Ha, wonach strebst du? nach gemeiner Ehre Des Wall-Ersteigers? Laß sie jener Schaar, Die, minder werth und nöthig unserm Heere, Pflichtmäßig weiht ihr Leben der Gefahr. Du, Herr, ergreife die gewohnten Wehre, Und nimm, zu unserm Wohl, dein selber wahr. Dein Leben, Geist und Seele dieser Schaaren, Es muß, bei Gott! sorgfältig sich bewahren. 23. Er schweigt, und Jener spricht: Vernimm die Kunde: Als ich in Clermont vor Urbanen stand, Der, durch dies Schwert, dem frommen Ritterbunde Mich zugesellte mit allmächt'ger Hand, Gelobt' ich meinem Gott mit stillem Munde, Nicht zu genügen bloß dem Feldherrnstand, Nein, zu verwenden auch beim großen Werke, Als ein gemeiner Krieger, Schwert und Stärke. 24. Drum, wenn mein ganzes Heer in Reihn und Glieder Geordnet ist und rückt zum Feind hinan, Und wenn ich so, als Feldherr, treu und bieder Der übernommnen Pflicht genug gethan: Dann will auch ich – wohl hast du nichts dawider – Den hohen Mauern mich im Kampfe nahn Und meinen heil'gen Schwur dem Himmel halten; Mag über mir sein Arm beschützend walten! 25. Er spricht's, und Frankreichs Ritter, sammt den beiden Gebrüdern Gottfrieds, thun, wie er's gemacht; Auch andre Fürsten folgen ihm und kleiden Sich in des Fußvolks leichtre Waffentracht. Schon stieg indeß das kecke Volk der Heiden Zur Höh' hinan, wo gegen Mitternacht Und gegen Abend sich die Mauer kehrte, Weil mindern Schutz die Ebne hier gewährte. 26. Denn anderswo befürchtet die Gefahren Des Feindessturms die starke Vestung nicht. Hier sammelt der Tyrann die Söldnerschaaren Und alles Volk, das Kraft und Muth verspricht. Ja, Kinder selbst und Greis' in hohen Jahren Beruft die höchste Noth zur Kriegespflicht, Und Diese reichen dort dem stärkern Theile Kalk, Schwefel, Pech und große Stein' und Pfeile. 27. Mit Waffen und Gezeug war mannigfaltig Die Mauer, nach der Ebne hin, versehn, Und hier, gleichwie ein Riese, hochgestaltig, Ist Solyman vom Gürtel auf zu sehn. Hier, zwischen Zinnen, drohend und gewaltig, Thürmt sich Argant, von Weitem zu erspähn; Und auf dem höchsten Winkelthurm am Walle Erscheint Clorind', erhaben über Alle. 28. Herab vom Rücken hängt bis auf die Lenden Der Köcher ihr, der Pfeile schwere Last. Den Bogen schon ergreift sie mit den Händen, Schon ist die Sehne straff, der Pfeil gefaßt, Und ringsum späht, den Feinden ihn zu senden, Die schöne Schützin mit begier'ger Hast. So dachte man vor Alters sich Dianen, Versendend ihre Pfeil' aus Wolkenbahnen. 29. Der greise König eilt mit flücht'gen Sohlen Von Thor zu Thor, sieht nach an jedem Ort, Ob alles auch geschehn, was er befohlen, Ermuntert seine Schaar durch kluges Wort, Mehrt hier das Volk, läßt dort noch Waffen holen, Und sorgt für Alles, als der Seinen Hort. Die Mütter ziehn indeß in die Moscheen, Um zu dem bösen Lügnergott zu flehen: 30. Zerbrich, o Herr, mit deiner starken Rechte Des Frankenräubers Speer wie schwaches Rohr, Und ihn, der dich zu schmähen sich erfrechte, Erschlag' und streu' umher ihn unterm Thor! So riefen sie, doch in der ew'gen Nächte Qualvollem Reich hört' ihren Ruf kein Ohr. Indeß die Stadt nun fleht und sich bereitet, Hat Gottfried Volk und Waffen rings verbreitet. 31. Er führt das Fußvolk aus des Lagers Schwellen Behutsam und mit schöner Kunst hinaus, Und dehnt es in zwei Flügel vor den Wällen, Die er zu stürmen denkt, schräglinig aus. Dazwischen läßt er die Balisten stellen Und andres Werkzeug voll Zerstörungsgraus, Das auf die Zinnen los, wie Donnerkeile, Bald große Steine wirft, bald Schleuderpfeile. 32. Im Rücken hält, das Fußvolk zu beschützen, Die Reiterschaar, die leichtre schweift umher. Das Zeichen schallt zum Angriff, und der Schützen, Der Schleudrer, ist ein so gewaltig Heer, So mächtig stürmt man mit den Wurfgeschützen, Daß bald sich schwächt der Heiden Gegenwehr. Der Eine fällt, der Andre flieht von hinnen; Schon mindert sich die Mannschaft auf den Zinnen. 33. Der Franken Heer, kampflustig, unverdrossen, Beschleunigt nun den Schritt mit aller Macht. Ein Theil der Krieger, Schild an Schild geschlossen, Hat überm Haupt ein Schirmdach sich gemacht, Der andre nimmt vor Steinen und Geschossen Sich unterm Schutz des Sturmgeräths in Acht. Und als sie nun des Grabens Rand erreichen, Geht Alles dran die Tiefen auszugleichen. 34. Kein fließend Wasser findet sich im Graben – Die Lage hindert's – und auch kein Morast, Und Steine, Reisig, Bäum' und Erde haben Ihn bald erfüllt, wie viel er immer faßt. Nun naht zuerst, die Leiter aufgehaben, Mit freiem Haupt der kühne Held Adrast. Kein siedend Pech, kein harter Steineregen Hält ihn zurück: er steigt hinan, verwegen. 35. Rasch auf dem luft'gen Pfade fortgezogen, Hatt' ihn Adrast schon halb zurückgelegt Und ward, obwohl ein Ziel von tausend Bogen, Durch keine Macht aus seiner Bahn bewegt: Da kommt ein großer runder Stein geflogen, Wie man aus Mörsern sie zu schießen pflegt, Trifft seinen Helm und stürzt ihn von der Leiter; So kräftig warf Argant, der wilde Streiter. 36. Hart, doch nicht tödtlich, war der Wurf; das Fallen Betäubt nur den Adrast, er liegt wie Stein. Nun läßt Argant die freche Stimm' erschallen: Der Erste fiel; wer will der Zweite sein? Was zögert ihr, uns offen anzufallen? Berg' Ich mich denn, ihr bang verkrochnen Reihn? Nichts helfen euch die Höhlen, die ich schaue, Drin sterben sollt ihr, wie das Wild im Baue. 37. Er ruft's, doch hemmt er nicht auf ihren Wegen Die noch verborgne Schaar; sie trotzt vielmehr, Vom Schilddach wohl beschützt, dem stärksten Regen Der Stein' und Pfeil' und aller Gegenwehr. Der Widder bringt der Mauer schon entgegen Sein Sturmgeräth, die Balken, groß und schwer, Bocksköpfig, hart, mit Eisen dicht beschlagen, Vor deren Stoß die Thor' und Mauern zagen. 38. Der Feind indeß, in solcher Noth beflissen, Hat eine mächt'ge Last herbei geschafft, Die, von der Höhe jetzt hinab geschmissen, Auf die Bedachung stürzt mit Bergeskraft. Der Schildverein wird alsobald zerrissen, Und mancher Helm und manche Stirne klafft, Und ringsum wird das Land, in weiten Jochen, Bedeckt mit Waffen, Blut, Gehirn und Knochen. 39. Nun will nicht mehr sich der Belagrer wahren Und thut Verzicht auf alle Wehr und Hut; Aus blinden jetzt in sichtliche Gefahren Tritt er hervor und offenbart den Muth. Die Leitern klimmt hinan ein Theil der Schaaren, Ein Theil stürmt unten los mit mächt'ger Wut. Die Mauer bebt und zeigt die morschen Flanken Zerrissen schon vom Ungestüm der Franken. 40. Und sicher fiel sie vor des Widders Toben, Der auf sie los mit Doppelstößen kracht; Doch schnell genug sind die Vertheid'ger oben Mit kluger Kunst auf ihren Schutz bedacht. Denn wo der Balken kommt herangeschoben, Wird gleich ein großer Wollsack hingebracht: Er muß den Stoß des Widders auf sich nehmen Und so, nachgebend, seinen Anprall lähmen. 41. Indessen hier der Franke so verwogen Die Mauer angreift in gedrängter Zahl, Spannt siebenmal Clorinde rasch den Bogen Und schickt den Pfeil von hinnen siebenmal. Und welche Pfeil' aus ihren Händen flogen, Sie alle färben blutig Schwing' und Stahl, Nicht mit gemeinem Blut, mit dem der Fürsten; Die Stolze kann nicht nach geringerm dürsten. 42. Der Erste, dessen Blut sie dort versprützte, War des Britannenkönigs jüngrer Sohn. Kaum trat er aus dem Schirmdach, das ihn schützte, Da traf ihr Pfeil die rechte Hand ihm schon, Und so, daß ihm der Handschuh wenig nützte; Denn ihr Geschoß sprach selbst dem Eisen Hohn. Er knirscht, untüchtig aus dem Kampfe scheidend, Von Schmerzen minder als vom Unmuth leidend. 43. Clothar, der Frank, stürzt von der Leiter Sprossen, Stephan d'Amboise fällt am Grabenbord; Dem hatt' ihr Pfeil die Seiten ganz durchschossen, Dem Brust und Rücken durch, von da bis dort. Und als der Graf von Flandern, unverdrossen, Den Widder schiebt, trifft ihm ihr Pfeil sofort Den linken Arm; vergebens, daß er heische Ihn auszuziehn: das Eisen bleibt im Fleische. 44. Dem Adhemar, der, fern vom wilden Streite, Die Schlacht zu schauen, unvorsichtig stand, Trifft ihr Geschoß die Stirn aus ferner Weite. Die Rechte hat er kaum dahin gewandt, Wo ihn der Pfeil verletzt, da kommt der zweite Und heftet auf das Antlitz ihm die Hand. Er fällt, und reichlich überströmt der Gute Das weibliche Geschoß mit heil'gem Blute. 45. Dem Palamed, nicht fern mehr von den Zinnen, Der, höhnend die Gefahr, die ihn bedroht, Stets höher klimmt mit muthigem Beginnen, Ertheilt ihr siebentes Geschoß den Tod. Der Pfeil dringt in das Auge, schneidet innen Die Nerven durch und fährt, vom Blute roth, Ihm zum Genick heraus. Mit kaltem Schauer Sinkt er hinab und stirbt am Fuß der Mauer. 46. Doch Gottfried droht, indeß Clorindens Pfeile So tödtlich sind, der Stadt mit neuer Macht; Denn an das eine Thor wird sonder Weile Das größte seines Sturmgeräths gebracht. Dies ist ein Thurm von Holz, dem obern Theile Der Mauerzinn' an Höhe gleich gemacht, Ein Thurm, beschwert mit Männern und mit Waffen, Und dennoch leicht auf Rädern fortzuschaffen. 47. Die große Last, ausströmend einen Regen Von Spießen und von Pfeilen, kommt heran, Und wie zur See sich Schiff' an Schiffe legen, Sucht sie sich dicht der Mauerwand zu nahn. Doch kräftig stellt der Feind sich ihr entgegen, Greift sie von vorn und von den Seiten an, Hält Spieße vor, und wie er kann, wirft Jeder Mit Steinen los auf Zinnen oder Räder. 48. Der Stein' und Pfeile Meng', aus beiden Heeren Zahllos versendet, schwärzt des Himmels Zelt. Zwei Wolken treffen sich, und Pfeile kehren Manchmal zurück zu dem, der sie geschnellt. Wie oft das Laub, wann Regen sich zu schweren Eisklumpen ballt, vom Zweig' hernieder fällt, Und Früchte selbst, unreif, zur Erde sinken, So stürzt der Heide von den Mauerzinken; 49. Denn schwerer trifft ihn des Verderbens Grauen, Weil minder ihn beschützt der Waffen Stahl. Die Meisten derer, die das Licht noch schauen, Entfliehn des Thurms furchtbarem Wetterstrahl; Doch der vordem beherrscht Nicäa's Gauen, Bleibt stehn und hält der Kühnen kleine Zahl, Und auch Argant begegnet keck dem Sturme Und rennt mit einem Baum zum Feindesthurme. 50. So weit der Balken und sein Arm sich strecken, Hält er ihn ab vom Wall, gerad' und steil. Nun auch gesellt Clorinde sich den Kecken Und nimmt an der Gefahr der Andern Theil. Die Franken hau'n indeß von jenen Säcken, Die dort als Schutzwehr hangen, Strick und Seil Mit Sicheln ab; sie fallen, und entblößen Die Mauer wiederum den rauhen Stößen. 51. So schlägt der Thurm von oben und, gleich strenge, Des Widders Macht von unten auf sie los, Und schon entdeckt sie die geheimen Gänge In dem zerrissnen, vieldurchbohrten Schooß. Jetzt naht der Feldherr sich dem Kampfgemenge, Da schon die Mauer wankt bei jedem Stoß; Er kommt, umschlossen von dem großen Schilde, Den er nur selten trägt im Schlachtgefilde. 52. Er sieht, aufmerksam seine Blicke regend, Daß Solyman vom Wall herunter eilt Und da sich hinstellt, jeden Weg verlegend, Wo die zerstoßne Mauer sich getheilt, Und daß, zum sichern Schutz der höhern Gegend, Clorinde mit Arganten oben weilt. Dies sieht Bouillon und fühlt sich aufgefodert Zu hoher That, von edler Glut durchlodert. 53. Zum wackern Sigier kehrt' er sich mit Feuer, Der ihm den andern Schild, den Bogen trug: Jetzt, spricht er, reiche mir, o mein Getreuer! Die leichtre Last; sie sichert mich genug. Ich will zuerst durchs klaffende Gemäuer Den Pfad versuchen, den der Widder schlug. Wohl ist es Zeit, daß unsers Muthes Stärke Sich rühmlich zeig' in einem edlen Werke. 54. Als er sich kaum dem großen Schild entzogen, Da siehe, kommt aus jenen obern Reihn Ein schneller Pfeil ihm auf das Bein geflogen Und bohrt sich tief in Fleisch und Nerven ein. Der Ruf erzählt, Clorinde, deinem Bogen Entflog der Pfeil; der ganze Ruhm ist dein. Wenn heute noch dein Volk dem Joch der Franken, Dem Tod entging, so war es dir zu danken. 55. Allein der starke Held, unaufgehalten, Als fühl' er nicht der Schmerzen Ungemach, Verfolgt den Pfad bis zu den Mauerspalten, Erklimmt den Sturz und ruft die Andern nach. Doch merkt er nun, ihn aufrecht zu erhalten Sei das verletzte Bein zu matt und schwach, Und die Erschüttrung mehre nur die Schmerzen; Drum läßt er ab vom Sturm, mit schwerem Herzen. 56. Er winkt den wackern Guelf heran in Eile Und spricht zu ihm: Gezwungen, geh' ich fort. Dir werde jetzt das Feldherrnamt zu Theile, Und statt des meinen gelte nun dein Wort. Doch sicher bleib' ich fern nur kurze Weile; Gleich bin ich hier. Und er verläßt den Ort, Besteigt ein leichtes Roß, um schnell zu gehen, Und kommt ins Lager, doch nicht ungesehen. 57. So wie der Feldherr weicht, so weicht und schwindet Das Glück der Franken aus der wilden Schlacht, Indeß der Heide neue Kraft empfindet, Und mit der Hoffnung ihm der Muth erwacht, Und wie das Glück den Christen sich entwindet, Sinkt auch der Muth, erschlafft des Angriffs Macht. Langsamer scheint ihr Schwert herabzufallen, Selbst die Trommete dumpfer zu erschallen. 58. Und die vorhin vom Wall entflohen waren, Erscheinen jetzt auf ihrem alten Stand. Clorindens Anblick waffnet selbst die Schaaren Der schwachen Frau'n fürs theure Vaterland. Hoch aufgeschürzt, mit wild zerstreuten Haaren, Thun sie dem Feinde tapfern Widerstand, Und werfen Spieß', und wagen, ohne Schauern, Die zarte Brust für die geliebten Mauern. 59. Und dieses noch vermehrt der Christen Schrecken Und muß den Feind von aller Furcht befrei'n, Daß bald auch Guelf – und seinen Fall entdecken Die Völker schnell – hinsinkt vor seinen Reihn. Ihn unter Tausend trifft, aus fernen Strecken Vom Schicksal hergeführt, ein mächt'ger Stein; Und eben stürmt ein gleicher Wurf auch wider Den wackern Raimund an und streckt ihn nieder. 60. Und jetzt auch sinkt Eustaz mit schwerer Wunde, Kaum im Begriff, dem Graben sich zu nahn. So wird vom Feind' in dieser schlimmen Stunde Aufs Frankenheer kein Wurf, kein Schuß gethan, Der Seel' und Leib nicht reißt aus ihrem Bunde, Verletzte nicht dahinstreckt auf den Plan. Und durch solch Glück gereizt zu frechem Hohne, Ruft der Circasser jetzt mit lautem Tone: 61. Kein Antiochien giebt es hier, und heute Begünstigt nicht den Christentrug die Nacht. Hell steht die Sonne da, wach sind die Leute; Hier giebt es andern Krieg und andre Schlacht. So blieb von jener Gier nach Ruhm und Beute In eurer Brust kein Fünklein angefacht, Daß ihr ermüdet weicht von unsern Zinnen Nach kurzem Sturm, ihr Franken? nein, Fränkinnen! 62. So sprach er, und die eigne Furie fachte In seiner kühnen Brust so heft'gen Brand, Daß er die weite Stadt, die er bewachte, Dem tollen Muthe nicht mehr räumig fand. Da, wo die Mauer auseinander krachte, Dahin, mit großen Sprüngen, eilt Argant Und füllt den weiten Spalt und ruft, verwegen, Dem Solyman, den er hier trifft, entgegen: 63. Sieh, Solyman, den Ort, und sieh die Stunde, Zu richten über unsern Muth und Werth! Was säumst, was zagst du? Dort, im blut'gen Grunde, Such' itzt den Preis, wer ihn zumeist begehrt! Er ruft's, und Beide stürzen, wie im Bunde, Wetteifernd fort, von gleicher Glut verzehrt; Der angereizt von seinem eignen Grimme, Vom Ehrgeiz der und von des Gegners Stimme. 64. Rasch fallen sie, mit unversehnen Streichen, Die Franken an, gleich ungestüm und wild, Und machen alles todt, was sie erreichen, Zerschmettern Widder, Leitern, Helm und Schild, So daß sich bald von Trümmern und von Leichen Ein hoher Berg erhebt im Schlachtgefild, Der, sich vermengend mit dem Schutt der Wälle, Zum Bollwerk dient an des gefallnen Stelle. 65. Dasselbe Volk, das unerschreckt noch eben Nach Mauerkronen rang mit kühnem Fleiß, Ist jetzt so fern von diesem hohen Streben, Daß es sich selbst kaum zu vertheid'gen weiß. Die Franken weichen überall und geben Der Helden Wut ihr Kriegsgeräthe preis, Das nicht mehr taugen wird zu neuem Sturme, So schlimm ergeht's den Widdern und dem Thurme. 66. Das Heidenpaar, gespornt von immer neuer Zerstörungswut, schweift weit und weiter aus, Und schon begehrt es von den Bürgern Feuer, Und rennt mit Fackeln bis zum Thurm hinaus. So schwingen sich des Orkus Ungeheuer, Die Schwesterfurien, aus der Nächte Graus, Ihr Schlangenhaar und ihre Fackeln schüttelnd Und wild das Weltall durcheinander rüttelnd. 67. Allein Tancred, der an entfernten Orten Zu wecken sucht der Latier alten Muth, Sieht kaum die schreckliche Verwüstung dorten Und jener Fackeln grause Zwillingsglut: Da bricht er mitten ab in seinen Worten Und eilt, zu bänd'gen der Barbaren Wut. Bald muß vor seines Arms gewalt'gen Streichen, Wer siegend forttrieb, nun verlierend weichen. 68. So wandeln sich des wilden Kampfes Schauer, Wie's nun das wandelbare Glück verlangt. Indessen war der Feldherr von der Mauer, Verwundet, in sein großes Zelt gelangt. Sigier und Balduin stehn ihm bei, voll Trauer; Der Freunde Schaar drängt sich umher und bangt. Er selbst bemüht sich, das Geschoß in Eile Herauszuziehn, und bricht das Rohr vom Pfeile. 69. Er will, es soll zur Heilung seiner Wunde Der schnellste Weg nur gleich ergriffen sein: Durchsucht die Oeffnung bis zum tiefsten Grunde, Und spaltet sie und schneidet tief hinein. Schickt mich zurück, eh der Entscheidung Stunde Vielleicht entflieht mit diesem Tagesschein. Er spricht's, und nun, vom Lanzenschaft gehalten, Läßt er den Stahl mit seinem Beine schalten. 70. Und eifrig weiht Erotimus, geboren Am Strand des Po, der Heilung seinen Fleiß. Kein edler Saft, kein Kraut ist ihm verloren, Von dem er nicht Gebrauch und Kräfte weiß. Ihm sind die Musen hold, und doch erkoren Hat er der stummen Künste mindern Preis. Den Leib nur schützt er, naht ihm Tod verderblich, Und machte leicht den Namen auch unsterblich. 71. Bouillon, mit festem Blick, gestützt vom Stocke, Hält, knirschend zwar, doch unbeweglich Stand, Und Jener nun, mit aufgeschürztem Rocke Und bloßem Arm, sucht sänftlich und gewandt, Wie er den Pfeil der tiefen Wund' entlocke Durch mächt'ge Kräuter, durch die weise Hand. Bald mit den Fingern, bald mit feinen Zangen Bemüht er sich, und kann doch nichts erlangen. 72. Umsonst ist alle Kunst: dem klugen Werke Bleibt immer noch des Glückes Gunst geraubt, Und schon erwächst zu so gewalt'ger Stärke Des Helden Qual, daß er zu sterben glaubt. Nun aber pflückt, damit er Lindrung merke, Sein Engel Diptam von des Ida Haupt Ein Kraut, geschmückt mit einer Purpurblüthe Und reich begabt mit wunderbarer Güte. 73. Wie dieses Krauts verborgne Tugend heile, Hat die Natur der wilden Zieg' entdeckt, Wann ihr, getroffen von des Jägers Pfeile, Der Flügelstahl noch in der Seite steckt. Dies bringt der Engel her in schnellster Eile, Obwohl es sich auf fernen Höh'n versteckt, Und träufelt unsichtbar die flüss'gen Kräfte In ein Gefäß voll edler Heilungsäfte. 74. Auch noch die Flut von Lydiens heil'ger Quelle Und duft'ge Panacee mischt er hinein. Der Arzt besprengt die Wund', und auf der Stelle Verläßt der Pfeil von selbst das kranke Bein; Zu gleicher Zeit versiegt des Blutes Welle, Der Schmerz entflieht, die Stärke stellt sich ein. Da ruft Erotimus: Nicht meine Kunde, Nicht meine schwache Hand heilt deine Wunde; 75. Nein, höh're Kraft: ein Engel, der zum Staube, Für dich ein Arzt, herab vom Himmel stieg; Denn Himmelshand sieht deutlich hier mein Glaube. Was säumst du? waffne dich, und fort zum Krieg! Und schon hat Gottfried mit der Purpurschaube Die Bein' umhüllt, und, voll Begier nach Sieg, Schwingt er den mächt'gen Speer, ergreift geschwinde Den vor'gen Schild und knüpft des Helmes Binde. 76. Vom Lager eilt er nach der Stadt, und tausend Beherzte Krieger folgen seinem Schritt. Der Staub fliegt über ihm, die Luft durchsausend, Und unten bebt die Erde seinem Tritt. Von ihrer Höhe sahn die Feinde grausend Des Volkes Nahn, und kalter Schauer glitt Durch ihr Gebein und macht' ihr Blut zu Eise; Dreimal erscholl sein Ruf, furchtbarer Weise. 77. Sogleich erkennt sein Volk die hehre Stimme, Den Schlachtenruf, der durch die Fluren gellt, Und kehrt alsbald mit seinem vor'gen Grimme Zu neuem Angriff rasch zurück ins Feld. Schon aber hat am Mauersturz das schlimme Zerstörerpaar sich vor den Riß gestellt, Und wehrt vom Eingang, keck und unverdrossen, Tancreden ab und seine Kampfgenossen. 78. In Stahl gehüllt erscheint nunmehr der Franken Heerführer dort, von edlem Zorn entbrannt, Und schleudert, wie er ankommt, ohne Wanken Den mächt'gen Wurfspieß donnernd auf Argant. Kein Kriegsgeschütz, vor dem die Mauern sanken, Hat ein Geschoß gewalt'ger je versandt. Der knot'ge Baum durchfährt die Luft mit Sausen; Ihm hält Argant den Schild vor, ohne Grausen. 79. Doch den gespitzten Baumstamm aufzuhalten Vermag kein Schild und keines Panzers Erz, Er bricht hindurch und sucht, mit mächt'gem Walten, Zuletzt den Weg auf des Circassers Herz. Der aber reißt ihn aus der Rüstung Spalten, Selbst aus dem Fleisch, und fühlet keinen Schmerz, Wirft ihn zurück und ruft: Dir wiederschaffen Will ich den Stumpf; da hast du deine Waffen! 80. Die Lanze fliegt, auf schon bekannten Pfaden, Zum Angriff und zur Rache hin und her, Doch ohne dem, den sie bedroht, zu schaden; Er beugt das Haupt und meidet das Gewehr. Der treue Sigier muß es auf sich laden, Tief in den Schlund fährt ihm der mächt'ge Speer. Doch quält's ihn nicht, das Leben zu verlassen; Er darf für seinen theuern Herrn erblassen. 81. Zugleich wird der Normannen Fürst erschlagen, Auf den ein Steinwurf des Nicäners fährt; Er rollt hernieder von den Trümmerlagen, Indem er, Kräuseln gleich, sich dreht und kehrt. So viele Schmach kann Gottfried nicht ertragen; In voller Wut ergreift er jetzt das Schwert Und klimmt hinan bis auf die steilste Jähe Des Schuttgebirgs, und kämpft nun in der Nähe. 82. Wohl sah man ihn manch hohes Werk vollbringen, Und harter Kampf erhob sich, tödtlich wild. Doch jetzt erscheint die Nacht, und ihrer Schwingen Graunvolles Dunkel senkt sich aufs Gefild, Und in den Groll unsel'ger Menschen dringen Leis' ihre Schatten ein, friedselig, mild; Weßhalb der Feldherr abläßt und sich wendet. So ward der lange, blut'ge Tag geendet. 83. Doch eh Bouillon zurückführt seine Leute, Nimmt er der Kranken, der Verletzten wahr; Auch läßt er nicht des Sturmgeräthes Beute, So viel noch übrig ist, der Heidenschaar. Sogar der Thurm wird weggeführt, der heute Die größte Furcht der Saracenen war; Wiewohl vom grausen Sturm, der ihn umwettert, An manchem Ort geborsten und zerschmettert. 84. Des Krieges drohender Gefahr entzogen, Naht er sich jetzt dem sichern Friedensort. Doch wie ein Schiff, das die empörten Wogen Beherzt durchstreift, verhöhnend Flut und Nord, Vielleicht zuletzt, vom Felsenriff betrogen, Am Strande scheitert, dicht vor seinem Port, Und wie ein Roß, nach Wegen voll Gefahren, Muß nah am Hause, strauchelnd, Sturz erfahren: 85. So stockt der Thurm, und wo er von den Schlägen Der großen Stein' am meisten schon erlitt, Bricht er zwei Räder, und dem Sturz entgegen Neigt sich der hohe Bau und hemmt den Schritt. Allein man eilt, ihm Stützen anzulegen, Und hält ihn auf, eh' er zu Boden glitt, Bis Zimmerleute rasch zum Beistand eilen Und glücklich ihn von jeder Wunde heilen. 86. Der weise Feldherr will, daß vor Erwachen Des neuen Tags das Werk vollendet sei. Er läßt den Thurm durch vieles Volk bewachen, Und hält die Weg' auf allen Seiten frei. Doch deutlich hört man in der Stadt das Krachen Des Zimmerwerkzeugs und des Volks Geschrei, Und tausend Fackeln, die das Werk erhellen, Entdecken alles, was geschieht, den Wällen. Zwölfter Gesang Zwölfter Gesang. 1. Längst war es Nacht; doch immer noch genossen Die müden Völker weder Schlaf noch Rast; Denn draußen bau'n die Franken, unverdrossen, Am Thurme fort, auf Angriff stets gefaßt, Und drinnen, wo das Bollwerk von Geschossen Beschädigt ward, da stellt der Heiden Hast Die Mauern her, die fielen oder wanken, Und jeder Theil besorgt und pflegt die Kranken. 2. Der Wunden Pfleg' ist endlich nun vollendet, Der größre Theil der Arbeit schon vollbracht; Der Fleiß erschlafft, und dichtre Schatten sendet, Zum Schlummer lockend, jetzt die stillre Nacht. Die Heldin nur, vom Glanz des Ruhms geblendet, Ruht nicht, und lenkt, da Jeder Stillstand macht, Auf neue That den ehrbegier'gen Willen. Argant ist bei ihr und sie spricht im Stillen: 3. Wohl haben heut mit neuen Ruhmes Prangen Argant und Solyman ihr Haupt geschmückt, Da sie allein ins Feindesheer gegangen Und dort ihm all' sein Kriegsgeräth zerstückt. Und keinen andern Ruhm konnt' Ich erlangen, Als nur von fern, wenn auch nicht unbeglückt, Vom sichern Thurm die Pfeile zu versenden; Nur dies, nicht mehr, vergönnt man Weiberhänden? 4. Wie besser wär's, im Wald, auf Bergeshaiden, Mit Pfeil und Spieß dem Wilde nachzugehn, Als, wo der Männer Muth und Arm entscheiden, Hier, unter Rittern, nur ein Weib zu stehn! Warum nicht auch in Frauentracht mich kleiden? Warum, verdien' ich's, das Gemach verschmähn? Sie spricht's und sinnet nach, und nun, entschlossen Zu großem Werk, enthüllt sie's dem Genossen: 5. Schon lange, Herr, fühl' ich von kühnem Streben Voll fremder, ungewohnter Glut durchfacht Mein ruhlos Herz. Gott hat es eingegeben, Wenn nicht zum Gott der Mensch sein Wollen macht. Sieh dort am Feindeswall die Lichter schweben! Da will ich hin mit Schwert und Feuersmacht Und tilgen jenen Thurm. Mir vorbehalten Sei diese That, dann mag der Himmel walten. 6. Doch wehrt vielleicht mir meines Schicksals Grauen Die Wiederkehr vom Felde der Gefahr, Dann will ich meine Mädchen dir vertrauen Und einen Mann, der mir ein Vater war. Du sende heim sie nach Aegyptens Auen, Den schwachen Greis, der Weiber bange Schaar. O thu' es, Herr, um Gott! dein ganz Erbarmen Verdient das Alter, das Geschlecht der Armen. 7. Argant erstaunt, ihm fährt das Herz zusammen, Von Ehrbegier gestachelt bis zum Krampf: Du, spricht er, wolltest gehn und mich verdammen, Beim Pöbel hier zu weilen, ohne Kampf? Ich sollt', in Sicherheit, mich an den Flammen Des Thurms ergötzen und am fernen Dampf? Nein, nein! war ich im Feld dein Nebenstreiter, Sei auch in Ruhm und Tod ich dein Begleiter. 8. Auch mein Herz, glaub', erbanget nicht zu sterben Und hat, für Ruhm, des Lebens wenig Acht. – Deß wird ein ew'ges Zeugniß dir erwerben, Erwiedert sie, dein Ausfall in der Schlacht. Ich aber bin ein Weib, und mein Verderben Kommt der bedrängten Stadt nicht in Betracht. Doch fielest du – Gott wende solchen Schauer! – Wer bliebe dann zurück zum Schutz der Mauer? 9. Der Ritter spricht: Du weigerst meine Bitte, Doch schmeichelst du vergeblich meinem Ohr. Führst du mich an, so folg' ich deinem Schritte; Verschmähst du mich, so eil' ich ihm zuvor. Sie gehn zum Fürsten; in der Weisen Mitte Empfängt er sie, in seiner Helden Chor: Merk' auf, o König, so beginnt Clorinde, Daß unser Wort bei dir Genehmung finde! 10. Argant verspricht – und hält es, sei nicht bange! – Des Thurms Vernichtung durch der Flammen Glut. Ich gehe mit; wir warten nur so lange, Bis dort die Schaar in festerm Schlummer ruht. Der Fürst erhebt die Händ', und von der Wange Rinnt ihm hinab der Freudenthränen Flut: Preis dir, so spricht er, der die Augen wendet Auf seinen Knecht, und Schutz dem Reiche sendet! 11. Auch fällt es nicht, so lange solcher Seelen Starkmüth'ger Beistand nicht vom Throne weicht. Doch welch Geschenk, welch Lob soll ich erwählen, Erhabnes Paar, das deinem Werthe gleicht? Des Rufes Mund soll euer Lob erzählen, Mit ew'gem Schall, so weit die Erde reicht. Die That ist euer Lohn; zu anderm Lohne Bestimm' ich euch die Hälfte meiner Krone. 12. So spricht der greise Fürst und drücket Beide Abwechselnd an sein Herz, gerührt und mild. Doch Solyman, entflammt von edlem Neide, Verhehlet nicht, wovon sein Busen schwillt: Auch dieses Schwert dient nicht zum Prunkgeschmeide; Mit geh' ich, oder folg' euch ins Gefild. Ha! ruft Clorinde nun, so ziehn wir Alle Ins Feld hinaus? Und wer bleibt auf dem Walle? 13. So spricht sie, und Argant, von Zorn entglommen, Ist schon zu stolzem Widerspruch geneigt; Doch eilt der König ihm zuvor zu kommen, Indem er sanft zum Solyman sich neigt: Wohl hast du, edler Held, zu unserm Frommen Dich allemal dir selber gleich gezeigt, Als der, wie düster ihn Gefahr umschattet, Noch nie gebebt, und nie im Kampf ermattet. 14. Gingst du hinaus, du thätest, darf ich glauben, Kriegsthaten, deiner werth; allein nicht gut Bedünkt es mich, mir alle die zu rauben, Die am berühmtsten sind durch Stärk' und Muth. Auch würd' ich Diesen nicht zu gehn erlauben – Denn werth der Schonung ist ihr edles Blut – Wenn minder nützlich sich die That erwiese, Und sie ein Andrer könnte thun, als Diese. 15. Denn da der große Thurm rings von so dichten Heerschaaren wird bewacht, so zeigt sich klar: Mit wenig Volk ist dort nichts auszurichten, Und schädlich ist's, versend' ich große Schaar. Drum mögen sie, die sich zur That verpflichten Und oft sich sahn in ähnlicher Gefahr, Nun glücklich ziehn; denn sie allein vermögen Mehr, als wenn Tausend in Gemeinschaft zögen. 16. Du wart' am Thor – gewähre mir die Bitte – Wie sich's geziemt dem königlichen Rang. Und kehren Jene, hoff' ich, aus der Mitte Des Feinds zurück, nachdem die That gelang; Verfolgt vielleicht ein Haufen ihre Schritte, Dann treib' ihn ab und nimm sie in Empfang. Als so der eine Fürst den Streit entschieden, Verstummt der andre zwar, doch unzufrieden. 17. Nun spricht Ismen: Soll euer Werk gelingen, So sei's auf spätre Zeit der Nacht verlegt; Ich will von Brennstoff ein Gemisch euch bringen, Das, schnell entflammt, den Thurm in Asche legt. Vielleicht läßt dann vom Schlummer sich bezwingen Ein Theil der Schaar, die schützend ihn umhegt. So wird bestimmt, und Jeder kehrt in seine Behausung heim, bis daß die Stund' erscheine. 18. Clorinde nimmt nunmehr von Brust und Rücken Die prächt'gen Waffen ab, die sie umfahn, Und schwarze, die nicht Gold noch Federn schmücken – Unsel'ge Vorbedeutung! – legt sie an, Um leichter so die Feinde zu berücken Und unerkannt dem Thurme sich zu nahn. Nur der Eunuch Arset ist ihr zur Seite, Der von der Wieg' an ihrem Dienst sich weihte, 19. Und auch als Greis, in seinen späten Jahren, Folgt' er mit schwachen Füßen ihrem Schritt. Er merkt am Waffentausche die Gefahren Der ungewissen Bahn, die sie betritt, Und bei in ihrem Dienst ergrauten Haaren, Bei allem, was er für sie that und litt, Beschwört er sie, mit Flehn, durch Angst gesteigert, Dem Vorsatz zu entsagen; und sie weigert. 20. Ach! spricht er endlich, seh' ich denn mit Zagen, Daß du hartnäckig in dein Unglück rennst, Und ohne Rücksicht auf mein Flehn und Klagen, Mein Alter und Verdienst, dich von mir trennst: Wohlan, so will ich jetzt dir Dinge sagen Von deiner Herkunft, die du noch nicht kennst; Dann sei dein Wille, sei mein Rath dir Leiter. Sie hört aufmerksam zu; er redet weiter: 21. Vor Zeiten herrscht' in Aethiopiens Gauen, Vielleicht noch jetzt, glückselig Fürst Senap, Der, wie sein schwarzes Volk, sich mit Vertrauen Dem Glauben an Mariens Sohn ergab. Dort lebt' ich, Heid' und Sklave, bei den Frauen, Und gab mich nur mit Weiberarbeit ab, Als Diener bei der Fürstin angenommen, Die schwarz von Farb' ist, doch an Reiz vollkommen. 22. Der Gatte glüht für sie, doch unterm Eise Der Eifersucht birgt sich der Liebe Glut. Und solche Macht erringet, leis' und leise, In der gequälten Brust die tolle Wut, Daß er sie ganz verhehlt dem Männerkreise, Ja, vor dem Himmel mögt' er sie in Hut. Sie, klug und demuthsvoll, sucht im Verfügen Des strengen Herrn ihr Heil und ihr Vergnügen. 23. Das Abbild einer heiligen Geschichte Dient' ihrem Wohngemach zur frommen Zier: Ein Mädchen, weiß und roth von Angesichte, Gefesselt bei dem Drachen, sieht man hier, Indeß ein Ritter mit des Speers Gewichte Bekämpft und tödtet das gewalt'ge Thier. Hier warf sie oft sich nieder im Gebete, Bekannte stillen Fehl und weint' und flehte. 24. Sie kam indeß in Schwangerschaft und brachte Ein weißes Kind zur Welt; dies warest du. Die fremde Farbe, die ihr Grauen machte – Ein seltsam Wunder – raubt' ihr alle Ruh. Des Gatten Wut, die sie voll Angst bedachte, Wies die Verhehlung der Geburt ihr zu; Denn aus dem reinen Weiß an deinem Leibe Schlöss' er befleckte Treu bei seinem Weibe. 25. Vorzeigen will sie ihrem Ehgenossen Ein schwarzes Kind, das jetzt geboren war. Und da den Thurm, in den sie eingeschlossen, Nur ich bewohnt' und ihrer Frauen Schaar, Da sie mich kannt' als treu und unverdrossen, So reichte sie dich ungetauft mir dar. Dich gleich zu taufen, war sie nicht im Stande; Denn dies verbeut die Sitte dort im Lande. 26. Sie gab dich weinend mir, dich zu ernähren Und aufzuziehn, entfernt von jenem Ort. Wer könnt' ein Bild von ihrem Gram gewähren? Wie oft, umarmend, nahm sie dich mir fort! In ihre Küsse floß ein Strom von Zähren, Und Schluchzen unterbrach ein jedes Wort. Gott! rief sie endlich aus, der du erspähest Verborgne Thaten, und mein Herz verstehest: 27. Ist unbefleckt mein Leib und meine Seele, War stets die Pflicht der Treue meine Lust, So fleh' ich – nicht für mich, denn ach! ich zähle Der andern Schulden viel, wie dir bewußt – Errette dieses Kind, noch ohne Fehle; Ach, es entbehrt der treuen Mutterbrust! Es leb' und mag an Sittsamkeit mir gleichen, Und Andre mag's an Erdenglück erreichen. 28. Du Himmelskrieger, der aus wilden Klauen Des Ungeheu'rs die Jungfrau dort befreit, Ach! solltest du die Opfer gnädig schauen, Gold, Weihrauch, Kerzen, die ich dir geweiht: So bitte für mein Kind, daß mit Vertrauen Es flüchten mag zu dir in jeder Zeit. Sie schwieg, ihr Herz erlag des Leids Gewichte, Und blasser Tod erschien im Angesichte. 29. In einem Korb, den Laub und Blumen leise Bedeckten, trug ich weinend dich hinaus. Ich barg dich Jedem, und auf keine Weise Spürt' irgend ein Verdacht den Vorfall aus. So zog ich heimlich fort, und meine Reise Ging bald durch einen Forst voll Nacht und Graus, Wo eine Tigrin, deren Aug' entbrannte Von Zorn und Wut, mir wild entgegen rannte. 30. Indem ich mich auf einem Baum versteckte, Ließ ich, verwirrt, den Korb im Grase stehn. Die Tigrin kam, und als sie dich entdeckte, Bog sie das stolze Haupt, dich anzusehn, Und ließ die Wildheit, die so furchtbar schreckte, In Freundlichkeit und Sanftmuth übergehn. Sie naht sich leis' und streckt, um dich zu streicheln, Die Zung' hervor; du lachst mit holdem Schmeicheln. 31. Und, mit ihr spielend, streckest du verwegen Die kleine Hand zum wilden Mund hinan. Sie schickt sich zu und reicht, wie Ammen pflegen, Die Brüste dir; du nimmst sie willig an. Ich sah indeß, erschrocken und verlegen, Den Wunderdingen zu, die hier geschahn. Das Thier darauf, als du dich satt gesogen, Ging ins Gebüsch, und war dem Blick entzogen. 32. Ich stieg vom Baum herab und nahm dich wieder, Und setzte nun die vor'ge Reise fort. In einem Dorf ließ ich zuletzt mich nieder Und zog dich auf an diesem stillen Ort, Und bis die Sonn' in ihrem Lauf hernieder Uns sechzehn Monden brachte, weilt' ich dort. Du lalltest noch in unverstandnen Tönen Und konntest kaum den Fuß zum Gehn gewöhnen. 33. Schon sah ich mich auf jener Stufe schweben, Wo sich das Alter naht, gebückt und kalt, Und da, was mir die Fürstin mitgegeben, Hinreichend war zum sichern Unterhalt, Zog Sehnsucht mich vom irren Fremdlingsleben Ins Vaterland mit mächtiger Gewalt. Dort wünscht' ich, in der Freunde treuen Armen, Am eignen Heerd im Alter zu erwarmen. 34. Ich ging und zog mit dir nach meinem Lande – Du weißt, Aegypten ist's, das mich gebar – Und kam an einen Fluß, von dessen Rande Ich hier, von Räubern dort umschlossen war. Was sollt' ich thun? von dir, dem theuern Pfande, Mich trennen? Nein! doch drängte die Gefahr. Ich spring' hinab, mit einer Hand dich haltend Und mit dem andern Arm die Fluten spaltend. 35. Wild ist der Strom, und mitten in den Wogen Dreht er sich um sich selbst, furchtbar geschwind. An diesem Ort, vom Strudel fortgezogen, Hinabgerissen, schon betäubt und blind, Verlier' ich dich; allein dich hebt, gewogen, Die Flut empor, und günstig haucht der Wind Und führt dich sicher an des Ufers Schwellen; Ermattet, keuchend, komm' ich aus den Wellen. 36. Froh nehm' ich dich, und als die Nacht in dichte Umschattung hüllt ringsum Gebirg und Thal, Erscheint ein Krieger mir im Traumgesichte, Und setzt mir auf die Brust den blanken Stahl, Und spricht mit Zorn: Ich sage dir, verrichte, Was früher schon die Mutter dir befahl, Und taufe dieses Kind; der Himmel schauet Es liebend an, und hat es mir vertrauet. 37. Es steht in meiner Hut; ich gab dem Wilde Der Sanftmuth Geist, ich gab der Flut Verstand. Weh dir, wenn du nicht glaubst dem Traumgebilde, Das dir der Himmel schickt! Und er verschwand. Ich, kaum erwacht, enteile dem Gefilde, Sobald die frühe Sonn' am Himmel stand. Mein Glaube schien mir wahr, der Traum nur Lügen, Drum wollt' ich nicht mich dem Gebote fügen, 38. Noch deiner Mutter Flehn. Ich zog dich eben Als Heidin auf, und barg der Wahrheit Spur. Du wuchsest, kräftig, kühn, dem Krieg ergeben, Besiegtest dein Geschlecht und die Natur, Erkämpftest Ruhm und Land. Doch wie dein Leben Beschaffen war, weißt du am besten nur; Weißt, daß ich stets, wo man am kühnsten streitet, Als Diener und als Vater dich begleitet. 39. Nun lag ich gestern, um die Morgenstunde, Betäubt, gleich Todten, in des Schlafs Gewalt: Da sprach zu mir mit drohungsvollerm Munde, Mit wilderm Blick, dieselbe Traumgestalt: Sieh, Bösewicht, schon naht Clorindens Stunde; Sie wechselt nun Geschick und Leben bald, Wird mein, trotz dir; den Schmerz wirst du empfinden! So sprach das Bild und schien in Luft zu schwinden. 40. Du hörest nun: seltsame Fährlichkeiten Droht, theures Kind, der Himmel deinem Muth. Den Glauben seiner Väter zu bestreiten, Vielleicht, ich weiß nicht, heißt er das nicht gut; Vielleicht auch ist er wahr. Leg' ab bei Zeiten Die Kriegestracht und diese wilde Glut! Er schweigt und weint. Sie sinnt, nicht ohn' Erbangen; Ein gleicher Traum hat ihr Gemüth befangen. 41. Doch bald ist ihrer Stirn die Wolk' entflogen: Dem Glauben, spricht sie, halt' ich meine Pflicht, Den mit der Ammenmilch ich eingesogen, Der wahr mir scheint, was auch dein Zweifel spricht. Ein edles Herz wird nicht von Furcht bewogen; Die kühne That, die Waffen lass' ich nicht, Und sollt' ich gleich den Tod mit allem Grauen, Das Erdensöhne schreckt, vor Augen schauen. 42. Sie tröstet ihn, und da die Zeit jetzt eben Gekommen war, die man zum Werk bestimmt, So eilt sie, zum Argant sich zu begeben, Der nun mit ihr das Wagstück unternimmt. Auch kommt Ismen und facht ihr feurig Streben Noch heller an, das schon von selber glimmt. Zwei Kugeln auch, aus Pech und Harz gegossen, Giebt er dem Paar, und Lunten, wohl verschlossen. 43. Sie gehn im Stillen fort; am Hügel windet Sich nun ihr Schritt hinab, leis' und geschwind, Bis sie dem Ort, wo sich der Thurm befindet, Im Schutz der dunkeln Nacht genähert sind. Nun wächst die Glut, die ihre Brust empfindet, Zum Feuer an, das strömend überrinnt; Zu Brand und Blut drängt sie der Geist der Rache. Indem verlangt das Feldgeschrei die Wache. 44. Stumm gehn sie weiter; doch mit lautem Tone Ruft jetzt der Frank: Der Feind ist da, erwacht! Das edle Paar, der Todsgefahr zum Hohne, Hat nun nicht länger der Verhehlung Acht. So wie der Wetterstrahl, wie die Kanone In Einem Wink zugleich erblitzt und kracht, War losgehn, nahn, die Schaar angreifen, trennen, Durchbrechen und zerstreu'n, Ein Wink zu nennen. 45. Und trotz den Waffen, die sie rings umstarren, Erreichen sie den Endzweck mit Gewalt. Sie öffnen jetzt die Lunten, ohne Harren; Das zähe Harz entzündet sich alsbald Und setzt in Brand die Bohlen und die Sparren. Wer sagt, wie schon das Feuer wächst und wallt, Und jetzt auf allen Seiten flammt und funkelt, Und wie der Dampf der Sterne Licht verdunkelt? 46. Sieh! dunkelrothe Feuerballen sausen, Mit Wirbeln Rauchs vermengt, zum Himmelsrand. Zerstreute Flammen mehrt des Windes Brausen Und sammelt sie in Einen großen Brand. Die Franken sehn die wilde Glut mit Grausen, Und schnell nimmt Jeder seine Wehr zur Hand; Doch geht der ungeheure Bau zu Grunde, So langer Arbeit Frucht in kurzer Stunde. 47. Zwei Christenhaufen eilen nach der Gegend, Wo sich die Flamm' erhebt, in voller Wut. Doch der Circasser droht, den Weg verlegend: Ich lösche diesen Brand mit euerm Blut! Dann mit Clorinden sich zurückbewegend, Zieht er den Höhen zu mit kaltem Muth. Die Schaar, anwachsend, wie nach Regengüssen Ein Bergstrom, folgt, wie Jene weichen müssen. 48. Das goldne Thor ist offen; an der Schwelle Harrt schon der Fürst mit seinem ganzen Heer, Daß er in Sicherheit die Krieger stelle, Beglückt das Schicksal ihre Wiederkehr. Sie springen in das Thor mit kühner Schnelle; Der Franken Schaar wogt hinter ihnen her. Doch Solyman treibt sie zurück; geschwinde Schließt sich das Thor, und draußen bleibt Clorinde. 49. Sie blieb allein zurück; denn als man eben Die Pforte schloß, enteilte sie im Flug, Und stürmt' hinaus mit rachbegier'gem Streben, Um Arimon zu zücht'gen, der sie schlug. Sie züchtigt' ihn, und was sich dort begeben, Gewahrt' Argant damals nicht schnell genug; Wohl raubten Kampf, Gedräng' und Dunkelsdichte Vorsicht dem Geist und Sehkraft dem Gesichte. 50. Doch als des Feindes Blut im Rächerwerke Den Zorn gekühlt, beruhigt ihren Sinn, Sieht sie das Thor gesperrt, von Feindesstärke Sich selbst umringt, und glaubt ihr Leben hin. Allein sie schaut, daß Niemand sie bemerke, Und neue List ersinnt die Kriegerin: Sie mischt sich schweigend, als der Christen einer, Ins Volkgedräng', und es gewahrt sie Keiner. 51. Und wie ein Wolf, ganz heimlich und beklommen, Nach stiller Unthat, in den Wald sich macht, So sucht sie jetzt den Feinden zu entkommen, Begünstigt vom Gewirr und von der Nacht. Allein Tancred, der kaum hieher gekommen, Hat sie bemerkt und nimmt sie wohl in Acht; Er sah, wie Arimon von ihrem Schwerte Den Tod erhielt, und blieb auf ihrer Fährte. 52. Er will mit ihr zum Waffengange schreiten, Und glaubt, sie sei ein Mann, der Probe werth. Sie schleicht indeß rings um der Mauer Seiten, Ob Eingang ihr ein andres Thor gewährt. Er folgt so ungestüm, daß schon vom Weiten Der Waffen Klang vom Kommen sie belehrt. Sie hält und ruft: Was hoffst du zu erwerben? Was bringst du mir? Krieg, spricht er, und Verderben. 53. Krieg und Verderben sollst du bald erringen, Wenn du es suchst; sie spricht's und hält ihm Stand. Der Ritter eilt, vom Roß herab zu springen, Sobald er seinen Feind zu Fuß erkannt. Schon greifen Beide zu den scharfen Klingen, Vom Stolz gespornt, von wildem Zorn durchmannt, Und wie zwei Stiere rennen sie zusammen, Wann sie von Eifersucht und Zorn entflammen. 54. Der hellsten Sonne werth, im Angesichte Des vollsten Schaugerüstes, war ihr Streit. O Nacht, die ihn, von ihres Schleiers Dichte Umwoben, hingab der Vergessenheit: Vergönne mir, daß ich in schönem Lichte Ihn zeigen mag der fernsten Folgezeit! Es leb' ihr Ruhm, ein glänzendes Vermächtniß, Und mit ihm strahle deines Grau'ns Gedächtniß! 55. Man weicht nicht, meidet nicht, deckt nicht die Blöße; Geschicklichkeit kommt Keinem hier zu Gut. Man täuscht nicht, mehrt und mindert nicht die Stöße, Und alle Kunst vereiteln Nacht und Wut. Die Klinge fällt mit ganzer Schwer' und Größe Hellklirrend auf den Stahl; die Sohle ruht. Fest bleibt der Fuß, die Hand in steter Schwingung, Und jedem Hieb' und Stoße folgt Gelingung. 56. Zur Rache wird der Zorn durch Schmach getrieben, Worauf die Rache neue Schmach gebärt, So daß zu neuer Eil' und neuen Hieben Der Sporn und Anlaß immer wiederkehrt. Geschlossner wird der Kampf; sie drängen, schieben Mit Leibeskraft, und unnütz ist das Schwert. Schon brauchen sie, in grimmigem Erboßen, Den Degenknopf, den Helm und Schild zum Stoßen. 57. Dreimal umfaßt mit seines Armes Ringen Der Held die Jungfrau, und mit gleicher Kraft Reißt sie sich dreimal los aus diesen Schlingen, Die Feindeshaß, nicht Liebessehnen, schafft. Nun wieder tobt das Schwert, und beide Klingen Färbt neues Blut; doch endlich, matt, erschlafft, Zieht Jeder sich zurück auf seine Seite Und schöpfet Athem nach so langem Streite. 58. Sie schau'n sich an, und Jeder stützt den lassen Blutleeren Leib auf seines Schwertes Knauf. Und da nunmehr die letzten Stern' erblassen, Der erste Strahl im Osten flammt herauf, Gewahrt Tancred, wie seinem Feind in Massen Das Blut entströmt, ihm selbst in schwächerm Lauf. Er freut sich und wird stolz. O wie geschwinde Bläht sich das Herz von jedem günst'gen Winde! 59. Du freust dich, Thor? Wie bald wird dies Frohlocken Zur Trauer dir, zum Leid der Siegeswahn! Ein jeder Tropfen dieses Bluts, entlocken Wird er dem Aug' ein Thränenmeer fortan. – So schau'n die blut'gen Krieger, unerschrocken, Bei kurzer Rast einander schweigend an. Am Ende doch beginnt Tancred die Rede, Um zu erfahren, wen er hier befehde: 60. Wohl ist es hart, so tapfer sich zu schlagen, Wenn ew'ges Schweigen uns des Lohns beraubt. Doch da die Stern' uns Ruhm und Preis versagen, Kein würd'ges Zeugniß unsern Kampf beglaubt: So wollst du, bitt' ich, Stand und Namen sagen, Sind Bitten im Gefecht nicht unerlaubt; Damit ich wiss', im Fallen oder Siegen, Wer meinen Sieg ehrt oder mein Erliegen. 61. Die Stolze spricht: Du bist umsonst beflissen, Nach dem zu forschen, was ich nie genannt; Doch, wer ich sei: du siehest – sollst du wissen – Der Beiden einen, die den Thurm verbrannt. Vom Zorne fühlt Tancred sich fortgerissen: Unzeitig, spricht er, hast du dies bekannt. Für Beides nun, dein Schweigen und dein Sprechen, Unhöflicher Barbar, muß ich mich rächen. 62. Rasch kehrt der Grimm zurück und reißt sie wieder, Wie matt sie sind, zum Kampf. O grause Schlacht, Wo Kunst verbannt ist, todt die Kraft der Glieder, Und Wut allein an Beider Stelle wacht! Nie sinkt das Schwert der wilden Kämpfer nieder, Daß es nicht weite, blut'ge Pforten macht In Stahl und Fleisch, und flieht durch solche Spalten Das Leben nicht, kann nur der Grimm es halten. 63. Wie das Aegäer-Meer, schweigt auch das Toben Des Süd- und Nordwinds, die es aufgeregt, Noch immerfort, aus seinem Grund gehoben, Im Aufruhr bleibt und brüllt und Wellen schlägt: So, fehlt dem Arm zu neuen Kampfesproben Auch Blut und Kraft, die ihn zuvor bewegt, Scheint noch der alte Grimm ihn zu befeuern Und reizt ihn stets, die Wunden zu erneuern. 64. Doch sieh, es naht die dunkelste der Stunden, Da nun ihr Ziel Clorind' erreichen soll. Schon hat sein Schwert die schöne Brust gefunden Und trinkt das Blut, das ihm entgegen schwoll, Und feuchtet ihr Gewand, mit Gold durchwunden, Das leicht und zart um ihren Busen quoll, Mit warmer Flut. Sie fühlt die kalten Schatten Des Todes nahn, und die Gebein' ermatten. 65. Tancred verfolgt den Sieg; mit wildem Streben Bedrängt er die Durchbohrte, rasch und dreist. Die Jungfrau sinkt dahin, indem mit Beben Das letzte Wort den Lippen sich entreißt, Ein Wort, von neuem Geist ihr eingegeben, Der Liebe, Hoffnung und des Glaubens Geist. Gott schenkt ihn; er, den lebend sie verschworen, Hat sie zur Magd im Tode jetzt erkoren. 66. Du siegst, Freund, ich verzeih's; auch du verzeihe – Dem Leibe nicht, der keiner Furcht mehr fröhnt – Der Seele nur; für diese bet', und weihe Mit Taufe mich, die meine Schuld versöhnt. Der matten Laut' oft unterbrochne Reihe, Die ihm so süß, so schmerzlich ihm ertönt, Beschleicht sein Herz, vertilgt des Hasses Wähnen, Und lockt und drängt ins Auge milde Thränen. 67. Nicht weit davon rinnt eine kleine Quelle, Die murmelnd aus dem Schooß des Felsens bricht. Er füllt den Helm mit ihrer klaren Welle Und kehrt betrübt zurück zur heil'gen Pflicht. Die bange Hand enthüllt mit frommer Schnelle Des unbekannten Kriegers Angesicht; Er sieht's, erkennt's – ist auch der Schmerz zu nennen, Der ihn ergreift? O Anschau'n! o Erkennen! 68. Doch stirbt er nicht; er stellt, mit muth'gem Streben, All' seine Kräft' als Wächter um sein Herz, Und hemmt, um sie durch Wasser zu beleben, Die er durch Stahl getödtet, seinen Schmerz. Wie seinem Mund' die heil'gen Wort' entbeben, Blickt sie mit frohem Lächeln himmelwärts, Als spräche sie, schon von der Welt geschieden: Der Himmel thut sich auf, ich geh' in Frieden. 69. Das holde Blaß, das ihre Wangen zeigen, Scheint Lilien gleich, die man zu Veilchen legt. Sie blickt empor, und Sonn' und Himmel neigen Sich zu ihr hin, von Mitgefühl bewegt. Sie hebt die nackte, kalte Hand mit Schweigen, Und reicht sie freundlich dem, der sie erlegt, Als Friedenspfand. So scheidet, ohne Kummer, Die schöne Jungfrau hin; ihr Tod ist Schlummer. 70. Kaum aber ist die edle Seel' entschwunden, Als auch die Kraft, die er gesammelt, bricht, Vom Ungestüm des Grames überwunden, Der mit des Wahnsinns Wut sein Herz umflicht, Im engsten Sitz das Leben hält gebunden, Mit Tod umhüllend Sinn' und Angesicht. Schon gleicht der Lebende beinah der Leiche An Schweigen, Ansehn, Blutverlust und Bleiche. 71. Wohl riss' auch Er des Lebens morsche Zügel Gewaltsam durch mit Zorns und Hasses Kraft, Und folgte rasch, mit ausgedehntem Flügel, Der schönen Seele, kaum entflohn der Haft: Hätt' eine Frankenschaar, die dort am Hügel Nach Wasser ging, nicht Beide fortgeschafft; Sie schon entseelt, ihn kaum in sich am Leben, Und todt in ihr, der er den Tod gegeben. 72. Der Führer sah, noch fern, hier auf den Auen Den, der, den Waffen nach, Tancred ihm scheint; Er naht sich und erkennt, nicht ohne Grauen, Die schöne Todte neben ihrem Feind. Nicht lassen will er für der Wölfe Klauen Den holden Leib, den er noch heidnisch meint; Er läßt vielmehr, so wie sie Beid' hier lagen, Sie ins Gezelt des Frankenritters tragen. 73. Auch durch das sanfte Schütteln auf dem Wege Wird des Verletzten Ohnmacht nicht gebannt; Doch stöhnt er leis', und schwache Herzensschläge Verkünden, daß nicht ganz sein Leben schwand. Allein der andre Körper, stumm und träge, Zeigt deutlich an, ihm sei der Geist entwandt. So trägt man Beide mit der größten Schonung Ins Zelt Tancreds, doch in getrennte Wohnung. 74. Mit mancher Art Hülfleistung für den Kranken Sind die getreuen Knappen um ihn her. Der Tag durchbricht des matten Auges Schranken, Er fühlt die Helferhand, er horcht umher; Allein der Geist, in ungewissem Schwanken, Ist noch nicht sicher seiner Wiederkehr. Zuletzt, da er die Diener sammt dem Orte Deutlich erkennt, verleiht der Schmerz ihm Worte: 75. Ich leb', ich athme noch? noch muß ich schauen Den Unglückstrahl, der in mein Auge brennt, Den stummen Zeugen meiner That voll Grauen, Der mir die Schuld mit ew'gem Vorwurf nennt? Ha! feige Hand, willst du dir nicht getrauen, Du, die sonst aller Wunden Wege kennt, Du Dienerin des Tod's und alles Bösen, Von diesem schuld'gen Dasein mich zu lösen? 76. Durchbohre diese Brust! tauch' ein den frechen Mordgier'gen Stahl in meines Herzens Blut! Allein, gewöhnt zu scheußlichern Verbrechen, Hältst du mich tödten wohl für Edelmuth. So leb' ich denn, um meine Schuld zu rächen, Ein elend Scheusal unglücksel'ger Glut! Ein elend Scheusal, deß verruchtem Streben Nichts würdig lohnt, als dies unwürd'ge Leben. 77. So leb' ich denn in Marter und in Qualen, Die als gerechte Furien mich bedräu'n. Die Nacht, wann sie herabsteigt zu den Thalen, Wird ewig mir den ersten Wahn erneu'n; Der Sonne Licht, das mit verhaßten Strahlen Die That enthüllte, werd' ich bebend scheu'n. Mir selbst ein ew'ger Schrecken, werd' ich immer Mich selber fliehn, doch mir entfliehen nimmer. 78. Wo ruhen sie, die heiligen Gebeine Des schönen Leibes? O zu herbe Qual! Vielleicht zerstört des Wildes Zahn im Haine, Was noch verschont blieb von des Mörders Stahl. O viel zu edle Beute, viel zu reine, Zu süße Speise, viel zu theures Mahl, Zu dem die Nacht im dunkeln Waldreviere Erst mich gelockt, und dann die wilden Thiere! 79. Geliebter Leichnam, ja, dich seh' ich wieder, Wenn du noch bist; ich eile hin zu dir! Doch ach! verschlang die anmuthsvollen Glieder Vielleicht schon irgend ein gefräßig Thier: Dann schling' auch mich derselbe Rachen nieder, Derselbe Leib gewähr' ein Grab auch mir. Wo es auch sei, ich ruh' in jedem Grabe Beglückt genug, wo ich sie bei mir habe. 80. So spricht Tancred, und nun wird ihm berichtet, Daß sein Gezelt die theure Leich' umfaßt. Gleich Wolken, die ein Blitz im Fluge lichtet, Erröthet schnell sein Antlitz und erblaßt, Und er verläßt das Ruhebett, und richtet Mühsam empor der Glieder träge Last, Und schleppt den Leib, der schon so viel gelitten, Nach jenem Ort, mit matten, schweren Schritten. 81. Doch als er naht und nimmt die Todeswunde, Werk seiner Hand, im schönen Busen wahr; Ihr bleiches Antlitz, wie in nächt'ger Stunde Der Himmel, ohne Glanz noch heiter, klar: Da bricht der Schmerz hervor aus tiefstem Grunde; Er fiel, wenn minder nah die Hülfe war. Dann ruft er aus: O holdes Antlitz, mindernd Des Todes Grau'n, doch mein Geschick nicht lindernd! 82. O schöne Rechte, du, die mit Vertrauen Mir gab des Friedens und der Freundschaft Pfand! Weh mir! wie muß ich jetzt euch wiederschauen? Ihr Glieder, deren Reiz noch nicht entschwand, Erblick' ich nicht mit namenlosem Grauen An euch die Spuren meiner wilden Hand? O Augen, grausam gleich der Hand zu achten! Sie schlug die Wunden, ihr könnt sie betrachten! 83. Betrachten, unbenetzt? So möge rinnen, Wenn's nicht die Thräne will, mein schuldig Blut! Hier stockt das Wort, und plötzlich, wie von Sinnen, Entflammt von wilder todbegier'ger Wut, Reißt er die Binden auf, und schnell von hinnen Strömt aus den Wunden die verhaltne Flut. Er wär' erblaßt; doch die Verzweiflung eben, Die ihn sich selbst entreißt, erhält sein Leben. 84. Man bracht' ihn fort und rief die flücht'ge Seele Zur Pflicht zurück, die ihr so lästig war. Schon aber macht des Rufs geschwätz'ge Kehle Des Helden Schmerz und Unglück offenbar. Bouillon erscheint; die Treuen sonder Fehle Versammeln sich um ihn in dichter Schaar; Doch weder ernstes Wort noch sanfte Bitte Vertreibt den Gram aus seines Herzens Mitte. 85. Wie eine Wund' empfindlich zarter Glieder Nur schlimmer stets durch die Berührung wird: So ward sein Schmerz durch jeden Trost nur wieder Aufs neu' erregt, sein Sinn nur mehr verwirrt. Doch Peter, der sein wartet, treu und bieder, Wie seines kranken Lamms ein guter Hirt, Straft schonungslos des langen Wahns Bethörung Und mahnt ihn auf mit dringender Beschwörung: 86. Tancred, Tancred, o du, so ganz entwendet Dem eignen Selbst, dem wir so fest vertraut! Ha! welch ein Wahn hat dich betäubt, verblendet? Welch ein Wolk' hat deinen Blick umgraut? Ein Himmelsbot', ist dir dies Leid gesendet; Siehst du ihn nicht, vernimmst nicht seinen Laut, Wie er dich schilt? zum Pfade, dem verlornen, Zurück dich ruft, dem einst von dir erkornen? 87. Er mahnt dich auf, der würd'gen Pflicht zu denken, Wozu der Ritter Christi sich verband, Die du verriethst, dich einem Weib zu schenken – Unwürd'ger Tausch! – das sich von Gott gewandt. Ein günstig Leid, ein mitleidvolles Kränken Wird über dich als leichte Straf' erkannt Für große Schuld. Dir selbst wird übertragen Dein eignes Heil, und du willst ihm entsagen? 88. Entsagen – blinder Thor! – dem theuern Pfande, Das dir des Himmels ew'ge Huld verspricht? Unglücklicher! in deines Wahnsinns Brande, Wo rennst du hin mit schnöder Zuversicht? Schon bist du da, schon hängst du an dem Rande Des ew'gen Abgrunds, und du siehst ihn nicht? O sieh ihn, fleh' ich; fasse Muth in Nöthen, Und zügle Schmerzen, die dich zwiefach tödten! 89. Er schweigt; und um den Einen Tod zu meiden, Vertilgt Tancred des andern Todes Lust. Er giebt der Tröstung Raum und schwächt der Leiden Unmäßige Gewalt in seiner Brust; Doch, ohne ganz vom Grame sich zu scheiden, Beseufzt er oft den schmerzlichen Verlust, Und spricht bald mit sich selbst, bald mit der Fernen, Die ihn vielleicht vernimmt von goldnen Sternen. 90. Sanft klagend ruft er sie beim Niedergange, Sie ruft er, da das Morgenroth entglimmt: So wie die Nachtigall, einsam und bange, Wann ihr die Brut der harte Landmann nimmt, Die Nächte füllt mit traurigem Gesange, Der leise durch Gebüsch' und Lüfte schwimmt. Der Schlummer kann erst mit der Stern' Erbleichen Sich zwischen Thränen ihm ins Auge schleichen. 91. Und sieh! im Traum erscheint ihm die Verklärte, Von einem hellen Sternenkleid umwallt; Der Himmelsglanz, der ihre Schönheit mehrte, Benahm ihr nicht die kenntliche Gestalt. Sie trocknet freundlich ihm die abgezehrte Gramvolle Wang', und ihre Stimm' erschallt: Sieh mich von Schönheit und von Wonne strahlen, Und still' in mir, du Treuer, deine Qualen! 92. Dir dank' ich dies; du hast aus jener armen Freudlosen Welt im Irrthum mich befreit, Und würdig mich gemacht, durch dein Erbarmen, In Gottes Schooß der ew'gen Seligkeit. Dort leb' ich froh, in liebendem Erwarmen, Und hoff' auch dir dort einen Platz bereit, Wo bei der ew'gen Sonn' urkräft'gem Scheine Du schau'n wirst ihre Schönheit und die meine. 93. Willst du nicht selbst des Himmels Glück verschmähen, Beherrscht dich nicht der Sinne Wahn zu scharf: So leb', und wisse noch – ich darf's gestehen – Ich liebe dich, so sehr ich lieben darf. So redet sie; aus ihren Augen wehen Lichtflammen, wie kein sterblich Auge warf; Dann schließt sie sich in ihre Strahlenhülle, Und läßt, verschwindend, ihm der Stärkung Fülle. 94. Getröstet wacht er auf, und giebt sich wieder Den Aerzten hin und duldet den Verband. Begraben läßt er nun die theuern Glieder, Des edeln Geistes irdisches Gewand; Und senkt' auf sie kein Marmor sich hernieder, Kunstvoll behau'n von eines Dädals Hand, War Stein und Bildner doch so auserlesen, Wie durch die Zeit es dort erlaubt gewesen. 95. Ein langer Zug bringt sie bei Fackelscheine Mit edler Trauerpracht zum Grabe fort, Und ihre Waffen hängt man ob dem Steine, Trophäen gleich, an eine Fichte dort. Am andern Tag, sobald er die Gebeine Erheben kann von seinem Lagersort, Eilt schon der Ritter, mit noch matten Füßen, Das theure Grab ehrfürchtig zu begrüßen. 96. Als er die Gruft erreicht, so das Verhängniß Zum ew'gen Kerker seinem Geiste gab, Da heftet er, in schmerzlicher Bedrängniß, Stumm, bleich und starr, die Augen auf das Grab. Nun bricht ein Ach! aus seiner Brust Gefängniß, Ein Thränenstrom fließt seine Wang' hinab: O Grab, so ruft er, das mein glühend Sehnen Im Innern hat, und außen meine Thränen! 97. Des Todes nicht, lebend'gen Staubes müsse Behausung sein der Ort, wo Liebe ruht. Auch fühl' ich wohl die feurigen Ergüsse, Gleich süßer nicht, doch gleich gewalt'ger Glut. O nimm die Seufzer auf, nimm diese Küsse, Die ich getränkt mit herber Thränenflut, Und gieb sie du – mir wehrt's des Himmels Wille – Dem theuern Staub in deines Schooßes Stille! 98. Gieb sie ihm du, und blickt die schöne Seele Noch auf die schöne Hülle niederwärts, Doch zürnt sie nicht, daß ich dir dies befehle; Denn droben giebt es weder Zorn noch Schmerz. Ja, sie vergiebt mir huldreich meine Fehle; Die Hoffnung hält, in solchem Gram, mein Herz. Die Hand nur fehlte, weiß sie, und sie leidet, Daß, der sie liebend lebt', auch liebend scheidet. 99. Und liebend werd' ich scheiden – sel'ge Stunde, Wann sie auch kommt! Doch größre Seligkeit, Nimmst du mich auf in deinem stillen Grunde, Wie ich dich jetzt umwank' in meinem Leid. Dann freu'n die Geister sich in schönem Bunde, Ein Grab umschließt den Rest der Sterblichkeit; Was nicht das Leben, wird den Tod beglücken – O, darf ich's hoffen, seliges Entzücken! 100. Indeß erhebt sich innerhalb der Mauer Ein leises Flüstern von dem harten Fall, Und bald erfährt man's sichrer und genauer, Und in der bangen Stadt tönt überall Das Wehgeheul der wilden Klag' und Trauer, Als wäre schon erstürmt der hohe Wall, Als stürzten durch die Wut der Feind' und Flammen Die Häuser und die Tempel schon zusammen. 101. Doch Aller Augen zieht durch Klag' und Stöhnen Arset auf sich, kaum seiner mehr bewußt. Durch Thränen läßt sein Gram sich nicht versöhnen, Zu tief, zu innig fühlt er den Verlust; Doch wirft er eklen Staub, mit wildem Höhnen, Aufs Silberhaar, und schlägt Gesicht und Brust. Um ihn versammelt sich des Volks Gedränge, Da tritt Argant hinzu und spricht zur Menge: 102. Sobald ich mit dem ersten Blick erkannte, Daß sich das Heldenweib von mir verlor, Folgt' ohne Säumen ich ihr nach und rannte, Um ihr Geschick zu theilen, wie ich schwor. Was that und sagt' ich nicht? Welch Flehen wandte Ich an den König: Oeffnen laß ein Thor! Umsonst! ich konnt' es nicht von ihm erreichen, Und seiner Oberherrschaft mußt' ich weichen. 103. O hätte man das Thor mir aufgeschlossen! Gesichert wäre jetzt ihr Siegerpfad; Sonst hätt' auch ich, wo sie das Blut vergossen, Des Lebens Lauf vollbracht mit würd'ger That. Was konnt' ich mehr? Ein Andres war beschlossen Im Rath der Götter und der Menschen Rath. Entschieden war ihr Tod; allein mit nichten Vergess' ich nun der theuern, heil'gen Pflichten. 104. Jerusalem, vernimm Argants Versprechen! Vernimm's, o Himmel! deines Zorns Gericht Sei meines Meineids Lohn: ich will sie rächen – Ich schwör's – an jenem fränk'schen Bösewicht. Mir kommt die Rache zu für dies Verbrechen, Und dieses Schwert, ich lass' es eher nicht, Bis es Tancred durchbohrt mit heißem Stahle Und seinen Leib den Raben giebt zum Mahle! 105. So spricht Argant, und laute Beifallszeichen Des Volks umher sind seiner Rede Lohn, Und dem Gedanken künft'ger Rache weichen Der Gegenwart gewisse Schmerzen schon. O thöricht eitler Schwur! wie schlecht erreichen Wird die Erfüllung dieses stolze Drohn! Wie bald auch Er in gleichem Kampf erliegen Dem, den er glaubt zu fahn und zu besiegen! Dreizehnter Gesang Dreizehnter Gesang. 1. Kaum aber, daß in Staub die Trümmer sanken Des großen Thurms, der Zion hart gekränkt, Als schon Ismen die eifrigen Gedanken Auf neue Mittel zur Vertheid'gung lenkt. Verwehren will er jenen Wald den Franken, Der ihnen Holz zum Kriegsgeräthe schenkt, Damit sie nicht mit neu erbauten Thürmen Die schwer bedrängte Königstadt bestürmen. 2. Nicht fern vom Lager ruht, in tiefem Grunde, Von Höh'n umringt, ein alter Hain versteckt, Der, hoher Bäume voll, weit in die Runde Die grauenhaften, gift'gen Schatten streckt. Hier wird, beim Glanz der hellsten Mittagstunde, Nur trüber, ungewisser Schein entdeckt, So wie er graut durch dichte Wolkenlage, Wenn Tag der Nacht folgt, oder Nacht dem Tage. 3. Doch scheidet nun die Sonne – plötzlich gatten Sich Nacht, Gewölk und Finsterniß und Graus, Die, wie mit Höllenqualm, das Aug' umschatten Und tilgen allen Muth im Herzen aus. Kein Hirt, kein Bauer führt auf diese Matten Sein Ackervieh und seine Heerd' hinaus. Kein Wandrer naht, er sei denn fehlgegangen; Weit zieht er um und zeigt dahin mit Bangen. 4. Mit ihren Bulen ziehn die Unholdinnen Auf Wettergraus, der sich in Wolken ballt, Bei Nacht hieher zu scheußlichem Beginnen, Als Drachen diese, jen' in Bockgestalt. Gelockt von einem Trugbild, das den Sinnen Ergötzen lügt, begehn in diesem Wald Mit ekelhaftem Pomp die rohen Gäste Unreine Mahl' und wilde Hochzeitfeste. 5. So glaubte man, und Keiner aus den Landen Wagt' einen Zweig von diesem Wald zu hau'n; Die Franken wagten's, weil sie hier nur fanden, Was nöthig ist, ihr Sturmgeräth zu bau'n. Der Magus nun – sobald die Nacht vorhanden, Die nächste Nacht nach jener That voll Grau'n – Eilt heimlich nach des Waldes dunkeln Reichen, Zieht seinen Kreis und bildet seine Zeichen. 6. Gurtlos, nackt Einen Fuß, steht er im Kreise Und summt den kräftig zaubrischen Gesang; Kehrt dreimal nach dem Ost, und gleicher Weise Dreimal sein Antlitz nach dem Niedergang, Und schüttelt dreimal mit dem macht'gen Reise, Das oft die Todten aus dem Grabe zwang, Und stampft dreimal den Grund mit nacktem Fuße; Nun hebt er an mit wildem Zaubergruße: 7. Hört, hört, o ihr, die von den Sternenthronen Der Wetterstrahl geschleudert in die Nacht! Ihr Geister, die das Reich der Luft bewohnen, Durch die der Sturm erbraust, der Donner kracht; Und ihr, die in des Orkus Regionen An Schuld'gen üben rächerische Macht; Euch, Bürger des Avern, ruf' ich zusammen, Und dich, du Fürst des argen Reichs der Flammen! 8. Euch geb' ich diesen Wald und diese Bäume, Die ich mit Fleiß gezählt, in sichre Hut, Und, wie der Geist bewohnt des Körpers Räume, In jedem Baum wohn' Einer eurer Brut, Damit der Franken Schaar flieh', oder säume Beim ersten Hieb, aus Furcht vor eurer Wut. So sprach Ismen; die andern Lästerungen Sind wiederholbar nur für Frevlerzungen. 9. Der Sterne Schaar, die mit des Glanzes Fülle Die Nacht geschmückt, erbleicht, indem er spricht; Der Mond wird trüb' und birgt in Wolkenhülle Sein zwiefach Horn, und deckt das Angesicht. Allein Ismen verdoppelt sein Gebrülle: Beschworne Geister, noch erscheint ihr nicht? Was zögert ihr? Bedarf's, daß man mir fröhne, Wirksam're noch, geheimnißvoll're Töne? 10. Durch langen Nichtgebrauch hab' ich der Kunde Des stärksten Zauberbanns noch nicht entsagt. Noch kann auch ich, mit blutbeflecktem Munde, Den Namen nennen, dem das Weltall zagt, Vor dem die Höll' erbebt im tiefsten Grunde, Dem Pluto selbst zu widerstehn nicht wagt. Und wenn – und wenn – Er schweigt; denn eh' er endet, Gewahrt er schon, der Zauber sei vollendet. 11. Er hört heran unzähl'ge Geister brausen, Wovon ein Theil wohnt in der Luft zerstreut, Ein Theil hervorsteigt aus den tiefen Klausen Der Unterwelt, wo ew'ges Dunkel dräut. Sie zögern, fürchtend jenes Wort voll Grausen, Das ihrem Heer der Waffen Brauch verbeut; Doch wehrt es ihnen nicht, in diesen Forsten, In Stämmen und im Laubgebüsch zu horsten. 12. Der Zaubrer kehrt, nach seines Plans Vollbringen, Zum König heim und spricht mit frohem Ton: Herr, fasse Muth die Sorgen zu bezwingen, Denn sicher ist dein königlicher Thron. Nicht wird's dem Franken, wie er glaubt, gelingen, Mit neuem Sturmgeräth uns zu bedrohn. So spricht er und erzählt ihm von dem Werke, Das er vollbracht durch seine Zauberstärke. 13. Er fügt hinzu: Nach himmlischen Beschlüssen, Künd' ich ein gleich Erfreuliches dir an. Ich sage dir, Mars und die Sonne müssen Bald sich vereinen in des Löwen Bahn, Und ihre Glut wird nicht von Regengüssen, Von Thau, von Lüften Mildrung nicht empfahn; Denn alles, was erscheint am Sternensitze, Verkündet uns die größte Dürr' und Hitze. 14. Ein Brand wird sein, wie kaum die Nasamonen, Kaum die versengten Garamanten sehn. Uns in der Stadt zwar wird er mehr verschonen, Da Wasser uns und Schatten nicht entstehn; Doch die das dürre, trockne Land bewohnen, Der Franken Völker, werden schier vergehn, Und sie, gebändigt durch des Himmels Plagen, Wird leicht hernach Aegyptens Heer erschlagen. 15. Du siegst im Ruh'n; drum folge meiner Rede, Und suche nicht des Krieges Sorg' und Last. Doch treibt Argant, deß wilder Hochmuth jede Auch ehrenvolle Ruhe flieht und haßt, Zudringlich, wie er pflegt, dich an zur Fehde, So zähme, wie es sei, den stolzen Gast; Denn das Verhängniß wird, mit günst'gen Händen, Bald Frieden dir, und Krieg dem Feinde spenden. 16. Dies hörend, hofft der Fürst des Reiches Dauer Und fürchtet nun nicht mehr der Feinde Macht. Ausbessern ließ er schon zum Theil die Mauer, Wo ihr der Widder Wunden beigebracht; Doch seine Sorge wird, trotz dem, nicht lauer, Und auch der kleinste Schaden wird bedacht. Sein ganzes Volk, die Bürger wie die Knechte, Arbeitet hier, und nimmer ruht die Rechte. 17. Allein Bouillon, der wohl mit Grund sich scheute, Zum Angriff auf die feste Stadt zu ziehn, Bevor er seinen Hauptthurm nicht erneute, Und andres Sturmzeug, das ihm nöthig schien, Sandt' unterdeß die Schaar der Zimmerleute In jenen Wald, der oft ihm Holz verliehn. Sie gehn dahin beim ersten Morgengrauen; Doch Furcht hemmt ihren Schritt, da sie ihn schauen. 18. So wie ein Kind, wenn Larven es umschweben, Das Auge nicht empor zu richten wagt, Und in der Nacht, von Finsterniß umgeben, Vor selbstgeschaffnen Ungeheuern zagt: So stehn, erschreckt, die Zimmrer da und beben, Und wissen nicht, was für ein Grau'n sie plagt, Wenn ihre Furcht nicht Wunder mag gebären, Graunvoller noch als Sphinxe sammt Chimären. 19. Die Leute fliehn zurück in vollem Schrecken Und mengen Sach' und Wort so wunderbar, Daß beim Bericht sie nur Gespött erwecken; Denn Keiner hält den Zauberspuk für wahr. Nun schickt der Feldherr nach des Waldes Strecken Der kühnsten Krieger auserlesne Schaar, Den Andern zum Geleit, um bei den Werken, Die er verordnet, ihren Muth zu stärken. 20. Wie Diese sich dem Forst genähert hatten, Den sich zum Sitz der Geister Schaar erkor, Erblickten kaum sie jene schwarzen Schatten, Als auch sogleich ihr Blut zu Eis gefror. Doch dringen sie, des Muthes feig Ermatten Durch kecken Schein verbergend, weiter vor, Und kommen bis dahin, wo sie mit Grauen Den Zauberort ganz nahe vor sich schauen. 21. Und plötzlich dringt aus dem Gebüsch ein Brausen, Wie wenn der Erde tiefer Schooß zerlechzt. Sie hören rings umher die Winde sausen; Es stöhnt, wie Meerflut zwischen Klippen ächzt. Der Löwe brüllt, die Schlange zischt voll Grausen, Es heult der Wolf, die Eule seufzt und krächzt, Die Donner rollen, die Trommeten dröhnen; Ein einz'ger Ton gleicht so verschiednen Tönen. 22. Da siehet man der Krieger Wang' erbleichen, Und bange Furcht erscheint im Angesicht. Noch weiter fort zu gehn, nur nicht zu weichen, Dazu bewegt sie nicht Vernunft noch Pflicht; Denn der verborgnen Macht furchtbaren Streichen Zu widerstehn, gnügt die Bewaffnung nicht. Sie fliehn zuletzt, und Einer von der Wache Erzählt, entschuld'gend, dem Bouillon die Sache: 23. Herr, Keiner unter uns wird ferner wagen, Den Wald zu hau'n, denn er ist so bewacht, Als ob sein Haus dort Pluto aufgeschlagen; Ja, ich beschwör's, nicht falsch ist der Verdacht. Dreifaches Erz muß um den Busen tragen, Wer ohne Beben schaut in jene Nacht, Und fühllos sein, wer hören kann, wie zwischen Den Donnerknall sich mengt Gebrüll und Zischen. 24. So redet er, und dieses Abenteuer Vernimmt, nebst vielen Andern, auch Alcast, Ein Mann von keckem, ungezähmtem Feuer, Der nicht vor Menschen noch dem Tod' erblaßt. Ihn schreckt kein wildes Thier, kein Ungeheuer, Bei dessen Anblick Grau'n den Kühnsten faßt, Erdbeben nicht, noch Blitz, noch Sturmgebrülle, Und was die Welt furchtbarer noch erfülle. 25. Er wiegt das Haupt und läßt sich lächelnd hören: Was der nicht wagt, das thu' ich frank und frei. Ich will allein den ganzen Wald zerstören, Den Aufenthalt verwirrter Träumerei. Kein gräuliches Gespenst soll mich bethören, Kein Waldgeräusch, kein wildes Thiergeschrei, Und zeigte selbst in jenen Schauerklüften Sich mir der Eingang zu der Hölle Grüften. 26. So rühmt er sich, und eilt, da seine Bitte Der Feldherr ihm gewährt, nach jenem Wald. Schon sieht er ihn, und hört, wie aus der Mitte Des düstern Hains ein fremd Getös' erschallt. Er aber wendet nicht die kühnen Schritte, Und bleibt, so wie vorhin, beherzt und kalt, Und würde jetzt den Ort des Banns betreten, Wenn Flammen nicht, so scheint's, ihm Einhalt thäten. 27. Das Feuer wächst, und seine Flammen bauen, Gleich hohen Mauern, dampfend sich hinan Und decken so den Wald mit ihrem Grauen, Daß Niemand einen Baum verletzen kann. Die größten sind wie Schlösser anzuschauen Und thürmen stolz und kühn sich himmelan, Und rings umher vertheidigt sich aufs beste Mit Kriegsgeschütz die neue Höllenveste. 28. O wie viel Ungeheu'r aus Pluto's Reichen Erscheinen jetzt, bewaffnet, auf dem Schloß! Die theils mit furchtbarn Blicken ihn bestreichen, Theils ihn bedrohn mit klirrendem Geschoß. Er flieht zuletzt; zwar langsam ist sein Weichen, Wie wenn zum Rückzug sich der Löw' entschloß: Doch ist es Flucht, und seine Glieder beben, Von Furcht bewegt, zum erstenmal im Leben. 29. Noch ward er nicht gewahr, daß er gezittert; Erst als er ferner ist, zeigt sich's ihm an. Erstaunen, Zorn ergreift ihn, da er's wittert, Und Reue packt ihn fest mit scharfem Zahn. Von trüber Schaam verworren und erbittert, Verbirgt er stumm sich auf entlegner Bahn; Denn diesen Blick, so stolz in frühern Tagen, Wagt er nicht mehr vor Menschen aufzuschlagen. 30. Als man ihn ruft, dem Feldherrn sich zu zeigen, Will er sich zögernd dem Gebot entziehn. Zwar geht er endlich, doch beharrt im Schweigen, Und spricht er auch, so gleicht es Phantasie'n. Aus dieser Schaam, so wenig sonst ihm eigen, Schließt Gottfried leicht sein Zagen und Entfliehn. Was ist das? spricht er, ist es Zauberstärke? Sind's der Natur erhabne Wunderwerke? 31. Doch treibt noch Einen hier des Muthes Feuer, Im Walde zu bestehn sein Probestück: So unternehm' er gern dies Abenteuer, Ein bessrer Bote kehr' er nur zurück. So sprach Bouillon. Im Forst der Ungeheuer Versuchten die Berühmtsten nun ihr Glück, Drei Tage lang; doch Keiner, der dem Drohen Des Graungebilds mit Zittern nicht entflohen. 32. Indessen war Tancred hinaus gegangen, Um der geliebten Freundin Grab zu sehn; Und wenn auch abgezehrt und bleich von Wangen, Und noch zu schwach, in Waffentracht zu gehn, Vernimmt er kaum von jenem Unterfangen, So will er nicht Gefahr und Noth verschmähn; Denn seines Herzens Kraft, mit mächt'gem Gusse, Durchströmt die Glieder bis zum Ueberflusse. 33. In sich gesammelt, schweigend, mit Vertrauen Begiebt der Kühne sich zum Zauberwald. Er hält es aus, das Schreckgebild zu schauen, Hört, wie der Erdstoß und der Donner hallt, Und zittert nicht. Kaum ein unmerklich Grauen Durchschleicht die Brust; doch er verjagt es bald Und schreitet vor – und durch die dunkeln Aeste Erhebt auf einmal sich die Flammenveste. 34. Da hält er an und scheint sich zu bedenken, Und spricht bei sich: Was hilft hier Schwert und Schild? Soll ich in diesen Flammenschlund mich senken, Ein sichres Mahl dem höllischen Gewild? Nie säume man, sein Leben zu verschenken, Wenn's für das Wohl des Allgemeinen gilt; Doch soll kein Held den edlen Geist verschwenden. Der aber thut's, der hier ihn will verwenden. 35. Doch kehr' ich fruchtlos heim, was wird man sagen? Ist noch ein Wald hier, als an diesem Ort? Auch wird der Feldherr, diesen Weg zu wagen, Aufgeben nie. Und schritte man nur fort, Vielleicht erregt der Anblick größres Zagen, Als Schmerz die Wirkung jener Flammen dort. Doch folge draus, was kann! Und ohn' Erbleichen Springt er hinein. O Kühnheit sonder Gleichen! 36. Zwar kann er durch die Rüstung nichts empfinden Von Hitz' und Glut, wie heft'gem Feu'r entwallt; Doch ob hier wahre Flammen sich befinden, Ob Blendwerk nur, erkennt er nicht so bald, Weil, kaum berührt, sie Augenblicks verschwinden; Und eine Wolke zieht sich vor den Wald, Mit Nacht und Frost erfüllt; doch kaum empfunden, War Frost und Finsterniß bereits verschwunden. 37. Erstaunen fühlt der Ritter, doch kein Grausen, Und da so still der Zauberspuk vergeht, Betritt er sichern Muths die Waldesklausen, Und jeder Winkel wird von ihm durchspäht. Nichts seltsam Fremdes scheinet hier zu hausen, Kein Widerstand, kein Hinderniß entsteht; Nur daß der Forst, durch Dunkelheit und Dichte, An sich schon wehrt dem Fuß und dem Gesichte. 38. Zuletzt eröffnet sich vor seinen Schritten Ein weiter runder Platz, von Bäumen leer; Nur steht, als Pyramid', in seiner Mitten Die schönste der Cypressen, hoch und hehr. Er tritt hinzu, und findet eingeschnitten Der Zeichen viel' am Stamme rings umher, Gleich jenen fast, die statt der Schrift dem alten, Geheimnißreichen Volk Aegyptens galten. 39. Hier standen auch, von jenen eingeschlossen, Schriftzüge Syriens, die er wohl verstand: Du starker Held, der kühn und unverdrossen Ins Thal des Todes seinen Schritt gewandt, O bist du nicht so grausam wie entschlossen, Laß ungestört dies ruhgeweihte Land! Verschone mild des Lichts beraubte Seelen; Nicht darf, wer lebt, die Abgeschiednen quälen. 40. So sagt die Schrift; er sucht herauszubringen, Was für verborgnen Sinn dies Wort umfaßt. Die Wind' indeß, die durch Gebüsche dringen, Erregen Zweig' und Blätter ohne Rast; Ein seltsam Tönen, schmerzliches Erklingen, Gleich Menschenseufzern, dringt aus Laub und Ast Und regt ein wunderbar Gefühl im Herzen, Wie ein Gemisch von Mitleid, Grau'n und Schmerzen. 41. Doch wagt er's endlich, in den Baum zu hauen Mit hochgezücktem Schwert. O Wunderstreich! Blut scheint der offnen Rinde zu entthauen Und röthet rings umher das Erdenreich. Entsetzen faßt ihn an; doch, um zu schauen, Was folgen wird, verdoppelt er den Streich. Und nun erschallt, gleich dumpfen Grabestönen, Ein unvernehmlich schmerzenvolles Stöhnen, 42. Und deutlich nun: Mit zu feindsel'gen Trieben Verfolgst du mich, Tancred; doch jetzt laß ab! Schon hast du aus dem Körper mich vertrieben, Der, durch und für mich lebend, mich umgab, Und quälst nun noch den Stamm mit deinen Hieben, Den mir ein hart Geschick zur Wohnung gab? Auch nach dem Tode noch, fühllos Verwegner! Bis in ihr Grab verfolgst du deine Gegner? 43. Clorinde war ich einst, und in die Schranken Des harten Baums bin nicht nur ich gebannt: Es werden Alle, Heiden so wie Franken, Durch eine mächt'ge, wundervolle Hand, Wie sie am Fuß der hohen Mauer sanken, In solchen Leib, in solches Grab gesandt. Beseelt sind Zweig' und Stämme, die du schauest; Du übest Mord, wenn du sie niederhauest. 44. Dem Kranken gleich, der träumend einen Drachen, Ein Ungeheu'r mit Glut umhüllt, entdeckt, Und ob er wohl vermuthet im Erwachen, Selbst wahrnimmt, daß ein Truggebild ihn neckt, Doch strebt zu fliehn, durch den gewalt'gen Rachen, Den Flammenblick des Ungethüms erschreckt: So glaubt Tancred, von Liebesfurcht befangen, Dem Trug nicht ganz, und weichet doch mit Bangen. 45. Gefühle tausendfacher Art bewegen Sein Herz, so, daß es zittert, matt und kalt, Und in so heft'gem Sturme sinkt der Degen Ihm aus der Hand, nicht durch der Furcht Gewalt. Er eilt hinweg, bestürzt, und glaubt zugegen Der Freundin blasse, leidende Gestalt. Er kann dies Blut nicht mehr zu schau'n ertragen, Nicht hören mehr dies Seufzen, diese Klagen. 46. Ihn, der in Todsgefahr stets kühn geblieben, Hat auch dies Schreckbild nicht mit Furcht berührt; Doch ward sein Herz, nur schwach allein im Lieben, Durch leere Klag' und Truggestalt verführt. Sein Schwert, der Hand entsunken, fortgetrieben Vom Sturme, ward zum Forst hinaus geführt. Besiegt entwich er; fern vom Waldgehege, Fand er hernach das Schwert auf seinem Wege. 47. Er kehrt nicht um, will nicht mehr nach dem Grunde Der Wunder forschen, die der Wald umfaßt; Vielmehr den Feldherrn sucht er auf zur Stunde, Und als er sich erholt nach kurzer Rast, Beginnt er: Herr, von Dingen geb' ich Kunde, Die ungeglaubt sind und unglaublich fast. Was Jene von der Furchtbarkeit des Schalles, Des Anblicks dir gesagt, wahr ist es alles. 48. Hernach gewahrt' ich ein entsetzlich Feuer, Das, ohne Stoff, im Augenblick entstand. Wie eine Mauer war's, durch Ungeheuer Ringsum beschützt mit Waffen in der Hand. Doch drang ich durch, vom flammenden Gemäuer Ganz unverletzt; kein Schwert that Widerstand. Dann ward es Nacht, und Frost befiel die Glieder; Bald aber kehrten Tag und Heitre wieder. 49. Noch sag' ich dir, daß in den Bäumen allen Ein Menschengeist mit Sinn und Sprache lebt. Ich selbst erfuhr's; die Stimme hört' ich schallen, Die schmerzlich noch in meinem Innern bebt. Verletzten Stämmen sieht man Blut entwallen, Als wären sie mit weichem Fleisch umwebt. Nie könnt' ich – nein, ich muß besiegt mich nennen – Von einem Baum Rind' oder Zweige trennen. 50. Er spricht's. Der Feldherr sinnt bei diesen Worten, Umhergewälzt in wilden Zweifelssee'n: Soll er den Zauberspuk im Walde dorten – Denn dafür hält er's – selber noch bestehn? Soll er vielleicht sich aus entlegnern Orten, Die minder schwierig sind, mit Holz versehn? Doch aus der zweifelnden Gedanken Kreise Ruft ihn der Eremit auf solche Weise: 51. Laß deinen Plan! ein Andrer ist vorhanden, Der zu des Hains Beraubung ward bestellt. Schon naht der Schicksalskahn einsamen Stranden, Schon legt er an; das goldne Segel fällt, Und schon, befreit aus höchst unwürd'gen Banden, Stößt ab vom Ufer der ersehnte Held. Nicht ferne mehr seh' ich die Stunde winken, Da Zion fällt und ihre Schaaren sinken! 52. Sein Auge strahlt, den Flammen zu vergleichen, Der Stimm' enttönet mehr als Erdenmuth, Und andre Zwecke thätig zu erreichen Strebt Gottfried nun, der nimmer müßig ruht. Die Sonn' indeß, die in das Himmelszeichen Des Krebses trat, bringt ungewohnte Glut, Erschwert ihm alle seine Plan' unsäglich Und macht dem Volk die Arbeit unerträglich. 53. Vom Himmelskreis flieht jeder günst'ge Schimmer, Und ihn beherrscht grausamer Sterne Macht, Unholde Kraft ausströmend, deren schlimmer, Feindsel'ger Druck die Luft verderblich macht. Die Hitze mehrt sich überall, und immer Furchtbarer, wilder wird sie angefacht. Die schlimmre Nacht, nach einem schlimmen Tage, Bringt einen Tag voll immer größrer Plage. 54. Nie läßt die Sonn' am Morgen sich entdecken, Daß ihre Stirn, von blut'gen Dünsten roth, Nicht deutlich zeigt, zum allgemeinen Schrecken, Des neuen Tags unzweifelhafte Noth. Nie scheidet sie, daß nicht mit rothen Flecken Sie bei der Rückkehr gleiche Plagen droht, Und schärft die überstandne Qual, im Scheiden, Durch die gewisse Furcht zukünft'ger Leiden. 55. Und strahlt sie dann herab vom Himmelsbogen, So sieht des Menschen Auge rings umher Das Laub entfärbt, die Blumen ausgesogen, Das Gras verschmachtet und von Säften leer. Die Erde reißt, es bergen sich die Wogen, Des Himmels Zorn ruht auf der Schöpfung schwer, Und unfruchtbare Wolken sind, voll Grauen, Zerstreut im Luftraum, Flammen gleich zu schauen. 56. Der Himmel, schwarzem Ofen zu vergleichen, Zeigt ringsum nichts, das wohl dem Auge thut. Die Luft, unregsam, giebt kein Lebenszeichen, Und Zephyr liegt in seiner Grott' und ruht. Nur aus des Mohrenlandes sand'gen Reichen Bläst oft ein Wind, gleich loher Fackelglut, Und stößt von Zeit zu Zeit auf Brust und Wange Mit seines Hauchs unleidlich schwerem Drange. 57. Und auch die Nacht hat keine mildre Schatten, Sie scheinen noch durchglüht vom Sonnenbrand; Auch webt sie oft Kometen, Feuerlatten Und andern Flammenschmuck in ihr Gewand. Und selbst der geiz'ge Mond gönnt deinen matten, Verlechzten Fluren, o du armes Land! Nicht seinen Thau. Vergeblich, ohne Kräfte, Flehn Blum' und Gras um neue Lebenssäfte. 58. Aus unruhvollen Nächten flieht erschrocken Der holde Schlaf. Mit süßen Schmeichelei'n Sucht ihn umsonst der Mensch zurück zu locken; Doch ist der Durst die fürchterlichste Pein. Macht auch die Glut nicht alle Quellen stocken, So ließ Judäa's Herrscher insgemein Durch unheilvollre Gifte sie besudeln, Als die im Styx und im Avernus sprudeln. 59. Der kleine Siloa, der mit reichen Schätzen Der Franken Heer erfreute, rein und mild, Scheint jetzt noch kaum den dürren Grund zu netzen Mit lauem Naß, das schwach und spärlich quillt. Kaum würden sie den Po genügend schätzen, Wann er im Mai die Ufer überschwillt, Den Ganges, noch den Nil, wann, nicht gedämmet Von sieben Betten, er das Land verschlämmet. 60. Sah einer jemals, vom Gebüsch umfangen, Den Silbersee im schattenreichen Thal, Lebend'ge Wasser, die dem Fels entsprangen, Den stillen Bach, der sich durch Wiesen stahl: Dann malt er sie dem lüsternen Verlangen Und nährt mit neuem Stoff die eigne Qual. Ihr lieblich kühles Bild vermehrt die Schmerzen, Dörrt und erhitzt und wallet auf im Herzen. 61. Die starken Krieger, die durch rauhe Lande Auf langem Pfad bis hieher vorgerückt, Die nie gescheut der Waffen schwere Bande, Selbst nicht das Schwert, zu ihrem Tod gezückt: Sie liegen jetzt, vom heißen Sonnenbrande Fast aufgelöst, durch eigne Last erdrückt. Verborgnes Feuer schleicht durch alle Röhren Und scheint sie leis' und leise zu zerstören. 62. Das matte Roß nimmt die geliebte Speise, Das schöne Gras, mit Widerwillen nur. Ihm wankt der schwache Fuß; demüth'ger Weise Senkt, einst so stolz, der Nacken sich zur Flur. Es denkt nicht mehr der wohlverdienten Preise, Vom edlen Ehrgeiz schwindet jede Spur; Es scheint den reichen Schmuck, die Siegstrophäen, Als schnöde Last zu hassen, zu verschmähen. 63. Der treue Hund liegt da, fast ohne Leben Und ohn' um Herrn und Zelt besorgt zu sein, Und sendet keuchend, mit gequältem Streben, Zum innern Brande neue Luft hinein. Doch hat Natur das Athmen zwar gegeben, Der Glut des Herzens Lindrung zu verleihn: Jetzt kann es wenig oder nichts ihm frommen, So schwer ist diese Luft und so beklommen. 64. So lechzt die Erde, solcher Qual erliegen Die armen Menschen, unerhört zuvor. Der Gläub'gen Volk verzweifelt schon zu siegen Und stellt sich nur des Elends Gipfel vor, Und rings umher im Christenlager fliegen Mit lautem Schrei des Jammers Tön' empor: Was hofft Bouillon? Was zögert er so lange, Bis hier sein ganzes Volk den Tod empfange? 65. Mit welcher Kriegsmacht will er sich getrauen, Die hochgethürmte Feindesstadt zu fahn? Wo nimmt er Sturmzeug? Kann nur Er nicht schauen, Wie klar des Himmels Zorn sich kund gethan? Durch tausend Wunder, tausendfaches Grauen Zeigt dieser längst uns seine Feindschaft an. Die Sonne brennt uns so, daß, sich zu kühlen, Der Mohr und Inder wen'ger nöthig fühlen. 66. Glaubt Gottfried denn, es sei für nichts zu achten, Daß wir, unnütze Seelen, ungeehrt, Gemein und niedrig, bis zum Tod verschmachten, Wenn nur nicht Er den Feldherrnstab entbehrt? Ist denn das Loos des Herrschers zu betrachten Als so glückselig, als so wünschenswerth, Daß man begierig sucht es zu bewahren, Auch zum Verderb der untergebnen Schaaren? 67. Seht da das milde Herz des so besonnen Umsicht'gen Manns, den man den Frommen heißt! Der, um an eitler Ehre sich zu sonnen, Der Seinen Wohl verbannt aus seinem Geist, Und, während uns versiegen Bach und Bronnen, Dem Jordan selbst die ferne Flut entreißt, Um unter Wen'gen, an vergnügten Tischen, Das frische Naß mit Kreterwein zu mischen! 68. So murrt der Franken Volk. Allein der Griechen Heerführer, der des Kriegs schon müde war, Sprach jetzt bei sich: Warum denn hier versiechen, Und meine Krieger weihn der Tod'sgefahr? Denkt Gottfried, blind, im Elend hinzukriechen, Wohlan, verderb' er sich und seine Schaar! Was thut es uns? Und ohn' es anzuzeigen, Entfernt er sich bei Nacht in tiefem Schweigen. 69. Dies Beispiel nun, sobald der Tag entglommen, Lockt auch der Andern viel' auf gleiche Spur. Die mit Clothar und Adhemar gekommen, Mit Führern, jetzt Gebein und Asche nur, Bemühn sich schon um Mittel, zu entkommen; Weil er, der Alles auflöst, auch den Schwur Der Treue löst, und ein'ge dieser Mannen Ziehn heimlich in der Dunkelheit von dannen. 70. Wohl mußt' es Gottfried hören, wohl es schauen, Und strenge Mittel riethe wohl der Zorn; Doch er verschmäht sie, und mit dem Vertrauen, Das Flüsse hemmt und beugt der Berge Horn, Fleht er empor zum Herrn der Himmels-Auen, Daß er nun öffne seiner Gnade Born. Mit brünst'gen Blicken, mit gefaltnen Händen Eilt er, gen Himmel Aug' und Wort zu wenden: 71. O Herr und Vater! hast du einst die Deinen Mit süßem Thau dort in der Wüst' ernährt, Und einer Menschenhand, aus harten Steinen Lebend'ge Flut zu locken, Kraft gewährt: So laß dasselbe Beispiel jetzt erscheinen An Diesen hier; und fehlt der gleiche Werth, Laß deiner Gnad' Ersatz den Mangel dämpfen, Und helf' es ihnen, daß für dich sie kämpfen! 72. Die frommen Bitten, warm hervor gegangen Aus reiner Brust, sind nicht der Kräfte bloß; Zu Himmelshöh'n, wie leichte Vögel, schwangen Sie sich empor und flohn in Gottes Schooß. Schon hat der ew'ge Vater sie empfangen Und blickt herab auf seiner Gläub'gen Loos, Und der Gefahr, des Elends, das sie dulden, Erbarmt er sich, und er gebeut in Hulden: 73. Nun soll das lange, harte Leid zerrinnen, Das meiner Gläub'gen Schaar bis jetzt empfand; Und länger nicht mit Krieg und list'gem Sinnen Sei Erd' und Hölle wider sie entbrannt. Ein neuer Lauf der Dinge soll beginnen Und sei zu ihrem Heil und Glück gewandt; Denn regnen soll's; der Christen Held soll kommen, Aegyptens Heer sich nahn, zum Ruhm der Frommen. 74. Und er bewegt sein Haupt; die Himmel alle Erzittern rings, ehrfürchtig bebt die Luft; Der Sterne Schaar erbebt, die tiefe Halle Des Oceans; es zittert Berg und Gruft. Zur Linken flammt der Blitz; mit lautem Schalle Empfangen Donner ihn aus ihrer Kluft; Das Volk begleitet Blitz und Donnerdröhnen Mit heller Stimm' und vollen Jubeltönen. 75. Sieh, schnelle Wolken! nicht hinauf gezogen Vom Grund der Erden, durch der Sonne Macht, Vom Himmel selbst sind sie herabgeflogen, Der alle seine Pforten aufgemacht. Sieh, schnell erscheint, den hellen Himmelsbogen In Schatten hüllend, unverhoffte Nacht, Und Regen stürzt herab in solchen Massen, Daß schon des Baches Ufer ihn nicht fassen. 76. Wie manchesmal, wenn aus des Himmels Gattern Ersehnter Regen stürzt bei Sommerglut, Ein Schwarm von Enten mit geschwätz'gem Schnattern Am trocknen Ufer harrt der kühlen Flut Und ihr entgegen eilt mit schnellem Flattern, Und keine sich zu baden spröde thut, Und jede, wo sich staut die Wassermenge, Rasch untertaucht und dämpft des Durstes Strenge: 77. So froh begrüßt den heiß erflehten Segen, Von Himmelshöh'n gesandt, der Franken Schaar. Ein Jeder will mit dem ersehnten Regen Nicht das Gewand nur feuchten, auch das Haar. Der hebt ein Glas, der ihm den Helm entgegen, Der hält die Hand der frischen Nässe dar; Der eilt, die Schläfe, der, die Stirn zu waschen; Der füllt, gescheidt, zu besserm Brauch die Flaschen. 78. Und nicht allein der Mensch erfreut sich wieder, Erholt sich jetzt von allem, was er litt: Nein, auch die Erd', in deren kranke Glieder Die dürre Glut so manche Wunden schnitt, Schlürft gierig jetzt den kühlen Regen nieder Und theilt ihn bald den tiefsten Adern mit, Und strömt die reiche Nahrung, ohne Säumen, Dem Grase zu, den Blumen und den Bäumen. 79. Sie ist der Kranken gleich, die nun genesen, Erquickt, gestärkt durch neuen Lebenssaft, Der, was des langen Uebels Grund gewesen, Aus ihrem Innern glücklich fortgeschafft, Und, Labung strömend durch ihr ganzes Wesen, Ihr wiedergiebt der Jugend frische Kraft; So daß sie froh, nach bald vergessnem Leide, Sich schmückt mit Kränzen und mit Festgeschmeide. 80. Der Regen weicht, die Sonne läßt sich schauen; Doch sanft und mäßig strahlet sie fortan, Voll Manneskraft; so leuchtet sie den Auen, Wann sich April und Mai einander nahn. O Glaubensmuth! wer Gott weiß zu vertrauen, Der ändert leicht des Jahres Lauf und Bahn, Befreit die Luft von tödtender Bedrängniß, Besiegt der Sterne Wut und das Verhängniß. Vierzehnter Gesang Vierzehnter Gesang. 1. Schon stieg die dunkle Nacht mit stillem Walten Aus ihrer Mutter kühlem Schooß empor, Und bracht', indem die Lüfte sie umwallten, Kostbaren Thaues Fülle mit hervor, Und schüttelnd nun des feuchten Schleiers Falten, Benetzte sie das Gras, der Blumen Chor, Indeß mit leichtem Flügelschlag die Winde Der Menschen Ruh' umspielten, leis' und linde. 2. Und in die Tiefe des Vergessens sanken Dem Erdensohn des Tages Sorg' und Pflicht; Allein der große Herrscher, voll Gedanken Der Weltregierung, wacht im ew'gen Licht. Von seinem Himmel lenkt er auf der Franken Heerführer nun sein gnädig Angesicht, Und sendet einen aus der Träume Schaaren, Um seinen Rathschluß ihm zu offenbaren. 3. Nicht ferne von der Sonne goldnen Thoren Ist eine Pforte von Krystall zu schau'n, Die sich gewöhnlich, eh der Tag geboren, Zu öffnen pflegt beim ersten Morgengrau'n. Hier gehn die Träum' hervor, die Gott erkoren, Um seinen Schluß den Frommen zu vertrau'n. Aus dieser schwingt, der auf Bouillon hernieder Sich neigen soll, sein schimmerndes Gefieder. 4. Noch nie erschien, wann Träume sich verklären, Dem Erdensohn ein wonnevollres Bild, Als dieses, das des Himmels und der Sphären Geheimniß ihm enthüllet, rein und mild. Ein klarer Spiegel, stellt es treu im hehren Abglanz ihm dar das himmlische Gefild; In reinem Aether glaubt Bouillon zu schweben, Den goldne Flammen strahlenreich durchweben. 5. Und noch bewundert er an diesen Orten Bewegung, Raum und Harmonie und Licht, Da, sieh! begegnet ihm ein Ritter dorten, Deß edle Stirn ein Strahlenkranz umflicht. Der naht sich ihm, und seinen holden Worten Vergleicht der Erde schönster Ton sich nicht: Du schweigst, Bouillon? du säumst, mich zu empfangen? Ist Hugo's Bild so schnell in dir vergangen? 6. Und er versetzt: Vor diesem Glanz der Sonnen, Der wunderbar dein Angesicht verklärt, Ist mir die alte Kenntniß so zerronnen, Daß sie nur spät und langsam wiederkehrt. Und dreimal, trunken von der Freundschaft Wonnen, Streckt er den Arm nach dem, der ihm so werth; Und dreimal flieht des Bildes leicht Gedüfte Wie leerer Traum, wie rasch bewegte Lüfte. 7. Mit Lächeln spricht der Freund: Nicht mehr umgeben Bin ich, wie dir bedünkt, vom Erdenkleid; Du siehest hier Gestalt und Geist nur schweben, Zum Bürger dieser Himmelsstadt geweiht. Dies ist ein Tempel Gottes; hier ist, neben Den Streitern seiner Macht, dein Sitz bereit. Wann? fragt Bouillon. O würd' ich jetzt vom Leibe Der Erd' erlöst, wehrt dieser, daß ich bleibe! 8. Bald, spricht der Geist, wirst du den Lauf vollenden Und hier die Palm' im Siegesglanz empfahn; Doch mußt du noch viel Schweiß und Blut verwenden Im harten Kampf auf jener Erdenbahn. Entreißen mußt du erst des Heiden Händen Das heil'ge Land, zu lang' ihm unterthan, Und mußt dort einen Christenthron erbauen, Den Gott wird deinem Bruder anvertrauen. 9. Doch um die Himmelssehnsucht zu vermehren, Die dich erfüllt, schau' um dich her und sieh Die Wohnungen des Lichts, die Flammensphären, Gelenkt vom Geist der ew'gen Harmonie, Und höre dort der Himmelsleier hehren Zusammenklang mit Engelmelodie. Nun, sprach er dann, die Erd' ihm zeigend, falle Dein Blick hinab zu jenem letzten Balle. 10. Wie niedre Palmen, die dort unten sprossen, Um die der Mensch so mühsam sich befleißt! Von welchen öden Wüstenein umschlossen, Wie eng der Raum für euern stolzen Geist! Ein Eiland ist's, vom Wasser rings umflossen, Und dieses nun, das ihr ein Weltmeer heißt, Verdient so stolzen Namens Prunk nicht besser, Ist nur ein niedrer Sumpf, ein seicht Gewässer. 11. So spricht der Geist, und lächelnd, mit Verachten, Blickt Gottfried jetzt auf unsern Erdenraum. Was wir als Meer und Strom und Land betrachten, Scheint ihm ein kleiner Punkt, bemerkbar kaum. Es wundert ihn, wie blind die Menschen trachten Nach leerem Rauch, nach eitlem Schattentraum; Nach stummem Ruhm, dienstbarer Herrschaft spähend, Den Himmel, der uns ruft und lockt, nicht sehend. 12. Will, spricht er dann, es Gott noch nicht gefallen, Mich aus dem ird'schen Kerker zu befrein, So zeige mir den Pfad, der unter allen Am mindsten trügt in dieser Welt voll Schein. O, fahre fort, spricht Hugo, den zu wallen, Den du gewählt; der rechte Pfad ist dein. Nur, daß du mögst des strengen Banns entheben Den Sohn Bertholds, den Rath will ich dir geben. 13. Denn, wisse dies: ward im erhabnen Streite Der Feldherrnstab vom Himmel dir verliehn, So gab die Vorsicht Diesen dir zur Seite, Um deines Geists Entwürfe zu vollziehn. Dir ist der erste Platz bestimmt, der zweite Kommt Diesem zu; denn dich als Haupt, und ihn Als Arm des Heers gebührt es sich zu schätzen; Kein Andrer kann, du darfst ihn nicht ersetzen. 14. Nur ihm von Allen wird es nicht mißrathen, Den Wald zu fällen, trotz der Zauberhut. Von ihm wird deine Schaar (die solchen Thaten, An Zahl geschwächt, nicht mehr Genüge thut, So daß ihr fast der Rückzug scheint gerathen) Zu neuer That empfangen größern Muth, Und die verstärkten Mauern und die dichten Heerschaaren aus dem Morgenland vernichten. 15. O kehrte, spricht Bouillon, in dieser Stunde Rinald zurück, wohl wäre mir's Gewinn! Die ihr das Herz erforscht im tiefsten Grunde, Ihr wißt, ob ich ihn lieb' und wahrhaft bin! Doch welchen Vorschlag bring' ich ihm zur Kunde? Nach welcher Gegend send' ich Boten hin? Sprich, soll ich bitten, soll ich ihm befehlen? Wie gegen Anstand und Gesetz nicht fehlen? 16. Der ew'ge Fürst, eilt Jener zu erwiedern, Der solche Gunst dir wollte zugestehn, Will jetzt und jederzeit von allen Gliedern, Wovon du Haupt bist, dich geachtet sehn. Drum bitte du ihn nicht; denn ohn' Erniedern Der Oberherrschaft könnt' es nicht geschehn. Doch gieb der Bitte nach; beim ersten Streben Zu seiner Gunst sei willig zu vergeben. 17. Ersuchen wird dich Guelf, von Gott getrieben, Daß du dem raschen Jüngling mögst verzeihn Was er gefehlt in wilden Zornestrieben, Und Rückkehr ihm zum Heer, zum Ruhm verleihn. Zwar schwärmt er, fern von euch, in eitelm Lieben, Versenkt in Müßiggang und Träumerei'n; Doch zweifle nicht, daß er zurück zum Heere, Zu rechter Zeit, in wenig Tagen kehre. 18. Denn euer Peter, er, dem seine dichten Geheimnisse der Himmel aufgehellt, Wird deiner Boten Schritt zum Orte richten, Wo man von ihm gewisse Kund' erhält. Der Art und Weise wird man sie berichten, Wie er befreit wird und euch zugesellt. So führt dir Gott zu seinen heil'gen Fahnen All' die Gefährten heim von irren Bahnen. 19. Nun sollst du eine Botschaft noch erkunden, So dir, ich weiß, der Freude viel gewährt: Dein edles Blut, mit seinem einst verbunden, Zeugt ein Geschlecht, berühmt und hoch geehrt. Er schweigt, und ist wie leichter Rauch verschwunden, Wie Nebel, den der Sonne Strahl verzehrt, Und scheucht den Schlaf, und läßt in allen Sinnen Ihm ein Gemisch von Freud' und Staunen rinnen. 20. Der fromme Held erschließt die Augenlieder, Und siehet Tag und helles Sonnenlicht. Der Ruh' enteilt, belastet er die Glieder Schnell mit des Stahls mühseligem Gewicht, Und bald versammeln im Gezelt sich wieder Die Führer um ihn her, nach alter Pflicht. Hier hält man Rath, und was die Kampfgenossen An anderm Ort vollziehn, wird hier beschlossen. 21. Hier fing nun Guelf, der von Begeistrung glühte, Die ihn durchdrang mit edler Ungeduld, Zuerst zu reden an: O Fürst voll Güte, Sprach er zu Gottfried, höre mich mit Huld! Verzeihung einem schuldigen Gemüthe, Verzeihung gieb für zwar noch neue Schuld; Weßhalb vielleicht voreilig meine Bitte Erscheinen mag, und wider Recht und Sitte. 22. Doch denk' ich dann, daß man Bouillon, den Frommen, Anfleht, Rinald, dem Tapfern, zu verzeihn; Seh' ich auf mich, der bittend eingekommen, Ein Anwalt, glaub' ich, nicht gering und klein: So hoff' ich, leicht bewilligt zu bekommen, Was Allen wird die frohste Gabe sein. Erlaub' ihm Rückkehr, daß, zur Sühnungspende, Er hier sein Blut für Aller Wohl verwende. 23. Und welcher Held, als dieser, wird es wagen, Die Bäume, die uns schrecken, umzuhau'n? Wer wird die Brust dem Tod' entgegen tragen Mit größrer Kühnheit und mit minderm Grau'n? Die Mauer schütteln und das Thor zerschlagen, Dem Heer voran wirst du ihn stürmen schau'n. O laß, um Gott! dein Lager den empfangen, Der seine Hoffnung ist und sein Verlangen. 24. Gieb mir den Neffen, dir den Helden wieder, Der deinen Willen zu vollziehn sich weiht. Er sinke nicht zu feiger Ruhe nieder; Gieb ihm zurück des Ruhmes Herrlichkeit. Dann folg' er deinen Fahnen, treu und bieder, Umringt von Zeugen seiner Tapferkeit, Und schmücke sich mit seiner würd'gen Werken, Und müss' auf dich als Herrn und Lehrer merken! 25. So fleht der wackre Guelf, und alle Franken, Beifällig murmelnd, fahren fort zu flehn. Und Gottfried spricht, als lenk' er die Gedanken Auf eine Sach', ihm neu und unversehn: Wie könnte mein Gemüth im Zweifel schwanken Und Aller Wunsch nicht willig zugestehn? Die Strenge weich'; allseitiges Begehren Soll man als Recht und als Gesetz verehren. 26. Rinaldo kehre wieder; doch er zäume Mit Manneskraft die wilde Rachbegier; Durch Thaten mach' er wahr der Hoffnung Träume, Und sei, wie er's vermag, des Heeres Zier. Ich glaube nicht, daß er zu kommen säume; Doch ihn zu rufen, Guelf, gebühret dir. Den Boten wähl' und send' ihn deinem Neffen, Und sag' ihm, wo du glaubst, er werd' ihn treffen. 27. Nun aber spricht, von seinem Sitz erhoben, Der Dänenheld: Mich send' als Boten fort! Das edle Schwert, ihm ausersehn von oben, Ich bring' es ihm, auch an den fernsten Ort. – Schon oft gab Dieser seines Muthes Proben, Und Guelf vernimmt mit Freuden dieses Wort. Er willigt ein, und giebt zum Weggenossen Ihm den Ubald, der klug ist und entschlossen. 28. In seiner Jugend sah Ubald auf Reisen Der Sitten mancherlei und manches Land, Die Erd' umwandernd von des Poles Kreisen Bis zu der Aethiopen heißem Sand, Und lernte Sprachen, Sitten, Lebensweisen, Um Klugheit einzuhandeln und Verstand. Im reifern Alter ward er dann Gefährte Des edeln Guelf, der sehr ihn liebt' und ehrte. 29. Den Beiden ward das Ehrenamt zu Theile, Rinalden heimzurufen zu der Schaar, Und dahin lenkte Guelf der Boten Eile, Wo Bohemund des Landes Herrscher war; Denn daß der Held in Antiochien weile, Ging das Gerücht, und Jeder hielt's für wahr. Doch Peter, welcher sieht nach falschem Orte Den Lauf gerichtet, unterbricht die Worte, 30. Und sagt: O Ritter, folget ihr, betrogen Vom Ruf des Volks, dem allgemeinen Wahn, So folgt ihr einem Führer, keck, verlogen, Und habt, verirrt, umsonst den Weg gethan. Zum nahen Askalon, wo seine Wogen Ein Strom ins Meer ergießt, lenkt eure Bahn. Ein Freund von uns wird euch allda erscheinen; Ihm glaubt, denn seine Worte sind die meinen. 31. Viel sieht er selbst, und viel von eurer Reise, Die ich seit langer Zeit vorausgesehn, Theilt' ich ihm mit; ihr werdet ihn, wie weise Der Führer ist, auch so gefällig sehn. Er spricht's, und mehr verlangen von dem Greise Nicht Karl noch sein Begleiter zu erspähn; Vielmehr sind sie beeilt, dem nachzuleben, Was ihm der Geist der Gottheit eingegeben. 32. Sie nehmen Abschied, und so rasch von hinnen Treibt sie ihr Drang, daß, sonder Aufenthalt, Sie gleich den Weg gen Askalon beginnen, Wo sich am Ufer bricht des Meers Gewalt. Und ehe noch den angestrengten Sinnen Der Wogen dumpf Gebraus entgegen hallt, Kommt man an einen Fluß, deß rasche Wellen Von neuer Flut durch neuen Regen schwellen; 33. So daß sein Strom, vom Bett nicht mehr umfangen, An Schnelle ringt mit Pfeilen um den Preis. Indeß sie stehn und zweifeln und verlangen, Erscheinet ihrem Blick ein würd'ger Greis, Mit Buchenlaub bekränzt, in einem langen Gewand aus Linnen, rein und glänzend weiß. Er schwingt den Stab und geht auf flüss'gen Wegen, Mit trocknem Fuß, dem Stromeslauf entgegen. 34. Wie, wann der Strom, nicht fern dem Nordpolkreise, Im Winter hart und unbeweglich ruht, Die Bauerdirnen manchmal, schaarenweise, Hingleiten auf dem Rhein, mit sicherm Muth: So schreitet er auf dem bewegten Gleise Der nicht gefrornen und nicht harten Flut, Und naht den Beiden, die vom Landungsorte Ihm staunend zugesehn, mit diesem Worte: 35. Beschwerlich, Freunde, voll von Müh' und Schrecken Ist euer Pfad; wohl braucht ihr Führerhand. Der, den ihr sucht, ist fern von diesen Strecken, Entführt in feindlich unwirthbares Land. Wie viel, wie viel noch müsset ihr vollstrecken! Wie manches Meer durcheilen, manchen Strand! Ausdehnen muß sich eures Forschens Lenkung Noch über der bekannten Welt Umschränkung. 36. Doch folgt mir jetzt zum tief verborgnen Grunde, Den mir der Erde Schooß zur Wohnung bot; Von wicht'gen Dingen geb' ich dort euch Kunde, Und die zu wissen euch am meisten noth. Sprach's, und befahl dem Wasser, und zur Stunde Gehorcht es, weichend, seinem Machtgebot. Gleich Bergen hängt es rechts und links gebogen, Und in der Mitte theilen sich die Wogen. 37. Er führt die Beiden in die tiefsten Schlüfte, Die sonst des Stroms Gewässer überwallt. Ein schwaches Licht durchdämmert diese Grüfte, Wie der nicht volle Mond den dichten Wald. Doch sehn sie weite, tiefe Wasserklüfte, Woraus der Erdenadern jed' entwallt, Die sprudeln mag im Born, im Flusse gleiten, Im Teich sich stauen, sich im See verbreiten. 38. Hier sehen sie des Po geheime Quelle, Des Euphrat, Ganges und Hydaspes Born, Des Tanais, des Ister dunkle Zelle; Und selbst der Nil zeigt sein verstecktes Horn. Ein tiefrer Strom vermischt in seiner Welle Quecksilber mit gediegnem Schwefelkorn; Die Sonne läutert dann durch ihre Gluten Und kocht zu Silber oder Gold die Fluten. 39. Und rings umher an seinem reichen Strande Blühn edle Stein' in bunter Farbenpracht, Hell strahlend durch die unterird'schen Lande, Wie Fackelglanz in grauenvoller Nacht. Der himmlische Sapphir in blauem Brande, Der Hyacinth, der fröhliche Smaragd, Der feste Diamant und der Karfunkel Verscheuchen hier, wetteifernd, jedes Dunkel. 40. Die Krieger wandeln wie betäubt, und dorten, Wo Alles ihnen neu und seltsam ist, Gelangt ihr Geist vor Wundern nicht zu Worten. Doch endlich fragt Ubald, nach langer Frist: Sprich, Vater, wo wir sind, zu welchen Orten Du uns geleitest, wer du selber bist. Ist dieses Wahrheit? ist es Traum und Schatten? Betäubung will kein Urtheil mir gestatten. 41. Ihr seid im Erdenschooß, der alle Dinge In sich erzeugt, giebt Jener ihm Bericht, Und ihr allein, wenn ich nicht mit euch ginge, Durchdrängt sein festes Eingeweide nicht. Mein Felsenschloß, wohin ich jetzt euch bringe, Erstrahlt euch bald in wundervollem Licht. Ich ward als Heid' erzeugt; doch Gottes Gnade Gebar von neuem mich im heil'gen Bade. 42. Nicht durch die Kraft der bösen Engelschaaren Verricht' ich solche Wunder, als ihr schaut; Noch zwing' ich je – Gott möge mich bewahren! – Cocyt und Phlegethon durch Rauch und Laut. Den Spuren folgend, such' ich zu erfahren Was sich für Kraft verbirgt in Quell und Kraut, Und acht' auf der Natur geheimes Wirken, Der Sterne Lauf in himmlischen Bezirken. 43. Nicht immer ist in unterird'schen Grüften, Vom Himmel fern, mein stiller Aufenthalt; Oft wohn' ich auch in freien Bergeslüften, Bald auf dem Libanon, dem Carmel bald. Dort zeigt sich mir, enthüllt von Erdendüften, Des Mars, der Venus wechselnde Gestalt, Und jedes Sterns rasch oder langsam Rollen, Und seines Blicks Huldlächeln oder Grollen. 44. Und unter mir, bald einzeln, bald in Heeren, Seh' ich die Wolken, schwarz und irisbunt, Wie sie den Regen und den Thau gebären; Mir wird des Windes schräge Richtung kund, Und wie der Blitz entglüht in Wolkensphären Und schlängelnd zuckt herab zum Erdengrund. So den Kometen nah, den Lichtern allen, Empfand ich ehmals an mir selbst Gefallen. 45. In meines Wahns zufriednem Selbstgenusse Betrachtet' ich mein Wissen, stolz und dreist, Als Maaßstab von unfehlbar sicherm Schlusse Für alles, was dem Schöpfer möglich heißt. Doch als eu'r Peter mir am heil'gen Flusse Das Haupt besprengt' und wusch den trüben Geist: Da hob er meinen Blick und zeigt' ihm klüglich, Wie schwach er sei an sich und wie betrüglich. 46. Ich sah, was Sonnenglanz dem Nachtgefieder, Sei unserm Geist der ew'gen Wahrheit Macht, Und blickte lächelnd auf mich selbst hernieder, Auf jenen Tand, der mich so stolz gemacht. Indeß, wie Er geboten, nehm' ich wieder Die vor'ge Kunst und Lebensweis' in Acht; Doch bin ich wohl ein andrer Mensch zum Theile, Da ich nur Ihm gehorch', in Ihm verweile, 47. Und ruh' in Ihm. Er giebt Gebot und Lehre, Als Herr und Meister unsrer Wissenschaft; Auch läßt er manchesmal, zu seiner Ehre, Uns Thaten thun, nicht unwerth seiner Kraft. Jetzt sorg' ich, daß zurück zum Frankenheere Der starke Held gelang' aus ferner Haft; Denn Er befiehlt's. Ich harrt' auf euer Kommen Seit Langem schon, da ich's von Ihm vernommen. 48. So redend, führt der fromme Greis die Beiden Zu seiner Wohnung, seinem Ruhsitz fort. Felshöhlen gleicht das Aeußre, doch durchschneiden Viel Säl' und Zimmer den geraumen Ort. Was nur die Erd' in ihren Eingeweiden Kostbares, Reiches nährt, ist alles dort Im höchsten Glanz, und was zum Schmuck erkoren, Ist nicht durch Kunst gemacht, vielmehr geboren. 49. Rasch und gewandt die Gäste zu bedienen, Erschien sogleich der Hausgenossen Schaar. Auf einem Tisch von Silber bot man ihnen Gefäße von Krystall und Golde dar. Doch als die Ritter nun gesättigt schienen An Speis' und auch ihr Durst befriedigt war, Da sprach der Greis: Zeit ist's, daß ich enthülle, Was eurer Wünsche sehnlichsten erfülle. 50. Dann fing er an: Armidens Werk' und Listen Sind euch gewiß, zum Theil, bekannt genug; Wie sie ins Lager kam, wie sie den Christen Der Ritter viel' entriß durch schlimmen Trug. Auch wisset ihr, daß sie die schwer Vermißten, Treulose Wirthin, dann in Fesseln schlug Und ließ sie, wohl bewacht, nach Gaza bringen, Und daß sie Freiheit unterwegs empfingen. 51. Nun meld' ich euch den Fortgang und das Ende; Wahr ist die Kund' und euch noch unbekannt. Als sie vernahm, wer ihr die Beut' entwende, Auf deren Raub sie so viel Kunst gewandt, Da biß sie sich vor Schmerz in beide Hände Und sprach zu sich, von wildem Zorn entbrannt: Ha, nimmer soll er an dem Ruhm sich laben, So viel Gefangne mir geraubt zu haben! 52. Befreit' er Andre, werd' er selbst gefangen, Und dulde die für sie bestimmte Pein! Doch dies genügt mir nicht; ich will's erlangen, Ihr ganzes Heer dem Untergang zu weihn. Nun spinnt sie aus ihr böslich Unterfangen, Wovon ich jetzt euch Kunde will verleihn. Sie sucht den Ort, vom Blut der Schaar geröthet, Die jüngst Rinald besiegt, zum Theil getödtet. 53. Hier fand sie seine Wehr, zerhau'n von Streichen, Denn Heidenwaffen hatt' er sich gewählt, Vermuthlich, weil ein unbekanntes Zeichen Auf seinem Pfad gewisser ihn verhehlt. In diese hüllt sie eine jener Leichen, Doch der des Hauptes sichres Merkmal fehlt, Und legt sie an den Fluß, wo, wie sie wußte, Bald eine Frankenschaar sich zeigen mußte. 54. Leicht war's ihr möglich, dies voraus zu wissen; Denn tausend Boten sandte sie umher, Das Christenlager auszuspähn beflissen, Und Jedes Abzug, Jedes Wiederkehr. Oft auch beruft sie aus den Finsternissen, Zu ihrem Unterricht, der Geister Heer. Drum wußte sie den Leichnam so zu legen, Wie's dienlich war des bösen Truges wegen. 55. Sie stellt sodann den Schlau'sten ihrer Leute, Als Hirt vermummt, nicht fern von diesem Ort; Und was er thu' und wie den Vorfall deute, Giebt sie ihm an, und er befolgt ihr Wort. Er sprach mit eurer Kriegerschaar und streute Des Argwohns Saamen, der, genährt sofort, Ausfruchtet' Haß und Zwist und Zorneskrämpfe, Ja, endlich Aufruhr fast und Bürgerkämpfe. 56. Denn Viele glaubten, daß durch Gottfrieds Tücke – So wollte sie's – Rinald sein Ende fand, Obwohl der Wahn, dem Christenheer zum Glücke, Beim frühsten Strahl der Wahrheit schnell verschwand. So macht' ich euch die ersten Probestücke Der List Armidens bis hieher bekannt; Vernehmet nun, wie sie mit wildem Streben Rinalden folgt', und was sich drauf begeben. 57. Schnell geht sie, auf den Anstand sich zu stellen, Als schlaue Jägerin. Bald kommt er an, Wo der Oront sich theilt, und seine Wellen, Zwei Armen gleich, ein Inselchen umfahn. Und eine Säule sieht er an den Schwellen Des Ufers stehn; nicht ferne liegt ein Kahn. Er schaut am weißen Marmor mit Vergnügen Die schöne Kunst und liest in goldnen Zügen: 58. Wer du auch bist, den auf der Wanderreise Will' oder Zufall an dies Ufer trägt: Die Sonn' erschaut rings auf dem Erdenkreise Nicht größre Wunder, als dies Eiland hegt. Willst du sie sehn, so komm! Unkluger Weise Wird gleich Rinald zur Ueberfahrt bewegt, Und weil der Kahn, die Knappen auch zu fassen, Nicht Raum besitzt, muß er sie hier verlassen. 59. Kaum angelangt, durchspäht er alle Räume Mit irrem Blick, und sieht an jedem Ort Nur Grotten, Bäche, Blumen, Gras und Bäume; Drum wähnt er fast, ihn höhne jenes Wort. Doch lockt des Plätzchens Anmuth, daß er säume, So lieblich ist's; er weilt und setzt sich dort, Und nimmt den Helm herab, um vom gelinden Anhauch der Luft Erquickung zu empfinden. 60. Er hört indeß ein neu Gebraus erschallen Im nahen Fluß; rasch dreht er sein Gesicht Und sieht im Strombett eine Woge schwallen, Die wirbelnd stets sich in sich selber bricht. Dann sieht er ihr ein blondes Haar entwallen, Dann kommt ein holder Mädchenkopf ans Licht, Dann Hals und Busen und der andern Glieder Holdsel'ge Form, bis zu den Hüften nieder. 61. So ist's, wann der Versenkung nächt'ger Scene Leis' eine Göttin, eine Nymph' entschwebt. Dies Mädchen, zwar nicht wirkliche Sirene, Nur Zauberblendwerk, das den Sinn umwebt, Erscheint dem Auge völlig so wie jene, Die einst Tyrrheniens trugvoll Meer belebt. Bezaubern muß ihr Blick, ihr Ton berauschen; Die Schöne singt, und Luft und Himmel lauschen: 62. O holde Jugend, wann im Lebenskreise Der frische Mai dich noch mit Blumen schmückt, Dann jage nicht nach eitlem Ruhm und Preise, Der dein Gemüth mit falschem Glanz berückt! Wer dem Vergnügen folgt, nur der ist weise, Der, wie sie reift, die Frucht der Jahre pflückt. So rufet die Natur, und deine Seele Verstockest du dem gütigen Befehle? 63. Was werft ihr, Thörichte! die süßen Gaben Des Lenzes hin, der bald sich euch entreißt? Nur Namen, Götzen, die kein Wesen haben, Sind, was die Welt Verdienst und Tugend heißt. Der Ruhm, o Stolze! der mit Wonnelaben Eu'r Ohr bethört, so schön dem Auge gleißt, Ist Echo, Traum, ja, Schatten nur vom Traume, Den jede Luft hinwegnimmt, gleich dem Schaume. 64. Genieße keck der Leib, und froher Weile Befriedige der Geist den schwachen Sinn, Vergess' entflohne Schmerzen, und beeile Nicht durch des Leids Erwartung den Beginn. Was kümmern ihn des Himmels Donnerkeile? Mag er nur drohn und blitzen immerhin! Das ist Verstand, das ist ein glücklich Leben; So lehrt Natur, so hat sie's angegeben. 65. So singt die Freche dem Rinald entgegen, Und ihre Töne sind so mild und leicht, Daß sie des Schlummers süße Lust erregen, Die, unbezwinglich, langsam ihn beschleicht. Kein Donner weckt' ihn mehr mit lauten Schlägen Aus diesem Zustand, der dem Tode gleicht: Da stürzt die Zaubrin von dem Ort der Wache Hervor auf ihren Feind, voll heißer Rache. 66. Doch als sie hinblickt nach dem holden Bilde, Sieht seines Hauchs friedselig leises Wehn, Sieht um sein Aug' ein Lächeln voller Milde – Und schlüg' er's auf, was würde dann geschehn? – Da hält sie schwankend ein, setzt aufs Gefilde Sich zu ihm hin und fühlt den Zorn vergehn, Und beugt sich über sein Gesicht und schmachtet, Und scheint Narciß, der sich im Quell betrachtet. 67. Und in ein Tüchlein sammelt sie mit scheuer, Gelinder Hand von seiner Stirn den Schweiß, Und kühlet ihn, schon jetzt ihr werth und theuer, Durch sanftes Fächeln, mit besorgtem Fleiß. So schmelzt – wer glaubt' es wohl? – ein schlummernd Feuer Geschlossner Augen ihres Herzens Eis, Das, demanthart, umzog die sanftern Triebe, Und ihre Feindschaft löst sich auf in Liebe. 68. Schön blühende Ligustern, Lilien, Rosen, Die sie dem lieblichen Gestad' entrafft, Verflicht sie nun mit neuer Kunst zu losen, Doch zähen Banden von gewalt'ger Kraft. Hals, Arm' und Füße des Vertheid'gungslosen Umwindet sie und hält ihn so in Haft, Läßt ihn, im Schlaf, auf ihren Wagen bringen Und eilt, mit ihm sich in die Luft zu schwingen. 69. Sie nimmt den Weg nicht nach Damaskus Lande, Noch zu der Burg, die im Gewässer liegt; Voll Eifersucht ob diesem theuern Pfande, Voll Schaam, daß so die Liebe sie besiegt, Flieht sie zum Meer, wohin von unserm Strande Nie oder selten sich ein Schiff verfliegt. Dort wählt sie, fern von jedem unsrer Porte, Ein Eiland sich zum stillen Wohnungsorte; 70. Ein Eiland, dem, nebst andern jener Strecke, Die Glückesgöttin ihren Namen leiht. Hier wählt sie einen Berg nach ihrem Zwecke, Wüst, unbewohnt, gehüllt in Dunkelheit, Und giebt, durch Zauber, rings ihm eine Decke Von tiefem Schnee, das Haupt nur bleibt befreit Und grün und lieblich; und zum Sitz der Freude Schafft sie an einem See ein Prachtgebäude, 71. Wo ihrem Freund, in weichem Liebeschmachten, Bei ew'gem Mai die Wonnetag' entfliehn. In so verborgner Ferne müßt ihr trachten Der schnöden Haft den Jüngling zu entziehn, Und siegen ob der Eifersücht'gen Wachten, Die Berg und Schloß vertheidigend umziehn. Auch fehlt nicht, wer euch leit' an jene Küste Und euch zum großen Werk mit Waffen rüste. 72. Ein Weib, von Ansehn jung und alt von Jahren, Wird euch erscheinen an des Flusses Rand. An langen, um die Stirn geflochtnen Haaren Erkennt ihr sie, am schillernden Gewand. Sie wird mit euch das hohe Meer durchfahren Weit schneller, als der Aar den Fittig spannt, Der Blitz entfliegt; und auch beim Wiederkehren Wird sie Geleit nicht minder treu gewähren. 73. Am Fuß des Zauberbergs wird euch der neuen Pythonen zischendes Gewürm empfahn; Mit offnem Schlund drohn Bären euch und Leuen, Der Eber sträubt den borst'gen Rücken an. Doch, bald erschreckt durch meiner Gerte Dräuen, Wird, wo sie rauscht, kein Ungethüm sich nahn. Dann aber wird – ich will es nicht verschweigen – Mehr der Gefahr sich auf dem Gipfel zeigen. 74. Dort fließt so klar und lieblich eine Quelle, Daß, wer sie sieht, begehrt von ihrer Flut; Allein sie birgt in der krystallnen Helle Ein heimlich Gift, das böse Wirkung thut. Ein kleiner Zug aus ihrer kühlen Welle Berauscht den Geist und macht ihn frohgemuth: Dann fühlt der Mensch zum Lachen sich getrieben, Das immer anwächst, bis er todt geblieben. 75. Deßhalb muß eure Lippe mit Verachten Die tödtlich trügerische Flut verschmähn; Auch dürft ihr nicht nach jenen Speisen trachten, Die lockend dort am grünen Ufer stehn, Noch nach den Mädchen, die mit holdem Schmachten Und süßen Tönen euch zu fangen spähn. Verhöhnet ihre Blick' und Schmeichelworte, Und tretet ein in die erhabne Pforte. 76. Im Innern sind vielfach verschlungne Gleise, Ummauert, ein verworrnes Labyrinth; Allein ein Riß belehrt euch, welcher Weise Ihr ohne Fehl den Ausgang dort gewinnt. Ein Garten liegt inmitten dieser Kreise, Wo Liebeshauch von jedem Zweige rinnt. Dort werdet ihr, im Schooß der grünen Auen, Die Zauberin und ihren Ritter schauen. 77. Hat sie hernach aus jenem Lustgefilde, Fern vom Geliebten, ihren Schritt gewandt: Dann nahet ihm, bewaffnet mit dem Schilde, Den ich euch geb', aus hellem Diamant; Daß er sich selber schau' im Spiegelbilde, Gehüllt in weich unmännliches Gewand. Voll Schaam und Zorn wird er sich dann ermannen Und schnöde Lieb' aus seiner Brust verbannen. 78. Nichts bleibt mir übrig jetzt, euch mitzutheilen, Als daß ihr wandeln sollt auf sichrer Bahn, Und könnt den innersten, geheimsten Theilen Des vielverflochtnen Wunderbau's euch nahn; Denn euern Lauf verhindern, noch verweilen, Kann keine Macht der Zauberei fortan. Armida selber hat von euerm Kommen, Da solche Kraft euch leitet, nichts vernommen. 79. Gleich sicher auch sollt ihr von dannen scheiden, Und eurer Heimkehr droht kein Ungemach. Doch nun ist Zeit, am Schlummer euch zu weiden; Denn morgen mit dem Tageslicht seid wach. So spricht der Greis und führt die wackern Beiden Zur Ruh' in ihr bestimmtes Schlafgemach. Dort läßt er sie in sinnendem Vergnügen, Um auch sich selbst zur Ruhe zu verfügen. Funfzehnter Gesang Funfzehnter Gesang. 1. Schon ruft zu dem gewohnten Lebenskreise Der Morgenstrahl, was sich auf Erden regt, Als zu den Kriegern der bejahrte Weise Das Blatt, den Schild, die goldne Gerte trägt. Auf, spricht er, gürtet euch zur großen Reise, Eh weiter sich des Tages Lauf bewegt. Hier ist, was ich versprach; mit diesen Dingen Könnt ihr Armida's Zauberei'n bezwingen. 2. Sie waren auf und ihre kräft'gen Glieder Schon mit der Waffen edler Zier geschmückt. Schnell folgen sie dem Greis zu Pfaden nieder, Die nie des Tages froher Strahl beglückt, Und treten in dieselben Spuren wieder, Die sie vorhin beim Kommen eingedrückt. Doch an den Fluß gelangt, spricht der Begleiter: Hier, Freunde, lass' ich euch; zieht glücklich weiter! 3. Des Flusses Schooß empfing sie, und gewogen Trieb nun und trug das Wasser sie hinan, So wie's ein leichtes Laub, hinabgezogen Vom Wirbelstrom, der Fläche pflegt zu nahn. Zum weichen Ufer führten sie die Wogen, Wo sie die schon versprochne Führung sahn: Ein kleines Schiff, an dessen Steuerseite Die Schicksalsbotin saß, die sie geleite. 4. Umlockt ist ihre Stirn, und milde Spuren Holdsel'ger Ruh zeigt ihrer Augen Paar. Im Antlitz gleicht sie himmlischen Naturen, So glänzend ist sein Licht, so flammenklar, Und ihr Gewand, bald purpurn, bald azuren Dem Ansehn nach, färbt sich so wandelbar, Als ob es stets von sich verschieden wäre, Wie oft der Blick zum Schauen wiederkehre. 5. So scheint der Flaum, der zart sich um den weichen, Anmuth'gen Hals verliebter Tauben flicht, In keinem Augenblick sich selbst zu gleichen, Und wechselt selbst die Farb' im Sonnenlicht. Jetzt als Rubinenhalsband, jetzt im reichen Smaragdenglanze täuscht er das Gesicht; Jetzt mischt er beid', und, neu und reizend immer, Erfreut den Blick sein hundertfält'ger Schimmer. 6. Kommt, ihr Beglückten, spricht sie, in den Nachen, Der sicher stets mich auf dem Meere barg. Ihn fördert jeder Wind; des Sturmes Krachen Ist ruhig ihm, und keine Last zu arg. Um euch zu führen, um für euch zu wachen, Schickt mich mein Herr, mit seiner Gunst nicht karg. So redet sie und nähert mit dem Rande Der ausgehöhlten Fichte sich dem Strande. 7. Sobald das edle Paar den Kahn bestiegen, Stößt sie vom Land' und löst die Segel auf, Und läßt ihn rasch den Strom hinunter fliegen; Doch lenkt sie mit dem Steuer seinen Lauf. Leicht kann der Fluß anjetzt die Barke wiegen, Denn seine Flut schwillt ans Gestad' hinauf; Allein der Kahn ist so geringe Bürde, Daß auch ein seichter Bach ihn tragen würde. 8. Schon treibt der Wind mit wunderbarer Schnelle Die Segel weiter längs dem Strandgefild. Ein grauer Schaum bedeckt des Stromes Welle, Und die durchschnittne Flut erbraust und schwillt. Sieh! jetzt erreichen sie im Fluß die Stelle, Wo sich sein Sturz in größerm Bette stillt, Und, mit des Meers gewalt'ger Flut vereinet, Entweder nichts wird, oder nicht erscheinet. 9. Kaum ist das Wunderschiff hinab geflogen Zum Saum des Meers, durchbraust von Sturmeswut: Als alle Wolken fliehn vom Himmelsbogen, Der regenschwangre Süd besänftigt ruht. Ein Lüftchen ebnet sanft den Berg der Wogen Und kräuselt kaum die schöne blaue Flut. Der Himmel lacht aus unbewölkten Auen So mild und hell, wie wir ihn selten schauen. 10. Sie kamen Askalon vorbei; zur Linken Drang nun das Schifflein gegen Abend vor, Und sah gar bald die Zinnen Gaza's blinken, Das nur der Haven Gaza's war zuvor: Dann aber wuchs es, durch des andern Sinken, Zu einer großen, mächt'gen Stadt empor. Jetzt war die Gegend an des Meers Gestaden Fast so mit Menschen wie mit Sand beladen. 11. Als sie die Blicke nach dem Ufer wandten, Sahn sie unzähl'ge Zelte weit umher, Und bald das Fußvolk, bald die Reiter rannten Vom Meer zur Stadt, und von der Stadt zum Meer. Von Lastkamelen und von Elephanten Ward keiner Zeit die sand'ge Straße leer; Und wie des Havens hohlem Grund' entstiegen, Sahn sie die Schiffe dort vor Anker liegen. 12. Und andre ziehn mit Segeln, andre fahren Mit flücht'gen Rudern durch den feuchten Raum, Und vor dem Kiel und vor den Ruderpaaren Sprützt da und dort empor der weiße Schaum. Die Jungfrau spricht: Genügen gleich den Schaaren Des Heidenvolks Meer und Gestade kaum, Doch ward allhier die Vollzahl seiner Mannen Noch nicht vereint vom mächtigen Tyrannen. 13. Nur aus Aegypten und den nahen Gauen Sind, die ihr schaut; der Fernen harrt er dort; Denn zu des Morgens, zu des Mittags Auen Setzt sich die Gränze seines Reiches fort. Wir kehren wieder, hoff' ich mit Vertrauen, Eh' er die Zelte rückt von ihrem Ort, Er, oder Jener, den er ausersehen, An seiner Statt dem Heere vorzustehen. 14. Die Jungfrau spricht's, und wie mit sichern Schwingen Der Adler streift durch andrer Vögel Zug, Um bis so nah zur Sonn' empor zu dringen, Daß auch kein Blick mehr nacheilt seinem Flug: So fliegend scheint ihr Kahn sich durchzuschlingen Durch Schiff und Schiff, keck, und gewiß genug, Daß keins ihm folg' und ihm den Weg bestreite, Und rasch entfernt er sich und schifft ins Weite. 15. Sogleich nun läßt sich Raffia entdecken, Der Syrer erste Stadt, die der gewahrt, Der aus Aegypten kommt; den öden Strecken Von Rhinocera naht sich dann die Fahrt. Hier sehn sie einen Berg das Ufer decken, Der sein erhabnes Haupt mit Wolken paart Und badet seinen Fuß in reger Welle; Er birgt im Schooß Pompejus Ruhestelle. 16. Dann zeigt sich Damiate nebst den Orten, Allwo der Nil die reine Himmelsflut Dem Meer aus den berühmten sieben Pforten Und hundert kleinern sendet zum Tribut. Bald sehen sie die Stadt der Griechen dorten, Womit der Griechenheld den Strand belud, Den Pharus dann, sonst Insel und vom Lande Entfernt genug, doch jetzt vereint dem Strande. 17. Nicht Rhodus noch auch Kreta sind zu schauen; Der Nachen schifft an Afrika hinab, Am Meere fruchtbar, in den innern Gauen Voll Ungeheu'r, ein wüstes, weites Grab. Er streift Marmarica, er streift die Auen, Wo mit fünf Städten sich Cyren' umgab. Dann sah man Ptolemais, und erspähte Die stille Flut der fabelhaften Lethe. 18. Jetzt eilt das Schiff ins höh're Meer hinüber, Weil nah' am Land die große Syrte schreckt. Das Vorgebirg Judeca fliegt vorüber, Dann wird die Fahrt durch Magra's Schlund vollstreckt. Jetzt zeigt sich Tripolis, und gegenüber Liegt Malta, tief, von Meeresflut versteckt. Dann, nebst den andern Syrten, weicht Alzerbe, Der alten Lotophagen Sitz und Erbe. 19. Drauf sehn sie Tunis am gekrümmten Strande, Und rechts und links tritt ein Gebirg hervor; Die reiche Tunis, die im Libyerlande Nicht Einem Orte weicht an Macht und Flor. Ihr gegenüber, an Siciliens Rande, Hebt Lilybäum kühn die Stirn empor. Den Kriegern zeigt die Jungfrau hier vom Weiten Die Stelle, wo Carthago stand vor Zeiten. 20. Carthago liegt, die hohe; kaum die Scherben Der mächt'gen Trümmer decken noch den Strand. So müssen Städte, Reiche so verderben, Und ihren Pomp verhüllet Gras und Sand. Wie? und der Mensch erzürnet sich, zu sterben? O unser Herz, von Gier und Stolz entbrannt! – Indem sie nun sich gen Biserta biegen, Bleibt rechts, entfernt, der Sarden Insel liegen. 21. Sie sahn das Land, das der Numider Schaaren Als Hirten einst durchschweift mit freiem Sinn; Bugīa und Algier, wo die Corsaren Ihr Nest erbaut, und Oran weiterhin. Auch Tingitana läßt sich nun gewahren, Der Leu'n und Elephanten Nährerin; Man nennt dies Land Fetz und Marocco heute. Granada bleibt rechtwärts der Schiffersleute. 22. Schon haben sie die enge Bahn gefunden, Die, fabelt man, Alcid dem Meer verliehn; Vielleicht war wirklich einst dies Land verbunden, Und barst entzwei durch Erdstoß und Ruin. Da drang das Weltmeer durch die offnen Wunden, Da mußten Calp' und Abyla sich fliehn, Und Spanien trennte sich von Libyens Ländern. So viel vermag die graue Zeit zu ändern! 23. Die Sonne war schon viermal aufgegangen, Seit sich das Schiff dem Ufer abgethan; Doch ließ es sich von keinem Port umfangen, Denn unnoth war's, trotz seiner langen Bahn. Nun schifft es durch die Eng', und ohne Bangen Vertraut es sich dem großen Ocean. Groß ist das Meer, wo Land es rings umschließet: Was muß es sein, wo es die Erd' umfließet? 24. Schon sehn sie nicht, umragt von hohen Wogen, Das reiche Cadix, noch die Felsen mehr. Das Land, die Ufer sind dem Blick entzogen; Das Meer begränzt die Luft, die Luft das Meer. Da spricht Ubald: O Jungfrau, die gewogen Uns führt' in diese See, der Schranken leer, Sprich, drang kein Andrer je in diese Weite? Giebt's Menschen auch auf dieser Erdenseite? 25. Sie spricht: Nachdem Alcid in Libyens Sande, In Spaniens Au'n die Ungeheu'r gefällt, Durchwandert und besiegt all' eure Lande, Vertraute nicht dem Weltmeer sich der Held. Er setzt' ein Ziel dem menschlichen Verstande Und schloß den Muth in ein zu enges Feld. Doch diese Schranken gnügten nicht Ulyssen, Der lüstern war, zu sehen und zu wissen. 26. Er überschritt der Säulen Ziel und strebte Ins offne Meer mit kühnem Ruderschwang; Doch half ihm nicht, was er zur See erlebte, Weil ihn die Gier des Oceans verschlang. Euch blieb's verhehlt; denn Dunkelheit umwebte, Wie seinen Leib, des Helden Untergang. Wer sonst, vom Sturm gejagt, hieher geschwommen, Ist nicht zurück- wenn auch nicht umgekommen. 27. Verborgen blieb das Meer, das wir durchstreichen, Mit seiner Länder, seiner Inseln Zahl. Doch fehlt es nicht an Menschen diesen Reichen, Vielmehr höchst fruchtbar sind sie allzumal, An Zeugungskraft den euern zu vergleichen; Denn allbefruchtend wirkt der Sonne Strahl. Und welcher Art – verlangt Ubald Belehrung – Sind dieser Welt Gesetz' und Gottverehrung? 28. Man ist, versetzt sie, in verschiednen Kreisen Verschiedner Sitte, Sprach' und Tracht gewohnt. Denn Die verehren Thiere, Jene preisen Die Erd' als Gottheit, Andre Sonn' und Mond; Von Andern wird mit schauderhaften Speisen Beim wilden Mahl der Krieger Muth belohnt. Kurz, diesseits Calpe sind der Völker Schaaren Von Glauben ruchlos, von Gemüth Barbaren. 29. Und Gott, versetzt' Ubald, der einst dem Staube, Die Erde zu erleuchten, sich gesellt, Will er der Finsterniß zum ew'gen Raube Dies große Land, die Hälfte dieser Welt? Nein! sagte sie, einst naht ihm Peters Glaube, Dann wird durch jede Kunst dies Land erhellt; Auch bleibt nicht immer durch des Weges Länge Eu'r Volk getrennt von dieser Völker Menge. 30. Es kommt der Tag, da werden Herculs Zeichen Kunstfert'gen Schiffern ein verhöhnter Tand; Von unbenannten Meeren, dunkeln Reichen, Dringt dann der Ruhm auch bis in euer Land. Der Schiffe kühnstes wird das Meer durchstreichen, Umspannen, hellen, was die Wog' umspannt, Der Erde Machtbau messen und umfliegen, Wetteifern mit der Sonn' und sie besiegen. 31. Ein Mann von Genua wird sich ohne Grausen Zuerst vertraun der unbekannten Flut; Und nicht der Winde fürchterliches Brausen, Der fremde Himmel, der Gewässer Wut, Noch was für Schrecken auf dem Meere hausen, Ein Graunbild für des kühnsten Schiffers Muth: Nichts hält zurück in Calpe's engen Schranken Den kühnen Geist, den Helden sonder Wanken. 32. Du wirst, Columb! zu neuem Pole dringen Mit günst'gem Segel, auf so fernem Zug, Daß kaum mit tausend Augen, tausend Schwingen Der Ruf vermag zu folgen deinem Flug. Er mag den Bacchus, den Alcid besingen; Von dir ist schon ein leiser Wink genug. Dies Wen'ge giebt dem Enkel zu Geschichten Den würd'gen Stoff, zu göttlichen Gedichten. 33. So sprach das Weib und fuhr auf ebnen Wogen Dem Abend zu, und gegen Mittag dann; Vor ihnen sank die Sonn' am Himmelsbogen, Im Rücken stieg der junge Tag heran. Als nun Aurora kam herauf gezogen Und Thau und Strahlen zu verstreu'n begann, Ließ sich von fern ein dunkler Berg erschauen, Deß hohe Stirn die Wolken dicht umgrauen. 34. Er scheint hernach, da sie ihn fast erreichen Und keine Wolke mehr sein Haupt versteckt, Den spitzen Pyramiden zu vergleichen, Nach oben schmal, nach unten weit gestreckt; Auch sehn sie manchesmal ihm Rauch entweichen, Wie dem, der den Enceladus bedeckt, Der, eigner Art, bei Tage pflegt zu rauchen Und dann bei Nachtzeit Flammen zu verhauchen. 35. Manch andres Eiland ließ sich nun gewahren Und minder steile Höh'n an manchem Strand, Und dies sind der beglückten Inseln Schaaren, Die schon die graue Vorzeit so genannt, Weil, hieß es, sie so lieb dem Himmel waren, Daß dort von selbst das unbebaute Land Die Frucht gebär', und daß die wilde Rebe Dort ungepflegt die süßern Trauben gebe. 36. Dort, sprach man, täuscht kein Oelbaum das Vertrauen, Und Honig beut der Eichen Höhlung dar, Und von den Höh'n, sanft murmelnd durch die Auen, Ergießen sich die Bäche süß und klar. Die Weste wehn, die Morgenwolken thauen, Und Sommerhitze wird man kaum gewahr. Dort wähnte man Elysiums Gefilde, Der Sel'gen Aufenthalt in ew'ger Milde. 37. Da steu'rt die Jungfrau hin: Dem Ziel entgegen, Beginnt sie jetzt, eilt unser Meereszug. Des Glückes Inseln seht ihr dort gelegen, Auch euch, zwar nicht genau, bekannt genug. Wohl sind sie lieblich, hold und reich an Segen, Doch mischt sich in die Wahrheit mancher Trug. So redet sie, und in der Nähe sehen Läßt sich bereits die erste von den zehen. 38. Wofern, o Weib! beginnet Karl die Bitte, Mit unserm hohen Werk es sich verträgt, So öffne du dies Eiland meinem Schritte, Und laß mich schauen, was sein Innres hegt, Die Völker schau'n und ihre Glaubenssitte, Und alles, was des Klugen Neid erregt, Wann ich mit Lust von so entlegnen Orten Erzählen werd', und sagen: Ich war dorten! 39. Wohl, spricht die Jungfrau, ist dies Unterfangen Ganz deiner werth; doch was vermag ich jetzt, Wenn deinem schönen, würdigen Verlangen Des Himmels ernster Schluß sich widersetzt? Denn noch nicht ganz ist jene Zeit vergangen, Die Gott bis zur Entdeckung festgesetzt; Auch dürft ihr nicht von diesen Meeresweiten Die wahre Kund' in eurer Welt verbreiten. 40. Euch, über Kunst der Schiffer, soll's gelingen, Aus Gnade, zu durchschiffen diese Bahn Und in die Haft des Helden einzudringen, Um eurer Welt ihn wiederum zu nahn. Dies sei genug; nach höherm Ziel zu ringen, Wär' Ungehorsam und vermessner Wahn. Die Jungfrau schwieg; schon sahen sie sich neigen Der Inseln erste, schon die zweite steigen. 41. Sie alle, zeigt die Führerin, erstrecken In langer Reihe sich, gen Ost gewandt, Und durch sie hin fließt, in fast gleichen Strecken, Der Ocean, und trennet Strand von Strand. Auf sieben nur sind Spuren zu entdecken Von Menschenwohnung, Häuser, urbar Land. Doch drei sind wüst; dort haben wilde Thiere Gebirg und Wald zum sichersten Reviere. 42. Auf einer dieser zeigt sich, abgelegen, Ein stiller Platz am krummen Meeresbord, Deß lange Hörner eine Bucht umhegen, Geräumig g'nug; ein Felsen höhlt den Port, Kehrt ihm die Stirn, der hohen Flut hingegen Den Rücken zu, theilt sie und stößt sie fort. Zu beiden Seiten stehn zwei Felsenriffe Hoch aufgethürmt, ein Zeichen für die Schiffe. 43. Beruhigt schweigt das Meer am Felsensaume, Den Gipfel krönt ein dichtbelaubter Wald, Wo eine Grotte liegt im grünen Raume, Die Epheu schattet, süße Flut durchwallt. Kein Tau, kein Anker hält mit starkem Zaume Die müden Schiff' im sichern Aufenthalt. Nun lenkt die Jungfrau in der Felsenhallen Einsamen Port und läßt die Segel fallen. 44. Seht, spricht sie dann, wie auf der Bergessteile Der Prachtbau sich erhebt so riesenhaft! Dort ist es, wo in Freud' und müß'ger Weile, Bei Mahl und Scherz, des Glaubens Held erschlafft. Zu jenen Höhen lenkt des Schrittes Eile, Wann sich dem Meer die neue Sonn' entrafft. Gefall' euch der Verzug; denn nur am Morgen Könnt ihr gedeihlich eu'r Geschäfft besorgen. 45. Doch bei dem Licht, das noch der Tag verbreitet, Erreichet ihr bequem des Berges Rand. – Beurlaubt nun von der, die sie begleitet, Betreten sie den lang' ersehnten Strand, Und ziehn den Pfad, der sie zum Berge leitet, Mühlos dahin, ohn' allen Widerstand, Und bei der Ankunft sehn sie Phöbus Wagen Hoch überm Meere noch empor getragen. 46. Durch Klüfte, sehn sie, über Felsenbrocken Steigt man zum Gipfel, nur mit Müh' und Grau'n, Und bis dahin bedeckt mit Reif und Flocken Ist jeder Pfad; doch oben blühn die Au'n. Dem grauen Kinne nah, wehn grüne Locken Am Bergeshaupt, und Rosen, Lilien trau'n Dem Nachbar-Eis: so wundersame Werke Erzwingt von der Natur die Zauberstärke. 47. Der Krieger Paar verweilet an der Schwelle Des steilen Bergs, in dichter Schatten Hut, Und als nunmehr des Lichtes ew'ge Quelle Die Himmels-Au'n durchströmt mit goldner Flut, Da rufen sie: Hinan! und auf der Stelle Beginnen sie den Pfad mit Kraft und Muth. Doch, plötzlich hergeschnellt, wehrt ihrem Gange Ein kriegend Thier, die fürchterlichste Schlange. 48. Den Kamm, das Haupt mit goldner Schuppendecke Steilt sie empor, den Hals bläht Zorneshauch; Ihr Leib verbirgt des ganzen Weges Strecke, Glut sprüht ihr Aug', ihr Rachen Gift und Rauch. Bald schrumpft sie ein, dehnt bald, nach ihrem Zwecke, Die Knotenring' und ziehet nach den Bauch. So hütet sie den Weg, treu ihrer Sitte, Doch hemmt sie nicht der Krieger muth'ge Schritte. 49. Karl zieht sein Schwert, um auf sie einzudringen: Was machst du? Was beginnst du? ruft Ubald; Mit diesen Waffen willst du sie bezwingen, Die Wächterschlange, mit des Arms Gewalt? Er läßt die goldne Wunderruth' erklingen, So daß ihr Ton das Ungeheu'r umhallt, Und es entflieht, von diesem Laut betroffen, Verkriecht sich schnell und läßt den Zugang offen. 50. Bald aber springt, den Bergpfad zu bewachen, Ein Leu hervor, der brüllt und drohend blickt. Er sträubt die Mähn' und öffnet weit den Rachen, Indem er gierig sich zum Angriff schickt, Und peitscht sich selbst, die Zornglut anzufachen; Doch hat er kaum die goldne Gert' erblickt, Und schnell durcheist ein heimlich Grau'n das Feuer Des alten Muths und jagt das Ungeheuer. 51. Das rasche Paar will keine Zeit verlieren; Doch sieh! es naht mit fürchterlichem Drohn Ein ganzes Heer von kriegerischen Thieren, Verschieden an Bewegung, Form und Ton. Was Ungeheures von des Nils Revieren Umschweift bis an des Atlas Region, Im Schooß Hercyniens, in Hyrcaniens Gauen, Ist hier vereint auf Einem Platz zu schauen. 52. Doch sie zu hemmen, sie hinab zu drücken, Vermogt' es nicht, dies Heer, wie stark es war; Ein kleines Zischen, ein geringes Zücken, Und – neues Wunder! – schnell entflieht die Schaar. Die Sieger nun erreichen bald den Rücken Des hohen Bergs, ohn' Anstoß und Gefahr; Die Steilheit nur, das Eis auf diesen Wegen Steht hie und da dem schnellen Schritt entgegen. 53. Doch als sie nun besiegt die Höh'n und Klüfte, Und aus dem Schnee und Eise sich befreit, Da finden sie die schönsten Sommerlüfte, Und auf dem Berg die Ebne, frei und weit. Hier hauchen kühle Wind' anmuth'ge Düfte, Beharrlich stets mit gleicher Sicherheit, Und nimmer wird, wie anderswo, ihr Wehen Geweckt, geschläfert durch der Sonne Drehen. 54. Man braucht sich nicht vor Hitz' und Frost zu hüten, Die heitre Luft übt keinen Unbestand; Des Winters Eis, des Sommerbrandes Wüten Hält hier des Himmels ew'ger Glanz verbannt, Und nährt der Wiesen Gras, des Grases Blüthen, Der Blüthen Duft, der Bäume Laubgewand. Vom Ufer eines See's beherrscht das hehre, Prachtvolle Schloß rings die Gebirg' und Meere. 55. Die Ritter nun, die sich ermüdet fühlen Vom rauhen Weg' und von des Klimmens Pein, Gehn auf dem Pfad der Blumenau'n, im Kühlen, Nur langsam fort und halten manchmal ein. Die Glut von ihren Lippen wegzuspülen Lockt eine Quelle sie, die klar und rein Vom Felsen rauscht, mit tausend Strahlen leuchtend Im Sonnenglanz und rings das Gras befeuchtend. 56. Dann sammelt sich in freundlichem Vereine Die rasche Flut, umhegt vom Wiesenbord, Und fließt im Schatten ewig grüner Haine, Mit leisem Murmeln, kühl und dunkel fort; Doch ihrer Wasser nie getrübte Reine Birgt keinen Reiz, auch nicht am tiefsten Ort, Und üppig schwillt das Gras zu beiden Seiten, Um weichen Sitz dem Wandrer zu bereiten. 57. Sieh, sprachen sie, den Quell des Lachens fließen, Aus dessen Flut uns Todsgefahren drohn. Wie sehr sie reizt, wir dürfen nicht genießen; Denn nur Enthaltsamkeit verspricht uns Lohn. Hier laß behutsam uns das Ohr verschließen Dem tückisch lieblichen Sirenenton. – So gehn sie fort, bis wo des Flusses Wellen In weiterm Bett zu einem See erschwellen. 58. Hier finden sie, dicht an des See's Gestaden, Auf einem Tisch der reichen Speisen viel. Hier treibt ein Paar wollüstiger Najaden, Geschwätzig scherzend, in der Flut ein Spiel; Bald sprützen sie sich ins Gesicht im Baden, Bald schwimmen sie, wetteifernd, nach dem Ziel. Sie tauchen ein und zeigen endlich wieder, Nach unsichtbarem Lauf, die schönen Glieder. 59. Wohl rührt der Reiz so holder Schwimmerinnen Ein wenig doch der Krieger festes Herz. Sie weilen, um zu schau'n, und ihr Beginnen Verfolgen Jene mit holdsel'gem Scherz. Die Eine steigt empor, und was den Sinnen Am meisten lächelt, zeigt sie, oberwärts Der schönen Hüft', in unverborgner Fülle; Dem Andern bleibt der See anmuth'ge Hülle. 60. Wie träufelnd aus des Meeres tiefen Hallen Der Morgenstern sich hebt, wie rein und klar Einst Venus stieg aus flüssigen Krystallen, Als sie der Schaum des Oceans gebar: So zeigt die Schöne sich, so schimmernd wallen Die Tropfen Thau's herab vom blonden Haar. Dann blickt sie um, scheint Jene zu entdecken, Und eilt, sich in sich selber zu verstecken. 61. Das Lockenhaar, am Wirbel festgebunden In Einem Knoten, löst die schnelle Hand, Und schon ist rings das Elfenbein verschwunden, Umhüllt vom langen, dichten Goldgewand. Welch holder Anblick ward dem Paar entwunden! Doch holder nicht, als der, so ihn entwand. Und so, vom Wasser und Gelock umfangen, Zeigt sie den Kriegern froh verschämte Wangen. 62. Sie lächelt, sie erröthet, und die Röthe Vermehrte noch des Lächelns Allgewalt, Wie dies die Lieblichkeit des Roths erhöhte, Das bis zum Kinn ihr Antlitz überwallt. Dann tönt die Stimme, süß wie Klang der Flöte, Und sicher bliebe hier kein Andrer kalt: Beglückte Wandrer, die den Zutritt fanden Zu diesen sel'gen, wonnereichen Landen! 63. Dies ist der Erde Port; all' ihre Plagen Vergißt man hier und schmeckt die Seligkeit, Die vormals, in des goldnen Alters Tagen, Das Volk empfand, von jedem Zwang befreit. Der läst'gen Wehr, die ihr bis jetzt getragen, Entledigt euch in voller Sicherheit Und heiligt sie der Ruh' als frohe Sieger; Hier seid ihr nur der holden Liebe Krieger. 64. Hier wird für euch zum süßen Kampfgefilde Das weiche Bett, der Wiesen zartes Gras. Wir führen euch zur Fürstin, deren Milde Der Diener Schaar beseligt ohne Maaß; Sie nimmt euch auf in jene Lieblingsgilde, Die sie zur Theilnahm' ihrer Freud' erlas. Doch spület erst den Staub in diesen frischen Gewässern ab, und speist an jenen Tischen. 65. So redet sie, und ihren Mund begleiten Der Andern Blick und Wink zu gleicher Frist; So wie man nach dem Klange heller Saiten Bald langsam, bald geschwind die Schritte mißt. Doch von der tauben Ritterseele gleiten Die Lügen ab, die Bulerei'n der List. Das süße Wort, das lockende Beginnen Bleibt außerhalb und schmeichelt nur den Sinnen. 66. Und wenn auch wohl die Reize tiefer drangen, Wenn auch Begierd' entkeimet da und dort, So tilgt Vernunft, von starker Wehr umfangen, Den Sproß der Lust und reißt ihn aus sofort. Die Einen stehn besiegt und hintergangen, Die Andern ziehn davon ohn' Abschiedswort. Sie gehn ins Schloß; schnell tauchen nun die Schönen Sich in die Flut, so kränkt sie das Verhöhnen. Sechszehnter Gesang Sechszehnter Gesang. 1. Rund ist der reiche Bau, in dessen Kreise, Als Mittelpunkt, der schöne Garten liegt, Der alle, die mit größtem Ruhm und Preise Jemals geblüht, an Reizen weit besiegt. Irrgänge sind, kunstreich verworrner Weise, Durch Geisterhand rings um ihn her geschmiegt, Und in des vielverschlungnen Pfades Mitte Liegt er versteckt, unnahbar jedem Schritte. 2. Durchs Hauptthor gehn die Ritter; denn sie sehen, Es zählet hundert Pforten der Palast. Die Thore von geformtem Silber drehen In goldnen Angeln ihre reiche Last. Die Ritter bleiben bei den Bildern stehen, Denn hier besiegt den Stoff die Arbeit fast. Zum Leben scheint nur Sprache zu gebrechen; Traust du dem Blick, so wähnest du, sie sprechen. 3. Hier plaudert Hercules, ein Spinngeselle Mäon'scher Mägd', und hat des Rockens Acht. Trug er die Stern' und zwang des Orkus Schwelle, So spinnt er jetzt; und Amor sieht's und lacht. Zum Hohn trägt Jole, an seiner Stelle, Mit schwacher Hand das Mordgeräth der Schlacht. Die Löwenhaut auf ihrem weichen Rücken Scheint viel zu hart den zarten Leib zu drücken. 4. Genüber ist ein Meer; die ganze Weite Der blauen Felder schäumt von grauer Flut. Zwei Flotten sieht man hier, geschaart zum Streite, Bewehrt, und aus der Wehr blitzt helle Glut. Gold flammt das Meer, und lodernd, scheint es, breite Um ganz Leukates sich des Krieges Wut. Rom führt August, Anton des Osts Barbaren, Der Araber, Aegypter, Indier Schaaren. 5. Als schwämmen die Cykladen auf den Wogen, Als stürmten Felsen gegen Felsen los: So kommt der Flotten Macht daher gezogen, So furchtbar ist der Schiffe rauher Stoß. Schon fliegen Pfeil' und Bränd' in weiten Bogen, Und neuer Mord bedeckt des Meeres Schooß. Sieh – und noch freut kein Sieger sich des Zieles – Sieh! da entflieht die Königin des Niles. 6. Da fliehet auch Anton – und kann entsagen Der Hoffnung, die den Weltthron ihm verheißt? Nicht flieht er, nein! der Tapfre kann nicht zagen; Er folgt der Flücht'gen, die ihn mit sich reißt. Du sähest ihn, wie wem mit tausend Plagen Schaam, Lieb' und Zorn zugleich das Herz zerreißt, Bald schauen nach der Schlacht, die noch begriffen Im Schwanken ist, bald nach den flücht'gen Schiffen. 7. Dann, von des Nils verborgner Schluft umfangen, Erwartet er in ihrem Schooß den Tod, Und findet dort im Lächeln holder Wangen Den reichen Trost für alle seine Noth. Mit solchen Bildern sahn die Ritter prangen Das hohe Thor, das ihnen Eingang bot; Und nun, sich wendend von der schönen Pforte, Gehn sie hinein zu dem verdächt'gen Orte. 8. Wie der Mäander mit verirrter Welle Oft zwischen krummen Ufern zweifelnd weilt, Ins Meer die Wasser sendet, die zur Quelle, Und seinem eignen Lauf entgegen eilt: So, und verworrner, sind auf jeder Stelle Die Wege hier verwickelt und getheilt. Doch jenes Buch, vom Magus dargeboten, Zeigt Alles deutlich an und löst den Knoten. 9. Und wie sie nun dem Labyrinth entwallen, Wird gleich der schönste Garten offenbart: Hier stille See'n, bewegliche Krystallen, Dort Bäume, Blumen, Kräuter aller Art, Besonnte Höh'n und schatt'ge Thaleshallen, Und Grott' und Wald, von Einem Blick gewahrt, Und, was die Schönheit mehrt so holden Werken: Die Kunst, die Alles schafft, ist nie zu merken. 10. Es scheint – so mischt sich Künstliches dem Wilden – Als ob Natur den Garten angelegt, Und sich bestrebt, der Kunst ihn nachzubilden, Die immer sonst ihr nachzubilden pflegt. Sogar die Luft, die ewig den Gefilden Ihr Grün bewahrt, wird durch Magie erregt. Stets sieht man Frücht' und Blüthen sich gesellen; Die brechen auf, da jene reifend schwellen. 11. Hier bricht die Feig' hervor, dort reift die Feige Am selben Stamm, vom selben Laub umfaßt. Der Apfelbaum trägt an demselben Zweige Der grünen und der goldnen Früchte Last. Daß sie der Sonne sich entgegen neige, Rankt sich die Reb' empor mit üpp'ger Hast; Hier blüht sie noch, dort schwillt der Traubenhülle Gold und Rubin von edler Nektarfülle. 12. Wollüst'ge Tön' ammuth'ger Vögel dringen Wetteifernd aus der grünen Nacht empor; Auch lockt die Luft mit ihren leichten Schwingen Aus Laub und Wellen manchen Ton hervor. Sie murmelt leiser, wann die Vögel singen; Doch schweigen sie, dann rauscht der Lüfte Chor. Sei's Zufall oder Kunst: bald folgt den Liedern Der luft'ge Klang, scheint bald sie zu erwiedern. 13. Ein Vogel zeigt sich hier, ihn schmückt vor allen Des Schnabels Purpur, des Gefieders Pracht, Und alle Töne, die der Kehl' entwallen, Sind wie von Menschenzung' hervorgebracht. Jetzt läßt er wiederum Gesang erschallen, Daß seltne Kunst ihn schier zum Wunder macht. Die andern schweigen all', um ihm zu lauschen, Und selbst die Winde hören auf zu rauschen. 14. O siehe, sang er, wie die holde Rose Jungfräulich zart aus ihrer Knospe bricht, Erst halb enthüllt und halb versteckt im Moose, Und schöner nur, je scheuer vor dem Licht! Jetzt öffnet sie die Brust, die hüllenlose, Dem West – und welkt, und scheinet jene nicht, Nicht jene mehr, vorhin mit Liebestönen Ersehnt von tausend Bulen, tausend Schönen. 15. So schwindet, ach! mit eines Tages Schwinden Des Erdenlebens Blüth' und holdes Grün, Und ob wir auch den Frühling wieder finden, Nie wird uns jenes grünen mehr noch blühn. Pflückt denn die Ros', und laßt uns Kränze winden Am heitern Morgen, vor des Mittags Glühn. Pflückt Amors Ros'; itzt liebt, da Gegenliebe Noch lohnen mag des Herzens süßem Triebe! 16. Der Vogel schweigt, und mit einstimm'gen Tönen, Beifällig, schallt der Andern Vollgesang. Die Tauben küssen sich mit heißerm Stöhnen, Und jedes Thier fühlt neuer Liebe Drang. Der keusche Lorbeer, selbst die Eiche fröhnen, Das ganze Laubgeschlecht, dem süßen Zwang. Es scheint, daß Erd' und Meer, von Lust durchdrungen, Der Liebe weihn entzückte Huldigungen. 17. Trotz solchem zarten Klang, trotz solcher Menge Von Schmeichelei'n und holdem Liebeflehn, Geht weiter dieses Paar, und sucht mit Strenge Der Lockung süßer Lust zu widerstehn. Und durch das Laub der dunkeln Schattengänge Dringt jetzt der Blick, sieht, ober glaubt zu sehn, Sieht wirklich dort der Liebenden Gekose; Er ruht im Schooß der Holden, sie im Moose. 18. Ihr Busen wird vom Schleier nicht umfangen, Und Zephyr spielt im Haar, das ihn umschwebt. Sie schmachtet sanft, und die entflammten Wangen Bleicht holder Schweiß, der ihr Gesicht belebt. Im feuchten Auge funkelt voll Verlangen Ein Lächeln, wie der Strahl im Wasser bebt. Sie beugt sich über ihn; er, hin sich gebend, Ruht ihr im Schooß, den Blick zum Blick' erhebend. 19. Und lechzend, selbst im Rausche der Genüsse, Schmilzt er dahin in süßen Phantasie'n. Sie neigt das Haupt, um wollustreiche Küsse Vom Auge bald, den Lippen bald, zu ziehn. Er seufzt in diesem Augenblick, als müsse Die Seele jetzt aus seinem Busen fliehn Und gleich aus ihm in sie hinüber wandern. Verborgen lauschend stehn die beiden Andern. 20. Ein wunderbar Geräth hängt ihr zur Seiten, Ein glänzender Krystall, vollkommen klar. Sie stehet auf und reicht ihm, dem Geweihten In die Geheimnisse der Lieb', ihn dar. Er glüht, sie lächelt, und zu gleichen Zeiten Nimmt Jedes in Verschiednem Gleiches wahr: Ihr Spiegel ist das Glas, und er, voll Wonne, Bespiegelt sich in ihrer Augen Sonne. 21. Sie ist zu herrschen stolz, und er zu dienen; Sie ist es in sich selbst, und er in ihr. O wende, spricht er, diese holden Mienen, Die so besel'gen, Selige, zu mir! Kein wahrer Abbild ist dir je erschienen Von deinem Reiz, als diese Flammen hier. Sein Bild, all' seine Wunder zeigt, getreuer Als dein Krystall, dir meines Busens Feuer. 22. O könntest du, verschmähst du mein Entzücken, Nur selber schaun dein himmlisches Gesicht: Wie würde dann – nichts kann dich sonst beglücken – Dein Auge schwelgen in dem eignen Licht! Kein Glas vermag solch Bildniß auszudrücken, Ein Paradies faßt solch ein Spiegel nicht. Der Himmel sei dein Spiegel; in den Sternen Kannst du allein dein Abbild kennen lernen. 23. Armida lächelt, ohne sich zu wenden, Und bleibt, sich spiegelnd, ihrer Arbeit hold. Sie flicht das Haar, sie ordnet mit den Händen Was hie und da muthwillig sich entrollt. In Ringlein dreht sie nun die kleinen Enden, Und streuet Blumen drauf, wie Schmelz auf Gold, Paart mit des Busens eigner Lilienfülle Die fremde Ros', und ordnet dann die Hülle. 24. So herrlich zeigt sich nie an stolzen Pfauen Der augenvollen Federn reiche Pracht; So Iris nicht, wann sie von Himmels-Auen Im Gold- und Purpurthau hernieder lacht. Am schönsten ist der Gürtel anzuschauen, Den sie nicht von sich legt bei Tag und Nacht. Hier gab sie Körper körperlosen Dingen, Auch kann die Mischung Keinem sonst gelingen. 25. Verliebten Trotz, mild ruhiges Versagen, Holdsel'ge Lockung, heitern Friedensmuth, Süß Lächeln, Schmeichelei'n, halblaute Klagen, Und feuchte Küss' und holde Thränenfluth: Dies mischte sie und lehrt' es sich vertragen, Und gab ihm Härt' an milder Fackelglut. Den Gürtel formte sie aus diesem allen, Und ließ ihn leicht um ihre Hüfte wallen. 26. Das Kosen endend, nimmt, nach ihrer Sitte, Sie von ihm Abschied, küßt ihn und geht fort. Sie selbst verbringt des langen Tages Mitte Bei ihrem Zauberwerk, an anderm Ort. Er bleibt im Garten, denn mit keinem Schritte Den Umkreis zu verlassen, heischt ihr Wort, Und sinnend irrt er zwischen Wild und Bäumen, Wenn nicht mit ihr, einsam in Liebesträumen. 27. Doch hat die Nacht sich freundlich eingefunden, Und ruft zurück zu süßen Dieberei'n, Dann feiern sie der Liebe sel'ge Stunden Im Garten, unter Einem Dach allein. Kaum nun verläßt Armida, streng gebunden Durch ernstre Pflicht, den wonnevollen Hain: Als aus dem Waldgebüsch die Ritter beide Rinalden nahn in prächt'gem Kriegsgeschmeide. 28. Dem Rosse gleich, das, von dem edlen Zwange Siegreicher Waffen lange schon getrennt, Auf Weiden irrt in schnödem Müßiggange Und in der Glut verbulter Liebe brennt, Doch nun, vom Stahlblitz, vom Trommetenklange Geweckt, laut wiehernd ihm entgegen rennt, Und schon die Kampfbahn wünscht, und schon, bestiegen Von seinem Herrn, mit Kriegenden zu kriegen: 29. So ward der Jüngling, als das stolze Prunken Der Waffen plötzlich ihm ins Auge sprang. Ihr Blitz entflammt' in ihm des Muthes Funken, Des kriegerischen Geistes kühnen Drang; Obwohl er längst, von süßer Wollust trunken, Sich eingewiegt in weichen Müßiggang. Jetzt naht Ubald und zeigt in vollem Lichte Den Demantschild des Jünglings Angesichte. 30. Kaum daß er auf den Schild die Blicke wendet, Wird er in ihm sein ganzes Bild gewahr, Sieht eiteln Putz an seinen Leib verschwendet, Von Wollust duftend sein Gewand und Haar, Und an der Seite, weibisch und verschändet Durch üpp'ge Pracht, das Schwert, das Schwert sogar. Es scheint, so ausgeschmückt, nur eitle Zierde, Ein schlechtes Werkzeug kriegrischer Begierde. 31. Gleichwie ein Mann, von schwerem Schlaf umnachtet, Zu sich zurückkehrt aus verwirrtem Grau'n: So itzt Rinald, da er sich selbst betrachtet; Doch lange nicht erträgt er dieses Schau'n. Das Auge sinkt, er zittert, er verachtet Sein eignes Selbst; sein Blick starrt auf die Au'n. Verbergen mögt' er sich in Flammenschlünden, Im Meeresschooß und in der Erde Gründen. 32. Und jetzt begann Ubald ihn zu ermahnen: Zum Kriege zieht Europa's, Asiens Macht. Wer Ruhm begehrt und treu blieb Christi Fahnen, Durchkämpft in Syrien jetzt manch' heiße Schlacht. Nur dich, o Sohn Bertholds! fern jenen Bahnen, In engem Winkel, müßig, sonder Acht, Dich rühret nicht das Welten-Ungewitter, Dich, eines Weibes auserlesnen Ritter! 33. Welch dumpfer Schlaf läßt deinen Muth erkranken? Welch schnöder Wahn verlockt dein edles Blut? Auf! auf! dich rufen Gottfried und die Franken, Und Glück und Sieg erwarten deinen Muth. Verhängnißvoller Held! komm, ohne Wanken Vollende jetzt dein Werk. Die freche Brut, Die du geschüttert längst, zu Boden werfe Dein Schwert sie ganz mit unfehlbarer Schärfe! 34. Er schweigt; der edle Jüngling steht beklommen, Versteinert, sprachlos; doch nur kurze Zeit. Als aber Zorn den Platz der Schaam genommen, Zorn, der zum Kämpfer der Vernunft sich weiht; Als, statt der Röth', ein neues Feu'r entglommen, Das um sich greift mit größrer Heftigkeit: Da reißt er ab den eiteln Schmuck, der weichen Umhüllung Pracht, des Knechtthums niedre Zeichen, 35. Und treibt zum Gehn, und eilt mit hast'ger Schnelle Durch des verschlungnen Labyrinths Gebiet. Armida, die indeß vor ihrer Schwelle Den Wächter des Palasts erschlagen sieht, Schöpft erst Verdacht, und bald, in klarer Helle, Wird sie gewahr, daß der Geliebte flieht, Und siehet ihn – o Anblick voller Grauen! – Enteilen schon den wonnereichen Auen. 36. Sie wollte schrei'n: Barbar, mich willst du meiden? Doch jeden Laut verschließt der herbe Gram, Und jedes Wort, zur Mehrung ihrer Leiden, Fällt auf das Herz zurück, aus dem es kam. Sie sieht – o Schmerz! – den Vielgeliebten scheiden, Den höh're Macht aus ihren Armen nahm. Sie sieht es ein, und doch, um ihn zu halten, Versucht sie noch, umsonst, des Zaubers Walten. 37. Was je Unheil'ges dem befleckten Munde Thessal'scher Druden mit Gesumm entquoll; Was die Gestirne hemmt am Himmelsrunde Und Schatten ruft aus Gräbern, schauervoll: Wohl wußte sie's; doch nicht all' ihre Kunde Wirkt, daß nur Antwort aus der Höll' erscholl. Sie läßt die Zauberei'n, um zu erspähen, Ob zauberischer sei der Schönheit Flehen. 38. Sie eilt ihm nach, sorglos um Ehr' und Schande; Ach! wo ist jetzt der Siege Ruhm und Lohn? Hin wälzte sie und her die weiten Lande Der Liebe sonst mit Einem Winke schon, Und ihr, sich gleich an Stolz und Unbestande, War Liebe lieb, der Liebende zum Hohn. Sie selbst gefiel sich nur, sonst mogt' an Allen Nur ihrer Augen Wirkung ihr gefallen. 39. Und nun, versäumt, verspottet, aufgegeben, Folgt sie dem Flüchtling, dem Verräther nach Und sucht durch Thränen ihren Reiz zu heben, Verschmähte Gabe, für sich selbst zu schwach. Sie eilt hinab; die zarten Füße beben Nicht vor dem Eis, des Felsen Ungemach. Geschrei fliegt vor ihr her als Bot' und Rufer; Doch Ihn erreicht sie nicht, eh' Er das Ufer. 40. O, ruft sie, du, der mit bethörtem Wähnen Nimmt und zurückläßt einen Theil von mir, Nimm diesen auch; wo nicht, so laß mir jenen, Ach! oder tödte beide! Bleibe hier, Nimm meine letzten Worte, meine Thränen, Nicht Küsse; die geb' eine Bessre dir. Was fürchtest du, Treuloser, zu verziehen? Du kannst verweigern, denn du konntest fliehen. 41. Da spricht Ubald zu ihm: Nicht widerstehen Der letzten Bitte darf dein Edelmuth. Sie kommt, mit Reiz bewaffnet und mit Flehen, Das sie versüßt durch herbe Thränenflut. Wenn du Sirenen hören kannst und sehen, Und doch besiegst – wer gleichet dir an Muth? So wird Vernunft zur Herrscherin der Sinne, Und läutert sich in ruhigem Gewinne. 42. Da blieb der Ritter stehn, bis sie mit Keichen Und überströmt von Thränen zu ihm kam. Nie war ein Schmerz dem ihren zu vergleichen, Und doch besiegt ihr Reiz noch ihren Gram. Sie schaut ihn an und läßt den Blick nicht weichen, Und schweigt aus Zorn, Nachdenken oder Schaam. Er schaut nicht auf, und sollt' er's dennoch wagen, Ist's ein verstohlner Blick voll Scheu und Zagen. 43. Dem Sänger gleich, der mit geübter Kehle, Eh' er erhebt der Stimme vollen Klang, Durch Läufe, sanften Tons, des Hörers Seele Zu stimmen sucht für seinen Kunstgesang: Sucht Diese, die, ob bittrer Schmerz sie quäle, Nicht ganz vergißt den künstlich schlauen Gang, Durch leise Seufzer, die der Brust entschwimmen, Für ihre Worte das Gemüth zu stimmen. 44. Dann fing sie an: Ich will dich nicht beschweren Mit Klagen, wie der Liebende sie klagt. Wir waren es; willst du's zu sein dir wehren, Ja, wenn der Lieb' Erinnrung schon dich plagt: So hör' als Feind; auch Diese ja gewähren Bisweilen was ein Feind zu bitten wagt. Was ich verlange kannst du mir erlauben, Ohn' irgend etwas deinem Haß zu rauben. 45. Trifft mich dein Haß und macht er dir Vergnügen: Genieße sein, er sei dir nicht geraubt. Du nennst ihn recht: es sei! Ich will nicht lügen, Ich haßt' euch auch, und selbst dein theures Haupt. Als Heidin wuchs ich auf, und List und Trügen Schien, zum Verderb der Christen, mir erlaubt. Dir folgt' ich, fing dich, führte dich in Banden, Vom Heere fern, nach weit entlegnen Landen. 46. Und füg' hinzu – du wirst noch mehr mich hassen, Denn schimpflicher und schlimmer scheint dies noch – Durch Liebeslockung sucht' ich dich zu fassen, Und arger Trug und Frevel ist es doch, Die jungfräuliche Blüthe pflücken lassen, Die Schönheit beugen unter fremdes Joch; Sie als Belohnung Tausenden versagen, Um als Geschenk sie Einem anzutragen! 47. Sei dieses auch in meiner Sünden Menge! Weg treibe dich von dieses Eilands Bord So große Schuld; veracht' in deiner Strenge Den einst so theuern, so geliebten Ort. Geh hin, schiff' übers Meer; greif' an, bedränge, Stürz' unsern Dienst! Ich treibe selbst dich fort. Was sag' ich unsern? Nicht mehr mein! ich wähle Nur dich allein zum Abgott meiner Seele. 48. Dies nur sei mir vergönnt: mit dir zu gehen! Die Bitt' ist selbst bei Feinden klein genug. Nicht wird der Räuber seinen Raub verschmähen, Und dem Triumph folgt der Gefangnen Zug. Mich soll das Heer bei deiner Beute sehen; Noch dies erhebe deines Ruhmes Flug, Daß du, die dich verachtete, verachtet; Sei als verschmähte Sklavin ich betrachtet! 49. Verschmähte Sklavin! Ha, für wen bewahren, Die du verachtest, dieser Locken Pracht? Geraubt sei ihre Länge diesen Haaren! Als Sklavin, will ich auch der Sklavin Tracht. Ich folge dir bis in der Feinde Schaaren, Bis in das heißeste Gewühl der Schlacht. Wohl hab' ich Muth und Kraft, um ohne Zagen Dein Roß zu führen, deinen Speer zu tragen. 50. Schildträger, Schild – wozu du mich erkoren, Ich bin es gern; für dich wird Alles leicht. Mir muß das Schwert den Busen erst durchbohren, Den nackten Hals, bevor es dich erreicht. So grausam wohl ist kein Barbar geboren, Der, mich zu schonen, nicht von dir auch weicht Und selbst der Rache schreckliches Vergnügen Den Reizen opfert, die nicht dir genügen. 51. Weh mir! Noch bin ich stolz? noch will ich prangen Mit diesem Reiz, dem alle Macht gebricht? Sie führe fort; doch Flut entströmt den Wangen, Der Quelle gleich, die aus dem Felsen bricht. Nun will sie nach der Hand, dem Mantel langen, Mit fleh'nden Blicken; doch er leidet's nicht. Er kämpft und siegt, und läßt der Liebe Sehnen Nicht in sich ein, und nicht hinaus die Thränen. 52. In seinem Busen, durch Vernunft erkaltet, Facht Liebe nicht die alten Flammen an. Das Mitleid nur, zwar züchtiger gestaltet, Doch ihr Gefährte, schmiegt sich sanft hinan, Indem es so im weichen Herzen waltet, Daß er die Thränen kaum verbergen kann. Doch hält er in sich diese zarte Regung, Und zähmt, so gut er weiß, Blick und Bewegung. 53. Armida, spricht er dann, mich quält dein Kränken. O könnt' ich, wie ich's wünschte, dich befrei'n Von so unsel'ger Glut, und Ruhe senken In deine Brust! Nicht Haß noch Zorn ist mein, Noch will ich Rache, noch der Schuld gedenken, Noch sollst du Sklavin mir, noch Feindin sein. Du hast gefehlt, wahr ist es; übertrieben Hast du die Weis' im Hassen wie im Lieben. 54. Doch menschlich sind und häufig diese Fehle: Dich schützen Glaube, Jugend und Geschlecht. Ich fehlte selbst; wenn ich auf Nachsicht zähle, Hab' ich zur Strenge gegen dich kein Recht. Werth bleibe dein Gedächtniß meiner Seele, Durch keine Freud' und keinen Schmerz geschwächt. Ich will dein Ritter sein, wenn mir's erlauben Der heil'ge Krieg, die Ehre sammt dem Glauben. 55. Mög' unser Irrthum nun auch dir mißfallen Und hier das Ende sein der schnöden Lust! Ihr Grab sei dieser öde Strand; verhallen Soll ihr Gedächtniß selbst aus unsrer Brust. Bleib' in Europa, in den Ländern allen, Von meinen Werken dies nur ungewußt. Nicht sei entehrt durch dieses Schimpfes Bürde Dein Königsblut, dein Reiz und deine Würde! 56. In Frieden bleib'; ich gehe; mich begleiten – So will es, der mich führet – darfst du nicht. Bleib', oder mag ein andrer Weg dich leiten, Und stille dein Gemüth nach ernster Pflicht. Sie blickt, indem er's sagt, nach allen Seiten, Unruhig, wild, mit finsterm Angesicht. Schon lange Zeit, verächtlich, übermüthig, Schaut sie ihn an; nun bricht sie aus, wie wütig: 57. O nimmer hat in zärtlicher Erwarmung Aus Azzo's Blut Sophia dich gezeugt; Nein, nur des Meers und Kaukasus Umarmung! Dich hat Hyrkaniens Tigerin gesäugt. Was hehl' ich noch? Hat menschlicher Erbarmung Das Ungeheu'r den wilden Sinn gebeugt? Entfärbt' er sich? Entlockten meine Schmerzen Dem Auge Thränen, Seufzer nur dem Herzen? 58. Was soll ich übergehn, und was erwiedern? Er weiht sich mir, die er verläßt, verhöhnt. Ein edler Held, verzeihet er dem niedern Besiegten Feind', und wünscht ihn sich versöhnt. Hört, wie er räth! Hört, wie der Mund des biedern Xenokrates von Liebesweisheit tönt! O Himmel! Götter! Frevlern gebt ihr Schonung, Und stürzet Thürm' und eure Tempelwohnung? 59. Geh nur, Grausamer, geh mit diesem Frieden, Den du mir schenkest; geh, verhaßte Brut! Bald folg' ich nach, nie mehr von dir geschieden, Ein nackter Schatten, ein Gespenst der Wut, Mit Brand und Schlangen, gleich den Eumeniden; Der Liebe gleich sei meiner Rache Glut! Und solltest du – will's das Geschick – entgangen Dem Meer, den Klippen, bis zur Schlacht gelangen: 60. Dann, Bösewicht, im Blut und unter Leichen Daliegend, zahlst du meiner Qualen Lohn! Dann rufst du mit dem letzten, schweren Keichen Armidens Namen – o ich hör' es schon! Sie endet nicht, denn ihre Sinne weichen, Und unvernommen bleibt der letzte Ton. Sie sinkt dahin und überströmt die Glieder Mit kaltem Schweiß, und schließt die Augenlieder. 61. Dein Auge sinkt, Armida; dir beneidet Den letzten Trost das geizige Geschick. Elende, schau' empor! Warum nicht weidet An deines Feindes Thränen sich der Blick? Ach, hörtest du die Seufzer, da er scheidet, Wie mildern würd' ihr Ton dein Mißgeschick! Er giebt, was er vermag – du siehst's nicht, Arme! – Er sagt dir Lebewohl mit bitterm Harme. 62. Was soll er thun? auf diesem nackten Hügel Verlassen sie, halb lebend, halb erstarrt? Ihn fesselt Großmuth, Mitleid hemmt die Zügel; Nothwendigkeit entreißt ihn, kalt und hart. Er geht, und Zephyr spielt mit leichtem Flügel Im Haar der Jungfrau, die Geleit ihm ward. Rasch fliegt das goldne Segel durch die Wogen; Er sucht das Land, und schon ist's ihm entzogen. 63. Als Jene sich erholt und sieht am Strande, So weit sie schauet, Alles stumm und todt, Da ruft sie: Floh er doch? und war im Stande, Mich zu verlassen, hier, in Todesnoth? Nichts hielt ihn auf? War's möglich, daß am Rande Des Grabes selbst er mir nicht Hülfe bot? Und lieb' ich noch? Am Ufer hier, unschlüssig Und ungerächt, wein' ich und sitze müßig? 64. Wozu noch Thränen? hab' ich keine Waffen, Als diese mehr? Auf, nach ihm! nicht geruht! Der Himmel soll ihm keine Freistatt schaffen, Der Abgrund nicht ihn bergen meiner Wut. Ich hab', ich halt' ihn! Aus dem Busen raffen Will ich sein Herz, Beispiel der Frevlerbrut. Der Bosheit Meister, ihn will ich beschämen In seiner Kunst – doch eitles Unternehmen! 65. Weh dir, Armida! Als du ihn gefangen, Da sollte deine Macht – er war es werth – Dem Wütrich wüten. Jetzt, da er entgangen, Sind Haß und Zorn zu spät zurückgekehrt. Und dennoch sei nicht fruchtlos mein Verlangen, Wenn Schönheit, List noch ein'ge Kraft bewährt. O mein verschmähter Reiz, dein ist die Sache; Du bist beleidigt, gieb denn du mir Rache! 66. Wohlan! sei diese Schönheit dem zum Lohne, Der sein verfluchtes Haupt vom Rumpfe schlug. Ihr tapfern Bulen, auf zum Rächerfrohne! Schwer ist das Werk, doch ehrenvoll genug. Ich, reich an Schätzen, Erbin einer Krone, Bin Lohn für einer Rachethat Vollzug. Wenn ich für diesen Preis den Werth nicht habe, Dann, Schönheit, bist du mir unnütze Gabe! 67. Unsel'ge Gab', auf ewig sei verloren! Die königliche Würd' ist mir verhaßt, Das Leben selbst. O wär' ich nie geboren! Nur Rach' erleichtert mir des Daseins Last. So hat sie mit ersticktem Laut geschworen Und findet nicht am öden Ufer Rast; Wohl zeugt von ihrer Wut der Wangen Glühen, Der Locken Wildheit und der Augen Sprühen. 68. Sie eilt ins Schloß und ruft mit grausem Munde Dreihundert Götter zu sich vom Avern. Mit Wolken füllt der Himmel sich zur Stunde, Und es erblaßt der ew'ge, große Stern; Sturm schüttelt das Gebirg in seinem Grunde, Und unten braust die Hölle tief und fern. Den weiten Umfang des Palasts erfüllen Geheul und Zischen und Gebell und Brüllen. 69. Ein Dunkel, finstrer als der Nächte Grauen, Hüllt undurchdringlich ihn in Schatten ein; Auf Augenblicke nur erhellt die Auen Furchtbarer Blitze dunkelrother Schein. Nun weicht die Nacht, die Sonne läßt sich schauen Mit bleichem Strahl, doch ist die Luft nicht rein, Und vom Palast ist keine Spur vorhanden, Noch sagen läßt sich: hier ist er gestanden! 70. Wie in der Luft ein Bau gewalt'ger Massen, Durch Wolkenflug geformt, doch flüchtig nur, Wenn ihn die Sonne schmelzt, ihn Stürme fassen, Vergeht, wie Krankentraum, ohn' alle Spur: So schwand das Schloß; nichts wird zurückgelassen, Als Felsgeklüft und Grauen der Natur. Armida steigt in den bereiten Wagen, Und wird, nach ihrer Weis', empor getragen. 71. Auf Wolken fährt sie hin, die Lüfte theilend, Und Wettergraus und Sturm sind ihr Gewand. Sie schaut, den Kreis des andern Pols durcheilend, Gestad' und Völker, uns noch unbekannt; Läßt Herculs Gränzen hinter sich, nicht weilend Am Strand Hesperiens, noch am Mohrenstrand, Und lenkt den Lauf nicht eher von den Wogen, Als bis sie Syriens Sandgestad' erflogen. 72. Sie eilt nicht nach Damask, will nicht mehr schauen Das Vaterland, das einst ihr Alles galt, Und lenkt den Flug nach jenen öden Gauen, Wo rings Gewässer ihre Burg umwallt. Hier meidet sie die Diener und die Frauen, Wählt mit Bedacht einsamen Aufenthalt Und giebt sich hin des Zweifels wilden Kämpfen; Doch bald gelingt dem Zorn, die Schaam zu dämpfen. 73. Fort, spricht sie, fort, eh mit des Osts Vasallen Aegyptens König sich ins Feld bewegt! Umformung jeder Art soll mir gefallen, Erneuung jeder Kunst, die ich gepflegt. Her, Pfeil und Schwert! Gedient den Mächt'gen allen, Daß um die Wett' ihr Eifer werd' erregt! Und kann ich Rache nur zum Theil erjagen, So will ich nicht nach Zucht und Ehre fragen. 74. Nicht tadle mich mein Oheim und mein Hüter; Er wollt' es so, er klage selbst sich an. Zu schlechtem Thun für weibliche Gemüther Führt' er zuerst den stolzen Geist hinan. Er raubte mir das köstlichste der Güter, Die edle Scheu, und störte meine Bahn. Ihm fällt zur Last die Schuld unwürd'ger Dinge, Die ich vollbracht aus Lieb', aus Zorn vollbringe. 75. So redet sie, und sammelt ohne Weilen Frau'n, Ritter, Knappen, ihre ganze Macht, Und wendet Kunst und Schatz in allen Theilen Aus Kleider und Geräth von seltner Pracht. Dann zieht sie fort und läßt nicht ab zu eilen, Hält keine Rast bei Tage noch bei Nacht, Bis sie erscheint, wo ihre Freunde standen Gescharrt auf Gaza's sonnenreichen Stranden. Siebzehnter Gesang Siebzehnter Gesang. 1. Gaza, ein Ort an Palästina's Schwelle, Liegt auf dem Weg, der nach Pelusium bringt, Am Strand der See, und siehet seine Wälle Von weiten Wüstenei'n voll Sand umringt, Den, wie der Süd das Meer, die Wirbelschnelle Des Windes aufrührt; und nur schwer gelingt Dem Wandrer, sich zu schirmen und zu decken Im Sturmgewühl der wandelbaren Strecken. 2. Aegyptens König riß vor langen Zeiten Den festen Gränzort aus der Türken Hand, Und weil er hier bequemer konnte leiten Das große Werk, das ihm vor Augen stand, Legt' er aus Memphis Pracht und Herrlichkeiten Hieher den Sitz, und hatt' an diesen Strand Aus seinem großen Reich versammeln lassen Des ungeheuern Heers gedrängte Massen. 3. Nun, Muse, wollest du mir offenbaren Der Dinge Zustand und Beschaffenheit, Die unterworfnen, die verbundnen Schaaren, Des großen Kaisers Macht und Kriegsgeleit, Als er des fernsten Orients Barbaren, Des Südens Kraft und Fürsten rief zum Streit. Nur du vermagst, die Schaaren und die Helden, Die halbe Welt in Waffen, mir zu melden. 4. Als einst Aegypten aufstand, und, vom Frohne Der Griechen frei, zum Islam überschritt, Ergriff ein Held aus Mahoms Blut die Krone, Und herrscht' im Reiche, das sein Arm erstritt. Chalif ward er genannt, und sammt dem Throne Erbt, wer ihm folgt, auch seinen Namen mit. So hat der Nil die langen Reih'n gesehen Der Pharaonen einst und Ptolemäen. 5. Im weitern Lauf der Zeit verstärkten Jene Gewaltiger dies Reich und herrschten dort Durch Afrika und Asien, von Cyrene Und von Marmarica bis Syrien fort. Auch einwärts dehnt es sich, noch über Syene, Entlang des Niles weitgestreckten Bord, Und gränzet hier an unbewohnte, wilde Sandwüstenei'n, dort an des Phrat Gefilde. 6. Rechts sind und links ein Theil des Reichsverbandes Das reiche Meer, das duft'ge Küstenfeld Und, jenseits noch des Erythräerstrandes, Die Länder, die zuerst die Sonn' erhellt. Groß ist, durch sich, die Kraft des weiten Landes, Noch mehr durch den, der jetzt das Scepter hält, Herr durch Geburt, mehr durch Verdienst erhoben, Als König und als Krieger gleich zu loben. 7. Mit Türken, Persern hatt' er sich geschlagen In manchem Krieg, griff an, hielt ab den Stoß, Siegt' und verlor, und zeigt' in Niederlagen Sich größer stets, als in des Glückes Schooß. Zu alt nunmehr, der Waffen Last zu tragen, Band er das Schwert von seiner Seite los; Doch ließ er nicht den Heldengeist entweichen, Noch die gewalt'ge Gier nach Ruhm und Reichen. 8. Er kriegt durch Feldherr'n, und noch ist sein Leben Mit solcher Kraft an Geist und Wort geschmückt, Daß, trotz dem Alter, nicht unmäßig eben Die Last der Herrschaft seine Schultern drückt. Die kleinen Fürsten Afrika's erbeben, Wenn man ihn nennt; der Inder steht gebückt. Die Einen geben ihm, in freiem Solde, Bewaffnet Volk, die Andern Zins an Golde. 9. Ein solcher Fürst vereint hier die Vasallen, Vielmehr die schon vereinten treibt er an, Das neue Frankenreich zu überfallen, Das wohl, im Siegsglück, ihn gefährden kann. Armida nun erscheint zuletzt von Allen, Da eben schon die Musterung begann. Ein weites Feld, nicht fern von Gaza's Thoren, Hat der Monarch zur Heeresschau erkoren. 10. Ein Thron von hundert Stufen dient zum Sitze Dem hohen Greis, der über Alle wacht. Ein Silberhimmel wehrt der Sonnenhitze, Sein Fuß betritt des Purpurteppichs Pracht, Und herrlich schimmert vom Juwelenblitze, Fremdartig reich, die hehre Königstracht. Verschlungne Linnen, blendendweiß, umfangen Sein stolzes Haupt mit Diademes-Prangen. 11. Das goldne Scepter füllet ihm die Rechte, Ehrwürd'gen Ernst giebt ihm der greise Bart. Aus seinen Augen, so die Zeit nicht schwächte, Blitzt Kühnheit noch und Kraft, nach Jünglingsart, Und in Geberd' und Anstand wird die ächte Hoheit der Jahr' und Herrschermacht bewahrt. So zeigt' Apell, so Phidias dem Volke Den Zeus, doch Zeus den Donnrer aus der Wolke. 12. Es stehen ihm zur Rechten und zur Linken Zwei Kronsatrapen. In des Ersten Hand Sieht man das Schwert, der Strenge Werkzeug, blinken; Das Siegel zeigt des Andern Amt und Stand. Er führt im Innern, nach des Königs Winken, Die Staatsgeschäfft', und sorgt für Kron' und Land; Allein mit voller Macht, als Fürst der Heere, Vollzieht der Erste des Gesetzes Schwere. 13. Rings um des Thrones Fuß, in dichtem Kranze, Stehn die Circasser, treu im Dienst bewährt; Ein jeder trägt den Harnisch und die Lanze, Und an der Seit' ein langes krummes Schwert. So thront der Fürst und überschaut das ganze Vereinte Volk, das ihn als Herrn verehrt, Und wann ein Trupp vorbeizieht auf dem Plane, Neigt jeder, wie anbetend, Wehr und Fahne. 14. Aegyptens Volk erscheint am Thronesrande Als erste Schaar; von Vieren wird's gelenkt. Zwei sind vom obern, zwei vom untern Lande, Das erst der Nil erschaffen und geschenkt. Sein fetter Schlamm vertrieb das Meer vom Strande, Gut zu bebau'n, sobald er sich gesenkt. So wuchs das Land; wie tief im Innern liegen Die Ufer jetzt, wo Schiffer ausgestiegen! 15. Es ziehn voran, die aus der reichen Weite Um Alexanders Stadt gebürtig sind, Und jene vom Gestad der Abendseite, Dort, wo der Strand von Afrika beginnt. Sie führt Arasp, ein Kriegsmann, der im Streite Durch Schlauheit mehr als Tapferkeit gewinnt. Er scheint zur Kunst des Hinterhalts geboren Und hat den Preis in jeder List der Mohren. 16. Nun folgt die Schaar, die gegen Ost, am Meere Von Asien wohnt, den Küstenstreif entlang. Es lenket sie Aronteus, dessen Ehre Nicht Kraft und Muth, nur Titel ist und Rang. Noch nie entpreßt' ihm Schweiß des Helmes Schwere, Nie weckt' ihn noch der Frühtrommete Klang; Aus weicher Ruh' ins rauhe Kriegerleben Verlockt' ihn nur unzeit'ger Ehrsucht Streben. 17. Kein einzelnes Geschwader scheint das dritte; Ein zahllos Heer, erfüllt es Flur und Strand. Nährt so viel Volk sich in Aegyptens Mitte? Und dennoch wird's von Einer Stadt gesandt. Doch mit Provinzen geht sie gleich im Schritte, Denn tausend Zünfte sind ihr zugewandt. Kairo schickt die Menge dieser Streiter, Abhold dem Krieg', und Kampson ist ihr Leiter. 18. Dann, unter Gazel, kommen die gezogen, Die auf den reichen Nachbarfluren mähn Und weiter noch hinauf, bis wo die Wogen Des mächt'gen Stroms den zweiten Sturz bestehn. Aegyptens Volk führt nichts als Schwert und Bogen, In Helm und Panzer müßt' es schier vergehn. Reich ist der Krieger Tracht, und sie erwecken Wohl Beutelust deßhalb, nicht Todesschrecken. 19. Alarcon führt sodann aus Barca's Lande Ein schlechtes Volk, fast nackt und unbewehrt, Das nur mit Raub, im weiten, wüsten Sande, Seit langer Zeit ein hungrig Leben nährt. Zumara's König bringt in besserm Stande Sein Volk, nur nicht in fester Schlacht bewährt. Dann der von Tripolis; der Erst' und Zweite Sind sehr geschickt und schlau im flücht'gen Streite. 20. Nun kommt die Heerschaar, die Arabiens Gauen, Des fels'gen wie des glücklichen, bewohnt; Des glücklichen, das – ist dem Ruf zu trauen, – Unmäß'ge Glut und Kälte stets verschont; Wo Duftwerk und Gewürz entsprießt den Auen, Wo, stets verjüngt, der ew'ge Phönix thront, Der bei des Tods und Lebens Wechselsiege Aus Blumen baut sein Grab und seine Wiege. 21. Nicht so geschmückt sind dieser Völker Trachten, Die Waffen gleichen den ägypt'schen dort. Die Araber, die dann sich nahn, verachten Den festen Heerd, den sichern Wohnungsort. Ein Wanderleben ist ihr einzig Trachten, Und Haus und Städte nehmen sie mit fort. An Stimm' und Größe sind sie gleich dem Weibe, Von Haaren schwarz, schwarz von Gesicht und Leibe. 22. Sie führen langes Inderrohr, beschlagen Mit kurzer Eisenspitz'; ihr schnelles Pferd Scheint gleich dem Sturmwind sie dahin zu tragen, Wenn je so rasch der schnellste Sturmwind fährt. Den ersten Trupp führt Syphax an zum Schlagen, Vom zweiten wird Aldins Gebot verehrt; Dann zieht Albiazar als Arabiens dritter Heerführer auf, Raubmörder und kein Ritter. 23. Sodann erscheint das Volk der Insellande, Das, rings umschlossen von Arabiens Meer, Zu fischen pflegt an seinem reichen Strande Kostbare Muscheln, edler Perlen schwer. Mit diesem kommt, vom abendlichen Rande Des rothen Meers, das Negervolk daher. Die führet Agricalt, Osmid die Mohren – Ein Mann, der Recht und Glauben abgeschworen. 24. Nun kommt der Aethiopen Schaar gegangen, Aus Meroe, hier vom Astrabor umspannt Und dort vom Nil; drei Reiche zu umfangen, Verschiednen Glaubens, gnügt ihr Inselland. Sie folgt zwei Kön'gen, die an Mahom hangen, Der Assimir, und der Canar genannt, Zinsleute des Chalifen; doch der dritte Verblieb, als Christ, in seines Reiches Mitte. 25. Dann folgen noch zwei fürstliche Vasallen; Mit Bogen kämpfet ihrer Schaaren Muth. Der eine lenket Ormus, reich vor Allen, Ein Eiland, das im Golf von Persien ruht; Der andre Boëcan. Dies Land umwallen Die Wogen auch, doch nur bei hoher Flut; Senkt sich hernach das Meer bei Ebbezeiten, So kann's der Wandrer unbenetzt beschreiten. 26. Auch du nicht bliebst in theurer Gattin Armen, Im keuschen Bett zurück, o Altamor! Das Haar, die Brust zerriß sie ohn' Erbarmen, Als sie, zu bleiben, weinend dich beschwor: Grausamer, sprach sie, ziehest du mir Armen Des wilden Meers graunvollen Anblick vor? Und lieber trägt dein Arm die Waffenerze, Als unser Kind, bedacht auf holde Scherze? 27. In Samarcand herrscht Dieser ohne Schranken, Doch freie Kron' ist sein geringster Werth; Furchtbare Heldenkraft, Muth sonder Wanken Und Waffenkunst sind, was ihn höher ehrt. Erfahren wird's, ich sag's, das Volk der Franken, Und scheute wohl mit Recht sein mächtig Schwert. Den Panzer trägt sein Kriegervolk im Streite, Die Keul' am Sattel und den Stahl zur Seite. 28. Vom fernen Indien kommt, der Feinde Schrecken, Aus dem Gebiet Aurorens kommt Adrast. Ein grüner Schlangenbalg mit schwarzen Flecken Hält, statt des Panzers, seinen Leib umfaßt. Ein Elephant trägt den gewalt'gen Recken, So wie ein Roß gemeiner Reiter Last. Diesseits des Ganges wohnt sein Volk, und badet Im Meere, wo der Indus sich entladet. 29. Doch jetzt erscheint die wahre Blüth' und Krone Des ganzen Heers, der Helden edle Schaar, Die mit verdientem Ruhm und reichem Lohne Im Frieden dienen, wie in Kriegsgefahr. Sie sind dem Feinde Schrecken, Schutz dem Throne, Und ziehn auf mächt'gen Rossen, Paar und Paar, Und wieder strahlt der purpurnen Gewande, Des Stahls und Goldes Glanz, vom Himmelsrande. 30. Alark, der wilde, kommt mit Odemaren, Dem Heer-Anordner; Hydraot, vereint Mit Rimedon, dem Höhner der Gefahren, Deß kühner Sinn verachtet Tod und Feind. Tigran kommt mit Rapold, dem Großcorsaren, Des Meers Tyrannen; Ormond auch erscheint Mit Marlabust, genannt von allen Zungen: Der Araber, weil er dies Volk bezwungen. 31. Hier ist Orind, Brimart, der Städtezwinger, Und Arimon, und Pyrga, und Suifant, Der Rossebänd'ger; und auch du, als Ringer Durch Meisterschaft berühmt, Aridamant; Und Tissaphern, der große Waffenschwinger, Ein Blitz des Mars, dem Keiner gleich genannt, Er mag zu Roß, er mag zu Fuße schlagen, Den Degen kreisen, mit der Lanze jagen. 32. Ein Krieger, in Armeniens Gau'n geboren, Führt dieser Ritter edles Häuflein an. Er hatt', als Jüngling, Christum abgeschworen; Einst hieß er Clemens, Emiren sodann. Von seinem Herrn zum Günstling auserkoren, Dient' er dem König, ein getreuer Mann, Als Führer und als Ritter gleichen Werthes, Durch Muth und Geist und Tapferkeit des Schwertes. 33. Aus war der Zug, als, wider Aller Meinung, Armida kam mit ihrem Heergeleit, Auf hohem Wagen, herrlich in Erscheinung, Mit Pfeil und Bogen und geschürztem Kleid. Der neue Zorn, auffallend durch Vereinung Mit angeborner Huld und Lieblichkeit, Gab Kraft dem Ansehn; rauh und unerschrocken, Schien sie zu drohn, und drohend noch zu locken. 34. Ihr Wagen strahlt gleich dem der Sonne, prächtig Umglänzt vom Hyacinth und vom Rubin; Der kund'ge Führer lenkt, klug und bedächtig, Die vier Einhörner, die ihn paarweis ziehn; Und hundert Jüngling', ihres Bogens mächtig, Und hundert Mädchen, rings umgeben ihn, Und alle ziehn einher auf weißen Rossen, Im Wenden leicht, im Laufen unverdrossen. 35. Ihr nach folgt Aradin mit jenen Banden, Die Hydraot aus Syrien nahm in Sold. Wie wann der einz'ge Vogel, neu erstanden, Geschmückt mit reichem Halsband, mit dem Gold Der angebornen Krone, nach den Landen Von Aethiopien aufbricht, hehr und hold, Der Welt Bewundrung, und auf allen Seiten Beschwingte Heer' anstaunend ihn begleiten: 36. So kommt Armida jetzt, die durch Gestaltung, Anstand und Pracht ein jedes Aug' entzückt; Kein Herz ist hier so gänzlich in Erkaltung, So liebefeind, daß Lieb' es nicht durchzückt. Gesehen kaum, in zürnend ernster Haltung, Hat sie soviel der Männer schon berückt: Was wird geschehn, wenn ihrer Wangen Rosen Erst heitrer blühn, und süße Blicke kosen? 37. Vorüber war auch sie, da ruft zum Throne Der Kön'ge König laut den Emiren; Denn Dieser soll, Vertreter seiner Krone, Vor allen Feldherr'n als ihr Feldherr gehn. Er naht, vorahnend, dem verdienten Lohne Mit Anstand, werth des Rangs, der ihm ersehn. Schnell theilet sich die Wache der Circassen, Um ihm den Weg thronaufwärts frei zu lassen. 38. Er beugt das Haupt, und legt, aufs Knie gefallen, Die Recht' an seine Brust. Der König spricht: Dies Scepter geb' ich dir; den Völkern allen Setz' ich dich vor; tritt du in meine Pflicht. Befreie du den fürstlichen Vasallen, Ueb' an den Franken rächendes Gericht. Geh, sieh und sieg'; und die dem Tod entgangen, Die bring' uns her, entwaffnet und gefangen. 39. So sagt der Herrscher, und die hohe Gabe Dankbar empfangend, spricht der Held voll Glut: Von Siegerhand beliehn mit diesem Stabe, Geh' ich zur That, o Herr, in deiner Hut. Daß Asien bald der Schmach Vergeltung habe, Hoff' ich, dein Feldherr, und mit deinem Muth. Nie, wenn nicht Sieger, kehr' ich heim zum Lande, Und dem Besiegten werde Tod, nicht Schande. 40. Und wenn vielleicht mit vorbestimmter Plage – Ich fürcht' es nicht – der Himmel uns bedroht: So schmettr' er dann, mit Einem Wetterschlage, Nur auf mein Haupt Unglück herab und Noth. Das Heer bleib' unverletzt; nicht Leichenklage, Siegsjubel feire dann des Führers Tod. Er schweigt, und mit des Volkes freud'gem Schalle Mischt sich der Klang barbarischer Metalle. 41. Und unter Jubelschall und Tonspiel wendet Der König sich mit seiner Edeln Reihn. Den Führern wird ein frohes Mahl gespendet Im Hauptgezelt; er aber sitzt allein, Indem er Speis' und Worte rings versendet, Denn ungeehrt von ihm soll Niemand sein. Armida findet Zeit und Ort gelegen Für ihre Kunst, da Freud' und Scherz sich regen. 42. Sie nun, nach aufgehobnem Mahl gewahrend, Daß jedes Auge sich auf sie beschränkt, Und durch bekannte Zeichen wohl erfahrend, Mit ihrem Gift sei jedes Herz getränkt, Steht auf vom Sitze, Stolz mit Ehrfurcht paarend, Indem sie ihren Schritt zum König lenkt, Und zeigt, so sehr sie kann, Kraft in Vereinung Mit Heldenmuth, durch Sprach' und durch Erscheinung: 43. Auch ich, o Herr! kam her, mich zu verpflichten Zum Kampf für Glauben und für Vaterland. Ich bin ein Weib, doch Fürstin, und mit nichten Mißziert ein fürstlich Weib das Kriegsgewand. Wer herrschen will, üb' alle Herrscherpflichten, Und Schwert und Scepter ziemt derselben Hand. Die meine wird, kraftvoll und unerschrocken, Aus Feindesbrust noch blut'ge Ströme locken. 44. Auch wähne nicht, daß mich an diesem Tage Zuerst entflammt die edle, hohe Lust; Für deinen Thron, für unsern Glauben wage Ich schon seit langer Zeit die kühne Brust. Wohl kannst du wissen, ob ich Wahrheit sage, Denn Eine That ist sicher dir bewußt: Wie mir's gelang, von allen Rittersleuten Der Kreuzesschaar die größten zu erbeuten. 45. Da wurden sie, gefangen und gebunden, Ein Prachtgeschenk, durch mich dir übermacht, Und sicher hieltest du, noch dieser Stunden, Sie wohl bewahrt in ew'ger Kerkernacht, Und hättest dann, der größten Fahr entbunden, Gewissern Siegs dein großes Werk vollbracht: Wenn nicht Rinald, der wilde, meine Krieger Im Feld erschlug und Jene löst' als Sieger. 46. Kund ist Rinald; von seinen Heldenthaten Wird auch bei euch die lange Folg' erzählt. Er ist's, der grausam mich hernach verrathen Durch ein Vergehn, dem noch die Rache fehlt. Zorn treibt zu dem, wozu Vernunft gerathen, Und hat den Arm zum Kampfe mir gestählt. Doch meine Schmach, den ganzen Lauf der Sache Erfahrt ihr einst; genug jetzt: Ich will Rache! 47. Und Rache wird mir! Nicht umsonst entraffen Die Winde jeden aus der Pfeile Schaar, Und auf die Schuld'gen lenkt gerechte Waffen Der Himmel selbst bisweilen wunderbar. Doch glückt' es wem, den Frevler hinzuraffen, Und brächt' er sein verhaßtes Haupt mir dar: Wohl würde mir auch diese Rache frommen, Hätt' ich auch selbst sie rühmlicher genommen; 48. So sehr mir frommen, daß ich mit Ergetzen Ihm lohnen will mit meinem theursten Hort. Mich, wenn er will, begabt mit reichen Schätzen Und mit mir selbst, führ' er als Gattin fort. Das will ich fest, unwiderruflich, setzen, Das schwör' ich mit unwandelbarem Wort. Wer diesen Preis der Wagniß meiner Fehde Für würdig hält, der zeige sich und rede! 49. Indeß dem Munde diese Wort' entwallen, Verfolgt Adrast sie mit der Blicke Glut. Nein, ruft er dann, dem Himmel würd's mißfallen, Wenn dein Geschoß sich taucht' in Mörderblut. Nicht würdig ist, durch deine Hand zu fallen, O schöne Schützin! solche Frevlerbrut. Ich will als Knecht mich deinem Zorn verdingen, Und Ich sein Haupt dir zum Geschenke bringen. 50. Das Herz reiß' ich ihm aus; dem Volk der Geier Sei sein zerfleischter Leichnam ein Gericht! So sprach Adrast, der übermüth'ge Freier; Doch Tissaphern ertrug sein Prunken nicht: Wer, zürnt' er, bist denn du, ruhmred'ger Schreier, Der vor dem Herrn und uns so prahlend spricht? Hier ist vielleicht, der dein Geschwätz besiegen Durch Thaten wird, und dennoch hat geschwiegen. 51. Der bin ich, spricht Adrast, der wenig Worte Pflegt zu gesellen seiner Thaten Zahl; Doch sprachst du dies an einem andern Orte So ungestüm: du sprachst zum letztenmal. Fort ging's, wenn der Chalif, zum Friedens-Horte Nicht seine Recht' erhob und Ruh befahl. Wohl, edle Frau, beginnt er zu Armiden, Ward dir ein groß und männlich Herz beschieden. 52. Und würdig bist du wohl, daß diese Beiden Dir opfern ihren Haß und ihre Wut, Damit du lenken magst der Schwerter Schneiden, Nach deinem Wunsch, auf jenes Räubers Blut. Doch wird ihr Wettkampf edler sich entscheiden, Dort heller strahlen Jedes Kraft und Muth. Er schwieg, und Beid' erneuten das Versprechen, Wetteifernd, blutig ihre Schmach zu rächen. 53. Und nicht nur sie: die Tapfersten bemühten Sich insgesammt mit kecken Prahlerei'n; Sie alle schworen ihr, sie alle glühten, Der Rache das verruchte Haupt zu weihn. So viele Waffen, solch verderblich Wüten Zog sie auf ihren Liebling jetzt herein. Er aber kam, dem Inselstrand entflogen, In schnellem Laufe glücklich durch die Wogen. 54. Denselben Weg durchschifft beim Wiederkehren, Wie bei der Hinfahrt, der beglückte Kahn, Und Lüfte, die das Segel blähn, gewähren Nicht minder Gunst, als sie zuvor gethan. Bald schaut Rinald den Pol-Stern und die Bären, Bald andre Sterne, die der nächt'gen Bahn Wegweiser sind, bald Ström' und Felsenhöhen, Die übers Meer die kühne Stirn erhöhen. 55. Bald forscht er nach dem Heer, dem Kriegesgange, Bald nach der Völker Sitt' und Lebensart; Und durch die Salzflut schiffen sie so lange, Daß man die vierte Sonne schon gewahrt. Kaum aber neigt sich die zum Untergange, Da lenkt das Schiff zur Küste seine Fahrt. Die Jungfrau spricht: Hier seht ihr das Gestade Des heil'gen Lands, hier enden unsre Pfade. 56. Sie setzt sodann die Ritter aus am Strande Und schwindet schneller, als ein Wort verhallt. Nun mischt die Nacht zu Einem Gegenstande Der Gegenständ' abwechselnde Gestalt, Und Jene schaun auf diesem öden Sande Ringsum kein Dach und keinen Aufenthalt, Nicht Eine Spur von Rossen oder Leuten, Nichts um des Weges Richtung anzudeuten. 57. Ein Weilchen stehn sie hier, noch unentschlossen, Dann wenden sie vom Meer ihr Angesicht Und wandern fort, und sieh! den drei Genossen Strahlt plötzlich aus der Fern' ein seltsam Licht, Das wie mit Silberblitzen, Goldgeschossen, Die Nacht erhellt, die Finsterniß durchbricht. Die Ritter nahn sich ihm auf gradem Wege, Und sehen bald, was diesen Glanz errege. 58. Sie sehn noch ungebrauchte Waffen hangen An einem Stamm, beglänzt vom Mondesstrahl, Und heller, als die Stern' am Himmel, prangen Die Edelstein' am Goldhelm und am Stahl, Und dieses Licht zeigt auf dem Schild, in langen Reihnfolgen, hell der schönen Bilder Zahl. Als Wächter, scheint es, sitzt ein Greis daneben, Der, sie erblickend, eilt sich zu erheben. 59. So wie Ubald und Karl ihn unterscheiden, Wird gleich ihr alter, weiser Freund erkannt. Mit frohem Blick begrüßen ihn die Beiden, Und traulich reicht er ihnen seine Hand. Dann kehrt er sich zum Jüngling, der bescheiden Und schweigend seinen Blick auf ihn gewandt: Nur dich, o Herr, so tönen seine Worte, Erwart' ich einsam hier an solchem Orte. 60. Ich bin dein Freund; vernimm von diesen Biedern, Mit welcher Sorg' ich dein Geschick umfaßt. Durch meine Hülf' entzogen sie der niedern Bezaubrung dich, der schnöden Schwelgerrast. Jetzt hör' ein Wort, das den Sirenenliedern Entgegen kämpft, und sei's dir nicht zur Last. Bewahr' es wohl, bis dir der Wahrheit Kunde Ertönt aus einem weisern, heil'gern Munde. 61. Nicht bei Sirenen, unterm Schattenflügel Der weichen Ruh', an blumumkränzter Flut: Nein, auf der Tugend mühevollem Hügel, Auf steilen Höh'n wohnt unser höchstes Gut. Dem wird es nie, der nicht im festen Zügel Die Wollust hält, nicht Frost erträgt und Glut. Und wolltest du verziehn, fern von den Strahlen Der heitern Höh'n, ein Aar in niedern Thalen? 62. Zum Himmel hat Natur dein Haupt erhoben, Dir hohen Geist geschenkt, großmüthig, kühn, Aufwärts zu schaun, und durch erlauchte Proben Um jeden höchsten Preis dich zu bemühn. Mit raschem Zorn ward dein Gemüth durchwoben, Nicht, daß er sollt' im Bürgerangriff glühn, Noch knechtisch niedrigen Begierden fröhnen, Die nimmer sich mit der Vernunft versöhnen: 63. Vielmehr daß deine Kraft, mit Zornes Waffen, Gewalt'ger dring' auf äußre Feinde hin, Und mächt'ger sei, aus deiner Brust zu raffen Der Sinne Gier, die innre Gegnerin. Zu welchem Zweck er ward dir anerschaffen, Lenk' ihn geschickt des Feldherrn weiser Sinn, Und mög' ihn bald entflammen und beflügeln, Bald, wie er will, abkühlen ihn und zügeln. 64. So sprach der Greis. Beschämt, doch voll Vertrauen, Vernahm Rinald der hehren Weisheit Ton Und ließ sein Herz durch dieses Wort erbauen, Indeß die Blicke still zur Erde flohn. Leicht war's dem Greis', in seine Brust zu schauen: Erhebe, sprach er, deine Stirn, o Sohn! Und wende deinen Blick zu diesem Schilde, Der deiner Väter Thaten zeigt im Bilde. 65. Schaun wirst du hier die Ehre deiner Ahnen Auf steilen Höh'n, wohin Verdienst sie trug. Du bliebst, ein träger Läufer, auf den Bahnen Erhabnen Ruhms zurück noch weit genug. Auf, sporne dich! Ermuntern und ermahnen Soll dieser Anblick dich zu rascherm Flug. So sprach der Greis, und während seiner Worte Blickt' unverwandt Rinald nach jenem Orte. 66. Zahllos Gebild in engen Raum geschlossen Hat des gelehrten Künstlers feine Wahl: Aus Actius hocherhabnem Blut entsprossen, Nie ausgesetzt, erscheint der Helden Zahl, Erscheint die ungetrübte Flut, entflossen Dem alten Römerquell, in lauterm Strahl. Mit Lorbeern ist der Fürsten Haupt umgeben, Der Weise zeigt ihr glorreich kriegrisch Leben. 67. Er zeigt, wie Cajus, da an allen Enden Das morsche Reich der fremden Macht sich neigt, Freiwill'ge Völker zäumt mit starken Händen Und Este's ersten Fürstenstuhl besteigt; Wie sich zu ihm die schwächern Nachbarn wenden, Da die Gefahr den Führer nöthig zeigt, Als jener Goth' auf schon bekannten Pfaden Zurückkehrt, von Honorius eingeladen. 68. Und wie hernach, als im Barbaren-Brande Italien überall zu lodern scheint, Und Rom bereits, in rauhem Sklavenbande, Vernichtung fürchtet von so wildem Feind: Wie da Aurelius frei erhält die Lande, Die unter seinem Scepter sich vereint; Und wie Forest dem Herrscher aus dem Norden, Dem Hunnen trotzt und seinen wilden Horden. 69. Leicht wird das Antlitz Attila's gefunden, Der wie mit Drachenaugen um sich schaut. Du siehst beinah, so gleicht sein Kopf den Hunden, Sein Zahngefletsch, hörst seines Bellens Laut. Sieh, wie er dann, im Zweikampf überwunden, Dem Schirm der Seinen fliehend sich vertraut. Und dort, zum Schutz von Aquileja's Vesten, Sieh dann Italiens Hektor ziehn, Foresten. 70. An anderm Ort ist ihm bestimmt zu fallen; Sein Loos ist Welschlands Loos. Sieh Acarin, Des großen Vaters großen Sohn! vor Allen, Stützt Heil und Ruhm Italiens sich auf ihn. Als dem Geschick, dem Hunnen nicht, gefallen Altinum war, mußt' er zurück sich ziehn, Und wußt' aus tausend in des Po Gefilden Zerstreuten Häusern eine Stadt zu bilden. 71. Durch Dämme schloß er in gemessne Bahnen Des Stromes Flut und ließ die Stadt entstehn, So in der Folgezeit die hohen Ahnen Des Hauses Este sich zum Sitz ersehn. Er muß, obwohl Besieger der Alanen, Im Kampf mit Odoacer untergehn, Und stirbt fürs Vaterland. O edles Sterben, Das ihn den Ruhm des Vaters läßt erwerben! 72. Mit ihm fällt Alphoris, und nothgedrungen Flieht Azzo mit dem Bruder aus dem Reich; Doch da der Herulertyrann bezwungen, Kehrt er zurück, an Rath und Waffen reich. Der, dem ins Aug' ein Todespfeil gedrungen, Este's Epaminondas, folgt sogleich, Und stirbt vergnügt, da Totilas, der wilde, Geschlagen wird, auf seinem theuern Schilde. 73. Von Bonifacius red' ich. In die Spuren Des Vaters trat schon früh Valerian; Den Mannesarm, die Mannesbrust erfuhren Die Gothen bald auf offner Kriegesbahn. Dann zeigt sich Ernst, der auf Dalmatiens Fluren Besiegt die Slaven, die sich dräuend nahn, Da von Monscelse schon durch Aldoarden Vertrieben war der König der Lombarden. 74. Heinrich ist dort, und Berengar; entboten Vom großen Karl zu hoher Waffenthat, Zeigt Dieser sich, von Keinem überboten, Als Held und Führer reich an Kraft und Rath. Nun schickt ihn Ludwig wider den Nepoten, Der in Italien seine Herrschaft hat. Schau! den Besiegten führt er fort, gefangen. Dann sieht man Otto mit fünf Söhnen prangen. 75. Dort zeigt sich Almerich, der in den Gauen Der Königin des Po schon Markgraf ist; Der Kirchengründer wendet voll Vertrauen Sein Auge himmelan, ein frommer Christ, Azzo der zweite läßt sodann sich schauen, Der sich im Kampf mit Berengaren mißt, Den er, nach langem Wechsel, überwindet, Und dann sich Herrscher von Italien findet. 76. Albrecht, sein Sohn, erwirbt im deutschen Reiche So hohen Ruhm, nachdem in Spiel und Schlacht Der Dän' erlag, daß Otto ihn, durch reiche Aussteuer lockend, sich zum Eidam macht. Nach ihm kommt Hugo, der mit kräft'gem Streiche Zu Boden schlägt des Römerstolzes Macht. Man wird ihn Markgraf von Italien nennen Und ganz Toscana ihn als Herrn erkennen. 77. Tedald erscheint; dann Bonifaz, der hehre, Bei ihm Beatrix, seiner Gattin, Bild; Doch keinen Sohn, der Erb' und Folger wäre Des großen, reichen Vaters, zeigt der Schild. Mathildis folgt ihm, die mit hoher Ehre Den Mangel an Geschlecht und Zahl vergilt; Denn sie, gleich groß an Kühnheit und Verstande, Deckt Kron' und Scepter mit dem Frau'ngewande. 78. Man wird des Heldengeists der großen Ahnen, Der Manneskraft, in ihrem Blick gewahr. Sie wirft den Normann, und auf öden Bahnen Flieht Guiscard selbst, der nie bezwungen war. Sie schlägt den vierten Heinrich, und die Fahnen, Die sie ihm nimmt, bringt sie dem Tempel dar. Dann setzt sie den vertriebnen Bischof wieder Auf Peters Stuhl im Vaticane nieder. 79. Man sieht, bald nach ihr, bald mit ihr verbunden, Den fünften Azzo, den sie ehrt und liebt; Doch blüh'nder wird des vierten Stamm gefunden, Der manchem Zweige Kraft und Nahrung giebt. Sein Sprößling Guelf, ein Sohn von Kunigunden, Der sich nach Deutschland, das ihm ruft, begiebt, Verpflanzet frisch, mit glücklichem Vertrauen, Den guten Samen Roms in Baierns Auen. 80. Dem Guelfenstamm, für sich fast ausgegangen, Impft er den Zweig aus Este's Garten ein. Du siehst den Baum mit Kron' und Scepter prangen Durch seiner Guelfen glückliches Gedeihn, Und, ungestört, zum höchsten Wuchs gelangen, Bestrahlt von günstiger Gestirne Schein. Dem Himmel gränzt er, nie im Trieb' ermattend, Halb Deutschland füllend und es ganz beschattend. 81. Doch blüht auch im italischen Gefilde Der königliche Baum nicht minder reich. Hier zeigt Berthold sich neben Guelfens Bilde; Azzo der sechste kommt den Ahnen gleich. Dies sind der Helden Reihn, die auf dem Schilde Zu athmen scheinen, warm und lebensreich. Rinaldo facht, im Anschaun ganz versunken, Die angeborne Glut zu hellen Funken. 82. Sein stolzer Geist, von eifersücht'ger Ehre Gereizt, entflammt, wird so dahin gerafft, Daß er bereits, als ob es wirklich wäre, Was Phantasie in seinem Innern schafft, Erstürmte Städte, hingewürgte Heere, Zu schauen wähnt mit seines Auges Kraft. Er waffnet sich, als ging' es gleich zum Kriege, Und eilt durch Hoffnung schon zuvor dem Siege. 83. Doch Karl, der schon das ruhmgekrönte Sterben Des Dänenfürsten ihm erzählt vorhin, Gab ihm das Schwert, ihm zuerkannt als Erben: Gebrauch' es glücklich, sprach er, zum Gewinn Der Christenheit, zu ihres Feinds Verderben, Mit minder frommem nicht als kühnem Sinn. Gebrauch's, um seinen ersten Herrn zu rächen; Er liebte dich und durft' es sich versprechen. 84. Und er: Gefall's dem göttlichen Gerichte, Daß einst die Hand, die nun dies Eisen trägt, Mit diesem Schwert des Schwertes Preis entrichte, Wann sie den Mörder seines Herrn erschlägt. Karl danket ihm mit frohem Angesichte, Indem er viel in wenig Worte legt. Jetzt aber naht den Beiden sich der Weise Und treibt sie an zu ihrer nächt'gen Reise. 85. Auf, spricht er, es ist Zeit; wir müssen fliegen, Denn Gottfried und das Lager harren dort. Drum schnell dahin, wo eure Völker liegen; Ich führ' im Dunkel sicher euch zum Ort. So spricht der Greis, hat sein Gefährt bestiegen Und nimmt die Andern bei sich auf sofort, Und nun, den Rossen schlaffen Zaum gewährend, Treibt er sie an, den Lauf gen Osten kehrend. 86. Stumm ziehn sie fort, vom Dunkel rings umschlossen; Da spricht der Weise, zu Rinald gewandt: Du sahest deinen Stamm, hoch aufgeschossen, Und Zweig' und Wurzel sind dir nun bekannt. Und hat er gleich so viele Heldensprossen Hervorgebracht seit er auf Erden stand: Doch ist und wird er müde nicht im Zeugen, Denn nie wird Alter seine Kräfte beugen. 87. O könnt' ich so, wie aus der Vorzeit Tagen Ich ließ hervor die ersten Väter gehn, Dir auch die Schaar der edeln Enkel sagen, Die einst aus deinem Heldenblut entstehn, Und ihren Ruhm vor Aller Augen tragen, Bevor sie noch das Licht der Welt gesehn! Denn nicht geringre Folg' an künft'gen Helden, Nicht minder hohe Thaten würd' ich melden. 88. Doch meine Kunst kann nicht für sich ergründen, Was noch die Zukunft birgt dem Angesicht; Nur trübe schimmert's, wie in Nebelschlünden Aus weiter Fern' ein ungewisses Licht. Und wag' ich doch, dir Ein'ges zu verkünden Mit Sicherheit, so nenn' es Dünkel nicht; Mir sagt' es der, dem oftmals ohne Hülle Der Himmel darlegt des Verborgnen Fülle. 89. Was ihm ein göttlich Licht zu offenbaren Gewürdigt hat, deß geb' ich dir Bescheid; Nie hat bei Griechen, Römern und Barbaren, Nicht jetzt, noch in der guten alten Zeit, Ein Stamm erzeugt so reiche Heldenschaaren, Als Himmelsgunst zu Enkeln dir verleiht; Denn gleichen werden sie den höchsten Namen Aus Roms und Sparta's und Carthago's Samen. 90. Allein vor Allen wird Alfonso ragen, Des Namens Zweiter, doch der Erst' an Werth. Er wird erstehn, wann in verderbten Tagen Die dürft'ge Welt nur wenig Helden nährt. Nie wird, wie Er, ein Mann so herrlich tragen Das Scepter auf dem Thron, im Kampf das Schwert, Der Waffen Last, des Diademes Bürde: Er, deines Stammes Ruhm und höchste Würde! 91. Als Knabe schon, in nachgeahmten Kriegen, Wird er des künft'gen Muths Verkünder sein; Im Ritterspiel wird er den Preis erfliegen, Das Wild wird vor ihm zittern und der Hain. Er wird hernach in wahren Schlachten siegen, Und reiche Beut' und Palmen warten sein; Und oftmals prangt er, mit verdientem Glanze, Im Lorbeer-, Eichen- oder Halmenkranze. 92. Nicht mindrer Glanz wird ihn als Mann verklären, Wann er den Frieden stiftet und bewacht. Den Seinen wird er Sicherheit gewähren, Obwohl umringt von kühner Nachbarn Macht; Die Künste fördern, das Talent ernähren, Festspiele feiern von erlesner Pracht; Mit gleicher Waage Straf' und Lohn vertheilen, Und sichern Blicks voraus der Zukunft eilen. 93. O sollt' er je zum Kriege mit den Frechen, Die Land und Meer dann furchtbar überziehn, Vor denen einst, in einer Zeit voll Schwächen, Die edelsten der Völker schmählich knie'n; Sollt' er, um Tempel und Altar zu rächen, Die sie zerstört, hinaus als Feldherr ziehn: Wie würd' er dann der Frevler Rotte zähmen, Wie harte Rach' an dem Tyrannen nehmen! 94. Dann wehrt' umsonst mit mächt'gem Widerstande Der Türk' und Mohr des Helden kühner That; Denn bahnen würd' er bis zum Euphrat-Strande, Bis auf des Taurus schneebedeckten Grath, Bis in des Sommers ewig blüh'nde Lande, Dem Kreuz, dem Aar, den Lilien ihren Pfad, Des Mohren Haupt mit heil'ger Flut bethauen Und so des Nils verborgne Quellen schauen. 95. So spricht der Greis, und die Prophetentöne Vernimmt entzückt der staunende Rinald, Dem der Gedank' an seine künft'gen Söhne Mit wonnigem Gefühl die Brust durchwallt. Nun zeigt Aurora sich in neuer Schöne, Der Morgenhimmel wandelt die Gestalt; Schon können sie von fern die Wimpel sehen, Die frei und lustig auf den Zelten wehen. 96. Von neuem nun beginnt der edle Weise: Seht, wie die Sonn' euch dort entgegen lacht Und freundlich euch das nahe Ziel der Reise, Feld, Lager, Stadt und Hügel kenntlich macht. Ohn' alle Fahr, auf unbekanntem Gleise, Hab' ich euch redlich bis hieher gebracht. Jetzt brauchet ihr, die Reise zu vollbringen, Des Führers nicht; ich darf nicht weiter dringen. 97. So nimmt er Abschied, wendet um den Wagen Und läßt zu Fuß die drei Gefährten dort, Und sie, die ihren Schritt gen Osten tragen, Ziehn raschen Gangs bis zu den Zelten fort. Schnell die ersehnte Heimkehr anzusagen, Fliegt das Gerücht voraus von Ort zu Ort, Und läßt die Kunde zu Bouillon gelangen, Der sich erhebt, die Ritter zu empfangen. Achtzehnter Gesang Achtzehnter Gesang. 1. Voll Ehrfurcht nun begann Rinald zu sprechen, Sobald der Feldherr ihm entgegen kam: Herr, an dem todten Krieger mich zu rächen, Trieb Eifersucht der Ehr' und glüh'nde Schaam, Und kränkt' ich dich, so weckte mein Verbrechen Wohl tiefe Reu' in mir und bittern Gram. Jetzt komm' ich, da du rufst, damit getreue Schuldtilgung einst mir deine Huld erneue. 2. So sprach Rinald mit demuthsvollem Neigen; Allein Bouillon umarmet ihn und spricht: Unsel'ger That Erinnrung möge schweigen; Geschehnes zu vergessen sei uns Pflicht. Du sollst uns deine Reu' in Thaten zeigen, Die ohnehin dein Heldenmuth verspricht; Denn uns zum Heil, der Feinde Trotz zu dämpfen, Sollst du des Waldes Ungeheu'r bekämpfen. 3. Der alte Forst, der reichlich zum Erbauen Des Kriegsgeräthes uns mit Holz versehn, Ist jetzt ein Wohnsitz von geheimem Grauen, Von Zauberwerk, deß Grund wir nicht erspähn. Nicht Einer wagt's, ein Zweiglein abzuhauen, – Und ohne Werkzeug an den Sturm zu gehn, Wehrt uns Vernunft. Nun, wo die Andern beben, Sollst du von deinem Muth uns Zeugniß geben. 4. So spricht Bouillon, und ohne Wortverschwenden Weiht sich Rinald der Mühsal und Gefahr. Er sagt nicht viel, doch wird er viel vollenden, Dies macht sein Blick und Anstand offenbar. Nun eilt er, zu den Andern sich zu wenden, Und bietet freundlich Mund und Rechte dar. Hier war Tancred, hier Guelf, vereinigt waren Hier insgesammt die Obersten der Schaaren. 5. Er eilt, den Gruß der Fürsten zu erwiedern, Und letzet sich im treuen Freundesarm; Leutselig dann empfängt er auch die Niedern, Und dankt dem Volk nicht minder froh und warm. Nicht freud'ger jubeln würden ihm die Biedern, Gedrängter wäre nicht der Krieger Schwarm, Und hätt' er auch den Ost und Süd geschlagen Und zög' einher auf prächt'gem Siegeswagen. 6. So geht er in sein Zelt, und sitzt, umgeben Vom Kreise der Vertrauten, fröhlich dort, Antwortet bald, läßt bald sich Kunde geben Vom Gang des Kriegs und von dem Zauberort. Doch als die Andern nun sich wegbegeben, Sagt ihm der Eremit ein ernstes Wort: Viel Großes, Herr, in wunderbarem Wandern Auf langem Pfad, hast du erlebt vor Andern. 7. Wie hast du doch den Herrn der Welt zu preisen, Der dich entrissen jener Zaubermacht, Und dich verlornes Lamm von irren Gleisen Zu seiner Heerde mild zurück gebracht, Und nun dich durch den Mund Bouillons, des weisen, Zum zweiten Diener seines Willens macht. Doch unentsündigt, darfst du nicht begehren, Für seinen Dienst die Rechte zu bewehren. 8. Denn du bist so vom Schmutz der Welt umzogen, So tief versunken in des Fleisches Wahn, Daß nicht des Nil und nicht des Ganges Wogen Dich säubern könnten, noch der Ocean. Des Himmels Gnad' allein, die dir gewogen, Vermag's zu thun; drum wende dich hinan, Fleh' um Verzeihung ihn, verhehl' ihm keine Der stillen Missethaten, bet' und weine. 9. Er spricht's; Rinald beweint in stiller Buße Den stolzen Zorn, den eiteln Liebesbund, Dann wirft er sich demüthig ihm zu Fuße Und macht die Jugendfehler all' ihm kund. Der Heil'ge löst ihn mit dem Gnadengruße Und spricht alsdann: Sobald dem Erdenrund Der Morgen strahlt, sollst du den Berg betreten, Der gegen Osten schaut, um dort zu beten. 10. Dann säume nicht, in jenen Forst zu dringen, Wohin die Höll' all' ihre Larven schickt; Du wirst, ich weiß, das Ungethüm bezwingen, Wenn nur kein andres Blendwerk dich umstrickt. O daß kein holdes Klagen oder Singen, Kein Bild, wie süß es lächelt oder blickt, Mit zarten Schmeichelei'n dein Herz betrüge! Verachte der Gebild' und Bitten Lüge. 11. So räth er ihm; voll Hoffnung und Verlangen Macht sich Rinald zum großen Werk bereit. Nachdenklich sind ihm Tag und Nacht vergangen, Und rüstig nun, noch vor der Morgenzeit, Läßt sich der Held vom Waffenschmuck umfangen Und nimmt ein neu, fremdfarbig Oberkleid. Zu Fuß und einsam, schweigend und entschlossen, Verläßt er nun das Zelt und die Genossen. 12. Als noch die Nacht von ihren stillen Reichen Dem Tage nicht die Herrschaft ganz vertraut, Am Himmel noch nicht alle Stern' erbleichen, Und kaum im fernen Ost der Morgen graut: Da eilt Rinald, den Oelberg zu erreichen, Und hebt den Blick zum Himmel auf, und schaut, Wie hier die Nacht, dort ihn der Morgen kröne Mit unvertilgbar göttlich hoher Schöne. 13. Wie schöne Lichter, muß er seufzend sagen, Vereint in sich des Himmelstempels Pracht! Der heitre Tag hat seinen Flammenwagen, Goldstern' und Silbermond durchziehn die Nacht. Doch Keiner hat an solchem Glanz Behagen; Wir haben nur des trüben Lichtes Acht, Das uns aus einem Antlitz, bald umdunkelt, In flücht'gem Blick, in kurzem Lächeln funkelt. 14. So sprechend, steigt er auf dem steilen Pfade Den Berg hinan, und oben kniet er hin. Er lenkt die Blicke nach des Osts Gestade, Hoch über alle Himmel fliegt der Sinn: O schaue, Herr, mit einem Blick der Gnade Auf meines Lebens sträflichen Beginn! Laß dein Erbarmen mein Gemüth befeuern, Den alten Sinn zu bessern, zu erneuern! 15. So fleht Rinald; am himmlischen Gefilde Wird schon zu Gold Aurorens Purpurlicht, Das, wie sie steigt, an seinem Helm und Schilde, Am Bergesgrün die goldnen Strahlen bricht. Mit sanftem Hauch umspielet leis' und milde Die Himmelsluft ihm Brust und Angesicht, Und läßt den Thau, Aurorens Schooß' entfallen, Auf sein entblößtes Haupt hernieder wallen. 16. Befeuchtet ward vom kräft'gen Himmelsthaue Sein Oberkleid, das aschenfarbig war, Und wie hinweggespült das Düstergraue, Und das Gewand erglänzte, weiß und klar. So herrlich schmückt die Blum' auf dürrer Aue Im Morgenkühl der Blätter welke Schaar; So sieht die Schlange, froh erstaunt, im Lenzen Sich frisch verjüngt von neuem Golde glänzen. 17. Sein Kriegsgewand so strahlend zu entdecken, Erfreuet sich der staunende Rinald, Und ohne Säumen lenkt er nun den kecken, Furchtlosen Schritt zum alten dunkeln Wald. Jetzt war er dort, wo seines Anblicks Schrecken Die minder Muthbegabten zwingt zum Halt; Doch nichts Unholdes, Fürchterliches hatten Die Bäume jetzt, nur lieblich frohe Schatten. 18. Er schreitet vor, und höret, wie von schönen, Anmuth'gen Tönen Alles rings erklingt. Sein Ohr vernimmt des Bächleins heisres Stöhnen, Geseufz der Luft, die durch das Laub sich schwingt, Des wohllautreichen Schwans wehmüthig Tönen, Die Nachtigall, die klagend Antwort singt, Und Orgeln, Leiern, menschliche Gesänge; Ein einz'ger Klang enthält so viele Klänge. 19. Er war gefaßt auf ein entsetzlich Brüllen, Wie es den Andern hier entgegen drang, Und Nymphen, Vögel, Luft und Bach erfüllen Sein staunend Ohr mit wonnevollem Klang. Er hemmt den Schritt, dies Wunder zu enthüllen; Dann geht er fort mit zögernd leisem Gang. Und siehet nichts sich ihm entgegen stellen, Als eines Stroms durchsichtig klare Wellen. 20. Die Fluren rings an seinen Ufern prangen Mit Farb' und Duft in lieblichem Verein; Er windet sich in tausendfachen Schlangen, Und seine Flut umströmt den ganzen Hain. Doch nicht genügt's, ihn außen zu umfangen, Ein schmaler Arm dringt in den Forst hinein; Vom Wald beschattet, netzt er seine Matten, Und lieblich tauschen beide Feucht' und Schatten. 21. Der Ritter späht, wo er den Fluß durchwade, Als plötzlich eine Wunderbrück' ihm blinkt, Aus Gold gemauert, die mit breitem Pfade Auf festem Bogengrund dem Wandrer winkt. Er geht hinüber; doch, kaum ans Gestade Gelangt sein Fuß, als sie sogleich versinkt, Hinabgeschwemmt vom erst so stillen Flusse, Der jetzt einherbraust in gewalt'gem Gusse. 22. Er kehrt sich um und sieht in breitern Räumen Den Strom, wie von geschmolznem Schnee geschwellt, Weit ausgedehnt, in tausend Wirbeln schäumen, Indem er um sich selbst sich rollt und wellt. Doch fühlt durch Neugier zu den alten Bäumen Des dichten Hains sich hingelockt der Held, Und immer scheint in wald'gen Einsamkeiten Ein neues Wunder ihm sich zu bereiten. 23. Wohin sein Fuß nur tritt im Weitergehen, Da quillt's hervor, da sproßt es alsobald. Hier sieht er Lilien, Rosen dort entstehen, Ein Bach entsprudelt, eine Quell' entwallt, Und über ihm, und rings, so weit zu sehen, Verjüngt sein Laub der hochbejahrte Wald. Die Rinde weicht sich auf, und wie im Lenzen Scheint jeder Baum von frischem Grün zu glänzen. 24. Ein flüss'ger Honig träufelt aus der Rinde, Mit Manna ist das grüne Laub bethaut, Und wiederum ertönet, leis' und linde, Klag' und Gesang in süßem Wechsellaut. Allein der Chor, der mit der Flut, dem Winde, Den Schwänen sich vereint, wird nicht geschaut; Er kann nicht sehn, wer diese Lieder singe, Woher der Schall des Klanggeräthes dringe. 25. Indem er schaut, und der Vernunft Ermessen Abläugnet was die Sinne kund gethan, Erblickt er eine Myrt' und lenkt indessen Den Schritt zu ihr nach einem freien Plan. Weit stolzer noch, als Palmen und Cypressen, Streckt sie die großen Aeste himmelan; Und fast berührt ihr Haupt die Wolkenräume, Als wäre sie die Königin der Bäume. 26. Ein neues Wunder, das sich dort entfaltet, Macht daß sein Fuß sich hemmt, sein Auge stiert: Ein Eichbaum ist's, der sich von selber spaltet, Den hohlen Schooß eröffnet und gebiert. Hervor tritt eine Nymphe, schön gestaltet, Und wunderbar ist ihr Gewand verziert, Und hundert Bäume sprengen dann die Rinden, Um sich von hundert Nymphen zu entbinden. 27. Wie oft sich auf Gemälden oder Bühnen Dem Auge zeigt der Waldgöttinnen Schaar, Hochaufgeschürzt, mit bloßem Arm, dem kühnen Kothurn der Jagd und aufgelöstem Haar: So stellen sich dem Ritter jetzt der grünen Baumrinden trügerische Töchter dar; Nur daß sie nicht mit Pfeil und Spieß sich zeigen, Denn Lauten, Cithern tragen sie und Geigen. 28. Sie fangen an zu tanzen und verschlingen Sich selbst zum Kranz im holden Ringelreihn, Und wie ein Kreis den Mittelpunkt, umringen Sie den Rinald in lieblichem Verein, Und auch den Baum umschließen sie und singen Dem Ritter zu anmuth'ge Schmeichelei'n: Wie schön, wie froh bist du hier eingetroffen, Du unsrer Herrin Lieb' und theu'rstes Hoffen! 29. Du kommst, der Kranken Labung zu gestatten, Die von der Liebe Pfeil verwundet glüht. Sieh diesen Wald, vorhin voll schwarzer Schatten, Nur Wohnung für ein trauerndes Gemüth, Sieh, wie so frisch, so lieblich seine Matten, Wie fröhlich er, sobald du kommst, erblüht! So sangen sie; ein süßer Ton entschwirrte Dem schönen Baum, und auf that sich die Myrte. 30. Oft zeigten Wunder sich in alten Zeiten Bei Oeffnung eines ländlichen Silen; Jetzt aber ließ viel schönre Seltenheiten Die Myrt' hervor aus ihrem Schooße gehn. Denn eine Nymphe sah man ihm entgleiten, Ein Trugbild, doch wie Engel anzusehn. Rinald erblickt's, und wähnt, mit leisem Grauen, Armidens liebliche Gestalt zu schauen. 31. Sie blickt ihn schweigend an, doch Wonn' und Klage Spricht tausendfach aus Einem Blicke schon. Seh' ich dich doch? – ertönt nun ihre Frage – Kehrst du zurück zu der, die du geflohn? Was führt dich her? Bringst du dem Trauertage, Der Wittwennacht nun endlich süßen Lohn? Wie? oder willst du neuen Krieg mir schaffen? Was birgst du dein Gesicht und zeigst die Waffen? 32. Kommst du als Freund, als Feind? Die reiche Brücke Erbaut' ich wahrlich meinem Feinde nicht, Schuf Quellen nicht und Blumen seiner Tücke, Noch räumt' ihm weg, was dies Geheg' umflicht. Leg' ab den Helm, und kommst du mir zum Glücke, Zeig' Aug' in Auge mir dein Angesicht. Laß Mund an Mund und Brust an Brust sich fügen; Ja, deine Hand soll meiner Hand genügen. 33. So fuhr sie fort und warf der Augen Strahlen Ihm flehend zu, der Wangen Farb' entschwand, Und holde Thränen, süße Seufzer stahlen Sich leis' hervor, so heuchlerisch gewandt, Daß arglos Mitgefühl bei solchen Qualen Erweichen konnt' auch spröden Diamant. Allein der Held, nicht grausam noch verwegen, Behutsam nur, zieht ohne Rast den Degen. 34. Er naht der Myrte sich; doch mit den Armen Umschlingt sie den geliebten Stamm und schreit: Nie sei es wahr, daß du, zur Schmach mir Armen, Mit wildem Eisen meinen Baum entweiht! Leg' ab dein Schwert; wo nicht, stoß' ohn' Erbarmen Es in Armidens Brust, und end' ihr Leid. Ja, diese Brust, dies Herz mußt du durchdringen, Willst du dein Schwert an meine Myrte bringen! 35. Er zückt den Stahl, vom Flehn nicht aufgehalten; Da zeigt ein neues Wunder sich geschwind. Wie oft im Traum sich Bilder umgestalten, Aus Einem sich ein andres Bild entspinnt: So dehnt ihr Leib sich aus, und düstre Falten Zeigt ihr Gesicht; das Weiß und Roth zerrinnt. Als hoher Ries' erscheint sie, umgeschaffen Zum hundertarm'gen Brīareus in Waffen. 36. Und funfzig Schwerter, funfzig Schilde reichen Ihr mächt'ge Wehr; Wut flammt ihr Angesicht. Die Nymphen auch, die jetzt Cyklopen gleichen, Bewaffnen sich; er aber zittert nicht, Und fällt den Baum an mit vermehrten Streichen, Der, wie beseelt, stöhnt unterm Schwertgewicht. Das Luftgefild gleicht stygischen Gefilden, Von Ungeheuern voll und Graungebilden. 37. Die Erde bebt, als spräng' in tausend Splitter Ihr alter Grund; mit Blitz und Donner regt Am Himmel sich ein gräßlich Ungewitter, Das ins Gesicht ihm Sturm und Hagel schlägt. Doch keinen einz'gen Hieb verfehlt der Ritter, Bei aller dieser Wut stets unbewegt. Er fällt den Baum, den Nußbaum, nicht mehr Myrte; Der Zauber schwand, der Larven Heer entschwirrte. 38. Die Luft erhellte sich, die Stürm' entwallten; Der Forst war wieder wie vorhin zu schau'n, Nicht froh noch furchtbar mehr durch Zauberwalten, Von Grauen voll, doch angebornem Grau'n. Rinald versucht, was noch ihn könne halten, Die Bäume dieses Waldes umzuhau'n; Dann lächelt er und spricht: O eitle Lügen! O thöricht, wer von euch sich läßt betrügen! 39. Ins Lager kehrt er heim. Von heil'gem Brande Durchglüht, ruft Peter dort mit lautem Ton: Gelöset sind des Waldes Zauberbande, Der Sieger kehrt zurück, er nahet schon! Seht da! Und nun, im glänzenden Gewande, Ehrwürdig stolz, erscheint der Heldensohn; Und von des Adlers silbernem Gefieder Strahlt glänzender als sonst die Sonne wieder. 40. Vom ganzen Heere wird er froh empfangen Mit lautem Ruf, der weit durchs Lager schallt, Und von Bouillon mit ehrenvollem Prangen; Doch es beneidet Keiner den Rinald. Zum Feldherrn spricht der Held: Auf dein Verlangen Ging ich, und sah den schreckenvollen Wald; Ich sah und brach den Zauber. Laß die Schaaren Jetzt ruhig ziehn; nichts mehr ist zu befahren. 41. Die Leute gehn zum alten Forst und hauen Mit guter Wahl des Holzes dort genug. Und zeigt' ein schlechter Zimmermann beim Bauen Des ersten Thurms nur wenig Kunst und Fug, So ließ sich jetzt ein hoher Künstler schauen Und fügte das Gebälk geschickt und klug: Wilhelm von Genua, der auf weiten Wogen Als Herr des Meeres sonst umher gezogen. 42. Der großen Heidenflotte mußt' er weichen, Und ließ ihr dann die Herrschaft auf dem Meer. Jetzt bracht' er alles Seevolk sammt der reichen Wehrrüstung seiner Schiffe mit zum Heer. Mit ihm im Fach der Werkkunst zu vergleichen War von den größten Meistern keiner mehr; Auch hatt' er bei sich hundert Baugesellen, Um jeden seiner Plan' ins Werk zu stellen. 43. Viel Katapulten, Widder und Balisten Ließ er erbau'n durch seiner Künstler Hand, Und andres Sturmzeug, das in kurzen Fristen Zerstören soll die feste Mauerwand. Doch Größers schuf er noch zum Heil der Christen; Dies war ein Thurm, der ganz aus Holz bestand Und äußerlich mit Häuten war umschlossen, Zum sichern Schutz vor feurigen Geschossen. 44. Leicht wird das Werk zerlegt in seine Stücke, Und wieder eingefugt geschwind und leicht. Von unten kommt der Widder, der voll Tücke Die gegenübersteh'nde Wand bestreicht; Dann aus der Mitt' hervor springt eine Brücke, Die fest und sicher bis zur Mauer reicht; Und endlich zeigt ein kleinrer Thurm sich oben Und wird mit leichter Müh' empor geschroben. 45. Schnell läßt der Thurm sich aus der Stelle schaffen; Wo ebner Weg ist, läuft er hurtig fort Auf hundert Rädern; auch beschwert mit Waffen Und vielem Volk, vertauscht er leicht den Ort. Die fremde Kunst, der Arbeit Schnelle gaffen Die Schaaren an und stehn verwundert dort. Und außer diesem rüstet man zum Sturme Zwei andre noch, ganz gleich dem ersten Thurme. 46. Doch in der Stadt die Saracenen paßten Auf Alles wohl, was man im Lager macht; Denn ihrer Späher Schaar hielt ohne Rasten Vom nächsten Ort der Mauer gute Wacht. Sie sahn zum Lager die gewalt'gen Lasten Der Buchen, Fichten aus dem Forst gebracht, Sahn Sturmgeräth; doch ließ sich von den Werken, So fern, nicht deutlich die Gestalt bemerken. 47. Auch sie bereiten Kriegsgeräth, und geben Den Thürmen und der Mauer größre Kraft, Indem sie diese dort noch mehr erheben, Wo sie am mindsten Sicherheit verschafft. Nun glaubt man, daß gewiß das kühnste Streben Der Feindesmacht an dieser Wehr erschlafft. Doch jede Wehr wird von den Feuerstoffen, Die jetzt Ismen bereitet, übertroffen. 48. Er sammelt Pech und Schwefel aus der Welle Des Sees, der über Sodom sich ergießt; Vielleicht auch aus dem Strom, der um die Schwelle Des Höllenabgrunds in neun Kreisen fließt, Und schafft ein Feuer, das mit wilder Schnelle, Mit Stank und Rauch, dem Feind ins Auge schießt; So hofft er seinen Wald, den jene Frechen Trotz ihm verletzt, durch wilden Brand zu rächen. 49. Indeß zum Sturm das Heer auf diese Weise, Und zur Vertheid'gung sich die Veste schickt, Wird eine Taube, hoch im Wolkengleise, Von Vielen aus dem Frankenheer erblickt. Auf flüss'ger Bahn verfolgt sie ihre Reise, Und regt die Flügel rüstig und geschickt. Schon senkt die fremde Botin ihr Gefieder Aus hoher Luft zur nahen Stadt hernieder: 50. Als mit gekrümmtem Schnabel, mächt'gen Klauen, Auf einmal ein gewalt'ger Falk erscheint, Wie um den Weg zur Stadt ihr zu verbauen; Doch sie erwartet nicht den wilden Feind. Hinunter treibt er sie aus luft'gen Auen Zum großen Zelt; schon trifft er sie, wie's scheint, Und zielt nach ihrem Kopf mit scharfem Stoße, Sie aber flüchtet schnell zu Gottfrieds Schooße. 51. Kaum hat sie hier wohlthät'gen Schutz gefunden, Als Gottfried eine Seltsamkeit gewahrt: Ein Faden ist um ihren Hals gewunden, Der unterm Fittig einen Brief bewahrt. Er eilt sogleich, den Inhalt zu erkunden, Der ihm in kurzem Wort dies offenbart: Dem Herrscher von Judäa Gruß und Ehre Vom Feldherrn über die ägypt'schen Heere! 52. Nicht zag', o Herr! steh fest und halte Dauer Nur bis zum vierten oder fünften Tag; Denn bald befreien werd' ich jene Mauer, Und stürzen deinen Feind auf Einen Schlag. – Dies war die wicht'ge Botschaft, die in schlauer Geheimschrift jetzt vor Gottfrieds Augen lag, Und die man durch den Flügelboten sandte, Wie man im Ost sie damals oft verwandte. 53. Der Feldherr giebt, nachdem er dies vernommen, Die Taube frei; sie aber wagt sich nicht Zu ihrem Herrn zurück, von Furcht beklommen, Weil sie gebrochen glaubt des Dienstes Pflicht. Nun läßt Bouillon die Führer zu sich kommen, Zeigt ihnen den geheimen Brief und spricht: Ihr schaut, wie Alles uns zu offenbaren Gewürdigt hat der Herr der Himmelsschaaren. 54. Nicht längre Zeit ist säumend zu verbringen; Beginnen muß man neue Bahn sofort, Und, um die Mittagsmauer zu bezwingen, Nicht sparen weder Schweiß noch Mühe dort. Schwer ist es, da mit Waffen durchzudringen; Doch kann's geschehn, ich kenne Weg' und Ort. Und sicher hat die Mauer, durch die Stärke Der Lage fest, dort minder Wehr und Werke. 55. Du, Raimund, greif' an jener Mittagsseite Mit deinem Sturmgeräth die Mauern an, Indeß ich jenseits meine Schaar verbreite, Als wollt' ich mich dem Norderthore nahn. Dies sieht der Feind, und wird zum stärksten Streite Gen Mitternacht sich ziehn, in falschem Wahn; Dann schwenkt mein großer Thurm, sich leicht bewegend, Ein wenig ab, und stürmt in andrer Gegend. 56. Zu mir heran, Camill, wirst du indessen Zum Angriff mit dem dritten Thurme ziehn. Er schwieg, – und Raimund, ihm zunächst gesessen, Der mittlerweil still zu erwägen schien, Begann: Des Feldherrn weislichem Ermessen Läßt nichts hinzu sich fügen, noch entziehn. Nur dieses rath' ich noch, daß Jemand gehe, Der im Aegypterheer nach Kundschaft spähe, 57. Und wahrhaft uns des Feindes Stärke sage, Und welchen Plan des Krieges man erkor. Tancred versetzt: Zu dieser Absicht schlage Ich einen meiner Waffenträger vor. Rasch ist er und gewandt in jeder Lage, Verwegen, doch kein unvorsicht'ger Thor. Er kennt die Sprachen von verschiednen Ländern, Weiß Stimme, Gang und Anstand leicht zu ändern. 58. Man ruft ihn her; und als er kaum vernommen, Was Gottfried, was sein Herr von ihm begehrt, Sagt er's mit Lächeln zu, ganz unbeklommen, Und spricht vergnügt: Gleich setz' ich mich aufs Pferd. Bald will ich zu des Feindes Zelten kommen; Als Späher, unerkannt und unverwehrt, Dring' ich am hellen Mittag ein zum Walle Und zähle dort die Ross' und Krieger alle. 59. Von jenes Heers Beschaffenheit und Stärke, Vom Plan des Feldherrn bring' ich euch Bescheid. Nichts vorgehn soll in ihm, was ich nicht merke, Und wär' es auch die größte Heimlichkeit. So spricht Vafrin und schreitet rasch zum Werke, Wählt, statt des Wammses, sich ein langes Kleid, Und zeigt den Hals entblößt; das Haupt umwinden, Nach Heidenart, verschlungne, falt'ge Binden. 60. Den Köcher nimmt er und den Syrerbogen, Ausländer ganz an Wesen und Gestalt, Und all' den Sprachen, die ihm rasch entflogen, Staunt jedermann, dem seine Red' erschallt. Zum Syrer hätt' er sich in Tyr gelogen, Wie er in Memphis für Aegypter galt. Er reitet fort, so schnell, daß kaum die Spuren Sein Renner läßt in weichen Sandesfluren. 61. Die Franken, eh der zweite Tag sich endet, Verbessern rings die Weg' in aller Hast; Auch wird zugleich das Sturmgeräth vollendet, Denn nimmer ruhn sie von der Arbeit Last. Die Nacht sogar wird wie der Tag verwendet Und ihr geraubt die sonst gewohnte Rast, Und nun ist nichts, was noch im Wege bleibe, Daß man den Sturm mit aller Kraft betreibe. 62. Den Tag vor dem bestimmten Ueberfalle Verbringt der Feldherr meistens im Gebet, Und beichten läßt er seine Krieger alle, Worauf das Heer zum Tische Gottes geht. Mit Absicht zeigt er nun vor jenem Walle, Den er zu schonen denkt, sein Sturmgeräth, Und der getäuschte Feind, zum Streite fertig, Ist vor dem sichern Thor des Sturms gewärtig. 63. Kaum aber färbt die dunkle Nacht sich grauer, So wird der große Thurm dahin gebracht, Wo, minder krumm und minder fest, die Mauer Sich nicht in Bogen neigt, noch Winkel macht. Hoch ob der Stadt steht Raimund auf der Lauer Mit seinem Thurm, und harrt der nahen Schlacht, Und zwischen Nord und Westen rückt zum Sturme Camill heran mit jenem dritten Thurme. 64. Am Morgenrand des Horizonts entdecken Die Schimmer jetzt der Sonne Wiederkehr: Da sieht der Feind mit nicht geringem Schrecken, Der Thurm sei nicht auf seiner Stelle mehr, Und dort und hier drohn an verschiednen Ecken Zwei andre Thürme, nie erblickt vorher, Und ganz unzählig sieht man bei den Christen Die Katapulten, Widder und Balisten. 65. Die Heiden bringen nun, sich rasch bewegend, Von seinem frühern Ort das Kriegsgeräth, Das zur Vertheid'gung dient, nach jener Gegend, Wo man Bouillons Sturmwerkzeug jetzt erspäht. Allein der weise Feldherr, wohl erwägend, Daß ihm Aegyptens Heer im Rücken steht, Läßt Guelf und beide Robert zu sich bitten, Und spricht: Bleibt hier, bewaffnet und beritten, 66. Und sorgt dafür, wann wir zum Sturme schreiten Und uns der minder starken Mauer nahn, Daß keine Schaar, indeß wir vorne streiten, Uns unversehens greif' im Rücken an. Er schweigt. Schon ziehn von drei verschiednen Seiten Drei tapfre Schaaren jetzt zum Sturm heran; Drei Schaaren auch stellt Aladin entgegen, Der heute selbst ergreift den alten Degen. 67. Vor Alter zitternd, hüllt er seine Glieder, Von eigner Last gedrückt und manchem Jahr, Jetzt in die längst entwöhnte Rüstung wieder, Und stellt sich gegen Raimunds tapfre Schaar. Auf Gottfried schickt er Solyman hernieder, Argant auf den Camill; bei Diesem war Der Neffe Bohemunds, vom Glück erkoren, Den Feind, der ihm gebührte, zu durchbohren. 68. Die Schützen nahn zuerst in raschen Zügen Und drücken giftgetränkte Waffen los, Und von der Pfeil' unzähl'gen Wolkenflügen Verdunkelt sich des Himmels weiter Schooß. Doch die gewalt'gen Mauerbrecher fügen Noch größres Unheil zu durch mächt'gern Stoß; Denn Marmorkugeln sind es, die sie werfen, Und Balken fahren aus mit Eisenschärfen. 69. Ein Blitz ist jeder Stein, und wen er funden, Dem malmt er Wehr und Glieder dergestalt, Daß nicht nur Seel' und Leben sind entschwunden, Auch selbst des Leibes und Gesichts Gestalt. Die Lanze bleibt nicht stecken in den Wunden, Auch nach dem Stoße macht sie keinen Halt. Zu dieser Seite dringt sie ein, zur andern Fährt sie hinaus, und läßt den Tod im Wandern. 70. Die Heiden, trotz so wildem Angriff, wachen Zum Schutz der Stadt nicht minder aufmerksam. Geschmeidig Tuch, sammt andern weichen Sachen, War's, das die Macht des Stoßes auf sich nahm. Der Prall fand keinen Widerstand am schwachen Nachgieb'gen Zeug, und traf nur matt und lahm, Und wo der Feind achtloser sich ergossen, Ward rauh erwiedert mit den Fluggeschossen. 71. Allein der Franken Angriff wird nicht lauer, Und jede der drei Schaaren bleibt bewährt. Die kommen unterm Dach, an dem der Schauer Gedrängter Pfeil' umsonst hernieder fährt; Und Jene ziehn die Thürm' heran zur Mauer, Die sie aus allen Kräften von sich wehrt. Nun wirft man Brücken aus von allen Thürmen Und läßt die Eisenstirn des Widders stürmen. 72. Rinald indeß scheint zögernd noch zu schwanken, Weil er die Fahr nicht seiner würdig meint; Ihm däucht es Pöbelruhm, wie andre Franken Gemeinen Weg zu gehn, dem Volk vereint. Er schaut umher, und wählt nun ohne Wanken Den Pfad, der Jedem unzugänglich scheint. Wo, unbekriegt, mit höhern, stärkern Zinnen Die Mauer trotzt, will er den Sturm beginnen. 73. Er wendet sich zu der berühmten Menge, Die Dudo sonst geführt, und spricht voll Glut: O Schande, daß, bei solchem Kampfgedränge, Die Mauer dort in sicherm Frieden ruht! Nie gab's Gefahr, die Kühnheit nicht bezwänge, Und jeder Pfad ist eben für den Muth. Wohlauf, zum Sturm! wir schützen vor den wilden Steinwürfen uns mit einem Dach von Schilden. 74. Er rief's; gleich traten zu ihm die Gefährten Und hoben übers Haupt die Schild' hinan, Die, fest gefugt, ein Eisendach gewährten, Hinlänglich stark, das Wetter zu empfahn. Geschlossen dringt die Schaar der Muthbewährten Im Sturmschritt vor, und nichts hemmt ihre Bahn; Denn aufgefangen wird vom festen Dache, Was auch verderblich jetzt herniederkrache. 75. Schon sind sie da. Rinaldo's Arme hoben Die hundertspross'ge Leiter an die Wand, Und leichter, als ein Rohr vom Windestoben, Ward sie bewegt von seiner starken Hand. Steinklumpen, Säulen, Balken wirft man oben Auf ihn hinab; er steigt, rasch und gewandt, Unzaghaft, unbesiegt vom stärksten Pralle, Nicht achtend, ob Olymp und Ossa falle. 76. Ein Wald von Pfeilen, Berg von Felsensplittern Stürmt auf den Schild und auf den Rücken ein. Die eine Hand macht rings die Mauer zittern, Die andre muß dem Haupte Schutz verleihn. Sein Beispiel regt auch bei den andern Rittern Den Muth zur That; er steigt nicht mehr allein. Noch Viele klimmen an auf hoher Leiter; Doch ungleich sind Kraft und Erfolg der Streiter. 77. Der stirbt, de r fällt; Er, stets im Weiterrücken, Ermuntert diese hier, droht jenen dort. Schon packt sein Arm – denn Alles muß ihm glücken – Weit ausgestreckt, den höchsten Mauerbord. Das Volk rennt zu; mit Drängen, Stoßen, Drücken Bestürmt man ihn, und treibt ihn doch nicht fort. O Wunder! solcher Schaar, fest, kräftig strebend, Ihr widersteht Ein Mann, in Lüften schwebend. 78. Er widersteht, rückt vor, ermannt sich wieder; Der Palme gleich, die eine Last beschwert, Erstarken ihm, je mehr bekämpft, die Glieder, Und durch den Druck wird seine Kraft vermehrt. Nun endlich wirft er alle Feinde nieder, Dringt mit Gewalt durch Lanze, Spieß und Schwert, Springt auf den Mauerkranz als Herr und Sieger, Und macht ihn frei auch für die andern Krieger. 79. Er selber bot die siegreich günst'ge Rechte Dem jüngsten Bruder seines Feldherrn dar, Als dessen Kraft sich bis zum Fallen schwächte, Und half ihm so, daß er der Zweite war. Indeß erfuhr im wechselnden Gefechte Der Feldherr manch Geschick und viel Gefahr; Denn nicht der Mensch nur kämpft an jener Stäte, Auch Kriegsgeräth kämpft mit dem Kriegsgeräthe. 80. Hoch auf der Mauer war ein Stamm zu schauen, Der sonst auf einem Schiffe dient' als Mast. Quer über ihm, mit stahlbeschlagnem rauhen Stirntheil bewehrt, hängt eines Balkens Last, Die, erst zurückbewegt an starken Tauen, Dann wiederkehrt mit ungestümer Hast. Jetzt kriecht die Schildkröt' ein; jetzt, mit Gebrause, Streckt sie den Hals hervor aus ihrem Hause. 81. Der mächt'ge Block verdoppelt seine Pralle Und schmettert auf den Thurm mit solchem Graus, Daß er ihm löst die festen Fugen alle, Und fort ihn stößt und schüttelt ihn durchaus. Doch sichre Waffen hatt' in diesem Falle Der Thurm bereit: zwei Sicheln fahren aus, Die sich geschickt dem Block entgegenwerfen Und ihm die Seil' abhau'n mit ihren Schärfen. 82. So wie ein Felsklump, durch die Zeit verwittert, Gelöst vielleicht vom ungestümen Nord, Hernieder stürzt und rings den Wald zersplittert, Und Hütten reißt und Heerden weg vom Ort: So stürzt der Balken, daß der Wall erzittert, Reißt Zinnen, Volk und Waffen mit sich fort. Ein-, zweimal kracht der Thurm mit lautem Dröhnen, Die Mauer bebt, die Hügel rings ertönen. 83. Schon glaubt Bouillon erstiegen das Gemäuer, Und dringet siegreich immer weiter vor; Doch plötzlich steigt ein stinkend, dampfend Feuer, Das auf ihn zufährt, von dem Wall empor. Noch nimmer brach so furchtbar ungeheuer Die Flamm' aus Aetna's Schwefelschlund hervor; Nie goß der Himmel noch, im Sommerbrande, So heiße Dünst' herab auf Indiens Lande. 84. Brandtöpfe, Reife, Feuerspeere sausen; Hier strahlt die Flamme schwarz, dort blutig roth. Der Stank berauscht, betäubend wirkt das Brausen, Blind macht der Rauch, die Flamme faßt und loht. Nicht lange wehrt die nasse Haut dem grausen Gewalt'gen Brand, kaum schützt sie noch zur Noth. Schon schwitzt sie und verschrumpft, und hilft zur Stunde Der Himmel nicht, so geht der Thurm zu Grunde. 85. Der hehre Feldherr steht vor seinen Leuten Und ändert nicht die Farbe noch den Stand, Die Schaar ermunternd, die den trocknen Häuten Flut überströmt, zum Schutz vor jenem Brand. Doch als schon näher die Gefahren dräuten Und wenig sich des Wassers übrig fand: Da, siehe! fährt ein Sturm herab von oben Und weht den Brand auf die, so ihn erhoben. 86. Er jagt die Glut zurück zu ihren Schlünden Und auf die Tücher, die, vom Feind bestimmt Zum Schutz der Mauer, sich sogleich entzünden, So daß, was brennbar ist, in Kurzem glimmt. O Held, mit dem die Himmel sich verbünden, Den der Allmächt'ge selbst in Obhut nimmt! Der Höchste kämpft für dich; die Winde kommen, Sobald sie der Posaunen Ruf vernommen. 87. Allein Ismen, der von des Nordes Flügen Sieht auf sich selbst gejagt die Schwefelglut, Will noch einmal durch seine Kunst der Lügen Bewält'gen die Natur, der Stürme Wut, Und sammt zwei Druden, die sich zu ihm fügen, Klimmt er zur Mauer an mit frechem Muth. Schwarz, bärtig, grauenhaft, scheint er den Sinnen Ein Charon, Pluto, neben zwei Erinnen. 88. Schon murmelt er die Worte, deren Schauer Den Phlegethon und den Cocytus bannt; Schon dunkelt sich die Luft, schon hat ein grauer Dunstnebel rings der Sonne Stirn umspannt: Da, siehe, fährt vom hohen Thurm zur Mauer Ein großer Stein, gelöst von Bergeswand. Er stürzt zugleich auf alle Drei hernieder, Verströmt ihr Blut, zerschmettert ihre Glieder, 89. Und so zerstückelt werden die Gebeine, Zermalmt die Schädel von des Blocks Gewicht, Daß kaum das Korn, gequetscht vom Mühlensteine, In kleinre Stäubchen sich zerreibt und bricht. Die drei verruchten Geister fliehn die reine, Lebend'ge Luft, das schöne Himmelslicht, Und eilen seufzend in das Reich der Nächte – Drum, Menschen, fürchtet Gott und übt das Rechte! 90. Der Thurm indeß, den vor des Feuers Wogen Der Wind geschützt, eilt, sich der Stadt zu nahn, Und legt bereits der Brücke schmalen Bogen, Mit kühnem Wurf, fest auf die Mauer an. Doch schnell kommt Solyman herbei geflogen Und sucht zu brechen die verwegne Bahn, Und mehrt die Hieb' und hätte sie zerhauen; Doch plötzlich läßt ein andrer Thurm sich schauen. 91. Anwachsend, ragt ob allen Häusermassen Weit in die Luft der hohe Bau empor. Die Heiden sehn dies Wunder und erblassen, Weil selbst die Stadt an Höhe jetzt verlor. Doch Solyman will seinen Platz nicht lassen, Ob auch die Steinmeng' ihn zum Ziel erkor; Er giebt's nicht auf, die Brücke zu zerschlagen, Und muntert auf und schilt der Andern Zagen. 92. Da zeigt sich Engel Michael des frommen Heerführers Augen, sichtbar ihm allein, Von Himmelswehr umblitzt, von Licht umglommen, Besiegend der entwölkten Sonne Schein. Sieh, Gottfried, spricht er, sieh! die Stund' ist kommen, Vom Joch der Knechtschaft Zion zu befrei'n. Nicht senke, senke nicht die scheuen Blicke; Schau, welchen Beistand dir der Himmel schicke! 93. Erhebe nur die schwachen Augen freier Und sieh das Himmelsheer in luft'gen Au'n! Denn lüpfen will ich deinem Blick den Schleier Der Sterblichkeit, deß undurchdringlich Grau'n Dem Menschen birgt des Himmels hohe Feier, So wirst du hüllenlose Geister schau'n Und kannst dem Glanz der englischen Gestalten Auf kurze Frist dein Aug' entgegen halten. 94. Sieh jene, die, für Christi Wort gefallen, Als Geister nun des Himmels Bürger sind, Die mit dir kämpfen, und auch mit dir wallen Ans hohe Ziel, das deine Kraft gewinnt. Sieh, wo die Mauern dort in Trümmer fallen, Wo Staub und Dampf schwarz durcheinander rinnt, Dort kämpfet Hugo zwischen Rauch und Flammen, Und stößt der Thürme festen Grund zusammen. 95. Sieh dort, wie Dudo die erhabne Pforte Gen Mitternacht bestürmt mit Schwert und Brand. Er reicht den Kriegern Wehr, ruft kräft'ge Worte, Legt Leitern an und hält sie fest im Stand. Der dort sich zeigt, an jenem höhern Orte, Geschmückt mit Bischofshut und Meßgewand, Ist Adhemar, der Hirt aus sel'gen Reichen; Er segnet euch und macht des Kreuzes Zeichen. 96. Richt' höher noch den Blick und sieh das ganze Vereinte Himmelsheer in voller Pracht! Er hebt das Aug' und sieht in hellem Glanze Geflügelt, ohne Zahl, des Himmels Macht. Drei Schaaren sind's, und jed' in einem Kranze, Drei Glieder stark, geordnet wie zur Schlacht; Und ihre Kreise, die an Raum gewinnen Nach außen zu, verengern sich nach innen. 97. Geblendet sank sein Aug'; er hebt's, um weiter Des Schauspiels sich zu freu'n, und sieht's nicht mehr. Doch, um sich blickend, sieht er seine Streiter Vom Siegsglück angelächelt rings umher. Viel' Helden trug, Rinalden nach, die Leiter; Und Er, schon oben, würgt im Heidenheer. Da zürnt Bouillon, die Zeit hier zu verschwenden, Und reißt die Fahn' aus ihres Trägers Händen. 98. Zuerst beschreitet er die Brück', und eben Sperrt in der Mitt' ihm Solyman den Weg. Hier zeigt sich ein unendlich Heldenstreben In wenig Hieben, auf so engem Steg. Der tapfre Sultan ruft: Für Andrer Leben Werf' ich, mich opfernd, hier das meine weg. Haut ab die Brücke hinter mir, o Leute! Ich bleibe hier, doch nicht als leichte Beute. 99. Da sieht er den Rinald, hieher sich lenkend, Und Alle fliehn vor seinem grausen Nahn. Was soll ich thun? Mein Leben hier verschenkend, Verschenk' ich's, spricht er, ohne Zweck und Plan. Und immer noch auf neue Schutzwehr denkend, Läßt er nunmehr dem Feldherrn freie Bahn, Der drohend folgt, wie seine Schritte weichen, Und auf die Mauer pflanzt des Kreuzes Zeichen. 100. Man sieht die Siegesfahn' erhaben wallen Und prachtvoll sich in tausend Kreisen blähn. Glanzheller scheint der Tag auf sie zu fallen, Ehrfürcht'ger selbst die Luft sie anzuwehn, Und mancher Pfeil scheint von ihr abzuprallen Und mancher scheu an ihr vorbeizugehn; Es scheinen Burg und Hügel sich zu neigen Und, fromm entzückt, ihr Ehrfurcht zu bezeigen. 101. Frohlockend schallt durch alle Heeresglieder Das Siegsgeschrei, laut jubelnd weit und breit. Rings das Gebirg erschallt und hallet wieder Die letzten Tön', und fast zur selben Zeit Stürmt auch Tancred die letzte Schutzwehr nieder, Die ihm Argant entgegenwarf im Streit, Schlägt seine Brück', eilt nach dem Mauerkranze Und stellt das Kreuz dort auf im Siegesglanze. 102. Im Süden nur, wo gegen den Tyrannen Jerusalems der graue Raimund stand, Gelang's noch nicht Gasconiens tapfern Mannen, Den Thurm zu nahn der schroffen Mauerwand. Ihn hielt der Kern des Heidenheers von dannen, Der in der Schaar des Königs sich befand, Und war die Mauer dort von mindrer Stärke, War sie geschützter durch Vertheid'gungswerke. 103. Und überdies war hier, am Felsenhange, Dem großen Bau der Zugang minder leicht, Weil die Natur des Orts dem mächt'gen Zwange Der Kriegeskunst doch nicht in Allem weicht. Indessen wird vom lauten Siegesklange Der Heiden und Gasconier Ohr erreicht, So daß der König und der Graf erkunden, Schon sei die Stadt im Norden überwunden. 104. Da ruft der von Toulous': Ihr Kampfgenossen! Von jenseit ist die Stadt erobert schon, Und widersteht besiegt? und ausgeschlossen Sind wir allein vom hehren Siegeslohn? – Doch endlich weicht der alte Fürst, verdrossen, Da jede Hoffnung des Erfolgs entflohn, Und flüchtet sich nach einem höhern Thurme, Wo er gedenkt zu widerstehn dem Sturme. 105. Nicht durch die Mauern nur, auch durch die Pforten Zieht nun das ganze Siegerheer hinein; Denn schon gesprengt, verbrannt, zerstört ist dorten, Was noch im Wege war den tapfern Reih'n. Des Schwertes Grimm lustwandelt aller Orten, Und Tod, mit Grau'n und Jammer im Verein; In Bächen strömt das Blut, stemmt sich in Teichen, Von halb Lebend'gen voll, und voll von Leichen. Neunzehnter Gesang Neunzehnter Gesang. 1. Schon machten Tod, Erwägung oder Grauen Die Mauern leer von Heiden überall, Und nur Argant, mit trotzigem Vertrauen, Weicht immer nicht vom schon erstürmten Wall. Furchtlose Kühnheit läßt sein Antlitz schauen; Noch kämpft er fort, umwogt vom Feindesschwall. Mehr, als zu sterben, fürchtet er zu weichen, Und will, auch sterbend, nicht Besiegten gleichen. 2. Doch zu den Andern, die mit ihm sich schlagen, Kommt nun Tancred und greift mit Macht ihn an. Ihn kennt Argant an Rüstung, Gang, Betragen, Als den, der ihn bekämpft auf freiem Plan Und Rückkehr ihm versprochen nach sechs Tagen, Und dennoch nicht, was er gelobt, gethan. Drum schreit er: So, Tancred, thust du dem Rechte Des Schwurs genug? so kommst du zum Gefechte? 3. Spät kommst du, nicht allein; doch nicht entbinde Ich mich des Schwurs, und Kampf ist mein Begehr, Obwohl ich hier dich nicht als Ritter finde; Denn als Geschützerfinder kommst du her. Mach' itzt die Deinen dir zum Schild, erfinde Dir neues Werkzeug, ungewohnte Wehr: Doch sollst du dich dem Tod von meinen Händen, O tapfrer Weibermörder! nicht entwenden. 4. Mit Lächeln, doch entflammt von Zornesgluten, Erwiedert stolz Tancred dies freche Schrei'n: Spät komm' ich, ja; doch darf ich wohl vermuthen, Ich werde bald dir nur zu eilig sein. Bald wünschest du, es würfen Meeresfluten Und Bergeshöh'n sich zwischen uns hinein, Und daß die Wiederkehr nicht ward verschoben Durch Furcht und Feigheit, sollst du rasch erproben. 5. Komm denn herab, komm mit mir auf die Seite, Du Helden-, Riesen-Tödter; komm heran! Der Weibermörder ruft dich auf zum Streite. So spricht Tancred, und seiner Schaar sodann Gebeut er, daß sie nicht ihn mehr bestreite: Laßt ab mit eurem Schwert von diesem Mann! Denn er ist mehr mein Feind, als Feind von Allen: Auch bin ich ihm durch alte Schuld verfallen. 6. Du magst allein, du magst begleitet kommen, Versetzt Argant; nimm deinen Vortheil wahr. Mag dir Gewühl, mag Einsamkeit dir frommen; Mich trennt von dir nicht Nachtheil noch Gefahr. So wird der Kampf geboten und genommen, Einträchtig geht hinab das wilde Paar, Mit ihm der Haß, und selbst im Kampfgefilde Macht jetzt der Grimm den Feind zum Feindesschilde. 7. Groß ist die Ehrbegier, groß nach des rauhen Circassers Blut die Sehnsucht in Tancred; Nie glaubt er seinen Durst gestillt zu schauen, Wenn nur ein einz'ger Tropfen ihm entgeht. Er deckt ihn mit dem Schild, und: Nicht gehauen! Gebeut er dem, den er von fern erspäht, Und weiß dem Feinde sichre Bahn zu schaffen Hin durch der Freund' erzürnte Siegerwaffen. 8. Die Stadt verlassend, ziehn sie mit geschwinden, Rastlosen Schritten an den Zelten fort, So lange bis, durch tausend Schlangenwinden, Ihr Pfad sie führt zu abgelegnem Ort, Wo sie ein Thal voll düstrer Schatten finden, Von Hügeln dicht umringt, als wäre dort Vielleicht ein Schauplatz, oder man gedächte Dort Jagden anzustellen und Gefechte. 9. Hier stehn sie Beide still; doch wie im Schwanken, Kehrt sich Argant zu jener Stadt voll Harm. Schildlos sieht ihn Tancred, und ohne Wanken Wirft er sogleich auch seinen Schild vom Arm. Dann fragt er ihn: Was stehst du in Gedanken? Macht dir vielleicht die letzte Stunde warm? Hat diese Sorge jetzt dich eingenommen, So ist die Furcht zur Unzeit dir gekommen. 10. Argant versetzt: Ich denke dieser alten, Berühmten Stadt, Judäa's Königin, Die jetzt erliegt, obwohl ich sie zu halten So lange schon umsonst geschäfftig bin; Denn daß mich Gott bestimmt, dein Haupt zu spalten, Ist meiner Rach' ein ärmlicher Gewinn. Er schweigt; mit Vorsicht schreiten sie zum Werke, Denn Jeder kennt nun schon des Andern Stärke. 11. Leicht ist Tancred und schnell, wie mit Gefieder Sein Fuß versehn, gelenkig seine Hand; Doch übertrifft an Größ' und an der Glieder Gedrungner Kraft bei weitem ihn Argant. Tancred zieht sich zusammen, beugt sich nieder Und unterläuft den Feind, rasch und gewandt, Fängt auf mit seinem Schwert das Schwert des Heiden, Und weiß geschickt die Hiebe zu vermeiden. 12. Argant, ihm gleich an Kunst, an Art entgegen, Grad' aufgerichtet, läßt, so weit er kann, Den großen Arm sich immer vorwärts legen Und sucht das Eisen nicht, er sucht den Mann. Wie Jener allzeit späht nach neuen Wegen, Lenkt Dieser stets sein Schwert zum Antlitz an, Und, drohend, wacht er, daß der Feind verstohlen Nicht möge nahn und plötzlich überholen. 13. So kämpfen wohl auf ebner Meeresweite, Da weder Süd noch Ost aufregt die Flut, Zwei Schiff' ungleicher Art in gleichem Streite, Kommt Größe dem und Schnelle dem zu gut. Dies dreht und wendet sich von Seit' auf Seite, Greift vorn und hinten an; doch jenes ruht, Und wann das leichtre Schiff zu dreist geworden, Droht's ihm mit tiefem Sturz von hohen Borden. 14. Indem Tancred eindringt mit zuviel Hitze, Das Schwert abwendend, das er vor sich sieht, Schwingt rasch Argant den Stahl und führt die Spitze Aufs Aug' ihm so, daß er zurück sich zieht. Nun haut der Heide zu, und, schnell wie Blitze, Eh Jener völlig seinem Schwert entflieht, Tifft er die Seit' und ruft, da dies gelungen: Der Fechter ist durch Fechterkunst bezwungen! 15. Tancred, dem Zorn und Schaam das Herz zerstechen, Schlägt nun die alte Vorsicht aus dem Sinn, Und hält – so mächtig drängt's ihn, sich zu rächen – Schon für Verlust des spätern Siegs Gewinn. Nur mit dem Schwert antwortet er dem Frechen Und lenkt es zum Visir des Feindes hin. Argant wehrt ab; allein, entschlossner Dinge, Kommt schon Tancred bis auf die halbe Klinge. 16. Schnell tritt er vor mit seinem linken Fuße, Die Linke packt den rechten Arm mit Macht, Indeß das Schwert der Rechten, sonder Muße, Die rechte Seit' ihm gräulich bluten macht. Dem Sieger, spricht er, wird zum Gegengruße Dies vom besiegten Fechter dargebracht. Der Heide knirscht; doch alles Drehn und Rütteln Kann nicht die Hand von seinem Arme schütteln. 17. Am Ende läßt er hangen an der Kette Sein gutes Schwert und packt den Welschen an. Dasselbe thut Tancred, und um die Wette Drängt machtvoll und umschlingt der Mann den Mann. Nicht kräft'ger hob vom heißen Sandesbette Alcides einst den Riesen himmelan, Als Diese jetzt, in fest verschränkten Ringen, Mit nerv'gem Arm sich wechselsweis' umschlingen. 18. Das Paar, sich drehend, rüttelnd bis zum Wanken, Drückt mit der Seit' in Einem Nu den Sand. Argant hat – sei's der Kunst, dem Glück zu danken – Die rechte frei, gepreßt die linke Hand; Allein der Arm, der nöthigste dem Franken Im Kampfe, liegt ihm unten festgebannt. Drum, daß er nicht durch Fahr und Nachtheil büße, Macht er sich los und springt auf seine Füße. 19. Argant kommt später auf; ihn trifft von oben Ein mächt'ger Hieb, eh' er sich ganz erhebt. Doch wie die Fichte, wenn des Ostwinds Toben Sie auch gebeugt, gleich in die Höhe strebt: So hat auch ihn schon seine Kraft erhoben, Da die Gefahr am nächsten ihn umschwebt. Von neuem nun wird einzuhau'n begonnen, Und, was die Kunst verliert, durch Wut gewonnen. 20. Des Franken Blut entfließt auf manchem Wege, Doch dem Argant entströmt gewalt'ge Flut. Mit seiner Kraft wird auch der Grimm schon träge, Wie, wann ihr Nahrung fehlt, der Flamme Glut. Schon sieht Tancred, wie immer mattre Schläge Der Arm vollführt, entkräftet, ohne Blut; Sein edles Herz entäußert sich vom Grimme, Er tritt zurück und spricht mit sanfter Stimme: 21. Ergieb dich, tapfrer Held; erkenne heute Mich oder Glück als Sieger im Gefecht; Denn nicht Triumph begehr' ich oder Beute, Noch wahr' ich mir auf dich ein einzig Recht. – Furchtbarer nun, als je, weckt' und erneute Argant die ganze Wutkraft, ungeschwächt. Er rief: Du prahlst, als sei der Sieg dir eigen? Zu prüfen wagst du den Argant als Feigen? 22. Gebrauche nur dein Glück; nichts schafft mir Bangen, Und ungestraft bleibt deine Thorheit nicht. – Der Fackel gleich, die, eh sie ausgegangen, Auflodert, und erlischt mit hellerm Licht, Ersetzt Argant durch Grimm und Rachverlangen, Was ihm an Blut und Gliederkraft gebricht, Und will die nahe Stunde des Verderbens Verklären durch den Glanz ruhmwürd'gen Sterbens. 23. Mit beiden Händen, jetzt zum Hau'n verbunden, Senkt er das Schwert mit doppelter Gewalt, Schlägt fort den Stahl, den er im Weg gefunden, Haut in die Schulter, fährt ohn' Aufenthalt Von Ripp' auf Rippe so, daß vielen Wunden Nach Einem Schlag des Franken Blut entwallt. Bangt nicht Tancred, so schuf Natur nicht bänglich Sein kühnes Herz, dem Zagen unzugänglich. 24. Zum zweitenmal haut nun der Heide wieder, Doch Zorn und Kräfte sind umsonst verwandt; Denn aufmerksam entzieht Tancred die Glieder Dem mächt'gen Hieb, und weicht, schnell und gewandt. Du fielst, Argant, durch eigne Schwerkraft nieder Auf dein Gesicht, und jede Rettung schwand; Du fielst durch dich, noch glücklich über Alles, Daß Keiner sonst den Ruhm hat deines Falles. 25. Die Wunden öffnen durch des Falls Beschwerde Sich weiter noch; wild strömt das Blut hervor. Er stemmt die Link' und hebt, noch mit Geberde Des Widerkampfs, sich auf das Knie empor. Ergieb dich! ruft Tancred, und ohne Fährde Schlägt er ihm huldreich neuen Frieden vor. Doch tückisch stößt Argant des Schwertes Spitze Ihm in die Fers', und droht mit toller Hitze. 26. Da kann Tancred dem Zorn nicht widerstreben: So, ruft er, lohnst du mein Erbarmen mir? Er säumt nicht länger, ihm den Tod zu geben, Und stößt das Schwert ihm zweimal durchs Visir. Argant verschied; sein Tod war wie sein Leben, Und sterbend droht' er noch, voll Rachbegier. Ergrimmung, Furchtbarkeit und stolzes Höhnen Sprach aus dem letzten Blick, den letzten Tönen. 27. Nun steckt Tancred das Schwert an seine Seite, Und danket Gott, der ihm Triumph erlaubt. Doch aller Kraft, nach diesem blut'gen Streite, Fühlt sich der Sieger durch den Sieg beraubt, So daß er kaum für solches Weges Weite Die wen'ge Stärke noch genügend glaubt. Doch bricht er auf und schleppt auf vor'gem Wege Die matten Schritte fort, langsam und träge. 28. Er bringt nicht weit die kraftberaubten Glieder, Und durch den Zwang tritt Schwachheit mehr hervor: Drum setzt er sich und senkt die Wange nieder Auf seine Hand, sie selbst ein schwankend Rohr. Was er gewahrt, kreist vor ihm hin und wieder, Und schon verhüllt den Tag ein dunkler Flor. Besinnung weicht, und schwer ist zu erkennen, Wer Sieger jetzt und wer besiegt zu nennen. 29. Indeß, im Einzelkampf sich aufzureiben, Der Helden Haß entbrennt zu heißer Glut, Verfolgt der Sieger Grimm mit wildem Treiben Durch die erstürmte Stadt die schuld'ge Brut. O wer vermag den Anblick zu beschreiben? Wer stellt dies Rasen, diese tolle Wut Mit Zügen dar? wer kann in Wort und Bildern Dies gräßlich jammervolle Schauspiel schildern? 30. Grau'n überall! Rings stellen, wild-erhaben, Sich Haufen, Berge sich von Leibern dar; Auf Todten Wunde; Sieche, schon begraben Von unbegrabner Todten dichter Schaar. Hier bange Mütter, fliehend, ihre Knaben Ans Herz gedrückt, mit wild zerstreutem Haar; Dort raubbeladne Plündrer, mit Frohlocken Jungfrauen nach sich schleppend bei den Locken. 31. Doch an den Hügeln, die gen Westen schauen, Wo man gewahrt den Tempel, hoch und hehr, Dort rennt, mit Blut bedeckt, gefolgt vom Grauen, Der Held Rinald, und jagt der Heiden Heer. Der Edelmüth'ge läßt sein Schwert nur hauen, Wo ein bewaffnet Haupt sich stellt zur Wehr. Kein Helm, kein Schild, der Sicherheit verschaffe! Wehrlosigkeit ist hier die einz'ge Waffe. 32. Nur gegen Eisen braucht der Held das Eisen, Und er verschmäht der Waffenlosen Mord; Die nicht mit Stahl, mit Muth bewehrt sich weisen, Jagt schon der Blick, die Donnerstimme fort. Er strebt nur nach des Ruhmes höchsten Preisen, Verachtet hier, droht da und tödtet dort. Ungleich gefährdet, fliehn vor seinem Schwerte Mit gleicher Hast Bewehrt' und Unbewehrte. 33. Vorhin schon, sammt der waffenlosen Bande, Schloß sich der Kühnsten nicht geringer Zug Im Tempel ein, der noch, trotz manchem Brande Und manchem Bau, des Stifters Namen trug, Des Salomo. Er war im frühern Stande An Cedern, Gold und Marmor reich genug; Jetzt minder prächtig zwar, doch wider Stürme Beschützt durch Eisenthor' und hohe Thürme. 34. Als nun der große Held im Kampfestoben Hieher gelangt, zum weiten, hohen Bau, Sieht er die Pforten rings versperrt, und droben Die Zinne beut viel Wehrgeräth zur Schau. Er hebt den grausen Blick; zweimal, von oben Bis auf den Grund, durchspäht er ihn genau, Wo Eingang sei, und zweimal, gleicher Weise, Umrennt er ihn mit flücht'ger Sohl' im Kreise. 35. Wie wann ein Räuberwolf in nächt'ger Stunde Um wohl verschlossne Hürden streift und spürt, Und ihm des Hungers Qual bei trocknem Schlunde Den angebornen Haß noch reizt und schürt: So späht Rinald, ob zu des Tempels Runde Kein Eingang, eben oder steil, ihn führt. Am Ende bleibt er stehn, und auf der Zinne Harrt Alles ängstlich, daß der Sturm beginne. 36. Bei Seite lag – wozu man hier am Orte Ihn auch bewahrt – ein ungeheurer Ast; Kein Schiff, das jemals aus dem reichen Porte Liguriens lief, trug einen stärkern Mast. Den packt Rinald und trägt ihn nach der Pforte Mit jener Hand, der leicht ist jede Last. Er legt den Balken ein, gleich einem Speere, Und rennt hinan mit ganzer Stärk' und Schwere. 37. Nicht hält der Marmor aus, nicht die Metalle Den harten Stoß, des Wiederstoßes Macht. Die Angeln springen ab mit lautem Schalle, Der Riegel bricht, die Pforte stürzt und kracht. So wirkt kein Widder am bestürmten Walle, So kein Geschütz, laut donnernd in der Schlacht. Schnell durch die Oeffnung strömt die Schaar der Krieger, Gleich einer Wasserflut, und folgt dem Sieger. 38. Vom Mordgemetzel rinnt das Blut in Bächen Durch jenes hohe Haus, einst Gottes Haus. Gerechtigkeit, je länger du die Frechen Zu strafen säumst, je schwerer brichst du aus! Verborgen weckst du selbst, um dich zu rächen, In mildgeschaffnen Herzen Wut und Graus, Und waschen muß mit seines Blutes Welle Der Heide jetzt die oft entweihte Stelle. 39. Indeß hat Solyman, der mannlich-feste, Zum großen Thurme Davids sich gewandt. Hier sammelt er der Schaaren Ueberreste, Und jeder Zugang wird dem Feind verrannt. Auch Aladin eilt nun zu dieser Veste, Und Jener spricht, sobald er ihn erkannt: Komm, edler König, komm, und schütze droben, Auf fester Burg, dich vor des Sturmes Toben. 40. Dort findest du vor wilder Schwerter Schauern Der Wohlfahrt und des Reiches sichre Wehr. Weh, ruft der König, weh, daß diese Mauern Zu Grunde gehn durch der Barbaren Heer! Nicht länger wird mein Reich, mein Leben dauern; Gelebt, geherrscht! nicht leb' und herrsch' ich mehr. Wir waren, sprich! uns Alle reißt zu Grunde Der letzte Tag, die unwendbare Stunde! 41. Doch voll Verdruß giebt Solyman ihm wieder: Wohin, o Herr, entschwand dein alter Muth? Stürz' auch das Schicksal unsre Throne nieder, Uns bleibt der Fürstenwerth, der in uns ruht. Erhole jetzt die vielgequälten Glieder Von aller Mühsal dort in sichrer Hut. Er spricht's, und durch die wohlbewachte Pforte Führt er den König ein zum festen Orte. 42. Die Eisenkeul' ergreift er, nimmer träge, Mit jeder Faust; das Schwert wird eingesteckt. So steht der kühne Mann am engen Wege, Den er mit Macht vor Feindesangriff deckt. Wohl waren tödtlich die gewalt'gen Schläge, Und wer nicht umkommt, wird doch hingestreckt. Schon fliehen Alle fort mit Angstgeheule Beim ersten Nahn der fürchterlichen Keule. 43. Da sieh! von einer tapfern Schaar begleitet, Zieht Raimund von Toulouse kühn heran. Der Alte naht dem Schreckensort und schreitet, Trotz den gewalt'gen Streichen, dicht hinan. Er haut zuerst, allein die Klinge gleitet; Doch nicht vergebens haut ihn Solyman. Er trifft die Stirn, und nieder stürzt der Arme Rücklings, bleich, schlotternd, mit gespreiztem Arme. 44. Nun endlich kehrt in die Besiegten wieder Der Muth zurück, der längst von hinnen schied, Und von den Siegern stürzt ein Theil danieder Am Thor der Burg, indeß der andre flieht. Doch Solyman, der die erstarrten Glieder Des Grafen jetzt zu seinen Füßen sieht, Ruft seinen Rittern zu: Tragt in die Schranken Und nehmt gefangen dieses Haupt der Franken! 45. Sie nahen sich, den Auftrag zu vollbringen, Doch sehn sie bald, es wird so leicht nicht sein; Denn alle Krieger des Gefallnen dringen Zum Schutz heran in muthigem Verein. Unbänd'ge Wut und treue Liebe ringen In wildem Kampf; auch ist ihr Ziel nicht klein: Freiheit und Leben solches Haupts der Schaaren Will man hier rauben, will man dort bewahren. 46. Doch hätte Solyman, von Zorn durchdrungen, Am Ende wohl die Rachbegier gestillt; Denn wo er seiner Keule Kraft geschwungen, Da hilft kein starker Helm, kein Doppelschild, Wär' ihm nicht neuer Widerstand entsprungen. Von zweien Seiten naht sich, rasch und wild, Zu gleicher Zeit ein drohend Ungewitter: Der Oberfeldherr und der große Ritter. 47. Gleichwie ein Hirt, wann ihn die Winde schrecken, Des Donners Hall, der rothen Blitze Glut, Und tausend Wolken ihm den Tag verstecken, Die Heerde wegtreibt von der offnen Hut, Um irgend einen Schutzort zu entdecken, Wo er sie sichre vor des Himmels Wut, Und mit Geschrei und mit dem Stab sie leitet, Und hinter allen, als der Letzte, schreitet: 48. So treibt der Heidenfürst, vom Ueberfalle Des unwendbaren Sturms belehrt sofort, Da rings der Himmel dröhnt vom grausen Schalle Und Waffen ziehn heran von da und dort, Als Wächter vor sich her die Schaaren alle Zum großen Thurm, und bleibt zuletzt am Ort. Er geht zuletzt, und weichet den Gefahren So, daß sich Muth und Vorsicht offenbaren. 49. Doch kaum, mit Noth, ist er hineingegangen Und schließt das Thor mit großer Mühe zu; Denn schon erscheint Rinald, bricht sonder Bangen Die Schranken durch und sucht des Sultans Spur. Den zu besiegen, treibt ihn sein Verlangen, Dem Keiner gleicht; auch spornet ihn sein Schwur. Denn nicht vergaß er, daß er jüngst geschworen, Den Mörder Sueno's rächend zu durchbohren. 50. Wohl hätte gleich an die unnehmbarn Zinnen Die nie bezwungne Rechte sich getraut, So daß vielleicht der Sultan selbst da drinnen Nicht Schutz vor seinem Schickungsfeinde schaut: Doch Gottfried heißt den Rückzug jetzt beginnen, Weil Dunkel schon den Horizont umgraut. Er wählt die Stadt zur Wohnung, und will sorgen, Den Angriff zu erneu'n am neuen Morgen. 51. Zu seinem Volke spricht er froh und heiter: Begünstigt hat der Herr die Christen sehr. Das Hauptwerk ist geschehn; nur wenig weiter Bleibt uns zu thun, und nichts zu fürchten mehr. Den Thurm, der Heiden letzte Hoffnungscheiter, Bestürme morgen unser ganzes Heer. Jetzt treibe Mitleid euch zu andern Werken: Die Schwachen, die Verwundeten zu stärken. 52. Geht, pfleget derer, die mit blut'gen Wunden Erringen uns dies Vaterland gewollt; Dies ziemet mehr den Kämpfern, die verbunden Mit Christus sind, als Durst nach Rach' und Sold. Zu viel, zu viel ward heut des Mords gefunden, Zu viel, bei Manchen, der Begier nach Gold. Doch nicht mehr soll man plündern, nicht mehr rasen; Dies sei verkündet bei Trommetenblasen. 53. Er schweigt und geht, um seinen Freund zu schauen, In dem der Wunde Schmerz noch heftig glüht. Doch auch der Sultan spricht nun mit Vertrauen, Und drängt den Schmerz zurück in sein Gemüth: Bleibt unbesiegt, Gefährten, trotz der rauhen Abkehr des Glücks, so lange Hoffnung blüht; Denn mit dem Schein der Furchtbarkeit beladen, Doch wahrhaft minder groß ist unser Schaden. 54. Dem Feinde sind nur Mauern untergeben, Nur niedres Volk; die Stadt bezwang er nicht; Denn sie besteht in ihres Königs Leben, In eurer Brust, in eures Arms Gewicht. Der König lebt, und seine Besten leben; Dies feste Schloß ist unsre Zuversicht. Mag auch der Feind die leere Stadt besiegen: Fruchtloser Sieg! er wird zuletzt erliegen. 55. Erliegen wird er, mir raubt nichts den Glauben; Denn dieses Volk, im Glück voll Uebermuth, Wird jeden Raub und Mord sich nun erlauben, Sich überlassen schändlich schnöder Glut. Und zwischen Unzucht, zwischen Mord und Rauben Wird leicht vertilgt die hassenswerthe Brut, Wenn der Aegypter Heer beim frechen Spiele Sie überfällt – und schon ist's nah dem Ziele. 56. Wir unterdeß, wie's uns beliebt, befreiten Mit Steinen rings die Hochgebäud' im Ort, Und alle Wege, die zum Grabe leiten, Nimmt unser Wurfgeschütz den Feinden fort. So sucht er Trost den Schwachen zu bereiten, Und weckt den Armen Hoffnung durch sein Wort.– Indeß man hier nun solche Ding' erfahren, Durchstreift Vafrin zahllos bewehrte Schaaren. 57. Bestimmt, im Feindesheer sich umzuschauen, Zog fort Vafrin, indem die Sonne schwand, Und ritt allein, durch einsam öde Gauen, Bei Nacht dahin, vermummt und unerkannt. Noch sah er nicht im Ost den Morgen grauen, Als er sich schon bei Ascalon befand, Und als die Sonne strahlt' im Mittagslichte, Hatt' er bereits das Lager im Gesichte. 58. Er sieht unzähl'ge Zelt' und drauf die Menge Der Wimpel, gelb, blau, purpurn, überall. Mißhäll'ger Sprachen hört er solch Gemenge, So viele Pauken, Hörner, Kriegsmetall, Und der Kamel' und Elephanten Klänge, Vereinigt mit des Wieherns muth'gem Schall, Daß er im Stillen sagt: In diesen Landen Sind Asien jetzt und Afrika vorhanden. 59. Er nimmt zuerst die Lage, das Gehege Von Wall und Graben um die Zelte wahr. Dann sucht er nicht geheime, krumme Stege, Noch birgt sich vor des Volkes häuf'ger Schaar: Durchs Hauptthor tritt er ein, auf gradem Wege, Fragt bald, antwortet bald, stets frei und klar, Und wie in Frag' und Antwort rasch, verschlagen, Ist er von Ansehn keck und ohne Zagen. 60. Aufmerksam nun durchstreift er Plätz' und Gassen, Und sucht von Zelt zu Zelt sich umzusehn, Um dort auf Krieger, Ross' und Wehr zu passen, Und Ordnung, Zucht und Namen zu erspähn. Allein er denkt noch Größres aufzufassen, Selbst das Geheimste darf ihm nicht entgehn, Und ihm gelingt's, durch schlaues Drehn und Winden, Zugang sogar zum Hauptgezelt zu finden. 61. Er sah, umspürend, einen Riß im Zelte, Der Blick und Stimme frei ließ durch die Wand Und jenen innern Theil dem Aug' erhellte, Wo das Gemach des Fürsten sich befand, So daß ein Lauscher, der davor sich stellte, Leicht die Geheimnisse des Herrn verstand. Vafrin blickt durch und lauscht hier, still verborgen, Als müss' er für des Zelts Ausbessrung sorgen. 62. Der Feldherr steht, bewaffnet wie zum Streite, Im Purpurmantel, doch des Helmes baar. Er stützt sich auf den Speer; in ein'ger Weite Harrt mit dem Helm und Schild ein Knappenpaar. Ein Mann mit rauhem Blick ist ihm zur Seite, Groß, starkgebaut, von Ansehn ein Barbar. Vafrin horcht auf, kein Laut geht ihm verloren, Denn Gottfrieds Name dringt zu seinen Ohren. 63. Der Feldherr fragt: Und was du übernommen, Gottfried zu tödten, ist es sicher schon? Ja, spricht der fremde Mann, das ist's vollkommen: Als Sieger nah' ich, oder nie, dem Thron. Ich will zuvor den Mitverschwornen kommen, Und ich verlange keinen andern Lohn, Als daß ich in Kairo die Trophäen Aufrichten mag, mit diesem Wort versehen: 64. Dem Frankenfeldherrn, der in Asien wilde Verwüstung trieb, nahm Ormond diese Wehr, Als er sein Leben nahm im Kampfgefilde, Und hing, zum ew'gen Denkmal, sie hieher. – Nicht unbelohnt läßt unsers Königs Milde Die große That, spricht Emiren nunmehr. Du wirst gewiß, was du begehrst, erlangen, Doch auch noch andern, reichen Lohn empfangen. 65. Laß nur die falschen Waffen schnell vollenden, Denn bald wird der Entscheidungskampf gewagt. Sie sind bereit, spricht Jener. Also enden Sie das Gespräch, und nichts wird mehr gesagt. Vafrin erstaunt; doch wie er auch zu wenden Die wicht'ge Kunde sucht, wie oft er fragt: Was für Verschwörung? was für falsche Waffen? Kein Sinnen kann ihm volles Licht verschaffen. 66. Er geht hinweg, gequält von diesen Sorgen, Und überläßt sich nicht des Schlafs Gewalt. Doch als nun jede Fahn' am frühen Morgen, Zum Weiterziehn gelöst, im Winde wallt: Da folgt auch er, im Heereszug verborgen, Und macht hernach auch mit den Schaaren Halt, Und schleicht von Zelt zu Zelt, ob ihm gelinge Etwas zu hören, das mehr Licht ihm bringe. 67. Er sucht, und sieht Armiden herrlich prunken, Umringt von ihrer Frau'n und Ritter Schaar. Einsam und seufzend, in sich selbst versunken, Sitzt sie und sinnt, und nimmt nichts And'res wahr. Die Wang' ist auf die weiße Hand gesunken, Zur Erde schaut der holden Sterne Paar. Er weiß nicht, ob sie weint; doch wohl sich feuchten Sieht er ihr Aug' und Perlen in ihm leuchten. 68. Genüber sitzt Adrast, sie starr betrachtend, Kein Auge wendend und kaum athmend schier, So hängt er ihr am Angesicht, nur trachtend Zu weiden seine hungrige Begier. Doch Tissaphern, bald zürnend und bald schmachtend, Schaut wechselnd bald nach ihm und bald nach ihr, Und in dem stets bewegten Antlitz malen Sich jetzt der Wut und jetzt der Liebe Qualen. 69. Auch Altamor wird hier gewahrt; umfangen Vom Frauenkreise, sitzt er etwas fern Und läßt nicht frei umschweifen sein Verlangen, Doch lenkt er schlau den gier'gen Augenstern, Der Blick schielt nach der Hand, der nach den Wangen; Manchmal auch späht er nach verborgnerm Kern Und dringt hinein, wo unvorsicht'ge Hülle Geheimen Weg entdeckt zur schönsten Fülle. 70. Den Blick beginnt Armida zu erheben, Und Heitre kehrt zurück auf ihr Gesicht, Indem durch Wolken, die ihr Aug' umweben, Dem Blitze gleich, ein sanftes Lächeln bricht: Ich darf mich, spricht sie, nicht dem Schmerz ergeben, Bedenk' ich, Ritter, was eu'r Muth verspricht; Denn mich zu rächen ist nun eure Sache, Und süß ist Zorn in Hoffnung naher Rache. 71. Erheitre, spricht Adrast mit Selbstvertrauen, Die trübe Stirn und mildre deine Pein; Denn schleunig soll, von seinem Rumpf gehauen, Rinaldo's Haupt zu deinen Füßen sein. Doch willst du lieber ihn gefangen schauen, Soll dir auch das mein Rächerarm verleihn. So schwör' ich dir. Der Andre hört mit Schmerzen, Doch schweigt er still und nagt sich ab im Herzen. 72. Was aber, spricht sie, wirst du, Herr, mir sagen? Und kehrt den holden Blick auf Tissaphern. Ich bin zu träg', um mit ihm wettzujagen, Spricht er verstellt, und werde nur von fern Dem furchtbar tapfern Mann zu folgen wagen. – Und so verletzt er ihn bis auf den Kern. Da spricht Adrast: Mit Recht thut auf Erreichung Der Freund Verzicht, und scheuet die Vergleichung. 73. Doch Jener läßt sein stolzes Haupt sich wiegen Und spricht: O wäre jetzt mein Wille frei, Dürft' ich als Herr mit diesem Schwerte kriegen, Bald würd's erhellen, wer der Trägste sei. Dem Himmel beb' ich und der Liebe Siegen, Nicht, Wilder, dir, noch deiner Prahlerei. Er schweigt. Adrast steht auf, um ihn zu fodern; Sie aber eilt, und hemmt des Streits Entlodern: 74. Warum, o Ritter! nehmt ihr mir die Gaben, Die ihr geschenkt zu wiederholter Frist? Ihr seid ja meine Kämpfer, und begraben In diesem Wort sei jeder wilde Zwist. Wer zürnt, zürnt mir, ich soll Beleid'gung haben, Wenn ihr beleidigt, wie ihr Beide wißt. So spricht sie und vereint, als Herr und Meister, Hier unterm Eisenjoch unein'ge Geister. 75. Vafrin ist da und horcht mit leisen Ohren, Merkt sich die Wahrheit und verläßt den Ort, Um auszuspähn, wozu man sich verschworen; Doch Alles schweigt, und er erfährt kein Wort. Selbst ungestüme Fragen sind verloren; Die Schwierigkeit reißt sein Verlangen fort, Und lieber will er endlich hier erblassen, Als dies Geheimniß unentschleiert lassen. 76. Wohl tausend Künste hat er aufgeboten, Und tausend Listen schlau genug verwandt; Doch bleiben Art und Waffen der gedrohten Verschwörung ihm noch immer unbekannt. Am Ende nun löst alle Zweifelsknoten – Was ihm unmöglich blieb – des Zufalls Hand, So daß ihm deutlich und bestimmt erhellte, Was für ein Netz man seinem Feldherrn stellte. 77. Er war zum Ritterkreis zurückgegangen, Der um die feindlich Liebende sich schließt; Hier hofft er eh zum Zwecke zu gelangen, Weil hier so große Schaar zusammenfließt. Nun sucht er eine Zwiesprach' anzufangen Mit einem Fräulein, das er sich erkiest. Er naht sich ihr mit leichtem, freiem Wesen, Als sei er längst mit ihr vertraut gewesen. 78. Wohl mögt' auch ich, spricht er mit munterm Necken, Mich einer Schönen zum Verfechter weihn; Rinaldo oder Gottfried hinzustrecken, Soll meinem Schwert nur leichte Sache sein. Begehre nur, kann dies dir Lust erwecken, Ein feindlich Haupt, und es ist sicher dein. So fängt er an, und denkt mit diesen Dingen Bald das Gespräch vom Scherz auf Ernst zu bringen. 79. Allein er lacht dabei, und zwar mit Mienen, Die ihm im Lachen eigenthümlich sind. Ein and'res Fräulein war indeß erschienen, Hört und betrachtet ihn, und spricht geschwind: Nur mir allein sollst du als Kämpe dienen, Und nicht bereun, daß du um mich geminnt. Gewiß, dich rauben will ich einer Jeden, Und jetzt mit dir als meinem Ritter reden. 80. Sie führt' ihn fort und sprach mit leisem Laute: Ich kenne dich, und du auch mich, Vafrin. Der schlaue Knapp', obwohl ihm herzlich graute, Versetzte lächelnd, ohne zu verziehn: Ich wüßte nicht, daß ich dich jemals schaute, Und du bist werth, den Blick auf dich zu ziehn. Doch weiß ich dies, daß mit gar anderm Namen, Als du mir giebst, die Leute mich benamen. 81. Ich stamme von Biserta's sand'gen Weiten; Mein Vater heißt Lesbin, Almansor ich. Toscaner, spricht sie, schon von alten Zeiten Kenn' ich dich ja; verlaß dich ganz auf mich. Du darfst mir trau'n; ich will dich freundlich leiten, Und selbst mein Leben wag' ich gern für dich. Erminia bin ich, Fürstin einst, doch Sklavin Tancreds hernach, und deine Nebensklavin. 82. Zwei frohe Mond', in meinen süßen Banden, Hast du mit Huld erfüllt des Wächters Pflicht, Und freundlich mir gedient und beigestanden. Ich bin's, ich bin es selbst; o zweifle nicht! Vafrin beschaute sie; die Zweifel schwanden, Und er erkannt' ihr liebliches Gesicht. Wohl darfst du, fuhr sie fort, mir sicher trauen; Ich schwör's bei Sonn' und Himmel, die uns schauen! 83. Ja, kehrst du heim – das ist mein einzig Streben – So bringe mich zurück zur süßen Haft; Denn in der bittern Freiheit hier entschweben Mir Tage trüb' und Nächte grausenhaft. Und hast du wohl auf Kundschaft dich begeben, So wird dir jetzt ein seltnes Glück verschafft; Du sollst durch mich Verschwörungen erkunden, Und was du sonst wohl schwerlich ausgefunden. 84. So redet sie. Er schaut sie an mit Schweigen; Armidens Trug schwebt warnend ihm hervor. Ein Weib ist schwatzhaft, Ränke sind ihm eigen; Bald will's, bald nicht: wer traut, der ist ein Thor. So sinnt er lang'. Ich will den Weg dir zeigen, Spricht er zuletzt, hast du zu fliehen vor. Dies wollen wir einander fest geloben; Das Andre sei auf bessre Zeit verschoben. 85. Sie setzen fest, beginnen soll die Reise Eh sich das Heer entfernt von diesem Ort. Vafrin geht weg, und zu dem andern Kreise Kehrt sie zurück, und bleibt ein Weilchen dort. Sie scherzt zum Schein, und spricht auf muntre Weise Von ihrem neuen Freund; dann geht sie fort, Und findet Jenen an bestimmter Stelle, Und Beide reiten fort in aller Schnelle. 86. Schon waren sie allein und ohne Störung, Nachdem das letzte Heidenzelt verschwand, Da sagt Vafrin: Nun gieb dem Wunsch Erhörung, Und sprich, wie man dem Feldherrn Netze spannt. Und das Gewirk der schändlichen Verschwörung Entwickelt sie ihm jetzt mit sichrer Hand: Acht Krieger sind's, erzählt sie, und von diesen Wird Ormond als der Tapferste gepriesen. 87. Die nun – ob Haß, ob Ingrimm sie bewehre – Verschworen sich, und dies ist ihre List: Am Tag der Schlacht, da zwei gewalt'ge Heere Um Asiens Reich auskämpfen ihren Zwist, Trägt diese Schaar nach Frankenart die Wehre, Bezeichnet mit dem Kreuz, und Jeder ist, Wie Gottfrieds Wache stets sich unterscheidet Durch Weiß und Gold, in gleiche Tracht gekleidet. 88. Doch Jeder trägt auf seinem Helm ein Zeichen, Das seinem Volk als Heiden ihn entdeckt. Und wann sich nun die beiden Heer' erreichen Im Handgemeng, dann werden sie versteckt Des Helden Brust mit ihrem Stahl umschleichen, Durch seiner Wache Tracht und Schein gedeckt. Auch werden sie mit Gift die Schwerter netzen, Um jede Wund' ihm tödtlich zu versetzen. 89. Und weil der Heide wußt', ich müsse kennen Brauch, Waffen, Oberkleid bei eurem Heer, Mußt' ich die Tracht und die Bezeichnung nennen Und ward gepreßt zu Diensten voll Beschwer. Dies ist der Grund, vom Lager mich zu trennen: Entfliehen will ich herrischem Begehr. Denn immer war es Abscheu mir und Schrecken, Mit irgend einem Trug mich zu beflecken. 90. Dies ist der Grund; doch auch noch andre waren – – Sie schweigt, und Röthe färbt ihr Angesicht. Ihr Auge sinkt; gern möchte sie bewahren Das letzte Wort, das sie nur leise spricht. Allein Vafrin, begierig, zu erfahren, Was sie aus Schaam zu sagen unterbricht, Versetzt: Weßhalb, Kleinmüth'ge, noch dich scheuen, Die wahrern Gründe zu gestehn dem Treuen? 91. Ein Seufzer quoll hervor, und zitternd, blöde, Mit dumpfem Tone sprach sie dieses Wort: O schlechtbewahrte Schaam, unzeit'ge, schnöde, Entfliehe nun, hier ist für dich kein Ort! Warum noch bergen willst du, fruchtlos Spröde, Mit deiner Glut der Liebe Glut hinfort? Vorhin, da ziemt' Erwägung wohl der Zücht'gen, Nicht jetzo mehr der Irrenden und Flücht'gen. 92. Dann fuhr sie fort: In jener Nacht, dem Lande, Das mich gebar, und mir so schmerzenreich, Verlor ich mehr, als schien; doch nicht im Brande Des Kampfes, erst nachher traf mich der Streich. Leicht ist des Reichs Verlust; ich, mit dem Stande Der Fürstlichkeit, verlor mich selbst zugleich; Verlor, um nie es wieder zu gewinnen, Mein thörichtes Gemüth mit Herz und Sinnen. 93. Vafrin, du weißt, als ich beim Sturm der Deinen Sah Raub und Mord durch alle Gassen ziehn, Da wandt' ich mich an deinen Herrn und meinen, Der jetzt, bewehrt, in meinem Schloß erschien, Und warf mich vor ihn hin, und rief mit Weinen: Siegreicher Held, Schutz, Rettung mir verliehn! Nicht um mein Leben fleh' ich; deine Güte Bewahre nur der Jungfrau Ehr' und Blüthe. 94. Er aber harrte nicht, bis mein Gestöhne Geendet sei, und reichte mir die Hand Und sprach: Dein Schützer will ich sein, o Schöne! Du hast dich nicht umsonst an mich gewandt. So sanft, so lieblich klangen seine Töne, Daß ich sie tief in meiner Brust empfand. Ein süßes Etwas schlich zum Herzensgrunde, Und ward, ich weiß nicht wie, dort Brand und Wunde. 95. Er sah mich oft, und goß mit mildem Streben Des Trostes Balsam auf mein Leid herab. In voller Freiheit, sprach er, sollst du leben, Und schlug von meinen Schätzen Alles ab. Weh mir! Jetzt raubt' er erst, und schien zu geben, Entriß mich mir, indem er mir mich gab. Er gab zurück, was leicht war zu verschmerzen, Und nahm für sich das Reich in meinem Herzen. 96. Die Liebe birgt sich schlecht. Oft legt' ich Fragen Nach ihm dir vor, voll sehnlicher Begier. Du sahst den Wurm an meinem Herzen nagen: Du liebst, Erminia, sagtest du zu mir. Zwar leugnet' ich; doch wahrer, als mein Sagen, Bezeugten Seufzer meine Liebe dir. Mein Blick, vielleicht an Mundes Statt, bekannte Die heiße Glut, die mir im Herzen brannte. 97. Unselig Schweigen! warum nicht begehrte Ich damals Arzenei für meine Noth, Wenn ich der Sehnsucht freien Lauf gewährte Hernach, als keine Hülfe mehr sich bot? Ich reiste fort, mit dem verborgnen Schwerte In meiner Brust, und glaubte nah den Tod. Doch endlich sucht' ich Mittel mich zu retten, Und Liebe sprengt' entzwei der Ehre Ketten; 98. So daß ich nicht, ihm nachzuziehn, mich scheute, Denn heilen konnte mich, der mich verletzt. Allein von einer Schaar hartherz'ger Leute Ward unterwegs mir grausam nachgesetzt, Und fast schon war ich der Verfolger Beute; Doch eine Wildniß schützte mich zuletzt, Wo ich in stillem ländlichen Vereine Als Hirtin lebt' und Bürgerin der Haine. 99. Doch bald erwacht' aufs neue das Verlangen, Das kurze Zeit durch Furcht bewältigt war; Noch einmal sucht' ich zu ihm zu gelangen, Und kam aufs neu' in ähnliche Gefahr. Entfliehen konnt' ich nicht; ich sah mit Bangen Zu nah, zu schnell die raubbegier'ge Schaar. Aegypt'sche Krieger waren's, die mich fingen, Und dann mit ihrem Raub nach Gaza gingen. 100. Dem Feldherrn ward ich zum Geschenk gegeben, Und überzeugt' ihn bald von meinem Stand. Man ließ geehrt und ungekränkt mich leben, So lang' ich bei Armiden mich befand. So ward ich mehrmals Andern untergeben Und wieder frei; sieh da, was ich bestand! Doch trotz so mancher Haft, so mancher Rettung, Fühl' ich noch stets der ersten Band' Umkettung. 101. O wenn nur Er, der mit so festen Stricken Mein Herz umschlang, unlösbar jeder Kraft, Nur Er nicht spricht: Hinweg aus meinen Blicken, Unstätes Mädchen! und mich von sich schafft. Mög' er vielmehr durch Güte mich erquicken, Mir wieder aufthun die geliebte Haft! So spricht Erminia; und auf solche Weise Verbringen sie bei Tag und Nacht die Reise. 102. Vafrin verläßt die zu betretnen Stege, Durch kürzern oder sichrern Pfad bestimmt. Schon nah der Stadt, in einem Thalgehege, Als gegen West die Sonne nieder klimmt, Sehn sie auf einmal Blut auf ihrem Wege, Und einen Krieger, der im Blute schwimmt, Den ganzen Pfad mit seinem Leibe deckend, Das Antlitz himmelwärts, und todt noch schreckend. 103. Am Waffenschmuck, am fremden Kriegsgewande Ward kund der Heid', und weiter zog Vafrin. Ein Andrer lag nicht weit davon im Sande, Deß Aeußres bald auffallend ihm erschien. Er sprach zu sich: Der ist vom Frankenlande. Bedenklich macht die schwarze Kleidung ihn. Er springt vom Roß, sein Angesicht zu fragen, Und ruft: Weh mir! Hier liegt Tancred erschlagen! 104. Die Unglücksel'ge war zurück geblieben Und schaute noch den grausen Krieger an, Als dieser Ton, vom Schmerz hervorgetrieben, Ihr Herz durchbohrt, wie wenn's ein Pfeil gethan. Sie sprengt im Flug, beim Namen ihres Lieben, Gleich einer Trunknen, Rasenden heran. Sein bleich Gesicht, die liebliche Geberde, Sie sieht's – und steigt nicht, nein, sie stürzt vom Pferde, 105. Und läßt mit Schluchzen und Gestöhn unendlich Der Thränen Flut auf ihn herniederthau'n: Zu welcher Zeit führt mich ein unabwendlich Geschick hieher? O Anblick voller Grau'n! Nach langer Frist, Tancred, find' ich dich endlich; Ich schaue dich, und du kannst mich nicht schau'n! Kannst mich nicht schau'n, obwohl ich dich umwinde; Bist ewig mir geraubt, da ich dich finde! 106. Unselige, weh mir! das dacht' ich nimmer: Du meinem Aug' ein Schrecken je einmal? Und jetzt – o deckte Blindheit mich auf immer, Daß ich nicht schaute dieses Anblicks Qual! Weh mir! Wo ist des Auges Flammenschimmer, So mild und lieblich? wo sein holder Strahl? Wohin entfloh der Purpur dieser Wangen? Wohin entwich der Brauen heitres Prangen? 107. Doch muß mein Herz auch dem Erblichnen fröhnen. Geliebter Geist, verweilest du noch hier, Siehst meine Zähren, hörst mein ängstlich Stöhnen: Vergieb den Raub verwegener Begier! Ja, kalte Küsse raub' ich noch dem schönen, Erblaßten Mund, hofft' ich auch wärm're mir; Damit, wann ich die bleichen Lippen küsse, Der Tod sein Recht zum Theil verlieren müsse. 108. Mitleid'ger Mund, der lebend oft mein Leiden Getröstet hat durch milden Worts Erguß, Vergönne mir auch jetzt, vor meinem Scheiden, Den letzten Trost in einem süßen Kuß! Du hättest, war ich einst nicht zu bescheiden, Gegeben wohl, was ich nun rauben muß. Laß meinen Mund sich auf dich niedertauchen Und meine Seel' in deine Lippen hauchen! 109. Empfange meinen Geist, und von der Schwelle, Die er betritt, send' ihn dem deinen nach! Sie spricht's und seufzt, und durch der Augen Quelle Scheint sie dahin zu fließen, wie ein Bach. Er nun, erweckt von der lebend'gen Welle, Eröffnet halb die Lippen, leis' und schwach; Er öffnet sie und mischt ein mattes Stöhnen, Geschlossnen Auges, zum Geseufz der Schönen. 110. Die Jungfrau hört den leisen Seufzer hallen, Und milder Trost dringt an ihr Herz hinan. Sie ruft: Blick' auf, Tancred! Nimm mit Gefallen Dies Leichenopfer meiner Thränen an! Ich will mit dir die lange Straße wallen; Blick' auf! ich will mit dir den Tod empfahn. O sieh mich an! Halt' ein im raschen Gange! Dies ist die letzte Gunst, die ich verlange. 111. Er schlägt die Augen auf, und schließt sie wieder, Matt und verstört; sie klagt aufs neu' ihr Leid. Noch, spricht Vafrin, liegt er nicht ganz danieder; Erst helfen wir, zu klagen ist noch Zeit. Und nun entwaffnet er die matten Glieder, Wozu auch sie die Hand mit Zittern leiht. Dann untersucht verständig sie die Wunden, Und hofft zuletzt, er werde noch gefunden. 112. Es war ihr leicht, des Uebels Grund zu finden, Der nur in Kraft- und Blut-Verlust bestand; Allein sie hat, die Wunden zu verbinden, Den Schleier nur, hier, in so ödem Sand. Doch Liebe zeigt ihr ungewohnte Binden Und lehret neue Kunst der frommen Hand. Sie macht mit ihrem Haar die Wunden trocken, Und braucht als Band die abgeschnittnen Locken; 113. Denn für so viele Wunden zum Verbande Gnügt bald der kurze, dünne Schleier nicht. Diptam und Krokus fehlten hier zu Lande, Doch kennt sie Worte, magisch, voll Gewicht. Schon wirft er ab des Todesschlummers Bande, Schon regt er frei der Augen holdes Licht Und sieht den Knappen und ein Weib zugegen, In fremder Tracht, beschäfftigt ihn zu pflegen. 114. Er fragt: Vafrin, wie bist du hergekommen? Und wer, mitleid'ge Pflegerin, bist du? Erminia seufzt, von Freud' und Furcht entglommen, Und sanftes Roth deckt ihre Wangen zu. Von Allem, spricht sie, wird dir Kunde kommen; Jetzt, als dein Arzt, gebiet' ich Still' und Ruh. Denk' auf Belohnung, du genesest wieder. Dann legt sie auf den Schooß sein Haupt danieder. 115. Jetzt sinnt Vafrin, wie er Tancred bei Zeiten Ins Lager bringe, vor Beginn der Nacht; Und sieh! es kommt ein Trupp daher vom Weiten, Der bald als seines Herrn sich kenntlich macht. Als Jener ging, um mit Argant zu streiten, Stand dieser Haufen bei ihm in der Schlacht; Auf sein Gebot war er zurückgeblieben, Und sucht' ihn jetzt, von Sorgen angetrieben. 116. Noch Viele gingen aus, nach ihm zu schauen, Doch ihn zu finden glückt nur dieser Schaar. Sie bieten ihm, um einen Sitz zu bauen, Die eignen Arm' als Stütz' und Sessel dar. Nun spricht Tancred: Bleibt hier, auf offnen Auen, Argant, ein Mahl dem Raben und dem Aar? Ha, nein, bei Gott! nie werd' ich das erlauben, Nicht ihn des Grabes, noch des Ruhms berauben. 117. Ich kriege nicht mit blutlos stummen Leichen. Er starb als Held, von keiner Furcht bedroht, Und wohl gebührt ihm jenes Ehrenzeichen, Das einz'ge, das uns übrig läßt der Tod. – So, während Viel' ihm ihren Beistand reichen, Trägt man den Feind ihm nach, auf sein Gebot. Vafrin gesellt der Jungfrau sich als Hüter, So wie ein Mann bewacht die theu'rsten Güter. 118. Nicht in mein Zelt – wird von Tancred entschieden – Tragt mich vielmehr zur Königsstadt hinan; Denn trifft vielleicht, was Jeden trifft hienieden, Mein schwaches Sein, so will ich's dort empfahn. Der Ort, wo der Unsterbliche verschieden, Kann wohl erleichtern mir des Himmels Bahn, Und herrlich wird's die fromme Sehnsucht laben, Das Ziel der Pilgerschaft erreicht zu haben. 119. Er spricht's; sie tragen ihn zur Stadt und heben Aufs Lager ihn, wo er in Schlummer fällt. Vafrin verschafft der Jungfrau, gleich daneben, Ein stilles Haus, wie er's für schicklich hält. Dann eilt er, sich zum Feldherrn zu begeben, Und alsobald giebt ihm Gehör der Held; Obwohl er jetzt zum nahen, großen Schlage Entwürf' und Plane wägt auf ernster Wage. 120. Hier sitzt der Oberfeldherr an dem Bette, In welchem Raimund, schwach und leidend, ruht, Und rings umher die glorreich edle Kette Der Ersten an Verstand und Heldenmuth; Doch Keiner, der den Mund geöffnet hätte, Indeß Vafrin dem Feldherrn Meldung thut. Herr, sprach der Knapp', ich ging, wie du befohlen, Zum Heidenheer, um Kundschaft einzuholen. 121. Doch fordre nicht, daß ich von diesen Schaaren Dir nennen soll die unzählbare Zahl. Ich sah bedeckt vom Zuge der Barbaren Die Ebnen weit umher, und Berg und Thal; Sah nackt das Land, wo sie gelagert waren, Und trocken Flüss' und Quellen allzumal. Denn keine Flut, die ihren Durst bezwänge, Und Syriens Ernte gnügt nicht solcher Menge. 122. Allein dies Heer, das Fußvolk wie die Reiter, Ist meistens unnütz und ohn' alle Macht; Es hält nicht Reih' und Glied, folgt nicht dem Leiter, Kämpft ohne Schwert, von fern nur, in der Schlacht. Nur Wen'ge sind erles'ne, gute Streiter, Die Persiens Banner in das Feld gebracht; Doch muß man die für besser noch erkennen, Die sich Unsterbliche des Königs nennen. 123. Unsterblich heißt die Schaar, weil am Bestande Der vollen Zahl niemals ein Einz'ger fehlt; Denn leert ein Platz sich in der tapfern Bande, So wird alsbald ein neuer Mann gewählt. Der Feldherr, Emiren, der an Verstande Und Tapferkeit kaum seines Gleichen zählt, Hat seines Herrn Geheiß, vor allen Dingen Durch jede Kunst zur Feldschlacht dich zu bringen. 124. Auch zweifl' ich nicht, daß man der Feindesschaaren Annäh'rung hier am andern Tag erfährt. Doch du, Rinald, mußt wohl dein Haupt bewahren, Das mancher Held des Heidenvolks begehrt. Die Tapfersten, Berühmt'sten der Barbaren, Sie wetzen wider dich so Zorn wie Schwert; Weil dem, der dich hinabschickt zu den Todten, Armida selber sich zum Lohn geboten. 125. Der Herr von Samarcand ist unter ihnen, Fürst Altamor, an Muth und Adel reich. Alsdann der Ries' Adrast; zuerst beschienen Vom Strahl Aurorens wird sein fernes Reich. Ein Elephant muß ihm zum Rosse dienen, So wenig ist er andern Menschen gleich. Und Tissaphern, den als den größten Helden Einstimm'gen Lauts des Rufes Zungen melden. 126. So spricht er, und Rinald, im Innern gährend, Glüht im Gesicht, sein Aug' ist Flamm' und Brand; Schon um sich her das Schlachtgewühl begehrend, Faßt er sich nicht und findet kaum mehr Stand. Jetzt spricht der Knappe, zu Bouillon sich kehrend: Geringes, Herr, ward dir bisher bekannt; Das Wichtigste laß mich zuletzt dir sagen: Mit Judaswaffen denkt man dich zu schlagen. 127. Nun meldet er genau und ohne Lücke, Was er vom Bunde der Verschwornen weiß: Das Gift, die Waffen, der Verkleidung Tücke, Ormonds Gerühm und den versprochnen Preis. Man fragt, er giebt Bescheid auf alle Stücke, Und kurzes Schweigen folgt im Fürstenkreis. Dann ruft der Feldherr in der Rathvereinung Den Raimund auf: Nun sag' uns deine Meinung! 128. Und er: Ich rathe, nicht, wie erst beschlossen, Den Thurm zu stürmen, wann der Tag erwacht; Doch werd' er rings mit einer Schaar umschlossen, Die jeden Ausfall schier unmöglich macht. Ausruhen mögen jetzt die Kriegsgenossen Und Kräfte sammeln zu der größern Schlacht. Dann sinne du, ob's besser sei, zu schalten Mit freiem Schwert, ob, zögernd hinzuhalten. 129. Allein was ich zuerst von dir begehre, Ist: für dein eignes Wohl besorgt zu sein. Nur du giebst Sieg und Herrschaft unserm Heere; Wer lenkt und sichert es, als du allein? Drum, daß die Tracht der List nicht Schutz gewähre, Laß neue Zeichen deiner Schaar verleihn: So wird der Trug dadurch sich dir entdecken, Wodurch er eben meint sich zu verstecken. 130. Der Feldherr spricht: Wie ich dich stets erfunden, Wohlwollend, klug, wirst du auch jetzt gesehn. Doch jenes, was dein Zweifel noch gebunden, Sei so gelöst: Zum Angriff soll es gehn. Die Heerschaar, die den Osten überwunden, Soll nicht umzäunt von Wall und Mauer stehn; Das Frevlervolk soll unsre Stärke schauen Im freisten Tageslicht, auf freien Auen. 131. Schon vor dem Ruf der Siege wird es beben, Geschweige vor der Sieger Angesicht, Vor ihrem Schwert, und sein bewältigt Streben Wird nur verstärken unsrer Macht Gewicht. Der Thurm, und sollt' er bald sich nicht ergeben, Wird leicht erstürmt, wenn Beistand ihm gebricht. Hier schweigt der Feldherr und verläßt den Grafen, Weil der Gestirne Fall ihm winkt zum Schlafen. Zwanzigster Gesang Zwanzigster Gesang. 1. Schon rief die Sonn' ans Werk die Erdgenossen, Und schon die zehnte Tagesstund' entschwand, Als jene Schaar, im großen Thurm verschlossen, Ein dunkles Etwas schaut im fernen Land, Wie wenn am Abend Nebel sich ergossen; Und endlich wird das Freundesheer erkannt, Das weit umher mit Staub umhüllt den Himmel Und Feld und Hügel deckt mit Volkgewimmel. 2. Kaum sahen dies von ihren hohen Zinnen Die Heiden, als sie laut gen Himmel schrie'n, Gleich Kranichen, die bei des Frosts Beginnen In dichter Schaar aus Thraciens Nestern ziehn, Und mit Gekreisch, den Stürmen zu entrinnen, Durch Wolken hin zu wärmern Ufern fliehn; Denn die erfüllte Hoffnung macht die Hände Zum Pfeilschuß und den Mund zum Schmähn behende. 3. Der Franken Schaar kann ohne Mühe deuten, Woher dies Drohn entspringt, die neue Wut, Und sieht vom Hügel bald des weit zerstreuten, Zahllosen Heeres ungeheure Flut. Und alsobald nun flammt den tapfern Leuten Die Kühnheit auf, und Kampf begehrt ihr Muth; Die stolze Jugend ruft im Volksgedränge: Das Zeichen, großer Fürst! – es braust die Menge. 4. Doch Gottfried weigert, vor dem neuen Tage Ins Feld zu gehn, und zäumt den kühnen Flug; Auch selber daß man Streifgefechte wage, Den Feind zu prüfen, wehrt er streng genug. Wohl ziemet, spricht er, nach so heißer Plage, Ein Tag zum Ausruhn euch mit Recht und Fug. Vielleicht auch wollt' er in des Feindes Heeren Das Selbstvertraun, die eitle Keckheit nähren. 5. Ein Jeder rüstet sich und wünscht das neue Frühlicht herbei mit eifrigem Begehr. Nie war so rein, so schön des Aethers Bläue, Als da der Tag anbricht, von Thaten schwer. Aurora lächelt, und es scheint, sie streue Der Sonne Strahlen sämmtlich um sich her. Der Himmel mehrt sein Licht, und sonder Hülle Will er nun schau'n der großen Thaten Fülle. 6. Kaum sieht Bouillon die goldne Früh' erglänzen, So führt er sein geordnet Heer ins Feld. Graf Raimund muß des Königs Thurm umkränzen, Indem er rings umher die Gläub'gen stellt, Die kürzlich erst von Syriens nahen Gränzen Zu ihren Rettern häufig sich gesellt. Mit Diesen muß, obwohl sie gnügend scheinen, Noch eine Schaar Gasconier sich vereinen. 7. Der Feldherr zieht daher, und Siegsentzücken Glänzt, Jedem sichtbar, aus dem Aug' empor. Ihn scheint die Gunst des Himmels zu beglücken; Erhabner, größer scheint er, denn zuvor. Man sieht der Würde Strahl sein Antlitz schmücken, Der Jugend Purpurglanz bricht neu hervor. In Haltung, Blick und jeglicher Geberde Erscheint er höher als ein Sohn der Erde. 8. Nicht lange zog er fort, als er den Schranken Des Heidenlagers sich im Antlitz fand. Besetzen läßt er gleich durch seine Franken Die Höh'n im Rücken und zur linken Hand. Dann ordnet er das Heer, mit schmalen Flanken Und breiter Stirn, der Ebne zugewandt. Inmitten stehn die unberittnen Streiter, Und auf den Flügeln, rechts und links, die Reiter. 9. Vom linken Haufen, dem der steile Hügel, Den er sogleich besetzt, zur Deckung war, Giebt er den beiden Robert jetzt die Zügel; Die Mitte hat der Bruder in Gewahr. Zur Rechten steht er selbst, weil diesem Flügel Am meisten aus der Ebne droht Gefahr, Und weil der Feind, an Zahl ihm überlegen, Zuerst dort hoffen darf, ihn zu umhegen. 10. Hier stellt er seine lothringschen Genossen Und was er für den Kern des Heeres hält; Fußvolk, gewohnt zu kämpfen zwischen Rossen, Wird den berittnen Schützen zugesellt. An diese wird der Ritter Schaar geschlossen, Wozu er manchen Auserles'nen stellt; Rechts läßt er diese stehn, im Hintergrunde, Und macht Rinald zum Haupt von ihrem Bunde, 11. Und spricht zu ihm: In diesem großen Streite Kommt, Herr, auf dich des Siegs Entscheidung an. Birg hinter meinem Heer, in ein'ger Weite, Dein Häuflein noch, und laß den Feind sich nahn; Doch rückt er vor, dann fall' ihm in die Seite, Und rasch vereitle den verwegnen Plan. Denn irr' ich nicht, so will er uns umringen, Und in die Seit' und in den Rücken dringen. 12. Von Schaar zu Schaar nun sprengt er durch die Auen Hin durch des Fußvolks und der Reiter Zahl. Frei läßt das Helmvisir sein Antlitz schauen, Aug' und Gesicht flammt wie von Blitzes Strahl. Die zweifeln, regt er auf, stärkt, die vertrauen; Er ruft zurück dem Kecken sein Geprahl, Dem Tapfern seine That; gelobt Vermehrung Des Soldes dem, und jenem Ehrgewährung. 13. Am Ende ließ er dort den Renner halten, Wo sich des Heeres bester Theil befand, Und als vom hohen Platz die Wort' erschallten, Fühlt jeder, der ihn hört, sich übermannt. Wie der geschmolzne Schnee, unaufgehalten, In Bächen niederströmt vom Bergesrand, So rasch entflohn in dieser großen Stunde Mit hellem Klang die Worte seinem Munde: 14. O du mein Heer, des Orients Bezwinger, Du Geißel deß, der Christi Wort verlacht! Sieh, endlich ist der frohe Siegesbringer, Der lang' ersehnte, letzte Tag erwacht. Mit großer Absicht hat des Höchsten Finger Sein ganz rebellisch Volk heran gebracht; All' eure Feinde wollt' er hieher senden, Um viele Krieg' in Einem Schlag zu enden. 15. Wir werden viel' in Einem Sieg erlangen, Und größer nicht wird Fahr und Mühe sein. Fern sei von euch, fern jedes eitle Bangen Vor unsrer Feind' unzähligem Verein! Zu ordnen schwer, in innerm Zwist befangen, Verwickelt er sich selbst in seinen Reihn, Und wird im Kampf nur wenig Streiter zählen; Denn Raum wird Vielen, Vielen Kühnheit fehlen. 16. Die, welche jetzt sich wider uns erheben, Sind meistens nackt, und ohne Kunst und Kraft, Nur durch Gewalt dem niedern Sklavenleben, Durch Herrscherzwang der feigen Muß' entrafft. Schon seh' ich Schild und Schwert und Fahne beben, Und wie der Arm schon vor dem Kampf erschlafft; Seh' Angst und Zweifel alle Reihn durchschleichen, Seh' ihren Tod an wohlbekannten Zeichen. 17. Der Feldherr, der, im purpurnen Gewande, Die Schaaren stellt, so wild von Angesicht, Er hat der Araber, der Mohren Bande Vielleicht besiegt; uns widersteht er nicht. Was kann er thun mit Klugheit und Verstande, Wenn Angst, Verwirrung durch die Haufen bricht? Kaum kennen ihn, kaum kennet er die Schaaren, Sagt Wen'gen wohl: Dort kämpften wir zu Paaren! 18. Doch Ich bin Feldherr auserles'ner Streiter; Zusammen kämpften einst und siegten wir, Und lange war ich nachmals euer Leiter. Weß Land und Abkunft ist verborgen mir? Welch Schwert, das ich nicht kenne? Ja, wenn weiter Der Pfeil noch fliegt im luftigen Revier, Weiß ich, ob Irland, ob ihn Frankreich sandte, Und welches Schützen Arm den Bogen spannte. 19. Gewohntes fodr' ich nur: Auch heute wieder Sei Jeder, so wie sonst, sich selber gleich, Voll Muth, wie sonst, und denke, treu und bieder, An seinen, meinen, Christi Ruhm zugleich. Geht, stürzet die Verruchten; ihre Glieder Zermalmt, und sichert unser heil'ges Reich. Was säum' ich noch? mich läßt eu'r Aug' erkunden Mit heller Schrift: Schon habt ihr überwunden! 20. Es schien, als ob beim Enden dieser Töne Ein lichter Strahl dem Himmel sich entwand, Wie oft die Sommernacht in heitrer Schöne Stern' oder Blitze schüttelt vom Gewand. Doch dieser Strahl – so glaubten Christi Söhne – Ward aus der Sonne tiefstem Schooß gesandt; Er schien sein Haupt im Kreise zu umstreichen. Und Manchem wohl der künft'gen Herrschaft Zeichen. 21. Vielleicht, wenn vom Geheimniß jener Zonen Nicht allzu kühn des Menschen Zunge spricht, Hüllt' ihn sein Schutzgeist, von der Engel Thronen Herab geschwebt, in seiner Schwingen Licht. Indeß Bouillon der Christen Legionen In Ordnung stellt und mahnt an ihre Pflicht, Läßt's auch Aegyptens Feldherr nicht dran fehlen, Sein Volk zu ordnen, ihm den Muth zu stählen. 22. Er führt sein Heer hinaus, sobald vom Hügel Herab die Franken seinem Blick sich nahn. Auch er vertheilt die Reiter auf die Flügel Und stellt das Fußvolk mitten auf den Plan. Vom rechten Haufen nimmt er selbst die Zügel, Fürst Altamor führt den zur Linken an; Das Fußvolk wird dem Muleaß beschieden, Und in der Mitte sieht man dort Armiden. 23. Des Königs Schaar steht auf des Feldherrn Seite, So auch der Inderfürst und Tissaphern. Doch Altamor, wo in die ebne Weite Sich dehnt der linke Flügel, führt den Kern Von Afrika's und Persiens Heer zum Streite, Nebst jenen Zwei, des heißern Landes Herr'n; Und alle sind zu seiner Schaar gezogen, Die Schleuder führen, Armbrust oder Bogen. 24. So ordnet Emiren; durch alle Glieder Sprengt er auch nun im ganzen Felde rund, Lobt und belohnt, schilt und bestraft hinwieder, Bald durch den Dolmetsch, bald durch eignen Mund. Er sagt zu dem: Du senkst dein Antlitz nieder? Was zu befürchten, Krieger, hast du Grund? Kann Einer auch sich gegen Hundert schlagen? Mit Schatten und Geschrei will ich sie jagen. 25. Zu jenem: Du, mit kühnem Angesichte, Entreiße, Tapfrer, seinen Raub dem Feind. Dann zeigt er Manchem in so hellem Lichte, Daß er mit Augen es zu schauen meint, Das Vaterland mit flehendem Gesichte, Der seinen Schaar, die zitternd klagt und weint. O glaube, spricht er, hier, an diesem Orte, Fleht dich dein Vaterland durch meine Worte: 26. Sei dem Gesetze Schutz und dem Altare, Daß ihn nicht wasche meines Herzens Blut. Die zarten Jungfrau'n rette du; bewahre Das Grab, in dem der Väter Asche ruht. Dir zeigen Greise die gebleichten Haare, Beweinend der entflohnen Jugend Glut; Dir Mütter ihre Kleinen um die Wette, Und Brust und Wieg' und eheliches Bette. 27. Und Vielen sagt er dann: Zu seiner Ehre Vertheidigern hat Asien euch gemacht; An diesen wen'gen Räubern hofft es schwere, Gerechte Rache jetzt von eurer Macht. So redet er in manchem Ton zum Heere Und reizt durch manche Kunst es an zur Schlacht. Die Feldherr'n schweigen, und nur wenig Schritte Mißt nun der Raum in beider Schaaren Mitte. 28. Groß ist es und bewundernswerth zu schauen, Wie jetzt die Heere sich im Antlitz stehn, Und, ausgedehnt in Ordnung, schon zum rauhen Angriff bereit sind auf den Feind zu gehn; Wie die Paniere flattern durch die Auen, Und auf dem Helm die großen Büsche wehn; Wie Kleidung, Schmuck, Feldzeichen, Schwert und Lanze Blitzt, flammt von Gold und Stahl im Sonnenglanze. 29. Als ob ein Wald von dichten Bäumen sprosse, So starrt von hohen Lanzen jedes Heer. Schon sausen Schleudern, schwirren Wurfgeschosse; Der Bogen ist gespannt, gefällt der Speer. Des Reiters Wut zeigt schon sich auch am Rosse; Es rüstet sich zur Schlacht, dreht sich umher, Stampft, wiehert, bäumt sich, wie von Kampfgier trunken, Sprüht aus geschwollnen Nüstern Dampf und Funken. 30. Schön ist das Grau'n im schönen Kriegsgepränge, Vergnügen geht selbst aus der Furcht hervor, Und der Trommeten hell' und wilde Klänge Erfreu'n und schrecken allzugleich das Ohr. Doch geht der Christen wenn auch klein're Menge Im Anblick wie im Klang den Heiden vor, Weil muth'ger dort die Kriegstrommeten klingen, Und hellre Blitz' aus ihren Waffen dringen. 31. Zum Kampfe ruft die christliche Trommete, Und die der Heiden nimmt die Ladung an. Nun knieet hin zum eifrigen Gebete Der Franken Schaar, und küßt die Erde dann. Der Mittelraum nimmt ab, bald ist die Stäte Nicht mehr zu sehn; schon trifft sich Mann und Mann. Schon kämpfen wild die Flügel, und schon weiter Dringt vor die Schaar der unberittnen Streiter. 32. Wer war der Kämpfer nun im Christenheere, Den man zuerst des Lobes würdig fand? Du warst's, Gildippe, die mit mächt'gem Speere Hyrcan, den Herrn von Ormus, in den Sand Hinwarf, die Brust ihm spaltend. So viel Ehre Vergönnt der Himmel einer Weiberhand. Er fällt, durchbohrt, und höret noch im Fallen Des Stoßes Lob aus Feindes Mund' erschallen. 33. Sie zieht sogleich mit männlich starker Rechte, Nachdem die Lanze brach, das gute Schwert, Und spornet kühn, zu blutigem Gefechte, Auf Persiens Reihen los ihr rasches Pferd. Zopiren haut sie durch das Gurtgeflechte, So daß er wie getheilt zu Boden fährt; Dem schrecklichen Alark wird gleicher Weise Durchhau'n der Doppelweg der Stimm' und Speise. 34. Vom Hieb betäubt, muß Artaxerxes sinken; Vom Stich durchbohrt, stirbt Argeus alsogleich. Dann trifft sie Ismael, wo mit der Linken Der Arm sich bindet, an Geflechten reich. Die Hand läßt, fallend, sich den Zaum entsinken, Und um des Rosses Ohren saust der Streich. Kaum merkt das Pferd, der Zügel sinke nieder, So setzt es durch, und stört die Reihn und Glieder. 35. Die und viel' Andre hatte sie erschlagen, Die in der Nacht des Schweigens untergehn, Als auf sie los, vereint, die Perser jagen, Voll Lüsternheit nach solchen Siegs Trophä'n. Doch der getreue Gatte sieht's mit Zagen Und fliegt, um der Geliebten beizustehn, Und Beide nun, vereint zum heißen Werke, Verdoppeln durch den treuen Bund die Stärke. 36. Mit ungewohnter Kämpferkunst, dergleichen Man nie gesehn, zeigt sich das edle Paar. Um Schutz und Schirm dem Andern darzureichen, Nimmt Keines mehr der eignen Deckung wahr. Die kühne Frau begegnet allen Streichen, Die dem geliebten Gatten drohn Gefahr; Er deckt sie mit dem Schild, und, falls er glaubte Es wäre noth, thät's mit dem bloßen Haupte. 37. Ein Jedes sieht, im Schützen wie im Rächen, Des Andern Sache gleich der eignen an. Sein Eisen muß den Artaban durchstechen, Den Oberherrn der Insel Boëcan. Dasselbe Schwert erlegt Alvant, den Frechen, Der nach Gildippen einen Hieb gethan. Sie theilt die Stirn dem Arimont, der eben Auf ihren Treuen wagt sein Schwert zu heben. 38. So drängten sie die Perser; doch es drängte Die Franken mehr der Fürst von Samarcand; Denn wo er hin mit Schwert und Rosse sprengte, Da warf er Pferd' und Fußvolk in den Sand. Und glücklich, wem er gleich den Tod verhängte, Wer ächzend nicht sich unterm Rosse wand; Denn die das Schwert halb lebend noch gelassen, Die weiß das Roß mit Biß und Tritt zu fassen. 39. Durch seine Hand muß Brunellon erkalten, Den Todten wird Ardonio beigemengt. Dem hat er so den Helm und Kopf gespalten, Daß eine Hälft' auf jeder Schulter hängt; Und dem sein Schwert, mit unbarmherz'gem Walten, Da, wo das Lachen anhebt, eingedrängt; So daß der Mann – ein Graunbild ohne Gleichen! – Gezwungen lacht, und lachend muß erbleichen. 40. Doch nicht verjagt sein mörderischer Degen Nur Diese hier vom holden Erdenrund; Zusammen treibt er grausem Tod entgegen Genton und Guasco, Guido und Rosmund. Wer zählt sie, die dem Altamor erlegen? Und die sein Roß zerstampft auf blut'gem Grund? Wer kann die Namen der Erschlagnen nennen? Wer alle Stöß' und Todesarten kennen? 41. Kein Krieger ist, der stark genug sich meine, Ihm zu begegnen auf dem Schlachtgefild, Und dennoch wagt's Gildippe jetzt, die Eine; Sie scheut ihn nicht, wie stark er sei und wild. Gewißlich führt' am Strand Thermodons keine Der Amazonen Streitaxt oder Schild Mit solchem Muth, als in Gildippen lodert, Da sie zum Kampf den mächt'gen Perser fodert. 42. Sie trifft ihn da, wo, um den Helm geschlungen, Erglänzt des goldnen Diademes Pracht. Es war sogleich durchbrochen und zersprungen, Und selbst die Scheitel beugt sich ihrer Macht. Wohl fühlt der Fürst, von Schaam und Zorn durchdrungen Welch starker Arm ihm diesen Gruß gebracht; Auch rächt er gleich die Schmach, die er erfahren, Und läßt die Rache mit dem Schimpf sich paaren. 43. Er trifft im Augenblick, schnell wie Gedanken, Der Heldin Stirn mit so gewalt'gem Hieb, Daß Sinn und Kraft entfliehn; sie kam ins Wanken, Doch half ihr Freund, daß sie im Sattel blieb. War's Glück, war's seinem Edelmuth zu danken: Den Streich zu doppeln fühlt' er keinen Trieb. So stolz verschmäht der edle Leu den Streiter. Der ihm erlag, beschaut ihn und geht weiter. 44. Indeß hat Ormond, der sich unterwunden Heimtückisch zu vollziehn die grause That, Sammt den Genossen, ihm durch Eid verbunden, In falscher Wehr den Christen sich genaht: Wie nächt'ge Wölfe, gleichend fast den Hunden, Zur Hürde ziehn auf nebelvollem Pfad, Indem sie spähn, den Eingang zu entdecken, Und den verdächt'gen Schweif geschickt verstecken. 45. Sie nähern sich; schon hat der freche Heide Von Gottfrieds Seite sich nicht fern gestellt; Doch wie Bouillon das Gold, die weiße Seide Des Truggewands erblickt, da ruft der Held: Seht da den Frevler, der in falschem Kleide Verräthrisch sich als einen Franken stellt! Seht da, mit ihm, die andern Missethäter! So rufend, sprengt er los auf den Verräther. 46. Er trifft ihn scharf; der Frevler, ohne Regen, Haut nicht, noch wehrt sich, noch entweicht den Reihn. Als säh' er Gorgo's Haupt, die höchst verwegen Er sonst auch war, wird er zu Eis und Stein. Auf sie nun stürmt ein jeder Speer und Degen Und jeder Bogen zielt auf sie allein; Bald ist die Schaar der Frevler aufgerieben, Den Todten selbst der Leichnam nicht geblieben. 47. Bouillon, besprützt mit Blut der Frevler-Meute, Eilt in die Schlacht, nach jenem Ort gewandt, Wo er die dichtste Heerschaar seiner Leute Von Altamor gesprengt, zerstoben fand, So daß sie rings im Felde sich zerstreute, Wie vor dem Südwind afrikan'scher Sand. Er rennt herbei, schilt, droht und hält mit strenger Gewalt die Flücht'gen, und bestürmt den Dränger. 48. Nun kämpft das Paar der Helden, kühn und kräftig, Kampf, wie nicht Ida, wie nicht Xanthus sah. Auch andern Orts, im Fußgefecht geschäfftig, Stehn Muleaß und Balduin kämpfend da; Indeß der andern Reiter Schlacht gleich heftig Am obern Ende glüht, dem Hügel nah, Dort, wo der Heidenfeldherr selber streitet, Von jenem mächt'gen Heldenpaar begleitet. 49. Der Schaaren Lenker und Ein Robert hauen Im Zweikampf sich und halten gleich das Feld; Dem Andern hat Adrast den Helm zerhauen, Und auch die Wehr gespalten und zerspellt. Doch Tissaphern kann keinen Gegner schauen, Den er besondern Kampfs für würdig hält; Allein er streift umher im dichtsten Kreise Und tödtet Viel' und auf verschiedne Weise. 50. So kämpft man, und die Wage, gleich geschwungen, Schwebt zwischen Furcht und Hoffnung hin und her. Das Feld ist voll von Lanzen, die zersprungen, Von halben Schildern und zerbrochner Wehr, Von Schwertern, die in Brust und Bauch gedrungen, Und andern Schwertern, hingestreut umher, Von Leibern, rücklings die, vornüber jene, Als bissen in den Boden noch die Zähne. 51. Hier liegt das Kampfroß und sein Herr daneben; Hier liegt der Freund bei seinem Freund erblaßt, Der Feind beim Feind, und oft sind, die noch leben, Der Todten, Sieger der Besiegten Last. Kein Schweigen ist, kein deutlich Schrei'n; doch schweben Dumpfheis're Tön' umher, wild, ohne Rast: Der Kämpferwut Geknirsch, des Zornes Krächzen, Hinsterbender Geseufz, Durchbohrter Aechzen. 52. Die Waffen, kurz vorhin so hell und heiter, Sind jetzt ein finstrer Anblick und voll Grau'n. Nicht strahlt das Gold, das Eisen blitzt nicht weiter, Nicht lieblich sind die Farben mehr zu schau'n. Feldzeichen, Helmbusch, jeder Schmuck der Streiter Liegt jetzt zertreten auf des Kampfes Au'n. Was Blut verschont, bedeckt des Staubes Menge – So wandelt sich das stolze Kriegsgepränge. 53. Die Aethiopen, Araber und Neger, Die auf dem linken Flügel-Ende stehn, Ziehn jetzt heran, und breiten sich in schräger Schlachtordnung aus, die Feinde zu umgehn. Schon ist von fern durch Schleudrer, Bogenträger, Dem Frankenvolk des Abbruchs viel geschehn, Da bricht Rinald hervor mit seinen Rittern, Erdbeben gleich und schrecklichen Gewittern. 54. Bei jener Schaar, die Aethiopien sendet, War Assimir von Meroe, kühn und wild; Wo auf dem Rumpf der schwarze Hals sich wendet, Trifft ihn Rinald und wirft ihn aufs Gefild. Und da, nachdem der erste Sieg vollendet, Des Siegers Brust von Blut- und Mordgier schwillt, Vollbringt er Thaten jetzt im Kampfesfeuer, Unglaublich, schauderhaft und ungeheuer. 55. Mehr Tod' als Hiebe giebt er, und der Regen Der mächt'gen Streiche fällt doch häufig g'nug. Die Schlange scheint drei Zungen zu bewegen, So seltsam täuscht der Einen schneller Flug; Und so auch sieht das bange Volk drei Degen In seiner raschen Hand, durch gleichen Trug. Die Schnelle muß dem Blick die Wahrheit rauben, Und die Bestürzung schafft dem Wunder Glauben. 56. Die Negerfürsten, die aus Libyens Reichen, Wirft er dahin, den in des Andern Blut. Auf Andre hau'n die Ritter ein, und weichen Dem edeln Führer nicht an wilder Glut. Mit großer Schmach fällt unter ihren Streichen Das Heidenvolk, das nichts zur Abwehr thut. Kein Kampf ist dies, nur Mord und Niederlage; Denn dort gebraucht man Stahl, hier Schrei und Klage. 57. Nicht lang' empfangen sie am edlern Theile Die Wunden noch, und zeigen ihr Gesicht. Die Schaaren fliehn, und Furcht treibt so zur Eile, Daß Alles wild aus Reihn und Gliedern bricht. Allein Rinald verfolgt sie sonder Weile, Und eh sie ganz versprengt sind, ruht er nicht. Dann aber sammelt sich der rasche Sieger, Der minder wild ist gegen flücht'ge Krieger. 58. Gleichwie der Wind, erzürnt vom Widerstande Des Waldes oder Bergs, sein Toben mehrt, Allein hernach die offnen, ebnen Lande Mit sanfterm und gelinderm Hauch durchfährt, Und wie das Meer aufschäumt am Felsenstrande, Doch stiller fließt, wo nichts den Fluten wehrt: So mildert sich Rinaldo's Wut und schwindet, Je minder starken Widerstand sie findet. 59. Auf flieh'nde Rücken, in vergebnem Streite, Glaubt er den edlen Zorn zu schlecht verwandt. Er wirft sich auf das Fußvolk, dem zur Seite Vorhin der Araber und Libyer stand. Nun ist's entblößt; todt oder in der Weite Ist alles schon, was ihm zum Schutz gesandt, Und plötzlich fällt die Ritterschaar der Franken Mit Ungestüm dem Fußvolk in die Flanken. 60. Sie bricht die Lanzen, räumt im schnellen Ritte Die Hemmung fort und dringt ins Feindesheer, Zersprengt und wirft es; mit so wildem Schritte Fährt über schwanke Saat kein Sturm daher. Ein Estrich pflastert sich mit blut'gem Kitte Aus Gliederstümpfen und zerbrochner Wehr, Und ohne Säumen sprengen Roß und Reiter Im Flug darüber hin und stürmen weiter. 61. Rinald erscheint, wo auf dem goldnen Wagen Armida steht in kriegerischer Tracht, Wo des Gefolges Ritter sie umragen, Zusammt der Bulen Schaar, als Edelwacht. Sie kennt ihn gleich, und ihre Blicke sagen, Wie Rachgier bald, bald Sehnsucht sie durchfacht. Er wandelt sich ein wenig im Gesichte, Sie wird wie Eis, dann flammt sie gleich dem Lichte. 62. Der Ritter sucht den Wagen zu vermeiden Und eilt vorüber in geschäfft'ger Hast; Doch ohne Kampf läßt ihn der Bund nicht scheiden, Der einig ihn als Nebenbuler haßt. Hier drohen Lanzen ihm, dort Schwerterschneiden; Armida selbst hat schon den Pfeil gefaßt. Zorn treibt die Hand zu grausam heft'gem Walten, Doch Liebe fleht und will zurück sie halten. 63. Die Liebe wagt's, dem Zorn zu widerstreben, Und offenbart den still verborgnen Brand. Dreimal will sich der Arm zum Bogen heben, Und dreimal sinkt die eingehaltne Hand. Doch siegt der Zorn; sie spannt, nicht ohne Beben, Den Bogen jetzt, der Pfeil wird abgesandt. Er fliegt hinweg, doch aus der tiefsten Seele Mit ihm der Wunsch, daß er sein Ziel verfehle. 64. Sie wünscht zurück den Pfeil; sie wünscht, es fliege Das stechende Geschoß in ihre Brust. O was vermögte nicht die Lieb' im Siege, Vermag sie schon so viel selbst im Verlust? Doch sie bereut den Wunsch; im innern Kriege, Der sie entzweit, siegt nun der Rache Lust. So bebt sie bald, bald hofft sie vom Geschicke, Es treff' ihr Pfeil, und folgt ihm mit dem Blicke. 65. Doch nicht vergeblich war der Schuß zum Theile; Er fehlt Rinaldo's harten Panzer nicht, Wohl viel zu hart dem schwachen Frauenpfeile, Der, statt zu stechen, dort die Spitze bricht. Der Ritter wendet sich; sie hält die Eile Für bittern Hohn, und nun, auf Rach' erpicht, Schießt sie noch oft, und kann ihn nicht verwunden, Und wann sie schießt, versetzt ihr Amor Wunden. 66. Ist, sprach sie, dieser Mann so undurchdringlich, Daß jede Feindesmacht ihm dient zum Scherz? Sind alle Glieder ihm so unbezwinglich Durch Jaspishärte, wie sein fühllos Herz? Ihn zu verletzen ist gleich unerschwinglich Dem Blick, dem Pfeil; ihn panzert dreifach Erz. Bewehrt und wehrlos muß ich ihm erliegen, Gleich sehr verhöhnt im Lieben wie im Kriegen. 67. Und welche neue Kunst ist mir noch offen? Welch neue Form der Wandlung bleibt mir mehr? Unglückliche! nichts weiter darf ich hoffen Von meinen Rittern; denn mir scheint, vielmehr Ich seh' es deutlich jetzt, an diesem Schroffen Zerschellt, ohnmächtig, jede Kraft und Wehr. – Wohl sah sie, daß die Ritter, theils erschlagen, Theils hingestürzt, besiegt, zu Boden lagen. 68. Sie kann allein sich keinen Schutz verschaffen, Und glaubt gefangen, Sklavin sich zu schau'n. Nicht auf Dianens, auf Minervens Waffen, Auf Bogen nicht noch Speer hat sie Vertrau'n. Wie der erschrockne Schwan mit bangem Gaffen Dem Adler folgt und seinen scharfen Klau'n, Sich niederduckt und läßt die Flügel hangen: So zeigt itzt jegliche Geberd' ihr Bangen. 69. Der König Altamor, der seine Schaaren, Der Perser Haufen, die schon im Beginn Zurückzuweichen, ja, zu fliehen waren, Mühsam, allein, gehalten bis dahin, Sieht kaum Armidens drohende Gefahren, So eilt er rennend, fliegend zu ihr hin, Ohn' erst um Ehr' und Volk sich zu bekümmern; Mag, rettet er nur sie, die Welt zertrümmern. 70. Er stellt sich selbst vor den entblößten Wagen Und macht ihm freie Bahn mit seinem Schwert; Da kommen Gottfried und Rinald, und jagen Und tödten seine Schaar, fast unverwehrt, Der Unglücksel'ge sieht's, und kann's ertragen, Denn mehr ist Lieb', als Führersorg', ihm werth. Er sichert Jene; dann, zu spät besonnen, Kehrt er zurück, und sieht sein Volk zerronnen; 71. Denn unherstellbar ist auf dieser Seite Der Heiden Heer geschlagen und zersprengt. Doch auf der andern sind in Feldesweite Die Unsern fortgejagt und hart bedrängt. Der eine Robert, schwer verletzt im Streite, Entgeht mit Noth der Schaar, die ihn umfängt; Den andern nahm Adrast. So ähnlich waren Verlust noch und Gewinn für beide Schaaren. 72. Allein Bouillon macht sich die Zeit zu Gute, Schaart wieder seine Reihn und führt zur Schlacht Sie schnell zurück mit neubelebtem Muthe; Zwei ganze Flügel treffen sich mit Macht. Gefärbt ist jeder schon mit Feindesblute, Geschmückt ist jeder mit Trophäenpracht, Und Sieg und Ruhm begleiten beider Schritte; Fortuna, Mars stehn zweifelnd in der Mitte. 73. Indessen hier mit wechselndem Gewinne Der Heid' und Christ sich wagt in blut'gem Spiel, Steigt Solyman auf seines Thurmes Zinne Und schaut von dort nach einem fernen Ziel, Schaut, wie auf Bühnen, mit geschärftem Sinne, Des Menschenlebens wildes Trauerspiel: Tod und Verwüstung unaufhörlich rege, Und des Geschicks, des Zufalls große Schläge. 74. Er steht betäubt und mit erstauntem Gaffen, Beim ersten Blick; doch bald erwacht die Wut. Um gleiche Thaten kühn und groß zu schaffen, Strebt nach dem Felde der Gefahr sein Muth. Er zaudert nicht; schon ist er ganz in Waffen, Ergreift den Helm und ruft voll mächt'ger Glut: Auf, Krieger, auf! noc h zögern ist Verderben; Heut ist die Losung: Siegen oder sterben! 75. Sei's, daß vielleicht des Himmels wundergleiche Vorsehung solche Wut ihm angefacht, Damit der Rest vom Palästinerreiche Zertrümmert werd' in dieser Einen Schlacht; Sei's, daß ihn jetzt dem nahen Todesstreiche Entgegen führt des eignen Triebes Macht: Er sprengt das Thor im wilden Zorneskrampfe Und stürzt hinaus zu unversehnem Kampfe. 76. Nicht warten will er, bis die Kampfgenossen Ihm Folge thun; er stürmt allein hinaus, Allein auf tausend Feinde, dicht geschlossen, Stürzt sich allein in tausendfachen Graus. Doch folgt ihm rasch, von seinem Muth durchflossen, Der Andern Schaar; selbst Aladin zieht aus. Wer feige war, wer schüchtern, zagt nicht weiter, Spornt Wut auch mehr, als Hoffnung, die Begleiter. 77. Die Ersten, die er findet, wirft des kecken Nicäners Schwert, eh' Einer sich's versieht, Und er ist so geschwind, sie hinzustrecken, Daß man nicht fallen, nur Gefallne sieht. Vom Ersten bis zum Letzten läuft der Schrecken, Die Grauenkunde fliegt von Glied zu Glied, So daß die Syrer-Christen schon bei Haufen Aufbrechen im Tumult, wie zum Entlaufen. 78. Mit weniger Verwirrung, minderm Grauen, Behaupten die Gasconier Platz und Halt, Obwohl sie die Gefahr am nächsten schauen, Zuerst bestehn des jähen Sturms Gewalt. Nie färbten so sich Zähne, so sich Klauen Des Raubgewilds in Lüften oder Wald Mit Blut von Vögeln oder Vieh auf Weiden, Wie jetzt mit ihrem Blut das Schwert der Heiden. 79. Heißhungrig, gierig scheint dies Schwert zu hausen, Als fräß' es ihre Glieder, sög' ihr Blut. Auch Aladin, auch seine Leute brausen Auf die Belagrer los mit gleicher Wut. Doch Raimund naht, wo, zu der Seinen Grausen, Der Sultan tobt, und nicht entweicht sein Muth, Obwohl er bald erkennt die wilde Rechte, Die ihn zum Tod getroffen im Gefechte. 80. Doch stürmt er jetzt von neuem ihm entgegen, Doch wird er jetzt, wie damals, hingestreckt; Sein läst'ges Alter kann den läst'gen Schlägen Nicht widerstehn, womit der Sultan schreckt. Von hundert Schilden und von hundert Degen Wird er auch jetzt bestritten und gedeckt. Doch Solyman glaubt ihn zu leichte Beute, Wenn nicht schon todt, und stürzt auf andre Leute. 81. Die Menge fällt er an mit raschen Hieben, Und thut viel Großes an beschränktem Ort; Doch sucht er bald, von seiner Wut getrieben, An andern Orten Stoff zu neuem Mord. So eilt ein Mann, geplagt von Hungers Trieben, Vom kargen Tisch zur reichen Mahlzeit fort, Wie jetzt der Sultan eilt zu größern Kämpfen, Um seine tolle Blutbegier zu dämpfen. 82. Wo jüngst beim Sturm die Mauer ward durchschossen, Steigt er hinab, und eilt zur großen Schlacht; Doch bleibt die Wut zurück in den Genossen, Und in dem Feind die Furcht, die er entfacht. Vollenden will die eine Schaar, entschlossen, Den großen Sieg, den er nicht ganz vollbracht; Die andre widersteht den wilden Fluten, Doch läßt ihr Widerstand schon Flucht vermuthen. 83. Allmählig, langsam weicht die Schaar der Franken, Doch ganz zersprengt entflieht der Syrer Heer. Sie nahn dem Aufenthalt Tancreds, des kranken, Und ihr Geschrei dringt mächtig zu ihm her. Vom Lager steht er auf, nicht ohne Wanken, Steigt auf des Haufes Höh' und schaut umher, Sieht Raimund hingestreckt, die Einen weichen, Die Andern fliehn mit allen Schreckenszeichen. 84. Nicht weicht der Muth aus heldenkräft'gen Seelen, Und kränkelt auch der Leib, er kränkelt nicht; Er scheint vielmehr den wunden Leib zu stählen Und übernimmt des Bluts und Athems Pflicht. Der Ritter eilt, den schwersten Schild zu wählen, Dem blutberaubten Arm ein leicht Gewicht. Den nackten Stahl ergreift des Helden Rechte: Dies ist ihm g'nug, so eilt er zum Gefechte. 85. Ihr fliehet fort, ruft er mit lautem Tone, Und lasset euern Herrn als Beute hier? Soll man in Heidentempeln, euch zum Hohne, Einst seine Waffen schaun als Siegeszier? Geht nach Gasconien und erzählt's dem Sohne; Sagt, wo der Vater starb, da flohet ihr. Er ruft's, und dem bewehrten, kräft'gen Heere Giebt er die nackte, kranke Brust zur Wehre; 86. Und mit dem schweren Schilde, das aus sieben Stierhäuten von der stärksten Wucht besteht, Dem eine Deck', aus feinem Stahl getrieben, Zu besserm Schutz noch um den Rücken geht, Bewahrt er Raimund vor der Schwerter Hieben, Der Pfeile Drang und allem Kriegsgeräth, Treibt mit dem Schwert die Feinde von dem Matten Und läßt ihn sicher ruhen, wie im Schatten. 87. Aufathmend bald, erhebt der Greis sich wieder, Da ihn Tancred so treu in Obhut nahm, Und doppelt Feuer strömt durch seine Glieder, Zorn brennt im Herzen, im Gesichte Schaam. Sein glühend Auge rollt er auf und nieder Nach ihm, von dem er jenen Hieb bekam. Doch ihn nicht schauend, eilt er, für des Frechen Verwegne That am Volke sich zu rächen. 88. Rasch folgt der Franken Schaar, nicht weichend länger, Dem Führer nach, den Rachbegier durchmannt. Das Volk, vorhin so keck, zeigt schon sich bänger; Muth kehrt zurück, wo Schrecken sich befand. Der Dränger flieht, der Flüchtling wird zum Dränger: So plötzlich wandelt sich der Dinge Stand; Und Raimund, wie ihm Ehr' und Pflicht geboten, Tilgt jetzt die Eine Schmach mit hundert Todten. 89. Der Graf, der an des Feindes größten Mannen Zu lüften sucht der Schaam, des Zornes Glut, Wird jetzt gewahr des edeln Reichs Tyrannen, Der vorne kämpft, und greift ihn an voll Muth, Trifft seine Stirn und weichet nicht von dannen, Haut und haut wieder mit vermehrter Wut. Der König stürzt und beißt im Todesgrauen, Laut heulend, in die einst beherrschten Auen. 90. Fern ist der Sultan, Aladin erschlagen, Und ihre Mannschaft folgt verschiedner Wahl: Die Einen jetzt, gleich wüt'gen Thieren, jagen Die Brust verzweifelnd in des Feindes Stahl; Die Andern suchen, wie betäubt vom Zagen, Im hohen Thurme Schutz zum zweitenmal. Doch mit den Flücht'gen drängt sich, muthentglommen, Der Sieger ein und macht den Sieg vollkommen. 91. So fällt die Burg, und theils wird auf den Stiegen, Theils unten schon, der Flüchtling umgebracht. Indeß hat Raimund, der die Zinn' erstiegen, Das Kreuzpanier mit sich hinauf gebracht Und läßt's im Wind als Siegeszeichen fliegen, Im Angesicht der großen Völkerschlacht. Doch Solyman sieht nicht das Siegsgepränge, Er ist schon fern, und mischt sich ins Gedränge. 92. Schon ist das Feld bedeckt mit rothem Schaume, Ein See von Blut, der immer um sich greift; Schon herrscht der Tod allein im weiten Raume, Den er mit stolzem Siegerschritt durchstreift. Der Sultan sieht ein Roß mit freiem Zaume, Das ohne Herrn umher im Felde schweift; Er faßt den Zügel, schwingt sich auf den Rücken, Und eilt, den Sporn ihm in den Leib zu drücken. 93. Groß ist, doch kurz, die Hülfe, die den Seinen, Schon ganz Verzagten, Solyman gewährt; Groß, doch nur kurz, so wie des Strahls Erscheinen, Der schnell, so wie er kam, vorüber fährt, Allein von dessen Lauf in Felsensteinen, Die er zerschlug, ein ewig Denkmal währt. Viel Hundert tödtet er; doch soll von Allen Nur eines Paars Gedächtniß nicht verhallen. 94. Gildipp' und Odoard, von euern schönen, Erhabnen Thaten, euerm herben Leid Soll einst der Ruf bei fernen Völkern tönen, Dringt mein toscanischer Gesang so weit. Euch soll der Ruhm der fernsten Tage krönen, Als Wunderbild der Lieb' und Tapferkeit, Und manches treue Herz mit seinen Zähren Einst euern Tod und meine Leier ehren! 95. Die Heldin hat ihr Roß dahin getrieben, Wo jener Wütrich tobt im Schlachtgefild, Und trifft mit zwei gewalt'gen graden Hieben Ihn in die Seit', und schmettert seinen Schild. Er kennt die Tracht: Seht doch mit ihrem Lieben Die Dirne dort! so ruft er frech und wild; Dir frommte mehr die Nadel sammt der Spule, Als zur Vertheid'gung hier dein Schwert und Bule! 96. Er schweigt, und mehr als je von Wut durchgohren, Haut er nach ihr, der furchtbar wilde Feind. Sein Eisen wagt's, den Busen zu durchbohren, Der nur des Pfeils der Liebe würdig scheint. Schon hat sie aus der Hand den Zaum verloren, Und schmachtet hin, wie wer zu sterben meint. Der arme Gatte sieht's, vor Schrecken schaudernd, Ein unglücksel'ger Helfer, doch nicht zaudernd. 97. Was thun im großen Fall? Nach zweien Seiten Ziehn gleicher Weis' ihn Zorn und Mitleid fort: Dies will, daß er die Theure halt' im Gleiten, Der, daß er räche der Geliebten Mord. Die Lieb', im Mittel, strebt ihn zu verleiten, Hier sie zu halten, sie zu rächen dort. So stützt er mit der linken Hand die Schwache, Die andre dient als Werkzeug seiner Rache. 98. Getheilte Kraft, getheilter Wille nützen Ihm wenig wider den gewalt'gen Mann, So daß er nun nicht die Geliebte schützen, Noch den, der sie erschlug, bestrafen kann. Den Arm, bestimmt, das theure Weib zu stützen, Haut ihm vom Rumpf der wilde Solyman. Er läßt sie fallen; auch er selbst sinkt nieder, Und drückt mit seinen Gliedern ihre Glieder. 99. Gleich einem Ulmbaum, den die Reb' umklettert, Heiß ihn umschlingend mit der Liebe Kraft, Der, umgehaun vom Beil, vom Blitz zerschmettert, Die zarte Freundin mit zu Boden rafft Und selbst des grünen Schmuckes sie entblättert, Ausdrückend ihrer Trauben süßen Saft, Und mehr zu trauern scheint um ihr Verderben, Als um des eignen Stamms gewisses Sterben: 100. So sinkt der Held, nur sie allein beklagend, Die ihm der Himmel gab zu ew'gem Bund. Sie mögten reden; doch, das Wort versagend, Stöhnt nur noch Seufzer der gebrochne Mund. Sie schau'n sich an, fest um einander schlagend Die treuen Arm', obwohl zerhaun und wund. Zugleich sehn Beide sich den Tag verhehlen, Und mit einander fliehn die frommen Seelen. 101. Nun löst der Ruf die Zungen und die Schwingen Und macht zugleich den harten Fall bekannt. Bald muß die Kunde zum Rinaldo dringen, Auch wird deßhalb ein Bot' an ihn gesandt. Wohlwollen, Ingrimm, Schmerz und Eifer bringen Des Helden Rachbegier in hellen Brand. Er sprengt hinzu; doch, nahe dem Verhaßten, Sieht er den Weg verrammelt durch Adrasten. 102. Der wilde König schreit: An allen Zeichen Seh' ich, du bist's, nach dem ich längst gestöhnt. Nie hört' ich auf, die Schilde zu vergleichen, Stets ist dein Nam' aus meinem Mund ertönt; Nun will ich eher nicht vom Platze weichen, Als bis dein Haupt der Göttin Zorn versöhnt. Hier zeig' es sich, wer stärker sei, wer schwächer, Du, Feind Armidens, oder ich, ihr Rächer. 103. So ruft Adrast und haut mit mächt'gen Schlägen Erst auf die Schläf' und in den Nacken dann. Zwar widersteht der heil'ge Helm dem Degen, Doch wohl erschüttert wird der tapfre Mann. Nun giebt Rinald ihm einen Hieb dagegen, Den selbst Apollo's Kunst nicht heilen kann. So wird der ungeheure Held zur Leiche, Und dieser Ruhm gebührt nur Einem Streiche. 104. Bei Allen, die das Heldenpaar umstehen, Erstarrt vor Schreck und Staunen Herz und Blut; Und Solyman, der diesen Schlag gesehen, Wird blaß im Antlitz und verliert den Muth. Er glaubt den eignen Tod voraus zu spähen, Entschließt sich nicht, und weiß nicht was er thut. Wohl ungewohnt bei ihm; doch was hienieden Wird nicht durch ewiges Gesetz entschieden? 105. Wie böse Träume manchmal den erschrecken, Der krank von Leib' ist oder von Gemüth, Daß er zum Lauf die Glieder sucht zu strecken, Und fruchtlos sich bestrebt, von Angst durchglüht, Weil weder Hand noch matter Fuß vollstrecken Was er gebeut, wie sehr er sich bemüht; Auch löst er wohl die Zung' und mögte sprechen, Und kann es nicht, weil Stimm' und Wort gebrechen: 106. So mahnt den Sultan jetzt die innre Stimme Zum Angriff auf, so zwingt er sich zur Schlacht; Doch kennt er nichts in sich vom alten Grimme, Noch kennt er sich an der geschwundnen Macht. Wie mancher Funken Muths in ihm entglimme, Sie alle hüllt ein heimlich Grau'n in Nacht. Doch was auch für Gefühl' ins Herz ihm schleichen, An Fliehen denkt er nicht und nicht an Weichen. 107. Unschlüssig weilt er auf derselben Stelle, Bis der Betäubung ihn Rinald entreißt, Der, wie ihm däucht, an Größe, Wut und Schnelle Weit alles übertrifft, was sterblich heißt. Er kämpft nur schwach; doch auf des Todes Schwelle Legt er nicht ab den heldenmüth'gen Geist, Flieht keinen Hieb, läßt keinen Seufzer steigen, Und hört nicht auf, sich stolz und groß zu zeigen. 108. Als Solyman, der, dem Antäus gleichend, Im langen Krieg' oft fiel und immer drauf Furchtbarer sich erhob, nun sank, erbleichend, Zu ew'ger Rast: da eilt des Rufes Lauf. Das Glück, unstät bisher im Felde streichend, Hält länger nicht des Siegs Entscheidung auf; Es hemmt die Kreise, fügt sich ohne Schwanken Zu Gottfrieds Heer, und streitet für die Franken. 109. Der Nerv des Morgenlandes, die Genossen Der Königsschaar fliehn, wie die Andern flohn. Einst hießen sie unsterblich; doch beschlossen Ist ihr Verderb, dem Titelprunk zum Hohn. Des Fahnenträgers Flucht hemmt itzt, entschlossen, Fürst Emiren und spricht in bitterm Ton: Bist du's, den ich vor Tausend tüchtig glaubte, Daß er das Banner meines Herrn behaupte? 110. Wählt' ich dich, Rimedon, zu solcher Ehre, Um rückwärts es zu tragen aus den Reihn? Du, Feiger, siehst den Feldherrn mit dem Heere Des Feinds im Kampf, und lässest ihn allein? Was suchst du? Rettung? Nun wohlan, so kehre Mit mir zurück; dort harrt Verderben dein. Wer Rettung will, der kämpfe, der verweile! Der Ehre Bahn ist einz'ge Bahn zum Heile. 111. Voll Schaam kehrt Jener um, indeß mit Strenge Der Fürst die Andern aufzuhalten strebt. Hier droht er, haut dort ein und treibt die Menge Dem Schwerte zu, die vor dem Schwerte bebt. So führt er noch einmal ins Kampfgedränge Die bessre Schaar, von Hoffnung neu belebt, Und es bestärkt sie Tissaphern vor Allen, Dem kein Gedank' an Flucht noch eingefallen. 112. Schon wirkte Tissaphern der Wunder viele: Die Normannschaar hatt' er durchaus gesprengt, Die Flandrer hart geplagt im blut'gen Spiele, Dem Gernier, Rüd'ger, Gerhard Tod verhängt. Nachdem er so, durch Thaten, bis zum Ziele Des ew'gen Ruhms dies kurze Sein verlängt – Als acht' er's klein, des Lebens noch zu wahren – Sucht er die größte nun der Schlachtgefahren. 113. Er sieht Rinald, – und sind die himmelblauen, Einst hellen Farben jetzt auch roth von Blut, Sind blutbefleckt der Schnabel und die Klauen Des Adlers jetzt: er kennt die Zeichen gut. Hier, ruft er, läßt die Hauptgefahr sich schauen; Hier fleh' ich, Himmel, stütze meinen Muth Und laß ersehnte Rach' Armiden sehen! Sieg' ich, o Mahom: dein sind die Trophäen! 114. Vergeblich fleht er mit so heißem Triebe, Weil ihm der taube Gott sein Ohr nicht leiht. Dem Löwen gleich, der durch des Schweifes Hiebe Zu wecken sucht die alte Grausamkeit, Wetzt Dieser seinen Haß am Stein der Liebe, Befeuert sich an ihrer Glut zum Streit. Er zieht sich ein und sammelt seine Stärke, Und spornt sein Roß zum großen Waffenwerke. 115. Rasch kam nun auch Rinald herangeritten, Da er die Absicht Tissapherns erkannt. Das Volk macht' ihnen Platz in seiner Mitten. Den Blick zum wilden Schauspiel hingewandt. Der Held Italiens und der Heide stritten Mit solcher Kunst, mit so gewalt'ger Hand, Daß Jeder, vor Bewundrung dieser Beiden, Den eignen Groll vergaß, die eignen Leiden. 116. Doch Dieser haut nur, Jener nur haut Wunden, Denn er ist kräft'ger, stärker seine Wehr. Schon ist dem Tissaphern der Schild entwunden, Der Helm zerhaun; sein Blut strömt weit umher. Armida sieht des Heiden Kraft geschwunden Und seine Glieder fast schon waffenleer, Sieht auch die Andern so von Furcht gepeinigt, Daß nur ein schwaches Band sie noch vereinigt. 117. Einst in der Schaar so vieler Krieger ragend, Bleibt sie auf ihrem Wagen jetzt allein. Verzweiflungsvoll, dem Sieg', der Rach' entsagend, Bebt sie vor Sklaverei und haßt das Sein. Ab steigt sie, und, halb wütend und halb zagend, Besteigt sie schnell ein Roß und sprengt feldein. Sie eilt und flieht; doch bleiben zum Geleite, Windhunden gleich, ihr Lieb' und Zorn zur Seite. 118. So floh Kleopatra vor grauen Jahren Allein hinweg aus der gewalt'gen Schlacht, Und ließ den Treuen in des Meers Gefahren, Im Antlitz von Augusts beglückter Macht. Er folgt' ihr rasch, der Liebe zu willfahren, Die ihn zum Feinde seiner selbst gemacht; So folgt' auch Tissaphern Armidens Schritten, Hätt' ihm Rinald den Weg nicht abgeschnitten. 119. Dem Unglücksel'gen scheint, als er Armiden Entfliehen sieht, zu schwinden Sonn' und Licht. Er stürzt auf den, der ihn von ihr geschieden, Und trifft sein Haupt mit seines Schwerts Gewicht. Um Jupiters gezackten Blitz zu schmieden, Fällt Brontes' Hammer mächt'ger, schwerer nicht. Rinalden fährt der Schlag durch alle Glieder Und drückt sein Haupt bis auf die Brust hernieder. 120. Doch er erhebt sich schnell, und gleich dem Blitze Schwingt er den Stahl, durchbohrt den Panzer bald, Stößt durch die Ripp' und senkt die scharfe Spitze Ihm tief ins Herz, des Lebens Aufenthalt. Sie dringt so tief, daß aus zwiefacher Ritze Dem Rücken und der Brust sein Blut entwallt, Und daß sein Geist, der sich dem Leib' entwindet, Schon mehr als Einen Weg zum Scheiden findet. 121. Nun hemmt Rinald den Zügel, um zu schauen, Wo Angriff oder Hülfe nöthig thut; Doch nirgend steht der Heid', und auf den Auen Liegt jedes Feindpanier, befleckt mit Blut. Er setzt dem Morde Ziel, und zu erlauen Scheint nun in ihm die kriegerische Glut. Sein Sinn wird sanft, und nun gedenkt er herzlich Der Schönen, die entfloh, einsam und schmerzlich. 122. Er sah sie fliehn; zu ihrem Schutz verpflichtet Des Mitleids ihn und Edelmuths Gebot. Er denkt des Bunds, den er mit ihr errichtet, Ihr Ritter stets zu sein in Glück und Noth. Rasch folgt er ihr, den Lauf dahin gerichtet, Wo ihres Zelters Spur ihm Merkmal bot. Sie kam indeß zu einem dunkeln Grunde, Wie ausgesucht zur stillen Todesstunde. 123. Dem Zufall sagt sie Dank, der so gewogen Sie in dies öde Schattenthal gebracht, Steigt ab vom Roß, legt nieder Pfeil und Bogen, Und spricht, nachdem sie wehrlos sich gemacht: Unsel'ge Waffen, die ihr mich betrogen! Beschämt, unblutig kommt ihr aus der Schlacht. Ich leg' euch endlich ab; hier bleibt begraben, Zu feig', um meiner Rache Durst zu laben. 124. Doch soll nicht Einem heut ein Sieg gelingen, Nicht Einem Pfeil in dieser ganzen Schaar? Wohl mögt ihr eines Weibes Brust durchdringen, Wenn jede sonst euch Stahl und Demant war. Hier ist Triumph und Ruhm noch zu erringen, Ich biet' entblößt euch meinen Busen dar. O Amor weiß, wie leicht er zu verwunden, Er, dessen Pfeil ihn nie zu hart gefunden! 125. Seid stark und scharf, das Herz mir zu durchbohren, Soll ich die vor'ge Feigheit euch verzeihn. – Armida, weh! Bin ich so ganz verloren? Bleibt mir zur Rettung nichts, als ihr allein? Nein! Alles hat sich gegen mich verschworen; Nur Wunden heilen meiner Wunde Pein. Des Pfeiles Schmerz treib' aus der Liebe Schmerzen, Und Tod sei Arzenei dem kranken Herzen! 126. Wohl mir, folgt diese Pest mir im Erbleichen, Die Hölle zu vergiften, nicht hinab! Die Liebe soll, doch nie der Haß entweichen, Er folge meinem Schatten bis ins Grab, Steig' auf mit ihm aus jenen dunkeln Reichen, Zu dem empor, der diese Schmach mir gab, Und quäl' ihn so in Nächten voll Entsetzen, Daß Schlaf und Ruhe nimmer mehr ihn letzen! 127. Armida schweigt und wählt von den Geschossen Den schärfsten Pfeil, nach fest bestimmtem Rath. Da kommt Rinald und sieht, wie kühn entschlossen Sie der Entscheidung ihres Looses naht, Mit Todesbläss' im Antlitz übergossen Und schon bereit zur grauenvollen That. Er stürzt von hinten zu und faßt in Eile Den Arm, schon ausgestreckt mit scharfem Pfeile. 128. Sich wendend muß sie plötzlich ihn erblicken, Denn sie vernahm sein Kommen nicht zuvor. Laut schreit sie auf und kehrt den theuern Blicken Sich zürnend ab; die Sinn' umhüllt ein Flor. Der Blume gleich, wann Stürme sie zerknicken, Sinkt sie dahin; doch Er hält sie empor, Stützt mit dem Einen Arm die schönen Glieder, Und löst indeß am Busen ihr das Mieder, 129. Und netzt mit Thränen, warm hervorgegangen, Die schöne Brust, das reizende Gesicht. So wie beim Silberthau mit neuem Prangen Die bleiche Ros' erblüht im Morgenlicht, Hob sie, erwacht, die hingesenkten Wangen, Von Zähren feucht, doch von den ihren nicht; Dreimal den Blick erhebend, dreimal neigend, Und dem Geliebten nicht ihr Auge zeigend. 130. Den starken Arm, der sich ihr aufgedrungen, Stieß sie verschmähend weg mit schwacher Hand. Mehrmals versucht, blieb's dennoch ungelungen, Weil er nur fest und fester sie umwand. Doch endlich nun, von Fesseln dicht umschlungen, Die sie im Ernst vielleicht nicht grausam fand, Begann Armida unter Thränenbächen Mit abgewandtem Blick zu ihm zu sprechen: 131. O du, im Wiederkehren wie im Scheiden Gleich grausam, sprich, was hat dich her gebracht? Wohl unerhört! Du wendest mein Verscheiden? Mein Mörder ist's, der für mein Leben wacht? Du willst mich retten? Ha! welch neues Leiden, Welch neue Schmach hast du mir zugedacht? Wohl kenn' ich sie, die Künste voll Verderben; Doch nichts vermag, wer nicht vermag zu sterben. 132. Gewiß, dein Ruhm verliert, kannst du Armiden, Ergriffen jetzt, vorhin getäuscht mit Hohn, Nicht an den Wagen des Triumphes schmieden: Das ist dein schönster Prunk, dein höchster Lohn. Einst fleht' ich dich um Leben und um Frieden, Jetzt wäre mir der Tod erfreulich schon. Doch nicht von deiner Hand; denn jede Labe Wird mir verhaßt, kommt sie als deine Gabe. 133. Nein! durch mich selber noch mich zu entraffen Dem Drohen deiner Wut, ist mir nicht bang. Und fehlen der Gefangnen Gift und Waffen, Fehlt ihr ein Seil, ein jäher Felsenhang: Doch weiß ich Mittel, mir den Tod zu schaffen – Dem Himmel Preis! – trotz allem deinen Zwang. Hör' auf mit Schmeichelei'n! Noch will er trügen! Will noch dem Wahn der kranken Hoffnung lügen! 134. Sie schweigt, und mit der Quelle, die im Drängen Von Lieb' und Zorn dem schönen Aug' entsprüht, Läßt er den heißen Thränenbach sich mengen, In dessen Flut ein züchtig Mitleid glüht. Armida, hebt er an in sanften Klängen, Besänft'ge nun dein aufgeregt Gemüth. Dein Freund und Ritter bin ich noch, wie immer; Dein harrt nicht Schmach, vielmehr des Thrones Schimmer. 135. In meinem Blick lies meines Eifers Treue. Willst du auch meinen Worten nicht vertrau'n. Empfange meinen Schwur: Ich will aufs neue Der Väter alten Thron dir auferbau'n. Und o! ein Strahl aus jenen Höh'n zerstreue Vor deinem Blick des Heidenthumes Grau'n: Wie sollte dann in allen Morgenreichen An königlichem Glück dir Keine gleichen! 136. So redet er und fleht mit mildem Drange, Und Thränen, Seufzer mischen sich zum Flehn; Und wie der Schnee am steilen Bergeshange, Wann Sonne glüht und laue Lüfte wehn, Hält nun der festgeglaubte Zorn nicht lange, Und nur die andern Triebe bleiben stehn. Sieh, spricht sie, deine Magd; mit ihr verfüge Wie dir's gefällt, dein Wink ist ihr Genüge. 137. Indeß sieht Emiren, nach heißem Tage, Sein königlich Panier dahingestreckt, Und Rimedon von einem einz'gen Schlage Hinabgestürzt, den Gottfrieds Arm vollstreckt. Er sieht der Seinen Tod und Niederlage, Und sucht, auch jetzt von Feigheit unbefleckt, Nur von erlauchter Hand – und nicht vergebens – Ein ruhmgekröntes Ziel des großen Lebens. 138. Den Renner spornt er nun Bouillon entgegen – Denn würd'gern Feind zeigt nirgend ihm die Schlacht – Und übt, indem er naht, auf allen Wegen Verzweiflungvollen Muthes letzte Macht. Noch eh' er ihn erreicht, ruft er verwegen: Von deiner Hand sei mir der Tod gebracht! Doch sterben will ich, wenn ich fall' und sterbe, Daß dich mein Sturz ergreif' und mit verderbe. 139. So spricht der kühne Held, und säumt nicht lange, Und Beide stürmen auf einander los. Durchbohrt wird Gottfrieds Schild im Gegendrange, Sein linker Arm verletzt vom heft'gen Stoß; Er aber trifft des Saracenen Wange, Und dieser Hieb entscheidet gleich sein Loos. Der Heide wankt; noch will er sich erheben. Da raubt ihm schnell ein zweiter Hieb das Leben. 140. Nach seinem Tod ist von so großer Menge Nur eine kleine Schaar noch unversehrt. Sie jagt Bouillon; da sieht er im Gedränge Den Altamor, der blutig, ohne Pferd, Von großer Schaar umringt, in harter Enge, Mit halber Kling' und halbem Helm sich wehrt. Halt, ruft er seinen Leuten, macht ein Ende! Und du, o Fürst! gieb dich in Gottfrieds Hände. 141. Wie Altamor, deß heldenmüth'ge Seele Stets unbefleckt von niedern Thaten war, Den Namen hört, der aus des Rufes Kehle Von Süd gen Nord ertönet hell und klar, Antwortet er: Ich folge dem Befehle, Du bist es werth – und reicht das Schwert ihm dar. Doch deinem Sieg, das kann ich dir versprechen, Soll's nicht an Ruhm und nicht an Gold gebrechen. 142. Dir spendet Persien Gold, die Gattin spendet Dir ihren Schmuck, als reiches Lösegeld. Doch Gottfried spricht: Unwürd'ge Goldgier schändet Nicht meine Brust; Dank sei dem Herrn der Welt! Behalte nur, was Indiens Meer dir sendet, Was deines Persiens reicher Schooß enthält. Nicht will ich fremdes Blut in Gold verwandeln, Will kriegen nur, nicht tauschen oder handeln. 143. Nachdem die Wächter ihn in Hut genommen, Verfolgt Bouillon den Feind mit neuer Glut. Der Heide sucht ins Lager zu entkommen, Doch nichts beschützt ihn vor der Christen Wut. Im Sturm wird die Verschanzung eingenommen; Stromweise rinnt von Zelt zu Zelt das Blut, Besudelt und verderbt in großer Menge Der Saracenen Schmuck und Wehrgepränge. 144. So siegt Bouillon nach langem, hartem Streite; Und da der Tag noch völlig nicht entschwand, Führt er die Sieger in die schon befreite Hochheil'ge Stadt, wo Christi Wohnung stand. Er selber geht, an seiner Helden Seite, Zum Tempel ein mit blut'gem Kriegsgewand, Hängt hier die Waffen auf als fromme Gabe Und löset sein Gelübd' am heil'gen Grabe.