Jodocus Deodatus Hubertus Temme
Die Volkssagen
von Pommern und Rügen
Einleitung.
Die Sage lebt in und mit dem Volke; sie gehört zu dem romantischen Theile seines Lebens, den es mit einem eigenthümlichen poetischen Kleide umgeben hat. Sie gehört in solcher Weise seinem vergangenen, wie seinem gegenwärtigen Leben an; sie zieht sich selbst bedeutungsvoll in seine Zukunft hinüber. Seiner Vergangenheit gehört die rein geschichtliche Sage an; der Gegenwart die Sage, welche entweder ganz, oder auch zum Theil als geschichtliche, an noch vorhandene Gegenden, Orte oder Denkmäler sich anknüpft. Für die Zukunft wird sie bedeutungsvoll, indem sie durch Prophezeihungen, Ahnungen, oft nur durch dunkle Andeutungen, über das künftige Schicksal des gesammten Volkes, einzelner Gegenden, Städte, Dörfer, oft nur einzelner Familien bestimmt.
Immer hat sie eine nahe Beziehung auf das Volk, dem sie angehört, aus dem sie entstanden, das sie in sich aufgenommen und sie ausgebildet hat. »Sie ist sein liebes Kind geworden, und eben dadurch sein Schutzgeist,« wie die Brüder Grimm in ihrer Vorrede zu den Deutschen Sagen dies so schön ausführen. Durch diese Beziehung unterscheidet sie sich wesentlich vom Märchen. Das Märchen ist überall, in der ganzen Welt zu Hause, es hat durchaus keine specielle National- oder gar nur Local-Beziehung. So wie die Sage dem Leben eines bestimmten Volkes angehört, so gehört das Märchen in seiner Allgemeinheit dem gesammten Menschengeschlechte.
Indeß giebt es zwischen beiden auch noch einen anderen erheblichen Unterschied. Das Märchen enthält immer etwas Wunderbares, es theilt Ereignisse und Wirkungen mit, deren Existenz und Ursachen der menschliche Geist nicht begreifen kann. Sein Gebiet ist das des spielenden Kindes, der duftigen Traum-Phantasie. Anders ist dies bei der Sage. Auch von ihr ist das Gebiet des Unbegreiflichen und Wunderbaren nicht ausgeschlossen. Im Gegentheile, die meisten Sagen werden gerade diesem Gebiete anheim fallen, weil der eigentliche Charakter des Volks ein unverdorben kindlicher ist, und der Charakter des Volks auch seine Poesie modificirt; sie werden ihm daher um so mehr angehören, je einfacher das Volk ist, dem sie angehören, oder je weiter der Zeitpunkt von uns zurückliegt, in dem sie entstanden sind. Denn je mehr die fortschreitende Zeit die Cultur der Völker entwickelt, desto mehr nimmt sie ihnen von ihrer Einfachheit, von ihrer kindlichen Poesie.
Aber darum ist das Wunderbare der Sage nicht wesentlich nothwendig. Sie kann auch ohne dasselbe bestehen. Man will dies nicht überall zugestehen; man will den Begriff der Sage von dem Erforderniß des Uebernatürlichen nicht trennen. Es sind in dieser Hinsicht namentlich den Preußischen und Litthauischen Sagen, die der Unterzeichnete gemeinschaftlich mit dem Landrath, jetzt Regierungsrath
von Tettau
herausgab, von mehreren Seiten Vorwürfe gemacht. Indeß dürfte, die Sach aus dem richtigen Gesichtspunkte betrachtet, die Ansicht des Unterzeichneten Manches für sich haben. Volkssage ist, was das Volk sagt, näher: was es sich selbst und Anderen aus seinem Leben und aus dem Leben solcher Personen sagt, die ihm angehören und zugleich so bedeutend geworden sind, daß es sie als einen Theil seiner selbst betrachtet; dies ist namentlich mit seinen ausgezeichneten Fürsten der Fall. Freilich ist auch mit dieser näheren Bestimmung das Wesen der Volkssage noch nicht angegeben. Das Charakteristische der Volkssage besteht nämlich zum großen Theile auch darin, daß sie bleibend im Volke ist. Ihre Feuerprobe ist, daß sie nur mit dem Volke, dem sie gehört, stirbt, daß sie dasselbe noch sogar überlebt, wenn nicht anders das Volk späterhin seinen Sinn für sie verliert. So leben für uns noch die Griechischen Götter- und Heldensagen, obgleich das Griechische Volk längst untergegangen war; sie leben, was ihr bewährtester Probirstein ist, zum großen Theile selbst noch unter jenen wilden, uncultivirten Stämmen, die mit den alten Griechen sonst fast nichts mehr gemein haben, als den Boden, auf dem sie geboren sind, und die Luft, die sie einathmen. Mit diesem Boden, mit dieser Luft hat sich die Sage erhalten.
Volkssage ist, was das Volk aus seinem eigenen Leben erzählt. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß von bleibendem Interesse nur dasjenige für das Volk seyn kann, was ihm bedeutungsvoll, merkwürdig ist. Das Gewöhnliche, Alltägliche wird es in seinem Gedächtnisse nicht aufzeichnen.
Wollte man nun von der Sage nur einen dem Verstande unbegreiflichen, einen wunderbaren Inhalt fordern, so würde man dadurch behaupten, daß nur dies dem Volke bedeutungsvoll wäre, daß es nur dafür Empfänglichkeit hätte. Wie sehr Unrecht würde man dadurch seinem richtigen, und für
alles
Schöne und Große empfänglichen Sinne, seinem
Geiste
zufügen! Wie arm und beschränkt würde man seine Sage machen, wenn man ihm jene schönen, herrlichen Erzählungen nähme, in denen es auf seine Weise die historischen Thaten seiner Vorfahren, die glänzenden Eigenschaften seiner Fürsten feiert!
Es ist freilich nicht zu verkennen, daß auf solche Weise Sage und Geschichte sehr nahe an einander gebracht, in manchen Fällen gar mit einander verschmolzen werden. Aber darum bleibt noch immer ein großer Unterschied zwischen beiden. Was die Geschichte uns mittheilt, ist wahr, wenigstens so wahr, als es historische Wahrheit überhaupt giebt. Es ist also durch gültige Zeugnisse erwiesen. Was uns aber die Sage erzählt, dafür giebt es keine Zeugnisse weiter, als nur den Glauben. So wie die Geschichte durch die Feuerprobe der Kritik bewährt ist, so besteht die Sage, ein Kind des Glaubens, nur durch Glauben. Treffen nun gleichwohl Geschichte und Sage ganz zusammen, was indeß kaum in einem Falle ganz seyn dürfte, so ist das ein Zufall, der weiter nicht in Betracht kommen, namentlich auf das Wesen der Sage keinen Einfluß äußern kann. Wie Geschichte und Sage an einander grenzen, möge z.B. die Sage unter Nr. 104. (der Landvogt Barnekow) dieser Sammlung zeigen.
Dabei ist das poetische Kleid nicht zu übersehen, mit welchem das Volk seine Sage umgiebt und welches ebenfalls ein durchaus wesentlicher, nothwendiger Theil derselben ist. Was in dem Gewande der Geschichte, wenn auch ohne alle höhere Gelehrsamkeit, vorgetragen ist, wird nie Eigenthum des Volkes werden, mindestens nie in solchem Gewande. Soll es in das Volk übergehen, so wird dieses es sofort, oder vielmehr zuvor, auf
seine
Weise umgestalten, und
seinem
Wesen assimiliren. Dieses Wesen ist nun aber immer mehr oder weniger ein poetisches. Ohne poetische Elemente besteht kein Volk. Bei den meisten Völkern sind sie die überwiegenden. Daher würde man es dann nur als eine Nüchternheit des Volkes betrachten können, wenn es zufällig bei ihm eine Sage gäbe, die ganz, ohne alle poetische, sagenartige Beimischung, mit der Geschichte zusammenfiele. Die geschichtliche Volkssage steht insofern dem historischen Romane gleich; nur mit dem wesentlichen Unterschiede, daß dieser einen Romanschreiber, oder höflicher zu reden, einen Novellisten, jene aber ein poetisches Volk zum Verfasser hat. Darum erlebt die einfache Volkssage oft mehr Jahrhunderte, als die Mehrzahl der historischen Romane – Jahre.
Die hier angedeuteten Gründe haben den Herausgeber bewogen, trotz jener Einwendungen gegen einzelne Stücke seiner früheren Sammlungen, in die gegenwärtige Sammlung auch solche Sagen aufzunehmen, denen das Element des Wunderbaren fehlt, wenn sie nur sonst echte Sagen waren. In Betreff der geschichtlichen Sagen glaubte er, diesem gemäß um so mehr verfahren zu müssen, als es vielleicht keine Germanische oder Slavische Provinz geben mag, die einen solchen Reichthum der herrlichsten, kräftigsten und frischesten geschichtlichen Sagen hat, wie gerade Pommern. Aber auch in Betreff der nicht geschichtlichen, sondern blos localen Sagen glaubte er, eben so ohne Aengstlichkeit um so zuversichtlicher verfahren zu dürfen, als er das Beispiel der Brüder Grimm für sich hat, von deren deutschen Sagen manche, z.B. der Glockenguß zu Attendorn, ebenfalls ohne allen wunderbaren Inhalt sind.
Einem zweiten Vorwurfe, der den Preußischen Sagen gemacht wurde, ist der Herausgeber schon in der Vorrede zu seinen Volkssagen der Altmark begegnet. Er hält es aber nicht für überflüssig, auch hier noch einige Worte darüber zu sagen, da er in gleicher Art auch der gegenwärtigen Sammlung gemacht werden könnte. Es sind nämlich viele Sagen blos aus Chroniken aufgenommen. Die eigentliche Volkssage aber soll nur aus dem Volke genommen werden. Jene Chroniken-Sagen hätten also nicht dürfen aufgenommen werden. Allein dieser Einwand ist illusorisch. Denn nicht der Chronikant, dem hier nacherzählt ist, hat das ihm Nacherzählte erfunden und gemacht. Die Erzählung existirte vielmehr im Volke, der Chronikant fand sie schon vor, und theilte sie nur weiter mit. Es ist hiernach also die Aufnahme der Sage in die Chroniken gerade ein Beweis für ihre Echtheit als Sage; denn das Volk hatte sie sich so ganz und gar zu eigen gemacht, daß selbst der gelehrte Chronikant sie gläubig, gar als Wahrheit mittheilte, oder doch mindestens, eben weil sie so innig mit dem Volke, dessen Geschichte er schrieb, verbunden war, es für nothwendig hielt, ihrer zu erwähnen. Rührte aber auch die Sage wirklich von dem Chronikanten, als dessen Erfindung her, so würde sie auch hierdurch nichts von ihrem Charakter verlieren. Denn auch die echteste Volkssage ist, sofern sie nicht einen geschichtlichen Boden hat, zuerst von Einem, gläubig oder ungläubig, aufgenommen und weiter erzählt, und so zur Sage geworden. Ob dieses ursprüngliche Erzählen von Einem aus dem Volke oder von einem Chronisten ausgegangen ist, bleibt gleichgültig, denn die Sage ist nur dadurch geworden, daß das Volk sie in sich aufnahm, sie als einen denkwürdigen Theil seines Lebens betrachtete, als solchen sie zu seinem Eigenthume machte und sie weiter erzählte.
Auch das läßt dieser Gattung der Volkssagen sich nicht zum Vorwurfe machen, daß sie nicht mehr im Volke leben, sondern nur noch in den todten Büchern stehen. Es genügt, daß sie einmal als Sage des Volks wirklich gelebt haben. Ist dies jetzt nicht mehr der Fall, so ist dies ein Zeichen, entweder, nach dem Obigen, daß ihr Kern und Gehalt nicht ein so echt volksthümlicher war, daß sie ganz und gar mit dem Volke sich erhalten und in ihm fortleben mußten, oder aber daß aus anderen, außerhalb der Sage und ihrem Werthe liegenden Gründen das Volk sie aufgab und vergaß. Solcher Gründe giebt es eine große Menge. Manche davon sind im Volke selbst zu suchen: Indolenz, Mangel an anhaltendem poetischen Sinne, Flüchtigkeit der Auffassung etc. Manche liegen aber auch außer ihm, wie denn leider namentlich die letztere Hälfte des vorigen Jahrhunderts in ihren auf das Volk einwirkenden Richtungen nicht dazu geschaffen war, eine kernhafte, tüchtige Volksbildung zu schaffen. Finden wir doch selbst in den Volksgeschichten, in den Städte- und Ortsbeschreibungen aus dieser Zeit eine Dürre und Nüchternheit, die auch dem trockensten Gelehrten jetzt schwerlich mehr zusagen wird, aus der am Ende gar nichts zu entnehmen ist. Solche Umstände können aber nicht zwingen, vergessene Sagen nun gar nicht mehr als Sagen gelten zu lassen. Im Gegentheile, haben sie wirklich einen echten volkstümlichen Kern, so wird es Wohlthat für den einen, und Pflicht für den anderen Theil, sie der Gefahr einer gänzlichen Vergessenheit zu entreißen, und sie auch dem Volke, dem sie eigentlich angehören, zurückzugeben. Diese Sagen aber, die nicht aus Mangel an innerem Werth, sondern nur durch andere äußere Umstände dem Volke entfremdet sind, machen die unbestrittene Mehrzahl der blos noch in den Chroniken lebenden Sagen aus. Man darf sogar, ohne Uebertreibung, behaupten, daß sie es nur allein sind, oder es möchte denn eine oder die andere sich finden, die ein so eigenthümlich, dem Volkssinne widerstrebendes Element enthält, daß von vornherein angenommen werden muß, sie sey von Anfang an nichts weiter als das Hirngespinnst eines müßigen Kopfes gewesen und geblieben. Solche Erzählungen dürfen denn selbstredend in keine Sagensammlung aufgenommen werden, und der Herausgeber glaubt nicht, sie früher oder auch gegenwärtig aufgenommen zu haben.
Es ist überhaupt ein eigen Ding, die Sage bis zu ihrem Ursprunge hin verfolgen zu wollen. Dem Geschichtsforscher ist dies allerdings von Erheblichkeit, wenn sie ihm dazu dienen soll, die Geschichte zu erläutern oder zu berichtigen. Aber der Sagensammler, der sich darauf einlassen wollte, um danach einen Maßstab für den Werth, oder gar für die Aufnehmbarkeit der einzelnen Sagen zu finden, würde jedenfalls fehl greifen. Ihm muß es genug seyn, daß das, was er mittheilt, wirklich im Volke lebt oder gelebt hat. Jene, die verlangen, man solle nur diejenigen Sagen geben, welche nicht bloße Erfindungen der Chronikenschreiber seyen, haben freilich an sich Recht. Allein wie soll ihr Recht aus den concreten Verhältnissen heraus gefunden werden? Sehr viele echte Volkssagen sind sicher ursprünglich nichts, als Erfindungen eines müßigen Kopfes, oder gar eines Betrügers; in der vorliegenden Sammlung soll z.B. nur auf die Sage Nummer 256: »die brennende Mütze« verwiesen werden. Aber ist sie darum keine Volkssage? Sollte sie aus der Sammlung hinausgestoßen werden, trotz ihres reinen, volksthümlichen Sagen-Elements?
Der Herausgeber glaubt nicht, nach den angedeuteten Richtungen hin seine Sammlung weiter rechtfertigen zu müssen. Dagegen muß er dies noch in zwei anderen Beziehungen. Es sind zuvörderst mehrere geschichtliche Sagen aufgenommen, die als
Pommersche
Sagen vielleicht nicht dürften bestehen können. Dies gilt namentlich von den Kämpfen zwischen den Wenden und Dänen. Neuere geschichtliche Forschungen glauben wenigstens so viel festgestellt zu haben, daß diese Streitigkeiten, wenn sie überhaupt stattgefunden, doch sicher das Pommersche Volk nicht berühren. Der Herausgeber war gleichwohl der Meinung, sie aufnehmen zu müssen. Die meisten Chronisten beziehen sie auf Pommern, insbesondere auch noch Kantzow; dies war dem Herausgeber eine Gewährleistung, daß sie irgend wann und wie von dem Pommerschen Volke sich angeeignet, und deshalb
Pommersche
Sagen seyen. Die Sage muß überhaupt und im Ganzen gläubig aufgenommen werden, nicht blos hinsichtlich ihres Inhalts, sondern auch hinsichtlich ihres Ursprungs und ihrer Zeit.
Historische
Critik muß sich
ganz
fern von ihr halten. Sie darf nur in einer einzigen Beziehung sich ihr nahen, nämlich nur in sofern, als es sich darum handelt, Sage und Geschichte von einander zu trennen. Diese, vorzüglich in der neueren Zeit geltend gemachte Aufgabe der Geschichtsforschung ist nun aber der Sage nichts weniger als gefährlich. Es muß auch der leidenschaftlichste Freund der Sage wohl nur mit einem »Leider« das Gegentheil eingestehen. Dieser harmlosen Bemerkung muß eine nähere Andeutung fremd bleiben. Aber ein Wunsch kann hier nicht unterdrückt werden. Das Mittelalter und die nächste Periode nach ihm warf Geschichte und Sage ohne Critik bunt durch einander; darauf folgte eine Zeit bis tief in das vorige Jahrhundert hinein, die nur mit einem trocknen Aufsammeln des Materials sich beschäftigte. Jetzt leben wir in der Zeit der Alles zerschneidenden und zersetzenden Critik. Die Geschichte wird zur Sage und die Sage wieder wird zu gar nichts heruntergesetzt. Möge auch dies nur eine Uebergangsperiode seyn, die, ohne daß sich ihr Gegensatz an sie knüpft, zur Erkennung der lauteren historischen Wahrheit führt!
Ein zweiter Gegenstand der Rechtfertigung ist, daß der Herausgeber mehrere Sagen nicht aufgenommen hat, die von Vielen gerade als Pommersche Sagen ausgegeben werden. Hierher gehörten vorzüglich die Sagen von der Jomsburg. Allein solche Sagen, deren Localität, anders wie bei den eben erwähnten, so durchaus unbestimmt und bestritten ist, wie hier, und die zudem nur gerade durch ihre Localität in Pommern wurzeln könnten, indem im Uebrigen ihre Helden unbestritten einem fremden Volke angehören, glaubte der Herausgeber nothwendig hier ausschließen zu müssen. –
Nach diesen Erörterungen hat der Herausgeber nur noch Weniges über die gegenwärtige Sammlung zu sagen.
Er hat bei derselben im Ganzen dasselbe Verfahren beobachtet, wie bei den Preußischen und Altmärkischen Sagen. Jede Sage mit der gewissenhaftesten Treue wiedergegeben, so wie sie entweder noch unmittelbar im Munde des Volkes oder in den Chroniken aufgefunden ist. Freilich entbehrt dadurch manche Sage einer eigentlichen Pointe; allein desto sicherer und ungetrübter stellt sich dadurch das Bild der Volkseigenthümlichkeit heraus, von welcher die Sagenpoesie eines Volkes Zeugniß giebt. Die äußere Einkleidung, die Sprache, ist in der einfachsten Form gehalten, wie sie ihrem einfachen Gegenstande nur angemessen seyn kann. Wo nur ein einigermaßen ansprechender, namentlich nicht zu breiter (der Hauptfehler dieser Bücher) Chronikenton vorgefunden wurde, ist dieser beibehalten. Insbesondere konnte in dieser Hinsicht der Styl Kantzows als musterhaft betrachtet werden. Seine Schreibart ist so durch und durch einfach, anspruchslos und treuherzig, klar, so eigentlich sagenhaft in einem anderen Sinne des Wortes, daß man beim Lesen desselben unwillkürlich verleitet wird, auch die wahrste Geschichte, die er erzählt, für köstliche Sagen zu halten.
Was die Anordnung der Sammlung betrifft, so muß der Herausgeber, auch abgesehen davon, daß er einige ihm zu spät zugekommene Sagen, ohne Ordnung an das Ende der Sammlung hat verweisen müssen, mehrere Vorwürfe befürchten, die er auch durch die nachfolgenden Bemerkungen nicht ganz wird beseitigen können. Er hat sich nämlich im Ganzen dabei dem Systeme der Preußischen Sagen angeschlossen, welches von der Verwandtschaft des Inhalts der einzelnen Sagen ausging. So stehen auch hier die alten geschichtlichen Sagen des Volkes und Landes voran. Unter diesen, die im Ganzen der Chronologie folgen, sind diejenigen, welche sich auf die Bekehrungsgeschichte Pommerns und späterhin Rügens beziehen, wieder besonders gruppirt. Es folgen darauf die Sagen, die sich auf einzelne Familien des Landes beziehen. Ihnen schließen sich an zunächst die Sagen, welche das kirchliche und religiöse Leben der Provinz betreffen, besonders im Mittelalter und bis in die Zeit der Reformation hinein, welche aber desjenigen geschichtlichen Elements entbehren, das den Sagen aus den eben genannten Bekehrungsperioden eigenthümlich ist. Hierauf folgen die eigentlichen Localsagen allerlei Inhalts. Sie sind zumeist nach Verschiedenheit dieses Inhalts verschieden classificirt, jenachdem sie sich mit dem Ursprung von Eigennamen der Städte, Dörfer etc. beschäftigen, oder versunkene Oerter, Seeen, Steine, Berge, Raubritter, Riesen, Zwerge, Unterirdische, Zauberer und dergleichen mehr zum Gegenstande haben.
Hierbei nun fanden sich mannigfache Schwierigkeiten. Zuerst war der Inhalt mancher Sagen der Art, daß sie sowohl zu der einen als zu der anderen Classe gehörten; es entstand daher die Frage: wo sie unterzubringen. Der Herausgeber hat zwar in der Regel nach dem am meisten hervorstechenden Stoffe die Classification vorgenommen; er kann aber auch nicht läugnen, manchmal mehr nach einer augenblicklichen Laune, als nach einer durch jene Rücksicht gegebenen Nothwendigkeit verfahren zu haben. Zum Andern führte gerade eine solche Rücksicht einen anderen, nicht unerheblichen Uebelstand herbei. Manche einzelne Gegenden und Städte haben nämlich einen überwiegend großen Reichthum an Sagen, so daß, wenn gleich diese von dem verschiedenartigsten Inhalte sind, es doch interessant seyn mußte, sie in einer Gruppe beisammengestellt zu sehen. Namentlich war dies bei Stettin und bei dem Gollenberge der Fall. Hierauf mußte nun leider verzichtet werden. Nur eine einzige Ausnahme glaubte der Herausgeber machen zu müssen, auf die Gefahr hin, daß sie ihm als Inconsequenz ausgelegt werden würde. Die Stadt Stralsund nämlich, so wie sie noch bis auf den heutigen Tag eine Stellung behaupten will, die gegen die Stellung auch der am meisten privilegirten Corporationen im gegenwärtigen Staatsrechte wenigstens sehr eigenthümlich ist, hat sich von der ersten Zeit ihres Entstehens an eben so sehr durch diese nämliche Eigenthümlichkeit als durch die Wichtigkeit ihrer Stellung ausgezeichnet. Sie ist in sofern von ihrem Entstehen bis jetzt hin eine geschichtliche Merkwürdigkeit. Dieser ihr Charakter stellt sich nun auch wieder in ihren Sagen heraus, deren im Ganzen zwar nur wenige sind, von denen aber jede einzelne etwas so Besonderes und Eigenes, und zugleich in der angegebenen Hinsicht Charakteristisches hat, daß es schon darum allein Schade wäre, sie zu trennen, wenn sie auch nicht eben durch ihre Gesammtheit dazu beitrügen, uns ein Bild von dem ganz besonderen Leben einer merkwürdigen Stadt zu geben. Einigermaßen vervollständigt wird dieses Bild durch manche Sagen der, ebenfalls durch Eigenthümlichkeiten, wenn auch in einem weit geringeren Grade ausgezeichneten Stadt Greifswald; darum wurden auch deren Sagen meist in ihrem Zusammenhange mitgetheilt.
Eine dritte, wenn gleich nicht ganz hierher gehörige Schwierigkeit lag in der anordnenden Behandlung der einzelnen Sagen selbst, besonders der geschichtlichen. Schon den Preußischen Sagen wurde der Vorwurf gemacht, daß sie zu sehr zerrissen, daß anstatt einer Menge einzelner kleiner Sagen nicht eine einzige Sagengeschichte gegeben wäre. So hätten namentlich auch hier die Kämpfe der Wenden und Dänen, die Sagen vom H. Otto, von der Bekehrung der Insel Rügen, ferner die Sagen von Bogislav X. jedesmal als eine einzige Sage mitgetheilt werden können. Allein in jenem Vorwurfe selbst dürfte zugleich dessen Widerlegung liegen. Es war und ist nicht die Aufgabe, die Sage
ngeschichte
eines Volkes zu schreiben. Es sollen nur die
einzelnen
Sagen des Volks wiedergegeben werden, als solche, sowohl ihrem Inhalte, als ihrer Form nach. In letzterer Beziehung existiren sie eben nur einzeln. Zudem ist nicht außer Acht zu lassen, daß ein Erzählen vieler einzelnen Geschichten im Zusammenhange, ohne Abschnitte und Ruhepunkte, nothwendig etwas Ermüdendes hat, was bei der eigentlichen Geschichte nur durch die kritische und pragmatische Darstellung derselben beseitigt wird, also durch eine Form, die am allerwenigsten für die Sage passen würde. –
Die vorliegende Sammlung bietet einen reichen Stoff zu Vergleichungen dar, sowohl der Pommerschen Sagen mit den Sagen anderer deutschen Provinzen, und dieser wieder mit denen anderer Völker, als auch der Volkssage überhaupt mit dem ihr verwandten Volksliede, so wie mit der sogenannten Schildsage, die nur für einzelne Familien traditionell geblieben ist, ohne in das Volk selbst überzugehen. Allein alles dieses würde hier zu weit führen, und der Herausgeber behält sich daher vor, das Material, das er darüber gesammelt hat, bei einer anderen Gelegenheit zu bearbeiten zu suchen.
Dagegen fühlt er sich um desto mehr verpflichtet, hier öffentlich seinen Dank auszusprechen für die viele und freundliche Theilnahme und Unterstützung, die von fast allen Seiten der Provinz Pommern seinem Unternehmen geworden ist. Ganz besonderen Dank ist er der verehrlichen Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde schuldig, die ihm bereitwillig ihre Acten mittheilte, und den Herren Professoren
Böhmer
und
Hering
in Stettin, die ihn nicht nur mit einer Menge von Beiträgen unterstützten, sondern ihm auch außerdem manchen lehrreichen Wink und manche freundliche Aufmunterung zu Theil werden ließen. Wer es weiß, mit wie vielen Schwierigkeiten das Sammeln von Volkssagen verbunden ist, zumal in der gegenwärtigen Zeit, wo die Cultur der unteren Stände des Volkes im Gähren, und in vieler Hinsicht noch eine Aftercultur ist, die namentlich auch durch ein vornehmes Verläugnen aller Eigenthümlichkeit, und mit ihr der Sage, sich kund giebt, der wird sich von der Aufrichtigkeit des hier ausgesprochenen Dankes überzeugen.
Es knüpft sich hieran noch eine Bemerkung. Die vorliegende Sammlung giebt Zeugniß von dem Sagenreichthum Pommerns. Schon bei den Preußischen Sagen wurde deren Reichthum anerkannt. Die Provinz Preußen aber hat über zwei Millionen Einwohner, wogegen Pommern kaum eine Million hat; in fast gleichem Verhältnisse steht das Areal beider Provinzen. Gleichwohl war, durch mehrjährigen unermüdeten Fleiß und durch vielfache Unterstützung, in Preußen eine nicht so reiche Sammlung zu Stande zu bringen, als die gegenwärtige. Nur Eins bedauert der Herausgeber hierbei: daß es ihm nicht hat gelingen wollen, von einzelnen, noch in mittelalterlicher Eigenthümlichkeit abgeschlossen lebenden Volksstämmen mehr Sagen zu erhalten, insbesondere von den Cassuben in Hinterpommern, zum Theil von den Mönchgutern auf der Insel Rügen. Es existirt bei diesen Stämmen eine, ganz ihrer äußeren Abgeschlossenheit gleichstehende innere Verschlossenheit, zumal auch in Ansehung ihrer Sagen, worüber hier an das erinnert werden darf, was der Herausgeber in gleicher Beziehung auf die Altmark in der Vorrede zu den altmärkischen Sagen angeführt hat. –
Wie den früheren Sammlungen, hat der Herausgeber auch der gegenwärtigen einen Anhang von abergläubischen Volksmeinungen und Gebräuchen beigefügt. Sie ergänzen das Gebiet und oft das Verständniß der Sage. Es ist darunter ein Gebrauch aufgenommen – das Tonnenabschlagen auf dem Darß – der zwar nicht zu den abergläubischen gerechnet werden kann, der aber um seiner Eigenthümlichkeit willen nicht ganz unwillkommen seyn dürfte. Es dürfte überhaupt ein nicht verdienstloses Unternehmen seyn, eine Beschreibung aller besonderen Volksfeste einer Provinz oder eines Landes zu veranstalten. –
Zur leichteren Uebersicht der Quellen ist zugleich ein Verzeichniß der zu der Sammlung hauptsächlich benutzten Werke mitgetheilt.
Der Herausgeber.
Die Volkssagen von Pommern und Rügen.
1. Die Zweikämpfe um die Oberherrschaft zwischen den Wenden und Dänen.
In den alten Zeiten wurde das jetzige Pommerland von einem Volke bewohnt, welches Wenden genannt wurde. Diese Wenden waren sehr tapfer und kriegerisch. Insbesondere wurden sie in viele und arge Kriege mit den Dänen verwickelt. Einstmals, lange Zeit vor der Geburt des Herrn, lebte in Dänemark ein König Namens Rorich, welcher viel Krieg mit seinen umliegenden Nachbarn führte. Derselbe unterstand sich auch, die Wenden im Pommerlande zu bekriegen. Er fand diese zum Streite lustig, und die beiden Völker kamen in ihren Schiffen auf der See gegen einander. Die Wenden hatten etliche Schiffe in einen Halt versteckt, und ließen nur einige wenige sehen, indem sie meinten, der Dänische König solle auf diese losgehen; so wollten sie dann weichen bis auf jene Seite des Haltes, und alsdann den König von vorn und von hinten zugleich überfallen. Aber der König merkte den Betrug, und als die Wenden vor ihm flohen, verfolgte er sie nur bis zu dem Halte hin und überfiel flugs die im Halt und schlug sie in die Flucht, ehe die anderen umkehren konnten. Diese kamen ihnen aber doch nach einer Weile wieder zur Hülfe, und sie setzten sich nun sämmtlich dem Könige zur Wehre. Da der König das sah, hielt er stille, und war zweifelhaft, was er thun sollte.
Wie nun die Feinde so gegen einander lagen, trat einer der Wenden hervor, der hieß Maska, und war ein weidlicher starker Mann von Gliedmaßen und von Gemüthe. Derselbige rief, so die Dänen wollten, um Vermeidung vielen Blutvergießens, Einen gegen ihn schicken, daß sie mit einander kämpften um die Ueberhand, also welcher von den Kämpfern gewänne, daß dessen Volk des andern Herr sein sollte, so wollten die Wenden ihr Glück und Unglück darauf setzen. Dem Könige und den Seinen bedünkte es zwar schwer zu sein, um solche hochwichtige Sache, daran ihre Freiheit und ganze Wohlfahrt stände, auf eines einzigen Mannes Hand zu wagen; dennoch zogen sie sich es zum Schimpfe, daß nicht Einer unter ihnen sein sollte, der so keck und stark wäre als der Wenden Einer; sie forschten deshalben unter sich, und fanden Einen, der sich gegen den Wenden zum Kampfe erbot. Also willigten sie in den Vorschlag der Wenden ein, und gaben Maska einen Gegenmann.
Diese beiden Kämpfer traten nun zu Lande; die anderen aber Alle blieben in ihren Schiffen, damit kein Theil seinem Kämpfer mochte zu Steuer kommen, und sahen mit großer Begierde und Angst zu, wie es doch die Kämpfer endigen würden. Darauf stießen die Trompeter an, und die beiden Kämpfer liefen feindlich an einander. Der Däne schmiß weidlich gegen den Wenden an, und gab ihm einen Streich über den andern, und verwundete ihn etlichemal hart, also daß er schier erlegen hätte. Aber der Wende säumte auch nicht, schlug aller Orten um sich herum, und wehrte sich männlich, bis auf daß er zuletzt dem Dänen das Haupt mitten entzwei hieb und ihn also erwürgte.
Da erhob sich ein großes Geschrei und Frohlocken unter den Wenden; sie holten ihren Kämpfer Maska zu Schiffe, ließen ihn verbinden und erwiesen ihm große Ehre. Von den Dänen aber forderten sie, der gegenseitigen Verwilligung nach, daß sie ihnen unterthänig sein sollten. Ueber solches Unglück wurden die Dänen traurig und sie begannen ihren Unbedacht zu verfluchen, daß sie so leichtsinnig ihr höchstes Gut und Wohlfahrt, als die Freiheit, auf Eines Mannes Hand gestellt. Sie suchten daher Ausflüchte, wie sie von ihrer Verpflichtung sich befreien möchten, und sagten, der Kampf sei ungleich gewesen, dieß und jenes hätte daran gefehlet, sonst hätte ihr Kämpfer wohl so gut gewinnen mögen als Maska; sie wollten ihrer Zusage nicht entfallen, aber es müsse ehrlich und unparteiisch zugehen; daher wollten sie noch einmal zwei Kämpfer gegen einander stellen, und dieselbigen sollten, ihrem vorigen Bescheide nach, durch ihren Gewinn oder Verlust entscheiden, wer da herrschen oder dienen solle.
Den Wenden bedünkte die Ausflucht unbillig; aber sie nahmen die Sache in Bedenken bis auf den andern Tag, und unterdeß beredete Maska sie, sie sollten der Dänen Vorschlag annehmen, nicht daß sie es schuldig, sondern zum Uebermaß, er versehe sich, ob er gleich etwas verwundet worden, dennoch so stark zu sein, daß er einem Dänen, er mögte seyn, wer er wolle, Manns genug sein könnte, und die Dänen würden auch so leichtlich keinen finden, der sich gegen ihn zu erheben vermöchte: derohalben sollten sie es nur kühnlich auf ihn wagen, er wolle ihnen, mit Hülfe der Götter, keinen Schimpf oder Verlust zu Wege bringen. Da die Wenden solch einen Trost hörten, ergaben sie sich darein, und bewilligten den Dänen ihren Vorschlag, doch daß es einen Tag oder vierzehn anstände, bis daß Maska ganz geheilet wäre. Das nahmen die Dänen fröhlich auf, und sie zogen unterdeß auf Mone (Insel Möne) und die Wenden auf Rügen. Die Dänen konnten anfangs nicht leichtlich Einen unter sich finden, den sie zu dem Kampfe vermögten; zuletzt hat sich Einer, Ubbo genannt, dazu angegeben. Dem hat der König Rorich große Verehrung zugesagt und ihm auch sogleich seine güldenen Armbänder geschenket.
Nachdem nun der Anstand verlaufen war, sind die Dänen und Wenden wieder zur See gezogen, und haben die Stelle des Kampfes auf Falster benannt. Daselbst traten die Kämpfer auf den Strand und boten sich den Kampf.
Die Wenden und Dänen hielten auf dem Wasser in ihren Schiffen, und sahen zu. Da stießen die Trompeten an, und Maska und Ubbo liefen wie Riesen, mit großem Ungeheuer auf einander, und stritten mörderlich zusammen, also daß von den Schlägen das Feuer aus den Waffen flog und Einer dem Andern den Harnisch zerhieb, daß die Stücke klungen und das rothe Blut zur Erde lief. Darüber erhob sich ein großes Geschrei und Rufen in den Schiffen. Ein jeder Theil ermahnte seinen Kämpfer und wünschte ihm zu gewinnen, und stunden beide Theile in Hoffnung und Angst.
Aber wie die Kämpfer also auf einander verhitzet waren, und Einer auf den Anderen mörderlich drängte, da erwürgten sie sich zuletzt Beide, also daß Keiner übrig blieb.
Darauf vermeinten die Dänen, die Sache wäre jetzt gleich. Aber die Wenden bezogen sich darauf, daß ihr Kämpfer zuerst gewonnen, nachdem auch nicht verloren hätte; darum sollte die erste Ueberwindung nicht todt sein, und die Dänen sollten ihnen Unterthänigkeit geloben. Das wollten die Dänen nicht, und war die Sache wie zuvor. Nach vielem Zanken und Dräuen haben sie sich jedoch in der Länge so vertragen, daß die Dänen sich absagen mußten, nimmer wieder gegen die Wenden zu kriegen ohne billige Ursache.
Thomas Kantzow, Pomerania, herausgegeben von H.G.L. Kosegarten, I. S. 9-13.
Alberti Cranzii Wandalia, S. 8.
2. Unterjochung der Wenden durch die Dänen.
Hernach war einstmals König bei den Dänen Frotho, und bei den Pommern und Wenden war König Strumik. Nachdem nun die alten Verträge des Friedens fast in Vergessenheit gekommen, und beide Völker danach standen, daß Eins das Andere unter sich brächte, thaten sie beiderseits einander vielen Einfall und Schaden. Doch waren die Wenden den Dänen auf dem Wasser zu behende. Das verdroß in die Länge den König Frotho, und er schickte gegen sie seinen Hauptmann Erich mit acht Jachten, während er sich selbst auch rüstete. Als Erich nun in die See kam, erfuhr er, daß die Wenden nicht fern wären, und nur sieben Schiffe hätten. Er ließ darauf sieben von seinen Jachten mit grünem Busch und Laub um und um bestecken, und legte sie in einer Wieke in einen Hinterhalt, mit dem Gebote, sie sollten da stille liegen, und wo sie auch sähen, daß die Feinde ihm nacheileten, sollten sie sich nicht daran kehren, bis daß sie ganz an sie heran kämen, dann sollten sie getrost angreifen. Er selber zog mit der achten Jacht aufs Meer, und zeigte sich den Wenden. Als diese seiner inne wurden, und sahen, daß er nur Ein Schiff hatte, setzten sie ihm fröhlich nach. Da floh Erich zurück, und die Wenden jagten flugs hinter ihm her, und kannten die sieben Jachten nicht, die da im Hinterhalte standen. Denn weil sie mit grünem Busch besteckt waren, meinten sie es wären Bäume, die an den Dünen und am Strande ständen, und liefen also mitten in die Wiek. Darauf wendete sich Erich, und die sieben Jachten erhoben sich auch, und umringten die Wenden, daß sie nicht zurück konnten, und fingen sie und führten sie mit den Schiffen weg.
Dieses Unglück verursachte viel Niederlage und Schrecken in dem Lande der Wenden. Das benutzte der König Frotho; er hatte eine große Kriegsflotte und viel Volks versammelt, mit demselben zog er nun fort, um die Wenden auch daheim zu besuchen. Der Wenden König Strumik beschickte ihn zwar, und ließ ihn um Anstand bitten. Den hat ihm aber Frotho nicht bewilligen wollen, und ist fortgezogen, und hat den König Strumik mit allem seinem Kriegsvolk erschlagen und die Pommern und Wenden unter sich gebracht.
Th. Kantzow Pomerania, I. S. 13. 14.
3. Der Dänen-König Frotho und die Wendischen Schnapphähne.
Als nun der König Frotho die Wenden unterthänig gemacht hatte, da sahe er wohl, daß sie ihm und den Seinen keinen Frieden lassen würden, wo er nicht ganz und gar alle diejenigen ausrottete, welche des Freibeutens und Raubens gewohnet waren. Darum besann er sich auf folgende List: Er ließ ein gemeines Gebot ausgehen, wo Jemand unter den Wenden wäre, der zum Freibeuten, Rauben und Kriegen Lust hätte, der solle sich kund thun, der König bedürfe solcher Leute wider seine Feinde; er wolle sie herrlich besolden. Solches gefiel den Schnapphähnen und den anderen bösen Buben unter den Wenden wohl, und ließen sich alle einschreiben, und zeigeten an, was ein Jeder könnte, und je mehr Einer Böses zu thun wußte, desto mehr Solds vertröstete er sich vor den Anderen. Da nun also alle Schnapphähne und wüste Gesellen unter den Wenden zusammen waren, da ließ der König Frotho sie vor sein Kriegsvolk bringen, und sagte zu den anderen Wenden: »Diese sind, ihr lieben Wenden, diejenigen, die zwischen uns und euch Unruhen machen, und unter euch keinen beständigen Frieden bleiben lassen. Sehet, wie keck sie noch sind in ihrer Bosheit, vermeinend, daß sie auch noch für ihre Bosheiten großen Sold erlangen sollten. Derohalben ist uns und euch von Nöthen, dazu zu thun, daß wir und Ihr nicht weiter durch sie bekümmert werden.« – Und er ließ sie allzumal an den lichten Galgen hängen, einen jeden neben einem Wolfe.
Dadurch ward eine Zeitlang guter Friede, beides, zu Wasser und zu Lande; und der König Frotho ordnete das Land, und setzte Amtleute darinnen von den Wenden selbst, damit sie über die Fremden nicht murren dürften, und sich daraus keine Ursache zum Abfallen nähmen.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 14. 15.
4. Die Königin Wißna.
Wie also die Dänen die Herrschaft über die Wenden gehabt, haben sie hernachmals übermüthig regieret, und hat das die Wenden in die Länge verdrossen. Darum thaten sie sich zusammen und empörten sich gegen die Dänen und erwählten eine männliche Jungfrau zu ihrer Königin, Wißna, aus dem Geschlechte des erschlagenen Königs Strumik. Der ordneten sie zween Kriegsfürsten zu, Duck und Dall genannt. Und es entstand solche Erbitterung und Ergrimmung gegen die Dänen, daß auch die Königin selbst und viele Frauen und Jungfrauen sich zum Reiten und zum Kriege gewöhnten, und mit in das Feld zogen, auch so fertig und geschickt zum Kriege wurden, daß sie den Männern in nichts nachgaben. – Als nun die Dänen die Empörung der Wenden hörten, rüsteten sie sich auch, und zogen mit großer Gewalt herüber, um die Wenden wieder zum Gehorsam zu bringen. Aber die Königin Wißna schlug sie, und setzte ihnen nach bis in Dänemark, schlug sie daselbst auch etlichemal, und that ihnen großen Schaden; und nahm die Inseln Möne und Schonen ein. Da haben sich aber endlich beiderseits der Adel, von den Dänen wie von den Wenden, ins Mittel geschlagen, und Frieden gemacht, also daß Wißna Schonen wieder abtrat, Möne aber für den Schaden zwanzig Jahre behielt, und die Wenden frei sein und bleiben sollten, so auch die Dänen.
Die Königin Wißna regierte darauf noch lange und hatte viele Kriege, auch einmal mit den Sachsen, deren König Hengst sie zu Walsleben gefangen nahm. Zuletzt aber mußte sie elendiglich sterben. Denn als der König Harald von Dänemark schweren Krieg bekam mit den Schweden, und sie ihm darin beistand, zog sie selbst wiederum mit ins Feld, sammt ihren Kriegsheldinnen. Den Sieg gewannen jedoch die Schweden, was sie einem ungeheuren Riesen zu verdanken hatten, Namens Star Kater, der an Stärke des Leibes, wie an Erfahrung des Kriegshandels nicht seines Gleichen hatte. Dieser Star Kater kam auch mit der Königin Wißna in der Schlacht zusammen, und wie sie sich ritterlich seiner erwehrte, hieb er ihr die rechte Hand ab. An dieser Wunde starb die Königin nicht lange hernach. In derselben Schlacht blieben auch ihre beiden Kriegsfürsten Duck und Dall.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 17. 16.
Alberti Cranzii Wandalia, S. 12.
5. Der gefangene König Jaromar.
Nachdem die Schweden durch Hülfe des Star Kater die Dänen besiegt hatten, nahm ihr König Ringo das Land Dänemark sammt der Insel Möne ein, und zwang auch die Wenden, weil sie seinen Feinden beigestanden, daß sie ihm mußten unterthänig sein und Tribut geben. Dieses blieb also, bis nach etlichen Jahren Sievert König in Dänemark wurde. Gegen den setzten sich die Wenden, und weigerten sich, ferner Tribut zu geben. Allein der König Sievert zog mit vielem Volke gegen sie, und bezwang sie wieder. Die Wenden hatten aber dazumalen keinen Herrn, sondern nur etliche Hauptleute. Sie bedachten daher, sie hätten ihre Niederlage nur darum erlitten, daß sie kein Haupt oder Herrn gehabt, und erwählten darauf zu ihrem Könige Ismarus, einen Verwandten der Königin Wißna. Mit dem zogen sie wieder gegen Sievert, und trafen ihn in Fünen, und schlugen ihn sammt seinem Volke, daß er nach Jütland flüchtete, wo er viel Volks von Neuem zusammen brachte. Aber Ismarus zog ihm nach nach Jütland, und schlug ihn noch einmal, und fing auch seinen Sohn Jaromar und seine beiden Töchter Ida und Bammeltrud. Er nahm darauf ganz Jütland und Dänemark ein, und besetzte es mit Amtleuten und genugsamem Kriegsvolk, so daß er es immer in Gehorsam hielte. Die Prinzessin Ida verkaufte er den Deutschen, und die Bammeltrud den Norwegern. Den Prinzen Jaromar und noch einen gefangenen Dänen, Namens Gunno, warf er ins Gefängniß.
Die Dänen waren darauf viele Jahre den Wenden unterthan, und gaben ihnen Tribut. Dieß nahm aber auf folgende Weise ein trauriges Ende.
Als nämlich Ismarus, der Wenden König, meinte, daß er die Dänen nun für immer unter seiner Gewalt und Gehorsam hätte, dauerte ihn zuletzt das Elend und schwere Gefängniß des Prinzen Jaromar und seines Gesellen Gunno. Er entließ sie daher ihrer Haft, und that sie in ein Vorwerk, wo sie mußten arbeiten helfen. Da hat sich besonders Jaromar so fleißig erzeigt, daß Jedermann Mitleid mit seinem Unglücke hatte, und ihn der König zuletzt zum Meier über das Vorwerk setzte. Auch diesem Amte stand er so wohl vor, daß der König ihn sowohl um seines Verstandes und Fleißes, als auch um seiner Geduld willen lieb gewonnen, ihn zu sich an seinen Hof genommen und ihn zu seinem vertrautesten Rathe gemacht hat, mit Vertröstung, ihm mit der Zeit noch zu etwas Besserem zu verhelfen, so er sich ferner ehrlich und treu erzeigen würde.
Des Königs Gemahlin Woislafa hatte zwar immer einen argen Wahn gegen ihn, und rieth dem Könige, ihm nicht allzugroßes Vertrauen zu geben; der König aber besorgte sich gar nicht vor ihm und befahl ihm auch die wichtigsten Sachen seines Königreiches an.
Dadurch kam Jaromar mit den Dänen, die oft zu Hofe mußten, wieder in Kundschaft, und erfuhr ihr Gemüth, daß sie gern die Absicht hätten, von der Herrschaft der Wenden sich zu befreien. Also hielt er heimliches Verständniß mit ihnen, und sprach mit ihnen ab, wie sie sich und ihn befreien wollten. Als nun zu einer Zeit der König mit seiner Königin und seinen Kindern auf der Jagd war, da bestellte er heimlich die Schiffe der Dänen, und sie überfielen in der Nacht den König und seine Gemahlin, pfählten das Gemach zu, worin sie mit ihren Kindern schliefen, und zündeten es von außen an, daß dieselbigen sämmtlich darin verbrannten. Darauf erhob sich ganz Dänemark gegen die Wenden, und sie erschlugen alle Wenden, die im Lande waren. Damit war Jaromar, den sie zu ihrem König machten, noch nicht zufrieden; er zog herüber zu den Wenden und schlug sie und brachte sie unter sich. Er setzte ihnen Amtleute und Vögte, und hielt sie sehr strenge in Zaum, so daß sie nicht einmal trinken durften. Die Wenden empörten sich zwar, und suchten die fremde Herrschaft von sich abzuschütteln. Aber Jaromar bezwang sie bald, und ließ ihrer Obersten etliche enthaupten und etliche aufhängen, also daß sie ihm ganz unterthan sein mußten.
»Also soll man einen Feind, den man hat, als Feind halten, und ihm nicht zuviel trauen. Denn hätte der König Ismarus das gethan, so wäre ihm und den Wenden so großes Unglück nicht widerfahren, und er sammt seinem Gemahl und Kindern hätten noch lange gelebt und wären Herren gewesen; nun aber sind sie todt, und die armen Wenden sind jämmerlich umgebracht, und die anderen müssen den Dänen dienen.«
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 19-24.
6. Die Longobarden in Rügen.
In uralten Zeiten war einmal eine große Theurung und Hungersnoth in Norwegen. Da traten die starken Leute auf, die des mittleren Alters waren, und wollten die Alten und die Jungen, als den schwächeren Theil, tödten, damit sie nicht Alle Hungers stürben. Dasselbe hat aber eine ehrbare Frau, Gamboir geheißen, abgerathen und gesagt, man sollte lieber das alte und junge untüchtige Volk an einen Haufen, und das starke Volk an einen anderen Haufen setzen, und das Loos darum werfen, wer aus dem Lande ziehen sollte; welchen Theil das Loos träfe, dem würden die Götter schon gute Wege zeigen. Solches gefiel ihnen Allen wohl und sie warfen das Loos. Das traf die starken. Dieselben mußten nun wegziehen, und kamen nach langem Streifen und Umherziehen zuletzt auf das Land zu Rügen. Daraus vertrieben sie die Rüger und setzten sich an deren Stelle fest im Lande. Und weil sie auf ihrer langen Reise die Bärte hatten lang wachsen lassen, hießen sie sich die Langbarte, welchen Namen sie auch behalten haben. Sie sollen auch die Stadt Barth erbaut haben, welche in ihrem Wappen noch ein Haupt mit einem langen Barte führt.
Diese Langbarte haben bei fünf Könige Zeiten auf der Insel Rügen und dem festen Lande gegenüber ge wohnt. Darauf sind ihrer aber wieder zu viele geworden, und die meisten von ihnen sind gezogen, zuerst an die Elbe, dann an die Donau, und zuletzt nach Italien hin, wo sie ein Land eingenommen, das jetzt mit einem etwas verkehrten Namen von ihnen die Lombardei heißet.
Die vertriebenen Rüger hatten sich nach Hinterpommern gezogen, wo sie auch die Stadt Rügenwalde erbaut haben. Dort saßen sie ruhig, bis der Mehrtheil der Langbarte das Land zu Rügen also geräumt hatten. Da brachen sie auf, überfielen die zurückgebliebenen Langbarte, und nahmen ihre alte Heimath wieder ein. Die Langbarte zerstreueten sich überall im Lande umher, und wurden da von nun an Wandalen genannt.
Th. Kantzow, Pomerania. I. S. 24-26.
7. Der Liebeskampf.
Es ist schon tausend Jahre her und noch länger, als einst in Polen ein Herzog lebte, welcher Cracus hieß, und der auch die Stadt Crakau soll erbaut haben. Dieser hinterließ zwei Söhne und eine Tochter. Von den Söhnen hieß der Eine Cracus wie der Vater, der andere Lechus; die Tochter hieß Wenda. Die Regierung sollte nach des alten Herzogs Tode an seinen ältesten Sohn, den Cracus, fallen; aber Lechus gönnte sie diesem nicht, und brachte ihn eine Tages auf der Jagd meuchelmörderischer Weise um. Doch die Polen wollten nun keinen Brudermörder über sich haben, und gaben das Reich der Wenda. Zu dieser kamen darauf viele Könige und Prinzen, die sie zur Ehe begehrten; denn sie war zugleich mächtig, klug und schön. Allein sie wollte lieber Prinzessin allein sein, als eines Prinzen Weib, und sie schlug alle Anträge ab, und ließ mit solchen Antworten die Freier von sich.
Das hörte ein Fürst der Rügianer im Pommerlande, Namens Rütiger, ein gar mächtiger und tapferer Held. Er glaubte die Fürstin zu gewinnen, und zog aus an ihren Hof und buhlte um sie. Allein er bekam keinen besseren Bescheid als die Uebrigen. Darüber ergrimmte der Fürst in seinem Herzen, und da er in großer Liebe zu der Prinzessin entbrannt war, so brachte er ein ansehnlich Heer auf die Beine und fiel damit in Polen ein, um mit Gewalt um sie zu werben. Wenda das Fräulein zog ihm entgegen, gleichfalls mit großer Heeresmacht, und in ihrem Herzen gelobend, wenn sie den Feind besiegen sollte, Zeitlebens den Göttern ihre Jungfrauschaft zum Opfer zu bringen.
Als nun aber die beiden Heere gegen einander hielten, da dünkte es den Pommern schimpflich, daß sie wider ein Weib das Schwert ziehen sollten, und sie hielten bei ihrem Fürsten an, daß er sich eines Besseren bedenken möge. Darüber entbrannte der edle Rütiger dermaßen vor Zorn und Liebe, daß er sein eignes Schwert ergriff und sich dasselbe durch das Herz stieß. Also zogen die Pommern und Polen wieder von einander, nachdem sie einen neuen Bund unter sich gemacht hatten.
Wenda aber, das Fürstenfräulein, hatte von der Stunde an großes Herzeleid; und als sie wieder in ihr Schloß kam, wollte sie nicht länger leben, nachdem sich ihrenthalben ein so tapferer Held ums Leben gebracht hatte. Sie sprang deshalb von der Brücke ihres Schlosses in die Weichsel, wo sie ihren Tod fand.
Solches ist geschehen bald nach dem Jahre des Herrn 700. Nach Wendas Tode kamen die zwölf Woiwoden in Polen wieder an das Regiment.
Micrälius, altes Pommerland. I. S. 407.
8. König Schweno von Dänemark und die Wolliner.
Vor Zeiten lebte in Dänemark ein König Namens Harald. Der hatte einen bösen, ungerathenen Sohn, Schweno. Dieser Schweno warf das Christentum ab, setzte sich gegen seinen Vater, und vertrieb ihn aus dem Reiche. Harald flüchtete nach der Insel Wollin in Pommern, und die Wolliner nahmen sich freundlich seiner an, unangesehen daß er ein Christ war. Sie rüsteten auch eine große Kriegsflotte aus, um ihn wieder in sein Land einzusetzen, und zogen damit gegen Schweno, mit dem sie sich einen ganzen Tag schlugen, also daß es ungewiß blieb, wer gewonnen hätte oder nicht. Allein sie erreichten ihren Zweck nicht, weil Schweno am anderen Tage seinen Vater durch einen Dänen meuchlings erschießen ließ.
Darüber faßte Schweno einen so großen Haß gegen die Wolliner, daß er großes Volk und viele Schiffe zusammen brachte und also gegen sie zog. Aber die Wolliner säumten auch nicht, sondern zogen ihm entgegen, und schlugen und fingen ihn, so daß er sich lösen mußte mit vielen tausend Mark Goldes. Nicht besser erging es ihm, als er nach einiger Zeit sich rächen wollte und von Neuem gegen jene zog. Darüber wurde er nun sehr ärgerlich in seinem Gemüthe, und obgleich er Frieden hatte zusagen müssen, so brach er doch sein Versprechen und zog wieder gegen sie, vermeinend, das Glück werde sich doch einmal auf seine Seite wenden. Allein die Wolliner waren auch dießmal auf, und kamen ihm zwischen Möne und Falster entgegen.
Weil sie nun ohne Noth nicht eine Schlacht mit ihm wagen wollten, so ersannen sie einen Betrug. Der war dieser: Sie wußten, daß die Dänen des Nachts genaue Wache halten ließen; sie erwählten daher Etliche unter sich, die gut Dänisch konnten; dieselben schickten sie mit einem Schiffsboote und befahlen ihnen, sich so zu gebährden, als wären sie von der Dänischen Schaarwache gekommen um die Zeit, wenn die Wache pflegt umzuwechseln. Die fuhren dann auf sie, und kamen unbemerkt zwischen der Wache und den anderen Schiffen durch bis an des Königs Schiff. Da schrieen sie dem Schiffer zu und sagten, sie hätten dem Könige etwas Eiliges zu sagen, das heimlich wäre, er möge das dem Könige anzeigen. Der Schiffer meinte nicht anders, als es wären Dänen von der Schaarwache, und sorgte, daß es dem Könige gesagt wurde. Der König meinte auch nicht anders, als es wären Wächter, die etwas Wichtiges vom Feinde brächten, und er kam hervor und bückte sich über den Bord seines Schiffes bis an den Bord des Wollinschen Schiffes hinan, um zu hören, was sie ihm Heimliches zu sagen hätten. Da ergriffen ihn die Wolliner bei den Achseln und zogen ihn in ihr Boot, und hielten ihm das Maul zu, daß er nicht schreien konnte, und ruderten so eilends mit ihm davon zu ihrer Kriegsflotte. Die Dänen erhoben zwar nach einer Weile ein großes Geschrei und Getümmel, aber da war es schon zu spät. Ihr König wurde ungehindert nach Wollin gebracht.
Diesesmal wollten ihn die Wolliner gar nicht wieder in Freiheit setzen, weil er so schmählich seine Zusage gebrochen. In die Länge gaben sie aber seinen und seines Volkes Bitten nach; sie forderten jedoch ein so großes Lösegeld von ihm, als er die beiden vorigen Male zusammen hatte geben müssen. Das war viel und so viel Geld war in ganz Dänemark nicht vorhanden. In dieser großen Noth erbarmten sich die Frauen und Jungfrauen im Reiche über ihn, und sie trugen all ihr Gold und Silber, Schmuck und Kleinodien herbei, damit er gelöset werde. Also wurde der König Schweno wieder in Freiheit gesetzt.
Als er nun aber wieder zu dem Reiche kam, da gedachte er der Gutherzigkeit der Frauen und Jungfrauen, und er gab ihnen ein Privilegium, daß sie hinführo in allen Lehn- und anderen Gütern gleich den Männern erben sollten, welches zuvor nicht gewesen war. Auch that er jetzt Buße, und bekehrte sich zum Christentum.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 47. 52-55.
9. Der Ranisberg bei Lübeck.
Um das Jahr 1107 lebte Heinrich, Fürst der Mecklenburger. Er hatte den Fürsten Crito erschlagen lassen, und darauf dessen Wittwe, Slavina, zur Ehe genommen, mit der er schon lange im Einverständnisse gelebt hatte, und mit der er das Fürstenthum Mecklenburg bekam. Nachdem er also mächtig geworden war, da suchte er, sich auch die Herrschaft über die Rügianer zu verschaffen. Die Rügianer wollten ihm aber nicht gehorsam sein, vielmehr über ihn gebieten und sein Land haben, wie ihr Fürst Crito gehabt hatte. Derohalben brachten sie ein großes Heer und Schiffsrüstung zusammen, und zogen damit die Trave hinauf vor die Stadt Lübeck, in welcher der Fürst Heinrich lag, und belagerten die Stadt. Als das der Fürst sah, erschreckte er sich des unversehenen Ueberfalls hart. Er faßte aber bald einen Rath, und befahl seinem Hauptmann in der Stadt, er sollte ein Mann sein und die Stadt nicht aufgeben bis in den vierten Tag; er wollte ins Land ziehen und Hülfe suchen; wo er aber den vierten Tag nicht käme, und sich nicht auf einem Berge zeigte, den er ihm von der Stadt aus anwies, so möchte er thun was die Noth forderte. Darauf schlich er selbander in der Nacht aus der Stadt vor den Rügianern weg, und begab sich in das Land Holstein, wo er in der Eile Volk aufbrachte. Die führte er um die Stadt herum bis an Travemünde, denn er hatte erfahren, daß von der Seite her das reisige Zeug der Rügianer zu diesen kommen sollte, und darauf baute er eine Kriegslist.
Als nämlich nun der vierte Tag gekommen war, da ritt er auf den Berg, den er seinem Hauptmann angewiesen hatte, und gab diesem das Zeichen, daß er da wäre. Damit wurden der Hauptmann und die Bürger sehr getrost; denn die Rügianer hatten unter der Zeit mit Stürmen und Niederbrechen der Mauern keine Ruhe gelassen. Alsdann ließ der Fürst seine Reisigen von Travemünde herauf an dem Ufer der Trave herziehen, und darauf das Fußvolk allmälig nach. Als das die Rügianer sahen, meinten sie nicht anders, als es wären ihre Reisigen; denn sie wußten nicht, daß der Fürst aus der Stadt entkommen war, und sie liefen den Reutern mit Freuden entgegen, ohne Ordnung und ohne Waffen. Da setzte das reisige Zeug des Fürsten in sie, und die aus der Stadt fielen auch aus und beringten die Rügianer allenthalben und erschlugen sie zumeist, so viele ihrer nicht in die Trave gedrängt wurden und darin ertranken.
Es waren aber der Rügianer so viele zu Tode gekommen, daß, als hernach die aus der Stadt die Erschlagenen sammelten und sie begruben, davon ein solcher Berg wurde, welchen man noch heutiges Tages sieht, und welcher der Ranisberg heißet, weil man die Rügianer in alten Zeiten auch Ranen geheißen.
Zur Gedächtniß dieses Sieges haben die Lübecker stets den ersten Augusttag, an welchem die Ueberwindung geschehen, hoch gefeiert.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 62. 63.
J.J. Sell, Geschichte des Herzogthums Pommern, I. S. 110.
G.v.d. Lanken, Rügensche Geschichte, S. 52.
Alb. Cranzii Wandalia, S. 99.
10. Strafe des Kirchenraubes.
Vor vielen hundert Jahren, als die Pommern noch Heiden waren, hatten sie zu einer Zeit viele Kriege mit den Polen. Der Herzog Bolislaff von Polen hatte damals einen großen Theil von Pommern inne. Das verdroß sehr den Fürsten Wartislav in Vorpommern und er machte deshalb Verständniß und Freundschaft mit Swantebor, dem Fürsten von Hinterpommern, daß er von dem Polen-Herzoge abfiel; und er gewann auch wiederum die Städte Wollin, Camin, Colberg, Belgard, Cöslin und andere, welche ihm der Herzog von Polen abgenommen hatte, und befestete sie.
Da der Herzog Bolislaff solchen Abfall hörte, brachte er Volk auf, und zog damit vor das Pommersche Schloß Zarnekow, in welchem ein gewaltiger Edelmann Namens Gniefomer lag, und belagerte dasselbe und hat es endlich eingenommen. Die Pommern waren aber auch nicht faul, und kamen mit etlichen tausend Mann vor Zarnekow, welches die Polen aufgeben mußten. Darauf zogen jene weiter in das Land Polen hinein, bis nach Gnesen und verwüsteten und verdarben viele Dörfer und Flecken. Auch brachen sie der Könige und Herzöge von Polen Begräbnisse auf, und nahmen die Todtenköpfe und Gebeine heraus und schlugen den Todtenköpfen die Zähne aus, und zerstreuten sie dann auf den Feldern. Also trieben sie überall großen Muthwillen und Gewalt, und besonders raubten sie die Heiligthümer aus den Kirchen, als Patenen, Kelche und viele andere Kleinodien. Auch den Bischof Martinus von Gnesen wollten sie fangen, der gerade auf einem Dorfe war, um eine neue Kirche einzuweihen; allein der fromme Mann entkam ihnen, und sie fingen statt seiner nur seinen Archidiakonus Nicolaus, den sie jedoch, da er ein alter, zitternder Mann war, wieder los ließen.
Für solche Gewalt und Gräuel wurden die Pommern hart gestraft. Denn wie sie hernach in ihre Heimath gekommen waren, und die geraubten Kelche und Patenen bei ihren Banketten als Trinkgeschirr gebrauchten, da verfielen plötzlich Alle, so daraus getrunken, mit Weibern und Kindern, in schwere unsinnige Raserei, also daß sie sich untereinander jämmerlich verwundeten und umbrachten.
Solche Zeichen und Strafen Gottes brachten große Furcht unter sie. Sie schickten deshalb das geraubte Kirchengut dem Bischofe von Gnesen zurück, worauf sie wieder vernünftig wurden und Ruhe erhielten. – Solches geschah im Jahre 1109.
D. Cramer, Große Pomm. Kirchen-Chronik, I. S. 21.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 79.
Kanngießer, Pomm. Geschichte, S. 423-426.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 145.
11. Der Reuter auf dem weißen Rosse.
In derselben heidnischen Zeit fielen die Pommern auch einstmals in Polen ein, und gedachten das feste Schloß Zantok oder Zittek einzunehmen, welches an der Pommerschen Grenze lag. Es waren zu damaliger Zeit alle Polnische Bischöfe und vom Adel in Gnesen versammelt, und die Pommern glaubten, das Schloß ohne Mühe in ihre Gewalt zu bekommen, da sie auch Einige von der Besatzung durch Geld auf ihre Seite gebracht hatten, daß diese sie des Nachts heimlich einließen.
Sie wurden auch von diesen ihren Freunden des Nachts an Stricken auf die Mauer gezogen. Als sie nun aber in das Innere des Schlosses eindringen wollten, da stellte sich ihnen auf einmal ein Reuter auf einem großen weißen Pferde entgegen, den Niemand kannte. Darüber geriethen die Pommern dermaßen in Schrecken, daß sie aus einander liefen und eilig die Flucht ergreifen wollten. Unterdeß waren jedoch die übrigen Schloßleute erwacht, und diese schlugen die Pommern nieder oder nahmen sie gefangen.
Die Polen aber glaubten, der Reuter auf dem weißen Rosse sey Niemand anders gewesen, als ihr Schutzheiliger, der heilige Adalbert.
Kanngießer, Geschichte von Pommern, S. 357.
12. Der Wendische Hund.
Um das Jahr Eintausend nach Christi Geburt lebte der Fürst Mestiboi, ein gewaltiger, kühner Herr, der zugleich über die Pommern und Mecklenburger Herzog war. Der hatte, als er noch ein junger Prinz war, auf Befehl seines Vaters, des Herzogs Mizislav, dem Kaiser Heinrich auf seinem Zuge wider die Sarazenen Hülfe geleistet mit tausend Pferden, die er ihm zubrachte, und hatte sich sehr tapfer und muthig gezeigt. Auf diesem Zuge hatte er auch die Tochter des Herzogs Bernhard von Sachsen gesehen, und sich in dieselbe verliebt, auch von dem Herzog Bernhard, der ihm wohlwollte, die Zusage erlangt, daß sie sein Gemahl werden solle. Als er nun Herzog geworden war, und die Braut abholen wollte, da war ihm entgegen der Markgraf Dieterich von Brandenburg, ein Oheim der Prinzessin, ein gar hochfahrender Mann. Der sagte, daß man ein deutsches fürstliches Fräulein einem solchen Wendischen Hunde nicht geben solle, und also erhielt er sie nicht. Da sagte Mestiboi drohend: Dieser Wendische Hund soll Euch beißen und bellen, daß man es im ganzen Lande soll hören können. Er schlug auch seiner Seits das Fräulein aus, als demnächst der Herzog Bernhard sie ihm anbieten ließ, und schwor nur, der Schimpf solle dem Markgrafen durch den Hals dringen. Er verband sich darauf mit der ganzen Ostwendischen Nation, und fiel dem Markgrafen in das Land und besiegte ihn, also daß der Markgraf sein Land räumen und Domherr in Magdeburg werden mußte, wo er im Elende gestorben ist. In diesem Kriege mußte sich auch die Stadt Brandenburg den Wenden ergeben; sie plünderten sie rein aus, und rissen alle Kirchen darin bis auf den Grund nieder. Nur die Sanct Marien-Kirche auf dem Harlunger Berge ließen sie stehen; sie weiheten sie aber ihrem Götzen Triglaff.
Also rächte sich der Wendische Hund.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 127. 128.
13. Rethra.
In den uralten heidnischen Zeiten war in Pommern eine berühmte Stadt, Rethra geheißen. Dieselbe war der Hauptsitz der Pommerschen Götter, besonders des Götzen Radigast oder Redigast. Die Stadt war groß, von vielen Einwohnern und voller Reichthümer. Man ging durch neun Thore in dieselbe hinein, und sie war rund umher mit Wasser beflossen. Sie hatte viele Tempel, in welche man über köstliche Brücken ging. Der vornehmste Tempel gehörte dem Götzen Redigast, welcher ganz von Gold war, und auf einem Lager von Purpur ruhete. – Diese Stadt ist zuletzt wegen ihres Uebermuthes und Heidenthums gänzlich zerstört. Das ist geschehen noch lange bevor das Christenthum nach Pommern kam. Auf welche Weise aber, das weiß man nicht. Sie ist so ganz zu Grunde gegangen, daß man nicht einmal die Gegend mehr angeben kann, wo sie gestanden hat. Doch glauben die Meisten, sie habe da herum gestanden, wo jetzt die Stadt Treptow an der Tollensee liegt.
Altes und Neues Rügen, S. 15.
Stavenhagen, Beschreibung von Anklam, S. 16. 17.
Stolle, Geschichte von Demmin, S. 469-489.
14. Wineta.
An der nordöstlichen Küste der Insel Usedom sieht man häufig bei stillem Wetter in der See die Trümmer einer alten, großen Stadt. Es hat dort die einst weltberühmte Stadt Wineta gelegen, die schon vor tausend und mehr Jahren wegen ihrer Laster und Wollust ein schreckliches Ende genommen hat. Diese Stadt ist größer gewesen, als irgend eine andere Stadt in Europa, selbst als die große und schöne Stadt Constantinopel, und es haben darin allerlei Völker gewohnt, Griechen, Slaven, Wenden, Sachsen und noch vielerlei andere Stämme. Die hatten allda jedes ihre besondere Religion; nur die Sachsen, welche Christen waren, durften ihr Christentum nicht öffentlich bekennen, denn nur die heidnischen Götzen genossen eine öffentliche Verehrung. Ungeachtet solcher Abgötterei waren die Bewohner Winetas aber ehrbar und züchtig von Sitten, und in Gastfreundschaft und Höflichkeit gegen Fremde hatten sie ihres Gleichen nicht.
Die Einwohner trieben einen überaus großen Handel; ihre Läden waren angefüllt mit den seltensten und kostbarsten Waaren, und es kamen Jahr ein Jahr aus Schiffe und Kaufleute aus allen Gegenden und aus den entferntesten und entlegensten Enden der Welt dahin. Deshalb war denn auch in der Stadt ein über die Maßen großer Reichthum, und das seltsamste und lustigste Leben, das man sich nur denken kann. Die Bewohner Wineta's waren so reich, daß die Stadtthore aus Erz und Glockengut, die Glocken aber aus Silber gemacht waren; und das Silber war überhaupt so gemein in der Stadt, daß man es zu den gewöhnlichsten Dingen gebrauchte, und daß die Kinder auf den Straßen mit harten Thalern sollen gespielt haben. Solcher Reichthum und das abgöttische Wesen der Heiden brachten aber am Ende die schöne und große Stadt ins Verderben. Denn nachdem sie den höchsten Gipfel ihres Glanzes und ihres Reichthums erreicht hatte, geriethen ihre Einwohner in große bürgerliche Uneinigkeit. Jedes von den verschiedenen Völkern wollte vor dem anderen den Vorzug haben, worüber heftige Kämpfe entstanden. Zu diesen riefen die Einen die Schweden, und die Andern die Dänen zu Hülfe, die auf solchen Aufruf, um gute Beute zu machen, schleunig aufbrachen, und die mächtige Stadt Wineta bis auf den Grund zerstörten, und ihre Reichthümer mit sich nahmen. Dieses soll geschehen sein zu den Zeiten des großen Kaisers Karl.
Andere sagen, die Stadt sei nicht von den Feinden erobert und zerstört, sondern auf andere Weise untergegangen. Denn nachdem die Einwohner so überaus reich geworden waren, da verfielen sie in die Laster der größten Wollust und Ueppigkeit, also daß die Eltern aus reiner Wollust die Kinder mit Semmeln wischten. Dafür traf sie denn der gerechte Zorn Gottes und die üppige Stadt wurde urplötzlich von dem Ungestüm des Meeres zu Grunde gerichtet, und von den Wellen verschlungen. Darauf kamen die Schweden von Gothland her mit vielen Schiffen, und holten fort, was sie von den Reichthümern der Stadt aus dem Meere herausfischen konnten; sie bargen eine Unmasse von Gold, Silber, Erz und Zinn und von dem herrlichsten Marmor. Auch die eheren Stadtthore fanden sie ganz; die nahmen sie mit nach Wisbi auf Gothland, wohin sich auch von nun an der Handel Wineta's zog.
Die Stelle, wo die Stadt gestanden, kann man noch heutiges Tages sehen. Wenn man nämlich von Wolgast über die Peene in das Land zu Usedom ziehen will, und gegen das Dorf Damerow, zwei Meilen von Wolgast, gelangt, so erblickt man bei stiller See bis tief, wohl eine Viertelmeile in das Wasser hinein eine Menge großer Steine, marmorner Säulen und Fundamente. Das sind die Trümmer der versunkenen Stadt Wineta. Sie liegen in der Länge, von Morgen nach Abend. Die ehemaligen Straßen und Gassen sind mit kleinen Kieselsteinen ausgelegt; größere Steine zeigen an, wo die Ecken der Straßen gewesen, und die Fundamente der Häuser gestanden haben. Einige davon sind so groß und hoch, daß sie Ellenhoch aus dem Wasser hervorragen; allda haben die Tempel und Rathhäuser gestanden. Andere liegen noch ganz in der Ordnung, wie man Grundsteine zu Gebäuden zu legen pflegt, so daß noch neue Häuser haben erbaut werden sollen, als die Stadt vom Wasser verschlungen ist.
Wie weit die Stadt der Länge nach sich in das Meer hinein erstreckt hat, kann man nicht mehr sehen, weil der Grund abschüssig ist, das Steinpflaster daher je weiter, desto tiefer in das Meer hineingeht, auch zuletzt so übermooset und mit Sand bedeckt ist, daß man es bis zu seinem Ende hin nicht verfolgen kann. Die Breite der Stadt ist aber größer als die von Stralsund und Rostock, und ungefähr wie die von Lübeck.
In der versunkenen Stadt ist noch immer ein wundersames Leben. Wenn das Wasser ganz still ist, so sieht man oft unten im Grunde des Meeres in den Trümmern ganz wunderbare Bilder. Große, seltsame Gestalten wandeln dann in den Straßen auf und ab, in langen faltigen Kleidern. Oft sitzen sie auch in goldenen Wagen, oder auf großen schwarzen Pferden. Manchmal gehen sie fröhlich und geschäftig einher; manchmal bewegen sie sich in langsamen Trauerzügen, und man sieht dann, wie sie einen Sarg zum Grabe geleiten.
Die silbernen Glocken der Stadt kann man noch jeden Abend, wenn kein Sturm auf der See ist, hören, wie sie tief unter den Wellen die Vesper läuten. Und am Ostermorgen, denn vom stillen Freitage bis zum Ostermorgen soll der Untergang von Wineta gedauert haben, kann man die ganze Stadt sehen, wie sie früher gewesen ist; sie steigt dann, als ein warnendes Schattenbild, zur Strafe für ihre Abgötterei und Ueppigkeit, mit allen ihren Häusern, Kirchen, Thoren, Brücken und Trümmern aus dem Wasser hervor, und man sieht sie deutlich über den Wellen. – Wenn es aber Nacht oder stürmisches Wetter ist, dann darf kein Mensch und kein Schiff sich den Trümmern der alten Stadt nahen. Ohne Gnade wird das Schiff an die Felsen geworfen, an denen es rettungslos zerschellt, und keiner, der darin gewesen, kann aus den Wellen sein Leben erretten.
Von dem in der Nähe belegnen Dorfe Leddin führt noch jetzt ein alter Weg zu den Trümmern, den die Leute in Leddin von alten Zeiten her »den Landweg nach Wineta« nennen.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 40. 51.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 97. 98.
Pommersche Mannigfaltigkeiten, von C.G.H. Gesterding, S. 405-408.
Val. ab Eickstedt, Epitome Annalium Pomeranie, p.
10.
Gesterding, Pommersches Magazin, I. S. 138. IV. S. 62. 244.
Berliner Kalender für 1837. S. 179-182.
Rühs, Pommersche Denkwürdigkeiten, S. 383.
Barthold, Geschichte von Pommern, I. S. 419.
Dönniges, Wineta, oder die Seekönige der Jomsburg, S. 100 bis 102.
Acten der Pom. Gesellsch. für Gesch. und Alterth-Kunde.
15. Julin.
Nachdem Wineta zu Grunde gegangen war, zog sich der Handel dieser Stadt theils nach Wisbi in Gothland, theils nach Julin auf der Insel Wollin, also daß dieses Julin nun die größte und reichste Stadt in Europa wurde. Es wohnten und handelten in derselben Leute von den verschiedensten Nationen, Sprachen und Gottesdienst, als Winithen, Winiren, Heneter, Sunnonen, Slaven, Wenden, Dänen, Schweden, Gambrivier, Circipaner, Juden, Heiden, Ruthenier, Griechen und andere Völker mehr. Alle hatten dort Freiheit zu handeln und zu treiben, wie sie wollten; nur die Christen mußten sich bei Lebensstrafe heimlich halten. Jede Nation bewohnte ihre eigenen Straßen, die nach ihren Namen genannt wurden.
Lange Zeit waren die Sitten der Juliner gut und anständig. Auf die Länge aber wurden sie üppig und schwelgerisch, und einzelne Völkerstämme wollten eine Tyrannei über die anderen ausüben. Wegen solcher Gräuel, Laster und Abgötterei wurde die Stadt zum öftern durch den Zorn Gottes von Blitz und Donner jämmerlich geplagt. Aber das half zu ihrer Bekehrung nicht. Da zogen nach einer Weile zuerst die Ruthenier aus, und wanderten in ihr Vaterland Rußland zurück. Ihnen folgten bald ihre Freunde und Genossen, und stifteten in Rußland das Herzogthum, das noch jetzt von ihnen Wolhynien genannt wird. Unter den Zurückgebliebenen entstand hernach Aufruhr und Zerstreuung der Kaufleute, bis zuletzt der Dänische König Woldemar die Stadt eroberte und sie bis auf den Grund zerstörte. Dieß geschah im Jahre 1170.
Die Stadt Julin lag auf der Spitze der fruchtbaren Insel Wollin, an derselben Stelle, wo jetzt die Stadt Wollin liegt. Aber sie war bei weitem größer als diese Stadt. Denn man sieht noch Ueberbleibsel von ihren Trümmern in der Erde, und danach ist sie größer gewesen als eine deutsche Meile. Die Michaeliskirche, welche jetzt eine gute Strecke weit außerhalb Wollin liegt, soll früher mitten in der Stadt Julin gestanden haben. Auch sieht man noch die Castelle, die früher die Stadt gegen die feindlichen Angriffe umgeben haben, und deren Trümmer auf vier verschiedenen Bergen in einer weiten Entfernung um die Stadt Wollin von einander liegen. Diese Castelle haben noch jetzt ihre alten Namen; eins heißt nämlich Kakernel, eins Moderow, eins de Schloßberg, und das vierte der Silberberg. Dieser Silberberg ist höher als die anderen drei Berge, und auf demselben soll ein hohes Schloß gestanden haben. In diesem Berge findet man auch noch oft unter den ausgebrochenen Fundamentsteinen des alten Castells allerlei silberne Münzen, und Knochen und Rippen von Menschen, so groß wie Riesen. Wie groß die Stadt Julin gewesen, kann man auch noch daraus abmessen, daß ein Berg im Süden der Stadt, der Galgenberg geheißen, dicht vor dem Thore gelegen hat, daß man hat mit einem Steine hinwerfen können. Heutiges Tages ist dieser Berg so weit von Wollin, daß Einer sehr müde wird, der von der Stadt da hinaus spatziret. Auch kann man sich die Größe dieser herrlichen Stadt denken, wenn man erwäget, daß der Bischof Otto von Bamberg im Jahre 1124 allda 22,000 Bürger getauft hat.
In der Gegend der Stadt sollen noch viele Schätze aus der Zeit, als Julin noch in seiner Herrlichkeit war, vergraben sein. Besonders kommen oft fremde Schatzgräber hin, die nach einer schweren goldnen Kette suchen, welche der Rath der untergegangenen Stadt aus dem Lösegelde eines gefangenen Dänischen Königs soll haben machen lassen. Sie soll aber nur durch viele Messen, die in Rom, Mainz, und anderen heiligen Orten gelesen werden müssen, an das Tageslicht gebracht werden können.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 98.
Gesterding, Pommersche Mannigfaltigkeiten, S. 403-405.
Zöllners Reise durch Pommern und Rügen. S. 91. 92.
16. Der Bischof Bernard und die Juliner.
Zu der Zeit, als noch ganz Pommern in der Finsterniß des Heidenthums lag, jammerte dieses einen frommen Mann, Namens Bernhardus, einen Spanier von Geburt, der in Rom zum Bischof gewählt war, aber das Bisthum nicht annehmen wollte, da er hörte, daß von dem Capitel desselbigen Stiftes schon ein Aderer war erwählet worden, mit dem er hätte streiten müssen. Er gedachte, daß er lieber etwas zur Ausbreitung der Ehren Gottes beitragen wolle, und er beschloß deshalben, nach dem Pommerlande zu ziehen, dessen Einwohner noch Unchristen waren, um sie zum christlichen Glauben zu bekehren. Er begab sich zuerst zu dem Herzoge Bolislaff von Polen, der zu damaliger Zeit einen großen Theil von Pommern inne hatte, und erbot sich, daß er hinziehen wollte, den Pommern zu predigen. Das hörte der Herzog Bolislaff gern, und er gab ihm Dolmetscher mit in das Land. Dieses war im Jahre 1122.
Darauf zog Bernhardus mit den Dolmetschern nach Julin, da dieses die vornehmste der Städte war. Allda hob er an zu predigen, und die Dollmetscher legten es den Leuten aus.
Aber dieser Bernhardus ging, seiner vermeinten Heiligkeit halber, armselig einher, barfuß und übel bekleidet, und aß nur trockene und wenige Speisen, und trank nur Wasser. Als er daher mit solchem verhungerten Gesichte und armseligen Wesen gen Julin die reiche Stadt kommt, da wollte das Volk nicht auf seine Reden hören, und man frägt ihn, von wannen er komme, und wer ihn gesandt habe. Darauf gibt er durch den Dolmetscher die Antwort: Er sei ein Diener des einzigen wahren Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erden, von dem alle Macht und aller Reichthum komme. Da dünkt es den Julinern sehr ungereimt, daß ein so großer reicher Herr, dessen er sich rühmet, einen so unansehnlichen, hungrigen und zerlumpten Boten sollte ausgeschickt haben, und sie verlachten ihn und hielten ihn für einen Bettler, der nur darum gekommen wäre, daß er ihnen das Geld möchte abschwatzen und reich werden, oder für einen Narren, der seine Armuth bei ihnen büßen sollte. Sie sagten ihm deshalb, er sollte sich nur bald packen, oder sie wollten ihm Füße machen. Da hob er an zu sprechen von dem geistlichen Reichthume, und daß das Reich Gottes nicht in vielem Gelde und äußerlicher weltlicher Pracht, sondern nur in der Kraft und That des Geistes bestehe; darum sollten sie sich nicht ärgern an seiner Armuth und Schlechtheit, denn sein Gott sei ein solcher, der die Reinigkeit des Herzens haben wollte, und der vergänglichen Gutes nicht achte. Er sagte ihnen weiter, daß ihre Götter keine Götter, sondern nur Holz und Steine wären, die sich selbst nicht helfen könnten, vielweniger denjenigen, die sie ehren. Damit sie auch sehen sollten, daß sein Gott der wahre Gott, und er sein echter Diener wäre, so sollten sie ihn in ein altes Haus setzen und dasselbe mit Feuer anzünden, wo sie dann sehen würden, daß er nicht verbrenne. Das war nun sehr viel von ihm. Die Priester und die Bürger der Stadt hielten auch einen Rath und fragten einander, was sie bei so gestalteten Sachen thun sollten. Aber da sprachen Etliche von ihnen, der Mensch sei wohl seiner Armuth halber in Verzweiflung, also daß er nicht mehr leben wolle. Andere meinten, er wäre nicht bei Sinnen. Und wieder Andere waren der Meinung, er wolle, daß die ganze Stadt in Feuer aufgehe, damit er also für seine Abweisung Rache nehme. Sie verlachten ihn deshalb nur um so mehr, und geboten ihm, straks die Stadt zu räumen und sich zu entfernen, damit er ihre Götter nicht beleidige.
Da entbrannte der fromme Mann in großem Eifer, und er nahm eine Axt und hieb in ein Götzenbild, das mitten auf dem Markte stand und sehr heilig gehalten wurde. Nun ging aber auch den Heiden die Geduld aus, und sie fielen über ihn her und schlugen ihn sammt seinen Dolmetschern blau und gebrechlich. Sie hätten ihn auch todt geschlagen, aber die Götzenpriester und die Aeltesten der Stadt beriethen, wie es vor Jahren den Preußen schlecht ergangen, die den heiligen Adalbert getödtet hatten, und darüber viel Druck und Elend erlitten und alle das Ihrige verloren. Sie beschlossen also, ihn, ohne ihm größer Leid zuzufügen, aus dem Lande zu entfernen, und sie setzten ihn in ein Schiff, das brachten sie in das frische Haff, und ließen ihn fahren, wohin er wollte, ihm sagend, nun solle er den Fischen predigen, die würden mehr Zeit haben, solch Gaukelwerk anzuhören.
Da sah Bernhardus ein, daß er mit seiner Armuth nichts ausrichten könne; er ging zurück zum Herzog Bolislaff, dem berichtete er die Sache, und zog darauf nach Bamberg, wo Sanct Otto Bischof war; allda begab er sich in das Kloster zu Sanct Michael, und berichtete dem heiligen Otto, wie es ihm zu Pommern ergangen wäre, und sagte, so Einer den Pommern predigen wolle, der müsse nicht arm kommen, sondern mit Reichthum. Das hat sich der heilige Bischof Otto wohl gemerkt, als er hernach auszog, die Pommern zu bekehren.
N. Daniel Cramer, Große Pommersche Kirchen-Chronik, I. S. 19.
Th. Kantzow, Pomerania, S. 75-77.
P.F. Kanngießer, Geschichte von Pommern, S. 541-545.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p.
83.
17. Der heilige Brunnen bei Pyritz.
Vor der Stadt Pyritz befindet sich eine Quelle, welche den Namen des heiligen Brunnens führt. Aus dieser Quelle hat der Heilige Otto die Pommern zu Pyritz getauft. Nachdem nämlich, wie oben erzählt, der Römische Bischof Bernhard von den Julinern verjagt war, beschloß der Bischof Otto von Bamberg, ein kluger und heiliger Mann, die abgöttischen Pommern zum Christenthume zu bekehren. Es war nach Christi unseres Herrn Geburt im Jahre Eintausend einhundert vier und zwanzig, unter dem Papste Calixtus und dem Kaiser Heinrich dem Fünften, als er mit vielen Begleitern, denn er wollte nicht armselig erscheinen wie Bernhardus, nach dem Lande zu Pommern zog. Er begab sich zuerst zu dem Pommerschen Herzoge Wartislav, der schon ein Christ war. Derselbe empfing ihn freundlich, und gab ihm auch seinen Feldobersten Paulitius mit mehrerem Gefolge mit, daß sie ihn unterstützen sollten, wenn die Pommern es sich möchten einfallen lassen, ihn ungebührlich zu behandeln. Also zog Sanct Otto weiter und kam zuerst gegen Abend nach Pyritz: allda waren an viertausend Menschen versammelt, die ein heidnisches Fest feierten. Als das der Bischof hörte, blieb er die Nacht draußen und zog erst am anderen Morgen zu den Leuten. Denen hielt er dann eine große und freundliche Anrede, sie beredend, daß sie ihre Götter verlassen und den wahren und einzigen Gott verehren sollten; der Oberst und die Räthe des Herzogs unterstützten ihn. Da geschah es denn wunderbarer Weise durch die Gnade Gottes, daß alle das versammelte Volk sogleich bereit war, sich taufen zu lassen und Christen zu werden. Darauf säumte der Bischof Otto auch nicht, und er begab sich schleunig an sein heiliges Werk. Dieß that er auf folgende Weise: Zuerst unterrichtete er, mit Hülfe seiner Mitpriester, das Volk sieben Tage lang, und ließ sie die Worte im kleinen Catechismus auswendig lernen. Danach legte er ihnen auf, drei Tage lang zu fasten. Wann sie so gefastet, dann mußten sie baden und reine Kleider anziehen, also daß sie nicht nur mit reinem Herzen, sondern auch mit sauberem Leibe zur Taufe gehen möchten. Dann ließ er sie ihren Catechismus aufsagen und sie beten. Unterdeß hatte er drei Taufen zurichten lassen, eine jede besonders, nämlich eine für die Männer, die andere für die Frauen und Jungfrauen, und die dritte für die Knaben. Dieselben Taufen ließ er mit Teppichen umhangen, damit man nichts Unhöfliches sehen konnte. Also tauften die anderen Priester die Männer und Frauen; er selbst aber taufte die Knaben, damit sie desto länger und fester das Christenthum in ihrem Herzen behalten sollten.
So taufte er in zwanzig Tagen über 7000 Menschen, die von allen Seiten gen Pyritz kamen, um von dem frommen Manne das Wort des wahren Gottes zu empfangen. Die Quelle, an der er die Taufzelte errichtet hatte, und aus welcher das Wasser in die Taufwannen geschüttet wurde, hat von der Zeit an den Namen des heiligen oder auch des Otto-Brunnens bekommen, den sie noch bis auf den heutigen Tag führt.
Man sagt, daß in jener Gegend damals kein Wasser zum Taufen war. Da nahm der heilige Mann seinen Bischofsstab, und stieß damit in die Erde, und augenblicklich entstand diese heilige Quelle.
Sie ist seit dem Jahre 1824 durch die Huld des frommen Königs Friedrich Wilhelms III. würdig erneuert worden. Sie ist jetzt mit behauenem Granit eingefriedigt, und bequeme Stufen führen zu ihr hinab; ein großes, granitnes Kreuz erhebt sich über ihr, mit einer passenden frommen Inschrift. Nicht weit von ihr, nächst der Landstraße von Pyritz nach Arnswalde, ist ein Gebäude, wie eine Abtei, errichtet, als Seminar für Landschullehrer, und den Namen Ottostift führend.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 88-91.
Kanngießer, Gesch. von Pommern, S. 568-580
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 148.
Cramer, Große Pomm. Kirche-Chronik, I. S. 27. 28.
Berliner Kalender 1838, S. 357. 358
Pomm. Prov. Blätter, II. S. 146.
18. Das heidnische Edelweib zu Cammin.
Nachdem Bischof Otto in Pyritz also getauft hatte, zog er zuerst auf das Schloß in Stargard zu dem Herzog Wartislav, von da aber weiter nach Cammin, wo er wieder predigte und das Volk taufen wollte. Allein sein Werk wollte hier keinen rechten Fortgang haben, und es waren anfangs nur Wenige, die sich taufen ließen, bis dieses auf einmal durch ein sichtbarliches Wunder anders wurde. Es war nämlich auf dem Lande nicht weit von Cammin ein Edelweib, sehr gewaltig und reich, so daß ihr Mann wohl mit dreißig Pferden zu reiten pflegte. Dasselbige Weib war sehr gottlos und schimpfte gegen das neue Christenthum und sagte, daß sie ihres Vaters Glauben in keine Wege übergeben wolle. Und weil es gerade in der Ernte war, zwang sie ihre Leute, die schon großentheils getauft waren, auf einen Sonntag zu mähen und zu erndten, und wollte sie nicht zur Kirchen nach Cammin gehen lassen, sprechend: Was liegt mir an dem neuen Gotte, den der Bischof von Bamberg herbringet; sehet Ihr nicht, welche schöne und große Früchte uns unsere Götter gegeben haben? die laßt uns werben und verzehren! Wie das Gesinde nun aber noch zögerte, da ließ sie einen Wagen zurichten und fuhr mit aufs Feld; und wie sie nach der Art der Pommern ein stark Weib war, nahm sie eine Sense, und begann selbst zu mähen, und sagte: Laßt sehen, was mir der Christen Gott darum wird thun können! Sie schalt auch die Anderen, daß sie nicht ihre Sensen nehmen und mähen wollten.
Und als sie so schalt und tobte, da verstarrte sie plötzlich von Stund an, und blieb gebückt stehen, konnte sich auch weder aufrichten, noch Sense oder Halm aus den Händen los werden, konnte auch nicht reden, sondern stand also stumm, und sah gräulich aus, wie ein hölzern Bild. Das Gesinde erschrak sehr, ergriffen sie beim Leibe und wollten ihr die Sense nehmen, konnten das aber nicht, und standen lange und warteten, ob es nicht wollte besser mit ihr werden. Darum riefen sie sie an und ermahnten sie, daß sie sich möchte zu Jesum Christum bekennen und ihn um Gnade bitten, so werde er ihr helfen. Aber sie konnte nicht antworten und nicht einmal ein Zeichen von sich geben, bis sie nach einer Weile plötzlich niederstürzte und todt war.
Als solches Wunderwerk ist lautbar geworden im Lande, da haben Alle, die es gehört, den wahren Gott erkannt, und haben sich taufen lassen und sind Christen geworden, also daß der heilige Otto vierzehn Wochen lang in Cammin bleiben mußte, um alle zu taufen, die sich meldeten.
Kantzow, Pomerania, I. S. 98.
Micrälius, Altes Pommerland I. S. 149.
Kanngießer, Gesch. v. Pomm. S. 600-602.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p.
89.
19. Sanct Otto in Julin, und Bogdal.
Von Cammin zog Sanct Otto zu Wasser nach Julin. Allda kam er des Abends an. Weil es aber bekannt war, daß die Juliner keinen Christen in ihrer Stadt duldeten, und weil der Bischof bedachte, wie es dem Bischof Bernhard daselbst ergangen war, so fürchtete er sich, offen in die Stadt einzuziehen, und er begab sich daher auf Anrathen der Räthe des Herzogs Wartislav bei Nacht in das Schloß, welches der Herzog allda hatte, und welches eine sichere Freistatt war für Alle, die bedrängt und verfolgt wurden. Des anderen Morgens aber erfuhren das die Bürger, und sie liefen vor das Schloß, rufend, daß den Verkehrern des Glaubens und der guten Sitten ihres Vaterlandes nirgends Friede und Sicherheit sein sollte. Sie brachen auch die Thore des Schlosses auf, drangen mit Unsinnigkeit in die Gemächer und jagten Sanct Otten mit seinen Begleitern aus der Stadt. Dabei liefen viele des gemeinen Pöbels zu und warfen nach den Fremden mit Steinen und Koth.
Darunter war Einer, ein Wende, der schlug den heiligen Bischof mit einer großen Runge, daß er niederfiel und von seinen Dienern wieder aufgehoben werden mußte.
Die Vornehmsten der Stadt schickten aber darauf zu dem Bischof, und baten ihn um Verzeihung wegen des Vorgefallenen, und sprachen zu ihm, daß sie zwar nicht abgeneigt wären, sich taufen zu lassen, daß sie aber erst sehen wollten, was die Bürger zu Stettin machten, welche das Haupt der Pommerschen Städte sei, und daher billig vorgehen müsse; würden sich diese taufen lassen, so wollten sie in Julin es auch. Der Bischof zog deshalb zuerst nach Stettin, und nachdem die Stettiner sich hatten taufen lassen, kehrte er nach Julin zurück, wo die Bürger, arm und reich, nun mit Freuden herzuliefen, um die heilige Taufe von ihm zu empfangen.
Unter denselben war jener Wende, der ihn mit der Runge geschlagen hatte. Den gereute diese seine That jetzt sehr, und als er zur Taufe kam, sagte er auf sein Wendisch zu dem Bischofe: Bog dal, ize cien nie zabil, das heißt: Gott gab, daß ich dich nicht erschlug. Darauf gab ihm Sanct Otto den Namen von den ersten Worten, die er geredet, also daß er Bogdal geheißen wurde. Dieser Name besteht noch jetzt in Pommern und besonders auf der Insel Wollin, und hat daher seinen Ursprung.
Kantzow, Pomerania, I. S. 99. 100. 100.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 149. II. S. 432.
Cramer, Pomm. Kirchen-Chronik, I. S. 41.
Kanngießer, Gesch. v. Pommern, S. 606-620.
20. Die Bekehrung der Stettiner.
Von Julin, wo er so schmählich hatte abfahren müssen, begab sich Sanct Otto nach Stettin, um allda sein heiliges Werk mit desto größerem Eifer wieder zu beginnen. Die Stettiner nahmen ihn zwar nicht so feindselig auf, wie die Juliner gethan hatten; aber er konnte doch auch hier lange Zeit gar nicht zu seinem Zwecke gelangen. Er predigte bei zwei Monate lang alle Tage, und unterrichtete das Volk; und wie es in Quatember war, ließ er alle Morgen ein silbernes Crucifix vor sich her tragen, und ging mit seinen Priestern auf den Markt. Doch wollte Niemand hinan, und es hat Keiner das Christentum annehmen wollen. Sie fragten ihn, warum sie doch den neuen Glauben annehmen sollten? Daß sie daraus frömmer werden sollten? Das glaubten sie nicht, denn sie sähen, daß unter den Christen größere Laster wären, denn unter ihnen, nämlich Raub, Mord, Dieberei, Lügen und Trügen, ja auch so großer Uebermuth, Hoffahrt und Ehrsucht, daß sie oft ihren Glauben selbst darum verachteten und schmäheten. Einen solchen Glauben begehrten sie nicht.
Doch schickte es unser Herr Gott um ihres eignen Besten willen anders. Denn es war damals ein gewaltiger Mann in Stettin, Dobislav geheißen, in solcher Achtung, daß auch der Fürst Wartislav nichts gern that ohne ihn, und von großem Geschlecht, also daß er beides, in der Stadt und auf dem Lande viele Freundschaft, Verwandtschaft und Schwägerschaft mit dem Adel hatte. Derselbe war schon früher, als er unter den Sachsen gewesen, getauft, aber als er wieder zu den Wenden kam, achtete er das Christentum nicht mehr und begab sich zu der Heidenschaft zurück. Er hatte eine Frau von vornehmem Adel aus Sachsen, welche in ihrer großen Jugend von den Wenden ergriffen und weggeführt, und an den Dobislav verkauft war. Damit hatte er zwei junge Söhne gezeugt, Tepitz und Borant geheißen. Da nun St. Otto nach Stettin kam, war Herr Dobislav nicht daheim; daher trug sein Gemahl, welche noch immer an ihrem Christentum hing, groß Verlangen, daß ihre beiden Söhne getauft werden möchten. Sie hielt sie deshalb heimlich dazu an, daß sie sich zu Sanct Otto halten, aber nicht sagen sollten, daß sie es ihnen geheißen hätte. Das thaten die Knaben, und St. Otto gefiel ihnen wohl, denn er gab ihnen Obst, und andere Geschenke, welche Kinder gern haben, und ließ sie dabei das Vaterunser und den Glauben lernen, und bat sie oft wieder zu kommen. Zuletzt beredete er sie, daß sie sich taufen ließen, womit sie zufrieden waren. Denn nach der Taufe schenkte er ihnen schöne weiße seidene Röcke mit güldenen Streifen und güldenem Gürtel, und bunte Schuhe. Da das andere Kinder sahen, ließen sie sich auch taufen, damit sie schöne weiße Kleider und bunte Schuhe bekämen.
Als nun also schon viele Kinder getauft waren, da bekam Dobislavs Gemahl endlich Muth, auch zu dem Bischofe hinzugehen. Da war es denn nun herrlich anzusehen, wie die fromme Frau, die so lange ihren Glauben hatte geheim halten müssen, zu dem heiligen Manne kam. Ihre beiden Knaben waren gerade bei diesem, und saßen ihm zu beiden Seiten, angethan mit ihren weißen Kleidern. Als nun die Mutter kommt, stehen die Kinder auf, und verneigen sich gegen den Bischof, als bäten sie um Urlaub, und gehen alsdann der Mutter entgegen. Die Mutter wird darüber so voller Freuden, daß sie anfängt zu weinen, und in die Kniee sinket. Sie herzet und küsset ihre Söhne und spricht: Gelobet seist du, Herr Jesus Christus, daß du meine Kinder zu deinem Sacrament hast kommen lassen, daß du endlich meine Bitten erhöret und an ihnen gethan hast, was nun geschehen ist. Sie spricht darauf auch den Bischof an, und danket Gott für seine Ankunft, und bittet, er wolle sich nicht die Zeit lang werden lassen, es werde alles noch gut gehen. Sie nahm sodann die Absolution und Buße von St. Otto an, und ließ alle ihr Gesinde von ihm taufen. Da dieß bekannt wurde, kamen viele Bürger und ließen sich auch taufen.
Obgleich dieses nun aber geschehen war, so hatte man doch große Furcht, wenn Dobislav von seiner Reise zurückkehren werde. Da trug sich aber das Wunder zu, daß ein heidnischer Pfaff in Stettin, der einen harten Zorn auf den Bischof faßte und auf den christlichen Glauben schimpfte, nachdem er auch einmal des Tages wieder viel höhnische Worte gegen die Christen geredet hatte, über Nacht plötzlich todt gefunden wurde, also daß sein Leib aufgeschwollen und geplatzt war. Das war sichtbarlich nur Strafe Gottes, und wer noch nicht getauft war, der ließ sich nun taufen.
Als nun nach solchen Ereignissen Dobislav endlich wieder zu Hause kam, da kehrte auch er von seinem Irrthume zurück, ließ sich absolviren vom Bischofe, empfing Buße von ihm und war ihm fortan in allem behülflich. – Also wurde Stettin bekehrt.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 101-109.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 149. 150.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch-Chron. I. S. 39. 40.
Kanngießer, Pomm. Gesch. S. 623-655.
21. Julins Abfall vom Christenthum.
Bischof Otto zog, nachdem er die Pommern bekehrt hatte, in seine Heimath zurück, daß er um die Ostern 1125 wieder gen Bamberg kam. Nach seiner Abreise geschah es, daß zuerst die Julinschen von dem neuen Glauben wieder abfielen. Dieselben feierten alljährlich im Anfange des Sommers ein Götzenfest, dazu sie ein großes Feuer anmachten; dazu kam alles Volk zusammen, und aß und trank sich voll und trieb allerlei Ungestüm. Dieses Fest wollten sie auch jetzt, nach der Abreise des Bischofs, sich nicht nehmen lassen, obgleich sie getauft waren. Sie kamen deshalb zusammen und schlemmten nach alter Gewohnheit. Wie nun das Volk also toll und voll war, da waren Einige unter ihnen, die hatten noch etliche kleine Götzenbilder aufbewahrt. Diese zeigten sie dem Volke, und sagten, das wären ihre alten, wahren Götter, unter denen sie doch ein gutes Leben gehabt hätten, wogegen man ihnen jetzt alle Freuden verbieten wolle. Darum sollten sie den alten Glauben wieder annehmen, und den fremden abenteuerlichen Christengott fahren lassen. Dasselbige gefiel dem tollen Haufen, und sie warfen das Christenthum weg, lästerten Gott, und trieben den Bischof Adalbert aus, den ihnen St. Otto zurückgelassen hatte, und wurden wieder sammt und sonders Hei den. Aber für diesen Gräul wurden sie alsbald bestraft. Denn urplötzlich schickte unser Herr Gott das höllische Feuer herunter und verbrannte die ganze Stadt bis in den Grund; bloß die beiden geweiheten christlichen Kirchen blieben unversehrt stehen. Da das die Bürger sahen, sind sie in Reue gerathen, haben den Bischof Adalbert zurückgerufen, Buße gethan und das Christenthum wieder angenommen. Aber die Stadt Julin, die bis diesen Tag gewaltig und groß gewesen, ist seitdem zu keinem Gedeihen wieder gekommen, und nicht lange hernach, wie oben erzählt, ganz und gar zerstört worden.
Kantzow, Pomerania, I. S. 114.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 98. 151.
Cramer Gr. Pomm. Kirch. Chron. I. 49.
22. Stettins Abfall von Christenthum.
Des schweren Exempels der Stadt Julin ungeachtet fielen nicht lange hernach auch die Stettiner von dem wahren Glauben wieder ab. Denn als daselbst ein großes Sterben kam, riefen die alten heidnischen Pfaffen unter das Volk, solches Sterben käme nirgends anders her, denn daß sie ihre Götter verlassen und einen neuen Gott angenommen; und so sie sich nicht wieder bekehrten, würden sie Alle sterben und vergehen. Da schrie das Volk, sie wollten ihre alten Götter wieder haben, und sie fielen von dem Glauben ab und stürmten die Sanct Adalberts-Kirche, die ihnen der Bischof Otto hatte bauen lassen, um sie zu zerstören. Das glückte ihnen aber nur, bis sie an das Chor kamen. Da trug sich ein gar merkwürdiges Wunder zu. Denn zu diesem Chore, welches in der Eile nur von Holz war aufgebaut worden, begab sich ein heidnischer Pfaff selbst, mit einer Axt in der Hand und wollte die Ständer umhauen und niederbrechen. Als dieser nun aber die Arme aufhob, so erstarben sie ihm plötzlich und er konnte nichts ausrichten, also daß das Chor stehen blieb. Darüber entsetzten sich die Bürger von Stettin, und sie wußten in ihrer Angst zwischen dem alten und neuen Glauben keinen andern Ausweg, als daß sie neben dem Chor der St. Adalbertskirche einen zweiten Tempel baueten für ihren Götzen Triglaff. So verehrten sie beide, Christum und Triglaff, und das blieb so bis zu St. Ottens Wiederkunft im Jahre 1128.
Kantzow, Pomerania, I. S. 115.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 151.
23. Die Bekehrung von Wolgast.
Im Jahre 1128, also nach vierjähriger Abwesenheit, kam der heilige Bischof Otto von Bamberg zum zweiten Male nach Pommern, um den christlichen Glauben dort, wo er während seiner Abwesenheit zu schwanken angefangen hatte, von Neuem zu befestigen, in anderen Gegenden des Landes aber, wohin er bisher noch nicht gedrungen war, ihn auszubreiten. Der Bischof begab sich zuerst nach Demmin, und von da nach Usedom, wo der Fürst Wartislav einen allgemeinen Landtag der Pommern ausgeschrieben hatte. Auf diesem Landtage wurde berathen, ob der christliche Glaube jetzt für das ganze Pommerland sollte angenommen werden. Viele Grafen und von Adel wollten das nicht. Aber nachdem St. Otto selbst mit ihren heidnischen Pfaffen gar herrlich disputirt hatte, ergaben sie sich Alle darein, das Christenthum anzunehmen.
Darauf zog St. Otto zuerst nach der Stadt Wolgast, die noch im Heidenthum lag, um sie zu bekehren. In dieser Stadt war damals ein heidnischer Pfaff, dem es nicht gefiel, daß die Wolgaster sollten Christen werden. Als daher das Gerücht kam, St. Otto werde von Usedom zunächst nach Wolgast ziehen, begab er sich in der Nacht in einen dichten Busch im Walde Zitz auf dem Lande Usedom, und zog an sein weißes Kirchengewand. Und als früh Morgens ein Bauer vorbei kam, der Holz holen wollte, da rief er ihm zu mit hohler Stimme, er sei Barovit, der Gott der Wolgaster, der ihnen alles gebe, was sie bedürften; nun kämen aber Fremde ins Land, die wollten einen anderen Gott bringen; derohalben sollte er, der Bauer, den Wolgastern sagen, daß sie den neuen Gott nicht annähmen, auch seine Boten nicht in die Stadt nähmen, und wenn sie doch hineinkämen, nicht am Leben ließen; dafür wolle er ihnen in allen Sachen zur Hülfe sein. Damit macht sich der Pfaff eilends davon.
Der arme Bauer war sehr erschrocken, denn er meinte nicht anders, als daß er den Gott selbst gesehen und gehört hätte. Er ging in der Stadt und verkündete den Bürgern, was geschehen war. Die glaubten ihm leichtlich, und als nun der Pfaff, der geschwinde zur Stadt zurück gelaufen war, auch herzukam, und sich stellend, als wisse er von nichts, sich den Vorfall erzählen ließ und darüber ein großes Geschrei erhob, da faßten sie Alle einen großen Eifer, und schworen mit Hand und Mund, wo der Bischof oder Einer seiner Gesellen in die Stadt käme, dem wollten sie straks den Kopf entzwei schlagen.
Unterdeß hatte St. Otto zwei Priester, Namens Ulrich und Albinus, weggeschicket, daß sie vor ihm her nach Wolgast gehen sollten. Die schlichen sich in die Stadt und begaben sich in das Haus des Vogts, der aber verreiset war. Als die Frau des Vogts von ihnen erfuhr, daß sie Christen wären, da erschrak sie sehr, und sagte ihnen, was die Bürger gegen sie beschlossen hätten, und bat sie wieder umzukehren. Das wollten die Priester indessen nicht, weil St. Otto bald kommen werde. Die Frau verbarg sie daher in ihrer Angst oben auf dem Söller. Nicht lange danach kamen die Bürger, welche schon erfahren hatten, daß zwei Christen in des Vogts Haus gegangen wären, und suchten sie, um sie zu erwürgen. Denen sagte aber die Frau, daß die fremden Männer wohl bei ihr gewesen, aber da sie sie nicht hätte herbergen wollen, schon längst wieder aus der Stadt gegangen seien. Also wies sie die Bürger ab, und verbarg die beiden Priester, bis nach einigen Tagen der Bischof Otto mit dem Fürsten Wartislav und großem Gefolge ankam.
St. Otto predigte nun den Wolgastern das Evangelium, weil unter dem Schutze des Fürsten die Heiden ihm nichts anhaben konnten. Doch hatte er anfangs wenigen Erfolg. Da trug es sich eines Tages zu, daß Einer aus seinem Gefolge allein ausging, um die Stadt und die Kirchen zu besehen. Wie der so spatzieren ging und die Bürger das sahen, da liefen sie zusammen und sprachen unter sich: Sehet da, da geht er und erspähet unsere Kirchen, wie sie die abbrechen und niederreißen mögen. Sollen wir das leiden? Also folgten sie drohend dem Christen nach, in eine Kirche, in welche er bereits gegangen war, und umringten ihn und wollten über ihn herfallen. Da gerieth dieser in großen Schrecken, und wie er keine andere Errettung sah, ergriff er in seiner Angst einen Schild, der in der Kirche dicht bei dem Bilde des Götzen Barovit hing. Dieser Schild war groß und schön, und mit goldenen Gurten überzogen; er gehörte dem Gott Barovit, und es durfte ihn Keiner anrühren, außer der oberste Priester des Gottes in der Zeit, wenn es Krieg war. Mit diesem Schilde bedeckte er sich und lief damit nach der Thüre zu. Da solches die Bürger sahen, entsetzten sie sich über den Frevel, daß Einer, und zumal ein Christ, es wagte, den heiligen Schild des Gottes in seine Hand zu nehmen, und sie ließen von ihm ab, aus Furcht, selbst den Schild anzurühren und vermeinend, der Gott werde den Frevler augenblicks erschlagen. Der aber kam, zwar mit großer Angst, aber wohlbehalten zu dem Bischofe zurück.
Ueber Solches fingen die Bürger an, den Glauben an ihre Götter zu verlieren, und sie bekehrten sich zuletzt Alle zu dem christlichen Glauben.
Kantzow, Pomerania, I. S. 117-121.
Cramer Gr. Pomm. Kirch. Chron. I. S. 52-55.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 152.
Kanngießer, Pomm. Gesch. S. 725-732.
24. Stettins Wiederbekehrung.
Als der heilige Bischof Otto zum zweiten Male nach Pommern und zu den abgefallenen Stettinern kam, um sie von Neuem zum reinen Christenthume zu bekehren, da wurde er übel von den Abtrünnigen empfangen, und sein Werk wollte anfangs nicht gelingen. Aber durch Gottes Gnade glückte es doch. Es war nämlich zu damaliger Zeit ein Bürger aus Stettin, Namens Witsak, der auf dem Meere viel geraubt und seine Gesellen erschlagen hatte. Der war daher in Dänemark gefangen und in schweren Ketten in einen Thurm geworfen. Wie er nun da saß, so bereuete er seine Unthaten und flehete den wahren Gott, den er bei der Taufe schon kennen gelernt hatte, um Vergebung seiner Sünden an. Auf einmal erscheint ihm St. Otto im Traume und tröstet ihn und spricht ihm Muth ein um seiner Buße willen, befiehlt ihm auch zugleich, den Stettinern zu sagen, daß Gottes harte Strafe über sie ergehen werde, wo sie sich nicht bald bekehren. Und als er am anderen Morgen erwacht, da sind wunderbarer Weise seine Ketten gelöset, und er steht auf ohne Beschwerde und geht aus seiner Haft heraus ans Meer. Dort sucht er lange hin und her nach einem Schiffe, bis er zuletzt in seiner Angst St. Otten anruft, worauf plötzlich aus der Mitte der See ein Boot auf ihn zu geschwommen kommt. In dasselbe setzt er sich und rudert mit seinen beiden Händen, also daß er durch Gottes sichtbare Hülfe bis nach Stettin gelangt. Hier geht er in die Stadt hinein. Da hörten die Stettiner wieder auf St. Otto, und bekehrten sich abermals und blieben von nun an fromme Christen.
Kantzow, Pomerania, I. S. 125.
Kanngießer Gesch. der Pommern. S. 764.
25. Der Götzen-Baum in Stettin.
Daß die Stettiner nach des heiligen Bischofs Otto Wiederkunft zum christlichen Glauben ganz zurückkehrten, das soll sich auch durch folgende wunderbare Begebenheit zugetragen haben: Nicht weit von dem ehemaligen Tempel des Gottes Triglaff stand oben in der Schuhstraße zu Stettin ein alter, großer Nußbaum, den die Stettiner heilig hielten, weil sie glaubten, der Gott wohne in demselben, und unter dessen Wurzeln eine besonders klare Quelle hervorkam. Als der Bischof die Stettiner zuerst bekehrt hatte, ließ er ihn stehen, weil er meinte, sie würden sich nun, da sie Christen geworden, nicht weiter an ihn kehren. Als er aber jetzt zum zweiten Male nach Stettin kam, und sah, daß ein großer Zulauf zu dem Baume war, so wollte er diesen Baum des Anstoßes aus dem Wege räumen. Er nahm daher eine Axt, um ihn umzuhauen. Da aber das der Mann sah, welcher der Herr des Grundes war, auf dem der Nußbaum stand, ergriff derselbe gleichfalls eine Axt, in der Absicht, dem Bischofe den Kopf zu spalten. Allein Gott der Herr schickte es, daß er den heiligen Mann nicht traf, und daß vielmehr die Axt dergestalt in den Baum selbst hineinfuhr, daß man sie nicht wieder herausziehen konnte. Da erkannten die Umstehenden und Alle den Willen des Allmächtigen Gottes, und sie ließen ab von der abgöttischen Verehrung des Baumes und seines Götzen.
Historische Nachricht von den alten Einwohnern in Pommern, von Christian Zickermann, S. 17.
Pommersche Provinzialblätter, I. S. 449.
26. Die Götzenfliegen zu Gützkow.
Im Jahre 1128 kam der Bischof Otto von Bamberg, als er zur Bekehrung der Pommern ausgezogen war, auch in das Städtlein Gützkow. Dasselbe war damals ein Hauptgötzennest des Pommerlandes, und der fromme Bischof hatte viele Last, das Volk von seiner Abgötterei zum wahren Christenthum zu bekehren. Als ihm dieses endlich gelang, fand er daselbst so viele heidnische Götzenbilder vor, daß mehrere Joch Ochsen vonnöthen waren, um sie aus der Stadt zu schleppen, allwo der Bischof sie verbrennen ließ. Hierbei war es denn wunderbar und zugleich erschrecklich anzusehen, wie auf einmal aus den Götzentempeln und Bildern eine solche große Menge von Fliegen hervorkamen, daß davon die ganze Stadt als von einer schwarzen Wolke bedecket ward. Das Wunderbarste aber war, daß diese Fliegen lange Zeit von der Stadt nicht weichen wollten. Sie entflohen erst, nachdem der Bischof und seine Geistlichkeit mit Weihwasser und Weihrauch ihnen entgegen gezogen waren, und ihnen als bösen Geistern, im Namen des höchsten Gottes geboten hatten, sich davon zu machen. Da sah man sie denn in großen, dunkelen Haufen nach der Insel Rügen, und dort nach der alten Stadt Arkona hin fliegen, wo zu damaliger Zeit der Oberste der Pommerschen Götzen, der gräuelvolle Swantewit, seinen Sitz und seinen Tempel hatte.
A.G.v. Schwarz, Diplomatische Geschichte der Pommersch-Rügischen Städte Schwedischer Hoheit nach ihrem Ursprunge und erster Verfassung. Greifswald (1755). S. 419. 667.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p.
104.
27. Die bestraften Götzenpriester.
Dem zweiten Zuge des heiligen Bischofs Otto in Pommern wollten sich zwei heidnische Priester widersetzen, und sie berathschlagten daher, wie sie ihn in einer eingeschlossenen Gegend in der Nähe der Oder überfallen und ihm das Haupt abschlagen wollten. Sie waren des Erfolges ihres verrätherischen Anschlages so gewiß, daß sie sich rühmten, das Haupt des heiligen Mannes könne ihnen nicht entgehen. Allein in dem Rathe des Himmels war es anders beschlossen, und dasselbe Schicksal, welches sie dem heiligen Manne zugedacht hatten, traf sie selbst. Denn zu derselben Stunde, als der Eine von ihnen ausgesprochen hatte, das Haupt des Bischofs werde noch heute in seinen Händen sein, erschien plötzlich vor ihm der Teufel, zerbrach ihm das Genick und zerschlug ihm den Hirnschädel an der Wand. Der Andere aber wurde von seinen eigenen Anhängern an einem Baume aufgehangen. Als solches die Pommern sahen, da befestigten sie sich von Neuem im christlichen Glauben.
Joh. Bugenhagii Pomerania p.
109.
28. Der Gott Triglaf und das Dorf Triglaf.
Die heidnischen Pommern, absonderlich die zu Julin und Stettin, hatten zum vornehmsten Götzen Triglaf. Derselbe hatte drei Köpfe, zur Anzeigung, daß er das Regiment habe im Himmel, auf Erden und in der Hölle, und hatte vor dem Angesicht eine goldene Decke, zum Zeichen, daß er die Uebelthaten der Menschen nicht sehe. Dieser Götze war von lauterem Golde. In Stettin stand er auf dem mittelsten Berge in der Stadt.
In der Nähe des Gotts Triglaf ward ein Pferd gehalten, welches heilig war und zukünftige Dinge voraus sagte. Es wurde wohl gefüttert, und es durfte Keiner darauf reiten, also daß es das ganze Jahr müßig stand. Ein Priester war bestellt, der nichts weiter zu thun hatte, als seiner zu warten und es zu pflegen. Das Wahrsagen dieses Pferdes geschah aber in folgender Weise: Wenn man bedacht war, auf irgend einen Zug auszugehen, so wurden lange Stangen in der Queere auf die Erde gelegt. Durch dieselben führte der Priester das Pferd am Zügel, dreimal. Blieben nun die Stangen liegen, ohne vom Pferde angestoßen zu werden, so bedeutete das Glück, berührte es sie mit dem rechten Fuße, so war der Ausgang zweifelhaft, berührte es sie aber mit den linken, so war es Unglück.
Dieses Pferd in Stettin war groß, schwarz und feist. St. Otto gebot den bekehrten Stettinern, daß sie es gebrauchen sollten, und sagte, es wäre besser vor dem Wagen als zum Wahrsagen. Aber die Stettinschen wollten es nicht nehmen, denn sie besorgten sich, der Gott Triglaf möchte ihnen darum Schaden zufügen. Deshalb schickte St. Otto es nach Deutschland, und ließ es allda verkaufen. Den Stettinschen Götzen Triglaf schickte St. Otto nach Rom an den Papst, zur Anzeigung der Bekehrung der Pommern.
Den Julinschen Götzen Triglaf dagegen konnte er nicht bekommen. Denn als er die Tempel in Julin niederbrach, da brachten die heidnischen Pfaffen den Götzen weg in ein Dorf bei Greifenberg. Dort verbargen sie ihn bei einer Bäuerin. Die hat ihn in ein Tuch gewunden und in einen starken Block verschlossen, auch nur ein kleines Loch darin gelassen, damit man ihm räuchern könne. St. Otto hat ihn lange vergeblich suchen lassen. Endlich ist zwar Einem aus der Gesellschaft des Bischofs, Namens Hermann, einem verschmitzten Manne, gelungen, ihn zu finden, indem sich derselbe der Landesart nach gekleidet und vorgegeben hat, er habe Schiffbruch gelitten und wolle dem Triglaf opfern. Allein er hat dennoch seiner niemals habhaft werden können. Das Dorf, in welchem die Bäuerin ihn verborgen hielt, hat von der Zeit an den Namen Triglaf erhalten, den es noch jetzt führt.
Für gewiß weiß man nicht, wo der Götze von da zuletzt geblieben ist. Verwunderlich ist es aber, daß die Kirche zu Triglaf von undenklichen Zeiten her ein bedeutendes Vermögen hat, und reicher ist, als irgend eine andere Kirche auf dem Lande. Die Leute sagen daher auch, daß das Götzenbild endlich noch aufgefunden und eingeschmolzen sey, und daß davon der Reichthum der Kirche herrühre.
Kantzow, Pomerania, I. S. 107-111.
Micrälius, Altes Pommerl. I. S. 150.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. I. S. 39-42.
Kanngießer, Pomm. Gesch. S. 665. 666.
Pommersche Provinzialblätter, I. S. 448.
29. Wunderwerke des heiligen Otto.
Der heilige Bischof Otto, als er im Pommerlande zur Bekehrung der Heiden war, hat allda viele und große Wunderwerke verrichtet.
Einstmals, als er zu Julin gerade die Messe las, kam eine arme blinde Frau zu ihm, und bat ihn, daß sie wiederum möchte sehend werden. Als der Bischof solchen Glauben bei ihr fand, da befahl er ihr, sie sollte zur Kirche des heiligen Adalbert selbigen Ortes gehen, und die Glocke ziehen, um dadurch den heiligen Adalbert zu wecken, damit er ihr helfe. Das hat die Frau denn gethan, und wie sie eine Weile an der Glocke gezogen und dabei fleißig gebetet, so ist sie plötzlich durch ein großes Wunder sehend geworden. Als die Julinschen Bürger das erfahren, wollten sie die Heilung des Weibes dem Bischofe zuschreiben. Der verbot ihnen das aber und sprach: Ihr müßt wissen, daß ich kein Wunderthäter bin, sondern ein Sünder. Was Ihr gesehen habet, das ist allein den Verdiensten des heiligen Adalbert zuzuschreiben. Durch Solches wurden die Juliner in ihrem Glauben von Neuem befestigt.
Ein andermal brachte ein Edelmann seinen Sohn, der mondsüchtig war, zu dem Bischofe, und bat diesen, dem Knaben seinen Segen zu ertheilen, auf daß er wieder gesund werde. Er führte auch vier fettgeweidete Ochsen mit sich, die er dem Bischofe zum Geschenk machen wollte. Solches Geschenk schlug der Bischof zwar aus, den Knaben aber segnete er, und wies ihn an, daß er mit seinem Vater in das Gezelt gehe, in welchem die Gebeine der Heiligen aufbewahrt wurden, dort sollten sie beten und Gottes Barmherzigkeit anrufen. Also thaten sie, und der Kranke genesete von Stund' an.
Ein anderer Edelmann, der zuweilen an Verwirrung und Wahnsinn litt, warf sich auf der Stelle nieder, auf welcher der Bischof gestanden hatte, und erhielt augenblicklich seine Gesundheit wieder.
An einem Feiertage, nämlich am Tage des heiligen Laurentius, sah ein Priester im Gefolge des Bischofs, Namens Bocetis oder Bock, als er hinaus auf ein Landgut gegangen war, mehrere Landleute das Korn schneiden. Er redete sie an, belehrte sie, welch ein heiliger Feiertag heute sey, und ermahnte sie, daß sie die Arbeit unterlassen sollten. Allein der Aufseher, der über ihre Arbeit gestellt war, wollte das nicht leiden, und befahl ihnen, sie sollten weiter arbeiten. Da fiel auf einmal ein helles, grausames Feuer vom Himmel, und verzehrte nicht nur die noch stehende Saat, sondern auch die Ernte, die schon geschnitten war.
Derselbe Priester war nicht lange nachher wiederum aufs Land gegangen, wo er einen Mann und eine Frau bei der Kornernte traf. Und weil es an diesem Tage Mariä Himmelfahrt war, so wollte er sie an ihrer Arbeit hindern und er ermahnte sie, der Mutter Gottes die Ehre zu geben. Es war aber gerade an einem Montag. Da antwortete ihm der Bauer: Gestern durften wir nicht arbeiten, weil es Sonntag war, und heute sollen wir abermals nichts thun. Was ist das für eine Lehre, welche uns verbietet, unsere Früchte einzusammeln. Wie er also mitten in seinem Lästern war, und fortfuhr, das Getreide zu mähen, da stürzte er plötzlich todt in die Furche. Die Sichel, mit der er gearbeitet, behielt er in der rechten Hand, und die Saat, so er gerade abgeschnitten, in der linken. Man konnte auch beides nicht eher aus seinen Händen ziehen, als bis die ganze Gemeinde vor dem Geistlichen die Sünde des Mannes anerkannt hatte.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chr. I. 95.
Kanngießer, Gesch. v. Pomm. S. 800-804.
30. St. Otto's Tritte.
In der Schloßkirche zu Stettin zeigte man früher einen alten Stein, und Einige sagen, daß er noch derselbe sey, auf welchem der heilige Bischof Otto gestanden hat, als er zu Stettin die Pommern getauft. In dem Steine sieht man zwei lange Tritte, die sich von den Füßen des heiligen Mannes abgedrückt haben.
Ledeburs Archiv. 8. 213.
31. Der schwarze Hahn des h. Otto.
In dem Dome zu Bamberg zeigt man noch gegenwärtig einen silbernen Arm, in welchem Gebeine des heiligen Vitus eingefaßt sind. An dem Daumen des Armes aber befindet sich ein schwarzer Hahn. Von dessen Bedeutung erzählt man sich Folgendes: Die alten Pommern hielten den Hahn heilig, und verehrten besonders einen schwarzen Hahn. Dieses benutzte der Bischof Otto, als er zur Bekehrung der Pommern auszog. Denn indem er in den silbernen Arm Gebeine des heiligen Vitus einfassen, und an demselben zugleich das Bild des schwarzen Hahnes anbringen ließ, brachte er dadurch zuwege, daß die heidnischen Pommern, weil sie vor dem Hahne niederfielen, zugleich den Reliquien des Heiligen Verehrung erwiesen. Dieses Letztere geschah nun zwar unwissend von ihnen; aber sie wurden dadurch doch der gnadenreichen Einwirkung der heiligen Gebeine theilhaftig, und um desto besser waren sie zu dem wahren Christenthum zu bekehren.
Vgl. Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern, I. S. 230.
32. Die singenden Todtenköpfe.
In der Stadt Stargard in Pommern, welche früher nur ein geringer Flecken war, hat sich einstmals ein gar sonderbares Wunder zugetragen. Die Stargarder, welche damals noch arge Heiden waren, hatten gegen die Christen gestritten, dieselben besieget und viele von ihnen erschlagen. Die Köpfe der Erschlagenen hatten sie mit sich genommen und in ihrem festen Schlosse zum Zeichen des erfochtenen Sieges aufgesteckt. Da trug es sich nun in der heiligen Christnacht des Jahrs 924 auf einmal zu, daß diese sämmtlichen aufgesteckten Christenköpfe mit heller und lauter Stimme angefangen haben zu singen:
Gloria in altissimis Deo!
Und haben auch nicht eher aufgehört, dann bis sie das ganze heilige Lied zu Ende gehabt. Darüber haben die Heiden sich sehr entsetzt und erschrocken. Das Merkwürdigste dabei aber war das, daß gerade 200 Jahre später, nämlich im Jahre 1124, der heilige Bischof Otto in Stargard das Evangelium predigte.
Das Schloß, wo Solches sich zugetragen, hat im Kaholze bei Stargard gelegen, und ist im Jahre 1295 zerstört worden.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. I. S. 29. 30.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 409.
33. Die Heiligung des Meeres.
Zur Zeit des Kaisers Otto des Dritten erhielt Reinberus, ein frommer und gelehrter geistlicher Herr, aus dem Hosgau gebürtig, den Sprengel von Kolberg zum Bisthum. Hier war aber zu damaliger Zeit noch Alles tief im Heidenthum versunken. Als daher Reinber gen Kolberg kam, war sein erstes Geschäft, daß er die heidnischen Götter vertrieb und ihren Dienst vertilgte. Die Tempel derselben zerstörte er mit Feuer. Am meisten zu schaffen machte ihm das Meer. Dasselbe war von einer Menge Unholder bewohnt. Diese wollten lange nicht weichen; da nahm der Bischof zuletzt vier Steine, die tränkte er mit dem heiligen Chrisma und warf sie dann in das Meer hinein. Darauf wichen von Stund' an die heidnischen Geister.
Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern. I. S. 342.
34. Die Corveier Mönche auf Rügen.
Unter dem Kaiser Ludwig dem Deutschen geschah es zuerst, daß die Wenden zum christlichen Glauben bekehrt wurden. Dieser Kaiser forderte viele Mönche und Priester auf, zu ihnen zu ziehen und ihnen das Evangelium zu predigen. So kamen etliche Mönche aus dem Kloster Corvei in Westphalen in das Land zu Rügen, predigten allda, und bekehrten durch die Gnade Gottes die Rügianer zum Christenthume. Sie bauten darauf eine Kirche im Lande, welche sie in die Ehre Sancti Viti weiheten, der ein Patron ihres Klosters zu Corvei war. Denselben gaben sie auch den Rügianern zum Patron.
Die Insel Rügen selbst ließen sie sich von dem Kaiser
1
zum Geschenke machen, und es soll der Schenkungsbrief noch vorhanden sein. Als nun aber nach einiger Zeit die Mönche in ihre Heimath zurückgekehrt waren, und die Vögte, die sie auf der Insel gelassen hatten, anfingen geizig zu werden, und grausam mit den Neubekehrten zu verfahren, da fielen diese von dem christlichen Glauben wieder ab, verjagten die Vögte, und weigerten auch, dem Kloster zu Corvei ferner einen Tribut zu geben. Doch behielten sie den Sanct Vit, wenn auch nicht als einen christlichen Heiligen, so jedoch nun als einen heidnischen Gott, den sie Swantewit nannten, und dem sie einen Tempel zu Arkona erbauten. Nach diesem Swantewit machten sie nachher noch andere, geringere Götter, die sie zu Carenza verehrten.
In solchem Heidenthume verblieben sie, bis sie im Jahre 1168, wie wir gleich erzählen werden, von den Dänen zum Christenthume wieder bekehrt wurden.
Von dem heiligen Vitus soll auch die Rügensche Halbinsel Witkow ihren Namen haben, indem man sie anfangs Vit–ow, d.h. Vits–land geheißen hat.
Alberti Cranzii Wandalia, S. 58.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 41. 42.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p.
65.
Val. ab. Eickstedt, Epitome Annalium Pomeraniae, p.
11.
Cramer, Gr. Pomm. Kirchen-Chron. I. S. 76.
Chr. Schöttgen, Altes und Neues Pommerland, S. 273.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. 3.
Fußnoten
1
Lothar, s. Wigand Geschichte v. Corvei, II. S. 222.
35. Die Fünte bei Schwantow.
Auf der Insel Rügen liegt ein Pfarrdorf Namens Schwantow; es soll seinen Namen haben von dem Götzen Swantewit, der auch hier einen Tempel gehabt hat. Nahe bei diesem Dorfe ist ein Teich, die Fünte geheißen. Von demselben sagt man, daß darin die ersten Christen auf der Insel getauft seien. Dieß soll geschehen sein lange vorher, als der heilige Otto von Bamberg in das Land Pommern kam, nämlich im neunten Jahrhunderte, als fromme Mönche aus dem Kloster Corvei in Westphalen nach Rügen gekommen waren, und die heidnischen Bewohner zum Christenthum bekehrt hatten.
Altes und Neues Rügen, S. 275.
36. Swantewit und Arkona.
Auf der nördlichsten Spitze der Insel Rügen findet man noch jetzt die Spuren der Stadt Arkona, in alten Zeiten die Hauptstadt und Hauptfestung des Landes. Sie lag auf einem steilen Berge unmittelbar am Meere. In dieser Stadt befand sich auch der Tempel und das Bild des ersten Götzen der Rügianer, Swantewit, weshalb sie von dem ganzen Lande besonders heilig gehalten wurde. Der Tempel stand auf einer ganz ebenen Fläche, mitten in der Stadt. Er war sehr zierlich gebaut, und von außen roth angemalt und mit allerlei prachtvollem Schnitzwerk verziert. Er hatte nur Eine Eingangsthür, aber eine doppelte Halle, dergestalt, daß die eine die andere wie ein Ring umschloß. Die äußere dieser Hallen war sowohl an den Seiten wie an ihrer oberen Bedeckung schön mit purpurnen Farben bemalt. Die innere wurde von vier Säulen getragen, zwischen denen Bekleidungen von den herrlichsten Teppichen aufgehangen waren. Beide Hallen hatten ein gemeinsames Dach und gemeinsame Schwibbogen.
In der inneren Halle stand hinter einem Vorhange das Bild des Gottes Swantewit. Es war von ungeheurer Größe und überragte bei weitem alle menschliche Leibesgestalt. Es hatte vier Köpfe auf eben so vielen Hälsen; zwei davon waren vorwärts nach der Brust hin gerichtet, die beiden anderen rückwärts, jedoch nach der Seite hin, so daß Einer links, der Andere rechts sah. Jedes Gesicht hatte einen großen Bart, der ganz wie zerzauset und zerkaut aussah. In der rechten Hand hielt der Gott ein Horn, das mit verschiedenen Metallen ausgelegt war. Dasselbe wurde von dem Priester des Gottes alljährlich mit neuem Meth gefüllt, aus dem er den Segen des neuen Jahres weissagte. Der linke Arm des Götzen war in die Seite gesetzt, und bildete auf diese Weise einen Bogen. Der Gott trug ein Gewand, das bis auf die Schienbeine herabreichte. Mit den Füßen stand er auf einem Gestell, das aber so tief in die Erde hineingelassen oder hineingesunken war, daß man es nicht mehr sehen konnte.
Nahe bei dem Bilde hingen Sattel, Zaum und Schwert des Gottes. Das Schwert war von ungemeiner Größe; Gefäß und Scheide desselben waren von Silber mit feiner eingelegter Arbeit. Außerdem hingen an den Wänden auf purpurnen Decken allerlei Hörner von wilden Thieren umher, so wie die Geschenke von Gold und Silber, welche dem Gotte von nahe und von fern dargebracht wurden.
Die Verehrung dieses Götzen geschah auf folgende Weise: Weil er vorzüglich als der Gott des Sieges und der Fruchtbarkeit angesehen wurde, so versammelte sich das gesammte Volk alljährlich nach der Ernte vor dem Tempel zum Opfern und zum Opferschmause. Der Oberpriester, der gegen die Sitte des Landes Haar und Bart ungeschoren trug, hatte am Tage vorher das innere Heiligthum des Tempels, welches er allein betreten durfte, mit Besen gereinigt. Dabei mußte er sich aber alles Athmens enthalten, und jedesmal, wenn er Athem holen mußte, vor die Thüre laufen, damit der Gott durch menschlichen Hauch nicht befleckt werde. Wenn nun an dem Tage des Festes das Volk versammelt war, dann besah er zuerst das Horn des Gottes, und weissagte aus dessen Inhalte; war nämlich dasselbe noch voll von dem, im vorigen Jahre hineingegossenen Meth, so bedeutete dieß ein bevorstehendes fruchtbares Jahr; fehlte hingegen etwas an dem Meth, so bedeutete das Theurung und Hungersnoth. Nachdem dieß geschehen war, sprengte er den Inhalt des Horns als Opfer vor die Füße des Gottes, füllte es dann mit frischem Meth und flehete zu dem Gotte um Segen für das Land und um Sieg gegen die Feinde. Darauf leerte er dasselbe ohne abzusetzen, füllte es sodann wieder, und stellte es zurück an die Seite des Götzen.
Hierauf nahm er einen Opferkuchen, der rund und so groß war, daß er fast die Größe eines Mannes erreichte; den stellte er zwischen sich und das Volk und fragte das letztere, ob man ihn auch sehen könne. Wenn dieß verneint wurde, so bedeutete das Glück, und er wünschte nun, daß man ihn auch im künftigen Jahre nicht möge sehen können. Nachdem er alsdann die Versammelten noch zu einer standhaften Verehrung des Gottes ermahnt hatte, grüßte er sie, und es ging darauf Alles aus einander zu fröhlichen Gelagen und Schmausereien, mit denen der Tag beschlossen wurde.
Zur Unterhaltung des Dienstes und der Priester des Gottes mußte jeder Mann und jedes Weib im Lande alljährlich ein Geldstück opfern; auch bekam der Gott bei einem jeden Siege den dritten Theil der Beute, indem angenommen wurde, daß er unmittelbar mit in dem Treffen gewesen wäre, und den Sieg hätte erfechten helfen. Weiter hatte er dreihundert Pferde zum alleinigen Eigenthum, also daß Alles, was durch dieselben verdient, oder alle Beute, welche durch dieselben gemacht wurde, ihm zufiel. Auf solche Weise war der Tempel des Gottes mit vielen Reichthümern angefüllt, zu denen die vielen Geschenke hinzukamen, die ihm von allen Seiten gemacht wurden. Selbst fremde Könige bezeugten ihm durch fromme Gaben ihre Ehrfurcht; so hatte ihm Swein, König Haralds Sohn, einen kostbaren Becher geweihet.
Dieser Gott Swantewit hatte auch ein besonderes, ihm geheiligtes Pferd. Dasselbe war groß und schneeweißer Farbe. Es durfte Niemand darauf reiten, oder ihm Mähne oder Schweif berühren, als nur der Oberpriester, der es auch allein fütterte. Auf diesem Rosse zog der Gott zuweilen des Nachts ganz allein gegen die Feinde des Landes und des Glaubens aus, und verfolgte und tödtete sie. Denn gar oft fand man des Morgens das Pferd mit Staub und mit Schweiß bedeckt, so daß es einen weiten Weg mußte gelaufen haben.
Dasselbe Pferd wurde auch zu Weissagungen gebraucht. Denn wenn man gegen den Feind zu Felde ausziehen wollte, so wurden vorher neue Speere oder Stangen in der Queere auf die Erde gelegt, und darüber wurde das Pferd dreimal hingeführt. Schritt es jedesmal mit dem rechten Fuße zuerst vor, und berührte auch die Stangen nicht, so bedeutete dieß einen glücklichen Ausgang des Feldzuges; berührte es sie aber, oder schritt es zuerst mit dem linken Fuße aus, so war dieß ein Zeichen, daß kein guter Ausgang bevorstand. –
Solcher Götzendienst hatte lange auf der Insel Rügen gedauert, und das Bild Swantewits hatte gerade dreihundert und dreißig Jahre in dem Tempel zu Arkona gestanden, als im Jahre 1168 Bild und Dienst zerstört wurden, und an deren Stelle die christliche Religion feste Wurzel auf der Insel faßte.
Die Rügianer hatten nämlich zu damaliger Zeit die Dänische Oberherrschaft, unter der sie lange gestanden, von sich abzuschütteln gesucht. Dafür beschloß der König Waldemar I. von Dänemark, sie zu züchtigen. Er zog deshalb im Winter des Jahres 1167 auf 1168 mit einer überaus großen See- und Heeres-Macht vor Arkona, der Hauptstadt und der Hauptfestung des Landes. Mit sich hatte er genommen seinen geistlichen Feldhauptmann, den Bischof Absalon von Roschild, und den Bischof Swens von Arbuß.
Er belagerte die Festung mit sehr ernstlichen und nachdrücklichen Anstalten. Die Arkoner versäumten sich aber auch ihrer Seits nicht an tüchtigen Gegenvorkehrungen. Die Stadt hatte nämlich von drei Seiten nach der See hin so hohe und steile Ufer zum Schutze, daß es ganz unmöglich war, ihr von daher beizukommen; und nach der vierten, nach der Landseite hin, hatte sie einen eben so hohen und steilen Wall, mit nur einem einzigen Thore darin. Und über diesem Thore befand sich ein starker Thurm, von welchem aus es gegen jeden Angriff zu vertheidigen war. Unter solchen Umständen hielten die Arkoner sich für sicher und unüberwindlich, und da sie auch zudem mit guter und gerüsteter Mannschaft versehen waren, so spotteten sie aller Anstalten der Belagerer.
Diese, nachdem sie schon lange vergebens vor der Festung gelegen hatten, und noch immer keine Weise absehen konnten, wie sie in Stadt zu gelangen vermögten, fingen auch schon nach und nach an, an einem glücklichen Ausgange ihres Unternehmens zu verzweifeln. Da trat auf einmal Einer unter ihnen auf, ein gemeiner Soldat, der weissagte, daß an dem Tage des heiligen Vitus die Feste fallen werde, zur Strafe des Verraths und der Abgötterei der Einwohner, die vor mehreren hundert Jahren den heiligen Vitus verstoßen und statt seiner den Götzen Swantewit angenommen hatten. Dem Soldaten wollte zwar Niemand glauben, zumal da der Tag des heiligen Vitus herankam, ohne daß man irgend etwas sah, woraus man für eine Uebergabe oder Einnahme der Festung hätte schließen können. Aber dennoch geschah es, daß durch eine wunderbare Fügung des Himmels die Prophezeihung wahr wurde.
Es war nämlich in dem Lager der Dänen ein vorwitziger Bube. Dieser hatte eines Tages, gerade an dem Tage des heiligen Vitus, wahrgenommen, daß in der Verschanzung des Thores, durch Abgleiten von Erdschollen, sich eine Vertiefung gebildet hatte, darin sich ein Mensch verbergen konnte. Leichtsinnig und vorwitzig wie er war, stieg er vermittelst einiger Speere, die er stufenweise in den Wall einstieß, in die Vertiefung hinauf, und machte in derselben aus Spielerei ein Feuer an. Da fügte es sich, daß das Feuer den Thurm ergriff, der etwas über das Thor heraus gebaut war, und hervorragte. Anfangs achtete kein Mensch hierauf. Allein auf einmal stand der ganze Thurm in Flammen, so daß selbst das, oben in seinem Gipfel angebrachte Götzenbild von dem Brande ergriffen wurde. Jetzt wurden beide Theile aufmerksam. Die Belagerten schickten sich an, das Feuer zu löschen. Das benutzten die Belagerer, indem sie schleunig an die Festung heranrückten, und anfingen zu stürmen. Dadurch bekamen die Arkoner mit einem dopelten Feinde zu kämpfen, dem sie auf die Dauer nicht widerstehen konnten. Besonders nahm das Feuer auf schreckliche Weise überhand. Die Dänen hatten ihnen schon früher das Wasser abgeschnitten, so daß sie nur Einen einzigen brauchbaren Brunnen in der ganzen Stadt hatten. Es gebrach ihnen daher bald an Wasser zum Löschen, und sie nahmen nun zu der Milch von ihren Kühen ihre Zuflucht, um die Gluth zu stillen. Allein dadurch wurde das Uebel gerade ärger; denn die Milch vermehrte die Flamme, und trieb sie höher, anstatt sie zu vermindern. In solcher Noth baten denn die Arkoner zuletzt um Unterhandlungen; diese wurden ihnen, auf Anrathen des Bischofs Absalon, vom Könige gewährt, und in Folge derselben übergaben sie die Festung, am Tage des heiligen Vitus, wie der Soldat geweissagt hatte.
Gleich am Tage nach dieser Einnahme der Festung befahl der Dänische König, daß das Bild des Götzen Swantewit zerstört werden solle. Den Auftrag dazu gab er dem Bruder des Bischofs Absalon, Namens Esbertus, und einem gewissen Suno, die sich zu dem Tempel begaben. Vor demselben hatte sich, weil der Befehl des Königs bekannt geworden war, eine große Menge Einwohner versammelt. Sie selbst wagten es nicht, dem Befehle sich zu widersetzen; allein sie waren desto fester überzeugt, daß der Gott sich selbst schützen werde, und sie vermeinten daher nicht anders, als er werde sämmtlichen Dänen die Hälse brechen. Die Dänischen Herren jedoch griffen ihr Werk, ohne Furcht, mit frischer Hand an. Sie ließen die Teppiche niederreißen, mit denen der Tempel behangen war; dann gingen sie mit Aexten und Beilen auf den Götzen selbst los. Er wurde unten an den Beinen niedergehauen, so daß er rücklings an die Wand stürzte. Da entsetzten sich die Rügianer, und glaubten, nun werde der Zorn des Gottes auf einmal losbrechen. Aber das geschah zu ihrer Verwunderung nicht. Dagegen trug es sich zu, daß in dem Augenblicke, als das Götzenbild niederfiel, der leibhaftige Teufel in der Gestalt eines scheußlichen Thieres aus dem Bilde herausfuhr und durch die Fenster des Tempels entschwand. Nachdem darauf der Götze ganz umgehauen war, wurde er an Stricken aus der Stadt ins Dänische Lager geschleppt. Dort wurde er in kleine Stücke gehauen, bei welchen die Soldaten ihr Essen kochten. Der Tempel wurde verbrannt.
Als die Rügianer ein solches Ende ihres Götzen gesehen hatten, ließen sie von dem Glauben an ihn ab, und bekehrten sich zum Christenthume. –
Nachher ist die ganze Stadt Arkona zu einer Zeit in das Meer versunken; auf dessen Grunde soll sie noch ruhen, denn wenn es nebeliges Wetter ist, so steigt sie zuweilen unter dem Wasser empor, und man kann sie dann sehen mit ihren Häusern, Wällen und Thürmen. Die Leute in der Gegend sagen dann, daß die alte Stadt
wafele.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 163. II. S. 301.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 161-166. 170-173.
Cramer, Gr. Pomm. Kirchen-Chronica, I. S. 99.
Conr. Sam. Schurzfleisch, Origines Pomeraniae, p.
10.
v. Schwarz, Pommersche Städtegeschichte, S. 627 folg., 653 folg., 666. folg.
Gesterding, Pommersches Magazin, V.S. 48. 49.
Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern, I. S. 554 folg.
Zöllner's Reise durch Pommern und Rügen, S. 316.
37. Die Götter in Carenza.
Außer dem obersten Gotte Swantewit verehrten die Rügianer noch drei andere Götter, welche aber unter jenem standen. Diese hatten ihre Tempel in der Stadt Carenza, die heut zu Tage Garz heißt. Jeder dieser Götter hatte dort seinen besondern Tempel. In dem größeren stand der Gott Rugivit, d.h. Gott der Rügianer. Er war eigentlich der Gott des Krieges. Sein Bild war aus einem ungeheuren Eichbaume verfertigt. Er hatte sieben Köpfe, die mit einem Hute bedeckt waren. Er war von mehr als menschlicher Dicke, und so groß, daß Einer, der sich auf den Zehen und mit einer Axt in der Hand vor ihn stellte, mit der Axt nicht bis an sein Kinn hinauf reichen konnte. Er war häßlich anzusehen, zumal da die Schwalben unter seinem Hute genistet und seit undenklichen Jahren mit ihrem Kothe seine Gesichter beschmiert hatten. An seiner Seite hingen so viele Schwerter, als er Gesichter hatte; das achte hielt er drohend in der Hand.
In dem nächsten Tempel wurde Porevit oder Borevit verehrt, der Gott des Wetters oder des Waldes; er hatte fünf Köpfe und keine Waffen. Zuletzt kam der Gott Porenut, welcher wahrscheinlich der Gott des Donners war; er hatte vier Köpfe und außerdem Ein Gesicht vorn auf der Brust; mit seiner linken Hand berührte er die Stirn, mit der rechten das Kinn dieses letzten Gesichtes.
Alle diese Götter waren große Feinde der Unkeuschheit und des Ehebruchs, und sie bestraften diese Laster auf eine schreckliche Weise, also daß ein Jeder, der sich in Unkeuschheit vergangen hatte, ganz absonderlich gezeichnet und sein Verbrechen sofort zum allgemeinen Spektakel bekannt wurde. (
Si quidem maris in ea urbe cum foeminis concubitum adscitis, canum exemplo coharere solebant. Nec ab ipsis morando divelli poterant. Interdum utrique perticis e diverso appensi, inusisato nexu ridiculum populo spectaculum praebuere.
– sagt
Saxo Grammaticus p.
327.)
Alb. Cranzii Wandalia, S. 164.
v. Schwarz, Pommersche Städte-Geschichte, S. 601. 602.
Barthold, Geschichte v. Rügen und Pommern, I. S. 557. 558.
38. Der Hertha-See.
Auf der Insel Rügen, in dem Theile, welcher Jasmund genannt wird, nicht weit von der Stubbenkammer, findet man noch einzelne Theile, insbesondere den Burgwall der daselbst vor vielen hundert Jahren, schon zur Zeit des Heidenthums gestandenen Herthaburg. In dieser Burg verehrten die heidnischen Rügianer ein Götzenbild, welches sie Hertha nannten, und unter welchem sie sich die Mutter Erde vorstellten. Nicht weit von dieser Herthaburg liegt ein tiefer, schwarzer See, rund von Anhöhen und Waldung eingeschlossen, der Herthasee genannt. In demselben badete sich alljährlich einige Male die Göttin. Sie fuhr dahin in einem Wagen, der mit einem geheimnißvollen Schleier bedeckt war, und von zwei Kühen gezogen wurde. Nur ihr geweiheter Priester durfte sie begleiten. Es wurden zwar auch Sklaven mitgenommen, welche die Zugthiere leiten mußten, aber sie wurden, nachdem sie ihren Dienst verrichtet hatten, alsbald in demselben See ertränkt; denn wessen ungeweihete Augen die Göttin einmal gesehen hatten, der mußte sterben. Darum hat man auch keine nähere Nachrichten über den Dienst der Hertha. An diesem See begeben sich noch jetzt allerlei Schreckgeschichten, von denen Einige zwar meinen, es seien Gaukeleien des Teufels, der sich von den Heiden hier als Göttin Hertha habe verehren lassen, und der deshalb noch immer die Gerechtigkeit auf dem See sich zuschreibe, wovon aber Andere sagen, daß eine alte Königin oder Prinzessin hierher gebannt sey.
Man sieht oft, besonders im hellen Mondscheine, aus dem nahen Walde, da wo die Herthaburg liegt, eine schöne Frau hervorkommen, die sich nach dem See hinbegibt, um sich darin zu baden. Sie ist von vielen Dienerinnen umgeben, die sie zu dem Wasser hinbegleiten. In diesem verschwinden sie alle, und man hört nur das Plätschern darin. Nach einer Weile kommen sie sämmtlich wieder heraus, und man sieht sie in großen, weißen Schleiern zu dem Walde zurückkehren. Für den Wanderer, der dieß sieht, ist dieß alles sehr gefährlich, denn es zieht ihn mit Gewalt nach dem See, in dem die weiße Frau badet, und wenn er einmal das Wasser berührt hat, so ist es um ihn geschehen, das Wasser verschlingt ihn. Man sagt, daß die Frau alle Jahre Einen Menschen in die Fluth verlocken müsse.
Auf diesen See darf auch Niemand einen Kahn oder ein Netz bringen. Es hatten vor Zeiten einmal etliche Leute sich unterstanden, darauf mit einem Kahne zu fahren, den sie des Nachts auf dem Wasser ließen. Als sie aber am anderen Morgen dahin zurückkehrten, war er fort, und sie fanden ihn erst nach langem Suchen oben auf einer Buche am Ufer wieder. Da hatten ihn die Gespenster des Sees über Nacht hinauf gebracht; denn wie die Leute ihn herunter holten, da hörten sie tief unten aus dem See ein Gespött und eine Stimme, die ihnen zurief: Ich und mein Bruder Nickel haben das gethan.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 16.
Berliner Kalender für 1837. S. 198. 199., für 1838, S. 359.
Pommersche Prov. Blätter, I. S. 43.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 71. II. S. 209 bis 216.
39. Claus Hane.
Die Herzöge von Mecklenburg behaupteten von alten Zeiten her Gerechtsame auf das Fürstenthum Rügen zu haben. Um dieselben geltend zu machen, fiel im Jahre 1351 der Herzog Albrecht von Mecklenburg in das Land Bart. Er selbst nahm die Stadt Bart ein, und besetzte sie mit seinen Meklenburgern. Die Stadt Grimmen wurde von Niclas von der Werle eingenommen, und gegen die Stadt Loitz schickte er eine Abtheilung seines Heeres unter seinem Hauptmann Claus Hane. Diesem Claus Hane erging es aber auf seinem Zuge so schlecht, daß er darauf nichts gewann, als ein Spottlied, das man noch jetzt, nach beinahe 500 Jahren, zu Zeiten in Pommern hört. Den Loitzern kam nämlich der Herzog Barnim oder Barnam aus Stettin zu Hülfe, zugleich mit dem jungen Grafen Hans von Gützkow, der denselbigen Tag Hochzeit gefeiert hatte, aber das Hochzeitsfest verließ, um die Feinde aus dem Lande jagen zu helfen, wobei er dann, anstatt des fröhlichen Brautbettes, das kalte Todtenbette unter der Erde fand. Auf dem Schuppendamme vor Loitz trafen nun die Pommern auf Claus Hane und seine Mecklenburger, und setzten hart mit ihm an, schlugen ihn auch dermaßen, daß er fast nichts von seinen Leuten rettete; was davon nicht erschlagen wurde, das wurde gefangen genommen und nach Greifswald und Stralsund gebracht. Darauf wurde dann folgendes Spottlied gemacht, in welchem der Herzog Albrecht von Mecklenburg und Claus Hane, bei der Rückkehr des Letzteren, redend eingeführt werden:
Der Herzog:
Hane, Hane, wol hefft thoreten dinen Kamm?
Hane:
Her, dat hefft gedhon Hertog Barnam;
id is ein klein Mann von Live,
averst ein Held im Kife.
Herzog:
wo hestu denne gelaten unse Lüde?
Hane:
Her, se sind in gudem Beholde,
sind se nicht thom Sunde,
so sind se thom Gripswolde!
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 371. 372.
Val. ab Eickstedt, Epitome Annalium Pomeraniae, p.
72. 79.
A.G. Schwarz, Historia finium Principatus Rugiae, p.
188. 189.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 230.
40. Die Frauen und Jungfrauen in Stolpe.
Zu einer Zeit waren die Herzöge in Pommern in großer Geldnoth, und sie mußten von dem Hochmeister in Preußen eine ansehnliche Summe entlehnen. Dafür ließ der Deutsche Orden sich die Stadt Stolpe zum Pfande verschreiben, mit der Bedingung, daß sie ihm für immer verfallen sein solle, wenn sie nicht binnen Jahr und Tag eingelöst werde. Dieser Termin kam denn nun heran, und die Herzöge konnten nicht bezahlen, und waren in großer Sorge deshalb. Da traten die Stolper zusammen, die bei ihren angestammten Herzögen bleiben und nicht den Deutschen Herren gehören wollten, und brachten freudig Alles dar, was sie an baarem Golde und Silber besaßen. Wie aber das noch nicht ausreichte, da kamen auch die Frauen und Jungfrauen der Stadt Stolpe, und trugen alle ihre Kleinode und ihren Schmuck, und legten dieß zu dem Haufen, daß die Summe voll wurde und die Stadt ausgelöset war. Also wollten die braven Stolper lieber alle arm werden, denn unter einen fremden Herrn gerathen.
Carl Lappe, Pommerbuch, S. 21.
41. Sanct Johann, Sanct Johann.
Um das Jahr 1460 war Bürgermeister in Colberg Einer aus dem Geschlechte von Schlieffen, Namens Peter Schlieff. Der hatte die Gewohnheit, besonders, wenn er angetrunken war, zu Allem, was er sprach, hinzuzusetzen: Sanct Johann, Sanct Johann! weil der heilige Johannes der Täufer Patron des Stifts Cammin war, unter welches Colberg gehörte. Einsmals ließ ihn der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Absichten auf Pommern hatte, zu sich nach Schievelbein kommen, er zeigte sich sehr gnädig gegen ihn, und ließ ihn voll trinken. Danach, als er voll war, redete er mit ihm, daß er gehört hätte, daß Colberg eine hübsche und feste Stadt sei, und daß gute Leute darin wohnten, und daß sie doch böse Gunst bei ihren Herren, dem Bischofe von Cammin und den Herzögen von Pommern hätten; das sei ihm ihrenthalben Leid, und so sie seiner worin bedürften, so sollten sie einen treuen Helfer und gnädigen Herrn an ihm haben. Peter Schlieff merkte wohl, wo solche Worte hinaus sollten, weil er aber kein Verräther an seinem Lande werden wollte, so stellte er sich, als wäre er über den Witz hinaus voll, und sagte: Sanct Johann, Sanct Johann, Herren genug! damit meinend, sie hätten bereits mehr Herren, als sie von Nöthen hätten, und bedürften des Markgrafen nicht noch dazu. Aber der Markgraf ließ nicht von ihm ab, und sagte, wenn sie dann von ihren Herren vergewaltigt würden, so wäre es doch gut, daß sie irgendwo Zuflucht und Trost wüßten. Darauf antwortet Peter Schlieff wiederum wie ein voller Mensch: Sanct Johann, Sanct Johann! Er meinte aber: der sollte ihre Zuflucht und Trost sein. Und was ihm der Markgraf von der Sache mehr sagte, er antwortete immerzu: Sanct Johann, Sanct Johann! Als nun der Markgraf sah, daß er nichts an ihm erholen konnte, sagte er zuletzt: Ja, den Herrn (Sanct Johann meinend), den behaltet nur, der setzt Euch nicht in den Stock! Also schieden sie von einander.
Kantzow, Pomerania, II. S. 111. 112.
Altes und Neues Pommerland, von Christian Schöttgen, S. 438-440.
42. Die verdorrte Linde zu Schildersdorf.
Herzog Otto der Dritte war der letzte Pommersche Herzog aus dem Hause zu Stettin. – Auf seine hinterlassenen Länder machten mehrere Fürsten Ansprüche, unter andern auch der Markgraf von Brandenburg. Dieser hatte deshalb ein geheimes Verständniß mit dem Bürgermeister von Stettin, Albrecht Glinden, welcher ein Märker war, und dem Markgrafen versprach, auf seiner Seite zu halten. Als nun im Jahre 1464 Herzog Otto gestorben war, und er in Gegenwart der ganzen Pommerschen Landschaft, die man zu seinem Begräbnisse beschrieben hatte, begraben wurde, da nahm Albrecht von Glinden den Schild und Helm des Herzogs und warf ihm das nach in das Grab, sprechend: Da liegt unsere Herrschaft von Stettin! um also das Land zu dem Markgrafen zu führen. Aber Einer von den anwesenden Adeligen, Lorentz Eickstedt geheißen, sprang in das Grab hinein, holte Schild und Helm wieder heraus und sagte: Nein, nicht also; wir haben noch erblich geborne Herrschaft, die Herzöge von Pommern und Wolgast; denselben gehört der Schild und Helm! Daraus ist ein großer Zwist entstanden zwischen denjenigen, so gut Märkisch waren, und denjenigen, so Pommerisch geblieben. Die Märkischen aber, als der schwächere Theil, mußten weichen.
Danächst beschloß Albrecht Glinden, die Sache seines Markgrafen, dem er sich ergeben, in einer anderen Weise zu verfechten. Er schrieb deshalb an denselben und bat ihn, daß er etliche von seinen getreuesten Räthen möchte in das Land schicken, daß er alle Sachen mit ihnen beschlösse, welches der Markgraf also gethan. Diese Räthe ließ Glinden auf eine Nacht zu sich auf den Kirchhof zu Schildersdorf bescheiden, wohin er auch die von Garz, Greifenhagen, Pyritz und von anderen Städten entbot, die an der Märkischen Grenze lagen. Es kamen aber nur allein die Garzischen, denn die anderen Städte blieben aus.
Die Erschienenen versammelten sich nun unter einer großen Linde auf dem Kirchhofe, und beschlossen allda, daß der Markgraf das Spiel versuchen, und auf Vierraden und Garz ziehen sollte, denn Vierraden hatten die Stettiner inne auf Schloßglauben. Dieselben Städte sollten sich zum Scheine zur Wehr stellen, aber sich dennoch ergeben; alsdann wollte Albrecht Glinden dem Markgrafen eine Nacht anzeigen, wann er zu Stettin sollte eingelassen werden.
Dieser verrätherische Anschlag mißglückte zwar; aber die Linde auf dem Kirchhofe, unter der er verhandelt war, ist von Stund' an verdorret.
Kantzow, Pomerania, II. S. 122. 123.
Sell, Geschichte des Herzogthums Pommern, II. S.
162.
43. Zacharias Hase.
Zu der Zeit des Herzogs Wartislav X. lebte in Pommern ein Edelmann, Zacharias Hase, oder wie Andere wollen, Heinricus Hase. Der hatte ein überaus festes Schloß, der neue Torgelov geheißen. Derselbe wurde dadurch sehr muthwillig, wie denn Viele zu damaliger Zeit thaten was ihnen gelüstete, denn die Herzöge erzürnten Niemanden gern in jener Zeit. Er empörte sich selbst gegen den Herzog Wartislav, und brachte seine Freunde auf, und am lichten Tage, da der Herzog auf dem Schloß zu Ukermünde lag, fiel er in die Stadt, fand den Rath auf dem Rathhause versammelt und führte sie alle hinweg. Dieß geschah auf Trinitatis im Jahre 1464. Der Herzog gebot ihm zwar, sofort den gefangenen Rath wieder los zu lassen, und drohete ihm, wofern er das nicht thun werde, ihn darum hart zu strafen. Das aber achtete Hase nicht, sondern brandschatzte den Rath auf das höchste und entbot dem Herzoge: das Haus stände bei dem Kathen, womit er meinte, sein Haus sei viel stärker und fester, denn des Herzogs Schloß zu Ukermünde, welches dagegen nur wie ein Kathen zu rechnen wäre. Darauf wurde er auch immer übermüthiger, und gesellte alle Schnapphähne und was nur Böses thun konnte, zu sich, und beraubte die Dörfer umher und erschlug die Kaufleute auf den Straßen.
Da das der Herzog Wartislav vernahm, konnte er den Muthwillen nicht länger erdulden, und er verschrieb die von Stralsund, Greifswald, Anclam, Stettin, Stargard, Demmin und Pasewalk, desgleichen die Seinen vom Adel und zog im Jahre 1465 Dienstags nach Petri und Pauli vor das Schloß Neuentorgelov und belagerte es. Zacharias Hase erwehrte sich zwar hart; aber auf die Länge konnte er doch sein festes Schloß nicht behaupten, und am Sonnabend vor Marien Magdalenen wurde es genommen. Der Herzog hat darin nur vierzehn Mann, drei Knaben und etliche Weiber gefangen; denn Hase selbst mit der übrigen Mannschaft waren durch heimliche Schliche in der Nacht entkommen. Das Schloß ließ der Herzog in den Grund brechen.
Jener Uebermuth des Zacharias Hase war aber nicht die alleinige Ursache, daß sein Schloß zerstört wurde. Denn es war noch ein andrer Groll zwischen ihm und dem Herzoge. Es war nämlich von jeher aus, und absonderlich zu damaliger Zeit eine abscheuliche Gewohnheit im Lande Pommern mit dem Volltrinken, und jemehr Einer das hat pflegen können, desto angenehmer ist er bei den Leuten gewesen. Daher kamen mancherlei Arten und Bußen des Volltrinkens auf, als
ein Kleeblättlein,
das sind drei Gläser, ein jegliches in Einem Trunke;
will Einer denn
ein Stengelein
dazu thun, das ist das vierte Glas;
den Fuchs schleifen,
das ist: wenn man eine große Kanne nimmt, und umher trinket, so muß der Letzte, wenn auch die Vorigen wenig daraus getrunken, das andere gar austrinken, und dann einen frischen Trunk wieder erheben; alsdann bekommt sein Nachbar wieder das letzte, und so geht es die ganze Reihe durch;
die Parlenke trinken,
das ist: Einem eine große Schale zutrinken, und wann sie beinahe aus ist, das Uebrige dem Andern in die Augen gießen und ihm die Schale an den Kopf werfen, worüber sich keiner erzürnen darf;
Einen zu Wasser reiten,
das ist: man setzt von fern eine Schale mit Trinken, so muß derjenige, der trinken soll, auf Hände und Kniee sich niederlegen, und der, welcher ihm zugetrunken hat, setzt sich ihm auf den Rücken, den muß er tragen, und hinkriechen bis zu der Schale; diese muß er so niedergekniet austrinken, und der Andere bleibt auf ihm sitzen, wie auf einem Pferde, das zu Wasser reitet.
Item zu trinken
Kurle Murlepuff, eine blanke Hose, ein Schlänglein,
und der Unart soviel, daß es eine Schande ist.
Aus einer solchen großen Schale hatte nun einmal Zacharias Hase dem Herzog Wartislav, als dieser jung war und aus Vorwitz der Jugend sich mit ihm in eine Zeche gemengt hatte, zugetrunken, daß er zu Wasser reiten mußte; und als sie an die Schale kamen, da speiete Hase in die Schale hinein, aus welcher der Herzog trinken mußte. Das hat ihm dieser Zeit seines Lebens nicht vergeben können, und darum war er gern dabei, ihm sein Schloß zu zerstören.
Th. Kantzow, Pomerania, II. S. 125-129.
44. Der Seeräuber Eseborn.
Zu den Zeiten des Herzogs Wartislav X. von Pommern lebte ein Seeräuber, Namens Eseborn, von Barth gebürtig. Derselbe war einmal auf den Zingst getreten und hatte den Bauern und auch aus des Herzogs Ackerhofe Ochsen und Speck gestohlen und das auf sein Schiff gebracht, damit er es verspeisete. Der Herzog aber war ein großer Beschirmer des Rechts und seiner Unterthanen, und er pflegte zu den Bauern zu sagen: sie sollten ihre Pferde und Kühe nur vor den Wölfen hüten, vor den Dieben wolle er sie schon beschirmen. Darum hat er solchen Raub dem Eseborn wohl sieben Jahre lang nachgetragen. Denn wie Eseborn nach dieser Zeit meinte, es wäre vergessen, und wieder zu Lande kam, begegnete ihm einst der Herzog Wartislav bei Pruchten. Der sprach ihn an und sagte: Eseborn, finden wir uns hier? Warum hast du mir und meinen Leuten die Ochsen und das Speck genommen? Darüber erschrak Eseborn sehr, und er antwortete: Gnädiger Herr, es war damals Fehde. Der Herzog aber antwortete ihm: Es ist noch nicht großer Friede zwischen uns; darum müssen wir davon reden. Du mußt es mit dem Kragen bezahlen. Da sagte Eseborn! Das hoffe ich nicht; ich habe viele Freundschaft, die das wohl rächen könnten. Der Herzog aber hatte einen Hundestrick im Ermel, den zieht er hervor, und macht eine Schleife darin und sagt: Kiek my in dat Loch! mit deiner Freundschaft werde ich mich schon vertragen. Also that er ihm das Seil um den Hals und ließ ihn auf einen Klepper setzen und das Seil an einen Baum knüpfen; alsdann ließ er den Klepper mit der Peitsche hauen, daß er unter ihm weglaufen mußte, und ist Eseborn am Baume todt hängen geblieben.
Kantzow, Pomerania, II. S. 180. 181.
Nicolaus v. Klempzen, vom Pommerlande, S. 117. 118.
45. Herzog Bogislav X. und der Hofnarr.
Nachdem der Herzog Erich im Jahre 1474, und bald darauf auch sein ältester Sohn Wartislav gestorben war, da dachte seine herzogliche Wittwe Sophia, das Regiment ganz an sich zu reißen, und sie scheute sich nicht, zu dem Ende ihre beiden noch lebenden Söhne, Casimir und Bogislav, durch Gift aus dem Wege räumen zu wollen. Mit dem Herzog Casimir glückte ihr das, und er starb plötzlich, wie alle Leute sagen, an Gift. Der Herzog Bogislav aber wurde auf seltsame Weise errettet. Denn als ihn eines Tages die Herzogin zu sich auf das Schloß hatte fordern lassen, war sie sehr freundlich gegen ihn, und gab ihm ein Butterbrod. Das war der junge Herzog nicht gewohnt, indem seine Mutter sich sonst wenig um ihn bekümmerte, und ihn herum laufen ließ, daß ihm die Bürgersleute in Rügenwalde zu essen geben mußten. Er dachte aber doch nichts Arges und wollte anfangen zu essen. Da nahete sich ihm der Narr der Herzogin, und sprach ihm heimlich: Bogislav, friß nicht, gib es dem Hunde, es ist unrein! Darüber wurde der Herzog aufmerksam, und er stellte sich, als wollte er essen, ging aber hinaus, und warf das Butterbrod dem Hunde vor, der es auffraß und den anderen Tag daran starb. – Herzog Bogislav schöpfte von nun an einen großen Argwohn gegen seine Mutter und hat nichts wieder von ihr angenommen.
Kantzow, Pomerania, II. S. 160.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 295.
46. Bogislav X. und Hans Lange.
Der Herzog Erich von Pommern starb im Jahre 1474, vor Gram und Sorge, auf dem Schlosse zu Wolgast, und wurde begraben im Kloster Eldena bei Greifswald. Er hinterließ sein Gemahl Sophia mit acht Kindern, nämlich fünf Töchtern und drei Söhnen, unter den letzteren als jüngsten den Herzog Bogislav, der nachher der Zehnte genannt wurde. Dieser Herzog Bogislav ist der berühmteste Herzog der Pommern geworden, und er hat so viel Großes und Gutes gethan, daß er noch jetzt bei Jedermann im rühmlichsten Andenken ist. In seiner Jugend aber hat es ihm schlecht und traurig ergangen und ohne den guten Hans Lange wäre er wohl nicht ein so großer und berühmter Herr geworden.
Herzog Erich hatte nämlich mit seinem Gemahl in unversöhnlichem Unfrieden gelebt, weil sie sich nicht betrug, wie es einer fürstlichen Frau geziemt. Er hatte sie daher, getrennt von ihm, nach Rügenwalde geschickt, wo sie mit ihrem Buhlen, dem Hofmeister Hans Massow, eine fürstliche Hofhaltung hatte. Sie hatte auch ihre beiden jüngsten Prinzen Casimir und Bogislav bei sich, allein sie kümmerte sich um dieselben nicht, und sie war ihnen sogar todfeind um ihres Vaters des Herzogs willen. Sie ließ sie mit den Bürgerkindern in die Schule zu Rügenwalde gehen und gab ihnen nicht einmal die nothdürftigste Kleidung, also daß die armen Herrlein gleich den ärmsten Schülern mit zerrissenen Kleidern gingen, und die Zehen ihnen aus den Schuhen hervorsahen, und Jedermann nicht anders vermeinte, als daß sie es gern gesehen hätte, wenn sie gar umgekommen wären.
Es wohnte zu damaliger Zeit nicht weit von Rügenwalde in dem Dorfe Lantzke oder Lanzig ein Bauer, Hans Lange genannt, seiner Art nach verständig und ziemlichen Vermögens. Derselbe kam oft nach Rügenwalde in die Stadt, und wie er die jungen Herzöge so zerlumpt und oft hungrig sah, erbarmte es ihn, und er bekam insbesondere eine Lust zu dem Herzoge Bogislav, als dem schönsten und freudigsten. Er sagte deshalb einst auf sein Pommersch zu ihm: Herzog Bogislav, wie gehst du so daher, als wenn du nirgends zu Hause gehörtest! Willst du denn gar nicht wissen, daß du ein Fürst bist? Will dir deine Mutter nichts geben, weil du solche schlechte Kleider und Schuhe hast? Dem antwortete Herzog Bogislav stolz: Was ihm daran liege? wenn er, der Herzog nichts habe, so werde er, der Bauer, ihm nichts geben! Da sagte aber der Bauer: Ja, Bogislav, mir liegt daran. Du solltest mein Herr sein; wenn du dann Keinen mehr hättest, denn wollte ich dir des Jahrs wohl Kleider geben. Laß dir das nicht so spöttisch sein, daß ein Bauer mit dir redet; vielleicht kann ich dir etwas sagen, was dein Schade nicht sein wird. Fragte Herzog Bogislav, was er denn sagen könnte? und antwortete der Bauer: wie, wenn ich dein Bauer wäre, und gäbe dir alle Jahre meine Zinsen, daß du dir dafür Kleider kaufen könntest, würde dir das nicht gefallen? Da sagte Herzog Bogislav! Ja, aber wie könnte das geschehen? Und sagte der Bauer: Gehe hin zu deiner Frau Mutter, und bitte sie, daß sie dir Hans Lange zu Lantzke zu deinem Bauern übergibt, daß er dir seine Pacht und Zinsen gebe, damit du dir Nothdurft davon kaufen mögest. Das gefiel dem Herzog Bogislav zwar wohl, aber er getraute sich nicht, von seiner Mutter es zu erhalten. Der Bauer rieth ihm jedoch: er solle nur Hans Massow, den Hofmeister, darum bitten, der könne es ihm wohl verschaffen. Das that der Herzog, und Hans Massow verschaffte ihm von der Herzogin Hans Langen für seinen Bauer.
Deß freute sich der Bauer und er ging alsbald mit dem jungen Herzoge zu einem Gewandschneider, und nahm ihm lundisch Tuch aus zu Rock und Hosen, und kaufte ihm Parchend zu einem Wamms und ein Paar neue Schuhe, und kleidete ihn neu von unten bis oben. Das gefiel dem Herzog Bogislav wohl, er hielt seine neue Kleidung wie ein goldenes Stück, und begann nun auch, von sich etwas mehr zu halten, so daß der Bauer und Jedermann Lust daran hatte, und jener oft zur Stadt kam, und sah, wie es ihm ginge und wie er sich hielte.
Unterdeß war Herzog Erich zu Wolgast gestorben, und bald hernach auch sein ältester Sohn, Herzog Wartislav; und nicht lange darauf starb auch der zweite Sohn, Herzog Casimir, wie man erzählt, an Gift, das ihm seine eigne Mutter gegeben. Da gedachte die Herzogin Sophia, das Regiment für sich zu behalten, als Vormünderin des Herzogs Bogislav.
Nun aber kam Hans Lange zur Stadt und sprach den jungen Herzog, und rieth ihm, seiner Mutter zu entfliehen, und zu seinem Oheim dem Herzog Wartislav zu ziehen, der ihm rathen werde, wie er sein Land und Regiment erhalte. Er gab ihm auch ein Schwert, ein Pferd, Stiefel und Sporn, und was dazu gehört, und ließ ihn heimlich davon reiten. So ritt der Herzog nach Vorpommern, und der Adel allda gesellte sich zu ihm, daß er in kurzen Tagen über dreihundert Pferde bei sich hatte. Damit ritt er zu seinem Oheim Wartislav, der ihm rieth, straks nach Rügenwalde zu reiten, und seiner Mutter das Regiment zu nehmen, und sie dann zu verwahren bis auf weiteren Bescheid. Wie der junge Herzog also gen Rügenwalde ritt, da versammelten sich unterwegs immer mehr Menschen um ihn, sich freuend, daß er der Mutter Beschwerung gebrochen, und wo er zum Adel oder in Städte oder Klöster kam, empfingen sie ihn mit solcher Freude, daß sie nicht wußten, wie viele Ehre und Liebe sie ihm erzeigen sollten.
Als aber solches seine Mutter erfuhr, da wartete sie nicht, bis er käme, sondern sie hat alle ihre Schätze und Kleinodien genommen und ist mit Hans Massow, ihrem Hofmeister, nach Danzig geflohen, wo sie in etlichen Jahren Alles verbracht hatte.
Herzog Bogislav übernahm darauf das Regiment. Seiner Mutter schickte er nicht nach, um ihr bei Fremden keinen Schimpf zu machen.
Hans Langen, dem Bauern, aber bewies er viele Ehre, und er versprach ihm zu geben, was er begehrte. Der wollte indeß nichts nehmen, und bat nur, daß er Zeit seines Lebens frei sein möchte von aller Unpflicht. Das hat ihm Herzog Bogislav gern gewährt, und er bot ihm auch ein Gleiches an für seine Erben. Doch Hans Lange hat dieses Letztere nicht angenommen, sondern gesagt: seine Kinder sollten Bauern bleiben; wenn sie sich wohl schickten, so könnten sie keinen besseren Stand haben.
Kantzow, Pomerania, II. S 153-162.
Micrälius, Altes Pommerland I. S. 295. 296.
Berliner Kalender für 1838, S. 11-14.
47. Herzog Bogislav X. und die Türken.
Als Herzog Bogislav zu einer Zeit allenthalben im Lande Frieden hatte, nahm er sich vor, daß er Jerusalem und das heilige Grab sehen wollte. Sein Gemahl wehrte dasselbe zwar mit allem Fleiß, und bat ihn herzlich, daß er sie und seine kleinen Kinder nicht wolle verlassen. Auch seine Räthe und ganze Landschaft riethen ihm davon ab, und baten ihn sonderlich, so er denn ja des Sinnes wäre, in das heilige Land zu ziehen, so möge er noch warten, bis daß seine jungen Herrlein etwas erwachsen seien. Aber das half Alles nichts: er hatte einmal das Gemüthe, daß er die Reise unternehmen mußte. Da sie denn nun das gesehen, daß er sich nicht wollte bereden lassen, ließen sie es geschehen, und bewilligten ihm auch eine stattliche Hülfe, indem sowohl die Geistlichkeit, die Grafen und die Herren von Adel, als auch die Städte von ihren Landgütern, das halbe Einkommen von einem Jahr, und außerdem die Städte von ihren Häusern und anderen Gütern noch eine besondere Schatzung ihm gaben. Solches Geld wurde auf zwei Jahre eingenommen, und durch die Rentemeister in Gold verwechselt, damit es leichter zu transportiren wäre.
Darauf zog nun der Herzog Bogislav im Jahre 1496 auf den Tag Luciä von Stettin aus, durch die Mark über Nürnberg nach Venedig, wo er sich bis Pfingsten des anderen Jahres aufhielt, und dann zu Schiffe nach dem heiligen Lande absegelte.
Auf dem Meere begegnete ihm und den Seinen ein seltsames Abenteuer. Eines Tages nämlich sahen sie von ferne, daß unter des Türken Lande wohl an neun Schiffe sich erhoben, darunter zwei gar große, zwei Galeeren und fünf kleinere, darin zusammen wohl bei zweitausend Türken waren. Dieselben setzten am Freitage nach Petri und Pauli gerade auf des Herzogs Schiff an, und fragte den Patron, was für Leute im Schiffe wären. Denen antwortete der Patron, die Galeere seie von Venedig und fahre Pilgrimme, die nach dem heiligen Lande wollten, zeigte ihnen auch seinen Brief und bat sie, ihn sicher ziehen zu lassen. Das waren die Türken aber nicht Willens, denn sie waren keine rechte Kriegsleute, sondern Meerräuber; sie drängten daher nach der Galerre, und beringten sie um und um und warfen Leitern und Ankerhaken an, und wollten die Galeere ersteigen.
Als das Herzog Bogislav und die Seinen sahen, griffen sie zur Wehre, und es schrie Einer den Andern an, daß sie sich nicht ergeben sollten. Weil sie aber gar keine andere Waffen hatten denn Schwerter und Spieße, so nahmen sie ihre Matratzen und Koller und banden sie gegen das feindliche Geschütz um den Kopf, die Töpfe und Kessel gebrauchten sie als Pickelhauben, und die Hauptbretter von den Betten als Schilde. Nur der Herzog Bogislav allein hatte einen ordentlichen Schild. Also wehrten sie sich mannhaft gegen die Türken, daß diese nicht in das Christenschiff gelangen konnten, und der Kampf wurde so wüthend, daß der Herzog in Kurzem in seinem Schilde vierzehn Pfeile stecken hatte.
Unter den Räubern war aber ein großer, starker Türke; derselbe machte sich vor Anderen an den Herzog Bogislav, weil auch dieser ein gewaltiger, großer Mann war, und setzte ihm mit aller Macht zu. Der Herzog verwundete ihn indeß mehrmalen und stieß ihn zuletzt ins Wasser. Der Türke war jedoch ohne Zweifel ein Erzmeerräuber, denn er wußte geschickt zu schwimmen und zu klimmen, und war bald wieder auf der Galeere und auf den Herzog eingedrungen. Der theure Held Bogislav war gerade auch von Anderen beringet und hatte große Noth; daher er denn so heftig um sich schlug, daß auf einmal sein Schwert entzwei ging, und er nun ohne alle Wehre war. Da drangen die Türken und in sonderheit jener große, mit neuer Macht gegen ihn an und wären ihm überhand geworden; aber es sprangen ihm schnell zur Hülfe Herr Christoph Polinski, Herr Peter Podewils, und des Herzogs Kammerknecht, Valtin von Nürnberg. Die empfingen die Streiche für den Herzog, also daß der brave Edelmann Christoph Polinski erschlagen wurde, und Herr Peter Podewils einen Pfeil unter dem linken Auge in den Kinnbacken geschossen bekam; Valtin von Nürnberg aber erhielt so viele Schläge und Schüsse, daß er für todt niederfiel.
Unterdeß war Herzog Bogislav behende gewesen, und hatte in Ermangelung eines Schwertes einen Bratspieß genommen, an dem noch Hühner aufsteckten, die man gerade braten wollen. Mit demselben lief er den Seinen wieder zu Hülfe, und wie er seine Getreuesten erschlagen sah, da ergrimmte er in seinem Gemüthe, und er wollte sie rächen oder auch sterben, und er stach zuerst den großen Türken durch und durch, daß er ins Wasser fiel, und schlug und stach dann unter die Andern so feindlich, daß er sie über Bord zurück schlug. Darüber bekamen seine übrigen Gefährten wieder neuen Muth, und setzten desto heftiger gegen die Türken und trieben sie Alle wieder aus der Galeere.
Auf einmal fingen, jetzt die Türken an, Feuer in die Segel zu schießen, und in die Galeere Feuerbälle zu werfen, also daß diese an allen Seiten brannte, und während nun die Christen genug zu thun hatten, das Feuer mit Wasser und mit Wein zu löschen, setzten die Heiden von Neuem mit Schießen und Schlagen ungeheuerlich gegen sie an. Solcher Uebermacht konnten die Christen zuletzt nicht mehr widerstehen, und sie sahen nichts anders mehr vor sich, denn daß sie Alle sterben müßten. In dieser Noth riefen sie laut den Himmel an, daß er ihnen helfen möge gegen das fressende Feuer und den grimmigen Feind. Und wie sie so beteten, da ließ überplötzlich der Oberste der Türken in seinem Schiffe abblasen und die Seinen vom Streite zurück fordern, und zogen Alle eilig von dannen, und ließen die Christen ohne alle fernere Anfechtung.
Was die Ursache gewesen, daß die Türken so plötzlich sich zurückgezogen, das hat man niemals erfahren können, obgleich Etliche sagen, indem die Türken das Feuer in die Galeere geworfen, habe der Türken Oberster Christum und Mahomet oben im Schiffkorb gesehen, und wie Christus den Mahomet hart gegeißelt, worauf dieser dem Obersten befohlen, daß er von Stund' an den Christen Frieden lasse. Dem sey nun so oder nicht; aber gewiß ist, daß Alle erkannten, wie sie nur durch ein Wunder errettet wären.
Kantzow, Pomerania, II. S. 223-239.
48. Herzog Bogislavs X. Rückkehr aus dem heiligen Lande.
Am Mittwochen nach Palmarum des Jahres 1498 kam der Herzog Bogislav von seiner Pilgerfahrt nach dem heiligen Lande in sein theures Land Pommern zurück. Er brachte die erste Nacht in der Stadt Garz zu und des folgenden Tages kam er zu Stettin an. In der Nacht vorher nun trug sich ein seltsames Wunder im Schlosse zu Stettin zu, desgleichen man kaum gehört haben mag. Denn alle Pferde des Herzogs, so bis dahin frisch und gesund gewesen, sind in derselbigen Nacht sammt und sonders auf der Streu gestorben, daß man keine Ursache hat erfahren können. Darüber geriethen die Herzogin und das ganze Hofgesinde in große Bekümmerniß, und sie stellten sich vor, daß das Schlimmste ihrem Herrn möge begegnet sein.
Desto größer war aber die Freude, als der Herzog wohlbehalten zurückkam. Sein Gemahl und seine Kinder empfingen ihn mit solchem freudigen Herzen, daß es gar nicht kann beschrieben werden. Die Fürstin bestarb in seinen Armen und konnte in langer Weile nicht wieder zu sich kommen, daß sie gewußt hätte, wie ihr wäre; und die jungen Herrlein sind um ihn her gelaufen, und haben ihn, der Eine hier, der Andere da, bei den Kleidern gezogen und gesprungen und gerufen: Vater, Vater! und es ist eine unaussprechlich große Freude gewesen am ganzen Hofe und in der ganzen Stadt.
Aber des anderen Tages, als der Herzog erfuhr, wie seinen Pferden geschehen wäre, und als er sie alle noch auf der Streu todt liegen sah, da erschrak er hart, und konnte sich nicht genugsam verwundern, wie das zugegangen. Insbesondere grämte er sich um seinen Leibhengst, den er dem Kaiser zu schenken versprochen hatte. Dieses herrliche Thier war von Gestalt und Farbe fast wie ein wildes Pferd; der Kopf war rund und klein, es hatte kleine, spitze Ohren, und die Augen brannten ihm im Kopfe wie Feuer; dabei war der Hengst so überaus hoch, daß es dem Herzog, obwohl er ein großer Mann war, sauer ward, darauf zu kommen; wenn er aber darauf saß, so ragte er vor den Andern empor, wie eine Kirche in einer Stadt vor den anderen Häusern, und der Hengst schnaubte, prustete und stolzirte von der einen Seite zur andern, und machte Sprünge, daß es Jedermann wunderte. Wenn ihn der Herzog mit seinen Sporen stach, so war er wie ein Blitz auf seinem Gegenmann, und schlug und biß und trat, daß kein Reuter und Pferd, so stark sie auch wären, ihn bestehen konnte. Wegen solcher Eigenschaften hatte der Kaiser sich dieses Roß von dem Herzoge erbeten, und nun konnte der Herzog den Gesandten des Kaisers, die es abholen sollten, das schöne Thier nur todt im Stalle zeigen.
Was das Wunder bedeutet, das hat man niemals erfahren können.
Kantzow, Pomerania, II. S. 261. 262. 266. 267.
v. Klempzen, vom Pommerlande, S. 176. 177.
49. Jürgen Krokow.
An dem Hofe des Herzogs Bogislav X. war ein Edelmann, mit Namen Jürgen Krokow. Derselbe ist so stark gewesen, daß er ein Hufeisen hat mitten können entzwei reißen. Drei Tonnen Bier hat er zu gleicher Zeit können aus einem tiefen Keller tragen, zwei ganze hat er mit seinen Händen bei den Spunden gefaßt, und zwei halbe hat er unter die Arme genommen, und ist also damit fortgegangen. Solches hat er oft geübt, zu Stettin, zu Wolgast, zu Schwerin und an anderen Fürstenhöfen. Nach Stettin kam auch einmal ein berühmter Ringer, der bat sich aus, mit Jedermann zu ringen um ein Kleinod. Da hat sich Krokow erboten, mit ihm zu ringen, doch daß es ohne Betrug zuginge. Der Fremde nahm das an, und sie rangen mit einander auf dem Hofe zu Stettin, da Herzog Bogislav mit dem Frauenzimmer und dem ganzen Hofgesinde zusahen. Der Ringer aber fing an, sich vor Krokow zu fürchten, und er gedachte, gegen die Abrede ein Stück zu gebrauchen; er stieß ihn also, wo er nicht sollte, und fällte ihn, wovon Krokow sehr krank wurde. Darauf baten die anderen Edelleute den Herzog, daß er den Ringer nicht solle entkommen lassen, bis man ersehen, wie es dem Krokow ergehen werde. Also ließ ihn der Herzog bestricken. Als nun nachher Krokow wie der gesund geworden war, da bat er den Herzog, daß er den Ringer losgebe auf den Bescheid, daß derselbe von Neuem mit ihm ringe ohne Betrug. Das that Herzog Bogislav, und die Beiden rangen noch einmal mit einander. Da faßte Krokow mit seiner starken Faust den Ringer, bevor dieser seine Tücke wieder gebrauchen konnte, und hob ihn auf wie ein Kind, stieß ihn nieder und zerknirschte ihn, und warf ihn dann zur Erde, daß er für todt liegen blieb und in sechs Wochen nicht wieder gesund wurde.
Hernach zog Jürgen Krokow mit den Polen in den Krieg gegen die Moskowiter. Da waren einmal in einer Schlacht drei oder vier seiner Gesellen von mehr denn funfzig Moskowitern umringt. Als Krokow dieses sah, schlug er sich zu ihnen durch und errettete sie. Aber er selbst, nachdem er also ritterlich gefochten, wurde von der Uebermacht erschlagen, nachdem er noch im Sterben zehn derselben erwürgt hatte.
Dieser Krokow hatte keine ordentlichen Zähne, wie andere Leute, sondern die obere wie die untere Zahnreihe bestand jede nur aus einem einzigen Knochen, was auch in seiner Familie lange erblich gewesen sein soll.
Kantzow, Pomerania, II. S. 279-281.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 331.
50. Herzog Philipps Trauring.
Im Jahre 1536 ließ Herzog Philipp I. von Pommern sich Fräulein Maria, Tochter des Herzogs Johann von Sachsen, ehelich beilegen. Die Trauung geschah zu Torgau, und zwar durch den theuren Mann Doctor Martin Luther. Dabei trug es sich zu, daß bei der Umwechselung der Trauringe einer von diesen dem Doctor aus der Hand glitt und auf die Erde fiel. Darüber bewegte er sich und sah eine ganze Weile still vor sich hin, dann sprach er mit lauter Stimme die Worte: Teufel, es gehet dich nichts an! – Etliche meinen, es habe hierdurch angedeutet werden sollen, daß die Ehe des Herzogs mehrere Jahre lang ohne Erben war.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 350.
51. Die Oderburg bei Stettin.
In dem Jahre 1573 verstarb der Herzog Barnim IX. auf der Oderburg vor Stettin. Er war 72 Jahre alt geworden und hatte 50 Jahre lang das Land regiert; er war ein so milder und gottseliger Herr gewesen, daß man ihn den Vater des Vaterlandes nennen sollte. Die Oderburg, in welcher er verstarb, hatte er auf das zierlichste und festeste erbauen lassen, also daß man nachher, wie die Stadt zur Festung eingerichtet wurde, mehrere Jahre nöthig hatte, bevor man sie ganz niederreißen konnte. Bei seinem Tode geschah das seltsame Wunder, daß in der Nacht, da er starb, die vielen goldene Wetterhähne und Knöpfe, mit denen die Burg verzieret war, alle zusammen urplötzlich ganz schwarz geworden waren, und doch war in der Nacht weder ein Gewitter noch sonst Regen gewesen. Es war nicht anders, als ob das Gebäude, das dem Herzoge sein Entstehen verdankte, also seine Trauer über das Abscheiden seines Herrn hätte anzeigen wollen.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 369.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. III. S. 192.
52. Das Aussterben der Herzöge von Pommern.
Seit dem Tode des Herzogs Barnim IX. hat das Pommerland unter seinen angestammten Herzögen wenig gute Sterne mehr gehabt, und es ist insonderheit merkwürdig gewesen, daß kein Herzog nach ihm, der zu Stettin regieret, im Stettinschen Lande mit einem Erben, sei es männlichen oder weiblichen Geschlechts, gesegnet gewesen, bis denn zuletzt der ganze Stamm ausgestorben. Solches ist auch durch vielfache Wunderzeichen zum öftern dem Lande angedeutet worden. Was sich bei dem Tode des Herzogs Barnim IX. selbst auf der Oderburg begeben, haben wir schon erzählet. Außerdem sind noch folgende Begebenheiten gar merkwürdig:
Als im Jahre 1603 Herzog Barnim XII. gestorben war, da begab es sich bei seinem Leichenbegängnisse zu Stettin, daß in dem Augenblicke, als die Leiche erhoben wurde, sich auf einmal ein heftiges Gewitter erhob, mit Regen, Hagel, Donner und starken Blitzen. Wie die Prozession mitten auf ihrem Wege zur Kirche war, in welcher die Beisetzung geschehen sollte, fiel auf einmal ein großer, heller Blitz von Nordosten her in den St. Jacobi Kirchthurm, und schlug hinein, daß der ganze Thurm rauchte, obwohl doch kein Feuer enstanden war. Solches Unwetter legte sich eben so plötzlich, sobald die Leiche in die Kirche gebracht war, und es schien jetzt urplötzlich wieder die helle Sonne.
Im Jahre 1616 entstand auf einmal zu Stettin ein großer Sturmwind, der von der Schloßkirche zu St. Otto den Knopf herunterwarf, und die Spitzen daran verbog. Man wußte zuerst nicht, was dieß bedeuten solle, bis man bald merkte, Gott wolle ein Zeichen geben, daß die Säulen des Landes erbeben sollten; denn die jungen Pommerschen Fürsten, die dazumalen lebten, und deren sechs auf einmal gewesen waren, starben in Kurzem Einer nach dem Andern dahin.
Im Jahre 1625 geschah es bei einer Musterung zu Wolgast, daß einem Soldaten von ungefähr das Gewehr losging, und die Kugel die Fahne traf, und mitten durch das Pommersche Wappen fuhr, so daß dieses verdorben wurde, als wenn es mit einem Messer oder mit einer Scheere herausgeschnitten wäre. In der Schloßkirche zu Stettin aber fiel zu derselben Zeit die herzogliche Krone, die darin aufgehängt war, von selbst zur Erde, und einem gewappneten Steinbilde, welches, zum Gedächtniß der verstorbenen Fürsten, an einer Säule stand, fiel das Schwert urplötzlich ohne alles menschliche Zuthun aus der Hand.
Am schrecklichsten waren solche Zeichen im Jahre 1637, welches mit dem Tode des letzten Herzogs, Bogislav XIV. eine so große Veränderung über das Land bringen sollte. Im Hornung dieses Jahres sah man einmal früh Morgens um 3 Uhr zu Stettin bei einem heftigen Sturm in Norden einen ganz weißen Flecken am Himmel, und in demselben einen großen Klumpen Feuer, der nach einiger Zeit neben den Windmühlen zur Erde fiel, und die ganze Wintersaat des Ortes versengte und verdarb. Gerade vierzehn Tage hernach starb der Herzog.
Etliche Wochen nach dem Tode des Herzogs sahen die sämmtlichen Prediger zu St. Jacob in Stettin, wie die Sonne zuerst ganz ohne Strahlen war, dann einen schwarzen Balken bekam, der mitten durch sie hindurch ging, und wie sich dann eine schwarze Kugel durch sie bewegte, bis sie endlich roth wie dunkles Blut wurde.
Zu Colberg hat man zu derselben Zeit einen langen Kometen gesehen, mit einem Drachenschwanz und einem feurigen Rauch. Darauf hat sich über der Stadt ein großer Löwenschwanz gekrümmt, welchem zwei Löwengesichter, dann zwei Bärenköpfe und zuletzt zwei Reuter auf zwei aschgrauen Rossen gefolgt sind; diese sind gegen einander gerannt, und hat der Eine von ihnen mit einem großen blanken Schwerte zweimal um sich gehauen. Am Tage nachher hat man sogar große Heere in der Luft gesehen, die sind von Norden und Süden her gegen einander gezogen, ingleichen zwei wilde Thiere, und hat das vom Norden gesiegt. Darauf sind drei Schüsse in der Luft gefolgt, und zuletzt hat man die ganze Stadt Colberg mit Kirche, Rathhaus und allen Häusern sichtbarlich am Himmel abgebildet gesehen.
Solche und viele andere Wunderzeichen hat man sich denn wohl deuten können.
Micrälius. Alt. Pommerl. I. S. 369. 402. II. S. 64. 116. 263.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. IV. S. 136.
53. Wunderzeichen zu Pyritz.
In dem Jahre 1636 hat man zu Pyritz ein unerhörtes Wunderzeichen bemerkt, welches ohne Zweifel die damaligen schweren und bedrängten Zeiten angezeigt hat. Es war nämlich auf den Abend des 6. Juli der Mond zuerst ganz kohlschwarz anzusehen; darauf zeigte sich gerade in seiner Mitte ein kleiner heller Stern und hierauf zog sich unter ihm ein rother Bogen zusammen, wodurch der Mond selbst nun roth und feurig wurde. Nach einer Weile zog sich der rothe Bogen auseinander, und jetzt sah man auf einmal gegen Mitternacht einen großen rothen Löwen und gegen Mittag einen feurigen Menschen am Himmel stehen. Die drangen heftig gegen einander und stießen sich so hart, daß sie wieder zurückprallten. Plötzlich ward der feurige Mann zu einem Todtenkopfe; der verging nach Kurzem und es zeigte sich nun ein ganz kleines Menschenbild, welches eine Ruthe in der Hand hatte. Mit dieser winkte es dem Löwen, und legte sich darauf todt zu dessen Füßen nieder. Nachdem sich ferner der Löwe in einen Türkenkopf verwandelt hatte, vergingen die Bilder alle, und der Mond stand wieder schwarz, wie zu Anfang, und darüber erschien ein rothes Kreuz, welches aber an allen vier Ecken schwarz war. Als auch das Kreuz vergangen, entstand eine große feurige Röthe, darin sah man viel Volks mit aufgehobenen Händen stehen. Auch dieses verschwand zuletzt, und der Mond bekam seine natürliche Farbe wieder. Dieses Zeichen haben viele Leute in Pyritz gesehen, und die Verständigen haben wohl gemerkt, was es zu bedeuten habe.
Micrälius, Alt. Pommerl. II. S. 241. 242.
54. Der große Churfürst in Pommern.
Friedrich Wilhelm, der große Churfürst von Brandenburg, hatte das ganze Pommerland eingenommen. Allein er behielt es nicht lange. Das sah er selbst ein durch folgende Begebenheit: Als er nämlich die Stadt und das Schloß zu Wolgast belagerte, da richtete er seine Kugeln vorzüglich auf die schöne Hofkirche, in welcher ein Pulvermagazin war. In dieser Kirche war an einer Seite in der Mauer, und zwar an der Südseite, das Standbild des weiland tapferen Herzogs Philipp des Ersten von Pommern, in Lebensgröße mit seinem Harnisch und Schwert ausgehauen. Gerade nach dieser Seite hin fielen die meisten Kugeln der Brandenburger. Aber es war sonderbar, daß keine einzige von ihnen das fürstliche Bild traf. Ja, was noch merkwürdiger war, als zuletzt eine Kugel in das Pulvermagazin schlug, also daß dieses sammt fast der ganzen Kirche in die Luft flog, da blieb allein diese südliche Mauer und das Bild des Herzogs stehen. Als nun nach geschehener Einnahme der Stadt der Churfürst auch zu der Kirche kam, und sah, wie das Bild unverletzt, rund herum aber von seinen Kugeln Alles zerschossen war, da verwunderte er sich, und wurde sehr nachdenklich, und sagte zuletzt: Ich werde Pommern nicht lange behalten!
Also geschah es denn auch, und er blieb im Besitze des Landes nicht länger als Ein Jahr. Dabei war noch das Merkwürdige, daß aus der Stadt Greifswald, welche er zuletzt, und zwar zu Martini 1678 eingenommen hatte, seine Soldaten im folgenden Jahre, gerade auf denselben Tag wieder herausrücken mußten, an welchem allda vorm Jahre dem Churfürsten gehuldigt war. Auch erzählt man sich hierüber noch Folgendes: Als die Stadt Greifswald von dem Churfürsten war eingenommen worden, blieben nach Kriegsmanier die Pässe von den Schweden so lange besetzt, bis die eingerückten Brandenburger sie ablöseten. Wie nun der Schwedische Soldat, der an dem fetten Thore zu Greifswald auf Wache stand, von dem Brandenburger abgelöset wurde, sagte er im Weggehen zu diesem: Gute Nacht, Kamerad, übers Jahr will ich Dich wieder ablösen. Deß lachte der Brandenburgische Soldat zwar; allein es ward erfüllt an demselbigen Tage, wie so eben erzählt.
Memorabilia Pomeraniae etc. A. Christophoro Pylio, p.
52.
55. Die Bauern zu Conerow.
In dem Kreise Greifswald liegt ein kleines Dörfchen, Namens Conerow, das schon seit vielen Jahren nur von drei Bauern bewohnt wird. Die drei Bauern in Conerow hatten einst gehört, wie schlecht es ihrem Könige, Karl dem Zwölften, in Rußland ergangen war, und wie er hatte zu den Türken flüchten müssen, und dort gar große Noth und Elend erleide. Das that ihnen in der Seele weh, und sie brachten Alles an Gelde und Geldeswerth zusammen, was sie nur eben nothdürftig entbehren konnten. Das setzten sie zu Wolgast in blankes Gold um, und nun nahm Einer von ihnen ein Pferd, und ritt mit dem Golde nach Bender hin, um es dem Könige zu bringen; der hieß Hans Müsebeck.
Der König war damals wirklich in arger Noth. Er hatte keinen Pfennig Geld mehr, und er wußte nicht, wie er sich und die paar Getreuen, die um ihn waren, vor dem Hungertode erretten solle. Alle seine und der Seinigen Pferde hatte er schon erschossen, um die allgemeine Noth zu erleichtern. Nur seinen besten Rappen, der ihn durch so manche Lebensgefahr getragen, hatte er noch verschont. Aber auch diesen konnte er nicht mehr halten. Schweigend nahm der König daher eines Tages selbst das Pistol, und setzte es dem treuen Thiere hinter das Ohr, und schoß es also nieder. Dann setzte er sich auf dem Bauch des Rosses, und gedachte seines Unglücks. Da hörte er auf einmal unweit von sich, auf gut Pommersch die Worte: Helf Gott, wo finde ich meinen König? – Und wie er aufblickt, da sieht er einen Bauern, der ganz allein daher geritten kommt. Der wird zu ihm geführt. Es war der Bauer aus Conerow. Er stieg von seinem Pferde, und kniete vor dem König, und zog aus seinen Stiefeln zwei große Rollen mit Gold hervor. Die überreichte er dem König, und bat ihn, sie anzunehmen, denn die Bauern aus Conerow gäben sie ihm gern. Er erzählte nun, wie sie von seinem Elend gehört, und wie sie darauf das Geld zusammen gebracht, und wie er allein damit den weiten Weg hergeritten sey, da sie sonst nicht gewußt hätten, wie es in seine Hände kommen möge.
Da fing der wilde König Karl der Zwölfte an zu weinen, daß ihm die hellen Thränen das Gesicht herunter liefen. Er zog sein Schwert aus der Scheide und hob es hoch empor, und sagte: Solche edle Treue haben mir die Höchsten meines Adels nicht bewiesen. Du sollst fortan der Erste unter meinen Edlen sein. Kniee nieder, daß ich Dich zum Ritter schlage.
Dem Befehle gehorchte der Bauer, und er kniete von Neuem nieder, aber nicht um den Ritterschlag zu empfangen; denn er bat vielmehr den König, ihn nicht also bei seines Gleichen zu beschämen, und ihm den ehrlichen Namen zu lassen, den seine Vorfahren getragen; wolle ihm aber Seine Majestät eine Gnade erzeigen, so bitte er, daß den drei Bauern zu Conerow ihre Pacht auf ewige Zeiten erlassen werde.
Das beschwor ihm der König, und er ließ auch sogleich eine Urkunde darüber ausfertigen. Wie aber der Kanzler nun auf diese das Siegel aufdrücken wollte, da riß sich der König aus seinem Barte drei Haare, die drückte er mit dem Knopfe seines Schwertes in das flüssige Siegelwachs hinein, daß sie auf ewig von seinem königlichen Worte Zeugniß geben sollten.
Darauf ritt Hans Müsebeck froh und vergnügt nach Conerow zurück. Die Urkunde verwahren die drei Bauern zu Conerow noch, und sie sind auch noch jetzt frei von allen Abgaben; denn wer wüßte Unterthanen-Treue besser zu schätzen, als das Preußische Königshaus?
Vgl. Freiberg Pommersche Sagen, S. 78-87.
56. Drei hohe Häupter auf dem Darß.
Zur Zeit der Belagerung von Stralsund, im Anfange des vorigen Jahrhunderts, verließen einmal der Kaiser Peter der Große von Rußland, der König August von Polen und der König Friedrich IV. von Dänemark auf einige Zeit die Belagerung, um sich auf dem Darß mit der Jagd zu vergnügen. Sie nahmen Quartier in dem Jagdhause zu Born, und es gefiel ihnen allda so gut, daß sie schon über vierzehn Tage verweilt hatten und wahrscheinlich noch länger würden geblieben sein, wenn sie nicht in große Gefahr gerathen wären. Der König Stanislaus Leszcynski nämlich, der zu derselben Zeit in Stralsund commandirte, hatte Nachricht bekommen, daß die drei hohen Häupter sorglos und ohne alle Bedeckung zu Born seien, und nur an die Jagd dächten. Er ließ daher ganz in der Stille vierzig Reuter von Rügen nach Pram-Ort übersetzen, mit dem Befehle, die Monarchen des Nachts in ihren Betten zu Born zu überfallen und gefänglich nach Stralsund einzubringen. Die Reuter landeten auch glücklich auf dem Zingst und jagten nun in vollem Galop nach Born zu. Als sie aber an den Prerow-Strom kamen, erblickte sie von ungefähr ein Darßer; der merkte, was sie vorhaben könnten, und warf sich geschwinde auf ein Roß, die Monarchen von ihrer Gefahr zu benachrichtigen. Diese verließen darauf in größter Eile und Verwirrung ihre Betten, und bestiegen ein kleines Boot, auf welchem sie glücklich entkamen, so daß die Schwedischen Reuter, als sie zu Born anlangten, ein leeres Nest fanden. Man sagt, Stanislaus Leszcynski sei selbst mit den vierzig Reitern gewesen. Nach Einigen soll sogar Karl XII. an ihrer Spitze gewesen sein, was aber wohl nicht möglich ist, denn Karl langte erst am 22. November 1714 von Bender vor Stralsund an, und damals war Peter der Große nicht mehr bei der Belagerung.
Der Darß und der Zingst, von A.v. Wehrs, S. 68. 69.
57. Napoleon und der Teufel.
In vielen Theilen von Pommern erzählt man sich noch jetzt, der Kaiser Napoleon habe im Jahre 1815 den Teufel gebeten, ihm noch einmal beizustehen. Aber da hat ihm der Teufel geantwortet! Recht gern, lieber Herr Bruder (leeve Heer Bröding), aber so lange die Kerls mit den Kreuzen vor den Köpfen da sind, habe ich keine Macht. Damit hatte er die Preußischen Landwehren gemeint.
Mündlich.
58. Die Manteuffel.
Das Geschlecht derer von Manteuffel blühete vor Zeiten besonders in Pommern. Sie waren allda sehr angesehen und mächtig und führten anfangs den Namen von Queren. Weil sie aber so gar boshaftig, räuberisch und mörderisch gewesen, so hat man auf gut Pommersch von ihnen gesagt: id sint man Düvel, welches so viel heißen soll: das sind ja nur Teufel und keine Menschen. Davon haben sie den Namen, daß man sie Manteuffel nennt, welchen Namen sie nachher selbst annahmen, und der sich darauf über das ganze Geschlecht verbreitete.
Besonders räuberisch und furchtbar waren die Manteuffel auf Poppelow im Jahre 1531, unter der Regierung des Herzogs Barnim IX. Sie hatten große Hunde abgerichtet, welche jeden näher kommenden Fremden schon von ferne ankündigten, damit ja keiner ihren Straßenräubereien entgehen könne, und kein Mensch und keine Straße war vor ihren Ueberfällen und Plünderungen sicher. Herzog Barnim berathschlagte daher, nachdem er die Regierung eine Zeitlang angetreten hatte, mit dem Bischofe von Cammin und dem Grafen von Eberstein, wie er sie vertilgen möge, und man kam überein, sie auf einen bestimmten Tag von allen Seiten anzugreifen, und damit sie nicht entkommen möchten, wurde der Tag den benachbarten Fürsten in Brandenburg, Mecklenburg und Polen bekannt gemacht, und diese wurden gebeten, ihre Grenzen zu bewachen, und die fliehenden Räuber zu ergreifen.
Auf den festgesetzten Tag nun zog der Herzog mit den Seinigen vor Poppelow, um die Räuber zu fangen. Allein die Manteuffel verließen sich nicht allein auf die Wachsamkeit ihrer Hunde, sondern sie hatten auch eine Schwester, welche ihre Brüder sehr liebte, und welche daher den ganzen Tag auf dem hohen Thurm der Burg zu sitzen pflegte, um Feinde zu erspähen, und die Brüder vor Ueberfall zu warnen. Diese sah auch bei Zeiten den herannahenden Herzog, und warnte ihre Brüder, also daß sie über einen See in ein Bruch entflohen, und glücklich entkamen. Die Burg Poppelow wurde darauf genommen und von Grund aus verbrannt und zerstört. Der Herzog ergriff selbst einen Küchenbrand und zündete das Haus an mit allen Raubgütern darin. Da jammerten die Schwester und die alte Mutter der Manteuffel, die nicht mit ihren Söhnen hatte entfliehen können, und die Letztere sprach, als wenn sie groß Recht gehabt hätte: Gott sei es geklagt, man gönnt meinen Kindern nicht ihr Hab' und Gut, woran sie so oft ihr Leib und Leben gewagt haben.
Andere erzählen die Sache anders. Die Manteuffel sollen nämlich auf dem Schlosse zu Cölpin gehauset haben, und besonders Einer, Namens Heinrich von Manteuffel, soll es gewesen sein, der die ganze Umgegend, vornehmlich aber die Besitzungen des Klosters Belbog oder Belbuk beraubt und verheert hat. Das hat der Abt, Namens Nicolaus, zuletzt nicht mehr ertragen können, und er hat alle seine Mannen gegen den Raubritter aufgeboten, und ihn in seiner Burg zu Cölpin belagert, worin er mit seinem ganzen räuberischen Geschlechte sich aufgehalten hat. Am St. Peter- und Paulstage des Jahres 1432 soll das Schloß erstürmt und genommen sein. Der Abt hielt gerade eine feierliche Prozession, als ihm die Kunde von diesem Siege wurde.
Er erfreuete sich darüber so, daß er sofort mitten auf dem Kirchhofe niederkniete, dem Herrn seinen Dank abzustatten, welchem Beispiele Alle folgten, so an der Prozession Theil nahmen. Auch befahl er, daß der Sieg alljährlich durch ein Hochamt und durch Speisung von zwölf Armen gefeiert werden solle, welches also geschehen ist, so lange das Kloster bestanden hat. Man sagt, daß bei der Einnahme der Burg das ganze Geschlecht derer von Manteuffel erschlagen sey. Nur Ein Kind, der Stammvater der jetzigen Familie, wurde erhalten, und dem Abte gebracht, der sich seiner annahm. Die Amme des Knaben soll den Belagerern eine verborgene Thür gezeigt haben, durch welche allein es ihnen gelungen ist, in die Burg zu gelangen. Dabei hat sie sich ausbedungen gehabt, daß man des Säuglings schone, welches man ihr versprochen und auch gehalten hat. – Bei dem Dorfe Cölpin kann man noch jetzt die, mit einem Graben eingefaßte Stelle sehen, wo die Burg gestanden hat.
Kantzow Pomerania, I. S. 39.
Sell, Pommersche Gesch. III. S. 2.
Baltische Studien, II. Jahrg. I. Heft. S 31-33.
59. Die Familie von Lepel.
In Pommern besteht ein altes adliges Geschlecht: von Lepel, welches schon im dreizehnten Jahrhunderte soll in das Land gekommen sein. Dasselbe führt in seinem Wappen eine Jungfrau, die eine Krone aus neun halben Löffeln trägt. Man erzählt darüber und über den Ursprung des Adels dieser Familie Folgendes: Vor Zeiten lebte zu Wien ein Zimmermann, Namens Joachim Lepel. Der wurde bei Aufbringung einer großen Thurmglocke, wobei er half, durch die Unvorsichtigkeit seiner Gehülfen getödtet, indem der Klöppel oder Knepel der Glocke auf ihn fiel. Da er nun aber eine Wittwe und neun Söhne hinterließ, und sein Lebenlang ein treuer und tüchtiger Handwerksmann gewesen war, so nahm sich der Kaiser nicht nur seiner hinterlassenen Familie an, und versorgte alle seine neun Söhne in seinen Diensten, sondern er erhob sie auch in den Adelstand, und gab ihnen das beschriebene Wappen.
Gesterding, Pommersches Museum, I. S. 241.
60. Der erste Lepel in Pommern.
Es war im dreizehnten Jahrhunderte nach unserer Zeitrechnung, als ein großes christliches Heer nach Pommern kam, um die Wenden aus dem Lande zu vertreiben. In demselben befand sich ein junger Rittersmann, Lepel geheißen. Derselbe wurde in einer blutigen Schlacht, die an dem Peenestrome, in der Gegend von Rubkow bis nach Lassahn hin gefochten wurde, schwer verwundet, so daß die Seinigen ihn auf dem Schlachtfelde liegen ließen. Als er aber für todt da lag, wurde er von einem Wenden gefunden, der noch Leben in ihm verspürte, sich seiner erbarmte, und ihn nach einer benachbarten Burg brachte. Dort war ein Edelfräulein, die nahm sich des Ritters an, pflegte ihn und heilte seine Wunden. Und als er wieder gesund und rüstig war, da heirathete er sie, und blieb bei ihr. Also kamen die Lepels zuerst nach Pommern.
Greifswalder wöchentlicher Anzeiger für 1818, Nr. 31.
61. Die Schlieffen und Adebare in Colberg.
Vor Zeiten waren viele Jahre lang die beiden mächtigsten Geschlechter in der Stadt Colberg die Schlieffen und die Adebare. Deren lebten einmal um das Jahr 1500 zwei junge Bürger, Benedictus Adebar, der des Bischofs von Cammin Schwester zur Ehe hatte, und Niclas Schlieff, Peter Schlieffens, des Bürgermeisters, Sohn. Dieselbigen waren große Freunde, und hielten sich wie Brüder untereinander. Da begab es sich einmal, daß sie zusammen in Gesellschaft gezecht hatten, und Niclas Schlieff ging guter Zeit zu Hause und legte sich zu Bette. Etwa eine Stunde nachher folgte ihm Benedictus Adebar, und klopfte an seine Thür, und bat, ihm diese zu öffnen. Als Schlieff hörte, daß er es war, stand er selbst im Hemde auf, um ihn einzulassen. Adebar aber war etwas lustig geworden vom Weine, und wie er nun hörte, daß Schlieff kam, stach er mit seinem Schwerte durch die Thür, und wollte jenen erschrecken. Das war ein großes Unglück; denn Schlieff lief im Finstern rasch zu, um die Thür zu öffnen, und rannte sich in das durchgestochene Schwert, daß er laut aufschrie und für todt hinfiel. Darüber erschrak Adebar hart, und verstopfte ihm eilig die Wunde, führte ihn auch zu einem Arzte, und entschuldigte sich sehr gegen den Freund, daß er es nicht aus bösem Gemüthe, sondern nur aus Vorwitz gethan. Schlieff aber fühlte sich sehr übel, und er vermerkte, daß er werde sterben müssen; er vermahnte daher den Adebar, daß er entweichen möge, denn wenn ihn seine Verwandten erhaschten, so werde er wieder sterben müssen, was er ihm nicht gönnte. Adebar aber wollte den sterbenden Freund nicht verlassen, und wurde also, wie er sich nicht von ihm trennen konnte, von Schlieffens Freundschaft gefangen und ins Gefängniß gesetzt.
Der Bischof von Cammin und die anderen Freunde Adebars gaben sich zwar viele Mühe und baten die Schlieffen sehr, daß er auf gebührenden Abtrag möchte loskommen. Aber die Schlieffensche Freundschaft wollte das nicht thun, sondern ließen Adebar vor Gericht bringen und ihn zum Tode verurtheilen. Und erst als das geschehen war, wollten sie ihn wieder losgeben, damit man sagen könne, daß sie ihm recht eigentlich das Leben geschenkt hätten. Das aber wollte Adebar nicht annehmen, denn er ließ sich bedünken, ein zum Tode einmal Verurtheilter sey des Lebens ferner nicht werth. Darum sagte er freien Muthes, er wolle lieber bei seinem erschlagenen Freunde und Bruder sein, denn länger leben.
So ging er freiwillig zu der Richtstätte. Nur damit er nicht wie ein Missethäter geführt würde, durften ihn der Nachrichter und dessen Knechte nicht anrühren, sondern er ging frei und gutwillig. Seine Schwester, welche Aebtissin im Jungfrauenkloster zu Colberg war, nahm ein Crucifix und trat vor ihm her, und der Rath und die ganze Stadt begleiteten ihn und betrübten sich um seinethalben. Also kam er aus der Stadt. Da wurde ihm vergönnt, daß er nicht auf die gewöhnliche Richtstätte ging, sondern auf den Kirchhof; allda ließ er sich das Haupt abhauen.
Von der Zeit an entstand ein ewiger Groll zwischen den beiden Geschlechtern Adebar und Schlieffen.
Kantzow, Pomerania, II. S. 448-450.
62. Das Wappen der Familie von Dewitz.
Die Familie von Dewitz führt drei Becher in ihrem Wappen. Die Leute sagen, es sey einmal ein Herr von Dewitz gewesen, der habe in der Betrunkenheit einen Herrn von Arnim aus dem Fenster des Schlosses zu Daber in den Schloßgraben geworfen.
Wegen seiner Trunkenheit hat man ihm zwar das Leben gelassen, aber seine Familie muß von der Zeit an jenes Wappen führen.
Mündlich.
63. Die Kirche zu Gingst.
In dem Dorfe Gingst auf Rügen war bis vor etwa hundert Jahren eine uralte schöne Kirche, die von starkem Gemäuer aufgeführt war, große Schwibbogen und eine sehr hohe Thurmspitze hatte. Sie ist seitdem von einem heftigen Sturm und Donnerwetter zum größten Theil in einen Schutthaufen verwandelt worden. Diese Kirche ist schon zu Zeiten des Rügischen Fürsten Jaromar I. erbauet. Sie sollte damals an einer anderen Stelle aufgerichtet werden, nämlich auf dem Berge hinter dem Dorfe Volgewitz, gerade gegen die Insel Ummanz über, in Betrachtung, daß man dieses Ländlein dem Kirchspiel füglich könne mit einverleiben. Zu dem Ende hatte auch der Abt zu Pudgla, als der Stifter der Kirche, das Bildniß des heiligen Jacobus, dem zu Ehren sie sollte eingerichtet werden, auf jenem Berge schon aufrichten lassen. Allein am anderen Morgen fand man das Bild dort nicht mehr, sondern es hatte sich von selbst nach Gingst auf den Weg gemacht, und dort stand es an derselben Stelle, wo sich jetzt die Kirche befindet. Es wurde zwar nach dem Berge zurückgebracht; als es aber noch zu dreien Malen von selbst sich wieder nach Gingst begeben hatte, da erkannte man den Willen des Himmels, daß hier die Kirche stehen solle. Um solchen Wunderwerkes willen wurde nun die Kirche zu Gingst erbauet.
Altes und Neues Rügen, S. 236.
64. Entstehung der Gertruden-Kirche zu Stettin.
Die Gertrudenkirche zu Stettin soll dadurch entstanden sein, daß ein armes Hirtenmädchen, welches auf dem Wege nach Damm einen großen Schatz gefunden hatte, aus Dankbarkeit gegen Gott, der ihr das Glück bescheert, die Kirche hat bauen lassen. Das Mädchen hat Gertrude geheißen, und deshalb hat man auch die Kirche so nach ihr benannt. In der Kirche hängt noch das Bild eines Hirtenmädchens, welches die Erbauerin sein soll.
Mündlich.
65. Die Kapelle auf dem Gollenberg.
Zwischen den Städten Zanow und Cöslin in Hinterpommern liegt der Gollenberg, der früher ein berühmter Wallfahrtsort war, wie später noch wird berichtet werden. Auf demselben stand vor Zeiten eine Capelle, der heiligen Mutter Gottes gewidmet, weshalb der Berg selbst auch früher der Marienberg, oder Unserer lieben Frauen Berg zugenannt wurde. Diese Capelle ist auf folgende Weise entstanden:
Vor vielen hundert Jahren, als Pommern schon zu dem christlichen Glauben war bekehrt worden, lebten in der Gegend des Gollenbergs etliche Abtrünnige, welche dem heidnischen Gottesdienste noch anhingen. Die waren einstmals zu Schiffe nach der Insel Rügen gewesen, wo die alten Götzen dazumal noch frei verehrt wurden, und hatten allda heidnischen Götzendienst getrieben. Als sie nun zurückkehrten, und schon nahe an ihrer Heimath waren, wurden sie auf einmal von einem gräulichen Sturmwinde überfallen, der sie sammt ihrem Schiffe unter dem Wasser zu vergraben drohete. Sie riefen, wiewohl vergebens, alle ihre heidnischen Götter an, die Hertha, welches bedeutet die Mutter Erde, und den Odin oder Wodan, welcher der Gott des Himmels sein sollte.
In solcher Angst und Noth höret von ungefähr Einer unter ihnen die Hora einläuten von den Mönchen der Abtei Bukow, welche unfern vom Strande von dem Herzog Swantepolk war gestiftet worden. Da gehet er in sich, und er redet auch den Andern zu, und sie rufen den wahren Gott der Christen an, daß er helfen und sich ihrer erbarmen möge. Was geschieht? Auf einmal wird das Meer ruhig, und der Donner schweigt, und da es unterdeß Nacht geworden war, zeigt sich oben auf dem Gollenberge ein kleines wunderbares Licht, das ihnen den Weg an das Land und in die Heimath anweiset. Darauf bekehrten sich die Heiden, und stifteten zu dankbarer und ewiger Gedächtniß solcher wunderbarlichen Gotteshülfe eine Capelle mit herrlichem Altare, oben auf der Spitze des Gollenbergs, da wo das Licht sich ihnen gezeigt hatte.
Die Capelle ist im Jahre 1532 in Verfall gerathen, und es ist anjetzo an ihrer Stelle nur ein Schutthaufen mehr zu sehen.
Pommersche Provinzialblätter, I. S. 429. 430.
66. Der Gollenberg.
Der Gollenberg zwischen Zanow und Cöslin, der höchste Berg in Pommern, war früher ein sehr heiliger Wallfahrtsort, zu welchem von nah und weit die frommen Menschen hinkamen, um Verzeihung ihrer Sünden zu erbitten. Am berühmtesten aber war er im fernen Auslande. Dieß zeigt folgende Geschichte Es war einmal im Jahre 1415 ein Edelmann Paul Bulgerin, so nicht weit vom Gollenberge wohnte. Dieser hatte im Jähzorn seinen Bruder erschlagen, und um dieses Verbrechen abzubüßen, wanderte er zu den berühmtesten Wallfahrtsorten in der ganzen Welt. Wie er nun schon an vielen Orten gewesen war und auch nach Compostella in Spanien kam, da fragte er, noch immer keine Beruhigung seines Gewissens verspürend, die Mönche allda, wo denn noch ein heiligerer Wallfahrtsort über Compostella sey, an welchem er gänzliche Vergebung seiner Sünde erwarten könne. Und es ward ihm zur Antwort: ja, es sey noch ein viel heiligerer da, der sey auf dem Gollenberge in Pommern. Darüber ist denn der Edelmann gar unmuthig geworden und hat geredet: Was, zum Teufel, suche ich denn über 400 Meilen weit hier, was ich näher denn Eine Meile weit von meinem Hause habe? Er ist somit zurück gegangen in seine Heimath, wo er, auf keine Ruhe in der Welt mehr hoffend, auf dem Gollenberge sich einen Dolch ins Herz stieß. Allda geht noch um Mitternacht sein Geist herum.
Micrälius, Altes Pommerl. II. S. 288.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. III. S. 5.
Pommersche Provinzialblätter, von Haken, III. S. 32-38.
67. Die drei Mönche im Dome zu Colberg.
Die St. Marien- oder Dom-Kirche zu Colberg, deren erster Bau schon zu den Zeiten des heiligen Otto angefangen haben soll, ist eine der schönsten und größten Kirchen in Pommern. Ihre Länge beträgt 205 Fuß, die Breite 128, und die Höhe 74. Sie hat nur einen Thurm, der nach der Westseite hin befindlich ist, der aber drei Spitzen hat. Die mittlere von diesen ist die höchste, und bei weitem höher, als die zu beiden Seiten. Dieser Thurm ist bis an das Dach 136 Fuß, und das Dach ist 100 Fuß hoch, so daß die ganze Höhe des Thurmes 236 Fuß beträgt. Er kann zur See in einer Entfernung von sieben Meilen gesehen werden. Von der Erbauung dieses Domes erzählt man sich Folgendes:
Die Colberger begannen zuerst den Bau. Es fehlte ihnen aber bald an Geld, und sie mußten mit dem Weiterbauen einhalten. Da traten drei fromme Mönche auf, die erboten sich, durch die ganze Christenheit zu pilgern, um Geld zu dem Bau der Kirche zu sammeln. Damit sie aber sicher wären, ob ihr Vorhaben dem Himmel auch angenehm sey und gelingen werde, so baten sie Gott, daß er ihnen Jedem ein Wunder im Traume bescheren möchte. Der Eine wollte die Sonne mit seiner Hand umfassen; der Andere wollte, daß sein Haupt von einem Berge bedeckt werde; was der Dritte gewünscht hat, das weiß man nicht mehr. Und siehe, in der folgenden Nacht wurden sie wirklich im Schlafe der Wunder theilhaftig, die sie sich gewünscht hatten. Darauf machten sie sich denn voll Zuversicht auf den Weg, jeder für sich allein, und durchwanderten die ganze christliche Welt, und sammelten so viele fromme Gaben, daß sie genug hatten, das herrliche Gebäude davon zu errichten, und noch etwas mehr. Das gesammelte Geld lieferten sie getreulich ab, und es wurde jetzt der Bau bald vollendet. Als hierbei nun von dem Gelde noch etwas übrig geblieben war, da beschlossen die Mönche, daß jeder von ihnen eine besondere Spitze auf dem Thurme der Kirche wolle aufführen lassen. Das geschah auch, aber zwei von ihnen starben über diesem Bau weg, und nur derjenige, der die Sonne im Traume mit seiner Hand umfasset hatte, erlebte das Ende desselben. Dieser Mönch war es, der die mittlere Spitze bauen ließ; die ist daher auch höher geworden als die beiden anderen.
Zum dankbaren Andenken an die drei Bettelmönche hat man schon in ganz alten Zeiten ein Gemälde errichtet, welches noch vorhanden ist. Dasselbe befindet sich am westlichen Hauptpfeiler des Thurms, unter der Orgel und in der Nähe des Haupteinganges der Kirche. Es ist auf Holz und sieht sich so alt an, daß es gewiß vor mehr als 500 Jahren schon muß gefertigt sein. Die drei Mönche sind darauf abgebildet, der Eine trägt ein graues, die beiden Anderen ein schwarzes Habit. Alle drei sind in einer liegenden Stellung, gleichsam um anzuzeigen, daß sie von ihrer weiten und beschwerlichen Pilgerreise ausruhen. Der Eine hält in der linken Hand ein Buch, darin geschrieben steht:
Pater, magnificavi nomen hominibus,
d.i.: Vater ich habe deinen Namen den Menschen verklärt. Der Zweite liegt ganz ermüdet und schlafend.
Im Jahre 1741 hat man das Gemälde, welches ganz verwittert war, neu aufgefrischt.
Mündlich, und
Geschichte und Beschreibung der St. Marien-Dom-Kirche zu Colberg, von Maaß, S. 69 folg.
68. Der ermordete Herzog Wartislav.
Auf der Stelle, wo das ehemalige Kloster Stolpe an der Peene steht, ist vor vielen Jahren, die Geschichtschreiber streiten, ob es im Jahre 1135 oder 1136 gewesen sei, der Herzog Wartislav erschlagen worden. Dieser Herzog ließ sich die Verbreitung des christlichen Glaubens in seinem Lande sehr angelegen sein, darum hatte er viele Feinde unter den Heiden, die ihn verfolgten und ihm nach dem Leben stellten. Zuletzt hatten sie einen Mörder gedungen, der den Herzog überfiel, als er einstmals nach einer Jagd am Wege eingeschlafen war, und ihn meuchlings im Schlafe erdolchte. Der Fürst erwachte aber bei dem plötzlichen Ueberfalle, und obschon er die Todeswunde schon im Herzen trug, raffte er sich doch auf, und fiel nun seiner Seits über den Mörder her, mit solcher Gewalt, daß er ihm die Kinnbacken auseinanderriß, und so der Mörder und Gemordete zu gleicher Zeit starben.
An der Stätte, wo dieses sich zutrug, ließ Ratibor, des Herzogs jüngerer Bruder und Nachfolger, im Jahre 1150 oder 1153 das Kloster Stolpe erbauen, in welches er Cistercienser- oder wie Andere wollen, Benediktiner-Mönche rief.
Geschichte der Klöster in Pommern, von Steinbrück, S. 139.
Pomm. Prov. Blätter, V.S. 158.
Kantzow, Pomerania, I. S. 138.
69. Baggus Speckin.
Vor vielen Jahren lebte in Pommern ein wüster Raubritter, Namens Baggus Speckin. Wie der des Gutes genug zusammengeraubt hatte, da ließ er sich in der Gegend von Grimmen nieder, und bauete allda eine Burg, in welche er sich mit seinen vielen Reichthümern zurückzog. Auch legte er rund um seinen Burgsitz ein Dorf an, welches noch jetzt besteht und von dem Ritter den Namen Baggendorf führt, und weil es ein Pfarrdorf ist, gewöhnlich Kirch-Baggendorf genannt wird. In seinen alten Tagen wurde der Raubritter aber trübsinnig, und er fühlte sich bettelarm in der Mitte aller seiner großen Schätze. Er fing nun an zu fasten und sich zu geißeln, aber er konnte dadurch keine Ruhe gewinnen, und er fühlte, daß er durch Fasten und Kasteien allein den Himmel für seine vielen Unthaten nicht versöhnen könne. Da kam er zuletzt auf den Gedanken, daß er von seinem geraubten Gute drei Kirchen im Lande wolle erbauen lassen, hoffend, auf solche Weise den ewigen Zorn Gottes von sich abzuwälzen. Um nun zu wissen, wo er die Kirchen solle aufrichten lassen, ließ er eine Eule dreimal fliegen, und wo die sich jedesmal niederließ und einen Ruheplatz suchte, da glaubte er auch zur Ruhre seiner Seele eine Kirche hinsetzen lassen zu müssen. Die Eule ließ sich nieder zu Baggendorf, Glevitz und Vorland, und allda ließ er nun die drei Kirchen bauen, die noch jetzt dort stehen. Alle drei Kirchen ließ er auf gleiche Weise bauen, wie man denn auch gegenwärtig ihre Aehnlichkeit sehen kann. In der Kirche zu Baggendorf war vor etwas mehr denn hundert Jahren das Bildniß des Baggus Speckin noch zu sehen. Auf einem großen hölzernen Schwibbogen über der Kanzel sah man nämlich die Gestalt eines geharnischten Ritters, der ganz vom Schmerz niedergedrückt war, und seinen entblößten Rücken einem Menschen darbot, welcher mit einer Geißel hinter ihm stand. In dieser Kirche war auch bis vor hundert Jahren die Thüre nach der Nordseite hin fest zugemauert. Man erzählt sich, daß während des Baues der Kirche der Ritter alle Tage sey hingeritten, um sich zu überzeugen, daß die Bauleute ihre Schuldigkeit thäten, und dabei sey er, um zu sehen, ob auch inwendig Alles in Ordnung sey, durch jene Thüre jedesmal in das Innere des Baues hineingeritten. Darüber starb er aber, noch bevor die Kirche fertig war; und nun begab sich nach seinem Tode auf einmal das Wunder, daß der Ritter, der keine Ruhe im Grabe hatte, allnächtig auf einem Pferde durch die besagte Thüre in die Kirche hineinreiten mußte. Das dauerte so lange, bis man zuletzt auf den Einfall kam, die Thüre vermauern zu lassen. Dadurch bekam der Ritter Ruhe, und der Spuk hörte von da an auf. Deshalb hatte auch viele hundert Jahre lang kein Mensch gewagt, die Thüre wieder zu öffnen, weil man fürchtete, daß dann auch der Ritter aus seinem Grabe heraus, und seine alten Ritte wieder werde beginnen müssen. Als aber in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Dänen das Land besetzt hielten, so öffneten diese aus Vorwitz die Thüre wieder, und der Ritter muß seine Ruhe erhalten haben, denn die Thüre wird seitdem zum ordentlichen Kirchgange gebraucht, ohne daß man ihn jemals wieder gesehen hat.
In der Gegend von Baggendorf sind an der Trebel auch noch einzelne Berge, welche die Speckinenberge heißen, und von jenem Raubritter ihren Namen haben sollen. Ebenso soll er auch in Wendisch-Baggendorf ein Raubnest gehabt haben, nämlich auf dem runden Berge, den man nahe bei diesem Dorfe sieht, den er soll haben aufwerfen und mit einem Graben umziehen lassen. Unter dem alten Gemäuer seiner Burg zu Kirch-Baggendorf hat man vor einigen Jahren beim Nachgraben noch einen tiefen Brunnen gefunden, und viele Fußeisen, von denen man glaubt, daß er seine Gefangenen damit habe fesseln lassen.
Mündlich, und
Biederstedt, Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Pommern, I. S. 86. 87.
70. Die Capelle zu Levenhagen.
In dem Dorfe Levenhagen unweit Greifswald steht neben der Dorfkirche eine kleine Capelle. Die stammt noch aus den katholischen Zeiten her. Als nämlich dazumalen die Leute eines Sonntags aus der Kirche kamen, sahen sie an dem Orte, wo diese Capelle jetzt steht, auf einem Steine einen Menschen sitzen, der eine Hostie in der Hand hielt. Die andern Leute und der Priester fragten ihn, was das zu bedeuten hätte, daß er die geweihete Hostie in der Hand trage, und da bekannte er ihnen, daß er unwürdig zum heiligen Abendmahle gegangen sey, und die Hostie, die ihm der Priester gereicht, nicht herunter kriegen könne. Auf Befehl des Geistlichen mußte er sie deshalb auf den Stein legen, und da blieb sie die Nacht liegen. Wie man nun am anderen Morgen wieder zu dem Steine kam, da sah man ein großes Wunder. Es stand nämlich bei demselben das Bild der Mutter Maria. Die Heilige hatte es selbst als Wache dabei gestellt. Darauf beschlossen denn die Leute, dort eine Capelle zu errichten. Das geschah, und die Pferdejungen des Dorfes sammelten das Geld dazu. Solches gefiel der Heiligen gar sehr, und sie that fortan durch ihr Bildniß in der Capelle viele Wunderwerke.
Dieß wurde bald bekannt in der Gegend, und es bekam auch eine Gräfin davon zu hören, die sehr reich, aber blind war. Die unternahm deshalb schnell eine Reise nach Levenhagen, und gelobte in ihrem Herzen der Mutter Maria, sie wolle der Capelle ein großes Geschenk geben, wenn sie wieder sehend werde. Da trug es sich zu, daß, wie sie noch nicht einmal ganz bis zum Dorfe gekommen war, sie ihr Gesicht schon wieder erhielt. Die Gräfin war aber geizigen Herzens, und sie dachte jetzt, da sie ihre Augen wieder habe, so könne sie nur gleich wieder umkehren, und ihr Geld für sich behalten. Das that sie auch. Aber was geschah? So wie sie sich umgedrehet hatte, wurde sie wieder blind, wie sie vorher gewesen war. Und das blieb sie; denn es half ihr nun nichts mehr, daß sie noch nach der Capelle hinfuhr, und all ihr Geld und Gut versprach. Die Leute sagen, daß die Heilige seit der Zeit zu Levenhagen kein Wunder mehr verrichte. Manche glauben aber doch noch daran, wenigstens halb und halb, und sie meinen, es hülfe ihnen, wenn sie ein Opfer in die Mauern der Capelle hinein stecken. Darum findet man denn auch zu Zeiten darin allerlei Gaben.
Biederstedt, Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Pommern II. S. 86.
Acten der Pom. Gesellsch. für Gesch. und Alterth-Kunde.
71. Die Kirche zu Cablitz.
Die Pfarrkirche zu Cablitz war früher eine Mönchskirche, bis sie um das Jahr 1600, nachdem der damalige Herzog von Pommern für einen neuen Pfarrer 500 Gulden geschenkt hatte, zu einer evangelischen Kirche eingerichtet wurde. Bei dieser Einrichtung trug es sich zu, als ein sichtbares Zeichen des göttlichen Wohlgefallens an dem Beginnen, daß auf einer alten Eiche nahe bei der Kirche auf einmal ein schöner Honigthau gefunden wurde. Es sollte dadurch ohne Zweifel zugleich angedeutet werden, daß von nun an das reine Wort Gottes in der renovirten Kirche werde gepredigt werden.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch Chron. IV. S. 122.
72. Die offne Kirche zu Pollnow.
Zu der Kirche im Dorfe Pollnow in der Gegend von Schlawe war früher viele Jahre lang eine große Wallfahrt. Woher die zuerst ihren Grund genommen, weiß man nicht. Man sagt aber, sie sey so groß und anhaltend gewesen, daß man die Kirche niemals habe verschließen können. Daher hat man auch noch in Pommern das Sprichwort: Es steht immer offen, wie die Pollnowsche Kirche.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 446.
E. Lappe, Pommerbuch, S. 64.
73. Das Spiel zu Bahne.
Der Flecken Bahne war ehedem eine gute, feste Stadt. Als diese noch in ihrem Flor war, da hat man alle Jahre daselbst die Passion gespielt, und es ist derohalben viel Volk, fremdes und einheimisches, dahin gekommen. Das hat aber zuletzt ein trauriges Ende genommen. Denn wie man denn auch also die Passion aufführte, da begab es sich, daß derjenige, der Jesus sollte sein, und derjenige, so den Hauptmann Longinus vorstellen sollte, Todfeinde waren. Und als nun Longinus den Jesus mit dem Speer auf die Blase von Blut, so nach Art des Spiels bei ihm zugerichtet war, stechen sollte, stach er ihm den Speer durchweg ins Herz hinein, also daß er von Stund' an nicht blos todt blieb, sondern auch, indem er nun vom Kreuze stürzte, die darunter stehende Maria todt fiel. Als dieses der Johannes sah, welcher ein Freund des Jesus und der Maria war, da fiel er straks über den Longinus her und erwürgte ihn. Und als das Volk nun den Johannes greifen wollte, und dieser entfloh und von einer Mauer sprang, da brach er beide Beine, daß man ihn fing, und wurde er als ein Mörder auf das Rad gelegt. Von dem Tage an wurde keine Passion mehr zu Bahne gespielt. – Darum, wenn man ein fröhliches Ding, das ein jämmerlich Ende nimmt, bezeichnen will, sagt man in Pommern: Das geht, wie das Spiel zu Bahne.
Kantzow, Pomerania, II. S. 463.
74. Die beiden Störe und die geizigen Mönche zu Grobe.
Auf dem Lande Usedom lag ehedem ein großes Kloster, Grobe, auch wohl Grabow genannt. Es war gestiftet von dem Pommerschen Fürsten Ratibor und dessen Gemahlin Pribislav, im Jahre 1150, und der erste Abt war Sibrandt, ein gar frommer und gelehrter Mann. Als nun zu einer Zeit große Theurung im Lande war, und es auch den Mönchen in Grobe anfing, an Lebensmitteln zu gebrechen, da kamen auf einmal wunderbarer Weise zwei große Störe aus dem Haff bis an das Kloster geschwommen und stellten sich den Mönchen dar, und warteten so lange, bis Einer von ihnen gefangen war. Darauf schwamm der Andere eilends zurück, als wenn er den Gefangenen hergebracht hätte. Der eingefangene Stör aber war so groß, daß die Mönche eine gute Zeit davon leben konnten. Auf das nächste Jahr kam der entkommene Fisch selbander wieder bis an das Kloster und wartete wieder, bis der, den er gebracht, von den Mönchen gefangen war. Das geschah also viele Jahre, und die Mönche bekamen alljährlich einen großen, fetten Stör, bis sie zuletzt zu geizig wurden und alle beide Störe einfingen. Da hat plötzlich dieses Wunder aufgehört und es ist kein Stör mehr nach Grobe gekommen.
Kantzow, Pomerania, I. S. 137.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 189. 190.
Val. ab Eickstedt, Epitome Annalium Pomeraniae, p.
19.
Cramer, Gr. Pomm. Kirchen-Chron. II. S. 11.
75. Die Maränen im Madüesee.
In dem Madüesee unweit Stargard in Pommern findet man häufig die Maräne oder Muräne, einen Fisch, den es sonst in Deutschland nicht gibt, und den nur die welschen Seen haben. Er soll auf folgende Weise dahin gekommen sein: In dem Kloster Colbatz dicht an diesem Madüesee lebte vor Zeiten ein Abt, der aus Italien hergekommen war, und immer ein großes Verlangen nach den Maränen trug, die ihm in seiner Heimath so wohl geschmeckt hatten. Wie der nun auch einmal in solchen Gedanken in dem Klostergarten spatzieren ging, da erschien der Teufel vor ihm, und redete ihn mit listigen Worten an, und versprach ihm, daß er ihm die ersehnten Fische verschaffen werde, wenn der Abt sich ihm zu eigen geben wolle. Darüber gerieth dieser in großen Kummer und Streit mit sich selbst. Zuletzt aber sagte er dem bösen Feinde zu, wenn er ihm noch vor dem Hahnenrufe die Fische bringen werde. Denn es war schon Mitternacht, als diese Unterredung statt hatte, und der Abt meinte, der Teufel werde den langen Weg von Pommern nach Welschland und wieder daher, in so kurzer Zeit nicht zurücklegen können. Darauf verschwand der Böse eiligst in der Luft, schneller als wenn der Sturmwind durch die Wolken fährt.
Aber nun wurde dem armen Mönche sehr angst, und er warf sich auf seine Kniee und betete zu Gott, daß er ihn doch erretten möge vor den Krallen des Satans. Während er noch so da lag, hörte er auf einmal ein lautes Brausen in der Luft von Süden her, und weil es noch ganz dunkel war, so glaubte er nicht anders, als daß es jetzt um ihn geschehen sey. Das Brausen kam auch wirklich von dem Teufel her; der hatte einen ganzen Sack voll der schönsten Maränen bei sich, die er in der größten Eile aus dem welschen Meere geholt hatte. Der Böse kam sausend damit angefahren, und jubilirte schon laut, daß die Seele des frommen Paters sein eigen sey. Aber in dem nämlichen Augenblicke, noch ehe er bei dem Abte ankommen konnte, krähte der Hahn und der Glöckner im Kloster zog den Strang der Glocke, um die Brüder zur Hora zu rufen. Da sah der Teufel, daß er doch zu spät gekommen war, und er warf in seinem Zorne die Fische in den Madüesee hinein, über dem er sich gerade befand. Darin sind sie denn von der Zeit an geblieben.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 279.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 14-18.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
76. Die Gräfin Jarislav von Gützkow.
Um die Zeit des Jahres 1295 lebte der Graf Jazko von Gützkow aus dem Hause der Grafen von Salzwedel in der Altmark. Der hatte zur Gemahlin Jarislav, ein Fräulein von Putbus, welche zwar eine sehr gottesfürchtige Frau war, aber doch viele Anfechtungen des Bösen zu erdulden hatte. Als diese einmal krank danieder lag, so erschien ohne Unterlaß der Teufel vor ihrem Bette und wollte sie wegholen, so daß sie Tag und Nacht in einer großen Angst um ihre ewige Seligkeit schwebte. In solcher Angst sandte sie zu ihrem Oheim, dem Bischof von Cammin, und bat ihn um seinen geistlichen Beistand und Segen. Der Bischof erschien auch alsbald an ihrem Lager, und vertrieb den Teufel blos dadurch, daß er ihr die Fabel von der Mutter erzählte, die ihr Kind dem Wolf wollte geben, welches der Wolf hörte und wahr meinte, und darauf wartete. Also stelle sich auch, sagte er, unser Herr Gott, als wolle er sie dem Teufel übergeben, und der Teufel harre vergebens darauf. Als dieses der Teufel zu hören bekam, da zog er von dannen, und ist nicht wieder gekommen.
v. Schwarz, Pommersche Städte-Geschichte (Historie v.d. Grafschaft Sützkow), S. 742.
77. Die hochmüthige Edelfrau zu Wusseken.
Vor vielen Jahren war zu Wusseken am Jamundschen See eine sehr hochmüthige Edelfrau. Als dieselbe eines Tages zum heiligen Abendmahl ging und vor den Altar trat, da kam ein Schweinehirt gerade vor ihr zu sitzen, also daß der Priester ihm eher denn ihr das Abendmal hätte reichen müssen. Darüber wurde die Frau in ihrem Hochmuthe so wüthig, daß sie den Schweinehirten mit Gewalt zurückstieß, und zwar dergestalt, daß die Hostie dem Priester aus der Hand und zur Erde fiel. Allein der Zorn des Himmels über solche Frechheit offenbarte sich auf der Stelle. Denn die hingefallene Hostie war auf einmal blutig geworden, und die Edelfrau sank eben so plötzlich bis an die Kniee in die Erde hinein. Daraus konnte sie auch nicht eher wieder befreiet oder erlöset werden, als bis sie die Buße that, die ihr auferlegt wurde, und eine Pilgerfahrt nach Rom gelobte, um sich vom Papste selbst Ablaß für ihren Frevel zu holen. – Die Hostie aber wurde von der Erde aufgehoben, und weil sich ein Wunder des Himmels an ihr offenbart hatte, in eine Monstranz gelegt und öffentlich ausgestellt, worauf jährlich eine große Wallfahrt dahin angestellt wurde, die lange Jahre gedauert hat.
Die Kirche, in der dieses geschehen, ist jetzt schon seit vielen Jahren zerstört, ihren Thurm sieht man aber noch in einem Eichenwäldchen bei Wusseken.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 416.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chr. II. S. 79.
Pommersche Prov. Blätter II. S. 93.
78. Die Raubmönche zu Stettin.
In der Stadt Stettin war vor Zeiten ein Kloster, dessen Mönche sich viel damit abgaben, daß sie Menschen raubten. Neben dem Kloster wohnte ein Bäcker, der für das Kloster backte. Der hatte eine schöne Tochter, für welche ein vornehmer, reicher Herr den Mönchen viel Geld geboten hatte, wenn sie sie ihm verschafften. Wie nun das Mädchen eines Tages wie gewöhnlich den Mönchen das Brod an das Klostergitter brachte, lockten sie dieselbe in das Innere des Klosters, und sperrten sie in ein unterirdisches Gewölbe, bis der vornehme Herr sie abholen würde. Kein Mensch konnte sich denken, wo das Mädchen geblieben wäre, die bei hellem Tage verschwunden war; ihre Eltern grämten sich fast todt um sie.
Um dieselbe Zeit saß in dem Gewölbe des Klosters ein Knabe gefangen, den die Mönche auch gestohlen hatten. Dem glückte es, durch die Klosterkirche zu entkommen, und da er auch das geraubte Mädchen gesehen hatte, so ging er zu dem Bäcker und zeigte ihm an, wo seine Tochter wäre. Anfangs wollte man dem Knaben nicht glauben; als er sich aber erbot, die Leute zu dem Mädchen hinzuführen, da beschloß das Gericht, dem auch Anzeige gemacht war, Nachsuchung zu halten, und sie fanden nun das arme Mädchen und befreieten sie.
Das Haus des Bäckers wird noch jetzt in der Königsstraße zu Stettin gezeigt.
Mündlich.
79. Eulenspiegel in Pommern.
Es hatte sich Eulenspiegel in allen Landen mit seiner Bosheit bekannt gemacht, und wo er einmal gewesen war, da war er nicht zum zweitenmal willkommen. Derohalben war er nun zwar anfangs guter Dinge, auf die Dauer aber ging er doch in sich, und gedachte was er anfinge, daß er wieder zu Gelde käme durch Nichtsthun, denn er sahe, daß Mancher mit Müßiggehen bessere Tage hatte, denn ein Anderer mit saurer Arbeit. Da gedachte er, daß er noch nicht im Pommerlande gewesen sey, und er nahm sich vor, dahin zu gehen. Er kleidete sich also aus für einen Mönch, nahm von einem Bauernkirchhofe irgend einen alten Todtenkopf, den er in Silber einfassen ließ, und reisete damit in das Land Pommern, wo die Priester zu damaliger Zeit sich mehr aufs Saufen denn aufs Predigen legten. Wenn er denn nun in ein Dorf kam, wo Kirchweihe, Hochzeit oder sonst eine Versammlung war, so bat Eulenspiegel den Pfarrherrn, daß er predigen und den Bauern das Heiligthum verkünden dürfe, welches er mit sich führe. Versprach demselben auch, daß er ihm wolle abgeben von den Opfern, so er bekommen werde. Damit waren die Pfaffen gern zufrieden, daß sie Geld bekämen.
Wie nun das meiste Volk in der Kirche war, stieg Eulenspiegel auf den Predigtstuhl, und sprach viel von der alten Ehe und von der neuen, von der Arche und dem güldenen Eimer, wo das Himmelbrod innen lag, daß ihn die Leute zuerst für einen grundgelehrten und heiligen Mann hielten. Alsdann aber zeigte er ihnen seinen versilberten Todtenkopf, und redete ihnen zu, daß dieß das Haupt eines großen Heiligen sey, so Brannio geheißen, und für den er zu einer neuen Kirche sammeln wolle. Alsdann forderte er sie auf, daß auch sie zu dieser Kirche opfern sollten. Dabei fuhr der Schalk dann fort: Das thuet aber nur mit reinem Gut. Absonderlich will der Heilige kein Opfer von einer Ehebrecherin. Die unter Euch eine solche und nicht rein ist, die stehe still, und gehe nicht zum Opferaltare. Denn so mir Eine was opfern würde, die des Ehebruchs schuldig ist, so nehme ich es nicht, von der verschmäh' ich es. Darnach wisset Euch zu richten.
Hierauf gab er nun den Leuten das Haupt, das er mit sich führte, zu küssen, ertheilte ihnen seinen Segen, und trat an den Altar zu dem Opferbecken. Alsdann fing der Pfarrherr an zu singen und die Schellen zu läuten. Da drangen denn die bösen mit den frommen Weibern zum Altar, um zu opfern. Und die ein böses Geschrei hatten, oder die nichts taugten, die waren die ersten mit ihrem Opfer; denn eine Jede meinte, die still stünde und nicht an das Opferbecken träte, die sey nicht fromm. Etliche waren sogar, die zwei oder drei mal opferten, daß es das Volk sollte sehen, und sie aus ihrem bösen Geschrei kämen. Und welche kein Geld hatten, die opferten ihre Ringe oder was sie sonst von Werth besaßen.
Eulenspiegel aber lachte, denn er bekam so viele Opfer, dergleichen bisher noch nicht war gehört worden. Und er zog als ein reicher Mann aus Pommern.
Altes Historienbuch von Till Eulenspiegel, gedruckt in diesem Jahr.
80. Die Putzkeller im Lande Bart.
Um die Zeit 1450 bis 1500 war im Lande Bart eine Religionssecte, die Putzkeller genannt. Woher die entstanden war, weiß man nicht. Aber sie hatten eine teuflische Lehre, schier auf die Art wie die Adamiter und Gartenbrüder. Sie hatten einen Glauben, daß nach dem jüngsten Tage der Teufel solle Christum aus dem Himmel vertreiben, und darin mit seinem Anhange so lange regieren, als Christus regieret hat. Sie kamen alle Jahre an einem Orte zusammen, daselbst sie über Nacht sonderbare Ceremonien und Gebete gehalten, und ihr Vaterunser hat angefangen: Vader use, Hul der buse, thovorn werst du over uns, nu bist du under uns!
Wenn sie nun ihre Gebete vorbei gehabt, dann haben sie sich verschworen, daß sie ihre Gebräuche und ihren Glauben nicht verrathen wollten, und darauf hat ihr Oberster alle Lichter ausgeschlagen und gerufen: Nun wachset und vermehret Euch! Sind sodann Alle zusammengefallen, Mann und Weib, Gesellen und Jungfrauen, wie sie ungefährlich beisammen gestanden, und haben dafür gehalten, wer in dem Glauben wäre, der könne nimmer arm werden.
Ihr Abzeichen gegen einander war, wenn sie bei anderen Christen in der Kirche saßen, und wenn dann das Sacrament in der Messe aufgehoben wurde, daß sie sich umkehrten oder ja nicht danach sahen.
Diese Abgötterei war allein unter dem Adel im Lande; und sie trieben sie so heimlich, daß Niemand etwas davon erfahren konnte. Da hat aber einmal der Teufel, dem sie ergeben waren, den Zehnten von ihnen gefordert, und urplötzlich, als sie einmal Alle wieder beisammen waren, eine Edeljungfrau, aus dem Geschlechte der von Datenberg, mitten unter ihnen weg durch die Luft davon geführt. Dadurch ist der ganze Convent verstöret worden, und die Sache ausgebrochen.
Man sagt auch, daß Anhänger von dieser Secte der Putzkeller in und um Angermünde in der Mark gewesen seyen, weshalb diese Stadt den Namen Ketzer-Angermünde bekommen habe. Allda ist Einer unter ihnen gewesen, geheißen Marquard Behr von Forkenbeck; der ist ein Jahr lang entwichen gewesen nach Picardien; nach Verlauf des Jahres aber ist er wiedergekommen, und hat Metzbauers von dem Grellenberge nachgelassenen Wittwe, ferner Margarethe Leisten, eine Jungfrau, und noch mehrere Jungfrauen mit sich geführet. Er hat vier reisige Pferde und einen verdeckten Wagen gehabt, darin er die Frau und die Jungfrauen entführet; wohin, das weiß Niemand bis auf diesen Tag.
Kantzow, Pomerania, II. S. 57-59.
Cramer, Gr. Pomm. Kirchen-Chronik, II. S. 104.
81. Die blutigen Judenkinder.
Um die Jahre 1492 bis 1500 ließen in vielen Gegenden von Deutschland, als in der Mark und im Mecklenburgischen, die Juden allerlei gottlose Sünde und insbesondere Beschimpfungen des heiligen Sacraments des Altars sich beigehen, weshalb sie von ihren Herren zum großen Theil aus dem Lande gejagt wurden. Auch Herzog Bogislav von Pommern jagte die Juden fort, deren dazumal viele, besonders zu Damm bei Stettin, zu Bart und in allen kleinen Flecken des Landes wohnten. Unter diesen waren ein Mann und eine Weib, die ließen sich taufen, da ließ der Herzog sie wohnen und sie zogen gen Triebsees. Aber sie hatten sich nur zum Scheine taufen lassen, und waren eigentlich Juden geblieben; dafür wurden sie denn sichtbar von Gott gestraft. Denn so oft das Weib ein Kind gebar, hat dieses eine blutige Hand mit zur Welt gebracht. Da solches die Christenfrauen sahen, scheute man sich vor ihnen, und es wollte Niemand etwas mit ihnen zu thun haben. Der Jude mit seinem Weibe zog daher von Triebsees fort, zuerst nach Lassahn, und darauf nach Usedom. Allein jene Strafe verfolgte sie überall hin, bis sie zuletzt bekannten, daß sie im Herzen Juden geblieben seyen, und sich nun im Ernst bekehrten.
Th. Kantzow, Pomerania, II. S. 227.
82. Matthias Puttkammer, der Schläfer.
Um das Jahr 1504 lebte zu Stettin ein Priester, Matthias von Puttkammer, der früher Capellan der Gemahlin Herzogs Bogislav X. gewesen war. Diesem, so ein sehr frommer Mann war, begegnete einst, in seinen alten Tagen, ein sehr sonderbares Abenteuer. Denn nachdem er in der Christnacht des Jahres 1504, wo er, wie gebräuchlich, drei Messen lesen mußte, Eine gelesen hatte, und es nun vor Altersschwachheit und Kälte in der Kirche nicht mehr aushalten konnte, sich vielmehr in seine Zelle zurückbegeben hatte, um dort ein Weniges auszuruhen, verfiel er auf einmal in einen festen, tiefen Schlaf. Dieser dauerte den ganzen Tag und die Nacht fort, und so immer weiter. Keiner war im Stande, ihn zu erwecken. Das währte also dreizehn Tage lang; da erwachte der fromme Priester von selbst, und vermeinend, er habe nur eine Stunde lang ausgeruhet, und es sey annoch in der Christnacht, erhob er sich, und ging in die Kirche, um die beiden noch fehlenden Messen zu lesen. Da erfuhr er erst seinen Irrthum. Er hat nachher noch lange Jahre zu Stettin gelebt.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 369.
83. Der jähzornige Edelmann zu Dünnow.
In dem Dorfe Dünnow lebte zu katholischen Zeiten ein Edelmann, Namens Junker Krummel. Derselbe war sehr reich, denn es gehörten ihm die Güter Lindow, Muddel und Horst. Er war auch gottesfürchtig und brav, und konnte nicht leiden, daß Jemandem Unrecht geschah. Dabei war er aber erschrecklich heftig und jähzornig. Zu derselben Zeit war an der Kirche zu Dünnow ein geiziger und hartherziger Pfaff. Eines Tages trug es sich nun zu, daß der Junker, als er durch das Dorf ging, eine alte Frau draußen neben der Kirche am Thurme sitzen sah. Die Frau sah sehr ärmlich aus, sie hatte nicht einmal Schuhe an den Füßen, und weinte ihre bitteren Thränen. Der Junker fragte sie, warum sie weine und was ihr fehle, und sie erzählte ihm darauf, daß der Priester ihr nicht die Beichte hören wolle, wenn sie ihm nicht eine Stiege Eier brächte; sie sey eine arme Frau, und habe nur vier Eier aufbringen können, die habe sie dem Priester gebracht, der aber nicht damit zufrieden gewesen, sondern sie von der Beichte und aus der Kirche gewiesen habe.
Ueber solchen Bericht wurde der Junker Krummel sehr erzürnt; er begab sich sofort in die Kirche zu dem Pfaffen, und befahl ihm, schleunigst die arme Frau zur Beichte zu lassen. Der erwiederte ihm aber, in der Kirche habe der Junker nichts zu befehlen, und er wies ihn mit spöttischen Worten hinaus. Da gerieth der Edelmann in seinen schrecklichen Zorn und zog sein Schwert heraus, und schrie dem Pfaffen zu: Hast du kein Erbarmen, so soll für dich auch keins sein! Damit stieß er ihm das Schwert in das Herz, daß der Pfaff sogleich todt hinfiel und das Blut ihm aus der Brust floß. Das soll aber so schwarz gewesen sein, wie der schwarze Priesterrock, den er am Leibe trug.
Wie dieß geschehen war, da wurde der Junker sehr betrübt, und er fragte, wie er die große Sünde, die er begangen, von sich abwaschen könne. Die Geistlichen, die damals im Lande viel zu sagen hatten, legten ihm darauf eine doppelte Buße auf. Zuerst sollte er barfuß in die Fremde gehen, und alle Klöster beschenken, an die er unterwegs kam; und als er zurückkehrte, verlangten sie von ihm, daß er all sein Gut der Kirche übergeben solle. Dieses Letztere wurde aber von dem Herzog Bogislav anders vermittelt, so daß der Junker nur das Gut Horst und seinen Wald der Kirche schenken mußte. Das andere behielt er für sich; aber er starb vor Gram bald darauf.
Acten der Pomm. Ges. für Gesch.
84. Der disputirende Mönch.
Im Jahre 1524 lebte in Pommern ein Mönch, Namens Nicolaus Thomas, gewöhnlich nur der starke Hans genannt, denn er war von solchen Kräften, daß er Bäume aus der Erde zu reißen und Wunden in das Wasser zu schlagen sich vermaß. Derselbe wurde absonderlich viel zu den damaligen Disputationen zwischen den Katholischen und Evangelischen gebraucht; denn durch sein Schreien und Pochen konnte er mehr ausrichten, als jeder seiner Gegner, und er ward dadurch ein gar gefährlicher Widersacher. Solches sein Treiben nahm aber zuletzt kein gutes Ende. Nachdem ihn nämlich einmal der Prior des Klosters zu Stettin dahin verschrieben hatte, daß er durch sein breites Maul die Leute bewegen sollte, bei dem katholischen Glauben zu verharren, er aber dieses ein ganzes Jahr lang, immer mit geringerem Erfolge versucht, und er nun mit dem Schwure nach Rügen abziehen wollte, daß nur seine Lehre recht wäre, und die andere Ketzerei, darauf er Leib und Seele zum Pfande setze; da wurde es klar bewiesen, was für einen Grund und Pfand die Gottlosen ihren Lehren empfangen hätten. Denn er war noch nicht weit von der Stadt gekommen, als ihn die Pferde plötzlich in einen Sumpf zogen, da vorher noch Niemand daran gedacht hatte, daß darin ein Mensch ertrinken könne. Darin fiel der Wagen sonderbarer Weise um, so daß der Pfaff unter ihm zu liegen kam; und wie auch seine Bücher auf ihn fielen, aus denen er bei seinem Disputiren sich geholfen hatte, so mußte er elendiglich im Wasser ertrinken.
Cramer, Große Pomm. Kirchen-Chronik, III. S. 68.
85. Bestrafung eines Meßpfaffen.
Zu der Zeit, als die neue evangelische Lehre in Pommern aufkam, und das Lesen der päpstlichen Messe verboten war, lebte in Stolpe ein katholischer Meßpfaff, der trotz dem Verbote die Messe mit aller Gewalt lesen wollte. Als der nun aber so vor den Altar trat und anheben wollte, da stürzte er plötzlich nieder, und es rührte ihn die Hand Gottes, daß seitdem Keiner vor dem Altar in Stolpe eine päpstliche Messe hat lesen können.
Cramer, Große Pomm. Kirchen-Chronik, III. S. 69.
86. Der Papenhagen in Langenhagen.
Ein Theil des Dorfes Langenhagen heißt der Papenhagen. Dieser Name soll daher rühren: Als nämlich die Evangelische Lehre in Pommern eingeführt wurde, da verließen zwei Mönche des Klosters Belbog dieses Kloster, und es begab sich der Eine nach dem Dorfe Triebs, der Andere aber nach Langenhagen, wo sie nach der neuen Lehre den Gemeinden als Prediger vorstanden, und zwei Bauerngehöfte, welche noch jetzt allda die Pfarrhöfe sind, zu ihren Amtswohnungen nahmen. Derjenige Theil von Langenhagen nun, in welchem die Wohnung des dorthin gegangenen Mönches sich befand, wurde von da an der Papenhagen genannt.
Baltische Studien, II. S. 53.
87. Der Teufel in der St. Niclaus-Kirche zu Stettin.
In dem Jahre 1563 begab es sich am Montag nach Pfingsten, daß in der St. Niclaus-Kirche zu Stettin, an welcher Magister Petrus Hartmann Pfarrer war, in dem Augenblicke als dieser das Evangelium: Also hat Gott die Welt geliebt, verlesen hatte, der Teufel oben auf dem Gewölbe einen gräulichen Tumult und Polterwerk erhob, worauf ein Staub und ein Krachen entstand, nicht anders, als wenn das ganze Gewölbe und alles von oben herunterbrechen sollte. Darüber kam denn ein großes Schrecken unter das Volk, welches mit Eile und Gedränge aus der Kirche hinauslief. Als man nachher aber die Sache untersuchen wollte, da fand man davon nicht den geringsten Grund, und nun sah man denn, daß nur der Teufel sein höllisches Spiel getrieben hatte.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. III. S. 171.
88. Die Verschwörer wider die Ehe.
Der erste Priester, der sich in Pommern nach dem Beispiele Luthers verehelichte, war Herr Dionysius Beigerow in Treptow. Als derselbe solches gegen den damaligen Glauben gethan hatte, erhoben die anderen Pfaffen ein großes Geschrei, und brachten bei dem Rathe in Treptow zu Wege, daß er sollte gefangen werden. Besonders übernahmen vier Herren aus dem Rath, den Geistlichen nicht zu warnen, sondern ihn zu überantworten. Zu mehrerer Befestigung beschworen sie dieß mit einem körperlichen Eide. Dafür wurden sie denn zum Theil hart bestraft. Denn der Hauptanführer von ihnen, da er in der nächsten Nacht darauf frisch und gesund sich hingelegt hatte, wurde am anderen Morgen mit umgedrehtem Halse todt im Bette gefunden. Einem Anderen war ein Gespenst erschienen, und er lag von da an in großer Bitterkeit des Todes, und konnte kein Wort reden, sondern nur mit den zwei Fingern, damit er geschworen hatte, ein Zeichen geben, als wollte er anzeigen, daß es um des Eides willen geschehen wäre. In der anderen Nacht starb er. Also hat Gott, da die Leute nun zur Erkenntniß kamen, dem Priester aus dem schweren Gefängniß geholfen.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. III. S. 69.
89. Magister Frisius.
Im Jahre 1579 war zu Stettin ein Prediger, Namens Magister Joachim Frisius, aus Belgard gebürtig. Derselbe predigte nicht die reine evangelische Lehre, sondern lehrte, daß Christus an einem umschränkten Orte im Himmel säße. Dafür traf ihn ein offenbares Zorneszeichen des Himmels. Denn als er eines Tages, nämlich auf den Tag Judica, in der Vesperpredigt den Text verlesen, und nun anfangen wollen, denselben zu erklären, hat plötzlich, in solcher Jahreszeit ungewöhnlicher Weise, ein Blitz mit einem einzelnen Donnerschlage in den Thurm der Kirche eingeschlagen, also daß dieser von Glock drei Nachmittags an die ganze Nacht durch gebrannt, und alle Glocken darin, so wie das Orgelwerk in der Kirche geschmolzen sind. Weiter ist aber, durch besondere Gnade Gottes, nicht verbrannt, obschon die ganze Kirche voll Feuer gewesen, und die Flammen über die ganze Stadt geflogen sind.
Leider ließ Magister Frisius durch solch deutliches Zeichen sich nicht warnen, bis er zuletzt, um dem Aergerniß, welches er gab, Einhalt zu thun, von Stettin hat müssen nach Garz versetzt werden.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 392. 393.
90. Der Gotteslästerer in Lassahn.
Im Jahre 1584 redete der Prediger, so damals zu Lassahn stand, von der Allgegenwart Christi, nach der menschlichen Natur wegen der persönlichen Vereinigung. Einer seiner Zuhörer strafte ihn öffentlich Lügen, und blieb auch dabei, obschon der Prediger Gott zum Zeugen der Wahrheit seiner Behauptung aufrief. Da verfiel der Mensch aber auf einmal in gräuliche Wahnsinnigkeit, griff nach seinem Dolche, und wollte sich damit erstechen, verwundete sich auch hart, und wollte die Wunde nicht verbinden lassen, sondern riß sie immer wieder auf. Also mußte er, da er auch von keinem Prediger Trost annehmen wollte, zur Strafe für seine Gotteslästerung, in Verzweiflung seinen Geist aufgeben.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 443.
91. Pastor Cradelius.
Im Jahre 1625, zu der Zeit als die Pest in Stettin wüthete, war daselbst Prediger an der Sanct Petri-Kirche, Herr Philipp Cradelius, ein gar frommer und gottesfürchtiger Mann. Der ging eines Abends über den Heumarkt zu Stettin, um nach seinem Hause zurückzukehren; da hörte er auf einmal bei ganz stillem Wetter oben aus der Luft eine hellklingende Stimme, die rief ihm zu: Wann wir gerichtet werden, so werden wir vom Herrn gezüchtiget. Der Prediger, als er dieß höret, blieb stehen, und fragte sonder Furcht die Stimme: Auf daß wir nicht mit der Welt verdammet werden, wo bleibt das? – Er bekommt aber keine Antwort, und merkt nun wohl, was die Stimme zu bedeuten habe. Und so wie er sich dieß gedacht hatte, so geschah es auch. Er war damals noch frisch und gesund; allein so wie er heim kommt, legt er sich hin und stirbt. Sein Töchterchen Martha, von eilf Jahren, als sie höret, daß ihr Vater todt sey, sagt sie: das sey Gott geklagt, ist mein Vater todt, so tröste Gott uns arme Kinder! geht damit, da sie doch zuvor ganz gesund war, weinend liegen, wird krank, und ist des Morgens todt. Das andere Töchterlein Sophia kommt sodann spielend zu Hause, und legt sich gleichfalls und stirbt. Bald darauf folgt ihm auch sein Sohn Philippus. Also nimmt der Vater seine zwei Töchter und seinen Sohn mit sich in das Grab hinein.
Micrälius, Altes Pommerland II. S. 117. 118.
Historische Nachricht von den alten Einwohnern in Pommern, von Christian Zickermann, S. 63.
92. Die ungerathenen Kinder in Stettin.
In der Stadt Stettin lebten zu einer Zeit zwei ungerathene Kinder, die ihren Eltern viel Herzeleid machten, und in ihrer Gottlosigkeit zuletzt so weit gingen, daß sie dieselben sogar schlugen. Dafür traf sie eine entsetzliche Strafe. Denn nachdem sie beide plötzlich gestorben waren, und man sie begraben hatte, streckte sich auf einmal von jedem die Hand aus dem Grabe heraus, mit welcher die Mißhandlung der Eltern verübt war. Das Schrecklichste dabei war, daß die Hände frisch und blutend waren, und nicht verwesen konnten. Man grub sie zwar in die Erde wieder hinein, allein das konnte nicht helfen, sie wuchsen immer wieder heraus. Da beschloß man zuletzt auf Berathung des Raths und der Geistlichkeit, daß man sie mit einem Spaten abstechen wolle. Das geschah, und man hing sie zum ewigen warnenden Andenken in der Kirche auf. In der Kirche St. Peter und Paul zu Stettin hängen sie noch jetzt in der Sacristei.
Auch in der Kirche zu Bergen auf Rügen zeigt man eine abgehauene Menschenhand vor, welche von einem Vatermörder seyn soll, und nach dessen Tode aus dem Grabe hervorgewachsen ist, und nicht wieder hat hinein gebracht werden können, so daß man sich zuletzt genöthigt gesehen hat, sie abzuhauen.
Eine ähnliche Hand einrs Vatermörders wird auf der Rathsbibliothek zu Stralsund verwahrt.
Historische Nachricht von den alten Einwohnern in Pommern, von Christian Zickermann, S. 87.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 179.
Zöllners Reise durch Pommern und Rügen, S. 206.
93. Die Blutflecken in der Jacobikirche zu Stettin.
In der Jacobikirche zu Stettin zeigt man einige kleine Blutflecken, die man durch kein Waschen oder Schaben vertilgen kann. Die sollen auf folgende Weise entstanden seyn. In der Kirche spielten einst während des Gottesdienstes vier gottlose Buben in der Karte. Plötzlich trat der Teufel zu ihnen, und fing an, mit ihnen zu spielen. Anfangs kannten die Knaben ihn nicht. Bald merkte aber Einer von ihnen, daß es der Teufel sey, der sich mit ihnen ins Spiel gegeben habe, denn er sah dessen Pferdefuß; er machte sich also geschwinde davon. Nach einer Weile merkte es auch ein Zweiter, der sich ebenfalls davon schlich. Auch dem Dritten gingen endlich die Augen auf, und er that, wie die beiden Andern. Der Vierte aber war so nur auf sein Spiel versessen, daß er gar nicht gewahrte, mit wem er spiele. Daher bekam der Teufel so viel Gewalt über ihn, daß er mit ihm aus der Kirche davon fahren durfte. Das that er denn auch, indem er ihn plötzlich ergriff, und ihm den Hals umdrehete, und dann mit großem Getöse ihn von dannen führte. Der Teufel hatte dabei mit seinen scharfen Krallen so fest in das Fleisch des Knaben gepackt, daß das Blut danach floß; davon rühren noch jene Blutflecken her.
Mündlich.
94. Der verzweifelte Kornwucherer.
Zu einer Zeit, es ist schon lange über vierhundert Jahre her, war in Pommern eine große Theurung an Krone. Damals lebte in der Stadt Damgard ein Bürger, Pantlitz geheißen, der, obgleich er schon reich war, doch viel Korn zusammengekauft hatte, in der Hoffnung, daß es noch theurer werden sollte und er daran brav Geld verdienen werde. Für solchen Geiz traf ihn die sichtbare Strafe des Himmels. Denn als unser Herr Gott im nächsten Jahre des Segens genug gab, und Pantlitz eines Tages sein Korn selbst einfuhr, da fing sein Knecht, den er bei sich hatte, mit lauter Stimme an ein fröhliches Lied zu singen, also daß Pantlitz ihn fragte, warum er denn so fröhlich sey und singe? Dem antwortet der Knecht, er freue sich, daß unser Herr wieder so gute Zeit gegeben, daß die armen Leute wieder etwas zu essen hätten, und er sang immer zu. Darüber ärgerte sich Pantlitz in seinem geizigen Gemüthe, und es verdroß ihn, daß er so fröhlich war, und so ein gutes Jahr war geworden. Und wie er gerade oben auf dem Kornwagen saß, so nahm er in seinem Verdrusse das Seil, womit der Weichselbaum gebunden war, schnürte sich dasselbe um den Hals und sprang von dem Wagen, also daß er sich jämmerlich erwürgte. Da war es denn schrecklich anzusehen, wie der erwürgte Kornwucherer hinten an seinem eigenen Wagen hing, denn der Knecht, der immerzu fröhlich singend neben den Pferden ging, sah seinen todten Herrn nicht eher, denn als der Wagen in der Stadt angekommen war. Also sollte es allen Wucherern ergehen.
Kantzow, Pomerania, I. S. 417.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 270.
95. Treue Liebe.
Im Jahre 1644 wurde Samuel Heinrich Sommerfeld, ein Mecklenburger, Pastor zu Gustow auf Rügen. Die Gemeinde hatte ihn nur unter der Bedingung gewählt, daß er entweder die Wittwe des verstorbenen Predigers oder dessen Tochter, die auch schon erwachsen war, heirathe, und er hatte solches zugesagt. Die Wittwe selbst erklärte nun anfangs, daß sie, weil sie schon sehr bei Jahren war, selbst nicht mehr heirathen wolle, und sie bestimmte ihre Tochter Margaretha zu der Frau des künftigen Predigers, machte auch ihrer Seits schon Anstalt, den Wittwensitz zu beziehen. Nachdem sie aber den jungen Candidaten durchs Fenster gesehen hatte, wie er eben seine erste Predigt abgelegt, da verspürte sie plötzlich in ihrem Herzen eine starke Liebesregung zu demselben, und sie änderte ihren Sinn, und als der Candidat darauf zu ihr kam, um die Hand ihrer Tochter anzuhalten, so erwiederte sie ihm nur die Worte: Ick will den Heeren sülvest (Ich will den Herrn selbst)! Der arme Candidat, wollte er die Pfarre nicht verlieren, mußte er auch die alte Quarre mitnehmen, und er ließ sich, anstatt mit der Tochter, mit der Mutter trauen. Allein das that er nur mit schwerem Herzen, und wenn er hernachmals zuweilen mit ihr bei fröhlichen Zusammenkünften gescherzet, hat er oft zu ihr gesprochen: Mütterchen, Mütterchen, Gott gebe Euch das ewige Leben. Worauf ihm aber die Alte jedesmal geantwortet: Und Euch auch, hinzusetzend, daß sie auch im Tode nicht von ihm lassen werde, was auch also geschah.
Denn als nun fünf und zwanzig Jahre verflossen waren, da geschah es einmal, daß dieses Mütterchen etwas unvorsichtig mit dem Brauwerk umging, und dem kochenden Kessel mit dem Arm zu nahe kam. Hieraus entstand bei der alten Frau eine Entzündung, und erfolgte bald darauf ihr Lebensende im vier und siebenzigsten Jahre ihres Alters. Der Pastor, ihr Mann, war darüber wohlgemuth, und heirathete bald nach ihrem Tode eine artige und wohlgestaltete Jungfer, Catharina Vetters, des Diaconi zu Bergen hinterlassene Tochter. Mit der lebte er sehr freudig und vergnüglich. Aber es dauerte nicht lange, da ging in Erfüllung, was die alte Frau ihm angedrohet hatte, und der Pastor starb nach Verlauf eines Jahrs eines plötzlichen, unverhofften Todes. Dieß geschah Anno 1670, wie der Herr Pastor 26 Jahre lang die Heerde Christi geweidet, und ein Alter von 54 Jahren erreicht hatte. Seine junge Frau folgte ihm kurze Zeit nachher.
Altes und Neues Rügen, S. 258.
96. Das Feuer in Stargard.
In Stargard lebte vor Zeiten ein Prediger, Antonius Remelding. Als derselbe im Jahre 1584 auf seinem Todesbette lag, da erschien ihm auf einmal ein Mann, hinter welchem ein großes Feuer aufging, und neben dem Manne erschien eine Hand, welche unnatürliche Worte an die Wand schrieb. Daraus ersah der sterbende Mann, daß der Stadt ein großes Feuerunglück bevorstehe, und er sagte dieses den Umstehenden an. Also traf es auch ein. Denn vier Wochen darauf, gerade im Pfingsten, schlug das Wetter ein, und zündete die Stadt an, daß sie drei Tage lang gebrannt, und über 500 Häuser verloren hat.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 412.
97. Das fluchende Weib zu Demmin.
In der Stadt Demmin entstand einst eine große Feuersbrunst, welche mehr als die halbe Stadt verzehrte. Dieselbe ist aber auf folgende Weise zum schrecklichen Exempel aller Gotteslästerer angefangen: Es wohnte in der Stadt ein Edelmann Namens Calandt, der hatte ein sehr böses und geiziges Weib. Wie nun an einem Sonntag Morgen die Magd in die Frühmesse gehen will, weil sie nachher keine Zeit mehr hat, eine Messe zu hören, da befiehlt ihr die Frau, sie solle erst das Feuer unter der Darre anmachen, denn derselbige Edelmann hatte, wie die anderen Bürger, eine große Brauerei. Dagegen stellt ihr die Magd vor, daß sie keine Zeit mehr habe, und wenn sie erst noch das Feuer anlegen solle, das Evangelium versäumen werde. Aber die Frau schalt und fluchte, und befahl ihr, sie sollte das Feuer anmachen in hundert tausend Teufel Namen. Da muß die Magd das Feuer anlegen; aber der Teufel hatte durch den Fluch dermaßen Gewalt über dasselbige bekommen, daß kein Mensch es wieder hat löschen können; also daß es immer heftiger und weiter um sich fraß, und nicht eher ausging, als bis mehr denn die halbe Stadt in Asche lag. Die Bürger geriethen darüber in großen Zorn, und wollten den Calandt und seine Frau ins Feuer werfen; aber diese hatten sich in der Eile davon gemacht. Dieß geschah im Jahre 1407.
Kantzow, Pomerania, I. S. 445.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 274.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. II. S. 86.
Stolle, Geschichte der Stadt Demmin, S. 645.
98. Das Feuer in Garz.
In der Stadt Garz lebte vor Zeiten ein böses Weib, die eine große Zauberin war. Nachdem dieselbe ihr Leben lang viel Zauberei ausgeübt, beschloß sie zuletzt, wahrscheinlich aus Furcht, daß ihre Unthaten an das Tageslicht gelangen möchten, sich selbst zu verbrennen. Sie steckte daher durch Zauberei ihr Haus an, und verschloß sich in demselben und war auf keine Weise zu bewegen, herauszugehen. Sie verbrannte also in ihrem eigenen höllischen Feuer. Diese Feuersbrunst war zugleich eine schwere Plage für die gute Stadt Garz, denn es verbrannten damals acht Häuser und zwei und funfzig Buden. Solches geschah im Jahre 1602 am 31. August des Mittags um 2 Uhr.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. IV. S. 128.
99. Der Brand zu Pyritz.
Im Jahre 1634 lebte zu Pyritz in Pommern ein melancholischer Student, welcher seiner Schwachheit wegen eingesperrt war; der kündigte eines Tages mit deutlichen Worten an, daß bald die ganze Stadt in Feuer aufgehen werde. Es achtete indeß Niemand darauf, weil er nicht recht bei seinen Sinnen war. Nicht lange darnach, als einstmals die Gemeinde zur Vesperbeichte in der Kirche versammelt war, geschah es wunderbarer Weise, daß unter den Frauenstühlen sich auf einmal ein Rauch erhob, dessen Ursache man nicht entdecken konnte, und der sich durch die ganze Kirche verbreitete. Man achtete auch hierauf nicht, obgleich darin wohl eine genugsam deutliche Anzeigung des Unglücks lag, welches über die Stadt kommen sollte. Dieses blieb nun aber auch nicht lange mehr aus. Denn am ersten Tage des April-Monats, eine Stunde nachher, als die Schwedischen Reuter, die in der Stadt gelegen, ausgerückt waren, entstand in der Stadt eine unerhörte Feuersbrunst, die mit Einem Male an allen Ecken zugleich anging und durch einen scharfen Wirbelwind durch die ganze Stadt gejagt wurde. Auch die beiden Thore der Stadt waren davon ergriffen, und die Noth war so groß, daß die Bürger, da sie nun aus den Thoren nicht mehr heraus konnten, in der Stadt aber verbrannt wären, Löcher in die Stadtmauer hauen mußten, um nur ihr Leben zu retten. Von ihren Sachen behielten sie nichts, und sie dankten nur Gott, daß sie durch solche Löcher in der Mauer ihre Kindbetterinnen, Kinder und Kranke vor dem schrecklichen Tode durch Feuer bewahrten. Auf solche Weise brannte das arme Pyritz ganz ab.
Micrälius, Altes Pommerl. II. S. 229.
100. Der Artushof in Stralsund.
In mehreren angesehenen Städten, besonders an der Ostsee, findet man herrliche Gebäude, welche den Namen Artushof führen. Der berühmteste ist der am langen Markte zu Danzig. Wer je in der schönen Stadt Danzig gewesen ist, der wird unter allen ihren Herrlichkeiten gewiß auch ihres schönen Artushofes nicht vergessen. Der Name dieser Gebäude soll herkommen von dem König Artus; man weiß aber nicht, ob von dem Artus, der um das Jahr 509 nach Christi Geburt König von England war, oder ob von dem Artus, der um das Jahr 630 in Schweden regierte. Einer von diesen beiden Königen soll nun aber auch über die sämmtlichen Vandalischen Völker geherrscht, und ein so gutes Andenken unter ihnen zurückgelassen haben, daß sie bei besonderen Gelegenheiten ihm zu Ehren Häuser erbauten, in denen sie zu ihren Ergötzlichkeiten zusammenkamen, und die sie nach seinem Namen nannten.
Ein solcher Artushof ist auch vor Zeiten in der Stadt Stralsund gewesen. Er hat nahe am alten Markte gestanden, hinter der jetzigen Hauptwache. Es versammelten sich darin der Magistrat und die Compagnien der Stadt zu ihren alljährlichen Amtsschmausereien. In dem großen Brande, der die Stadt betraf, ist er zu Grunde gegangen, und es ist nachher ein Arresthaus an dessen Stelle gebauet.
Dieser Artushof ist auf folgende Weise entstanden: In den früheren Zeiten waren die Fürsten von Rügen zugleich Schutzherrn der Stadt Stralsund. Der letzte Fürst in Rügen war Witzlav der vierte. Dieser hatte so viel Streitigkeiten mit der Stadt, daß er sie nicht anders als ein Geschwür in seinem Lande zu nennen pflegte. Er lag fortwährend mit ihr im Streit wegen ihrer alten Privilegien, die sie, wie er behauptete, nicht rechtmäßig von seinen Vorfahren sollte erhalten haben. Um sie endlich einmal ganz zu bezwingen, rief er im Jahre 1316 einen großen Haufen von Bundesgenossen gegen sie zu Hülfe. Dieß waren Erich der Fünfte, König von Dänemark, Herzog Woldemar von Schleswig, Graf Adolph von Schaumburg, Herzog Albrecht von Braunschweig, Heinrich der Löwe von Mecklenburg, Pribislaus Herr der Wenden, Graf Gunzelin von Wittenberg, Graf Günther von Ruppin, die Grafen Gerhard und Johann von Holstein, der Graf Heinrich von Schwerin, und der Herzog Erich von Niedersachsen. Alle diese Herren zogen mit zahlreichen Mannschaften gegen die Stadt Stralsund, und belagerten sie zu Wasser und zu Lande. Die Stralsunder hatten keinen anderen Bundesgenossen, als den Herrn Stoislav von Puttbus. Allein sie wehrten und hielten sich so tapfer, daß die Belagerer nichts gegen sie aus richten konnten, und zuletzt, nachdem die Stralsunder ihnen auch ihre Schiffe verbrannt hatten, unverrichteter Sache und mit großem Verluste abziehen mußten.
Während dieser Belagerung nun machten die Stralsunder einmal am Tage St. Antoni, welches war der erste März, einen Ausfall nach dem vor der Stadt belegenen Hainholze hin. In diesem Holze lag mit seinen Leuten der Herzog Erich von Sachsen, ein gar kecker Herr, der den Stralsundern zum Possen allerlei Muthwillen zu treiben pflegte, und sich besonders durch eine schwere goldene Kette auszeichnete, welche so lang war, daß er sie dreimal um seinen Leib winden konnte. Denselben Herzog Erich bekamen die Stralsunder bei diesem Ausfall gefangen, und weil er sie so arg verhöhnt hatte, so banden sie ihn zur Schmach an seine eigene goldene Kette, und führten ihn so in die Stadt hinein. Allda hielten sie ihn drei Jahre lang gefangen, bis er sich mit 16,000 Mark feinen Silbers ranzionirte.
Von diesem Gelde, von welchem indeß der Herzog Wartislav von Pommern und der Markgraf von Brandenburg einen Theil mitbekamen, und von der goldenen Kette des Herzogs Erich haben darauf die Stralsunder ihren Artushof erbauet, und zugleich ihr schönes Rathhaus, das noch jetzt, obgleich aus schlechten Fenstern sehend, eine Hauptzierde der alten Stadt ist.
Micrälius, Altes Pommerl. I. S. 248. 249.
Gesterding, Pommersches Magazin, IV. S. 90-93.
Altes und Neues Pommerland, von Christian Schöttchen, S. 155. 156.
101. Der todte Rathsherr in Stralsund.
Im Jahre 1379 war in der Stadt Stralsund ein großer Aufruhr der Bürgerschaft gegen den Rath. Als dieser nämlich gemeinen Anliegens und Schulden halber von der Bürgerschaft Steuern forderte, so jagten ihn die Stralsunder aus der Stadt hinaus. Des Handels aber nahm sich Herzog Wartislav VI. an, und bezwang die Bürger und befahl ihnen, den Rath wieder einzusetzen. Unterdeß war einer von den Rathsherren, Namens Done, gestorben. Als daher nun der gesammte Rath in seinen Ehrenstand feierlich wieder eingesetzt wurde, da nahmen den todten Rathsherrn Done seine Freunde und setzten ihn in seinen Rathsstuhl, gleichwie sich die Lebenden hinsetzten, damit anzuzeigen, daß er ohne Recht und Ursache wäre vertrieben, und aller seiner Ehre wieder theilhaftig worden.
Micrälius, Altes Pommerland, I. 269.
102. Die Gefangenen in den Tonnen.
In dem Jahre 1395, zu der Zeit als die Königin Margarethe von Dänemark einen schweren Krieg hatte mit Herzog Albrecht von Mecklenburg, der König in Schweden war, gab es in der See viele Räuber und Auslieger, welche besonders viel die Schiffe der Bürger vom Sunde beraubten. Darum rüsteten diese zuletzt ein großes Schiff aus, dasselbe schickten sie gegen die Auslieger, fielen sie an, schlugen sie und fingen ein großes Schiff von ihnen, das sie mit Mann und Maus bis zur Stadt brachten. Wie sie nun aber hier ihre Gefangenen aus dem Schiffe hervor ans Land steigen ließen, da hatten sie deren so viele, daß es ihnen an Gefängnissen für dieselben gebrach, weshalb sie in große Noth geriethen. Da lerneten sie von den Räubern selbst, wie man ihnen thun sollte, denn so hatten diese es auch mit ihren Gefangenen gemacht. Sie nahmen nämlich für jeden Gefangenen eine Tonne, der stießen sie den einen Boden aus, und durch den anderen Boden machten sie ein Loch, so groß, daß ein Mensch den Kopf dadurch bringen mochte. Dieselbige Tonne stülpte man dann dem Gefangenen über den Kopf, und machte unten durch die Tonnenstäbe zwei Löcher gegen einander, dadurch man ein Holz steckte, das dem Gefangenen zwischen die Beine durchging. Hernach legte man auswendig vor das Holz ein Schloß. So mußte der Mensch darin zusammengedrückt und gezwungen sitzen, daß er nur allein den Kopf heraushielt, und sich mit seinem übrigen Körper weder an Händen noch Füßen rühren konnte. Dieses war ein sehr verdrießliches Gefängniß; denn wenn der Mensch mit der Tonne umfiel, so war es ihm nicht möglich, daß er sich wieder damit aufrichten konnte, und wo er lange so liegen blieb, so mußte er sich an dem Boden den Hals entzwei reiben.
In solche Gefängnisse setzten die Stralsunder die gefangenen Räuber, und ließen sie hernach alle köpfen. Diese verdrießlichen Tonnen sollen nachher im Pommerlande sehr Mode geworden seyn, besonders in Klöstern, und um muthwillige Buben zu zwingen.
Nicol. v, Klempzen, vom Pommerlande S. 25.
Alb. Cranzii Wandalia, S. 329.
103. Der Priesteraufruhr in Stralsund.
In der Stadt Stralsund war in früheren Zeiten ein Gebrauch, daß, wenn eine Leiche aus dem Hause getragen wurde, dem Todten keine Vigilien durften gesungen, sondern diese nur heimlich im Hause mußten gesagt werden. Dieser Gebrauch hatte folgenden Grund: Im Jahre 1407 machte der Rath der Stadt Stralsund die Ordnung, daß die damals überaus großen Begräbnißkosten sollten ermäßigt werden, zu welchem Ende er denn auch neue kupferne Pfennige schlagen ließ, die wohl dreimal geringer waren als die alten. Als nun solche schlechte Pfennige häufig auf den Altar zum Opfer kamen, da wollte der oberste Pfarrherr, mit Namen Curt Bonov, so adligen Geblütes und ein Licentiatus und ein hochfahrender Mann war, dieselben nicht annehmen, und er beklagte sich wegen Schmälerung der geistlichen Gerechtsame bei dem Rathe. Es ward ihm aber zur Antwort, es stände ja in eines Jeden Gefallen, was und wieviel er geben wolle, und man müsse die Bürgerschaft mit den vielen Opfern nicht überhäufen. Darüber wurde der Zank sehr groß, bis der Kirchherr in seinem Hochmuth und Zorne aus der Stadt ritt, und denen von Stralsund entsagte, worauf er Viele aus seiner Freundschaft vom Adel aufbrachte, und damit am Tage Hieronymi des Jahres 1407 mit drei Fähnlein und dreihundert gerüsteten Pferden vor die Stadt zog. Diese umschloß er, und er verheerte mit Feuer und Schwert alle Dörfer und Höfe, die um die Stadt lagen, und was er an Bürgern draußen fand, dem hieb er Hände und Füße ab und ließ sie liegen. Und als er nichts mehr vor der Stadt zu thun sah, stieg er vom Pferde, und tanzte in voller Rüstung, den Sundischen zum Spotte.
Als der Kirchherr also hausete, da stellten sich seine drei Unterpfarrer, die in der Stadt geblieben waren, auf den Markt und spotteten der Bürger, und sagten von dem Feuer, das man von allen Seiten aus den brennenden Dörfern und Höfen aufsteigen sah: Sehet, das sind die Seelenlichter, die Euch Euer Kirchherr anzündet; dazu müßt Ihr noch opfern! Darüber ergrimmte das Volk, und sie jagten die sämmtlichen Pfaffen der Stadt in ein Haus, pfählten dieses zu, und wollten sie darin verbrennen. Dem widersetzte sich aber der Rath, den Leuten mit weinenden Augen vorstellend, daß ja nicht alle diese Priester Schuld an dem Unglücke der Stadt hätten. Anfangs hörte darauf Niemand, in die Länge aber wirkte es so viel, daß sie nur die drei spottenden Unterpfarrer behielten, die andern aber, deren über hundert waren, los ließen. Jene drei schleppten sie auf den Markt, wo sie ein großes Feuer anmachten; in dieses warfen sie dieselben, und verbrannten sie zu weißer Asche, ausrufend: Zu Brand habt Ihr Lust gehabt, nun habt Ihr Brand bekommen!
Für solchen Frevelmuth erging es den Sundischen sehr schlecht. Denn der Sache nahm sich der Bischof von Schwerin an; der bewirkte, daß der Papst zu Rom die Stadt Stralsund in den Bann that, in welchem sie zu ihrem großen Schaden über 7, oder wie Andere wollen, über 20 Jahre verblieben ist. Als sie sich endlich aus demselben auslöseten, mußten sie zur Strafe, nebst Erlegung einer großen Summe Geldes, ein neues Gewölbe in dem Dome zu Schwerin bauen, und daran schreiben lassen, daß sie das hätten bauen müssen um ihrer Missethaten willen. Und dann wurde ihnen zur Strafe angesetzt, daß zu ewigen Zeiten kein Bischof von Schwerin in der Stadt sollte Messe lesen, und daß keinem Todten die Vigilien sollten gesungen, sondern nur heimlich im Hause gesprochen werden, wie oben gesagt ist. Solche Strafe hat gedauert, bis daß Doctor Martin Luther eine andere Ordnung gemacht hat.
Kantzow, Pomerania, I. S. 439-444.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 274. 275.
104. Der Landvogt Barnekow.
In der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts lebte in der Stadt Stralsund, welche sich gerade damals, wieder durch ihre Widersetzlichkeit gegen ihren Landesfürsten auszeichnete, ein Bürgermeister, Namens Otto Fuge, ein eben so unruhiger, als herrschsüchtiger und gewaltthätiger Mann. Die Stadt hatte, in Folge mannigfacher Unruhen, kaum dem Herzoge von Neuem gehuldigt, als er es schon wieder unternahm, sie gegen denselben aufzuwiegeln. Er schrieb zu dem Ende einen Landtag nach Stralsund aus, wozu er Abgeordnete aus den übrigen Städten und die Eingesessenen vom Adel des Landes entbot.
Als der Herzog Wartislav IX. von diesem Landtage erfuhr, befahl er seinem Rathe, dem Landvogt auf Rügen, Raven Barnekow, sich nach Stralsund zu begeben, um das Betragen der zusammenberufenen Stände zu beobachten, und zu sehen, was Otto Fuge werde beschließen lassen. Die Versammlung der Abgeordneten fand statt auf dem offnen Markte, wo sich große Haufen von Menschen zusammengefunden hatten. Unter diesen war auch der Landvogt Barnekow. Als Alle beisammen waren, hielt der Bürgermeister eine Anrede an sie, und erklärte laut und vor mehr denn tausend Menschen den Herzog Wartislav für einen Landesverräther, dem man nicht ferner gehorchen könne.
Da trat Raven Barnekow unerschrocken vor den Bürgermeister hin, und strafte ihn Lügen mit eben so lauter Stimme, indem er demselben vorwarf, daß er selbst ein Verräther sey an seinem Herrn und an seinem Lande.
Der Bürgermeister gerieth durch eine solche kühne und öffentliche Beschimpfung in eine unbeschreibliche Wuth. Er ließ sofort den Landvogt sammt dessen Secretair und Notar in Haft nehmen, und klagte sie bei dem Gerichte der Stadt an als Spione und Verräther. Das Gericht, abhängig eben so sehr von dem strengen und mächtigen Bürgermeister, als von der Stimmung des aufgeregten Volkes, gab der Anklage Statt, und verurtheilte den Herzoglichen Landvogt, trotz aller seiner Protestationen, zu dem Tode durchs Rad. Der unglückliche Barnekow wurde darauf zuerst an ein Pferd gebunden und durch alle Straßen der Stadt geschleift. An jeder Straßenecke ließ der Bürgermeister ausrufen: Dieser sey ein Verräther der Stadt und sein Herr mit ihm! Dem widersprach aber jedesmal der Landvogt, indem er mit dem festen Muthe, der ihn bis zum letzten Augenblicke nicht verließ, entgegen erklärte: der Bürgermeister Otto Fuge sey ein Lügner und selbst der Verräther. Danach wurde er nebst seinem Secretär, welcher Heinricus hieß, und seinem Notar, Namens Wannemer, gerädert, und sein Leichnam wurde auf das Rad geflochten. Dies geschah im Jahre 1453. Seine Gebeine blieben mehrere Jahre auf dem Rade.
Otto Fuge, nachdem er sich ganz von seinem Herrn losgesagt hatte, führte unterdeß ein höchst grausames und empörendes Regiment in der Stadt, so daß die Stralsunder es nicht ferner ertragen konnten und ihn, nach manchen Streitigkeiten, mit seinen Anhängern aus der Stadt vertrieben. Er entfloh nach Dänemark, wo er bis an seinen Tod ein unstätes und flüchtiges Leben hat führen müssen. Die Stadt unterwarf sich darauf wieder ihrem rechtmäßigen Herrn.
Es wurden jetzt auch die Gebeine des hingerichteten Landvogts vom Rade abgenommen und nach Greifswald gebracht, wo sie in der St. Nicolaikirche beigesetzt wurden.
So weit wird diese Geschichte von allen Pommerschen Chronisten und Geschichtschreibern übereinstimmend erzählt. Diesem hat die Sage durch den Mund des Volkes Folgendes hinzugesetzt:
Nachdem die Stadt Stralsund sich dem Herzoge unterworfen hatte, machte dieser ihr auf Bitten der Söhne des Landvogts, zur Bedingung, daß die Gebeine des Hingerichteten durch die Bürger der Stadt von Stralsund nach Greifswald feierlich sollten getragen werden. Dabei soll er ihnen ferner befohlen haben, daß sie nur einmal, nämlich auf der Hälfte des Weges in dem Dorfe Rheinberg, stille halten durften. So ist es denn auch geschehen. Ueber sechshundert Stralsunder Bürger haben den Sarg mit den Gebeinen getragen; nur in Rheinberg haben sie sich ausruhen dürfen, dann haben sie weiter getragen in einem Zuge, bis an die Neuenkircher Brücke vor Greifswald. Hier haben andere Leichenträger den Sarg in Empfang genommen, und ihn mit großen Feierlichkeiten in die Nicolaikirche getragen. Dabei erzählt man sich, daß in demselben Augenblicke, als an der Neuenkircher Brücke der Sarg von der Bahre abgenommen ist, die Stralsunder noch die ganze Bahre mit blanken Gulden haben bedecken müssen, so viele deren aufgehäuft darauf haben liegen können. Auch das hatte ihnen der Herzog zur Bedingung gemacht. An den beiden Stellen, wo die Leiche in Rheinberg und vor der Neuenkircher Brücke niedergesetzt war, wurden zum Andenken Steine aufgerichtet. Diese sieht man dort noch; sie stehen dicht an der Chaussee von Greifswald nach Stralsund.
Mündlich.
105. Der Dänholm bei Stralsund.
Nahe bei der Stadt Stralsund, rechts wenn man von der Stadt nach Altefähr auf Rügen schifft, liegt ein kleines, lustiges Eiland, der Dänholm geheißen. Diesen Namen hat es vor ungefähr 500 Jahren erhalten. Damals waren zu einer Zeit die Dänen mit einer großen Anzahl von Schiffen des Nachts auf dieses Eiland gekommen, um von da aus unversehens die Stadt zu überfallen. Sie waren zwar von einigen Schiffern gesehen worden, und diese machten auch gleich dem Rath Anzeige von der Ankunft des Feindes. Allein die Stadt hatte zu damaliger Zeit kein einziges Schiff zu Hause, als nur die kleinen Fischerböte. Die muthigen Stralsunder verzagten darum aber nicht, sondern sprangen rasch in die kleinen Böte hinein, um dem Feinde zuvorzukommen, und ihn zu verjagen, ehe er noch die Stadt angegriffen hätte. Das hatten die Dänen nicht erwartet. Sie lagen ruhig auf der kleinen Insel und rathschlagten, wie sie am besten die Stadt überfallen möchten, da wurden sie auf einmal selbst überfallen. Allein sie wehrten sich doch tapfer, und weil sie große, wohlausgerüstete Fahrzeuge hatten, die Stralsunder aber nur in den kleinen Fischerböten waren, so mußten die Letzteren am Ende weichen, und sie flohen nach der Stadt zurück. An dem Wasser aber standen die Weiber und Kinder aus der Stadt, und wie die die Ihrigen fliehen sahen, da schalten sie dieselben, und schrieen sie zornig an, und ermahnten sie, sich besser zu wehren. Darüber schämten sich die Bürger denn, und sie sind wieder umgekehrt, und haben in ihrer Verzweiflung den Dänen so tapfer zugesetzt, daß kaum drei oder vier Schiffe davon gekommen sind. Von da an hat die Insel der Dänholm geheißen. Zum Andenken dieses Sieges wird noch alljährlich in Stralsund ein großes Fest gefeiert, an welchem die Bürger, festlich geschmückt, mit fliegenden Fahnen und unter freudigem Kanonendonner den Dänholm umschiffen. Es werden dazu aber nur Fischerboote genommen, weil diese den Sieg gewonnen haben.
Karl Lappe, Pommerbuch, S. 23, und mündlich.
106. Herzog Wallenstein vor Stralsund.
Der Friedländer, nachdem er mit seinen großen Heeren das ganze nördliche Deutschland überzogen hatte, und das Glück ihm überall günstig gewesen war, faßte, wie männiglich bekannt, in seinem Uebermuthe den Plan, sich an der Ostsee ein eignes Reich zu stiften, in welchem er, unabhängig von Kaiser und Reich, als König regieren wollte. Dazu war ihm ganz besonders daran gelegen, die mächtige und reiche Stadt Stralsund zu besitzen. Er verlangte daher zuerst hinterlistiger Weise von der Stadt, daß sie Soldaten von ihm einnehmen solle. Das verweigerten die Stralsunder, und der Herzog zog nun mit einer großen Kriegesmacht vor die Stadt, um sie mit Gewalt einzunehmen. Er schwur in seinem Zorne, daß von der Stadt Stralsund nichts übrig bleiben solle, und wenn es ihm auch hunderttausend Mann und sein eignes Leben kosten solle, und er müsse sie haben, wenn sie auch mit Ketten an den Himmel geschlossen wäre. Mit solchen Schwüren kam er am 27. Juni 1628 vor der Stadt an. Er legte sein Hauptquartier in das Hainholz, und ließ noch denselben Tag Sturm laufen. Allein die Stralsunder hatten Hülfe von den Dänen und Schweden bekommen, und wehrten sich so tapfer, daß die Kaiserlichen nichts ausrichten konnten. Auf einen Tag verloren sie 500 Mann, und auf einen andern sogar 1500. Da wurde der Herzog immer zorniger, und er verschwor sich, daß er den König von Schweden mit Ruthen aus dem deutschen Reiche jagen wolle, und wenn er die Stadt bekomme, so wolle er des Kindes im Mutterleibe nicht schonen.
In solchen Schwüren saß er eines Tages in seinem Gezelte, welches im Hainholze unter einer Eiche errichtet war. Um ihn saßen seine Generale und Offiziere, und er hatte gerade ein Glas mit Wein in der Hand, und wollte dasselbe zum Munde führen; da kam auf einmal eine Paßkugel aus der Stadt, die das Glas traf, und es ihm vor dem Munde in tausend Stücke zerschlug. Das ist ihm ein Zeichen gewesen, daß er hier solle zu Schanden werden, und daß er gegen Stralsund seine Drohungen nicht ausführen könne. Er brach daher sein Lager straks auf, und zog nach Mecklenburg zurück, nachdem er 12,000 Mann vor der Stadt verloren hatte.
Die Eiche, unter welcher das Zelt des Herzogs gestanden, und unter welchem ihm Jenes passirt, steht noch, und es liegt jetzt zum Andenken der Begebenheit ein Stein an der Stelle. Auf diesem wird alljährlich am 24. Julius, als an welchem Tage der Friedländer abzog, und die Stralsunder das Wallensteinsfest feiern, lustig und fröhlich von den jungen Bürgern und Jungfrauen der Stadt getanzt.
K. Lappe, Pommerbuch, S. 39 bis 41, und mündlich.
107. Der Katzenritter zu Stralsund.
Es war in früheren Zeiten in vielen Städten gebräuchlich, daß zu Fastnachten der Rath den Bürgern ein öffentliches Schauspiel zum Besten geben mußte. So gab zu einer Zeit, es war im Jahre 1414, der Rath der Stadt Stralsund seinen Bürgern auf Fastnacht ein gar ergötzliches Spiel, welches man das Katzenbeißen nannte. Es wurde nämlich an dem Pranger, der auf dem alten Markte, jetzt der Hauptmarkt, stand, eine Katze angebunden; mit dieser mußte sich ein Mensch, wie man sagt, ohne alle Wehr und Waffen, beißen und streiten, welchem Kampfe der gesammte Rath und Bürgerschaft zusahen, und vieles Ergötzen daran hatten. Da der Mensch zuletzt die Katze todt gebissen hatte, schlug ihn Herr Johann Külpen zum Katzenritter. Dieser Herr Johann Külpen war ein Bürgermeister zum Sunde, und selbst ein Ritter; der konnte selbst Zehnt aus seinem Hause wehrhaft reiten.
Vgl. Stralsundische Chroniken, herausgegeben von Mohnike und Zober, S. 177.
Baltische Studien, dritter Jahrgang, erstes Heft, S. 231-234.
108. Der Kampf der Blinden in Stralsund.
In dem Jahre nachher, als der Katzenritter die Katze todt gebissen, also im Jahre 1415, gab der Rath zu Stralsund der Bürgerschaft zu Fastnachten ein Schauspiel, welches fast noch ergötzlicher war, als jenes. Er ließ nämlich auf dem alten Markte alle Blinden aus der Stadt zusammenkommen. Die bekamen jeder eine Keule, und dann wurde ein Schwein in ihre Mitte gebracht, das sie mit den Keulen todtschlagen sollten. Rund um sie her waren Planken gezogen, daß ihnen das Schwein nicht entlaufen konnte. Da gab es denn einen gewaltigen, aber für das versammelte Volk sehr vergnüglichen Spektakel. Denn anstatt das Thier zu treffen, schlugen die blinden Menschen mit ihren Keulen auf einander los, daß sie Löcher und Beulen davontrugen. Anfangs ließen sie sich dadurch in ihrem Eifer nicht stören; auf die Dauer wurden sie aber doch zaghaftig, und nun fühlten sie zuerst vorsichtig mit der Keule hin, wo das Schwein stände, bevor sie zuschlugen. Da tödteten sie es denn zuletzt.
Ein so lachendes Fastnachtsfest hatte man in Stralsund noch nicht erlebt.
Vgl. Stralsundische Chroniken, von Mohnike und Zober, S. 8. 9.
109. Der Büttel und die grauen Mönche zu Stralsund.
Im Jahre 1516 starb zu Stralsund ein Büttel, Namens Matthias. Er war ein großer Mann mit einer absonderlich großen Nase, wie man unter vielen hundert Menschen kaum eine wiederfindet. Er war aber auch ein sehr gottesfürchtiger und frommer Mann, weshalb er ein gutes Gerücht unter den Bürgern hatte und mit ihnen zu Bier saß, und ihm Niemand etwas dagegen sagte. Als er zum Sterben kam, sandte er zu den Mönchen im grauen Kloster, um ihm die Beichte zu hören und die letzte Oelung zu geben. Es kam auch der Guardian des Klosters selbst zu ihm, benamet Johann Wrede, aus Lübeck gebürtig, und reichte ihm die Sacramente, worauf er am anderen Tage starb.
Weil er nun Zeit seines Lebens ein so gottesfürchtiger Mann gewesen, und jedermann ihm zugethan war, so sollte er ein ehrliches Grab bekommen, ob es gleich der Büttel war. Allein dagegen wehrten sich die Geistlichen der Stadt; die drei Capellane der drei Stadtkirchspiele traten zusammen bei dem Offizial, Herrn Johann Tagge, und dieser befahl darauf, daß man die Leiche auf keinem geweiheten Kirchhofe begraben solle, damit der Büttel, so wie er im Leben mit den anderen Christen keine Gemeinschaft durch die Sacramente gehabt habe, so auch im Tode keine Gemeinschaft mit einem Christen haben solle. So wollten sie ihn nur auf ungeweihetem, offenem Felde begraben.
Das that Vielen leid, die ihn gern in geweiheter Erde gesehen hätten. Sie wußten aber nicht, wie sie zu ihrem Wunsche gelangen sollten. Da kamen auf einmal des Nachmittags um zwei Uhr zur Vesper die grauen Mönche in die Büttelei. Sie kamen mit allen ihren Brüdern, und zogen ihm eine graue Kappe an, so wie sie selbst trugen, und holten ihn also nach ihrem Kloster. Sie sangen ihm vor und trugen ein Kreuz vor ihm her, wie bei jeder anderen christlichen Leiche. Vier Laienbrüder trugen ihn, und viel Volks folgte. Also trugen sie ihn in ihren Kreuzgang, allda begruben sie ihn, wie Einen von ihren Brüdern. So vermessen waren damals die grauen Mönche. Nach dem Verbote des Offizials fragten sie nichts, und sie erwiderten darauf: Wer ihr Kleid anziehe, der werde selig und nicht verdammt, das habe Franziscus von Gott gewonnen; – »vam Duvel, wert se menen,« setzt der evangelische Chronikant hinzu, dem diese Sage entnommen ist.
Vergleiche Stralsundische Chroniken, von Mohnike und Zober, S. 221. 222.
110. Der gotteslästerliche Organist zu Stralsund.
Bald nach der Reformation lebte zu Stralsund ein Organist, Namens Herr Peter Kulen, der ein großer Lästerer des göttlichen Wortes war. Denselben traf einmal für seine Lästerungen eine sehr harte Strafe. Denn nachdem er im Jahre 1543 auf Heiligen drei Königen Tag des Morgens in der Kirche, da er spielen sollte: »Christus unser Heiland,« das weltliche Lied angestimmt und zum Aergerniß der Gemeinde durchgespielt hatte: »Ich sah den Herrn von Falkenstein, aus seiner Burg wohl reiten u.s.w.«; brannte ihm auf einmal noch an demselbigen Abend zwischen 8 und 9 Uhr sein ganzes Haus ab. Daß dies eine rechte Strafe Gottes gerade für ihn war, konnte man daraus ersehen, daß das Feuer blos ihn traf und sonst nicht weiter um sich griff.
Stralsundische Chroniken, von Mohnike und Zober, S. 78. 79.
111. Der Teufel in der Nicolaikirche in Stralsund.
Im Jahre 1528 lebte zu Stralsund eine Magd, so vom bösen Geiste besessen war. Sie war bisher immer eine stille und ordentliche Person gewesen; auf einmal aber, da sie eines Tages in der Küchen Kessel und Grapen von der Wand nehmen wollte, selbige zu scheuern, warf sie die herab auf die Erde, sah sehr gräulich, und rief mit lauter Stimme: Ich will heraus! Man vermerkte darauf die Gelegenheit, daß sie vom Teufel besessen wäre. Ihre Mutter nahm sie derohalben zu sich, und sie wurde etliche Male auf einem Schlitten in die St. Nicolauskirche geführt, den bösen Geist von ihr auszutreiben. Wann die Predigt beendigt war, ward er beschworen. Da befand es sich denn aus seiner Bekenntniß, daß die Mutter der Magd einmal auf dem Markte einen frischen sauren Käse gekauft, den sie in den Schrank gesetzt hatte. Die Magd war in Abwesenheit ihrer Mutter an den Schrank gekommen, und hatte von dem Käse ein gut Theil gegessen. Als nun nachher die Mutter das gesehen, hat sie demjenigen, der bei dem Käse gewesen, den bösen Geist in den Leib geflucht. Von Stund' an hat dieser in der Magd hausgehalten.
Nun war es sonderbar, daß die Magd seither zum heiligen Abendmahl gegangen war. Als man den Teufel hierüber befragte, hat er zur Antwort gegeben: Es liege wohl manchmal ein Schalk unter der Brücke und lasse einen frommen Mann über sich hingehen; während die Magd das Abendmahl genossen, habe er ihr unter der Zungen gesessen.
Selbiger böser Geist konnte lange Zeit nicht aus der Magd herausgebannt werden. Denn obzwar er viel von dem Prediger beschworen wurde, auch männiglich in der Kirche auf die Kniee gefallen und fleißig und andächtig gebetet, so hat er doch mit dem Austreiben nichts als Spott und Kurzweil getrieben. So hat er oft gesagt: Ja, er wolle weichen, er müsse auch wohl räumen; aber er hat allerlei gefordert ihm zu erlauben, daß er es mitnehmen dürfe; wann ihm dann nun das Eine abgeschlagen wurde, so hatte er gleich das Andere bei der Hand. Es stand Einer in der Kirchen, der den Hut aufbehalten hatte; da forderte er von dem Prediger, daß er den Hut dem Menschen vom Kopfe nehmen und mit sich führen dürfe. Aber der Prediger trug mit Recht Sorge, wenn er ihm den Hut gestattet, so hätten mit dem Hute auch Haut und Haar davongehen müssen. Letztlich aber, als er vermerkte, daß seine Zeit verflossen, und unser Herr Gott das Gebet der Leute gnädiglich erhöret, forderte er spöttisch eine Scheibe aus dem Fenster über der Thurmuhr. Die wurde ihm verstattet, und nun sah man alsbald, wie mit einem großen Klange die Raute sich aus dem Fenster gelöset, und mit dem Teufel davon geflogen ist. Nach der Zeit hat man nichts Böses weiter bei der Magd verspüret, welche auf einem Dorfe einen Mann bekommen, von dem sie viele Kinder gezeuget.
Gastrow Lebensbeschreibung, Th. I. S. 71-74.
112. Der Blutregen in Stralsund.
Am 16ten Junius des Jahres 1597 fiel in und bei der Stadt Stralsund über Nacht ein starker Blutregen. Man fand am anderen Morgen, besonders in etlichen Gärten vor dem Frankenthore, die Bäume, Kräuter, Laub und Gras mit dicken Blutstropfen bedeckt, und da wo kein Gras gestanden, die Erde mit Blut besprengt und gefärbt. Auch ein Bettkissen, welches über Nacht in einem Garten liegen geblieben war, fand man voller Blutstropfen, und als man die auswaschen wollte, zertheilten sie sich in kleine Kreuze, so aus dem Zeuge nicht herausgingen. Das Merkwürdigste aber war, daß die Fischer aus dem Grunde des Wassers Steine heraufzogen, auf denen Blutstropfen waren, die also nicht einmal von dem Wasser, darin sie gelegen, hatten können abgespült werden.
Am 3. Juli desselben Jahres regnete es abermal Blut in Stralsund.
Zum Glück hat man keine Bedeutung dieser schrecklichen Zeichen verspüren können.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. IV. S. 98.
Wahrhafftige erschreckliche newe Zeitung und Geschichte, so sich ausser und in der Stadt Stralsundt dieses jetztlauffendenden 97. Jahres der minderzall zugetragen und begeben. Als das es zu unterschiedlichen malen Blut und Schwefel geregnet, auch Fewer vom Himmel auff St.
Marien Kirche daselbst gefallen etc. Gryphißwaldt, gedruckt durch Augustin Ferber,
Anno
M.D.XCVII.
113. Der Calands-Ornat zu Stralsund.
Auf der Achtmanns-Kammer zu Stralsund befinden sich zwei Schränke, die »Calandsschränke« geheißen. Sie stammen aus der Zeit, in welcher zu Stralsund sich eine Calandsbrüderschaft befand, der sie gehört haben. Beide Schränke sind von mittler Größe, mit doppelten Thüren, und ruhen auf tischhohen Füßen. Die Thüren sind auswendig bemalt; auf der Einen steht ein Mann in vollem Priesterornate, mit einem Buche unter dem linken Arm, die rechte Hand zum Segensprechen aufgehoben. Auf der andern ist ein Mann in weltlicher Kleidung abgebildet, einen speerähnlichen Stab in der Hand, und vor sich einen Knaben, der ein Buch hält. In diesen Schränken liegen zwei Chorhemden, ein Meßgewand, eine Mütze, ein Calandsbeutel und ein kleines fein gesticktes Kissen, an den Enden wie eine Bratwurst zusammengebunden. Die Chorhemden und das Meßgewand sind von starker, schwerer Seide, und reich mit Gold in Gestalt von allerlei künstlichen Figuren durchwirkt. Auf dem einen Hemde ist in dieser Art der Erlöser am Kreuze mit den Aposteln dargestellt. Die Mütze ist von geblümtem seidenen Zeuge, an beiden Seiten aufgeschlagen, und glatt an den Kopf anschließend. Der Beutel ist reich gestickt. Er diente zum Tragen des Gebetbuchs, weshalb er auch gewöhnlich »Booksbeutel« genannt wurde. Das Alles ist das Ornat eines ehemaligen Calandsbruders.
Warum es in den Schränken noch aufbewahrt wird, weiß man nicht mehr. Aber so viel ist gewiß, daß es eine besondere Bewandniß damit haben muß, und daß Keiner ungestraft damit seinen Spott treiben darf. Das hat vor mehreren Jahren ein Bürgermeister in Stralsund erfahren. Der bekleidete sich einst aus Uebermuth mit diesem Ornate, ungeachtet ihn Alle warnten, und ihm vorhersagten, es werde ein Unglück daraus entstehen. Denn ein Bürgermeister von Stralsund ist etwas übermüthiger Natur. Aber am anderen Morgen fand man ihn todt in seinem Bette.
Vgl. Pommersche Provinzialblätter, von Haken, IV. S. 90. 91.
114. Die arme reiche Frau.
Vor vielen Jahren lebte in der Stadt Stralsund ein Kaufmann und Rathsverwandter, Namens Wolf Wolflamm. Derselbe war so reich, daß man seines Gleichen an der See nicht gefunden hat. Aber er war auch hochmüthig und verschwenderisch, also daß er eine Schaubank von Silber hielt, und an seinem Brauttage von seinem Hause bis zur Kirche das feinste englische Tuch auf die Straße legen ließ, und darauf zur Kirche ging. Besonders aber hat sein Weib sich herlich gehalten, und weit mehr als ihrem Stande gemäß. Dafür traf sie der Zorn des Himmels. Denn nachdem ihr Mann Wolf Wolflamm in seinem Reichthum gar zu übermüthig und trotzig geworden und deshalben in einem Streit von Einem von Zaum auf dem Kirchhofe zu Bergen in Rügen erschlagen war, wurde sie so zerrsam und liederlich und ergab sich aller Art der Verschwendung und Völlerei, daß sie Alles durchbrachte, bis auf eine silberne Schale. Diese hat sie nicht verkaufen wollen, damit sie doch etwas von ihrem vorigen Glanze und Vermögen behielte. Mit dieser Schale hat sie zuletzt müssen betteln gehen, bis sie in dem größten Elend und Armuth verstarb. Bei dem Betteln hat sie die Worte im Gebrauch gehabt: Man solle der armen reichen Frau doch um Gotteswillen ein Stück Brod geben. Darum hat sie solchen Namen erhalten. Sie soll gewohnt haben bei dem alten Markte, in dem Hause, da vor vielen Jahren noch der gemalte Gang an das Haus gebaut war. Man sagt auch von ihr, daß sie nur das feinste und weichste Rigaische Flachs auf dem heimlichen Gemache gebraucht habe. Wie sie nun in ihr großes Elend gerathen war, da hat sie einstmals ihre frühere Dienstmagd um Gotteswillen angerufen, sie möge ihr Leinentuch zu einem Hemde schenken, indem sie ein solches nicht mehr auf dem Leibe gehabt. Die Magd hat ihr dasselbe auch gebracht, dabei aber gesagt: Sehet Frau, das Garn, davon dieses Leinen gemacht, habe ich von dem Flachs aufgehoben, das Ihr so sündhaft auf dem Gemache zu brauchen pflegtet.
Th. Kantzow, Pomerania, I. S. 451.
Micrälius, Altes Pommerland, I. S. 276.
Cramer, Gr. Pomm. Kirch. Chron. II. S. 82.
Gastrow Lebensbeschreibung, I. S. 104.
115. Die Straßenbeleuchtung in Stralsund.
Die Straßen der Stadt Stralsund, die doch zum großen Theil finster und enge genug sind, wurden in früheren Zeiten auch an den dunkelsten Abenden nicht erleuchtet, und das Schlimmste war, daß die Leute, wenn sie des Abends ausgingen, auch nicht einmal Laternen mitnahmen. Solches Unwesen wollte der Prinz von Hessenstein, als derselbe General-Gouverneur von Stralsund geworden war, nicht ferner dulden. In Gutem konnte er nichts ausrichten; er befahl daher, daß Jeder, der nach Sonnenuntergange auf die Straße gehe, eine Laterne bei sich tragen solle, wenn es auch heller Mondschein sey; wer dem Befehle zuwider handele, solle auf die Wache gebracht werden. Die Stralsunder wollen aber schon seit uralten Zeiten sich nur von ihrem Rathe befehlen lassen, und weil der General sich an diesen nicht gewandt hatte, so war der Erfolg, daß zwar alle Leute mit Laternen gingen, aber kein Licht darin hatten. Nun befahl der General, man solle mit Laternen gehen, und auch ein Licht darin haben. Auch dies geschah pünktlich, aber es hatte Keiner das Licht angezündet. Der erzürnte Fürst befahl darauf, daß man auch das Licht in der Laterne anzünden solle. Aber jetzt trugen die Leute ihre Laternen unter den Mänteln, oder sie steckten Lichterchen an, so klein, wie Johanniswürmchen, oder sie trieben sonst allerlei Spott, bis sich zuletzt der Rath ins Mittel legte.
Zöllners Reise durch Pommern und Rügen, S. 192. 193.
116. Der Name Greifswald.
Man hat viele verschiedene Erzählungen darüber, woher der Name Greifswald stammen möge, so wie das Wappen der Stadt, welches in einem Greife besteht. – Einige meinen, es hätten in alten Zeiten, als der Rykfluß, an welchem die Stadt liegt, schiffbar gewesen, an der Stelle der jetzigen Stadt viele Seeräuber gewohnt, und weil nun auf Gothisch ein Seeräuber Grife oder Gripe heiße, so habe die Stadt davon ihren Namen bekommen. – Andere sagen, in der Gegend, wo jetzt die Stadt stehe, habe früher ein altes adliges Geschlecht gewohnt, welches Gripes geheißen, und welches wegen seiner vielen Räubereien zuletzt ausgerottet sey. Weil nun ein Theil von dem Walde, in welchem nachher die Stadt erbauet, dieser Familie zugehöret, so habe man die Stadt Gripeswald, und späterhin Greifswald genannt.
Noch Andere erzählen sich folgende Geschichte: An der Stelle, wo gegenwärtig die Stadt Greifswald liegt, war vor Zeiten ein großer, dichter Wald. Rund um denselben war Alles wüst und unbebaut, und es blühete nur die Gegend um das Kloster Eldena, welches nicht weit von dem Ausflusse des Ryks in die See liegt. Die Mönche dieses Klosters wollten dazumal eine Stadt anlegen, die zwar nicht weit von dem Kloster, aber besser im Lande liegen sollte. Sie schickten daher zu einer Zeit einige Leute aus, die einen guten Platz für die Stadt suchen sollten. Diese gingen immer den Rykfluß hinauf, bis sie nach einer Weile an eine schöne Stelle gelangten, welche ihnen gar herrlich dünkte, um allda die Stadt anzulegen. Sie begaben sich daher, um den Platz genauer zu untersuchen, von dem Ufer des Flusses ab, seitwärts in den Wald hinein, der sich dort befand. Auf einmal fanden sie daselbst auf einem abgebrochenen Baumstamme ein Nest, in welchem ein großer vierfüßiger Greif mit einem doppeltem Schwanze saß und brütete. Dies schien den Abgeordneten des Klosters ein gutes Zeichen zu seyn, und es wurde nun um so mehr beschlossen, an dieser Stelle die Stadt zu erbauen, welches auch geschah.
Der Platz, wo man das Greifennest gefunden, ist in dem Theile der Stadt gewesen, welcher jetzt der Schuhhagen heißt, und welcher bekanntlich die älteste Gegend der Stadt ist. Hier sind von den ältesten Zeiten her viele schreckliche Geschichten vorgefallen, und es ist auch jetzt noch immer nicht sicher daselbst. Früher hat der vertriebene Greif noch manches Kind da geholt und gefressen. Späterhin hat man da allerlei fürchterliche Gestalten gesehen. Bald ging des Nachts ein großes Weib herum mit einem Bunde Schlüssel, womit sie rasselte, und eine Heerde Ferkel vor sich hertreibend; bald sah man ein anderes Frauenzimmer mit einer Heerde schneeweißer Gänse. Bald setzte sich dort ein schwarzer Rappe, manchmal auch ein weißer Schimmel den Leuten auf die Schultern und drückte sie, daß ihnen das Blut aus Mund und Nase kam.
Joh. Bugenhagii Pomerania, p.
55.
v. Schwarz, Pommersche Städte-Geschichte, S. 98 folg.
Greifswalder wöchentlicher Anzeiger für 1818, Nr. 37 und mündlich.
117. Der Rechtsspruch zu Greifswald.
In dem Jahre 1451 hat sich zum Greifswalde ein sehr seltsamer und erbärmlicher Fall begeben. Es lebte daselbst ein Knochenhauer, der etliche kleine Kinder hatte. Darunter waren zwei Knaben, der eine drei, der andere vier Jahre alt. Diese hatten oft gesehen, wie ihr Vater das Vieh schlachtete, und spielten daher wohl zusammen, daß der älteste zu dem jüngsten sagte: er solle sich hinsetzen, so wolle er den Ochsen schlachten; welches das Kind dann gethan, und hat es der älteste mit der Faust umgestoßen. Also hatten sie ihr Spiel gehabt. Da hat sich's aber einmal zugetragen, daß Niemand zur Hand, und die Kinder allein gewesen; und wie sie so spielten, hat der älteste zu dem jüngeren gesagt: ei, das puffet nicht! Und ungefähr liegt nicht weit davon ein Beil. Das holet er sich und sagt: Brüderchen, das soll puffen! und schlägt das Kind mit dem Beil vor den Kopf, daß es von Stund' an todt bleibt. Den Eltern war das ein großes Herzeleid. Sie wurden aber noch bekümmerter, als der Rath das Kind wiederum hat wollen tödten lassen, weil es Menschenblut vergossen. Sie baten und fleheten bei dem Rath, und stellten vor, es sey ihnen Jammer genug, daß sie das eine Kind verloren hätten, sollten sie nun auch noch das andere verlieren, das könne ihr Herz nicht aushalten.
Darüber gerieth denn der Rath in große Sorge, weil er doch auch der Gerechtigkeit wollte ihren Lauf lassen. Zuletzt aber beschloß er zu versuchen, ob denn das Kind wohl die Gefahr verstände, die es an dem Bruder geübt. Derohalben scherzten sie mit ihm, und sagten, es solle sich setzen, man wolle ihm den Ochsen schlachten, wie es seinem Brüderchen gethan. Da verstand das Kind kein Böses, und setzte sich hin; darum ließen sie es am Leben.
Kantzow, Pomerania, II. S. 74. 75.
118. Der Wettlauf um das Opfergeld.
Vor der Stadt Greifswald stand ehedem eine Capelle, so der heiligen Gertrud geweihet war. Einstmals war das Fest der Heiligen gefeiert, und es waren von den Gläubigen viele und reiche Gaben eingekommen. Diese lagen noch auf dem Hochaltar ausgebreitet, wo sie der Priester, welcher bei der Kapelle angestellt war, einsammeln sollte, um sie zu dem Gotteskasten abzuliefern. Wie dieser Priester nun aber nach beendigtem Feste ganz allein in der Kirche war, da faßte ihn der schnöde Geiz, und er trachtete, die frommen Gaben sich anzueignen. Er nahm deshalb, weil er zugleich ein frecher, übermüthiger Gesell war, das Bild der Heiligen von dem Altare, auf welchem es hing, und stellte es an den Eingang der Capelle, dem Hochaltare gegenüber. Dann sprach er zu dem Bilde: Nun wollen wir in die Wette laufen, und wer von uns Beiden der Erste bei dem Altare ist, dem sollen alle die Gaben zu eigen seyn. Nachdem er die Worte gesprochen, fing er an zu laufen; aber auf einmal erhob sich auch das Bild und lief neben ihm vorbei, und war früher wieder an seinem Platze auf dem Altare, als der Priester nur bis mitten in die Capelle gekommen war. Den geizigen Menschen erschreckte dies Wunder aber nicht; er wurde vielmehr zornig, und nahm das Bild wieder von seinem Platze, und stellte es wieder an den Eingang der Capelle und lief abermals mit ihm zur Wette nach den Gaben. Doch das Bild war noch geschwinder auf seiner alten Stelle, denn das erste Mal. Auch das konnte den schlechten Gesellen nicht bessern. Er nahm das Bild zum dritten Male vom Altar, stellte es an die Thür und forderte es mit höhnischen Worten auf, noch einmal mit ihm den Wettlauf zu machen. Darauf lief er wieder, und diesmal blieb er der Sieger. Denn das Bild der Heiligen erhob sich nicht von seiner Stelle, und in seinen Augen sah man helle Thränen über die Bosheit der Menschen. Der Priester nahm nun alle Opfer, die da lagen, und trug sie nach seinem Hause.
Aber schon in der nächsten Nacht wurde er plötzlich krank, und legte sich hin, und war in drei Tagen todt. Er wurde begraben draußen auf dem Gertruden-Kirchhof, dicht bei der Capelle.
Wie nun die nächste Mitternacht gekommen war, da erschien auf einmal der Teufel auf dem Kirchhofe. Der klopfte an das Grab des Priesters, und rief ihm zu: Stehe auf, du Pfaff, und mache doch mit mir den Wettlauf! Da hatte der Todte keine Ruhe mehr im Sarge, und er mußte aufstehen. Und als er aus dem Grabe hervorstieg, da packte ihn der böse Feind mit glühenden Krallen an, um ihn fortzuziehen in sein höllisches Reich. In seiner großen Herzensangst versuchte der Geistliche zwar, die Thür der Capelle zu erfassen, vermeinend, daß die Heilige ihn schützen solle. Aber es half ihm nichts, der Teufel zerrte ihn fort, an der Capelle vorbei, über die Kirchhofsmauer hinweg, und entführte ihn unter schrecklichem Sturm und Unwetter.
Der Müller auf der benachbarten Windmühle hatte das angesehen. Er machte am anderen Tage dem Rath die Anzeige, und wie man nun hinging, so fand man die Spuren, wie der Unglückliche in die Thür der Capelle und in die Mauer des Kirchhofs hineingegriffen hatte; die Finger waren in dem harten Gestein und Holze deutlich abgedrückt. Auch die Fußstapfen des Teufels sah man tief in die Erde getreten, und wie das Gras ringsumher versengt war. Alle diese Spuren sind geblieben, und die Stellen, wohin der Teufel getreten, sind niemals wieder mit Gras bewachsen, bis nachher die ganze Kapelle mit dem Kirchhofe verschüttet ist.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 407.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 32-35.
119. Das Nordfenster auf dem Nicolaithurme zu Greifswald.
Der Wächter oben auf dem St. Nicolaithurme in Greifswald muß des Nachts die Stunden durch Blasen anzeigen. Er bläst aber nur aus drei Fenstern des Thurmes, nämlich aus denen nach Süden, Osten und Westen. Aus dem nach Norden darf er nicht blasen, das leidet der Teufel nicht. Was dieser dabei hat, da hat man noch nicht hinter kommen können; aber so viel ist gewiß, daß der Teufel einmal einen Wächter, der es wagte, aus dem Nordfenster zu blasen, plötzlich im Nacken ergriff und ihn von oben aus dem hohen Fenster warf, daß er Kopf unter Kopf über flog, und unten auf der Straße todt ankam. Seitdem hat es Keiner wieder versucht, aus dem Fenster zu blasen; der Magistrat soll es auch verboten haben. Wenn der Wächter in der Nacht nur den Kopf aus diesem Fenster zu stecken wagt, so kann er sicher darauf rechnen, daß er vom Teufel eine Ohrfeige erhält.
Mündlich.
120. Hans Katte.
Die Stralsunder führen in der Umgegend häufig den Spottnamen: Hans Katte. Manche meinen, er komme von der Gewohnheit des Katzenbeißens in den Fastnachten her. Doch ist er durch folgende Begebenheit entstanden: Vor langen Jahren entstand auf einmal in der Stadt das Gerücht, daß auf dem St. Nicolaus-Kirchthurme ein Fuchs sey. Darauf liefen alle Bürger zusammen, und bewaffneten sich mit Spießen und Schwertern und allerlei anderen Waffen, und zogen zu Felde gegen den Fuchs, als wenn es ein gar gefährlicher Feind wäre. Wie sie nun aber in dem Thurme ankamen und hinter dem Feinde lange Zeit gejagt hatten, da fanden sie endlich, daß sie gegen eine ganz gewöhnliche Katze zu Felde gezogen waren, die auf dem Thurme hatte mausen wollen. Die Sache wurde ruchtbar, und die Stralsunder erhielten nun von dieser verunglückten Heldenthat den Spottnamen: Hans Katte! – Herzog Philipp Julius, wenn er über die Stralsunder ungehalten war, pflegte zu sagen: Wir wollen doch sehen, ob die Greifsklauen nicht tiefer greifen, denn die Katzenklauen.
Baltische Studien, III. Jahrg. I. Heft, S. 235.
121. Greifswalder Lammsbraten.
Auch die Greifswalder haben ihren Spottnamen in der Umgegend, und der ist auf folgende Weise entstanden: Im Jahre 1429 kam die Königin Philippa von Dänemark mit einer großen Flotte unvermuthet vor Stralsund, und verbrannte alle Stralsunder Schiffe im Hafen. Von da schickte sie ihren Admiral mit 75 Schiffen nach Greifswald. Als das die Greifswalder erfuhren, geriethen sie in sehr große Angst, und liefen zusammen, und beriethen unter sich, was sie beginnen sollten, um ein gleiches Verderben, wie die Stralsunder betroffen hatte, von sich abzuhalten. Da kamen sie denn zuletzt in ihrer Angst auf den Gedanken, dem Admiral einen Lammsbraten zu schicken, um ihn dadurch zu besänftigen und für die gute Stadt geneigt zu machen. Davon bekamen sie bald den Spottnamen: »Lammsbraten«.
Baltische Studien, III. Jahrg. I. Heft, S. 236.
122. Anklamer Schwinetrecker.
Den schlimmsten Spottnamen haben die Anklamer erhalten. Der Herzog hatte einmal einen Brief an die Stadt geschrieben, worin er von dieser ein Paar Schwäne verlangte. Die Anklamer mochten aber nicht gut lesen können, und verstanden, sie sollten dem Herzoge ein Paar Schweine schicken. Sie suchten daher zwei dieser Thiere auf, so groß und wohlgemästet sie dieselben nur auftreiben konnten; die schickten sie dem Herzoge zu. Sie bekamen aber davon den Beinamen: »Schwinetrecker.«
Baltische Studien, III. Jahrg. I. H. S. 236.
123. Cösliner Sacksöfers.
Die Einwohner der Stadt Cöslin haben in früheren Zeiten mehrere Spitznamen gehabt. So sagte man eine Zeitlang: Horsa Cöslin! weil sie einmal gegen ihren Landesherrn, Bogislav X., zwar einen muthigen, aber unbesonnenen Angriff gemacht hatten. Dann schimpfte man sie wieder Musum Cöslin! oder Mus Cöslin, weil ihr Bürgermeister Heidenreich ihnen den Rathsschatz mausete, und damit nach Lübeck entwich, der Lübecker Rath aber den Schatz in Beschlag genommen und davon einen festen Thurm gebaut hat, den man dort Musum Cöslin genannt. Zuletzt gab man ihnen den Spottnamen: Sacksöfers, den sie behalten haben; denn zur Zeit der Reformation lebte in Cöslin ein katholischer Barbier, der hatte eines Tages etwas zu viel getrunken und drängte sich nun, um den Gottesdienst zu stören, mit einem Glase Branntewein in der Hand, und mit einer quakenden Ente unter dem Arm, in die Kirche hinein. Darüber geriethen die Cösliner so in Eifer, daß sie ihn in einen Sack näheten, und so lebendig ersäuften. Davon bekamen sie den Namen. Man sagt hiervon auch: Cöslin darf eine Thorheit thun, und darf sie auch bezahlen, denn der Eifer gegen den Barbier kostete ihnen 4000 Gulden.
Baltische Studien, III. 1. S. 237.
124. Pook und Kollen.
Die Bewohner von Putbus und der Gegend belegen die Einwohner der Halbinsel Mönchgut mit dem Spottnamen
Pook,
wogegen der Mönchguter den Putbusser einen
Kollen
schimpft. Diese Spottnamen stammen noch aus ganz alten Zeiten her, als die Rügianer unter einander in vielen Fehden lebten. In diesen Fehden hatten die Mönchguter große scharfe Messer geführt, welche Pooken genannt wurden; die Putbusser aber waren mit Streitkolben bewaffnet gewesen, welche kurzweg Kollen genannt zu werden pflegten.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen II. S. 78.
125. Der hochgelobte Adel.
Unter den reichen Bürgern der Pommerschen Städte geht ein Sprichwort, welches scherzweise sagt: Dafür haben wir den hochgelobten Adel. Man erzählt sich dabei folgende Geschichte: Es lebte einmal in Pommern ein armes Ehepaar von altem Adel. Die reiseten eines Tages zu Fuße, und kamen in ein Wirthshaus, wo sie sich hinter den Ofen setzten und ihre Reisekost verzehrten. Die bestand aus trockenem Brodte und etwas Knappkäse.
Bald darnach kam eine Kutsche, darin saß ein reiches Ehepaar aus dem Bürgerstande. Die kehrten gleichfalls in dem Wirthshause ein, und ließen durch ihren Bedienten sich den Speisekasten für die Reise nachtragen. Darin waren aber kalte Braten, Kuchen, Wein und mehr dergleichen; das verzehrten sie an einem Tische, den sie sich sauber decken ließen.
Als solches der arme Edelmann am Ofen gesehen, hat er voll Neides zu seiner Frau gesagt: Sehet, wie sich das Bürgerpack traktiren kann! Den hat die Edelfrau aber getröstet mit den Worten: Dafür haben wir doch den hochgelobten Adel!
Daher ist jenes Sprichwort entstanden.
Dähnert, Pommersche Bibliothek, V. 5. S. 174.
126. Das neue Tief.
Die Insel Rügen war früher mit dem festen Lande verbunden. Die jetzige Halbinsel Rügens, das Mönchgut genannt, soll nämlich mit Pommern zusammengehangen haben. Manche sagen zwar, es sey schon in den ältesten Zeiten davon getrennt gewesen; aber es war dies nur durch einen schmalen Strom, der soll, wie einige Leute sagen, so schmal gewesen seyn, daß zur Noth ein Mann herüber springen konnte. Andere dagegen behaupten, er sey wohl etwas breiter gewesen, aber gar nicht tief, so daß man dadurch einen Steg von Pferdeschädeln und anderen Knochen gemacht habe, über den man von Pommern nach Rügen habe gehen können. So viel ist gewiß, daß da, wo jetzt das neue Tief ist, vordem das trockne Land von Rügen war; man kann noch jetzt bei niedrigem und stillem Wasser unten auf dem Grunde des Meeres an einigen Stellen Eichen und Tannenbäume erblicken.
Das wurde nun auf einmal anders in einer einzigen Nacht im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts; man kann nicht einig darüber werden, ob es in den Jahren 1302, oder 1303, oder 1308, oder 1309 gewesen ist. In einem dieser Jahre soll es aber sicher vorgefallen seyn. Da entstand ein schrecklicher Sturmwind, der durch die ganze Ostsee ging, so daß er an allen ihren Küsten entlang die Kirchen und Häuser einwarf. Der riß auch mit einem Male das Land zu Rügen von Pommern ab, also daß ein schöner Theil Rügens in die See versank, da wo sie der große Bodden heißt. Zwei ganze Kirchspiele sollen hier vergraben liegen, das von Ruden und das von Carven. Es blieb davon nichts übrig, als das kleine Inselchen, der Ruden genannt, welches mitten im Bodden liegt.
Das Fahrwasser, welches auf solche Weise zwischen diesem Ruden und der Insel Rügen entstanden ist, hat man seitdem das neue Tief geheißen. Dasselbe ist besonders ein gutes Tief für die Stralsunder geworden. Denn nachdem der Gellen vor dem Sunde von den Niederländern mit ihrem Ballast fast vertieft geworden, wäre die Stadt gar verdorben, wenn sie das neue Tief nicht hätte.
Nicolaus Klempzen, vom Pommerlande, S. 14.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 7.
Stolle, Geschichte der Stadt Demmin, S. 605.
127. Die Insel Hiddensee.
Nordwestlich von der Insel Rügen liegt die Insel Hiddensee. Dieselbe hat in alten Zeiten mit der Insel Rügen zusammengehangen. In welcher Zeit sie davon getrennt ist, weiß kein Mensch mehr, so lange ist es schon her; aber auf welche Weise es geschehen ist, das erzählt man sich noch.
Es lebten nämlich einmal im ganz grauen Alterthum auf der Insel Rügen zwei Frauen; von denen war die Eine eine fromme und mildthätige, die Andere aber eine böse und geizige. Nun traf es sich, daß eines Abends, da es ein gar stürmisches Wetter war, zu der bösen Frau ein alter fremder Mann kam, der sah hungrig und zerlumpt aus wie ein Bettler, und war von Frost und Regen beinahe erstarrt. Einige sagen, es sey einer von den Corveier Mönchen gewesen, denen damals die Insel Rügen gehörte. Der bat die Frau, sie möge ihm ein Nachtquartier geben in ihrem Hause, und ein Stücklein Brod, damit er sich wieder trocknen könne und nicht verhungern müsse. Das geizige Weib aber wollte nichts von dem Bettler wissen, schalt ihn, und jagte ihn mit bösen Worten wieder in das Unwetter hinaus.
Darauf kam der alte fremde Mann zu der frommen Frau, und als er bei dieser seine Bitte anbrachte, da nahm sie ihn gleich mildthätig auf und pflegte sein, und theilte mit ihm ihren letzten Bissen Brod, denn sie war arm und hatte selbst nicht viel. Daran erlabte sich der Mann, und wurde wieder stark und rüstig, und man sah, daß er seine rechte Freude hatte.
Als nun der alte Mann am anderen Morgen wieder von dannen zog, so dankte er ihr vielmals für die Wohlthat, die sie ihm erzeigt, und sprach zu ihr, sie solle das auch nicht umsonst gethan haben, denn das Erste, was sie nun unternehmen werde, das solle ihr den ganzen Tag gelingen. Damit schied er. Die Frau aber freute sich, daß sie ein gutes Werk gethan habe, und dachte der Worte des alten Mannes nicht weiter nach, denn sie hielt ihn für einen schlichten Bettler.
Desselbigen Morgens hatte sie für Eines ihrer Kinder ein Hemde zu machen. Sie ging deshalb an ihren Koffer, in welchem sie noch ein kleines Röllchen Leinewand liegen hatte, und nahm eine Elle mit, um zu messen, ob es auch noch drei Ellen wären, denn so viel hatte sie zu dem Hemde nöthig. Wie sie nun aber anfing zu messen, so fand sie, daß es mehr war; denn sie hatte schon die drei Ellen abgemessen, und noch immer wollte das Röllchen nicht kleiner werden. Darüber verwunderte sie sich, und sie wollte doch sehen, wie viel Leinewand sie denn eigentlich noch hätte; sie maß deshalb weiter, nochmals drei Ellen, und wiederum so viel, und die Leinewand wollte noch immer nicht zu Ende gehen. Und das Wunderbarste war, daß sie immer weiter messen mußte, und gar nicht aufhören konnte, wenn sie auch gewollt hätte. So mußte sie denn stehen und messen, den ganzen Tag, und sie entsann sich nun der Worte des alten Mannes, den sie für einen Bettler gehalten hatte. Sie maß also lustig und fröhlich weiter, denn der Berg von Leinewand, den sie abmaß, wurde immer größer und größer, daß im Hause kein Platz mehr dafür war, und sie zuletzt bis vor die Thür und weit in das Feld hinein messen mußte, Alles von dem einen Röllchen, das in ihrem Koffer gelegen hatte. Das dauerte bis die Sonne unterging; da erst konnte sie aufhören; nun war sie aber auch eine reiche Frau.
Die Geschichte wurde bald bekannt, und auch die geizige Frau erfuhr sie. Die ärgerte sich recht boshaft in ihrem Sinne. Sie hatte aber den alten Bettler weggehen sehen, und sich die Gegend gemerkt, in die er gegangen war. Der Geiz und der Neid trieben sie daher, daß sie ihm nachlief, so böses Wetter es auch war. Sie fand ihn wirklich noch auf der Insel, denn bei dem Sturme hatte ihn Keiner übersetzen mögen. Sie redete ihn alsbald mit heuchlerischen Worten an, und bat ihn um Verzeihung, daß sie ihn des vorigen Abends nicht aufgenommen, und lud ihn ein, daß er für die folgende Nacht in ihrem Hause sein Quartier nehmen möge. Der alte Mann war das zufrieden, und kehrte mit ihr heim; und sie pflegte sein, und gab ihm vom Besten, was sie hatte. Denn sie dachte in ihrem heuchlerischen Sinne, daß er auch zu ihr sagen werde, das Erste, was sie unternehme, das werde ihr den ganzen Tag gelingen, und sie wollte sich dann schon eine Arbeit aussuchen, die sie auf einmal zu der reichsten Frau in der Welt machen sollte. Der alte Mann ließ sich Alles wohl gefallen, und als er am anderen Morgen wieder weiter zog, da dankte er auch ihr, und sprach zu ihr, wie zu der frommen Frau, das Erste, was sie nun unternehmen werde, das solle ihr den ganzen Tag gelingen.
Darüber freute das böse Weib sich gar übermäßig, und so wie der Mann fort war, hatte sie sich auch schon Etwas ausgedacht, was sie nun vornehme, und wodurch sie eine ganz reiche Frau werden wollte; sie wollte nämlich das Geld in ihrem Spartopfe zählen. Damit sie darin aber nicht gestört werde, sondern ruhig den ganzen Tag dabei bleiben könne, ging sie erst vor die Thür, um einem Antriebe der Natur zu genügen. Aber welch ein Wunder geschah da! So wie sie sich einmal niedergehuckt hatte, konnte sie nicht wieder aufstehen, und sie mußte den ganzen Tag fortfahren in dem, was sie begonnen hatte. Dadurch entstand ein See, der immer größer wurde, und zuletzt so groß, daß er alles Land überschwemmte, und das Stück Landes, welches jetzt die Insel Hiddensee heißt, von dem Lande Rügen abtrennte. Erst als die Sonne unterging, konnte die geizige Frau zur Ruhe kommen.
Also ist die Insel Hiddensee entstanden.
Mündlich.
Vgl. auch Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. 21. 22.
128. Die Insel Rattenort.
Westlich von der Insel Rügen liegt eine kleine Insel, Ummanz geheißen, und südlich von dieser das noch kleinere Inselchen Rattenort. Von dieser letzteren erzählt man sich Folgendes: Vor Alters waren zu einer Zeit auf der Insel Ummanz so viele Ratten, daß die Einwohner sich zuletzt ihrer gar nicht mehr erwehren konnten. Da erschien ein fremder Rattenfänger auf der Insel. Der hat für ein gutes Stück Geld alle Ratten zusammengelockt, und bei dem Dorfe Wuß durch das Wasser nach der Insel vertrieben, die seitdem den Namen Rattenort erhalten hat. Auf Ummanz befinden sich seit jener Zeit keine Ratzen mehr, so wie es auf der Rügenschen Halbinsel Wittow keinen Maulwurf geben soll.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
129. Die Bewohner des Darß.
Der Darß, eine zu Pommern gehörige Halbinsel, war in früheren Zeiten unbewohnt. Da soll einstmals ein Englisches Schiff an der Küste gestrandet seyn. Die Besatzung des Schiffes rettete sich glücklich ans Land und es gefiel den Engländern da so gut, daß sie sich daselbst ansiedelten. Die Darßer behaupten daher, daß sie von diesen Engländern abstammen; sie haben auch Alle englische Namen, z.B. Wallis, Prose, Kraft, Newmann u.s.w.
Der Darß und der Zingst, von A.v. Wehrs, S. 79.
130. Die Strandbewohner in Hinterpommern.
In vielen Hinterpommerschen Dörfern an der Ostsee haben die Bewohner eine alte Sage, die aus den ältesten Zeiten von dem Vater auf den Sohn übergegangen ist, daß nämlich ihre Stammeltern auf drei Schiffen in die Gegend gekommen wären, und sich dort niedergelassen hätten. Diese Sage ist namentlich in den Fischerdörfern in der Gegend von Rügenwalde und von Colberg, und in dem Dorfe Nest im Kirchspiel Möllen.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
131. Der Name Demmin.
Bei der Stadt Demmin liegt die Ruine einer alten Burg, welche noch jetzt das Haus Demmin heißt. Dieser Name ist auf folgende Weise entstanden: Die Burg ist vor alten Zeiten von drei, oder wie Andere erzählen, von zwei Prinzessinnen erbauet worden. Die versicherten sich gegenseitig ihr Miteigenthum mit den Worten: Dat Hus ist din und min! Darum nannte man es zuerst das Hus Dinmin, woraus hernachmalen der Name: Haus Demmin entstanden ist. Nach der Zeit wurde nahe dabei eine Stadt erbauet, welche nun auch von der Burg den Namen Demmin erhielt.
Stolle, Geschichte von Demmin, S. 4.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
132. Der Name Usedom.
Dieser Name ist auf folgende Weise entstanden: Vor Zeiten lebte auf der Insel Wollin ein Fürst, der auch die benachbarte Insel, welche damals noch keinen Namen führte, gern unter seine Botmäßigkeit bringen wollte. Er fing deshalb Krieg mit ihren Bewohnern an, die sich aber tapfer wehrten. Zuletzt, des Streites müde, bot er ihnen den Frieden unter sehr billigen Bedingungen, und wie sie den nicht annehmen wollten, rief er aus: O, so dumm! um anzuzeigen, wie dumm er die Leute erachtete. Von der Zeit hießen die Bewohner der Insel zuerst die Osodummer, und nachher die Usedomer.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Eine andere Sage berichtet hierüber Folgendes: Zu alten Zeiten, als die Insel noch keinen Namen hatte, aber schon viel Volks darauf wohnte, dachten die Leute daran, daß sie ihrem Lande doch einen Namen geben müßten. Sie kamen deshalb Alle an einem Ort zusammen und machten unter sich aus, daß nach dem ersten Worte, so Einer von ihnen spräche, die Insel benannt werden sollte, indem sie des Dafürhaltens waren, auf solche Weise einen recht hübschen Namen zu erhalten. Wie sie aber so beisammen waren, da wollte Keinem ein gutes Wort einfallen, und sie standen Alle still und stumm. Darüber ärgerte sich ein alter Mann unter ihnen also, daß er sich vergaß und plötzlich ausrief: O so dumm! damit auszudrücken, wie dumm sie doch wären, daß Keiner einen Namen finden könne. Also mußten sie nun selbst sich die Osodummer nennen, woraus nachher Usedomer geworden ist.
Mündlich.
133. Der Name Swinemünde.
In alten Zeiten sind die beiden Inseln Usedom und Wollin nur eine einzige Insel gewesen, und der jetzige Swinestrom hat sich erst nach und nach gebildet. Anfänglich hat sich nur eine ganz kleine Furth eingestellt, und um die zu passiren, hat man einen Schweinekopf hineingelegt. Daher ist der Name: Swine entstanden, der auch beibehalten ist, als die Furth größer geworden und ein breiter Strom daraus entstanden war. Zu der damaligen Zeit haben da, wo jetzt die Stadt Swinemünde liegt, einige wenige Fischerhütten gestanden; als nachher die Stadt dort erbauet worden, ist der Name des Stromes auf sie übergegangen.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
134. Neuwarp.
Da wo der Warpsche See in das große Haff hineingeht, hat links in früheren Zeiten eine alte Stadt, Namens Warp, gelegen, welche nachher durch Ueberschwemmungen des Haffs zu Grunde gegangen ist, und wovon man noch jetzt, wenn das Wasser ganz ruhig und klein ist, die Trümmer sehen kann. Es soll nur ein kleiner Theil der Stadt stehen geblieben seyn, nämlich das jetzige Dorf Altwarp. Die Bewohner der untergegangenen Stadt nun sollen sich auf das jenseitige Ufer des Sees begeben haben, und dort haben sie eine neue Stadt gebaut, welche sie ebenfalls Warp geheißen; zur Unterscheidung von der alten Stadt hat sie aber bald den Namen Neuwarp erhalten.
Mündlich.
135. Das Dorf Klempin.
In Hinterpommern in der Pfarre Siedkow liegt ein Dorf, Klempin geheißen. Diesen Namen soll es, wie die Leute sagen, daher erhalten haben, daß es zwischen die beiden benachbarten Dörfer eingeklemmt ist.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
136. Putbus.
Zu der Zeit, als die Insel Rügen noch ihre eigenen Fürsten hatte, lebte ein jüngerer Prinz des fürstlichen Hauses, der von seinem Vater, dem regierenden Herrn, den südöstlichen Theil der Insel, die Kirchspiele Vilmnitz und Lanken, zum Besitzthume erhielt. Wie der in seine neue Besitzung einzog, da bereisete er dieselbe zuerst, um eine passende Stelle zu finden, an der er seine Burg anlegen könnte. Lange suchte er eine solche vergeblich. Zuletzt kam er an den mit Buschwerk bedeckten Berg, der die Wusternitz heißt; allda gefiel es ihm so gut, daß er plötzlich ausrief: Po de Buß, d.h. hinter dem Busch, anzeigend, daß an dieser Stelle die neue Burg gebauet werden solle. So ward denn an demselben Orte die neue Fürstenwohnung erbauet, die von jenem Ausrufe den Namen erhielt, und auch bald ihrem Besitzer und seinen Nachkommen den Namen: Putbus gab, den Schloß und Familie noch jetzt führen.
Pomm. Prov. Blätter, V. S. 61.
137. Der Königsstuhl auf Stubbenkammer.
Die höchste Spitze des Vorgebirges Stubbenkammer auf der Insel Rügen heißt der Königsstuhl. Der Name ist daher entstanden, daß hier in alten Zeiten den Königen der Insel gehuldigt ist. Sie haben dabei auf einem hohen, künstlich von Erde erbaueten Stuhle gesessen. Man sagt, die Rügianer hätten damals ihre Könige selbst gewählt, sie hätten aber nur den Kühnsten genommen, und zum Beweise der Tapferkeit verlangt, daß der König von der Uferseite her den Stuhl besteigen müsse. Das ist aber ein großes und schweres Stück Arbeit; denn der Kreidefels, auf dem sich der Königsstuhl befindet, ist nach der See hin mehrere hundert Fuß hoch und ganz jäh und schroff. Es geht auch noch eine alte Sage unter dem Volke, daß künftig Einer, der von der Seeseite her den Königsstuhl ersteige, Herr des Landes werden solle.
In neueren Zeiten haben mehrere kühne Männer das Wagestück versucht, aber keinem hat es gelingen wollen. Am weitesten ist der Schiffer Paulsen von Bergen gekommen; allein ganz hat er nicht hinaufgelangen können. Nur von dem Könige Carl dem Zwölften von Schweden sagen einige Leute, daß es ihm geglückt sey, und daß er darauf oben auf der Spitze ganz ruhig sein Frühstück verzehrt habe.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
138. Das Nonnenloch auf Mönchgut.
Am äußersten Westende der Rügenschen Halbinsel Mönchgut befindet sich ein Ufervorsprung, der Swantegard, oder die heilige Gegend genannt. In diesem Vorsprunge ist eine tiefe Grube, welche das Nonnenloch heißt. Sie ist noch jetzt sehr tief, obgleich ganz alte Leute in der Gegend sich noch erinnern, daß sie vor vielen Jahren zugeschüttet ist.
Vor
dieser Verschüttung war sie so tief, daß Niemand ihren Grund finden konnte. Zu dieser Grube sind vor Zeiten, als in der Stadt Bergen noch ein katholisches Nonnenkloster war, die Nonnen hingebracht, die sich vergangen hatten. Denn anstatt, daß man sie lebendig einmauerte, wie es in anderen katholischen Klöstern gebräuchlich war, wurden sie in diese Grube hinuntergestürzt. Das ist zwar immer heimlich und bei Nacht geschehen, aber die Leute sind es doch bald gewahr geworden an den wehklagenden Gestalten, die im Mondschein aus der Gruft oft heraufstiegen und um dieselbe herum wandelten. Man hat die Grube daher schon vor alten Zeiten das Nonnenloch geheißen, wie sie auch noch genannt wird. Es soll noch immer nicht geheuer in der Gegend seyn.
Vgl. Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 206.
139. Das Zeichen am Thurme zu Bergen.
An dem Kirchthurme zu Bergen auf Rügen sieht man nach Westen hin an dem Fundamente der Mauer ein altes steinernes Bild eines Mönches, der ein Crucifix in der Hand hält. Dasselbe ist oben zugespitzt, und auf dem Kopfe des Mönches ist ein Zapfen. Man sagt, daß der Baumeister des Thurms, ein gar kluger und erfahrner Mann, ausgerechnet gehabt, daß gerade dieser Zapfen gleiche Höhe mit der Spitze des Marienthurmes zu Stralsund habe, und darum soll er zum Wahrzeichen das Mönchsbild eingemauert haben.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 177.
140. Das zehntfreie Dorf.
Nachdem die Insel Rügen von den Dänen erobert und zum Christenthume neu bekehrt war, wurde sie von dem Könige Waldemar von Dänemark dem Bischofe von Roeskild untergeben. Dieser wußte sich bald durch die ganze Insel einen Roggenzehnten zu verschaffen. Von dem wurde aber ein einziges kleines Dörfchen befreiet, Namens Brehe, welches jetzt nicht mehr besteht, vormals aber in der Gegend von Gingst gelegen hat. Dieses hatte auf folgende Weise seine Befreiung erlangt. Der Bischof hielt sich nämlich zur Einhebung des Roggenzehntens einen eignen Landprobst oder Vicarius, der auf dem Probsteihofe zu Ralswiek seinen Wohnsitz hatte. Der reisete in einem Wagen im Lande herum, und nahm den Zehnten ein. Wie er nun einstmals in das Dorf Brehe gekommen war, zerbrach er dort ein Rad an seinem Wagen, und verlor seine Peitsche. Da traten die Einwohner des Dorfes zusammen und schafften ihm Beides wieder herbei. Zur Dankbarkeit wurden sie von da an von dem Roggenzehnten befreiet; dagegen mußten sie zum Zeichen ihrer bisherigen Verpflichtung nun alljährlich ein Wagenrad und eine Peitsche auf den Probsteihof nach Ralswiek liefern.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. S. 146.
141. Das Bozelgeld in Schlawe.
Die Stadt Schlawe muß jährlich an die Stadt Rügenwalde eine Abgabe bezahlen, die den Namen Bozelgeld führt. Die Abgabe und der Name sind auf folgende Weise entstanden: In dem Dorfe Altschlawe hart an der Wipper lag vor vielen hundert Jahren eine Burg, in welcher ein Graf als boshafter Raubritter sein Unwesen trieb. Insbesondere raubte er auch jährlich aus der Stadt Schlawe eine gewisse Anzahl Jungfrauen, die er in seiner Burg einsperrte; und dabei war er so boshaft, daß er, wenn er in einem Jahre die Zahl nicht voll hatte, allen den anderen die Köpfe abschlagen ließ. Die Bürger von Schlawe hatten solche Ungebühr lange Zeit ertragen, weil sie gegen den gefährlichen Ritter nicht aufkommen konnten. Zuletzt aber wurde es ihnen zu arg, und sie versammelten sich nun, um zu berathen, wie sie der Noth und des Elendes los werden könnten. Sie konnten indeß kein Mittel ausfindig machen, und mußten ohne Rath wieder aus einander gehen. Nun hatte aber der Bürgermeister von Schlawe eine Tochter, die eine eben so schöne als kluge und brave Jungfrau war. Als die erfuhr, warum es sich handelte, hatte sie schnell einen Plan erdacht, wie man des wilden Grafen ohne große Gefahr habhaft werden könne. In der Nähe von Altenschlawe nach der Burg hin lag nämlich ein Nußwäldchen; dahin wollte die Jungfrau ganz allein gehen, als wenn sie Nüsse suchen wolle. Der Ritter würde sie dann sehen, und geschwind herbeieilen, um sie zu fangen. Nun sollten die Männer von Schlawe sich in dem Gebüsch versteckt halten, und über ihn herfallen und ihn fangen.
Der Bürgermeister hatte seine Tochter sehr lieb, und wollte daher in ihren Plan nicht willigen, weil er ihm zu gefährlich für sie zu seyn schien. Er mußte indeß endlich nachgeben. Es ging darauf auch Alles so, wie die kluge Jungfrau es sich gedacht hatte. Der Ritter war nur mit geringer Mannschaft aus der Burg gekommen, um sie zu fangen, und so gelang es den Bürgern leicht, seiner habhaft zu werden. Sie legten ihn darauf in Ketten und führten ihn im Triumphe in die Stadt, wo sie ihn in einen tiefen Kerker warfen, und dann Gericht über ihn hielten und ihn zum Tode verurtheilten. Dieses Urtel konnten sie aber nicht so eigenmächtig vollstrecken, sondern sie mußten es erst von dem Herzoge in Stettin unterschreiben lassen. Sie schickten es daher nach Stettin. Allein nun traf es sich, daß der Herzog mit dem Raubgrafen gut Freund war; er schrieb deshalb unter das Urtel die Worte:
Kop af nich loat läwen.
Das schrieb er, ohne irgend ein Zeichen zwischen die Worte zu setzen, so daß es einen ganz zweideutigen Sinn hatte, und man daraus nehmen konnte, was man wollte. Die Bürger deuteten es aber zu ihren Gunsten, und ließen dem Ritter den Kopf abschlagen. In ihrer großen Freude gingen sie sogar so weit, daß sie einen großen Freudentag hielten und mit dem abgeschlagenen Kopfe auf dem Markte herumkugelten, was im Plattdeutschen »bozeln« heißt. Als das nun der Herzog in Stettin erfuhr, wurde er sehr zornig und legte seine Worte anders aus, und er belegte die Stadt mit einer Geldstrafe, welche sie nach Rügenwalde geben mußte, und wozu jeder Bürger zu gleichem Theile beitragen sollte; von dem Bozeln mit dem Kopfe des Ritters hieß diese Strafe das Bozelgeld.
Mündlich.
142. Die Kirche ohne Thurm.
Das Dorf Gristow, eine Meile von Greifswald, hat eine Kirche, die zwar zu den reichsten im Lande gehört, denn sie hat ein Vermögen von 20- bis 30,000 Thalern, die aber keinen Thurm hat, und auch keinen bekommen kann. Schon seit uralten Zeiten haben die Leute gesagt, auf die Kirche zu Gristow werde niemals ein Thurm kommen. Warum nicht, das weiß man nicht, aber daß sie keinen erhalten kann, ist gewiß. Man hat sich schon mehrmals angeschickt, einen zu erbauen, es liegen auch die dazu bestimmten Fundamentsteine seit ein paar hundert Jahren auf dem Kirchhofe; so oft aber der Baumeister mit dem Bau hat anfangen wollen, ist derselbe eines jählichen Todes verstorben, so daß man das Werk liegen lassen mußte. Es hatte sich daher auf lange Zeit kein Baumeister mehr dazu finden wollen. Vor ungefähr fünf Jahren dachte man endlich wieder daran. Man bekam auch einen tüchtigen Meister, Namens Giese; aber so wie der kaum den Riß fertig gemacht hatte, so starb auch er eines plötzlichen Todes. Seitdem will sich nun Keiner mehr finden, den Bau zu übernehmen.
Mündlich.
143. Die Ruine des Hauses Demmin.
Das Haus Demmin und die Stadt Demmin hatten früher nur Einen Herrn; sie waren auch damals durch einen unterirdischen Gang mit einander verbunden, dessen Eingang in der Stadt in der Gegend des blinden Thores war, und der so geräumig gewesen ist, daß man mit Kutsche und Pferden darin hat fahren können. Hernachmals ist der Gang verfallen, und man hat nun auch die Burg zu dem Gute Vorwerk geschlagen, welches nahebei liegt. Dabei soll ausgemacht seyn, daß die Burg nicht an die Stadt Demmin zurückfallen solle, so lange noch ein Stein von ihr auf dem anderen liege. Der Besitzer von Vorwerk hält daher mit großer Sorgfalt darauf, daß die Ruine des Hauses Demmin wohl erhalten bleibe.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
144. Der Ritter mit der goldenen Kette.
Um das Jahr 1360 lebte auf der Insel Usedom in dem Schlosse zu Mellenthin ein Rittersmann, Namens Nienkrake, den die Leute aber jetzt Nienkerke oder Neukirchen nennen. Er trug immer eine große und schöne goldene Kette um den Hals, auf die er viel hielt, weshalb er auch mehrentheils nur der Ritter mit der goldenen Kette hieß. Dieser Ritter hatte große Liebe zu einer schönen Nonne im benachbarten Kloster Pudagla, und weil er dieser weder im Guten noch mit Gewalt habhaft werden konnte, so grub er zuletzt, da er ohne sie gar nicht leben zu können vermeinte, unter der Erde einen Gang von seiner Burg bis nach dem Kloster, eine ganze Meile lang. Durch diesen entführte er die Nonne und ehelichte sie. Er hatte das Alles so heimlich betrieben, daß kein Mensch wußte, wo die Nonne geblieben war. Ein Bauer aus Mellenthin verrieth ihn aber endlich, und nun kam der Bruder der Nonne mit großer Heeresmacht vor die Burg des Ritters mit der goldenen Kette, um ihm sein Gemahl wieder zu entreißen. Allein der Herzog von Stettin, dem die große Liebe des Ritters gefiel, stand ihm bei, und befreiete ihn von der Belagerung. Der Ritter hat darauf mit seiner schönen Nonne noch viele und vergnügte Tage verlebt. Nachdem sie gestorben waren, hat man ihre Leichname in der Kirche zu Mellenthin beigesetzt. Das Bildniß des Ritters ist auch noch in dieser Kirche zu sehen. Der Ritter ist übrigens mit seiner goldenen Kette begraben, von der er sich nicht hat trennen mögen, und die er auch nach seinem Tode nicht von sich lassen will. Vor einigen Jahren war einmal Einer, der Gelüste nach ihr trug, und der deshalb täglich an dem stark verlötheten Sarge feilte, um ihn offen zu bekommen. Nachdem der Mann aber ein Schildchen abgefeilt hatte, erschien auf einmal in einer Nacht der Frau desselben der Ritter mit der goldenen Kette; er berührte mit den großen Federn auf seinem Helme ihr Gesicht, daß sie aufwachte, und sah sie zürnend und drohend an. Seitdem hat es Keiner mehr gewagt, nach der Kette zu streben.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
145. Ritter Flemming.
Vor vielen hundert Jahren lebte auf der Insel Wollin ein tapferer Ritter, Namens Flemming, der war einst mit dem Herzog Barnim von Pommern auf einen Kreuzzug zum heiligen Grabe gezogen, und hatte seine Mutter Barbara, die ihn sehr liebte, allein mit einigen Knechten auf der Burg zurückgelassen. Wie nun die Wittwe Barbara täglich nur für eine glückliche Rückkehr ihres Sohnes betete, und um das Hauswesen nicht viel sich bekümmern konnte, da trieben die Knechte allerlei Unwesen, und insonderheit legten sie sich auf Wegelagerung, und plünderten und erschlugen einen Jeden, der durch die Gegend zog. Eines Abends, als sie auch wieder auf der Lauer lagen, sahen sie einen einsamen Pilgersmann des Weges kommen. Der ging langsam und müde, und seufzte oft schwer auf. Daraus schlossen die Knechte, er müsse große Schätze bei sich führen, die er aus fernen Landen mitgebracht, und an denen er schwer zu tragen habe. Sie fielen daher unversehens über ihn her und erschlugen ihn. Sie fanden aber nichts bei ihm, als einen goldenen Ring, den er am Finger trug, den nahmen sie. Weil der Ring nun ein sonderbares Wappen führte, so zeigten sie ihn am anderen Tage der Edelfrau, und wie die den Ring besah, da erkannte sie ihn, daß er ihrem Sohne gehöre, und sie fragte hastig, wo der sey, so den Ring getragen? Da mußten die Knechte gestehen, daß sie ihn im Felde erschlagen hätten, und der Leichnam liege noch da. Jetzt war es schrecklich anzusehen, wie die alte, greise Edelfrau die Hände rang und jammerte. Sie lief zu der Stelle, wo ihr Sohn lag, und als sie ihn erkannt hatte, faßte die Verzweiflung sie, und sie stürzte sich in einen tiefen Sumpf, der in der Nähe war. Die Stelle, wo der Ritter Flemming erschlagen ist, befindet sich in der Trebenower Feldmark unweit Wollin. Sie hieß früher der Freudenberg, weil die alten heidnischen Wolliner dort ihren Götzen geopfert und dabei viele Feste gehabt hatten; seit dem Tode des Ritters heißt sie aber bis zur heutigen Stunde der Trauerberg. Der Sumpf, in dem die Edelfrau ihren Tod fand, ist jetzt eine Wiese, und heißt die Barbarawiese von jener Zeit her.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 88-94.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
146. Claus Hinze.
Claus Hinze war ein bekannter Hofnarr des Pommerschen Herzogs Johann Friedrich. Er war gebürtig aus einem Dorfe bei Friedrichswalde, welches jetzt, und zwar wie die Leute sagen, nach ihm, den Namen Hinzendorf führt. Der Herzog soll ihn da, als er eines Tages durch das Dorf gekommen ist, getroffen haben, wie Claus Hinze, der zu solcher Zeit noch ein kleiner Bauernknabe war, singend und lachend durch das Dorf ging, einen großen Strick um den Leib, an welchen er eine ganze Menge todter junger Gänse gebunden hatte. Dem Herzog fiel der Knabe in diesem Aufzuge auf, und als er ihn fragte, was derselbe zu bedeuten habe, erzählte ihm der Schalk lachend, seine Mutter habe ihm befohlen, daß er die Gänse hübsch beisammen halten solle, damit der Fuchs sie nicht hole; da habe er sie denn nun mit den Hälsen an den Strick, und sich diesen um den Leib gebunden; so solle der Fuchs sie ihm gewiß nicht holen. Seine Reden und sein Thun gefielen dem Herzog so sehr, daß er ihn mit sich nahm, und als seinen Hofnarren bei sich behielt.
Der arme lustige Claus Hinze hat aber zuletzt ein gar trauriges Ende genommen. Als der Herzog nämlich von einem heftigen Fieber befallen war, und die Aerzte erklärten, er könne nur durch einen jähen Schreck geheilt werden, da unternahm Claus Hinze es, seinen Herrn zu heilen, und er stieß ihn unversehens ins Wasser. Der Herzog genas davon zwar wirklich; weil das aber ein Majestätsverbrechen war, so sollte der Hofnarr zum Scheine hingerichtet werden. Er hielt dies jedoch für Ernst, und als der Scharfrichter, anstatt des Schwertes, mit einer Ruthe ihn in den Nacken hieb, fiel er vor Schreck um, und war todt.
Das Dorf Hinzendorf, welches früher Butterdorf geheißen, soll ihm der Herzog bei seinen Lebzeiten geschenkt haben. Auf dem Kirchhofe daselbst, neben einer Eiche, befindet sich auch noch sein Grabmal. Es ist ein langer, viereckiger Stein. Claus Hinze steht darauf abgebildet in Lebensgröße, mit Schellen auf dem Kopfe und einer Keule in der Hand, wie sie die Gänsehirten zu tragen pflegen. Um den Leib hat er den Strick mit den Gänsen, zu seinen Füßen liegt eine Bierkanne. Sein Todestag war der 17. März 1599.
Brüggemann, Beschreibung von Vor- und Hinterpommern, Th. II. Bd. 1. S. 226.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
147. Die Windmühlen bei Stettin.
An der sogenannten klingenden Becke bei Stettin liegen sieben Windmühlen, die vor alten Zeiten der Rath zu Stettin hat bauen lassen. Als die fertig waren, sind die Rathsherren zu ihnen hinausgefahren, um sie zu besehen, und um ihnen Namen zu geben. Bei der ersten sagten sie: Eine muß doch Malz mahlen, denn sie dachten zuerst an das gute Bier, und sie nannten sie
Malzmühle.
Die zweite hatte wenig Wasser; da sprachen sie: die ist für die Küken, sie soll die
Kükenmühle
heißen. Bei der dritten hörten sie einen Kukuk schreien; die nannten sie die
Kukuksmühle.
Auf einer vierten empfing die Wirthin sie unfreundlich, da nannten sie dieselbe die
Sursacksmühle.
Auf der fünften dagegen wurden sie freundlich und aufmunternd aufgenommen, d.h. motgeberisch (muthgebend), da nannten sie diese die
Motgebermühle.
Bei der sechsten wollten die Räder gar nicht still stehen, da sprachen sie: das ist die
Klappermühle.
Die letzte endlich, weil sie am höchsten im Berge lag, nannten sie die
Obermühle.
Alle diese Namen führen die sieben Mühlen noch.
Mündlich.
148. Sagen vom Schlosse zu Daber.
Das Schloß zu Daber ist sehr alt, und jetzt ganz verfallen, so daß Keiner mehr darin wohnen kann. In uralten Zeiten sollen, wie die Leute sagen, einmal drei vornehme Fürsten darin gewohnt haben. Die haben ein sehr wildes und gottloses Leben geführt, nichts gethan als Jagen, Trinken und Fluchen, und den lieben Gott haben sie ganz vergessen. Da ist endlich Einer von ihnen plötzlich gestorben. Den haben die beiden Anderen in dem Erbbegräbnisse auf dem Schlosse beisetzen lassen; aber in ihrem Lebenswandel haben sie sich nicht gebessert. Darauf sind sie denn bald ebenfalls eines jähen Todes verstorben. Von der Zeit an ist das Schloß verfallen und es wohnen nun böse Geister darin, welche die Leute in der Gegend die Kobolde nennen. Die treiben, besonders des Nachts, ein schreckliches Wesen in dem alten Schlosse. Daher wagt es auch Keiner, nach den vielen Schätzen zu suchen, die noch darin begraben liegen sollen; denn bei Tage kann man an einen solchen Schatz nicht ankommen. Einige Leute haben diese Kobolde auch schon gesehen.
Die alte Nachtwächterfrau, die noch jetzt zu Daber lebt, war einmal auf den Johannistag gerade um die Mittagszeit auf das alte Schloß gegangen, um Flieder zu pflücken, der dort viel wächst. Auf einmal, während sie sich bückte, sah sie aus dem Schlosse drei herrlich gekleidete Fräulein kommen, denen drei kleine Männer folgten. Alle sechs führten einen zierlichen Tanz auf dem Hofe aus, zu dem die Musik aus dem Schlosse kam. Nachdem das eine Weile gedauert hatte, erschien ein großer Hund an einer goldenen Kette. Das war der leibhaftige Teufel; denn er verwandelte sich plötzlich in einen großen schwarzen Ritter, und fing nun mit an zu tanzen, worauf es nicht anders war, als wenn rund umher der ganze Erdboden bis tief hin erschüttert werde. Die alte Nachtwächterfrau hat darüber einen solchen Schrecken bekommen, daß sie in aller Eile den Schloßsteig heruntergegangen ist. Auf der Brücke erst ist sie still gestanden, und hat sich umgeblickt, worauf sie denn wahrgenommen, daß aus einem verfallenen Thurme des Schlosses eine schreckliche Gestalt herausgeblickt hat. Das ist auch der Teufel gewesen. Er hat wie ein Drache ausgesehen, und aus dem Munde Feuer gespieen, und auf einmal ein so furchtbares Schreien erhoben, daß davon das ganze Schloß gezittert hat, und eine Mauer geborsten ist. Gleich darauf hat die Glocke Eins geschlagen, und nun ist mit einem Male Alles vorbei gewesen; der Thurm aber, aus dem der Teufel geschrieen, ist zugleich eingestürzt. Der Teufel hat so arg geschrieen, daß die alte Frau taub geworden ist, was sie denn auch zum Wahrzeichen ihr Leben lang bleiben wird.
Ein andermal war ein alter Böttcher, der Bandstöcke geholt, und sich darüber verspätet hatte, um Mitternacht an dem alten Schlosse vorbeigekommen. Auf einmal begegneten ihm unweit desselben drei Männer, welche feurige Hüte trugen, sonst aber ganz schwarz waren. Die stellten sich an die Brücke, über die er mußte, und wollten ihn nicht hinüberlassen, und droheten ihm. Anfangs graute den alten Mann; zuletzt aber faßte er sich ein Herz, und hob an, mit lauter Stimme das Lied zu singen:
Ihr Höllengeister, packet Euch,
Ihr habt hier nichts zu schaffen.
Da verschwanden die schwarzen Gestalten eiligst, und liefen nach dem Schlosse zu. Oben in demselben erhoben sie ein schreckliches Geheul und stürzten sich dann von oben in den Thurm hinab, von dem die Leute sagen, daß früher die Gefangenen darin gesessen hätten. Gleich darauf hörte der Böttcher ein großes Hundegebell und dann ein fürchterliches Krachen. Der Böttcher hat dies Alles dem Drechslermeister Habermann in Daber erzählt, der daselbst noch lebt.
Dieser Habermann erzählt auch Folgendes: Zu dem Schlosse zu Daber gehört ein ziemlicher See. Hier soll, wie die Leute schon von alten Zeiten her sagen, ehemals eine große Stadt gestanden haben, die aber nachher in den See versunken ist. Die Glocken der mit untergegangenen Thürme kann man noch zu Zeiten hören. Nun begab es sich einmal, erzählt Habermann, daß ein Schuhmacher, der oft aufs Land ging, um Arbeit zu suchen, in einer Nacht etwas angetrunken aus dem Kruge zu Plantikow kam, welches Dorf etwa eine halbe Meile von Daber liegt. Er war kaum eine Viertelstunde gegangen, als er am Wege drei schwarze Pferde sah, die da weideten. Er dachte, die gehörten einem Bauer aus Plantikow zu, und in seinem trunkenen Muthe, und weil ihm das Gehen sauer wurde, machte er sich an sie heran, und setzte sich auf eins, um so nach Hause zu reiten. Aber auf einmal hob sich das Pferd mit ihm in die Höhe, und flog hoch durch die Luft, daß dem Schuhmacher Hören und Sehen verging. Erst an dem Schloßsee ließ es sich mit ihm nieder. Es warf ihn dort ans Ufer ab, und verschwand dann in der Tiefe des Sees. Gleich nachher hörte der Schuhmacher unten im Wasser ein helles Glockengeläute. Die Glocken sprachen dabei ordentlich, denn er hörte deutlich die Worte:
Anne Susanne
Wust du mit to Lanne?
O ne mi Grete,
Man immer deepe!
Die Leute meinen, daß die drei schwarzen Pferde den drei Fürsten gehört haben; Manche sagen auch, das dritte sey der Teufel selbst gewesen. Es soll auch in der Luft ganz feurig geworden seyn, und lauter Feuer von sich gespieen haben.
Mündlich.
149. Die Grafen von Eberstein bei Retztow.
Vor Zeiten lebte in Sachsen ein vornehmes und mächtiges Geschlecht, das der Grafen von Eberstein. In der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts aber wurde Graf Dietrich von Eberstein von dem Herzoge von Braunschweig mit dem Strange hingerichtet, und seine Söhne mußten in alle Welt flüchten, und ihre Güter im Stich lassen. Einer von ihnen, Graf Otto von Eberstein, floh zu seiner Mutter Bruder, einem Grafen von Gleichen, der damals Bischof von Cammin in Pommern war. Er wurde von diesem aufgenommen, und der Bischof belehnte ihn im Jahre 1263 mit der Stadt und Grafschaft Naugard. Zu dieser Grafschaft gehörte auch das Dorf Retztow, eine Meile südwestlich von Naugard, bei welchem die Grafen späterhin eine Burg erbauten, welche sie die Wolfsburg nannten. Die Trümmer dieser Burg sieht man noch jetzt in der Nähe von Retztow. Die Ebersteiner fingen aber mit der Zeit ein wüstes, gottloses Leben an, und besonders hatten sie ihre Freude daran, von der Wolfsburg aus, wo sie oft zum Jagen mit ihren wilden Gesellen zusammentrafen, den Bauern die Saaten zu verderben. Deshalb stehen sie noch jetzt unter den Bauern in einem schlechten Rufe, und man sagt, sie hätten keine Ruhe unter der Erde, und müßten noch immer um die Wolfsburg herum wandern. Doch sind sie jetzt nicht immer mehr böse, sondern beschenken sogar manchmal die Leute, mit denen sie zusammentreffen.
So war vor vielen Jahren einmal ein Schäfer in Retztow, der hütete am Johannistage mit seiner Heerde auf dem sogenannten Hühnenberge, nicht weit von der Wolfsburg. Auf einmal versank er mit allen seinen Schaafen in die Erde hinein, daß sie sich über ihm zusammenthat. Unten kam ihm ein großer Hund entgegen, der ihn an eine Thür führte. Diese öffnete der Schäfer, worauf er an eine zweite Thür kam. Als er auch diese geöffnet hatte, befand er sich in einem großen Saale; in demselben saßen viele vornehme Herren am Speisen. Sie sahen dem Schäfer so stattlich aus, daß er sie für Fürsten hielt, obgleich die Leute meinen, daß es die Grafen von Eberstein gewesen wären, die in diesen Berg hineingebannt seyen. Sie luden auch den Schäfer ein, mit ihnen zu essen, was er that. Als er sie darauf aber fragte, wie er aus dem Berge wieder herauskommen möge, sagten sie ihm, daß er daran vor dem nächsten Johannistage, mithin vor Ablauf eines Jahrs, nicht denken könne. Also geschah es auch, und der Schäfer mußte ein ganzes Jahr mit seiner Heerde im Berge bleiben. Als das Jahr zu Ende war, verehrten ihm die Grafen einen goldenen Stab; sie sagten ihm aber dabei, daß er niemals wieder in die Nähe des Hühnenberges kommen solle.
Nicht so gut erging es einem Bauern aus Retztow. Der befand sich eines Abends bei den Hühnengräbern, die dort auch in der Gegend liegen, als ihm vier junge Männer begegneten. Der Bauer dachte sich nichts Besonderes dabei, und sprach sie dreist an. Sie gaben ihm auch freundlichen Bescheid, und fragten ihn dann, was die Leute in der Gegend von den Grafen von Eberstein sprächen. Der Bauer, der noch immer nichts Arges dachte, antwortete ihnen ehrlich, wie man von denen noch immer nichts Gutes rede, und theilte ihnen auch mit, was sie in früheren Zeiten Alles verübt haben sollten. Da wurden die vier Männer auf einmal grimmig, faßten ihn an, und fuhren mit ihm in die Luft hinein, drei Meilen weit. Als sie ihn nun niedersetzten, waren sie plötzlich verschwunden, und er sah jetzt drei schwarze Hunde vor sich, die Feuer ausspieen. Der arme Mensch hat sich vor Schreck kaum wieder nach Hause finden können, wo er Tags darauf gestorben ist.
Von der Zeit an hat man aber nur noch zwei schwarze Hunde in der Gegend erblickt, und man glaubt daher, daß der dritte seitdem erlöset sey.
Mündlich.
150. Der geizige Graf von Eberstein.
Unter den Grafen von Eberstein, die in alten Zeiten auf ihrem Schlosse bei Naugard gewohnt haben, ist einstmals ein sehr grausamer und geiziger Herr gewesen. Er ist besonders gegen seine Leute so schlimm gewesen, daß er den Mägden, wenn sie nicht genug gesponnen hatten, die Hände abhauen ließ; oder er ließ sie gar in Flachs einwickeln und so verbrennen. Die armen Leute, welche sich Holz aus seinem Walde holten, ließ er in tiefe Gruben werfen, wo sie eines schrecklichen Hungertodes sterben mußten. Seine Frau ist fast noch böser gewesen als er.
Nachdem Beide ihre Grausamkeiten lange getrieben hatten, hat der Herzog von Stettin zuletzt ein Einsehen gethan, und das Schloß belagert. Der Graf hat zwar mehrere unterirdische Gänge gehabt, um dadurch zu entkommen. Aber er ist sammt seinem Weibe doch zuletzt gefangen, und beide sind zum Tode verurtheilt und geköpft worden. Darauf hat man zum warnenden Andenken ihre Bildnisse in der Capelle zu Naugard aufgerichtet, und auf das Gestell ihre Frevelthaten eingeschrieben. Die Bilder stehen da noch, die Schrift ist aber verlöscht. Vor vielen Jahren nämlich kamen eines Tages zwei vornehme fremde Herren nach Naugard, die haben den Küster gebeten, ihnen die Capelle zu zeigen, was derselbe auch gethan. Wie sie nun darin gewesen, haben sie auf einmal den Küster fortgeschickt, etwas für sie zu holen, und als der Küster zurückkehrt, da ist die Inschrift an dem Gestell verlöscht gewesen. Die beiden Fremden aber waren verschwunden. Man glaubt, daß es zwei Verwandte des Grafengeschlechts aus fernen Landen gewesen seyen.
Mündlich.
151. Das Schloß zu Matzdorf.
Ungefähr dreiviertel Meilen von Massow in Hinterpommern liegt das Dorf Matzdorf, bei welchem sich ein altes Schloß befindet. In diesem letztern hat vor Zeiten ein Grafengeschlecht gewohnt, welches sich einem wilden, Gott mißfälligen Leben ergeben hatte. Besonders grausam waren diese Grafen gegen ihre Unterthanen. Sie verfolgten und mißhandelten sie oft wegen der geringsten Kleinigkeiten; und man zeigt noch jetzt in dem alten Schlosse ein großes, wüstes Gemach, in welchem sie über die armen Bauern, die etwas verbrochen hatten, unbarmherzig den Stab brechen und sie zum Tode verurtheilen ließen. Die Leute nennen dieses Gemach die alte Gerichtsstube. Zur Strafe für solche Grausamkeiten muß nun der Letzte aus dem Grafengeschlechte noch immer in dem alten Schlosse umgehen. Man kann ihn in jeder Mitternacht sehen. Er hat einen großen dicken Eisenstab in der Hand; mit diesem schleicht er langsam um das ganze Schloß herum, und zuletzt geht er in die alte Gerichtsstube hinein. Dort fängt er ein schreckliches Gepolter an, und sucht den Eisenstab zu brechen, was ihm aber nimmer gelingen will. Damit muß er sich quälen bis die Glocke Eins schlägt. Dann verschwindet er mit großem Getöse und Gekrach. Einige sagen, daß ein großer schwarzer Hund ihn begleite, dem eine glühende Zunge aus dem Maule hänge, und der wahrscheinlich der Teufel sey. Wen der alte Graf sieht, den erwürgt er, und verschwindet dann mit schrecklichem Gelächter in die Gerichtsstube. Es wagt sich deshalb des Nachts kein Mensch in die Nähe des Schlosses.
Mündlich.
152. Der Krakauberg bei Zachan.
Bei dem Städtchen Zachan, zwei Meilen von Stargard, liegt in einem Buchenwalde ein Berg von ziemlicher Höhe, der Krakauberg geheißen. Auf diesem Berge hat in alten Zeiten ein Schloß gestanden, in welchem ein Grafengeschlecht, Namens Krakau, gewohnt haben soll. Die beiden Letzten dieses Geschlechts waren zwei Brüder, die aber in großer Feindschaft und Zwietracht mit einander lebten. Zur Strafe für solchen unnatürlichen Haß soll ihr Schloß zerstört, und sie sollen in Zwerge verwandelt seyn. Als solche müssen sie noch immer auf dem Berge umgehen, und auf den Johannistag kann man sie dort sehen.
In demselben Buchenwäldchen hört man auch manchmal um Mitternacht ein großes, grauenhaftes Jagdgetöse mit Hundebellen, Pferdegetrampel, Blasen und Schießen. Man sagt, daß dies auch von den beiden Grafen herkomme.
Mündlich.
153. Die Eule im Schlosse zu Labes.
In der Stadt Labes sieht man noch die Ruinen eines alten Schlosses, in welchem früher ein grausamer Ritter gewohnt hat. Jetzt hauset nur noch eine Eule dort, die Nacht für Nacht ein schreckliches Geheul hören läßt, und die kein Mensch vertreiben kann; man sagt, daß diese Eule der Geist des bösen Ritters sey.
Mündlich.
154. Der Dollgemost auf Rügen.
Auf der Insel Rügen befindet sich eine, dem Fürsten zu Putbus zugehörige Holzung, der Dollgemost genannt. Vor Zeiten hielten sich in derselben viele und gefährliche Räuber auf, welche die ganze Insel unsicher machten. Gegen die zog zuletzt der Fürst Jaromar I. aus, und erschlug sie Alle in der Holzung. Weil nun die fürstlichen Ritter und Knappen dabei toll gehauset hatten, so bekam das Gehölz den Namen Dollgemost, denn gemost heißt so viel als gehauset.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
155. Die Burg Ralow.
Auf der Insel Rügen liegt ein Gut, Namens In-Wiek. Nicht weit davon hat vorzeiten die Burg Ralow gelegen. Die Spuren des alten Burgwalles und des Grabens um denselben findet man noch heut zu Tage. Der Graben ist über zwanzig Ellen breit und hat noch jetzt eine Tiefe, wie die höchste Tanne im Lande, so wie der Wall eine Breite von fünf und zwanzig Ellen hat. Diese Burg ist schon zu heidnischen Zeiten eine starke Festung gewesen, und es hat ein berüchtigter Seeräuber, Namens Rolwiek, sein Raubnest darinnen gehabt, von dem sie auch den Namen erhalten hat. Der hat dort viele Jahre sein Unwesen getrieben, bis es endlich dem Fürsten Jaromar I., der überall im Lande die Räuber verfolgte und ausrottete, glückte, auch ihn zu fangen und seine Burg zu zerstören.
Derselbe Räuber Rolwiek hatte zwei Schwestern, von denen die Eine Agathe und die Andere Jutta hieß. Die hatten ihren Bruder sehr lieb, und als er gefangen und seine Burg zertrümmert war, da flohen sie in die Nachbarschaft, und erhenkten sich Beide aus großem Herzeleid. Die Eine, nämlich Jutta, ging auf einen Berg, der in der Nähe lag, die Andere in ein kleines Gehölz. Davon heißt denn noch die Höhe, die nicht weit von In-Wiek, nach der Pribrowschen Wedde zu, rechts am Wege nach Landau liegt, der Jüttenberg, und das Holz, welches sich einen guten Flintenschuß weiter befindet, das Agathenholz. – Die Zerstörung der Burg soll im Jahre 1182 geschehen sein.
v. Schwarz, Pommersche Städtegeschichte, S. 695. 696.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 95.
156. Claus Störtebeck und Michel Gädeke.
Es sind schon über fünftehalb hundert Jahre vergangen, da hausete lange Zeit auf der Ostsee eine grausame Bande von Seeräubern, welche sich die Victualien- oder Vitalienbrüder nannten, weil sie nur von Raub und Beute lebten, oder auch Liekendeeler, weil man sagt, daß sie alle Beute zu gleichen Theilen unter sich vertheilt hätten. Die Anführer dieser Bande waren Claus Störtebeck und Michael Gädeke. Jener war aus der Stadt Barth in Pommern gebürtig. Der Letztere, der von den Leuten jetzt noch Gät-Michel genannt wird, soll von der Insel Rügen, oder wie Andere behaupten, aus dem Dorfe Michelsdorf auf dem Darß herstammen.
Diese Räuber trieben ihr Gewerbe auf der ganzen Ostsee; sie hatten eine Menge Niederlagen und geheime Schlupfwinkel, in die sie sich verkrochen, wenn sie einmal mit zu großer Macht verfolgt wurden. So bewohnten sie zu Zeiten die große Höhle unter dem Waschstein auf Rügen, die damals noch Niemand kannte; auch hatten sie ein festes Schloß auf dem Zingst, wo man am Prerower Strome noch jetzt die Trümmer einer Burg sieht, die von den Bewohnern das alte Schloß genannt werden. Dieses Schloß haben die Lübecker, die von den Räubern am meisten zu leiden hatten, im Anfange des funfzehnten Jahrhunderts zerstört; sie sollen auf der Darßer Seite des Prerow-Stromes gelandet seyn und im Lager gestanden haben. Die Stelle heißt noch jetzt der Lübecker-Ort. Die Schätze der Räuber sollen damals von den Lübeckern nicht gefunden seyn. Sie sollen vielmehr noch unter den Trümmern des alten Schlosses verborgen liegen, und man kann noch häufig des Nachts, wenn Vollmond ist, fremde Schatzgräber sehen, die mit allerlei Mitteln nach ihnen suchen.
Den Räubern selbst konnte man lange Zeit nicht ankommen; sie entkamen allen Verfolgungen glücklich. Das sollen sie den Gebeinen eines heiligen Märtyrers verdankt haben, die sie einmal aus einem Kloster an der Spanischen Küste gestohlen hatten, und die sie immer mit sich führten. Endlich aber, nachdem sie über dreißig Jahre ihr Unwesen getrieben, gelang es den Hamburgern, die eine große Seemacht zusammengebracht hatten, die ganze Bande nach einem überaus blutigen Seetreffen einzufangen. Zuerst bekamen sie den Claus Störtebeck mit 711 Gesellen, und darauf den Michel Gädeke mit noch 80. Die wurden allesammt zu Hamburg geköpft. Der Hamburgische Bürgermeister Simon von Uetrecht hatte ihnen das Todesurtheil gesprochen, und sie in ihren Prunkkleidern zum Richtplatze führen lassen. Aus der Beute, die man bei dieser Gelegenheit machte, ließen die Hamburger eine goldene Krone und einen großen übergoldeten Becher verfertigen. Die Krone hat lange den St. Nicolai-Thurm in Hamburg geziert; den Becher zeigt man allda noch.
Altes und Neues Rügen, S. 54. 55.
Der Darß und der Zingst, von A.v. Wehrs, S. 43-46.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 45-48.
157. Die Räuber im Gollenberge.
Der Gollenberg hatte in früheren Jahren eine Menge tiefer und dunkler Waldklüfte, in denen sich lange Zeit hindurch große furchtbare Räuberbanden aufhielten. Es ist noch jetzt mitten im Gollenberge eine Vertiefung, welche die Räuberkuhle heißt; in dieser sollen sie ihr Hauptlager gehabt haben. Das Gesindel hatte sich so furchtbar gemacht, daß Keiner wagte, es anzugreifen, und daß sie ungescheut plünderten und mordeten, was ihnen unter die Hände fiel. Da wurden sie endlich auf folgende wunderbare Weise gefangen:
In der Herberge zu Cöslin langte eines Abends bei großem Unwetter ein fremder Reisender an, der unter dem Gollenberge hatte herreiten müssen, und der dabei gar unheimliches Getümmel oben auf dem Berge vernommen hatte. Er hatte sich deshalben beeilt, die Stadt zu erreichen, und er zitterte noch und war bleich vor Schrecken, als er in das Gastzimmer trat. Darüber neckten ihn einige anwesende Gesellen, die sich hinter dem warmen Ofen und dem Glase Wein wunders wie tapfer und muthig dünkten. Der Reisende, den solches verdroß, bot ihnen eine große Summe Geldes an, wenn Einer von ihnen, oder auch sie Alle es wagten, jetzt gleich auf den Gollenberg zu gehen, und zum Zeichen, daß sie da gewesen, sein Tuch, das er ihnen hinlegte, um die eiserne Fahne binden würden, die zum Merkzeichen für die Schiffer auf der Spitze des Berges errichtet war. Da entfiel aber den Prahlern das Herz, und es hatte keiner den Muth, das Abenteuer zu bestehen.
Das hörte die Magd des Wirthshauses mit an, die eine muntere, beherzte Dirne war, und weil sie sehr arm war, so kam ihr die Lust an, daß sie das Geld verdienen möge. Sie sagte das dem Fremden, der hatte nichts dagegen, und obgleich alle Andern ihr abredeten, und ihr vorstellten, wie sie in die Hände der Räuber fallen und dann niemals wiederkehren werde, so blieb sie doch fest bei ihrem Vorsatze. Sie nahm das Tuch des Reisenden, und ging nun getrost, ganz allein in dunkler Nacht und in schrecklichem Unwetter, aus der Stadt hinaus dem Berge zu. Anfangs ging Alles gut. Sie kümmerte sich nicht um das Heulen des Sturmes, der durch die Eichen fuhr, und nicht um das Krächzen der Raben und Eulen, die überall um sie herflogen. Als sie aber die Spitze des Berges erreicht hatte, und so ganz allein da stand in dem furchtbaren Sturmwinde, in der Nähe der blutigen Räuberbande, und fern von aller menschlichen Hülfe, und als auf einmal dicht bei ihr die alte eiserne Fahne anfing zu knarren, daß es ihr durch Mark und Bein fuhr: da klopfte ihr das Herz, daß sie es hören konnte trotz dem Heulen des Windes, und sie gerieth in eine solche Angst, daß sie nur kaum noch zu der Fahne gelangen und das Tuch herum winden konnte.
In dem Augenblicke aber, als sie das that, hörte sie nahe bei sich ein lautes Horn, das furchtbare Horn der Räuber, das die Einwohner von Cöslin nur zu oft in manchen Nächten, wenn das Gesindel in die Nähe der Stadt gezogen kam, gehört hatten. Da vergingen der armen Dirne fast die Sinne, und sie sah keine Rettung, wie sie in der dunklen Nacht und mit ihren, vom Schrecken gelähmten Gliedern werde entfliehen könne. Auf einmal erblickte sie aber neben sich ein Roß, das an einen Baum gebunden war. Es war hoch und weiß von Gestalt, und hatte einen silbernen Zaum. Auf das eilet sie zu und löset es von dem Baume und schwingt sich hinauf. Und nun jagte sie vom Berge hinunter, was das Pferd nur laufen konnte. Allein die Räuber hatten sie schon gewahrt, das Horn hatte sie alle beisammen gerufen, und auf einmal hörte sie, wie ein großer Haufe auf schnellen Rossen, die alle silberne Schellen trugen hinter ihr herjagte und immer näher an sie herankam. Da trieb sie ihr Roß stärker an, und jagte blind zu, den Berg hinunter. Und als die Noth am größten war, und die Nächsten hinter ihr schon dicht an ihr waren, da hatte sie gerade das Stadtthor erreicht, und sie war gerettet. Aber die Räuber hatten sie in so großer Verblendung und Wuth verfolgt, daß sie nicht einmal gewahrten, wie sie sich in der Stadt befänden. Das ward ihr Untergang; denn die muthigen Cösliner schlossen nun geschwind das Thor hinter ihnen zu, und fingen sie Alle. Am anderen Tage zogen darauf die Bürger auf den Gollenberg und zerstörten das Raubnest gänzlich. Sie fanden dort viele Gebeine von Erschlagenen, aber auch viele Reichthümer. Unter der Beute war auch das große Horn der Räuber. Es war drei Fuß lang, und von starkem Metall gegossen. Dasselbe wurde zum Horn des Nachtwächters für die Stadt bestimmt. Als solches thut es noch bis auf den heutigen Tag in Cöslin Dienste.
Vgl. Pomm. Provinzial-Blätter, I. S. 211-216. II. S. 4. 6.
158. Das Raubschloß bei Cantrek.
Zwei Meilen von Gollnow liegt das Dorf Cantrek. Etwa eine Viertelmeile von diesem sieht man auf einer ziemlichen Anhöhe die Ruinen einer alten Burg; am Fuße der Anhöhe befindet sich ein klarer See. Die jetzt zertrümmerte Burg ist früher ein Raubschloß gewesen. Sie gehörte der Familie von Köller, welche seit undenklichen Zeiten in Pommern das Gewerbe der Räuberei und Wegelagerung getrieben hatte. Kein Kaufmann oder anderer Reisender konnte ungeplündert durch die Gegend ziehen. Dabei hatten die Raubritter sich ihr Gewerbe so sehr erleichtert, daß sie nicht einmal nöthig hatten, einen Späher auf die Zinnen ihrer Burg zu stellen. Die armen Reisenden mußten ihnen vielmehr von selbst entgegenkommen. Aus dem Burgsee nämlich ergoß sich ein kleines Fließ, welches später in den Jubenbach fiel. Dieses Fließ lief quer durch die Landstraße, so daß jeder Reisende es passiren mußte. Nun, sagt man, hatten die Herren von Köller über dasselbe eine Brücke schlagen lassen, dem Anschein nach zur Bequemlichkeit der Reisenden, aber in Wahrheit zur Erleichterung ihres bösen Gewerbes. Denn an der Brücke hatten sie einen Drath befestigt, der unter der Erde her bis zur Burg hinaufging und dort an eine Glocke reichte. So wie nun Je mand auf die Brücke trat, so gerieth durch die Erschütterung der Drath in Bewegung, und die Glocke auf der Burg läutete. Dann brach Alles auf und überfiel den arglosen Wanderer, der über die Brücke gegangen war.
Solches Unwesen hat gedauert bis zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts; denn Keiner hatte den gefährlichen Raubrittern in ihrer festen Burg etwas anhaben können. Als aber zur Zeit des dreißigjährigen Krieges der schwedische König Gustav Adolph nach Deutschland kam und durch Pommern zog, hörte er auch von dieser Räuberburg, und er beschloß sofort, sie zu belagern. Anfangs spottete sein der Raubritter, der damals auf der Burg hausete. Nachdem der König aber eine Zeitlang da gelegen hatte, und die auf der Burg sehen mochten, daß keine Rettung mehr für sie sey, erschien auf einmal eines Abends in dem Zelte des Königs eine hohe, schöne Frau. Die weinte sehr und sprach zum Könige, daß sie die Frau des Herrn von Köller sey, des Raubritters, den er belagere, und bat ihn sehr, daß er ihrer und ihres Mannes schonen möge. Der König versprach ihr das auch für sie, von ihrem Manne wollte er aber nichts wissen. Da bat die Frau nur um freien Abzug dessen, was sie aus der Burg werde tragen können; das versprach ihr der König. Am anderen Morgen nun ließ sich die Zugbrücke der Burg nieder, und über dieselbe schritt die Frau von Köller, ihren Mann auf dem Rücken, den sie also rettete. Der König ließ darauf Alles tödten, was noch auf der Burg war, und diese selbst zerstörte er.
Die Frau hatte ihren Mann aus Furcht über eine Viertelstunde weit von der Burg getragen, bevor sie es wagte, ihn zur Erde niederzulassen. An der Stelle, wo dieses geschah, bauten Beide nachher das Dorf Cantrek.
Sowohl an der Ruine der alten Burg, als an dem See unterhalb derselben ist es noch immer nicht geheuer. Einer alten Frau, die noch jetzt in dem Dorfe Cantrek lebt, ist einmal Folgendes begegnet: Sie war eines Abends zu dem See gegangen, um zu krebsen. Dabei verspätete sie sich, so daß es Mitternacht wurde. Auf einmal erhob sich ein schrecklicher Sturm, der ihre Kienfackel, die sie bei sich hatte, verlöschte. Unten im See aber hörte sie Geklirre von Waffen, und das Aechzen von Sterbenden, und dann einen gräulichen Rumor, der immer höher heraufkam. Zuletzt thaten sich die Wellen auseinander, und es stiegen acht geharnischte Männer aus dem Wasser, die drei festgebundene Kaufleute mit sich schleppten. Gleich hinter diesen her sprangen zwei andere geharnischte Männer hervor, die aber ganz weiß waren, wogegen jene schwarze Mäntel über ihren Rüstungen trugen. Die weißen Ritter stimmten zuerst einen lieblichen Gesang an. Ihnen folgten mit erschrecklichem Geheul die schwarzen, indem sie die räuberischen Thaten der Köllerschen Familie besangen. Als sie zu Ende waren, stürzten beide Theile auf einander los, und hoben einen wüthenden Kampf an. Die weißen Ritter blieben darin aber Sieger, und erschlugen alle die acht schwarzen Ritter. Sie warfen diese darauf in die Tiefe des Sees, und ließen sich dann selbst unter einer schönen Musik in den See hinunter. Was aus den gebundenen Kaufleuten geworden ist, hatte die alte Frau in ihrer Angst vergessen.
Mündlich.
159. Der Raubritter Vichov.
Nicht weit von Uchtenhagen in Hinterpommern sieht man an einer Wiese einen großen trüben Sumpf. An der Stelle desselben hat früher ein hoher Berg gestanden, und auf diesem eine feste Burg. In dieser Burg hat ein mächtiger und grausamer Raubritter, Namens Vichov, gehauset, der nicht nur der Schrecken aller Kaufleute und Reisenden war, sondern den auch die gesammte Ritterschaft in der Umgegend fürchtete. Denn auf seinem starken, auf dem hohen Berge liegenden Schlosse konnte ihm Niemand etwas anhaben, und er hatte überdies einen übergroßen Haufen wilden, aber tapferen Gesindels um sich.
Dieser Vichov hatte beständig auf der Zinne seiner Burg Einen seiner Leute auf Wache stehen; der mußte, wenn sich Jemand nahete, sey es Ritter, oder Kaufmann, oder sonst ein Reisender, mit einem silbernen Glöcklein ein Zeichen geben. Dann stürzte Vichov mit seiner Rotte von der Burg herunter, über die Armen her. Dabei hatte er eine Gewohnheit, die war folgende: Wer sich ihm widersetzte, der wurde ohne Gnade niedergestoßen; wer aber sein Leben erhalten wollte, der mußte ihm fortan dienen. – Den Rittern und Landleuten der Gegend war sein Druck am Ende unerträglich geworden, und sie thaten sich daher einstmals ihrer mehr denn zehntausend Mann zusammen, und belagerten ihn in seiner Burg. Allein er verspottete und verhöhnte sie, und als sie den Mauern sich naheten, goß er siedendes Wasser, Oel, Blei und Pech auf sie, also daß er sie zur Hälfte tödtete, und die andere Hälfte die Flucht nahm. Den Fliehenden setzte er nach, und er nahm Alle, die er einholen konnte, gefangen. Die sperrte er in einen großen Hundestall, den er ansteckte, so daß sie sammt und sonders jämmerlich verbrannten.
Nach diesem war er sehr übermüthig geworden, und befahl seinen Leuten, daß sie ihn als ihren Herrgott ansehen und verehren sollten, denn er könne auch Alles, was er wolle, wie der liebe Gott. Das war aber sein Verderben, denn als er desselben Tages mit seinen Genossen zu Tische saß, und mit ihnen am Zechen war, und nun, Allen unerwartet das silberne Glöcklein zu läuten anfing, da verzerrte er auf einmal gräßlich die Augen, seine rothen Haare stiegen ihm zu Berge, und indem er einen gotteslästerlichen Fluch ausstieß, versanken unter Donner und Krachen der Berg und die Burg tief in die Erde hinein, so daß man an ihrer Stelle nur den trüben Sumpf sah, der noch jetzt da ist.
Dies war am Johannistage. Wenn man an einem Johannistage um die Mittagszeit an dem Sumpfe vorbeigeht, so kann man tief im Grunde desselben noch jetzt das silberne Glöcklein läuten hören. Es wahrt sich aber Jeder davor, denn man sagt, wer das Glöcklein höre, der müsse noch in demselben Jahre sterben, wenn er nicht mit dem Teufel im Bunde stehe.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Baltische Studien, II. 1. S. 165. 166.
160. Der Leichensee.
Nicht weit von dem Dorfe Retzin, welches ungefähr anderthalb Meilen von Pencun liegt, findet man einen hohen, langen Berg, und unterhalb desselben einen See, welcher der Leichensee genannt wird. Auf dem Berge, der jetzt mit Buschwerk bewachsen ist, hat in früheren Zeiten ein Raubschloß gestanden, von welchem man noch hin und wieder Mauerwerk im Gebüsch auffindet. Der ganze Berg heißt deshalb auch noch der Burgwall. Die Räuber, die in diesem Raubschlosse gehauset, haben die Leichen der von ihnen Erschlagenen in den See geworfen, woher dieser auch den Namen erhalten haben soll. Die Ermordeten und die Mörder sollen noch jetzt in mancher Nacht um den See herumgehen, und es wagt sich in der Dunkelheit Niemand gern in die Gegend.
Vgl. Brüggemann, Beschreibung von Vor- und Hinterpommern, I. S. 230.
Eine andere Sage erzählt hierüber ausführlicher Folgendes: Der Leichensee liegt gerade in der Mitte von den Stellen, auf denen früher zwei Burgen gelegen haben, und wo noch jetzt die beiden Dörfer Lökenitz und Ramin sind. Diese beiden Burgen gehörten einem wüsten Raubritter, Namens Hans von Ramin. Der Randowfluß, der durch den See fließt, war damals noch schiffbar; es trug sich daher häufig zu, daß Schiffe durch den See kamen. Diesen paßte nun der Ritter mit seinem Raubgesindel von beiden Burgen aus auf, und er hatte eine sinnreiche Vorrichtung gemacht, wie er sie fangen könnte. Er hatte nämlich queer über den See zwei Ketten ziehen lassen, die ungefähr 50 Schritte von einander entfernt lagen, und zwei Zoll über dem Wasser ganz stramm angezogen waren. Wenn er nun ein Schiff von weitem ankommen sah, dann versteckte er sich mit seinen Leuten in dem Rohr und Schilfe am Ufer des Sees, und ließ die vordere Kette schlaff, so daß sie unter das Wasser ging. So wie aber das Schiff darüber weg war, zog er sie wieder straff an, und wie nun das Schiff zwischen den beiden Ketten festsaß und nicht ein noch aus konnte, fiel er mit seinem Raubgesindel darüber her, erschlug die Mannschaft und nahm alles Gut für sich. Die Leichen wurden in den See geworfen, nach der Seite des langen Berges hin. Oft traf es sich, daß die Räuber auf dem Schiffe eine größere Mannschaft fanden, als sie erwartet hatten; dann läuteten sie eilig eine große Glocke, die sie eigends zu diesem Zwecke am Ufer aufgehangen hatten, worauf ihnen von den beiden Burgen Hülfe kam. Diese Glocke ist nach dem Tode des Ritters in den See gestürzt. Darin ist sie noch, und am Johannistage kann man sie des Mittags um zwölf Uhr darin läuten hören.
Mündlich.
161. Die Räuberhöhle bei Schmölle.
Bei dem Dorfe Schmölle nicht weit von jenem Leichensee findet man eine große Höhle, noch jetzt die Räuberhöhle geheißen. Diese ist der Schlupfwinkel des Hans von Ramin und seiner Genossen gewesen, worein sie alle ihre geraubten Schätze gebracht. Hans von Ramin hatte einen Bruder, der in Schmölle wohnte, und der eben so gottlos war, wie jener. Der hatte einstmals ein adliges Fräulein der Gegend geraubt, mit welcher er in diese Höhle flüchtete. Hier wollte er sie zwingen, ihm zu Willen zu seyn; wie die Jungfrau sich aber hartnäckig zur Wehre setzte, ließ er ihr den Kopf abschlagen.
Der Geist dieses Fräuleins ist nachher noch lange um die Räuberhöhle herumgegangen. Zuletzt hat sie vor noch nicht gar zu vielen Jahren ein Schäfer gesehen. Dieser weidete in der Gegend seine Heerde, als er auf einmal einer ganz schwarz gekleideten Jungfrau ansichtig wurde, die am Eingange der Höhle stand und ihm winkte, zu ihr zu kommen. Anfangs graute sich der Schäfer; am Ende nahm er sich aber ein Herz und ging zu ihr und folgte ihr in die Höhle hinein. Hier fand er viele und große Haufen von Schätzen, und die Jungfrau sagte ihm, daß er davon nehmen könne, so viel er möge, daß er auch alle Tage, aber nur um dieselbe Stunde, wiederkommen könne. Darauf verschwand sie. Der Schäfer that, wie sie ihm geheißen hatte, und er ist ein reicher Mann geworden. Die Jungfrau hat man aber seitdem nicht wiedergesehen. Nur am Johannistage soll man in der Höhle noch schwache Klagelaute hören.
Mündlich.
162. Das versunkene Schloß bei Plathe.
Wenn man von Plathe nach Danzig geht, so sieht man nicht weit von der ersteren Stadt, linker Hand am Wege, einen Hügel, der mit Strauchwerk bewachsen und mit großen Steinen bedeckt ist. Hier soll ein Schloß versunken seyn, auf dem früher grausame Ritter ihr Wesen getrieben haben. Man hat davon noch jetzt einen Beweis. In der Nähe des Schlosses hat nämlich noch ein anderes Schloß gelegen. Die Herren der beiden Schlösser haben mit einander in Krieg gelebt, und der in dem versunkenen Schloß hat die Tochter des anderen geraubt, und sie einmauern lassen. Dieses Fräulein sieht man nun noch jede Nacht auf jenem Hügel. Sie ist ganz weiß gekleidet, und hat ihre Haare lang herunterhängen; so geht sie weinend zwischen den Steinen umher.
Vor mehreren Jahren hat hier auch einmal ein Tagelöhner einen Pferdefuß mit einem goldenen Hufeisen gefunden. Der Mann ist aber von dem Augenblicke an wie von einem bösen Geiste besessen gewesen, und bald darauf jämmerlich gestorben.
Mündlich.
163. Das versunkene Dorf im Madüesee.
An dem Madüesee lag vor Zeiten ein Dorf, in welchem viele Räuber und andere gottlose Menschen wohnten. Besonders hatten sie es auf die Mönche des benachbarten Klosters abgesehen, und sie plünderten diese aus, so oft die Brüder mit ihren eingesammelten Gaben heimkehrten. Einst am Sanct Johannistage kam auch ein Mönch mit vielen Gaben, die ihm die frommen Leute der Umgegend geschenkt hatten, an dem See vorbei, um in sein Kloster zurückzukehren. Die Räuber hatten ihn gewahrt, und auf einmal fiel ein großer Haufe von ihnen über ihn her, nahm ihm Alles und schlug ihn blutig, ohne auf sein Bitten und Wehklagen zu hören. Da verfluchte der Mönch sie auf ewige Zeiten.
Augenblicklich erhob sich ein schrecklicher Sturm und Unwetter. Die Wellen im Madüesee stiegen in die Höhe wie schreckliche Gespenster, und drangen auf das Dorf ein, und verschlangen es, also daß es mit Mann und Maus in dem Grunde des Sees vergraben wurde. Dort unten liegen die Räuber nun, und haben nimmer Ruhe, denn der Mönch hat sie auf ewige Zeiten verflucht. Am Johannistage kann man noch alle Jahre die Glocken des Dorfes unten im See läuten hören. Es darf alsdann kein Schiffer sich auf den See wagen, denn das Wasser verschlingt an diesem Tage Alles, was sich ihm nahet.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 47-50.
164. Die alte Stadt bei Werben.
In der Gegend, wo jetzt das Städtlein Werben an dem Madüesee liegt, hat vor alten Zeiten eine große und schöne Stadt gestanden. In derselben haben lauter reiche Leute gewohnt, die haben keine andere Kleider getragen als von Sammt und Seide, und sind nicht anders gefahren, als in Kutschen, mit sechs Pferden bespannt. Es war auch eine Prinzessin darin, die wußte vor allem ihrem Reichthum nicht, was sie thun sollte. Zum Abendbrod aß sie nur das Gekröse von Heringen, so daß sie dazu jeden Abend ganze Tonnen voll Heringe verbrauchte. Nun geschah es aber, daß eine theure Zeit ins Land kam, und die anderen Leute zuletzt gar nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten. Da gingen die Bürger zu der reichen Prinzessin, an die noch keine Noth gekommen war, und fielen vor ihr auf die Kniee, und baten sie, mit gerungenen Händen, um Brod. Die Prinzessin aber hatte ein hartes Herz, und sie that daher, als hörte sie die Leute nicht; und wie diese gar nicht wieder gehen wollten, da ließ sie zuletzt ihren Hundejungen kommen, der mußte mit der Hundepeitsche die armen Menschen vom Hofe jagen. Diese riefen ihr wohl zu, wie der liebe Gott gegen solche Hartherzigkeit ein Einsehen thun werde, aber sie machte sich nichts daraus, und wie es wieder Abend wurde, so ließ sie sich, wie sonst, zwei Tonnen Heringe bringen; von denen aß sie das Gekröse, und das Fleisch ließ sie in die Madüe werfen, weil sie es den armen Leuten nicht gönnte. Dabei ging sie in ihrer Verstocktheit so weit, daß sie über Nacht die Straßen der Stadt mit Salz bestreuen ließ, als wenn es die ganze Nacht durch geschneiet hätte; darüber fuhr sie am anderen Morgen in einem Schlitten, den sie mit dem feinsten Waizenteig hatte beschmieren lassen, und vor dem die Pferde, anstatt der Schellen, mit lauter Semmeln behangen waren. Aber für solchen Frevelmuth kam die Strafe. Denn es fuhr plötzlich vom Himmel ein Blitz herunter, der schlug sie und ihre Pferde todt, und riß ein großes Loch in die Erde, daß die ganze Stadt hineinsank und zu Grunde ging. Seitdem ist der Madüesee darüber gegangen. In diesem kann man auf St. Johannis Mittag die Glocken der versunkenen Stadt noch läuten hören, und wenn großer Sturm ist, so wirft die Madüe noch oft die Menschenschädel, und Nägel und Messer heraus, und andere Sachen, welche die Leute gebraucht haben.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
165. Das Pommersche Sodom und Gomorrha.
In der Gegend, wo jetzt die Stadt Gützkow liegt, war früher eine Stadt, die sehr in Sünden lebte, so daß Gott ihren Untergang beschloß, wie den von Sodom und Gomorrha. Es erbarmte ihn aber der Einwohner und er schickte ihnen daher einen Engel, der sie vor dem Unglücke warnen und aus der Stadt hinausführen mußte. Der Engel gebot ihnen auch dabei, daß sie sich nicht umsehen sollten. Wie nun aber die Stadt mit schrecklichem Geräusch in die Erde versank, da war eine Frau, die ihrer Neugierde nicht wehren konnte. Eigentlich umsehen, wie Loths Weib, wollte sie sich nicht, sie bückte sich deshalb und sah zwischen den Beinen zurück. Aber augenblicklich wurde sie in einen Stein verwandelt, und eben so geschah auch ihrem Hunde, der sich gleichfalls umgesehen hatte. Die beiden Steine sieht man noch heutiges Tages; an dem größeren, in den die Frau verwandelt ist, kann man noch deutlich die Gestalt eines Menschenkopfes erkennen. Nicht weit davon ist der See, in den die Stadt versunken ist. Die Stadt hat mehrere Thürme gehabt, die noch aufrecht im Wasser stehen, denn es begegnet den Fischern oft, daß sie mit ihren Netzen auf die Thurmspitzen gerathen.
Mündlich.
166. Der schwarze See bei Grimmen.
Die Stadt Grimmen hat früher an einer anderen Stelle gestanden, als jetzt, nämlich da, wo heutiges Tages der sogenannte schwarze See ist. Die Stadt ist allda versunken, mit Allem, was darinnen war. Wann und wie dies geschehen ist, weiß man nicht mehr, denn es ist schon viele hundert Jahre her. Aber daß es wahr ist, beweiset der schwarze See, den man an ihrer Stelle findet. Derselbe liegt ungefähr eine Achtelmeile von der jetzigen Stadt Grimmen, links am Wege nach Grellenberg. Er ist länglichrund, ungefähr siebenzig Schritte lang, wo er am längsten ist, und sechzig Schritte breit. Wie tief er ist, das weiß kein Mensch: denn er soll gar keinen Grund haben. Er ist rund umher mit kleinen Anhöhen und einem Elsenbusche umgeben. Der Boden dieses Busches ist so feucht und morastig, daß man nur in ganz trocknen Sommern bis an die Ufer des Sees gelangen kann. Das Wasser in diesem ist ganz schwarz und bitter. Es verändert sich niemals. Der Wind mag leise wehen, oder auch noch so viel stürmen, der See bleibt immer ruhig, und es hat noch Keiner gesehen, daß das Wasser darin sich auch nur ein einziges Mal gekräuselt hätte. Das soll davon kommen, daß der See, wie die Leute sagen, auf der versunkenen Stadt
ruhet.
Es lebt auch kein Fisch in diesem Wasser, und das kommt davon her, daß eine geweihete Kirche darunter versunken ist. Die Glocken der Kirche kann man noch oft hören.
Mündlich, und vgl.
Greifswalder wöchentlicher Anzeiger für 1819, Nro. 52.
167. Die versunkene Stadt im Grabowsee.
In der Gegend zwischen Sellenthin und der Cummerowschen Meierei, im Kreise Demmin, liegt ein See, der Grabowsee genannt. Hier hat in früheren Zeiten eine Stadt, Namens Grabow, gestanden, die einstmals durch eine Erderschütterung zu Grunde gegangen, und dem See die Entstehung und den Namen gegeben hat. Die Leute sagen, daß man bei hellem Wetter die Thürme der Stadt noch auf dem Grunde des Wassers sehen könne. – Nahe bei dem See sieht man noch die Ruinen einer Burg, welche von den Leuten der Gegend das Grabow-Schloß genannt werden.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
168. Die versunkene Stadt im Scharpsower See.
An der Stelle des Scharpsower Sees im Kreise Demmin, und in der Cummerower Forst belegen, hat früher eine Stadt gestanden, die darin versunken ist. Das Nähere darüber weiß man nicht mehr, aber bei klarem Wetter kann man unten im See die Stadt noch sehen, man kann sogar noch einzelne Straßen deutlich erkennen.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
169. Die versunkene Stadt im Barmsee.
Ungefähr eine Viertelmeile von Falkenwalde liegt auf dem Wege von Ahlgraben nach Stettin mitten in der Forst ein See, ungefähr 200 Ruthen lang und 100 Ruthen breit, der Barmsee genannt. Derselbe ist schon gleich an den Ufern sehr tief, und soll in der Mitte unergründlich seyn. An seiner Stelle hat früher eine Stadt gestanden, die durch eine schreckliche Erderschütterung untergegangen ist. Am Johannistage kann man die Glocken der versunkenen Stadt unten im See noch hören.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
170. Die versunkene Stadt Regamünde.
Da wo die Rega in die See ausfließt, hat vor Zeiten eine zwar nicht große, aber reiche Handelsstadt, Namens Regamünde, gestanden, welcher auch der jetzige Treptowsche Hafen zugehört haben soll. Die Leute dieser Stadt sind wegen ihres Reichthums so übermüthig geworden, daß sie zuletzt selbst Gott den Herrn verspottet haben. Dafür hat der Zorn des Himmels sie ereilt, denn es ist plötzlich in einer Nacht ein schrecklicher Sturm gekommen, der die ganze Stadt in den Grund des Meeres gerissen hat. Sie ist so tief versunken, daß man auch gar nichts mehr von ihr sehen kann, und daß nur die sogenannten Regamünder Wiesen in der Nähe von Treptow an sie erinnern. Nur die Kirchenglocken sollen gerettet seyn, und man sagt, daß die Glocken in der Kirche zu Robe von der versunkenen Stadt seyen.
Baltische Studien, II. Jahrgang, I. Heft, S. 28.
171. Der Nonnensee bei Bergen.
Nicht weit von der Stadt Bergen auf der Insel Rügen liegt ein See, der ungefähr eine Viertelmeile groß ist, und der Nonnensee genannt wird. Den Namen hat er daher erhalten, daß vor Zeiten auf seiner Stelle ein Nonnenkloster gestanden haben soll, welches allda versunken, und woraus der See entstanden ist. Am Pfingsttage kann man tief unten im See die Glocken des Klosters noch läuten hören. Auch soll es des Nachts nicht geheuer an seinen Ufern seyn, und man sagt, daß der See alle Jahre sein Opfer haben müsse.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
172. Der Gollen auf Usedom.
Auf der Insel Usedom, nicht weit von dem Dorfe Caminke am Haff liegt ein Berg, der Gollen oder Gollenberg geheißen, der in ganz Pommern wegen der schönen Aussicht bekannt ist, die man auf seiner Spitze hat. Der ist auf folgende Weise entstanden: In alten Zeiten lebte auf der Insel Usedom ein Fürst, der nur eine einzige Tochter und viele Schätze hatte. Er war sehr geizig, und wollte daher, um von den Schätzen nichts zu missen, bei seinen Lebzeiten die Prinzessin nicht verheirathen, wies vielmehr alle Freier zurück. Als er nun aber endlich starb, da war die Prinzessin schon in die Jahre gekommen, und eben so häßlich geworden, wie sie früher schön gewesen war. Deshalb wartete sie auch vergebens, daß sich noch ein Freier melden werde. Zuletzt erschien indeß ein mächtiger Zauberer, der wollte sie freien. Aber weil er grundhäßlich war, so gab sie ihm einen Korb. Darüber ergrimmte der Zauberer, und er verwandelte das Schloß, in welchem sie wohnte, in einen Berg, und bannte sie mit ihren Schätzen auf ewige Zeiten in denselben. Dabei sprach er die Worte:
Do ligt dat Gollen (Gold),
Schall mi wol över hollen,
Bet stumm'n betern Frieger kümmt
Ub'n Hansdag, 'n rein Sundagskind!
Der Berg, der also entstanden war, erhielt von da an den Namen, den er noch führt, und die verwünschte Prinzessin muß seitdem im Innern desselben bei ihren Schätzen sitzen und die hüten. Alle Jahre auf den Johannistag kommt sie heraus, um zu sehen, ob der stumme Freier, das reine Sonntagskind, sie noch nicht freien und erlösen will.
Zuletzt hat man sie noch im Jahre 1822 gesehen. Am Johannistage solchen Jahres spielten einige Kinder aus dem benachbarten Dorfe am Gollenberge, als sie auf einmal von diesem herabkam, und auf die Kinder zuging. Die Kinder liefen aber schreiend davon. Da sah man sie langsam und trauernd zurückkehren.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
173. Die Hühnengräber zu Züssow.
Auf dem Buggenhagenschen Gute Züssow waren vor Zeiten zwei große, uralte Hühnengräber. Im Jahre 1594 hatten einstmals die Greifswalder Steine zu einem Baue nöthig, und auf ihr Bitten hatten die Buggenhagens ihnen vergönnt, die Steine der beiden Hühnengräber zu nehmen. Als nun die Greifswalder Steinmetzen die großen Steine zerschlugen, da wurden sie neugierig, was darunter in der Erde vergraben liegen möge. Sie gruben deshalb danach und fanden unter dem einen Grabe viele menschliche Körper, die waren noch ganz erhalten und ungeheuer groß; sie maßen eilf bis sechzehn Schuhe, und lagen alle in einer Reihe, und so, daß zwischen jedem ein Krug stand, der mit Erde gefüllt war. Als sie sodann aber unter dem zweiten Grabe dasselbe versuchen wollten, da hörten sie plötzlich unter demselben in der Erde ein großes Getümmel, als wenn getanzt und dazu mit Schlüsseln gerasselt würde. Darüber erschraken sie so, daß sie vom weiteren Graben abstanden.
Micrälius, Alt. Pommerl. I. S. 130.
174. Das Hühnengrab bei Gristow.
Bei dem Kirchdorfe Gristow, eine Meile von Greifswald, sieht man in einer hohen Gegend am Strande, Bukow genannt, ein großes Hühnengrab, welches noch vor hundert Jahren eine Länge von 50 Schritten, und eine Breite von 6 bis 8 Schritten hatte. Es bildete damals ein längliches Viereck, und lief gegen Westen hin schmal zusammen. Die über der Erde aneinander gereiheten Steine lagen auf allen vier Seiten in gerader Linie. In der Mitte derselben fanden sich zwei Gräben, die fast rund liefen und sehr tief waren. Dieses Hühnengrab ist jetzt ziemlich zerstört. Aber es ruhet unter demselben noch ein ungeheurer Schatz. Der wird in einer Pfanne verwahrt und hat bisher noch nicht gehoben werden können. Vor mehreren Jahren versuchten es einmal einige Arbeitsleute, ihn zu heben. Sie waren auch schon bis an die Pfanne gekommen. Da erschien ihnen auf einmal der Teufel, wie er eine große Hofscheune heranfuhr, welche von vier Mäusen gezogen wurde. Als das einer der Arbeiter sah, da rief er verwundert: Wo will di de Düvel domit hen hebben? Und so wie er die Worte gesprochen hatte, war es mit dem Schatze vorbei: denn einen Schatz, den der Teufel verwahrt, kann man nur heben, wenn man kein Wort dabei spricht.
Biederstedt, Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Pommern, I. S. 118.
175. Der lange Berg bei Baggendorf.
Auf dem Wege von Wendisch-Baggendorf nach Grimmen kommt man an einem langen Berge vorbei. Den haben vor Zeiten die Hühnen errichtet, die sich damals im Lande aufhielten. Es war nämlich zu jener Zeit das Flüßchen Trebel nur ein kleiner Bach, und den Hühnen nicht groß genug; sie haben ihn daher tiefer gemacht, und von der ausgeworfenen Erde ist der lange Berg entstanden.
Biederstedt, Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Pommern, I. S. 87.
176. Der Hühnenstein bei Wusterhusen.
Bei dem Dorfe Wusterhusen unweit des Greifswalder Boddens liegt ein großer Hühnenstein. Von demselben erzählen sich die Leute, daß ein Hühne ihn dorthin geworfen, der damit den Kirchthurm zu Wusterhusen hatte einwerfen wollen. Die fünf Finger des Riesen sind noch in dem Steine zu sehen.
Mündlich.
177. Der Riesenstein bei Zarrentin.
Eine halbe Stunde vom Dorfe Zarrentin in der Gegend von Loitz liegt ein ungeheuer großer Stein, in welchem sich fünf runde Vertiefungen finden. Man nennt ihn in der Gegend den Riesenstein. Von ihm erzählt man sich Folgendes: In früherer Zeit, als das Christenthum hier eingeführt wurde, war das Land von Riesen bewohnt. Diese mußten vor dem Christenthum an den Strand der Ostsee zurückweichen. Darüber ergrimmten sie denn gegen die christlichen Kirchen, die sich überall im Lande aufrichteten. Besonders hatten sie es auf den hohen Kirchthurm des Dorfes Sassen abgesehen, und sie beschlossen, ihn von der Gegend von Stralsund her, welches fünftehalb Meilen von Sassen entfernt ist, und wo sie sich damals aufhielten, mit einem großen Steine einzuwerfen. Einen tüchtigen Stein hatten sie bald; damit aber auch der Wurf nicht mißlinge, fütterten sie dazu eigends die drei Stärksten unter ihnen eine ganze Zeit lang, den Einen mit Rindfleisch, den Andern mit Schweinefleisch und den Dritten mit Hammelfleisch. Dem, der mit Rindfleisch gefüttert war, gelang der Wurf. Er traf den Thurm, daß er einstürzte, und der Stein flog doch noch viel weiter, bis nahe vor Zarrentin, da wo er noch jetzt liegt. Der Riese hatte den Stein so gewaltsam angepackt, daß seine fünf Fingerspitzen sich tief darin abdrückten, und das sind die fünf Löcher, die man noch sieht.
Erster Jahresbericht der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde, S. 8.
178. Der Opferstein bei Buschmühl.
An dem Wege von Demmin nach Buschmühl liegt ein großer Stein, von dem man sich Folgendes erzählt: Vor Alters hat der Teufel einmal in dieser Gegend das Regiment gehabt, und man hat ihm alle Jahre eine schöne und reine Jungfrau auf diesem Stein zum Opfer bringen müssen, die er dann mit sich genommen hat, nachdem er zuvor mit ihr auf dem Steine herumgetanzt. Das hat lange Zeit gedauert, bis ihm zuletzt einstmals eine überaus fromme Jungfrau geliefert wird. Wie zu der der Teufel kommt, um den Reigen mit ihr zu beginnen, da ruft sie in ihrer großen Noth laut Gott um Hülfe an, und augenblicklich muß der Teufel abziehen. Dabei hat er vor Ingrimm seine Füße so tief in den Stein eingedrückt, daß die Spuren davon nimmer wieder daraus verschwinden. Man sieht noch jetzt darin einen Pferdefuß und einen Menschenfuß, denn der Teufel hat einen Fuß wie ein Mensch, den andern aber wie ein Pferd. Man sieht in dem Steine auch noch die Spur eines Hühnerbeines; wie die aber hineingekommen ist, weiß man nicht.
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Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Fußnoten
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Hier scheint ein Irrthum zum Grunde zu liegen; denn gewöhnlich denkt man in Pommern sich den Teufel mit einem Pferde- und einem Hühnerfuße.
A.d.H.
179. Der Teufelsstein auf dem Warther Felde.
Auf dem Warther Felde auf der Insel Usedom liegt ein ungeheuer großer Stein, in welchen die Spur von einer Hand eingedrückt ist. Man sagt, daß denselben der Teufel dahin geworfen habe. Als nämlich zu Anfang des Christenthums in Pommern eine christliche Kirche zu Pudalga auf Usedom erbauet ist, da hat der Teufel sich vorgenommen, dieselbe zu zerstören. Er hat deshalb diesen Stein genommen und sich damit auf den Baujoberg bei Lassahn gestellt; von da hat er ihn nach Pudalga hingeworfen. Allein Gott der Herr hat zu derselben Zeit einen heftigen Windstoß geschickt, der hat den Stein versetzt, so daß er auf das Warther Feld geflogen und daselbst niedergefallen ist. Der Teufel hat bei solchem Werfen den Stein so hart angefaßt, daß seine Hand sich darin abgedrückt hat, so wie dies noch jetzt zu sehen ist.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
180. Der hohe Stein bei Anklam.
Das Anklamer Stadtgebiet war in früheren Zeiten bis an die Peene mit einem hohen Erdwall eingeschlossen. In der Einfahrt dieses Walles nach Uekermünde hin sieht man noch jetzt einen Wartthurm, der gar keinen Eingang hat, und deshalb der hohe Stein genannt wird. An demselben passiren viele schauerliche Geschichten. Unter andern sagen die Leute, daß Derjenige, der am Johannistage den hohen Stein ersteigt, oben auf demselben einen Sack voll Erbsen finde, die sich aber beim Heruntertragen in lauter Goldstücke verwandeln.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
181. Der Riesenstein bei Kleptow.
In der Nähe des Dorfes Kleptow unweit Pasewalk liegt auf dem Felde ein großer Stein, den die Leute den Riesenstein nennen, und von dem sie sich Folgendes erzählen: Vor alten Zeiten haben in der Nähe dieses Steines zwei Felsen gestanden. In dem einen hat ein Riese gewohnt, in dem anderen haben eine Menge kleiner Berggeister ihr Haus gehabt. Der Riese und die Zwerge lebten mit einander in Streit, und thaten sich gegenseitig manchen Schabernack an, wo sie nur konnten. Zuletzt machten die Zwerge unter dem Felsen des Riesen ein Erdbeben, wodurch sie den ganzen Felsen in Stücke zertrümmerten. Darüber gerieth der Riese in großen Zorn, und er lauerte auf eine Gelegenheit, wie er den kleinen Berggeistern wieder Schaden thun könne. Das traf sich bald. Denn kurz nachher feierten die Zwerge in einem Theile ihres Felsens ein Fest, bei dem sie alle versammelt waren. Als nun der Riese ihr Singen und Jubiliren hörte, nahm er ein gutes Stück von seinem zertrümmerten Felsen, und warf es nach dem Felsen der Zwerge, so daß der Theil, in welchem diese ihr Fest feierten, davon zerschmettert wurde, und eine ganze Menge von ihnen im Fallen erschlug. Unter den Getödteten befand sich sogar ihr König, den sie nach einigen Tagen mit großer Trauermusik zu Grabe trugen.
Darauf schwuren die Zwerge dem Riesen den Tod, und auch dazu kam bald die Gelegenheit. Es wohnte nämlich in der Gegend ein Bauer, der eine schöne Tochter hatte; in diese verliebte sich der Riese, und er begehrte sie von dem Bauern zum Weibe. Allein der Bauer wollte sie dem ungeschlachten Heiden nicht geben. Der Riese raubte sie daher mit Gewalt. Nun wandte sich der Bauer an die Berggeister und bat die um Hülfe. Diese paßten darauf eine Gelegenheit ab, als der Riese einmal im Felde seinen Mittagsschlaf hielt. Jetzt nahmen sie ein großes Stück von ihrem zerschlagenen Felsen; das wanden sie in die Höhe, gerade über dem schlafenden Riesen, und ließen es dann auf diesen herniederfallen, so daß er davon zerdrückt wurde, und elendiglich darunter sterben mußte. Dieses Felsstück, das von der Zeit an liegen geblieben, ist der Riesenstein bei Kleptow. Man kann darin noch die Spuren von dem Gesichte des Riesen sehen, welche sich bei dem Herunterfallen darauf eingedrückt haben.
Mündlich.
182. Der Riesenstein bei Rehhagen.
Bei der Pachtung Rehhagen unweit Daber liegt ein ungeheurer Riesenstein, von welchem man sich Folgendes erzählt: Vor alten Zeiten lebte zwischen Stettin und Pasewalk ein großer und starker Riese, der zuletzt des Lebens überdrüßig wurde. Er riß daher in der Gegend, wo jetzt die Bocksche Wassermühle geht, einen großen Stein von fünf Fuß im Durchmesser aus der Erde, und warf ihn so weit er konnte, mit dem Vorsatze, dort zu sterben, wo derselbe niederfallen werde. Dicht bei Rehhagen, eine Meile weit weg, fiel der Stein zur Erde. Allda erstach sich der Riese. Sein Blut soll in gewaltigen Bogen über 600 Schritte weit gespritzt seyn, und einen ganzen Acker roth gefärbt haben, der davon noch jetzt der rothe Kamp heißt.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
183. Der Teufelsstein bei Polchow.
Unweit Polchow im Amte Stettin liegt ein großer Felsblock, den die Leute den Teufelsstein nennen. Von demselben erzählt man sich mehrere Sagen.
Es soll nämlich am Johannistage der Teufel seinen Mittagsschlaf darauf halten. Der Stein wird dann so weich, wie frischer Käse; denn man sieht ganz deutlich Kopf, Schulter, Arm, Leib und Fuß des Teufels von der einen Seite darin abgedrückt. Wenn der Teufel ausgeschlafen hat, so geht er in das angrenzende Bruch, welches davon der Teufelsbruch heißt.
Neben dem Teufelssteine liegen noch sieben andere kleinere Steine, die Siebenbrüdersteine genannt. Es sollen nämlich in Vorzeiten in dieser Gegend sieben Brüder regiert haben, die haben auf dem großen Steine dem Teufel geopfert, und auf diese kleinen Steine während des Opfers sich niedergesetzt. Dicht dabei fließt ein Bach, welcher der Siebenbrüderbach genannt wird.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
184. Der Teufelsstein bei Hohen-Kränik.
Unweit der Stadt Schwedt, in der Feldmark von Hohen-Kränik, erhebt sich ein Hügel, der Koboldberg genannt. Auf demselben liegt ein großer Stein, der in einer Höhe von fünf bis sechs Fuß und einer Breite von zwei bis drei Fuß über der Erde hervorragt, aber noch weit tiefer in derselben liegt. Derselbe ist oben ganz flach und eben, und es ist eine Kegelplatte künstlich darin eingegraben. Von diesem Steine erzählt man, daß der Teufel auf demselben an jedem Johannistage Kegel schiebe. Man kann auch deutlich sehen, wie das Moos, das des Jahrs über oben auf dem Steine gewachsen war, am Tage nach Johannis ganz rein heruntergefegt ist.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
185. Der verwünschte Schäfer.
In dem Dorfe Carzig, eine halbe Meile von Naugard, liegt ein großer Stein mit vielen Adern, von dem die Leute sagen, daß er ein verwünschter Schäfer sey. Es diente nämlich vor langen Zeiten in dem Dorfe ein Schäfer, der voraussagte, daß er in einen Stein würde verwandelt werden. Sein größter Kummer dabei war, daß er, fern von den Leuten, einsam auf dem Felde werde liegen bleiben müssen, und er bat daher seinen Herrn, wenn er ihn einmal außerhalb des Dorfes als Stein finde, ihn nicht liegen zu lassen, sondern zu sich ins Dorf zu nehmen. Er sagte dabei auch, daß er nicht durch Pferde, sondern nur durch ein Gespann von acht Ochsen werde von der Stelle zu ziehen seyn.
Nicht lange danach war die Zeit des Schäfers gekommen und er kehrte eines Tages mit seiner Heerde nicht ins Dorf zurück. Da gingen die Bauern aus, ihn zu suchen, sie fanden aber nichts als einen großen Stein mit vielen Adern, wie bei einem Menschen; der lag mitten im Felde, und die Schafe hatten sich umher versammelt. Zuerst suchten sie ihn durch Pferde fortzuschaffen; es war aber nicht möglich, ihn damit von der Stelle zu ziehen. Als sie aber acht Ochsen vorgespannt hatten, konnten diese ihn ohne Mühe in das Dorf ziehen. Hier wurde er auf einem freien Platze aufgestellt, wo er noch liegt. Man sagt, daß der Schäfer noch einmal wieder in einen Menschen werde verwandelt werden.
Mündlich.
186. Der Stein bei Wiskow.
Bei der Kirche zu Wiskow, einem Dorfe unweit Greiffenberg, steht nahe am Wege ein Stein, auf welchem sich ein Kreuz und folgende Inschrift befindet: Jacob Wachholz Gnade Gott! Daneben ist ein Büffelkopf eingehauen. Von diesem Steine erzählt man sich Folgendes: Vor Zeiten lebte in dieser Gegend das Geschlecht derer von Wachholz, die sehr reich waren, und viele Dörfer und Höfe in der Gegend besaßen. Auf diese Güter hatte das Kloster Belbog es schon längst abgesehen, ohne daß es eine Gelegenheit fand, ihrer habhaft zu werden. Da trug es sich endlich zu, daß Jost Wachholz in dem Dorfe Wiskow, nicht weit von der Kirche, sich an einem Dienstmanne des Klosters verging, der dort unbefugterweise ein Stück Wild erlegt hatte. Der Ritter hatte zwar nicht ganz Unrecht, aber die Mönche zu Belbog erhoben über seine Gewaltthat ein solches Geschrei, daß er in Angst gerieth, und sein weltliches und ewiges Heil von den Mönchen loszukaufen begehrte. Das gelang ihm nur durch einen harten Tausch, den er mit dem Kloster eingehen mußte. Denn er mußte an dieses abtreten seine Güter Wachholzhagen, Meiersberg, Herrenhof, Kreigenkrug, Hohen-Drasedow, Küssin und Schruptow, welche alle sehr ansehnlich und einträglich waren; wogegen das Kloster ihm nur die geringen Güter Dargesloff, Schwedt, Overschlag, Jarchow und Molstow entgegengab. Zum Andenken dieses ungleichen Tausches nun, sagen die Leute, wurde jener Stein gesetzt, und zwar auf der Stelle, wo das Vergehen des Jost Wachholz gegen den Dienstmann vorgefallen war. Der Stein wurde von dem Kloster, solange dieses bestand, stets sorgsam gehegt; denn es soll Bedingung des Tausches gewesen seyn, daß er nur so lange gelten solle, als der Stein stehe. Der Büffelkopf war darum auf denselben eingegraben, weil die Herren von Wachholz einen solchen in ihrem Wappen führten. Andere sagen, an der Stelle dieses Steines sey ein Herr von Wachholz, Namens Jacob, von seinem eigenen Knechte erschlagen, als sie einstens von Treptow zurückgekommen seyen.
Baltische Studien, II. Jahrg. I. Heft, S. 20. 21.
187. Die großen Steine bei Groß-Tychow und Burzlaff.
Auf dem Felde von Groß-Tychow, südöstlich von Belgardt, sieht man einen ungeheuer großen Stein, der eben so tief noch in der Erde liegt, als er über derselben zu sehen ist, er ist aber noch neun Fuß hoch; oben ist er ganz platt, und nach Nordwesten steht er schräg in die Höhe. Er ist so groß, daß man vier und funfzig Schritte machen muß, wenn man rund um ihn herum gehen will, und die Fuhrleute sagen, man könne mit einem Wagen mit vier Pferden oben auf seiner Platte umwenden. Ein anderer großer Stein hat früher bei dem Dorfe Burzlaff gelegen, welches eine gute Strecke von Groß-Tychow entfernt ist. Von diesen beiden Steinen erzählt man sich, daß der Teufel sie dahin geworfen habe. Das soll in folgender Weise zugegangen seyn:
Zu Groß-Tychow lebten einmal Herren, die mit dem Teufel einen Pact machen und sich ihm verschreiben wollten. Sie hatten sich schon mit ihm eingelassen. Der Teufel hatte ihnen viel Geld und Gut versprochen, und hatte sie, um richtige Sache mit ihnen zu machen, in einer Nacht nach Zadkow, drei Viertel Weges von Groß-Tychow, bestellt; sie sollten ihn da auf einem großen Steine treffen, der dicht bei dem Dorfe lag. Als aber die abgesprochene Nacht herankam, da wurde den Tychower Herren die Geschichte arg bedenklich, und sie sahen ein, welch eine große Sünde sie gegen den lieben Gott zu begehen vorhätten. Sie ließen daher den Priester zu sich rufen, und vertrauten ihm ihre Noth an, und baten ihn, daß er statt ihrer zu dem großen Steine nach Zadkow gehen, und dem Teufel sagen möchte, die Sache sey ihnen wieder leid geworden. Der Priester war ein frommer und kluger Mann, und er übernahm sich die Sache. Er machte ein Kreuz und bat den lieben Gott, daß der ihm beistehen möge, und dann machte er sich in der bezeichneten Nacht wohlgemuth auf den Weg zu dem Steine. Allda traf er den Teufel schon, der auf die Tychower Herren wartete. Der Geistliche hatte anfangs vorgehabt, dem Bösen geradezu die Geschichte zu erzählen, und ihn aus der Gegend zu bannen. Aber wie er so ganz allein vor ihm stand, so verging ihm doch sein Muth, und er sah ein, daß es besser wäre, zur List seine Zuflucht zu nehmen. Er machte dem Teufel daher allerlei Finten vor, woraus dieser nicht recht klug werden konnte. Damit hielt er ihn auf, und die Zeit verstrich, bis auf einmal der Hahn in Zadkow anfing zu krähen. Da merkte der Teufel, daß er betrogen war, und er warf voll Zornes dem Priester vor, daß die Herren von Tychow ihn betrügen wollten. Der Priester hatte aber jetzt Muth bekommen, und er sagte dem Andern geradezu, daß die Herren in sich gegangen wären und nichts mehr mit ihm zu thun haben wollten. Darauf sah sich der Teufel wild um, und er wurde ganz grimmig und toll, und zuletzt nahm er den großen Stein auf, auf dem er gestanden, und warf ihn hoch durch die Luft, um die Herren in Tychow damit todt zu schmeißen. In seinem Eifer war er aber ungeschickt, und der Stein fiel in zwei Theile. Der eine kam bei dem Dorfe Butzlaff zur Erde, eine halbe Meile weit von Zadkow, das größere Stück aber fiel eine Viertelmeile weiter hin, dicht bei Groß-Tychow.
Der Stein bei Tychow liegt noch jetzt; das Stück, das bei Butzlaff niederfiel, ist aber nachher von einem Bauern genommen, der sich eine Scheunendiele davon gemacht hat. Das große Loch, worin der Stein bei Zadkow gelegen, ist daselbst noch jetzt zu sehen; es heißt die Fundelkuhle.
Einige Leute erzählen die Geschichte von den beiden Steinen anders. Der Teufel soll sich nämlich den großen Stein bei Zadkow in einem Sacke haben holen wollen. Weil der Sack aber ein zu enges Loch hatte, daß der Stein nicht hinein konnte, so mußte er diesen entzwei brechen. Dabei hielt er sich nun zu lange auf, und der Hahn fing gerade an zu krähen, als er fertig war, und den Stein in dem Sacke auf den Nacken nahm. Da fing er an gewaltig zu laufen, aber darüber riß der Sack entzwei, und er verlor das eine Stück von dem Steine bei Butzlaff, und das andere auf dem Felde zu Tychow.
Man glaubt auch, daß unter diesem Steine der alte heidnische Götze Triglaff aus purem Golde liegen soll. Die Heiden sollen ihn, zur Zeit des Bischofs Otto, von Julin dahin gebracht haben. Oder aber, wie wieder Andere behaupten, soll ein Edelmann aus Triglaff, wohin der Götze zuerst gekommen war, ihn dahin gebracht haben. Als derselbe nämlich einmal mit anderen Edelleuten Krieg führte, hatte er den Götzen mitgenommen, und wie ihm die Feinde nun hart aufs Leib gingen, soll er ihn unter dem großen Steine bei Tychow vergraben haben, um ihn im Streite nicht zu verlieren.
Baltische Studien, II. 1. S. 168.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
188. Die Steine bei Pumlow.
Auf der Feldmark des Dorfes Pumlow unweit Belgard liegen mehrere große Steine in einem länglichen Viereck, in dessen Mitte früher auch noch ein einzelner Stein gelegen hat, größer als die anderen. Vor wenigen Jahren war dieser noch da; seitdem ist er aber mit den meisten der herumstehenden von den Leuten aus der Gegend weggeholt. Von diesen Steinen erzählt man sich, daß einstens vor vielen Jahren auf dem Platze ein Schweinehirt mitten zwischen seiner Heerde gestanden, als ein Priester mit dem heiligen Abendmahle vorbeigezogen ist. Den hat der Hirt verspottet und er ist zur Strafe, dafür sammt seiner ganzen Heerde, auf der Stelle in jenen Steinhaufen verwandelt.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
189. Hühnengräber auf Rügen.
Man findet wohl nirgends so viele und so große Hühnengräber, als auf der Insel Rügen. Sie sind theils von ungeheuren Steinen aufgebauet, welche einen Umfang haben, daß Menschen von gewöhnlichen Kräften, und wenn deren auch noch so viele sich zusammengethan hätten, sie nicht hätten aufrichten können. Sie sind theils von bloßer Erde, aber dann so groß, daß sie wie kleine Berge aussehen. Man glaubt daher auch nicht, daß sie von Menschenhänden errichtet sind; vielmehr wissen die Leute auf Rügen, daß die großen Riesenweiber, von denen in der Heidenzeit die ganze Insel bewohnt gewesen ist, sie aufgebauet haben. Auf solche Weise sind namentlich entstanden:
Der
Steinsatz bei Muckrahn
auf Jasmund. Er liegt links von dem genannten Dorfe am Wege nach dem Darßin und nach dem Dorfe Krampartz; er liegt ganz genau von Osten nach Westen, besteht aus vielen Steinen, und hat eine Länge von 36 und eine Breite von 12 Schritten. Eine Riesin hat hier ihre beiden Kinder begraben, die durch ihre Sorglosigkeit in der See ertrunken waren. Deshalb stehen auch am Westende des Grabes zwei große Ecksteine, von denen der eine jetzt in die Erde versunken ist, der andere aber, der auf der Kante steht, eine Höhe von vier Ellen mißt.
Der
Pfenningkasten in der Stubnitz.
Er liegt im Walde, eine gute Viertelstunde vom schwarzen See. Er besteht aus mehreren großen, im Viereck zusammengefügten Steinen, um welche herum einige kleinere Steine aufgerichtet sind. Die Priester der Göttin Hertha haben hierher das Opfergeld gebracht, welches für die Göttin eingekommen war. Daher ist auch der Name entstanden.
Die
Siegsteine bei Klein-Stresow.
Dies sind mehrere Steinkegel, die gruppenweise in einer Ebene, am Fuße der Stresower Tannenhügel, nach der Seite von Dummertewitz hin stehen. Hier haben in uralten Zeiten die Mönchguter und Putbusser einen blutigen Kampf gehabt. Die Riesenweiber, welche den Siegern beigestanden, haben zum Andenken diese Steine aufgerichtet. Auf welcher Seite der Sieg gewesen, weiß man aber nicht mehr.
Der
Opferstein bei Quoltitz
auf Jasmund. Jenseits des Krattbuschberges auf Jasmund, am Fuße der gegenüber liegenden Quoltitzer Berge, breitet sich ein Thal aus; in dessen Mitte liegt ein einzelner grauer Stein, länglich rund, am Nordende zugespitzt, und oben glatt abgeplattet. Derselbe ist vier Ellen lang und beinahe zwei Ellen hoch. Er hat den alten Heiden zum Opfersteine gedient. Man findet noch oben auf der Platte eine querlaufende Rinne, und unter derselben zwei Vertiefungen in dem Steine, von denen die Leute sagen, daß der Opferpfaffe in dieselben die Blutgrapen gesetzt habe.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. S. 232-235.
190. Der Dubberworth.
An der Südseite des Fleckens Sagard auf der Rügenschen Halbinsel Jasmund findet man ein ungeheuer großes altes Riesengrab, der Dubberworth geheißen. Es hat einen Umkreis von 170 Schritten und ist 16 Ellen hoch. Oben ist es mit allerlei Strauchwerk und mit Dornen bewachsen. In den Büchern heißt es zwar, unter diesem Dubberworth sey eine Riesin begraben, und ein anderes Riesenweib habe ihr dieses Grab errichtet, indem sie Erde und Steine dazu ganz allein von der Stubnitz über eine halbe Meile weit hergetragen habe. Allein die Leute in Sagard und ganz Jasmund wissen es besser, wie der Dubberwarth entstanden ist.
Es wohnte nämlich vor undenklichen Zeiten auf Jasmund ein mächtiges Riesenweib, unter deren Botmäßigkeit die ganze Halbinsel stand. Die hatte sich in einen Fürsten von Rügen verliebt, und trug sich ihm zum Gemahl an. Der Rügensche Fürst aber wollte nichts von ihr wissen, und gab ihr einen Korb. Darüber gerieth die Riesin in einen schrecklichen Zorn, und sie berief alle ihre Kriegsleute zusammen, um den Fürsten zu zwingen, daß er sie heirathe, oder sein ganzes Land zu verwüsten. Weil sie nun aber befürchtete, über die Meerenge zwischen Jasmund und Rügen, bei der Lietzower Fähre, mit ihrem Kriegsvolke nicht geschwind genug hinüber kommen zu können, so beschloß sie, dieselbe auszufüllen, so daß sie einen breiten und bequemen Uebergangsweg hätte. Zu dem Ende ging sie zur Stubnitz, und lud allda ihre ungeheure Schürze voll Erde und Steine. Wie sie damit aber bis in die Gegend von Sagard gekommen war, da riß auf einmal ein Loch in die Schürze, und aus demselben fielen so viel Erde und Steine heraus, daß davon sofort der große Hügel entstand, der jetzt der Dubberworth heißt.
Die Riesin hatte sich dies Unglück zwar noch nicht verdrießen lassen, und war weiter gegangen bis zur Lietzower Fähre. Allein hier war ihre Schürze ganz zerrissen, und von dem Herausgefallenen entstanden die Hügel, die man in der Nähe der Fähre sieht. Das sah sie denn doch für ein böses Zeichen an, und sie stand nun von ihrem Vorhaben ab.
Gesterding, Pommersches Museum, I. S. 135.
Barthold, Geschichte von Rügen und Pommern, I. S. 580.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, II. S. 239.
191. Die neun Berge bei Rambin.
Etwa eine Viertelmeile von dem Dorfe Rambin auf Rügen, an der Feldscheide der Dörfer Rodenkirchen und Götemitz, sieht man auf flachem Felde neun kleine Hügel, wie Hühnengräber, die von den Leuten die neun Berge, oder auch die neun Berge bei Rambin genannt werden. Ueber ihre Entstehung erzählt man sich Folgendes: Es lebte vor langer Zeit auf Rügen ein großer Riese, der oft auf dem festen Lande Pommern etwas zu thun hatte. Den verdroß es sehr, daß Rügen eine Insel war, und daß er immer durch das Meer waten mußte. Er beschloß daher zuletzt, dem abzuhelfen, und er ließ sich eine ungeheure Schürze machen, die band er um seine Hüften und füllte sie mit Erde, um diese in den Gellen zu werfen, und so einen Erddamm von der Insel bis nach Pommern hin aufzuführen. Wie er nun aber mit seiner Tracht bis über Rodenkirchen gekommen war, da riß plötzlich ein Loch in die Schürze und es fielen neun Haufen Erde heraus; das sind die neun Berge bei Rambin.
Auf gleiche Weise sind auch die dreizehn kleineren Berge entstanden, die man bei Gustow findet; denn als der Riese das erste Loch wieder zugestopft hatte, und nun bis Gustow gekommen war, riß ein neues Loch hinein, und es fielen nun die dreizehn kleinen Berge heraus. Der Riese bekam übrigens seinen Damm nicht fertig; denn er hatte zu wenig Erde übrig behalten, so daß zwar der Prosnitzer Haken und die Halbinsel Drigge entstanden, aber doch noch immer ein Zwischenraum von Wasser blieb, den er nicht ausfüllen konnte. Darüber ärgerte er sich so, daß er plötzlich vom Schlage gerührt wurde und starb.
E.M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 155. 156.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
192. Der Riesenstein bei Nadelitz.
Bei dem Dorfe Nadelitz auf Rügen, an dem Wege, wenn man nach Posewald fährt, liegt ein ungeheurer Stein, der Riesenstein geheißen. Der ist auf folgende Weise entstanden: Zu der Zeit, als zu Vilmnitz, eine halbe Meile von Putbus, eine christliche Kirche gebaut wurde, lebte auf Rügen ein großer Riese. Manche sagen, es sey derselbe, der die neun Berge bei Rambin aus seiner Schürze hat fallen lassen. Den, weil er ein Heide war, verdroß der Bau der Kirche; er sagte aber: Laß die Würmer nur den Ameisenhaufen bauen, ich werfe ihn doch nieder, wenn er fertig ist. Als die Kirche nun fertig wurde, und auch der Thurm aufgeführt war, so nahm er einen gewaltigen Stein, damit stellte er sich auf den Putbusser Tannenberg, und warf ihn mit großer Gewalt nach der neuen Kirche. Aber er hatte in seiner Bosheit zu erschrecklich hart geworfen, so daß der Stein wohl eine Viertelmeile weiter, über die Kirche weg flog, auf die Stelle hin, wo er noch jetzt liegt.
E.M. Arndt, Märchen und Jugederinnerungen, I. S. 156. 157.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
193. Das Hühnengrab bei Nobbin.
Südöstlich von dem Dorfe Nobbin auf der Rügenschen Halbinsel Wittow findet man auf dem hohen Ufer des Meeres ein längliches Viereck von großen, hoch aufgerichteten Steinen. Dasselbe ist von Norden nach Süden vier und vierzig Schritte lang, und am nördlichen Ende zehn Schritte, am südlichen aber noch etwas mehr breit. Auf der Ostseite ist es von achtzehn, auf der Westseite von zwei und zwanzig großen Steinen eingefaßt. Auf der Südseite stehen zwar nur zwei Steine, diese sind aber jeder sechs Fuß hoch, und stehen mit ihren flachen Seiten einander zugekehrt. In der Mitte des Vierecks liegen noch eine Menge anderer Steine. Die Leute in der Gegend nennen diesen Steinhaufen das Hühnengrab. Sie sagen, daß darunter ein vornehmer Heide mit vielen Schätzen begraben liege. Der Teufel aber, der diese Schätze jetzt bewacht, leidet es nicht, daß man an sie herankommt. Man darf nicht einmal den Acker in der Nähe pflügen. Vor vielen Jahren waren einmal ein Paar Leute zu Nobbin, die sahen in einer Nacht ein helles Feuer in der Mitte der Steine brennen. Sie glaubten, daß sie den Schatz nur so heben könnten, und fingen alsbald an zu graben; aber sie starben plötzlich noch in derselben Nacht.
Zöllners Reise durch Pommern und Rügen, S. 296-298.
194. Der Mägdesprung auf dem Rugard.
Auf dem Rugard bei Bergen sieht man einen Stein, in welchem ganz deutlich die Spuren eines Frauenfußes und eines Schlages mit einer Peitsche abgebildet sind. Diese Spuren sind auf folgende Weise entstanden: Auf dem Rugard war einst ein Junker, der ein gar großer und frecher Mädchenjäger war. Der traf einmal bei diesem Steine eine Jungfrau, die er mit seinen falschen Liebesschwüren bestürmte, so daß sie sich seiner kaum erwehren konnte. Als die nun zuletzt gar keinen Ausweg mehr sah, ihm zu entkommen, da sprang sie in ihrer Angst von dem Steine, auf welchem sie stand, hinunter in die Tiefe des Thales hinein, worüber der Junker so zornig wurde, daß er mit seiner Reitgerte auf den Stein schlug. Da war es denn wunderbar, nicht nur daß die Jungfrau unversehrt unten im Thale angekommen war, sondern auch, daß sich die Spur ihres Fußes und des Peitschenschlages in dem Steine abgedrückt hatte.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 114-118.
195. Die sieben Steinreihen auf der Prore.
Die Halbinsel Jasmund hängt mit der Insel Rügen durch eine schmale Landenge zusammen, die Prore genannt. Auf dieser sieht man nach dem Prorer Wiek hin sieben Reihen Steine. Sie liegen so hoch, daß jetzt keine Welle an sie heranreichen kann, und doch sehen sie aus, als wenn sie von der Meeres-Brandung geglättet wären. Man erzählt sich, daß in ganz alten Zeiten der Wind einmal sieben Jahre lang ununterbrochen aus Nordosten gewehet, und jedes Jahr eine von diesen Steinreihen angesetzt habe.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
196. Der Schatz im Hause Demmin.
Unter den Ruinen des Hauses Demmin liegen von alten Zeiten her noch viele Schätze vergraben. Sie liegen aber sehr tief, so daß man in einer Nacht nicht so viel graben kann, um bis zu ihnen zu gelangen. Deshalb haben die Leute, die Anfangs viel nach ihnen gruben, zuletzt davon abstehen müssen. Denn wenn sie bis zur zwölften Stunde der Nacht gegraben hatten, so stürzte auf einmal Alles wieder zu, und ihre ganze Arbeit war vergebens. Doch glaubt man, wenn der rechte Mann käme, so würde der die Schätze wohl heben können. Bei denselben wacht übrigens ein ganz schwarzer Hund.
Einem Knaben ist es einstmals geglückt, von den Schätzen etwas zu bekommen. Er hatte auf der Ruine Ball gespielt, wobei ihm sein Ball in eine Oeffnung des Gemäuers gefallen war. Um ihn wieder zu holen, stieg er nach, und kam in ein großes dunkeles Gewölbe, wo er eine halb offene Thür sah, durch welche Licht schimmerte. Der Knabe ging dem Lichte nach, und trat in einen ungeheuren Saal, der voll der reichsten Schätze lag. Davon steckte er sich geschwind seine beiden Taschen voll, und ging zurück. Beim Zurückkehren sah er jetzt, wie an der Thüre ein großer schwarzer Hund lag. Der Hund schlief aber, und er kam glücklich an ihm vorbei, und wieder aus dem Gewölbe heraus. Er lief mit seinen Schätzen nach Hause, und erzählte, wie er dazu gekommen. Er hatte aber eine Stiefmutter, die hart und geizig war. Die befahl ihm, daß er zur Ruine zurückkehren und sich noch einmal seine Taschen voll holen solle. Das mußte der arme Knabe thun, aber es hat ihn kein Mensch aus der Tiefe zurück kommen sehen.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
197. Der Schatz in Demmin.
In der Stadt Demmin liegt ein großes festes Haus, von welchem die eine Seite nach der Straße, der schnelle Lauf genannt, die andere aber nach der Kahldischen Straße hin geht. In diesem Hause, und zwar in einem Stalle desselben ist von alten Zeiten her ein großer Schatz vergraben, den bisher noch kein Mensch hat heben können. Vor ungefähr anderthalb hundert Jahren wohnte ein Apotheker in demselben, welcher Johann Carl Treu hieß. Dem wäre es beinahe gelungen, den Schatz zu erhalten.
Er träumte in einer Nacht von demselben, und desselbigen Tages kam eine alte fremde Bauerfrau zu ihm, welche ihm die Stelle anzeigte, wo er ihn finden werde; sie gebot ihm aber dabei, wie er während des Grabens kein Wort sprechen dürfe. Der Apotheker machte sich in der folgenden Nacht ans Graben, und weil er von der Frau gehört hatte, daß der Schatz sehr tief liege, so mußten seine Frau und Tochter ihm helfen, denn vor Sonnenaufgang mußten sie fertig seyn. Es dauerte auch nicht lange, so stießen sie auf einen großen Kessel. Allein darüber freute die Frau des Apothekers, welche hochschwanger war, sich also, daß sie in ihrer Unvorsichtigkeit anfing zu sprechen. Da war denn auf einmal Alles vorbei, und sie fanden in dem Kessel nichts, als todte Kohlen. Der Teufel hatte dadurch auch so viele Macht über sie bekommen, daß auf einmal das alte Mauerwerk, an dem sie gegraben hatten, einstürzte, und die arme Frau nebst ihrer Tochter davon bedeckt wurde, so daß sie kaum mit dem Leben davon kamen.
Der Apotheker Treu hat seitdem nicht wieder nach dem Schatze gegraben. Vor ungefähr hundert Jahren kam aber auf einmal ein Mönch aus Italien an, der hatte in der Bibliothek des Papstes im Vatican zu Rom herausgefunden, daß der Schatz noch da sey, und wie man ihn heben könne. Er wollte auch die Leute in Demmin hierüber belehren; aber der Magistrat, der ihn für einen Betrüger hielt, ließ ihn nicht zur Ausführung kommen.
Mündlich.
Vgl. auch Stolle, Geschichte der Stadt Demmin, S. 731. 732.
198. Der Schatz bei Gahlkow.
Auf der Feldmark des Hofes zu Gahlkow am Greifswalder Bodden liegt ein großer Schatz vergraben, den vor undenklichen Zeiten die Bauern von Gahlkow dort verborgen haben. Bei welcher Gelegenheit das geschehen ist, weiß man eben so wenig, als gerade die Stelle, wo der Schatz liegt. Er kommt aber zum Vorschein, wenn einmal ganz Gahlkow zu Grunde gegangen ist.
Mündlich.
199. Die Kriegskasse bei Hanshagen.
In der Gegend des Dorfes Hanshagen unweit Greifswald soll, wie die Leute sich schon seit mehreren hundert Jahren erzählen, eine Kriegskasse von mehr als 80,000 Thalern vergraben stehen. Die Stelle weiß man noch nicht, denn der Teufel bewacht sie und läßt Keinen zu ihr.
Mündlich.
200. Der Schatz zu Schwerinsburg.
Nicht weit von Anclam liegt das Schloß Schwerinsburg, welches dem Grafen von Schwerin zugehört. Dicht bei diesem Schlosse hat die alte Burg derer von Schwerin gelegen, von der man noch jetzt die Trümmer sieht. In diesen Trümmern wohnen viele böse Geister; man kann das am besten daran wissen, daß es ganz unmöglich ist, zu Nachtzeit ein Pferd in die Gegend derselben zu bringen. Es sind aber auch viele Schätze darin vergraben. Es lebte vor mehreren Jahren auf dem Schlosse Schwerinsburg ein alter Schäfer, welchem dreimal nach einander um Mitternacht ein Geist erschien, der ihm befahl, aufzustehen und mit ihm zu gehen. Der Schäfer fürchtete sich aber, und als er es seinem Herrn erzählte, meinte dieser, er habe wohl nur geträumt. Nach einiger Zeit erschien der Geist indeß wieder, und nun ging der alte Mann mit ihm. Der Geist führte ihn zu den Ruinen der alten Schwerinsburg, und zeigte ihm unter denselben einen großen schweren Kasten, den er ihm nach Hause tragen half. Am anderen Morgen ging der Schäfer wieder zu seinem Herrn und zeigte ihm an, was geschehen war. Der Herr ließ den Kasten in das Herrenhaus holen, aber er war jetzt so schwer, daß vier Pferde ihn kaum ziehen konnten, und als man ihn öffnete, fanden sich allerlei goldene Münzen und Pokale und Geräthe von Gold und Silber darin, die man noch auf der Schwerinsburg zeigt.
Mündlich.
201. Der Schatz und der Stiefel.
Nicht weit vom Dorfe Schwochow steht am Wege nach Pyritz ein Birnbaum, unter welchem ein großer Schatz vergraben ist. Bei demselben wacht der Teufel; es steht aber auch ein großer feuriger Stiefel dabei, und wer es wagt, diesen anzuziehen, dem muß der Teufel den Schatz herausgeben.
Mündlich.
202. Die Klosterruine zu Eldena.
Von dem ehemaligen reichen Kloster und der Kirche zu Eldena sieht man jetzt noch schöne Ruinen, die weit ins Land und in die See hineinschauen. Unter der Ruine sollen noch allerlei Wunder in der Erde verborgen seyn. Insbesondere soll ein großes, tiefes Gemach da seyn, zu welchem ein finsterer Gang führt, den man aber jetzt nicht mehr kennt. In dem Gemache steht ein Tisch, auf dem ein schwarzer Pudel liegt; neben dem Tische steht eine große schwarze Kutsche. Diese wird von dem Hunde bewacht. Was es sonst noch für eine Bedeutung hiermit hat, weiß man nicht. Es wird aber, wie die Leute sagen, an den Tag kommen, wenn der Schutt von der Ruine einmal ganz weggeräumt ist und man dann den Gang zu dem Gemache wird wiedergefunden haben.
Vor ungefähr siebenzig oder achtzig Jahren kamen einst zwei Kapuziner aus Rom nach Eldena; die fragten bei dem damaligen Landreuter nach einer verborgenen Thür, welche in das alte Gemäuer unter der Ruine führen sollte. Der Landreuter gab ihnen seinen Knecht mit, und weil die Kapuziner genau die Gegend anzugeben wußten, wo die Thür seyn solle, so fanden sie diese wirklich bald unter dem Schutte, den der Knecht nach ihrer Anweisung auf die Seite schaffen mußte. So wie die Kapuziner nun die Thür berührten, that sich diese von selbst auf, und die Kapuziner mit dem Knechte traten durch dieselbe unten in das Gemäuer. Hier kamen sie in mehrere Zimmer. In den ersten war nichts zu sehen; zuletzt kamen sie aber in eins, in welchem viele Leute am Schreiben saßen. Von diesen wurden sie wohl aufgenommen, und dann wieder entlassen, nachdem die Kapuziner viel Heimliches mit ihnen gesprochen hatten. Als der Knecht wieder an die Oberwelt kam, fand es sich, daß er drei Jahre fortgewesen war.
Mündlich.
203. Die Ruinen des Klosters zu Belbog.
Da wo früher das mächtige und reiche Kloster Belbog gestanden hat, sieht man jetzt nur einige arme Tagelöhner-Häuser. Nur eine alte Mauer sieht man noch von dem Kloster; sie soll von dem früheren Speisesaal der Mönche seyn. An dieser Stelle sollen auch noch viele Schätze in der Erde verborgen liegen, welche die Mönche, als das Kloster eingegangen ist, nicht haben mitnehmen können. Man erzählt sich, daß ehedem öfters Mönche von dem Kloster Oliva hergekommen sind; die haben sich die Ruinen des Klosters genau zeigen lassen, und dann gemessen und gerechnet, als wenn sie die Stelle herausrechnen wollten, wo die Schätze verborgen liegen. Sie sollen aber nicht zurecht gekommen seyn. Einmal hat man auch in dem Schutt einer alten Mauer einen großen goldenen Schlüssel gefunden. Der hat zu der Thür gehört, welche das Schatzgewölbe verschlossen hält, und man hätte diese damit öffnen können. Aber der den Schlüssel gefunden, hat ihn um einen geringen Preis an einen Juden in Treptow verkauft, und zum Unglück auch nachher die Stelle nicht wieder finden können, wo er gelegen hatte. So wird man wohl nicht mehr zu den großen Schätzen des Klosters gelangen können.
Baltische Studien, II. 1. S. 74.
204. Der Schatz bei Plathe.
In der Stadt Plathe in Hinterpommern hausete früher das Geschlecht derer von Osten oder von der Osten, die zu einer Zeit viel Unwesens trieben und große Schätze erbeuteten. Man sieht noch jetzt zwei große hohe Gebäude, welche die Ostenschen Schlösser gewesen sind. Sie sind von einander durch die Rega getrennt, die zwischen ihnen durchfließt; aber ein unterirdischer Gang, der unter dem Flusse hergeht, verbindet sie wieder mit einander. In diesem Gange sollen auch die vielen Schätze der Familie verwahrt liegen. Es kann aber kein Mensch daran kommen; denn sie werden von vier großen schwarzen Hunden bewacht, die Niemanden hinzulassen. Es wagt sich auch Keiner in den Gang hinein, denn man braucht nur wenige Schritte zu gehen, so hört man schon das Heulen der Hunde.
Mündlich.
205. Sagen von Gollnow.
Die Stadt Gollnow an der Ihna soll in alten Zeiten eine überaus große Stadt gewesen seyn, eine der größten Städte in Deutschland. Der Dammsche See soll bis an die Thore der Stadt gegangen seyn, und die Leute wollen noch vor wenigen Jahren auf dem Sandmeere nach der Wiekseite hin große Anker in der Erde gefunden haben. Auf der anderen Seite soll der Stadtwall da gewesen seyn, wo jetzt ein großes Moor ist, der Papenort genannt, welches beinahe eine halbe Stunde von der jetzigen Stadt entfernt ist. Der Thurm von Gollnow ist damals so hoch gewesen, daß er den Schiffern auf der Ostsee als Leuchtthurm gedient hat. Die Stadt soll durch viele Feuersbrünste bis auf den Theil zerstört seyn, der jetzt von ihr übrig ist.
Von dem Ihnafluß, an welchem die Stadt liegt, erzählt man auch vielerlei Wunderbares. So sagt man, daß die Ihna alle Jahre ihr Opfer haben müsse. Wenn das nun bald seyn wird, dann hört man auf ihr in den Nächten vorher ein lautes Juchen und Klatschen. Auch ein großer Schatz soll in der Ihna liegen, nämlich unterhalb der Brücke. Er wird von einem großen schwarzen Thiere bewacht, von dem Einige sagen, es sey ein Hund, der aber, wie Manche versichern, halb ein Hund und halb ein Kalb seyn soll. Um zwölf Uhr des Nachts kann man ihn immer sehen. Er geht dann über die Brücke auf die Wiek, und am Ufer entlang; dann kehrt er zurück über die Brücke, und geht nun durch die Straßen der Stadt bis auf den Markt. Auf dem Markte kann man dann oft zu gleicher Zeit einen großen Leichenzug sehen. Wenn dieser vorüber ist, geht auch der Hund zu seinem Schatze zurück.
Mündlich.
206. Die drei Ringe zu Pansin.
Eine Meile von Stargard nach Osten hin liegt ein großes Dorf mit einem alten und ansehnlichen Schlosse, Pansin geheißen. Dasselbe gehörte früher dem Johanniterorden, wurde aber nachher ein Borksches Lehn, und ist jetzt im Besitze der Familie von Puttkammer. Auf diesem Schlosse lebte vor Zeiten ein Fräulein; der erschien in einer Nacht ein Geist, der ihr gebot, aufzustehen, und ihm in die Kirche zu folgen. Anfangs scheute das Fräulein sich, auf sein drittes Gebot gehorchte sie ihm aber. Wie sie nun in die Kirche trat, da sah sie am Altare ein Feuer brennen, und der Geist gebot ihr, daß sie zu demselben hingehen, und ihre Schürze mit den glühenden Kohlen füllen solle; er ermahnte sie dabei, daß sie beim Weggehen sich nicht umsehen dürfe. Das Fräulein that zwar Anfangs, wie ihr geheißen war; als sie aber zuletzt aus der Kirche herausging, da konnte sie nicht widerstehen, sich noch einmal umzublicken. Allein auf einmal fielen alle Kohlen auf die Erde und verlöschten; nur drei konnte sie geschwinde aufgreifen. Als sie mit diesen in das Schloß zurückkam, da waren es drei goldene Ringe. An diesen drei Ringen hängt seitdem das Glück und Gedeihen der Familie, die das Schloß besitzt; darum wurden sie mit großer Sorgfalt verwahrt. Dennoch ist einer davon einmal verloren gegangen. Gleich darauf entstand im Dorfe eine schreckliche Feuersbrunst, und das Schloß bekam einen großen Riß. Man schickte die beiden anderen darauf in ein Kloster; zuletzt hat man sie aber, damit sie gar nicht verloren gehen könnten, in dem Schlosse eingemauert.
Man sagt, der Geist, den das Fräulein gesehen, solle einer von den kleinen Unterirdischen gewesen seyn, deren es in der Wiese bei Pansin zu vielen hunderten giebt. Andere meinen, das Fräulein habe gar keinen Geist gesehen, aber es habe ihr in drei Nächten nacheinander geträumt, daß sie so thun solle, wie sie nachher gethan hat; sie hätte auch nicht in die Kirche gehen sollen, sondern auf die Wiese, in welcher die Unterirdischen wohnen. Wie sie nun wieder zurückgegangen, da habe sie auf einmal einen ganzen Haufen von diesen kleinen Männlein gesehen. Darüber soll sie so erschrocken seyn, daß ihr alle Kohlen, bis auf die drei, entfallen sind.
Mündlich.
207. Der Schatz bei Lanken.
Nicht weit von dem Kirchdorfe Lanken auf Rügen, dicht beim Walde, liegt ein Schatz in der Erde vergraben, den der Teufel bewacht, und den noch Keiner hat heben können. In einer Herbstnacht kamen einmal drei Bauern aus einem benachbarten Dorfe, die in Lanken zur Hochzeit gewesen waren, des Weges geritten, und sahen an der Stelle ein Feuer, als wenn dort ein großer Haufen Kohlen am brennen wäre. Die Bauern dachten gleich, daß da der Schatz liegen müsse; sie hatten aber keinen Muth, näher heran zu reiten, denn sie fürchteten, daß der Teufel, der den Schatz bewacht, ihnen den Hals umdrehen möchte. Nur einer von ihnen wagte es; er ritt hin, ohne ein Wort zu sprechen, sprang vom Pferde ab, und füllte sich alle seine Taschen mit Kohlen. Als er aber zu Hause kam und nachsah, was er mitgebracht habe, da fand er nichts als todte Mäuse in seinen Taschen. Nun sagten ihm die Leute zwar, daß er vorher Salz auf die brennenden Kohlen streuen müsse, und er ging wieder hin und that das auch; aber er brachte doch auch dasmal nichts zu Hause, als nur schwarze Holzkohlen. Es muß also eine ganz eigne Bewandniß mit dem Heben dieses Schatzes haben.
Vgl. E.M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 397-400.
208. Die Jungfrau im Ziegenorter Forst.
In dem Ziegenorter Forst zwischen Stettin und Uckermünde sah man in früheren Zeiten oft eine weiße Jungfrau sitzen, die laut weinte und durch den Wald klagte. Sie saß gewöhnlich an einem kleinen Bache, der dort unten im Thale fließt. Sie war dorthin gebannt worden, und konnte nicht anders erlöset werden, als wenn Jemand sie am St. Johannistage durch den Bach trug. Sie hat viele, viele Jahre hierauf warten müssen, und manchen Johannistag hörte man ihre Klagen und Bitten um Erlösung an die Vorübergehenden durch den Wald schallen. Alle, die da vorübergingen, und sie sahen und hörten, fürchteten sich vor dem Zauber, und wagten nicht heran zu gehen, sondern machten, daß sie eilig von dannen kamen. Zuletzt an einem St. Johannistage war einstmals ein Jäger an dem Bache eingeschlafen. Wie der um Mittag aufwacht, da sieht er die Jungfrau vor sich stehen; sie hatte wunderschöne Augen, und sie weinte und klagte bitterlich über ihr großes Elend, und bat ihn, daß er sie durch die Fuhrt tragen möge. Da wurde der Jäger gerührt; er faßte sich ein Herz, nahm sie auf seinen Arm und trug sie eilends durch die Wellen des kleinen Baches. Und als er sie an der anderen Seite auf das grüne Ufer legt, da war plötzlich der Zauber gelöset, und die Jungfrau verschwunden. Aber an der Stelle, wo sie ihm erschienen war, sah der Jäger jetzt einen großen, unermeßlich reichen Schatz liegen, den die Jungfrau hatte verwahren müssen. Den nahm er zu sich, und er wurde für sein Leben lang ein reicher Mann.
Man erzählt auch, daß, einige Zeit vor ihrer Erlösung durch den Jäger, an einem Johannistage ein Bauer mit einem Fuder Holze bei ihr vorbeigekommen sey. Den hat die Jungfrau freundlich angeredet mit den Worten:
Lod av din Foder Holt!
Lod up en Foder Gold!
Drag mi hier dör davon,
Soll ok nich schwere gon!
Der Bauer hat aber keine Lust gehabt, sondern ihr erwidert:
Dat Gold kann mi nich raken,
Na kort mot ik't verlaten,
Do helpt ken hoher Mod,
Wann kümmt de bittre Dod!
Darauf ist denn die Jungfrau unter vielen Wehklagen verschwunden.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 10-13.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
209. Prinzessin Swanvithe.
Bei der Stadt Garz auf Rügen befindet sich ein See, neben welchem früher ein Schloß der heidnischen Könige gestanden hat. Als dieses Schloß vor vielen Jahren von den Christen genommen und zerstört ist, hat darin ein alter Heidenkönig gelebt, der ist sehr reich gewesen, und so geizig, daß er immer bei seinen Schätzen von Gold und Edelsteinen gelegen hat, die er in einem großen Saale tief unter dem Schlosse aufgehäuft hatte. Darin wühlte er Tag und Nacht umher, und als das Schloß von den Christen zerstört wurde, da lag er auch darin verschüttet, so daß er eines elenden Hungertodes sterben mußte. Darauf, weil seine Seele von dem irdischen Gute nicht scheiden konnte, wurde er in einen schwarzen Hund verwandelt, der nun immerwährend die Goldhaufen bewachen muß. Zuweilen sieht man ihn auch in seiner menschlichen Gestalt, mit Helm und Panzer angethan, auf einem Schimmel über die Stadt und über den See reiten; manchmal hat er dabei anstatt des Helmes eine goldene Krone auf. Andere haben ihn auch wohl in der Nacht im Garzer Holze an dem Wege nach Poseritz gesehen, wie er mit einer schwarzen Pudelmütze auf dem Kopfe und einem weißen Stocke in der Hand herumwandelt.
Wie nun dieser alte Heidenköig erlöset werden kann, das mag folgende Geschichte erzählen.
Viele Jahre nachher begab es sich, daß in Bergen ein König von Rügen wohnte, der eine schöne Tochter hatte, Swanvithe geheißen. Zu der kamen viele fremde Prinzen, um sie zu freien. Sie wollte aber keinen von ihnen, als den Prinzen Peter von Dänemark, der ein feiner und stattlicher Mann war, und ihr ausnehmend wohl gefiel. Der wurde also ihr verlobter Bräutigam, und es sollte bald die Hochzeit seyn. Hierüber ärgerte sich sehr ein polnischer Prinz, der auch zu ihren Freiern gehörte, und weil er von tückischem, boshaftem Gemüthe war, so streute er glaubhaft unter die Leute aus, die Prinzessin führe ein unzüchtiges Leben und habe manche Nacht bei ihm zugebracht. Das wußte er so glaublich zu machen, daß Alle ihm traueten, und es reisete nun ein Freier nach dem andern fort, und auch der Prinz von Dänemark wollte nichts mehr von der Verlobung wissen. Die Geschichte kam zuletzt an den König, und er glaubte sie wie die Andern, und gerieth darüber so in Zorn, daß er die Prinzessin schlug und ihr Haar zerriß, und sie in einen finstern Thurm einsperren ließ, damit er sie nimmer wieder vor Augen bekäme.
In dem Thurme saß die Prinzessin wohl über drei Jahre, und sie grämte und mühete sich vergebens, wie sie ihrem Vater ihre Unschuld beweisen solle. Da fiel ihr zuletzt die Geschichte mit dem alten Heidenkönige ein, und wie derselbe erlöset werden könne. Dies soll nämlich geschehen können, wenn eine reine Jungfrau den Muth hat, in der Johannisnacht zwischen zwölf und ein Uhr nackt und einsam den Schloßwall an dem Garzer See zu ersteigen, und darauf rückwärts so lange hin und her zu gehen, bis sie gerade auf die Stelle trifft, unter der bei der Zerstörung des Schlosses die Thür und die Treppe zu der Schatzkammer des alten Königs verschüttet sind. Sie wird dann hinuntergleiten, aber ohne Schaden zu besorgen, und nun kann sie so viel Gold und Edelsteine nehmen, als sie tragen kann, und damit bei Sonnenaufgang wieder zurückgehen. Was sie nicht selbst tragen kann, wird ihr der alte König nachtragen, also daß sie zeitlebens Geld und Gut genug haben wird. Sie darf sich aber die ganze Zeit über kein einziges Mal umsehen, und sie darf kein einziges Wort sprechen, sonst gelingt es ihr nicht, und sie kommt elendiglich um. Eben so ergeht es ihr, wenn sie keine keusche Jungfrau ist.
Dieses fiel der Prinzessin Swanvithe in ihrem einsamen Gefängnisse ein, und sie gedachte, das Wagestück zu unternehmen, um so ihrem Vater und der ganzen Welt zu beweisen, daß sie rein und unschuldig sey, und daß der schlechte Pole sie belogen habe. Sie ließ daher ihr Vorhaben dem Könige anzeigen, und bat ihn um Erlaubniß, dasselbe auszuführen. Das wurde ihr gestattet.
Als nun einige Zeit nachher die Johannisnacht kam, da ging die Prinzessin allein von Bergen nach Garz; und wie es vom Garzer Kirchthurm Mitternacht schlug, so that sie ihre Kleider von sich, und betrat den Schloßwall, auf dem sie nun rückwärts auf und ab schritt, mit einer Johannisruthe, die sie mitgenommen hatte, die Erde berührend. Nicht lange war sie so geschritten, da that sich die Erde auf, und sie glitt sanft und langsam tief hinunter, bis in einen großen Saal, in dem über tausend Lichter brannten, so daß es darin heller war, als am klarsten Mittage. Die Wände des Saals waren von Marmor und Diamantenspiegeln, und der ganze Saal voll großer Haufen von Silber, Gold und Edelsteinen. Hinten in einer Ecke saß der König, der alle diese Schätze bewachte; es war ein kleines, graues Männchen, das ihr zuwinkte, um ihr Muth einzusprechen. Sie aber fürchtete sich nicht, und begrüßte den König nur leise mit der Hand. Da erschienen auf einmal eine große Menge herrlich gekleideter Diener und Dienerinnen. Die füllten alle ihre Hände und Kleider mit Gold und Edelsteinen, und also that auch die Prinzessin. Und wie sie genug hatte, da trat sie ihren Rückweg an, und alle die Diener und Dienerinnen folgten ihr. Wie sie so nun schon viele Stufen heraufgestiegen war, so ward ihr auf einmal bange, ob jene mit den Schätzen ihr auch wohl folgen würden und sie wandte sich um, nach ihnen zu sehen. Aber das war ihr großes Unglück: denn auf einmal verwandelte sich der alte König in einen großen schwarzen Hund, der mit feurigem Rachen und glühenden Augen auf sie zusprang, und wie sie nun weiter vor Angst und Entsetzen laut ausrief: O Herr je! da schlug auf einmal die Thür über ihr mit lautem Knalle zu, und die Treppe versank, und sie fiel in den großen Saal hinein, in dem die Lichter plötzlich verlöschten. Darin sitzt sie nun schon viele hundert Jahre lang, und muß dem alten Heidenkönige helfen, seine Schätze zu hüten.
Sie kann nur erlöset werden, wenn ein reiner Junggesell es wagt, in der Johannisnacht auf dieselbe Weise, wie sie es that, auf den Garzer Schloßwall zu gehen, und in die Schatzkammer hinabzufallen. Er muß sich dann dreimal vor ihr neigen, und ihr einen Kuß geben, und sie still an der Hand herausführen. Sprechen darf er dabei kein Wort. Wer sie so herausbringt, der wird ihr Gemahl werden, und so viel Schätze erwerben, daß er sich ein ganzes Königreich kaufen kann.
Es sollen schon Viele dieses Wagestück versucht haben; aber es ist noch Keiner zurückgekommen. Man sagt, der alte schwarze Hund sey so schrecklich, daß Alle, die ihn sehen, vor Entsetzen laut schreien müssen, und dann ist Alles vorbei. Zuletzt soll noch vor dreißig oder vierzig Jahren ein Schuhmachergesell hier verschwunden seyn.
E.M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 10-29.
210. Die schwarze Frau auf dem Königsstuhl.
In Rügen hat einst eine Fürstin gelebt, die viele Schätze hatte. Sie fürchtete, daß ihr diese geraubt werden möchten, und sie ließ sie daher in dem Kreidefelsen der Stubbenkammer vergraben. Die Gräber aber ließ sie darauf hinrichten, damit sie nicht verrathen sollten, wo die Schätze lägen. Dafür muß sie nun noch immer bei denselben in dem Berge Wache halten. Alle Jahre am Johannistage kommt sie aus dem Innern des Felsens hervor, und setzt sich oben auf den Königsstuhl. Dort wartet sie den ganzen Tag, ob Keiner kommen will, die Schätze zu heben und sie zu erlösen. Auf welche Weise dies geschehen kann, weiß man nicht.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
211. Die Jungfrau am Waschstein bei Stubbenkammer.
Dicht bei Stubbenkammer auf Rügen erhebt sich am Strande des Meeres der Waschstein. In einer Höhle unter demselben hat vor Zeiten der berüchtigte Seeräuber Störtebeck seine Niederlage gehabt; dorthin zog er, um von seinen Räubereien auszuruhen, mit seiner Bande, welche im Lande den Namen der Vitalienbrüder hatte; dort verbarg er seine großen geraubten Schätze. Dieser Zufluchtsort war allen seinen Verfolgern unbekannt, und er war deshalb in demselben sicher vor Verfolgung.
In dieser Höhle ist es noch jetzt nicht geheuer, und man trifft allnächtlich um Mitternacht einen seltsamen Spuck darin. Insbesondere sieht man oft eine trauernde Jungfrau daraus hervorkommen, mit einem blutigen Tuche in der Hand. Mit demselben begiebt sie sich an das Wasser, um die Blutflecken herauszuwaschen. Aber dies will ihr nicht gelingen, und sie geht dann seufzend in die dunkele Höhle zurück. Von dieser Jungfrau erzählt man, daß sie ein vornehmes Fräulein aus Riga gewesen ist, die hat Störtebeck einmal auf einem Raubzuge nach Liefland gefangen und mit sich weggeführt, gerade als sie ihrem Bräutigam sollte angetraut werden. Der deutsche Ordensmeister hat ihn zwar mit vielen Schiffen verfolgt, ihn aber nicht einholen können. Darauf hat Störtebeck sie in die Höhle am Waschstein gebracht, und wie er wieder zu einem neuen Zuge in See gegangen, hat er sie darin sammt allen seinen geraubten Schätzen eingeschlossen. Von diesem Zuge ist er aber nicht wieder heimgekehrt; denn es war im Jahre 1402, und in diesem selbigen Jahre wurde er mit 711 seiner Spießgesellen von den Hamburgern nach einem blutigen Treffen eingefangen und nach Hamburg gebracht, wo sie sämmtlich hingerichtet wurden. Die Jungfrau mußte darauf, weil Niemand sie befreien konnte, in der Höhle am Waschstein einen schrecklichen Tod sterben, und sie hat noch immer bei den Schätzen, die sie bewacht, keine Ruhe finden können.
Vor vielen Jahren sah sie einmal ein Fischer, wie sie unten am Waschstein stand und das blutige Tuch vergebens in das Meer eintauchte, und vergebens die Blutflecken herauszuringen suchte. Er faßte sich ein Herz und ruderte näher zu ihr hin, und redete sie an mit den Worten: Gott helf, schöne Jungfrau! Was machst du so spät hier noch allein? Die Jungfrau verschwand darauf; aber der Fischer war wie von einer Zauberei befangen, so daß er nicht von der Stelle konnte. Und wie nun Mitternacht kam, da sah er die Jungfrau wieder; sie trat zwischen den Kreidefelsen hervor auf ihn zu, und sprach zu ihm: Weil du Gott helf zu mir gesprochen, so ist dein Glück gemacht; folge mir nach! Damit kehrte sie zwischen die Felsen, und er folgte ihr in eine große, weite Höhle, die er vorher noch nie gesehen. Darin lagen unermeßliche Haufen von Silber, Gold, Edelsteinen und Kostbarkeiten aller Art.
Wie der Fischer die noch überschaute, so hörte er auf einmal auf der See Ruderschlag, und als er sich danach umblickte, da sah er ein großes schwarzes Schiff nahen; aus demselben stiegen an die tausend Männer, Alle in dunkler, alter Tracht, und Alle das Haupt unter dem Arme tragend. Die schritten still, und ohne ein Wort zu sprechen, in die Höhle hinein, und fingen an, in den geraubten Schätzen zu wühlen und sie zu zählen. Das waren die Geister des geköpften Störtebeck und seiner Genossen; sie kommen jede Nacht so dahin und zählen ihren Raub, ob er noch vorhanden ist. Nachdem sie lange in dem Golde herumgewühlt hatten, verschwanden sie Alle wieder; und nun füllte die Jungfrau dem Fischer einen Krug mit Gold und Edelsteinen, daß er Zeitlebens der Reichthümer genug hatte. Darauf geleitete sie ihn zu seinem Schiffe zurück, und als er sich wieder nach ihr umsah, war sie zusammt der Höhle verschwunden. Oben auf dem Waschstein kann man auch alle sieben Jahre ein Meerweibchen sehen, die dann aus der See steigt, um sich oben auf dem Steine in der Sonne zu waschen.
Carl Lappe, Pommerbuch, S. 25.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 25-31.
Grümbke, Darstellung der Insel Rügen, I. S. 42.
212. Die schwarze Frau in der Stubbenkammer.
In der Stubbenkammer auf der Insel Rügen befindet sich eine große, tiefe Höhle, die Höhle der schwarzen Frau genannt. Es führt zu derselben ein steiler und schmaler Pfad, der tief in die Felsen hineingeht. In dieser Höhle sitzt eine schwarze Frau. Sie sitzt da schon seit vielen hundert Jahren, und ist jetzt auf ewige Zeiten dahin gebannt. Früher bewachte sie einen goldenen Becher, und damals hielt eine weiße Taube oben auf dem Felsen die Wacht. Das ist aber jetzt anders. Denn einstens vor mehr als hundert Jahren kam ein Schiff aus dem Meere; daraus stiegen viele fremde und hohe Männer, die fragten, wo die Höhle der schwarzen Frau sey. Und als man sie ihnen gezeigt hatte, so begaben sie sich dahin mit einem Missethäter, den sie mit sich führten. Dieser war in seiner Heimath zum Tode verurtheilt, aber der König hatte ihn begnadigt, wenn er den Becher holen werde, den die schwarze Frau bewachte. Die Männer führten ihn bis auf den Felsenpfad, der zu der Höhle geht. Dort löseten sie seine Fesseln, und nun mußte er allein zur Höhle gehen. Er fand sie offen. Die ganze Höhle war voll heißer, heller Flammen, so daß man es vor Hitze nicht darin aushalten konnte. Mitten in diesem Feuer saß unbeweglich die schwarze Frau; sie war ganz in schwarze Kleider gehüllt, und ein schwarzer Schleier hing vor ihrem Gesichte. Neben ihr lag von reinem Golde der Becher, den sie hütete. Der Missethäter schritt zagend, aber doch eilig, um aus diesem Meere von Gluth zu entkommen, auf sie zu, und langte nach dem Becher. Da bewegte sich die schwarze Frau, und sagte mit klagender Stimme zu ihm: Wähle recht, fremder Mann; wenn du recht wählst, so bin ich auf ewig dein! Aber der Missethäter sah nichts als den Becher, den ergriff er, und lief eiligst damit fort aus der Höhle, denn er verstand die Worte der Frau nicht, und dachte nicht daran, daß er sie selbst hätte nehmen und erlösen sollen. Im Zurückkehren hörte er sie schwer und tief hinter sich seufzen, und sie klagte mit trauriger Stimme: Wehe mir, nun kann mich Keiner mehr erlösen! In dem Augenblicke verschwand auch die weiße Taube oben vom Felsen, und an ihrer Stelle sah man einen schwarzen Raben, der dort jetzt die ewige Wacht hält. Die schwarze Frau jammerte aber in der Höhle so laut, daß alle Männer, als der Missethäter ihnen den Becher übergab, sie deutlich hörten. Sie entsetzten sich darüber, und trugen, als wenn sie dadurch die Frau befreien könnten, den Becher in die benachbarte Kirche zu Bobbin, wo man ihn zum ewigen Andenken noch jetzt sehen kann.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 19-22.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
213. Die Seejungfer im Haff.
Im Oder-Haff ist schon seit undenklichen Zeiten eine wunderschöne Seejungfer. Wenn die Schiffer, besonders die Fischer, am Ufer arbeiten, so steigt sie oft bis an den halben Leib aus dem Wasser heraus, und sieht ihren Arbeiten zu. Sie sagt nichts; aber wer sie so sieht, dem bedeutet sie Glück.
Mündlich.
214. Der Chimmeke in Loitz.
Auf den Schlössern in Pommern gab es in früheren Zeiten viele Poltergeister, die das Volk Chimmeke nannte. Man mußte sie sich zu Freunden halten, dann thaten sie Niemandem etwas zu Leide. Sonst konnten sie aber sehr böse werden. – Ein solcher Chimmeke war auch auf dem alten Schlosse zu Loitz. Er war schon lange Jahre da gewesen, und man mußte ihm jeden Abend einen irdenen Topf mit süßer Milch vorsetzen. Die aß er über Nacht auf, und also that er keinen Schaden. Wie aber zu einer Zeit, gegen das Jahr 1370, die Mecklenburger das Schloß inne hatten, so war darin ein übermüthiger Küchenjunge, der nahm dem Chimmeke einstmals die Milch weg und trank sie selbst aus, dem Geiste spöttische Worte gebend. Das verdroß diesen sehr, und wie am anderen Morgen früh, bevor noch der Koch aufgestanden, der Küchenjunge in die Küche kam, und das Feuer anmachte, da ergriff der Chimmeke den Buben, zerhauete ihn in Stücke, und steckte diese in den großen Grapen, der mit heißem Wasser auf dem Feuer stand. Danach kam der Koch in die Küche und wollte Fleisch holen, dasselbe in den Grapen zum Kochen zu werfen. Da lachte aber der Chimmeke und sagte zu dem Koche, das Fleisch sey schon gar, er solle nur anrichten und es aufsetzen. Der Koch sah in den Grapen, und fand darin die gekochten Hände und Füße, und erkannte, daß sie des Buben waren. Darüber erschrak er sehr. Der Geist ist von der Zeit an aus dem Schlosse weggezogen und hat sich nicht wieder sehen lassen. – Der Grapen, worin der Küchenjunge also gekocht worden, ist nachher noch viele Jahre auf dem Schlosse gezeigt; wo er jetzt ist, weiß man nicht.
Kantzow, Pomerania, I. S. 333.
Micrälius, Altes Pommerl. I. S. 268.
215. Die Kobolde mit den rothen Hosen.
Zu einer Zeit gab es in Greifswald eine Menge gräßlich anzusehender kleiner Kobolde, welche rothe Hosen an den Beinen trugen. Sie hielten sich besonders in der Knopfstraße auf, wo sie die Häuser besetzten, und auf den Böden ihr Spektakel trieben und dann oben aus den Schornsteinen herausguckten, und die Leute auf der Straße verhöhnten. Wenn man sie fangen wollte, so entsprangen sie durch die Schornsteine, und man sah ihre rothen Hosen oft schon auf dem dritten Dache, wenn man sie noch in dem ersten Hause suchte. Endlich verschwanden sie von selbst.
Mündlich.
216. Die Erdgeister in Greifswald.
In der Stadt Greifswald und der Umgegend hielten sich in früheren Zeiten viele unterirdische Erdgeister auf, von den Leuten gewöhnlich nur die Zwerge genannt. Sie haben sehr lange dort gehauset, bis sie zuletzt auf einmal ganz aus dem Lande gezogen sind. Zu welcher Zeit und bei was für Gelegenheit dies geschehen ist, weiß man nicht mehr; aber man weiß noch recht gut den Weg, den sie genommen, und daß sie bei Jarmen aus Pommern gegangen sind. Von da sollen sie sich weiter in das gebirgige Land begeben haben.
Diese Erdgeister hatten Gewalt über alles Gold und Silber, und über die edlen Steine, die in der Erde verborgen liegen; sie waren auch im Ganzen gutmüthig und halfen den Menschen gern, und thaten ihnen Gutes. Dabei trugen sie aber manchmal ein sonderbares Verlangen nach hübschen Menschenkindern, so daß sie die den Leuten oft aus der Wiege stahlen und ihre häßlichen Wechselbälge dafür hinlegten. Oft auch verliebten sie sich in hübsche Mädchen und begehrten ihrer zur Ehe. Der Weg zu ihren unterirdischen Wohnungen ging gewöhnlich durch einen schmutzigen Ort, z.B. unter dem Gußloche des Spülichts oder unter einer Tranktonne her. Des Tages krochen sie in Gestalt von Fröschen oder anderem häßlichen Ungeziefer umher, des Nachts aber zeigten sie sich in ihrer eigentlichen Gestalt; besonders tanzten sie gern im Mondschein, und waren dann vergnügt und lustig.
Man erzählt sich viele sonderbare Geschichten von ihnen. So war einmal in Greifswald eine Frau, die verwünschte eines Abends, wie es schon spät war, ihr Kind, weil es so arg schrie, und die Frau nicht schlafen konnte. Da that sich auf einmal die Thür leise und behende auf, und es schlich sich ein Zwerg herein, der riß ihr schnell das Kind vom Schooße und lief damit fort; die Frau hat das Kind niemals wieder gesehen. Einer anderen Frau glückte es eines Abends noch eben, ihr Kind an der Ferse fest zu halten, als sie eingeschlafen war, und ein Zwerg es ihr vom Schooße hatte stehlen wollen.
Ein andermal kam zu einer Köchin eine große dicke Kröte in die Küche. Die Köchin nahm einen Spaten, um das Thier todt zu schlagen, dieses aber kroch geschwind unter eine Tranktonne und rettete so mit genauer Noth sein Leben. Nicht lange danach wurde das Mädchen von den Zwergen zu Gevatter gebeten, und wie sie zugesagt hatte, des Nachts unter dem Backtroge in die Erde geführt. Sie mußte viele Treppen heruntersteigen, bis sie in das Zimmer der Kindbetterin kam. Hier war Alles von Gold und Silber, und die Wöchnerin selbst war über und über mit Juwelen bedeckt. Nachdem das Kind getauft war, setzte man sich zu Tische; der Tisch war gedeckt mit lauter golddurchwirkten Laken, und mit vielen köstlichen Speisen besetzt, die in silbernen und goldenen Schüsseln standen. Aber über dem Kopfe der Köchin hing auf einmal ein großer schwerer Mühlstein an einem seidenen Faden. Darüber erschrak die Köchin sehr und wollte in ihrer Angst geschwinde aufstehen. Die Kindbetterin sagte aber zu ihr: Fürchte dich nicht, dir wird nichts geschehen; ich wollte dir nur zeigen, wie angst mir war, als du mich vor Kurzem in der Küche mit dem Spaten verfolgtest, und mein Leben auch an einem seidenen Faden hing. Das Mädchen konnte aber doch seine Furcht nicht verwinden, bis es zuletzt mit vielen Geschenken entlassen wurde.
Wieder ein ander Mal hatte sich ein vornehmer Zwerg in ein schönes Mädchen verliebt, und begehrte sie mit Gewalt zur Frau. Das Mädchen hatte zwar einen großen Widerwillen gegen ihn, weil er so klein und gewiß nicht schön war, und sie konnte sich nicht dazu entschließen, ihn zu heirathen. Er steckte sich aber hinter ihren Vater, und weil er diesem viel Geld und Gut versprach, so mußte sie ihm zuletzt ihre Hand zusagen. Nun kam sie aber mit ihm überein, daß sie ihrer Zusage los seyn solle, und er wolle von ihr abstehen, wenn es ihr gelinge, seinen Namen zu erfahren. Das Mädchen kundschaftete lange Zeit vergebens. Zuletzt half ihr der Zufall. Es fuhr nämlich in einer Nacht ein Fischhändler die Straße nach Greifswald. Wie der an einer Stelle viele Zwerge lustig im Mondschein tanzen und springen sah, da hielt er verwundert an, und nun hörte er auf einmal, wie einer der Zwerge in seiner Freude laut rief: Wenn meine Braut wüßte, daß ich Doppeltürk heiße, sie nähme mich nicht! Das erzählte der Fischhändler des anderen Tages im Wirthshause zu Greifswald, und von der Wirthstochter hörte es die Braut. Diese dachte gleich, daß das ihr Liebhaber gewesen sey, und wie derselbe wieder zu ihr kam, nannte sie ihn Doppeltürk. Da verschwand der Zwerg in großem Aerger, und die Liebschaft hatte ein Ende.
Mündlich.
217. Die Uellerkens bei Boek.
Die kleinen, in der Erde wohnenden und dem Menschen freundlichen Zwerge werden in manchen Gegenden von Pommern von den Leuten Uellerkens genannt. Man findet sie an vielen Orten; fast bei jedem Berge erzählt man etwas von ihnen.
Am Glandower See bei dem Dorfe Boek liegt ein Berg, in welchem auch die Uellerkens sind. Vor noch nicht vielen Jahren wohnte am Ende des Dorfes eine alte Frau, mit der sie gute Freundschaft hielten. Sie besuchten dieselbe oft, und baten sie, ihnen einen Backtrog zu leihen. Die Frau that das gern, und als sie ihr am anderen Morgen den Trog zurückbrachten, hatten sie zur Dankbarkeit ein schönes, feines Brod hineingelegt.
Ein andermal hörte diese Frau, wie des Nachts unten in ihrem Keller Musik und sonstiges Geräusch war. Sie ging daher hinunter, um zu sehen, was es da gebe, und erblickte durch eine Spalte der Thür, daß der Keller hell erleuchtet und voller Uellerkens war. Einer von ihnen saß auf einem Fasse und geigte, und die Uebrigen tanzten und spielten und schmauseten. Die Frau beging nun die Unvorsichtigkeit, daß sie mit ihrem Lichte in den Keller hineintrat. Das fremde Licht konnten die Uellerkens nicht vertragen. Sie verschwanden deshalb augenblicklich, und löschten ihre Lichter und auch das Licht der Frau aus, daß sie kaum aus der Finsterniß sich wieder herausfinden konnte. Böse waren sie ihr aber nicht geworden, denn als sie am anderen Morgen in den Keller zurückging, fand sie darin schöne Sachen, welche die Uellerkens ihr zum Geschenke zurückgelassen hatten.
Mündlich.
218. Die Unterirdischen bei Bernstein.
Auch in der Gegend der Stadt Bernstein in Pommern halten sich viele kleine Zwerge auf, welche von den Leuten dort die Unterirdischen genannt werden. Einer von ihnen kam einstens auf lange Zeit zu einem armen Schuhmacher und half ihm bei der Arbeit, so daß der Schuhmacher schon anfing zu Gelde zu kommen. Da fiel es dem Manne ein, sich gegen den Kleinen dankbar zu beweisen, und er ließ ihm einen hübschen neuen Rock machen. So etwas können die Unterirdischen aber nicht vertragen, und als der Zwerg daher den Rock bekam, ging er gleich fort mit den Worten: Meister, nun hast du mich abgelohnt, nun ist es mit der Arbeit aus! – Er kam auch nicht wieder.
Mündlich.
219. Die Unterirdischen bei Budow.
In dem Dorfe Budow unweit Stolpe war einstens ein Schäfer, der hatte einen Dudelsack, auf dem er sich bei den Schafen auf dem Felde etwas vordudelte. Als er nun auch einmal saß und spielte, da sah er einen Frosch vor sich, der sprang herum, als wenn er ordentlich nach der Musik tanzte. Das sah der Schäfer eine Weile an, zuletzt wollte er mit dem Fuße danach stoßen; auf einmal war aber der Frosch verschwunden. Ueber eine kleine Weile fand sich nun ein klein Männchen, ein Unterirdischer, zu ihm ein. Der fragte ihn: Mein lieber Schäfer, wollte er den Frosch todt machen? Der Schäfer sagte: Nein, das war ich nicht Willens! ich wunderte mich nur, daß das Ding so putzig sprang. Da sagte das Männchen zu ihm: Mein lieber Schäfer, wenn er den Frosch todt gemacht hätte, so hätte er mich getroffen, denn der Frosch war ich. Darauf bat das Männchen den Schäfer, ob er nicht mit ihm gehen wolle zu den Leuten von seiner Art, und ein Bischen auf dem Dudelsacke spielen, denn seine Tochter mache heute Hochzeit. Der Schäfer entgegnete ihm: Das geht nicht, denn wo würden unterdeß meine Schafe bleiben? Das Männchen versprach ihm aber, sie sollten gut versehen werden, worauf der Schäfer sich bereden ließ und mit ihm ging. Sie gingen nur ein klein Endchen, da that sich die Erde vor ihnen auf, und sie stiegen eine Treppe hinunter, bis sie in eine schöne Stube kamen. Darin waren so viele Gäste beisammen, daß es ordentlich krimmelte und wimmelte. Zuerst trug man dem Schäfer viel Essen und Trinken auf den Tisch, und bat ihn, davon zu genießen. Nach dem Essen dudelte er dann die ganze Nacht durch, und die kleinen Leute tanzten und sprangen, daß ihnen die Kittel um den Kopf flogen.
Als es Tag geworden war, so bat der Schäfer, sie möchten ihn jetzt wieder zu seiner Heerde bringen. Das waren sie zufrieden. Aber vorher kamen Viele an ihn heran und steckten ihm alle Taschen voll Kerbspähne; doch merkte er nichts davon, denn er hatte von dem vielen Trinken etwas zu viel in der Krone. Darauf brachten sie ihn auf den Weg, und dasselbige Männchen, das ihn geholt hatte, führte ihn wieder auf das Feld, wo seine Schafe noch waren, und verschwand dann, nachdem es ihm nochmals viel gedankt hatte. Wie der Schäfer nun mit seinen Schafen nach Hause trieb, da kamen ihm auf einmal seine Taschen so schwer vor, und als er hineinfühlte, da fand er die Kerbspähne darin. Das verdroß ihn, denn er meinte, die Unterirdischen hätten ihn zum Narren gehabt, und er schmiß sie nun alle von sich auf die Erde. Nur die Tasche vorn auf der Brust vergaß er, und was er in dieser hatte, ließ er darin. Das war gut, bis er des Abends sich auszog, um zu Bette zu gehen. Da hörte er auf einmal in der Brusttasche etwas klingen. Das verwunderte ihn, und wie er hineingriff, so hatte er die ganze Tasche voll harter Thaler. Da merkte er wohl, daß ihm die Unterirdischen das als Bezahlung für sein Spielen gegeben hätten, und er ärgerte sich, daß er so viel weggeworfen hätte. Die Nacht wurde ihm recht lang, und am anderen Morgen war sein Erstes, daß er zurückging und nach den weggeworfenen Spähnen suchte. Aber er fand davon nichts wieder.
Baltische Studien, II. 1. S. 170. 171.
220. Das Pathengeschenk.
In der Gegend von Stralsund lebte einstmals eine fromme Frau. Als die eines Abends gerade in der Postille las, klopfte es an ihre Thür, und es trat ein ganz kleines Fräuchen herein. Das war eine Kindtaufbitterin der Unterirdischen, und ladete die fromme Frau zur Kindtaufe ein. Diese erstaunte zwar darüber, sagte aber endlich zu, und das fremde Weiblein versprach darauf, sie abzuholen. Nach ein paar Tagen kam die Unterirdische wieder und holte die Frau ab. Sie führte diese aber nicht aus dem Hause, sondern durch die Hofthüre in ihren eigenen Kuhstall, und dort ging sie mit ihr eine Treppe hinab, welche die Frau vorher noch nie gesehen hatte. So kamen sie in ein schönes Gemach, wo viele Unterirdische waren, und die Kindtaufe gehalten wurde. Als diese vorbei war, gaben alle die unterirdischen Frauen der Kindbetterin ein Pathengeld. Daran hatte die fromme Frau aber nicht gedacht, und sie hatte nichts bei sich. Sie wollte sich darüber sehr entschuldigen, aber die Unterirdischen sagten ihr, das schade nichts; sie baten sie dagegen, daß sie doch den Kuhstall verlegen möge, indem die Jauche ihnen gerade auf ihren Tisch komme. Das versprach die Frau, und sie waren darüber sehr froh. Die Frau hat auch ihr Versprechen gehalten.
Mündlich.
221. Die Zwerge in den neun Bergen.
Auf der Insel Rügen sind allenthalben viele Zwerge. Es sind deren drei verschiedene Arten, weiße, braune und schwarze. Die weißen und braunen sind gute und thun so leicht Niemandem etwas zu Leide. Die freundlichsten von ihnen sind die weißen. Die schwarzen aber, welche Tausendkünstler sind, taugen nicht viel, sie sind voller Trug und Schalkheit, und man darf ihnen nicht trauen. Alle diese Zwerge halten sich besonders gern in den Bergen der Insel auf. Auch in den neun Bergen bei Rambin sind ihrer viele, aber nur braune, die in sieben, und weiße, die in den zwei anderen Bergen wohnen. Sie führen dort ein lustiges Leben, und haben Musik und das schönste Essen und Trinken vollauf. Sie haben auch viele Menschenkinder bei sich, und sie lieben es, die schönsten Knaben und Mädchen den Leuten zu stehlen, und sie mit in ihre Berge zu nehmen, wo sie ihnen dienen müssen. Sie dürfen sie aber nur bis zu einer gewissen Zeit behalten; denn alle funfzig Jahre müssen sie das herausgeben, was sie bis dahin eingefangen haben. Dabei ist es denn merkwürdig, daß den Kindern, die in den Bergen gesessen haben, diese Zeit nicht voll an ihrem Alter angerechnet wird, und daß Keiner darin älter werden kann, als zwanzig Jahre, und wenn er auch volle funfzig Jahre in den Bergen gesessen hätte.
Wem es glückt, von diesen Zwergen etwas in seine Gewalt zu bekommen, z.B. eine Mütze von ihnen, oder dergleichen, dem müssen sie dienen, und er kann alsdann ein sehr reicher und vornehmer Herr werden. Es hat schon Mancher so sein Glück gemacht, und man hat recht artige Geschichten davon, die hübsch erzählt hat.
E.M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 157-229.
222. Johann Wilde.
Vor vielen Jahren lebte in dem Dorfe Rodenkirchen auf Rügen ein Bauer, Namens Johann Wilde. Der wollte gern reich werden, und fing das auf folgende listige Weise an: Er ging um Mitternacht zu den neun Bergen, nahm eine Branntweinflasche mit und legte sich nieder, als wenn er schwer betrunken wäre. Wie nun die Zwerge aus den neun Bergen hervorkamen, um auf der Oberwelt zu tanzen, da glaubten sie, daß er wirklich betrunken sey, und nahmen sich nicht sonderlich vor ihm in Acht, so daß es ihm glückte, einem von ihnen, ehe derselbe sich dessen versehen konnte, seinen gläsernen Schuh von dem kleinen Fuße zu ziehen. Mit dem lief er eilig zu Hause, wo er ihn sorgfältig verbarg. Die andere Nacht aber ging er zu den neun Bergen zurück, und rief laut hinein: Johann Wilde in Rodenkirchen hat einen schönen gläsernen Schuh; wer kauft ihn? wer kauft ihn? Denn er wußte, daß der Zwerg dann bald kommen würde, um seinen Schuh wieder einzulösen.
Der arme Zwerg mußte nun seinen Fuß so lange bloß tragen, bis er seinen Schuh zurück hatte. Sobald er daher wieder auf die Oberwelt kommen durfte, verkleidete er sich als ein reisender Kaufmann und ging zu Johann Wilde. Dem suchte er den Schuh Anfangs für ein Spottgeld abzukaufen; Johann Wilde pries aber seine Waare an, bis der Kleine ihm zuletzt die Kunst anzauberte, daß er in jeder Furche, die er pflügte, einen Ducaten finde. Dafür gab er den Schuh zurück.
Nun fing der Bauer geschwinde an zu pflügen, und so wie er die erste Scholle gebrochen hatte, sprang ein blanker Dukaten ihm aus der Erde entgegen, und das ging immer so von neuem, so oft er eine neue Furche anfing. Daher machte er denn auch bald ganz kleine Furchen, und er wendete den Pflug so oft um, als er nur eben konnte. Dadurch wurde Johann Wilde in Kurzem ein so reicher Mann, daß er selbst nicht wußte, wie reich er war. Aber es war dies Alles sein Unglück, und er hatte keinen Segen davon. Denn weil er immer des Geldes mehr haben wollte, so pflügte er zuletzt Tag und Nacht und that nichts mehr als pflügen. Das konnten nun zwar seine Pferde wohl aushalten, denn er kaufte sich deren eine große Menge, damit sie immer frische Kräfte hätten, und desto mehr Furchen pflügen könnten; aber er selbst wurde durch die viele Mühe und Arbeit ganz krank und elend; und zuletzt fiel er hinter dem Pfluge hin und war vor Entkräftung plötzlich gestorben.
Seine Frau und Kinder fanden nach seinem Tode einen ungeheuren Schatz von Dukaten vor, davon haben sie sich große Güter gekauft, und sind nachher reiche und vornehme Edelleute geworden.
E.M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 235-240.
223. Fritz Schlagenteufel.
Ich habe schon gesagt, wie Mancher reich und vornehm geworden ist, dem es gelang, von den unterirdischen Zwergen, die auf Rügen hausen, etwas in seine Gewalt zu bekommen. Einen Beweis davon giebt Fritz Schlagenteufel. Der lebte vor vielen Jahren und war ein armer Schäferjunge zu Patzig, eine halbe Meile von der Stadt Bergen. Eines Morgens fand er zwischen den Hühnengräbern, die dort auf der Haide liegen, ein kleines silbernes Glöckchen. Das war von der Mütze eines braunen Zwerges, der es in der Nacht beim Tanze im Mondschein verloren hatte; zu seinem großen Unglück, denn nächst dem Verluste ihrer Mütze selbst, oder ihrer Schuhe, haben die Zwerge keinen schlimmeren Verlust als den des Glöckleins, so sie an der Mütze tragen, und des Spängleins an ihrem Gürtel. Sie können bei solchem Verluste nicht eher schlafen, als bis sie das Verlorne wieder herbeigeschafft haben. Darum grämte sich der arme Zwerg sehr, der das von Fritz Schlagenteufel gefundene Glöcklein verloren hatte. Um sein Unglück aber voll zu machen, durfte er in der ersten Zeit noch nicht wieder aus seinem Berge heraus; denn die Zwerge dürfen nicht immer, sondern nur wenige Tage im Jahre auf die Oberwelt kommen. Als er endlich herauskam, da war sein Erstes, daß er sein verlornes Glöcklein suchte. Er konnte es lange nicht finden; denn Fritz Schlagenteufel war unterdeß von Patzig weggezogen nach Unruh bei Gingst, wo er Schäferknecht geworden war. Endlich kam der Zwerg auch hierher, und sah sein Glöcklein, wie der Schäfer, der auf dem Felde seine Schafe hütete, damit klingelte. Geschwinde verwandelte der Zwerg sich nun in eine alte arme Frau, und suchte dem Schäfer das Glöcklein mit glatten Worten abzuschwatzen. Das wollte ihm aber nicht glücken, denn Fritz Schlagenteufel wollte das schöne, hellklingende Glöcklein nicht von sich geben. Er zog daher zuletzt ein weißes Stäbchen hervor, das er dem Schäfer für sein Glöcklein anbot, dasselbe preisend, daß er damit allerlei Zauberei verrichten könne. Darauf ging Schlagenteufel ein, und der Zwerg bekam das Glöcklein zurück.
Das weiße Stäbchen war wirklich ein Zauberstab, der es machen konnte, daß alles Vieh, so damit getrieben wurde, vier Wochen früher fett ward, und zwei Pfund Wolle mehr trug, als anderes Vieh. Dadurch wurde denn Fritz Schlagenteufel in wenig Jahren der reichste Schäfer auf ganz Rügen, und kaufte sich zuletzt ein Rittergut, nämlich Grabitz bei Rambin, und wurde selbst ein Edelmann. Seine Nachkommenschaft blühet noch.
E.M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 229-235.
224. Der leichte Pflug.
Es war einmal ein Bauer auf der Insel Rügen, der fand, als er eines Morgens zu seinem Felde ging, auf einem steinernen Kreuze, das am Wege stand, einen schönen, blanken Wurm, der immer auf dem Kreuze hin und her lief, als wenn er große Angst hätte, und gern fort wolle und doch nicht könne. Nachdem das der Bauer eine Zeitlang voller Verwunderung angesehen hatte, fiel ihm ein, daß die kleinen Zwerge des Landes, wenn sie zufällig an etwas Geweihtes gerathen, daran festgehalten werden und nicht von der Stelle können. Er dachte also, daß der Wurm ein solcher Zwerg sey, der nicht von dem Kreuze könne, und er hoffte, dadurch sein Glück zu machen. Und so geschah es auch. Denn wie er nun den Wurm einfing, da verwandelte sich der auf der Stelle, und der Bauer hatte wirklich einen kleinen schwarzen Zwerg in der Hand. Der krümmte sich nun gewaltig, und wollte dem Bauern entschlüpfen, und wie er sah, daß das nicht anging, gab er gute Worte und bat jämmerlich um seine Freiheit. Der Bauer aber war klug, und sagte zu ihm: Nur still, du kleiner Gesell; umsonst kommst du nicht los. Ich werde dich nicht eher wieder zu den Deinigen lassen, als bis du mir versprichst, daß du mir einen Pflug machen willst, der so leicht ist, daß ihn auch das kleinste Füllen ziehen kann.
Die schwarzen Zwerge sind böse und tückisch, und gönnen den Menschen nichts. Der Gefangene antwortete daher dem Bauer gar nicht und schwieg mausestill, und dachte, dem Anderen werde die Zeit schon lang werden, und endlich müsse er ihn denn doch wieder frei geben. In dem eigensinnigen, tückischen Schweigen blieb er lange so. Es half selbst nicht, als der Bauer ihn prügelte und geißelte, daß ihm das Blut von dem kleinen Leibe floß. Zuletzt aber, als ihn der Bauer in einen schwarzen eisernen Grapen steckte, und ihn so in eine kalte Kammer setzte, wo der Kleine frieren mußte, daß ihm die Zähne klapperten, kroch er zu Kreuze, und er versprach nun, den Pflug zu liefern. Darauf ließ ihn der Bauer flugs los, denn auch diese bösen schwarzen Zwerge müssen Alles halten, was sie versprochen, und man hat kein Beispiel, daß einer sein Wort gebrochen hätte. Am anderen Morgen stand vor der Thür des Bauern ein schöner eiserner Pflug, der so groß war, wie andere Pflüge, aber so leicht, daß ein Hund oder ein Kind ihn ohne alle Beschwerde ziehen, und das schwerste Land damit pflügen konnte. Dadurch wurde denn der Bauer bald der reichste Mann auf der Insel.
E.M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 241-246.
225. Jochen Schulz.
Es lebte einmal auf Rügen ein Jäger, Jochen Schulz geheißen, der zuletzt als Kirchenvogt zu Barth gestorben ist. Der war bisher immer glücklich auf der Jagd gewesen, konnte aber zu einer Zeit gar nichts mehr treffen, er mochte zielen so richtig und scharf, als er nur konnte. Er dachte gleich, daß das nicht mit rechten Dingen zugehe, aber er konnte nicht hinter den Grund kommen. Da sagte ihm zuletzt eine alte Bettlerfrau, die er im Walde traf, die schwarzen Zwerge hätten ihm gewiß seinen Schuß besprochen, und es gäbe keinen anderen Rath für ihn, als daß er suche, etwas von ihnen in seine Gewalt zu bekommen, wofür sie ihm den Schuß wieder freigeben müßten. Das könne er aber dadurch, wenn er zu einer Stelle im Walde hinschleiche, die sie ihm auch anzeigte, wo die Schwarzen um Mitternacht ihre Tänze hielten, und wenn er eine Hand voll Hagel mitnehme, und den nach ihnen auswerfe, wie man Erbsen ausstreut. Dabei müsse er rufen: Im Namen Gottes, Satan, weiche von mir! Was er dann von den Schwarzen auch nur mit einem Hagelkorn treffe, das müssen sie im Stiche lassen. Also that der Jäger in der nächsten Nacht, und wie er am anderen Morgen nach Sonnenaufgang wieder zu der Stelle ging, um zu sehen, was er getroffen habe, da fand er einen schönen silbernen Gürtel an der Erde liegen, auf dem noch der Fleck von dem Hagelkorn war, mit dem er ihn getroffen hatte. Es dauerte auch nicht lange, so fand sich ein kleiner schwarzer Zwerg ein, dem der Gürtel gehörte. Der mußte dem Jäger viele gute Worte geben und lange mit ihm handeln. Zuletzt wurden sie dahin einig, daß der Jäger sich einen Freischuß ausbedungen hat, damit er zu gewissen Zeiten, wohin er auch schieße, ein Stück Wildpret treffen müsse, auch wenn nichts da sey. Darauf wurde Jochen Schulz der erste Jäger im Lande.
E.M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 251-253.
226. Matthes Pagels.
Nicht weit von dem Dorfe Lanken auf Rügen, in der Nähe der Granitz, wohnte vor Zeiten ein Bauer, Matthes Pagels geheißen, ein böser, betrügerischer Mensch. Der hatte einmal seinem Nachbar das Land abgepflügt, und als dieser ihn verklagte, schwur Pagels durch einen Eid, und brachte auch eine Urkunde bei, daß das Land ihm gehöre, so weit als er gepflügt habe, und noch wohl weiter, so daß sein Nachbar den Prozeß verlor. Pagels war aber ein Hexenmeister, und stand mit den schwarzen Zwergen im Bunde, die nur immer Böses sinnen, und von diesen hatte er auch die falsche Urkunde. Für solche Betrügerei hat den Matthes Pagels schwere Strafe getroffen. Schon während seiner Lebzeit hatte er keine Ruhe, und er mußte jede Nacht, in Wind und Wetter, aus dem Bette heraus, und auf dem abgepflügten Lande umgehen, und zuletzt dort auf eine Buche klettern, wo er zwei Stunden lang stille sitzen und frieren mußte. Das muß er nun auch noch, obgleich er schon über viele hundert Jahre todt ist. Man kann ihn alle Nacht da sehen in einem grauen Rocke und mit einer weißen Mütze auf dem Kopfe. Oft sitzt er auch wie eine schneeweiße Eule auf der Buche und schreit gar jämmerlich. Ein Pferd ist des Nachts nicht an der Stelle vorbei zu bringen.
Die Leute singen auch noch folgendes Lied von ihm und seiner Buche:
Pagels mit de witte Mütz,
Wo koold und hoch ist din Sitz
Up de hoge Bök,
Un up de kruse Eek,
Un achterm hollen Tuun.
Worüm kannst du nich ruhn?
Darüm kann ik nich rasten,
Dat Papier liggt im Kasten,
Un mine arme Seel
Brennt in de lichte Höll!
E.M. Arndt, Märchen u. Jugenderinnerungen, I. S. 249-251.
227. Das unterirdische Wasser zu Rothemühle.
Zwei Meilen von Pasewalk liegt mitten in der Forst auf mehreren kleinern Hügeln das Dörflein Rothemühle. Vor Zeiten stand hier auch eine schöne Mühle. Deren Bewohner sind einst von Räubern überfallen und erschlagen, und weil dabei so erschrecklich viel Blut geflossen ist, hat man das Dorf seitdem Rothemühle genannt. Es kam nachher zwar ein anderer Müller in die Mühle; aber es war nach jenem Ueberfalle ein Poltergeist in die Mühle eingezogen, der keinem Menschen darin Ruhe ließ, so daß bald Niemand mehr darin wohnen wollte, und die Mühle leer und verlassen stand. Darauf verfiel sie mit der Zeit ganz; der Poltergeist aber wollte auch nun nicht aus der Gegend entweichen, und er trieb jetzt den Bach, an dem die Mühle gegangen war, fast ganz in die Hügel hinein, auf denen das Dorf steht, so daß der Bach über der Erde nur noch wenig Wasser behielt, und im Sommer ganz trocken ist. Seitdem treibt der Geist sein Unwesen und Gepolter im Innern der Hügel unter dem Dorfe. Man hört ihn dort oft; bald lautet es dort hohl, als wenn das Dorf auf einer Brücke stände; bald lautet es, wie die dumpfen Schläge einer Münze. Und das Wunderbarste ist, daß jeder, der es hört, des Glaubens wird, er vernehme es gerade unter seinen Füßen. Das ist nicht nur im Dorfe, wo Jeder meint, es sey mitten unter seinem Hause, sondern auch außerhalb desselben meint man es, wenn man auf den Hügeln spazieren geht.
Einige Leute, die sich gewaltig klug dünken, nehmen zwar an, das Klopfen rühre von einem unterirdischen Tropffall her; allein dazu klingt es viel zu laut, und es kommt auch zu langsam, denn man zählt in einer Minute nur kaum vierzig Schläge. Zuweilen hört man es viele Tage lang gar nicht. Daher glauben Andere, die sich für noch weiser halten, daß unter dem Dorfe ein unterirdisches Feuer brenne. Aber dann hätte das Dorf wohl schon längst verbrennen müssen. Das Wahre ist, daß der Poltergeist aus der Mühle dort zum Zeitvertreib allerlei Wasserkünste treibt. Doch kann auch wahr seyn, was einige Leute sagen, nämlich daß in den Bergen ein Förster umgehen und poltern müsse, zur Strafe, daß er gegen die armen Leute, die Holz geholt, im Leben so hart gewesen und ihnen so viele Aexte abgepfändet hat. Im siebenjährigen Kriege soll auch einmal ein russischer Offizier nach Rothemühl gekommen seyn, der hat sich Alles genau gemerkt, und gesagt, sein Vater habe dort in einem großen Kriege mit seinem Regimente gestanden, und, als der Feind ihn zum Rückzuge genöthigt, hier die Kriegskasse vergraben. Der Offizier hat aber von dem Gelde nichts wieder finden können.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
Baltische Studien, V. 1. S. 161.
Mündlich.
228. Die Bergschlange im Bauerberge bei Wolgast.
Zwischen den Städten Wolgast und Lassahn, bei dem Dorfe Bauer, befindet sich eine Anhöhe, welche der Bauerberg heißt. In diesem Berge hält sich seit ewigen Zeiten eine ungeheuer große Schlange auf, die von den Leuten in der Gegend die alte große Bergschlange genannt wird. Die ist ein großer Schrecken für die ganze Gegend; denn wenn sie sich sehen läßt, so entsteht ganz sicher irgend ein Unglück in der Nähe; entweder ein unvermutheter Todesfall, oder eine Feuersbrunst, oder eine große Dürre, daß keine Saat und keine Frucht gedeihet. Und wer sie sieht, den trifft es selbst am meisten. Zuletzt hat sie eine Bauerfrau gesehen. Das war noch vor wenigen Jahren, nämlich im Jahre 1817. Am Tage darauf, das war der vierzehnte Junius des genannten Jahres an einem Sonnabend, entstand auf einmal des Nachmittags eine erschreckliche Feuersbrunst im Dorfe Bauer, welche in wenigen Augenblicken zwei und dreißig Wohnhäuser in Asche legte. Das Wunderbarste und Schrecklichste dabei war, daß die Frau, welche die alte große Bergschlange gesehen hatte, auf eine gräßliche Weise in dem Feuer verbrannte.
Greifswalder wöchentlicher Anzeiger für 1818, Nro. 32.
229. Die beiden Lindwürmer.
Vor langen Jahren haben sich einmal in Pommern zwei gräulich große Lindwürmer aufgehalten, welche von den Leuten auch Hasselwürmer genannt wurden. Einer davon hat seinen Sitz gehabt in dem Holze bei Lassahn, der andere in der Peenemünder Haide. Aus ihren großen Rachen und aus ihren Schwänzen haben sie Feuer und Schwefel gesprühet, und die ganze Gegend haben sie durch grausame Räubereien an Menschen und Vieh in Schrecken und Angst gehalten. Zuweilen hat es sich begeben, daß sie auf ihren Raubzügen einander begegneten; dann ist unter ihnen ein fürchterlicher Kampf entstanden, daß aus ihren Schwänzen ganze Feuerflammen geflogen sind, und die Erde weit umher gezittert und gebebt hat.
Nachdem sie lange Zeit viel Unheil angerichtet, thaten sich zuletzt die tapferen Männer der Gegend zusammen, und zündeten eines Tages von allen Seiten das Schilf an, worin das Ungeheuer bei Lassahn verborgen lag und gerade seinen Mittagsschlaf hielt. Auf solche Weise gelang es ihnen, dasselbe zu vertilgen. Es erhob dabei aber ein so fürchterliches Geschrei, daß der andere Lindwurm auf der Peenemünder Haide es hörte, und nun sofort unter großem Klage- und Angstgeschrei die Flucht ergriff. Er warf sich in die See, wo man sein Heulen in immer weiterer Entfernung hörte, bis er zuletzt ganz verschwand. Einige sagen, er sey nach Schweden hinübergeschwommen; Andere meinen, er sey in der Ostsee umgekommen.
Mündlich.
230. Der Jungfernberg zu Rankwitz.
Bei Rankwitz auf Usedom liegt ein Berg, den man den Jungfernberg nennt. Den Namen hat er davon erhalten, daß einmal vier Jungfrauen in dem Dorfe gelebt haben, die von einer solchen Tanzlust besessen gewesen, daß sie des Sonntags, anstatt nach der Kirche zu gehen, auf diesem Berge fort und fort getanzt haben. Dafür hat sie denn Gott gestraft, »indem er sie unter diesen Berg begraben hat«.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
231. Der alte Mann im Gollenberge.
Daß es in dem Inneren des Gollenberges gar sonderbar aussehen muß, hat man schon seit uralten Zeiten gewußt, obgleich Keiner recht genaue Kunde davon zu geben vermag. Nur ein Schäfer hat vor vielen Jahren Folgendes erlebt. Derselbe hütete eines Tages seine Schafe an dem Fuße des Berges, und war, weil es ein warmer Sommertag war, um die Mittagszeit unter einem Baume eingeschlafen. Auf einmal wurde er wach von dem Bellen seines Hundes, den er in das Gebüsch hineinlaufen sah. Er glaubte, es sey ihm ein Schaf gestohlen, und der Dieb damit in den Busch gelaufen. Er eilte daher seinem Hunde nach, der immer weiter lief. Zuletzt stand dieser vor einem großen Steine still, und kratzte und scharrte an demselben, wobei er fortwährend laut heulte. Dem Schäfer fiel dies auf, und er wurde neugierig, zu wissen, was der Hund haben möge. Er wälzte deshalb den Stein auf die Seite, und nun sah er eine große Oeffnung, die der Stein bedeckt hatte, und unter derselben ein tief in die Erde hineingehendes altes Gemäuer. In dieses stieg er hinein, und kam an einen schmalen Gang, der in den Gollenberg hineinging und immer schmaler wurde. Der Schäfer ging ihn zu Ende, wohl eine ganze Stunde lang, bis er zuletzt an eine große eiserne Thür kam. Als er mit seinem Schäferstab an dieselbe stieß, fiel sie wie Staub auseinander, und er stand jetzt in einem großen und hohen Gemache, in welchem rund herum alte Waffen und Gemälde hingen. Auch die waren aber so alt, daß bei der geringsten Berührung Alles in Staub zerfiel. An dem Gemache war eine zweite Thür, der Schäfer stieß sie ebenfalls ein, und kam nun in ein anderes Gemach; in diesem saß an einem Tische ein ganz alter, alter Mann, in einer Kleidung, wie sie der Schäfer noch nie gesehen hatte; vor ihm lag Feder und Papier, auf dem Papier war noch etwas geschrieben, was man aber nicht mehr lesen konnte. Als der Hirt näher herantrat, fiel von der Erschütterung des Gehens Alles in Staub. Er ging darauf weiter durch eine dritte Thür, die er, wie die vorigen, mit seinem Stocke einstieß. Und nun war er auf einmal in einem großen Saale, der voller Schätze lag. Er sah hier ganze Haufen von goldenen und silbernen Geräthen; Säcke mit Gold- und Silbergelde standen in Reihen umher, und Perlen und Edelsteine lagen dazwischen. Da griff er mit beiden Händen zu, und steckte zu sich, so viel er zu fassen vermochte. Damit lief er zurück, so eilig er konnte. – Als er nachher wieder hin wollte, war Alles verschwunden; er konnte nicht einmal den Stein wieder finden, unter welchem der Eingang gewesen war.
Mündlich.
232. Die vier Eichen bei Stolzenburg.
In der Forst bei Stolzenburg zwischen Stettin und Uekermünde standen früher vier Eichen, die von ganz besonderem Holze gegen die anderen Eichen, auch viel kleiner und dünner waren, obgleich sie eben so lange standen, als die ältesten Eichen in der Forst. Man erzählt sich, daß vor Zeiten einmal ein Förster unter diesen vier Bäumen einen Wilddieb getroffen, den er hat gefangen nehmen wollen. Der Dieb hat sich aber zur Wehre gesetzt, und Beide haben zuletzt zu gleicher Zeit auf einander geschossen, jeder auch seinen Feind getroffen, so daß sie Beide, tödtlich verwundet, zur Erde gefallen sind. Wie sie da nun sterbend liegen, da erkannten sie einander, daß sie Brüder sind, die sich seit vielen Jahren nicht gesehen hatten, und sie verfluchten die Stelle, wo der doppelte Brudermord geschehen ist. Von der Zeit an haben die vier Eichen um keinen Zoll breit mehr wachsen wollen. Eine davon ist vor einigen Jahren gefällt; die drei anderen stehen aber noch.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 95-101.
233. Der Teufelsdamm im Galenbecker See.
Auf der Grenze zwischen Pommern und Mecklenburg liegt der Galenbecker See. In diesem sieht man die Ueberbleibsel eines ungeheuren, nicht ganz fertig gewordenen Dammes, der gerade mitten durch den See geht. Dieser Damm heißt der Teufelsdamm, und man erzählt sich über seine Entstehung Folgendes: Vor Zeiten lebte in der Gegend ein Schäfer, der mußte alle Morgen seine Heerde fast rund um den See auf die Weide treiben, und eben so mußte er auch einen solchen Umweg machen, wenn er sie des Abends in den Stall zurücktrieb. Das verdroß den Schäfer, und er wünschte sich manchmal im Stillen und laut, daß doch durch den See ein Damm gehen möge, auf dem er geraden Weges seine Schaafe treiben könne.
Eines Abends, als er mit seiner Heerde zu Hause zurückkehrte, und es ein wüstes Wetter war, verspätete er sich so, daß es fast Mitternacht wurde, wie er noch immer an dem See war. Als er nun wiederum seiner gewohnten Weise nach den Umweg verwünschte, den er nehmen mußte, da trat auf einmal ein Wandersmann an ihn heran, der hörte mit stillem Lachen seinen Klagen zu, und sagte dann: Da wäre zu helfen. Einen Damm durch den See baue ich dir wohl leicht, wenn dir so viel daran gelegen ist; du mußt mir nur versprechen, daß du dafür auf immer mein eigen seyn willst. Das kann dir ja nichts verschlagen, denn ich bin selbst nur ein einfältiger Hirte wie du, und wenn du mir eigen bist, so bin ich ja auch dein.
Solchen gewagten und arglistigen Reden hörte der Hirt wohl an, mit wem er es zu thun habe, und daß es der Teufel sey. Anfangs übernahm ihn die Angst, bald aber faßte er sich ein Herz, und er antwortete: Kamerad, das soll ein Wort seyn, was du da sagst, aber unter der Bedingung, daß der Damm vor dem ersten Hahnenrufe fix und fertig ist. Das sagte ihm der Teufel zu, und der Schäfer mußte nun auf Befehl des Teufels ein junges schwarzes Lamm schlachten. Von dem trank der Teufel das warme Blut auf. Währenddeß schlug die Thurmglocke in dem nahen Dorfe Mitternacht. Auf einmal erhob sich in dem Walde, der den See umgab, ein fürchterliches Brausen des Sturmes, und nun sah der Schäfer, wie der Teufel in dem Sturme hin und her flog, und die größten Eichen anpackte und aus der Erde riß, wie man Unkraut ausjätet, und sie in den See hineinwarf, eine neben der andern und übereinander, so daß sie sich zu einem breiten, hohen Damm zusammenfügten, der immer größer wurde, und dem anderen Ufer des Sees sich immer mehr näherte.
Der Schäfer, als er den Pakt einging, hatte in seinem Sinne gedacht, der Teufel werde in einer Nacht mit dem Damme unmöglich fertig werden. Als er aber jetzt sah, wie geschwinde das Werk dem Bösen von der Hand ging, da gerieth er in große Angst; doch, klug wie er war, besann er sich auf eine List, und er fing an zu krähen, wie ein Hahn, damit der Teufel glauben solle, der Hahn habe wirklich gekrähet, und solle seine Arbeit fallen lassen, bevor sie fertig sey. Aber der Teufel merkte die List, und sagte lachend zu ihm:
Die
Stimme kenne ich, Schäfer;
der
Hahn verdirbt mir mein Werk noch nicht. Und nun arbeitete er nur desto emsiger weiter, daß der Damm schon bald fertig war, und dem Schäfer immer banger wurde. Der besann sich vergebens auf ein anderes Mittel, den Klauen des Satans zu entgehen. Es wollte ihm nichts einfallen. Da fing er zuletzt in seiner Todesangst so laut und schreiend an zu krähen, daß es natürlich lautete, als wenn ein Hahn den regnenden Morgen ankündigt. Und der Teufel glaubte, das sey ein wirklicher Hahn, der gekrähet. Er rief: das ist der rothe Hahn, und warf zornig den Baum, den er gerade gefaßt hatte, mitten in den See hinein und verschwand eilig unter Blitz und Donner.
Andere sagen, dies letzte Krähen sey von der Mutter des Schäfers geschehen, welcher sich dieser in seiner Angst entdeckt, und welcher es, weil sie eine sehr gottesfürchtige Frau gewesen, gelungen sey, den Teufel zu bethören.
Der Damm, welcher auf solche Weise nicht fertig geworden, geht wie eine schmale Landzunge in den See hinein.
Freyberg, Pommersche Sagen, S. 70-74.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
234. Der Teufelsdamm im Naugarder See.
Wenn das Wasser in dem See bei Naugard ruhig ist, so sieht man darin einen Damm, der bis gerade in die Mitte des Sees hineingeht. Derselbe soll auf folgende Weise entstanden seyn. Es lebte vor Zeiten einmal in der Gegend ein Schäfer, der mit dem Teufel einen Contrakt gemacht hatte, daß dieser einen Damm durch den ganzen See bauen sollte. Der Schäfer mußte dem Teufel dafür eins von seinen Kindern versprechen. Er mußte den Damm aber in einer einzigen Nacht fertig machen, und der Contrakt sollte nicht gelten, wenn er ihn vor dem ersten Hahnenschrei nicht ganz fertig hatte.
Wie nun aber der Schäfer zu Hause kam, da überfiel ihn eine große Angst, und er gestand seiner Frau, was er gethan hatte. Diese besann sich nun geschwinde auf eine List, und sie ging, ehe der Tag graute, in den Hühnerstall und reizte den Hahn, daß er krähen mußte. Der Teufel hatte damals den Damm erst gerade bis auf die Hälfte fertig, und mußte deshalb mit Schimpf abziehen.
Mündlich.
235. Die Schätze in Greifswald.
In der Stadt Greifswald, und zwar besonders in dem Theile, welcher der Schuhhagen genannt wird, und welcher der älteste Theil der Stadt ist, sollen viele Schätze verborgen liegen, von denen man sich Allerlei erzählt. Unter Anderem kam vor noch nicht langer Zeit zu einer Frau in der langen Fuhrstraße drei Nächte hintereinander ein kleines Männchen, den die Leute einen Glücksboten aus der Unterwelt nennen, und forderte von ihr, daß sie in den Schuhhagen gehen solle, wo sie an einer Stelle, die er ihr bezeichnete, einen großen Schatz finden werde. Anfangs wollte die Frau nicht. In der dritten Nacht aber entschloß sie sich hinzugehen, weil auch ihr Mann ihr viel zuredete. Als sie an die bezeichnete Stelle kam, fand sie aber nichts als einen großen Kehrichthaufen von Bohnenranken, Hobelspähnen und dergleichen. Darüber ärgerte sie sich sehr, und nur um ihrem Manne zu zeigen, daß er sein Zureden hätte sparen können, nahm sie eine Bohnenranke und einige Hobelspähne mit sich. Die warf sie, als sie wieder zu Hause gekommen war, ihrem Manne in die Werkstätte mit den Worten: Da hast du den Juks! Aber wie verwunderten sich die guten Leute, als sie näher die Sachen besahen, und nun auf einmal entdeckten, daß die Bohnenranke eine schwere goldene Kette, und die Hobelspähne lauter silberne Löffel waren. Die Frau lief nun zwar geschwinde noch einmal in den Schuhhagen; aber sie konnte von dem Kehrichthaufen nichts wieder auffinden.
Ein solcher Glücksbote kam auch zu einer anderen Frau, indem er ihr eine Stelle im Schuhhagen anzeigte, wo sie einen Schatz finden werde, der nur eine Handbreit mit Erde bedeckt sey. Weil die Frau gerade in Wochen lag, so theilte sie ihrem Manne die Botschaft des Glücksboten mit. Der ging denn auch zu der angezeigten Stelle; wie er aber da nichts als einen Korb mit Fischschuppen fand, so wurde er ärgerlich, und nahm davon eine Handvoll, die er seiner Frau mit den Worten auf das Bette warf: da ist der Schatz! In dem Augenblicke aber sah er, daß die Fischschuppen lauter blanke Thaler waren. Auch er ging nun zwar noch einmal zu der Stelle, er fand aber nichts mehr dort.
Mündlich.
236. Der Grenzwächter.
Zu einer Zeit war großer Streit zwischen den Mecklenburgern und Pommern über die rechte Landesgrenze. Man hatte seit Jahren nicht mehr auf sie geachtet, und die ältesten Leute wußten sich nicht zu erinnern, wo sie herging. Da kam zuletzt ein ganz alter Förster, der zeigte sie an, und sagte sonder allem Zweifel: hier ist sie gewesen. Man verwunderte sich zwar, woher der Mann das so genau wissen könne; allein man glaubte ihm, nachdem er einen Eid für die Wahrheit seiner Worte geschworen hatte. Dieser Förster war aber von den Mecklenburgern mit Gelde bestochen, daß er zu ihren Gunsten aussagen mußte. Dafür traf ihn denn alsbald die gerechte Strafe. Er verfiel noch desselbigen Tages, da er geschworen, in Wahnsinn und starb eines jämmerlichen Todes. Seitdem muß er nun jede Nacht, wie ein feuriger Grenzwächter, an der Grenze auf und ab irren.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 75-77.
237. Der Feuerkönig auf dem Seegrunder See.
Zwischen Stettin und Uekermünde liegt der Seegrunder See. In diesem hauset ein wildes Gespenst, welches das Volk den Feuerkönig nennt. Denn er kommt, jedesmal wenn es Sturm geben soll, plötzlich in einem kleinen, leichten Kahne auf den Wellen des Sees daher geschifft, eine feurige Krone auf dem Kopfe, in einer feurigen Rüstung und mit einem glühenden Schwerte in der Hand; um seine Schultern fliegt ein blutrother Mantel. Man sieht ihn oft so, und es ist gefährlich, sich ihm zu nahen. Einst hat dies ein Fischer gewagt, obgleich seine Kameraden ihm abgerathen haben; er hat den Feuerkönig fragen wollen, warum er denn immer komme, den Sturm zu verkünden. Aber am anderen Morgen hat man ihn in seinem Kahne todt gefunden.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 1-5.
238. Der Strand zwischen Swine und Dievenow.
Auf dem Strande zwischen der Swine und der Dievenow ist es von alten Zeiten her nicht geheuer gewesen, und man hat schon allerlei wunderliche Gestalten dort gesehen. So hatte um das Jahr 1500 der Herzog Bogislav seinem Kanzler Jürgen Kleist das Amt zu Usedom eingethan, worauf dieser oft über die Swine ziehen mußte. Als er nun auch einmal in der Nacht des Weges fuhr, und von der Swine nach der Dievenow zurückkehren wollte, da ist ihm eine sehr seltsame Geschichte widerfahren. Es wurde nämlich der Himmel plötzlich finster, und es ward so dunkele Nacht, daß man weder Sterne noch Menschen sehen konnte, und Jürgen Kleist und seine Diener nicht mehr wußten, wo hinaus sie sollten. Da hörten sie auf einmal auf der Seite eine Stimme, die rief: hierher! hierher! Derselben wollten die Knechte folgen, aber der Kanzler verbot ihnen das, denn er wußte wohl, daß in der Nacht allerlei Teufelsgespenst herum zu wanken pflegt. Er befahl ihnen daher, in demselben Wege weiter fahren, in dem sie einmal waren. Die Stimme schrie unterdeß immer heftiger: hierher, hierher! und wie man nicht darauf hörte, da kam ein feuriger Mann daher, der ganz nackt war bis auf einen feurigen Mantel, den er umgehangen hatte. Derselbe machte sich dicht an den Wagen, griff die Lehne an, und lief also neben dem Wagen her. Er sagte kein Wort und sah nur den Jürgen Kleist ohne Unterlaß starr und heftig an. Zuweilen schlug er seinen feurigen Mantel auseinander, dann konnte man ihm in den Leib hineinsehen, und es sah darin aus, als wenn Rippen und Alles wie höllisches Feuer wären. In dem Laufen wurde das Gespenst immer größer und größer, daß es zuletzt mit dem Kopfe bis an den Himmel reichte. Auf die Länge, da ihm Niemand ein Wort sagte, ließ es von dem Wagen ab, und schlug seinen Mantel ganz auf; und nun schüttete es aus demselben große Flammen heraus, wie aus einem brennenden Meiler; dann gab es ein großes, tiefes Grunzen von sich, und darauf verschwand es. Jürgen Kleist und seine Knechte waren so erschrocken geworden, daß sie es in vielen Tagen nicht verwinden konnten. Ein Hund, der bei dem Wagen war, hat sich über das Gespenst so gefürchtet, daß er vor Angst zwischen die Räder gelaufen ist, und geheult und gewinselt hat, als sollte er sterben. Dieses, sagt man, sey dem Kanzler begegnet, weil er nicht an das Fegefeuer hat glauben wollen, und habe ihn unser Herr Gott durch das Gesicht bekehren wollen. Andere meinen, es sey ihm zur Warnung und zum Zeichen gewesen, weil er viele Unpflicht im Lande aufgebracht habe. –
Ein ähnliches Abenteuer hatte ein andermal der Edelmann Jacob Flemming an derselben Stelle. Dieser reisete auch einmal im Finstern am Strande zwischen der Swine und Dievenow. Da fingen auf einmal den Knechten die Peitschen an zu brennen, und wie sie das Feuer abschlugen, so flog es in den Wagen hinein, in welchem Jacob Flemming saß, und lief darin umher. Deß erschrak ein Knabe, der vorn im Wagen saß, dermaßen, daß er unter den Wagen fiel. In demselben Augenblicke kam auch eine große feurige Kugel, die ebenfalls unter den Wagen fiel. Und als nun nach dieser die Knechte stechen wollten, da hätten sie schier den armen Knaben erstochen, wenn er nicht früh genug aufgeschrien hätte. Diesem Jacob Flemming soll das zur Strafe geschehen seyn, denn er hat greulich geflucht, und wenn er Jemandem böse wurde, so hat er ihm angewünscht: dir soll Unglück bestehen.
Kantzow, Pomerania, II. S. 277-279.
Cramer, Gr. Pomm. Kirchen-Chron. III. S. 12.
v. Klempzen, vom Pommerlande, S. 184. 185.
239. Die drei Lichter am H. Drei-Königs-Abend.
Auf dem Lande zu Usedom liegt ein klein beflossen Ländchen, Görmitz oder Görms geheißen. Darauf hat sich in früheren Zeiten alle Jahre ein gar seltsam Ding begeben. Auf den heiligen Drei-Königs-Abend nämlich sind in der Nacht drei Lichter wie Feuerblasen aus dem salzigen Meere und aus dem frischen Haffe gekommen und lange in der Luft herumgeschwebt, bis sie zuletzt an einem Dornbusche in der Nähe des Dorfes Neuendorf zusammengekommen. Alsdann haben sie daselbst gesprungen und getanzt, als erfreuten sie sich überaus sehr, bis sie zuletzt in den Dornbusch hineingegangen und darin verschwunden sind. Was dies gewesen ist, mag unser Herr Gott wissen; aber es ist wundersam, daß es immer gerade auf
den
Abend geschah, und sonst auf keine andere Zeit. Seit die evangelische Lehre in das Land gekommen, sollen die drei Lichter sich nicht mehr sehen lassen, obgleich Einige meinen, man könne sie noch zu Zeiten erblicken.
Th. Kantzow's Handschriften, Fragm. 3. S. 672. (Mitgetheilt vom Herrn Professor Böhmer zu Stettin.)
240. Der Schimmelreiter bei Pasewalk.
Bei Pasewalk liegen tiefe Wiesengründe, die Hellen genannt. In denselben sieht man Nacht für Nacht, bis der Morgen grauet, auf einem schneeweißen Schimmel einen schwarzen Reiter ohne Kopf auf und ab jagen. Dieser Reiter ist im dreißigjährigen Kriege ein großer Kriegsheld gewesen, der aber sehr viele Grausamkeiten und Unthaten ausgeübt hat. Dafür muß er nun jede Nacht ohne Kopf herumjagen, und er hat nicht eher Ruhe, als bis sein Grab, das Niemand kennt, entdeckt wird, und ein frommer Mann an demselben für seine Erlösung betet.
Vgl. Freyberg, Pommersche Sagen, S. 23-25.
241. Der Mann ohne Kopf in Pyritz.
Ein Theil der Stadt Pyritz heißt das Mönchsviertel; darin hat in alten Zeiten ein Nonnenkloster gestanden, da wo noch jetzt das alte Schulhaus liegt. Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges sollen noch Nonnen in dem Kloster gewesen seyn. Nach diesem Kloster sieht man in jeder Sylvesternacht vom Kirchhofe der Stadt aus in einem Wagen einen großen Mann fahren, der keinen Kopf hat. Die Pferde vor seinem Wagen sind eben so ohne Kopf. Hiervon sprechen die Leute allerlei. Einige sagen, der Mann sey ein Verwandter einer Nonne, die im Kloster gewesen sey, und die er alle Jahre einmal zu besuchen komme. Andere meinen, der Mann sey ein Liebhaber der Nonne gewesen. Die Meisten erzählen sich aber folgende Geschichte: Vor alten Zeiten hat in der Gegend ein boshafter und habsüchtiger Mann gelebt, dem seine Schwester hinderlich gewesen, eine große Erbschaft zu machen. Er hat sie deshalb heimlich und mit Gewalt in das Kloster bringen lassen, wo sie hat Nonne werden müssen, und zu den Leuten hat er gesagt, sie sey gestorben. Erst auf seinem Sterbebette hat er seine Missethat entdeckt, und nun ein großes Verlangen gehabt, seine Schwester nur noch einmal zu sehen. Dazu ist er aber nicht mehr gekommen, denn er ist gleich darauf gestorben. Zur Strafe hat er nun im Grabe keine Ruhe, und er muß alle Jahre einmal ohne Kopf auf einem glühenden Wagen nach dem Kloster fahren.
Mündlich.
242. Der Spuck auf der Brücke zu Pyritz.
Auf dem Wege von Pyritz nach Stargard liegt eine steinerne Brücke, auf der man oft ein seltsames Gespenst sieht. Im siebenjährigen Kriege nämlich, als die Russen in diese Gegend kamen, war dort ein alter Mann, der mit seinem kleinen Sohne vor dem Feinde zur Stadt flüchten wollte. Gerade auf dieser Brücke aber wurde er von den Russen überfallen und sammt seinem Kinde erschlagen. Diesen alten Mann nun sieht man des Nachts an der Brücke. Er steht mitten auf derselben, sein todtes Kind im Arme, beide in hellgrauem Zeuge, auf dem man viele Blutflecken sieht. Noch vor wenigen Jahren hat ihn ein Bauer aus Bresen gesehen. Dieser kam in der Nacht des Weges, um Korn nach der Stadt zu fahren. Als er an die Brücke kam, blieben auf einmal seine Pferde stehen und wollten mit aller Gewalt nicht hinüber. Der Bauer stieg daher zuletzt vom Wagen, und faßte die Pferde am Zügel, während seine Knechte auf die Thiere losschlagen mußten. So gelang es endlich, die Thiere, die vor Angst am ganzen Leibe zitterten und schwitzten, in Bewegung zu setzen. Kaum war dies aber geschehen, als sie mit solcher Gewalt sich losrissen und davon flogen, daß der Bauer und seine Knechte sie erst vor dem Thore der Stadt Pyritz wieder fanden. Als die Leute bei dieser Gelegenheit sich umsahen, haben sie das Gespenst erblickt.
Mündlich.
243. Der Teufel in Greifenberg.
Es ist schon länger als zweihundert Jahre her, als in der Stadt Greifenberg ein armer Knabe lebte, eines Kammerherrn Sohn, dem schon in seinem sechsten Jahre seine beiden Eltern gestorben waren. Es hatte ihn nach deren Tode seines Vaters Schwester-Mann zu sich genommen; der war aber sehr hart gegen den Knaben, weil er ihn ernähren, kleiden und zur Schule halten mußte, ohne dafür Kostgeld zu bekommen; und wie das Kind kaum eilf Jahre alt war, da jagte er es unbarmherziger Weise von sich und hieß es gehen, wohin es wolle. Der arme Knabe verließ darauf die Stadt und nahm sich vor, gen Danzig zu gehen, wo noch Freundschaft seiner Mutter wohnte. Er versprach sich aber auch davon wenig, da er so sehr hart von den Menschen bis jetzt war behandelt worden. In solchen traurigen Gedanken ging er weiter, und beachtete es nicht, daß er in die Irre gerathen war. Wie er nun einmal in der Freitag-Nacht ganz verlassen da lag, so trat auf einmal der böse Feind in der Gestalt eines schwarzen Mannes zu ihm, und beredete ihn, daß er nach zwölf Jahren sein eigen seyn und ihm darüber eine Handschrift mit seinem Blute geben wolle, wogegen er ihm versprach, daß er ihm in dieser Zeit allenthalben, wo er es nur begehrte, die Schlösser eröffnen, ihm auch sonst Geld genug verschaffen werde. Der Knabe erschrak zwar Anfangs und konnte sich nicht entschließen, aber der Teufel ließ ihm keine Ruhe, brachte auch gleich Papier und Feder hervor, und hieß ihm, sich in den Mittelfinger der rechten Hand zu schneiden, das Blut in die Feder laufen zu lassen und also zu schreiben. Das that der Knabe, und das Blut, sobald er die Feder voll hatte, fing von selbst an, sich zu stillen, daß es ihn am Schreiben nicht hinderte. Also schrieb er die Handschrift, acht Zeilen groß, mit solchen Worten, daß er seinen Gott verschwor, dagegen Alles bekomme, was er begehre; daß er davon nicht zurückkehren könne, sondern nach zwölf Jahren dem Teufel eigen sey mit Leib und Seele. Darauf stellte ihm der Teufel ein Buch zu, worin allerlei gehörnte Thiere roth abgemalt und hebräische Buchstaben geschrieben waren, und sagte ihm dabei, wenn er dieses Buch bei sich habe, so sey es eben so viel, als wenn er, der Teufel selber, bei ihm wäre. Der Satan verschwand hierauf, der Knabe aber wurde noch dieselbe Nacht bis nach Oliva und Danzig geführt. Von nun an zog er viel in der Welt umher und lebte gut, da ihm der Teufel immer Geld, wenn auch nur in lauter halben Groschen, verschaffte. Nur mußte er auf Befehl seines Meisters stets in zerrissenen Kleidern umhergehen, sich auch der Schule, Kirche und des Gebets enthalten; und wenn er ja vor der Mahlzeit ein mal ein Gebet hatte sprechen müssen, so mußte er alle Speise, so durch dieses Gebet gesegnet war, wieder von sich brechen.
Solches Leben trieb er an fünftehalb Jahre; da kam er eines Tages nach Greifenberg zurück, und der Teufel sagte ihm, er solle die Nacht in ein Haus gehen, und sich allda Geld holen. Das that der Knabe, und jener öffnete ihm die verschlossenen Spinde und Comtore und übergab ihm vieles Geld, so darin lag. Darüber wurde das verführte Kind aber ergriffen und von der Obrigkeit eingezogen.
Nachdem er nun hier Alles ausgesagt, was der Teufel für Händel mit ihm betrieben, hat man ihn dem Geistlichen der Stadt, Magister Dionysius Friedeborn, einem überaus gelehrten Theologen, und dessen Collegen Magister Balthasar Simon, übergeben; die haben ihn täglich besucht und ermahnt, auf den Kanzeln für ihn gebetet, und sich viele Mühe gegeben, ihn aus des Teufels Stricken und Banden zu erretten. Dem widersetzte sich der Teufel mit aller seiner Macht, also daß er das Kind jetzt leibhaftig besaß und schreckliche Worte aus ihm redete. Der arme Knabe verzweifelte darüber an Gottes Gnade; doch nahmen die geistlichen Herren sich seiner so gewissenhaft an, und leisteten dem Teufel so tapferen Widerstand, daß er zuletzt begehrte, er wolle in die Kirche gehen, darin öffentlich beichten und sich das heilige Sacrament reichen lassen. Das hat er denn gethan an einem Sonnabend Morgen, im Beiseyn vieler Zeugen, wiewohl mit großer Angst, und mit Zittern und Schweiß.
Allein dies konnte ihm noch nicht helfen; denn nun erschien in der darauf folgenden Nacht der Teufel vor ihm und schalt ihn entsetzlich, und forderte das Buch von ihm zurück, so er ihm vor fünf Jahren gegeben. Das hatte der Knabe nicht, denn er hatte es weit weg vergraben, und deshalb drohete er ihm, er solle seine Handschrift nicht eher zurück haben, als bis das Buch wieder herbeischaffte. Dabei quälte und ängstigte er den Armen entsetzlich, also daß alle Gebete der Geistlichen ihn nicht aufrichten konnten. Endlich brachte man ihn in die Kirche; allda mußte er eifrig beten, die Predigt anhören, und alsdann, nach vorhergehendem öffentlichen Gebet, knieend vor dem Altare, seine Handschrift widerrufen, aufs Neue dem Teufel mit allen seinen Werken und Wesen entsagen, den christlichen Glauben ganz nachsprechen, und darauf zum Tische des Herrn gehen. Sodann rief die ganze christliche Gemeine Gott an, daß der Teufel durch dessen Gnade und Allmacht gezwungen werde, die Handschrift dem Knaben wieder zu bringen, damit er öffentlich zu Schanden gemacht werde. Solches wirkte denn auch soviel, daß der Teufel in der nächsten Nacht, nach eilf Uhr, mit einem gräulichen Brausen zu dem Knaben kam, und ihm seine Handschrift vor den Kopf warf, mit diesen Worten: Ich bin deinethalben genugsam darum geschoren!
Von der Zeit an ist der Knabe von dem bösen Feinde befreiet geblieben; die Obrigkeit hat ihn auf freien Fuß gesetzt, und er hat sich so wohl gehalten, daß er unter der Kaiserlichen Armee mit Ruhm eine Corporalschaft bedient hat. Solches ist geschehen im Jahre 1624.
Micrälius, Altes Pommerland, II. S. 107-110.
244. Der schußfeste General.
In der Zeit des dreißigjährigen Krieges war in Greifswald ein alter Oesterreichischer General, Namens Perusius, Commandant der Stadt. Die Leute nennen ihn noch den alten General Bruse. Dieser verstand die Kunst, sich gegen Kugeln fest zu machen, und es hatte ihm deshalb in allen Gefechten, die er mitgemacht hatte, Keiner etwas anhaben können. In einem Gefechte mit den Schwedischen wurden einmal mehr als zwanzig Kugeln hintereinander auf ihn abgeschossen, ohne daß sie ihm Schaden thaten. Zuletzt kam aber ein Schwedischer Soldat, der einen geerbten silbernen Knopf in der Tasche hatte. Den ladete er in sein Gewehr, und damit erschoß er den General, denn gegen solche geerbte Knöpfe schützt keine schwarze Kunst. Dies geschah auf dem Rosenthal bei Greifswald, wo der Geist des alten Generals des Nachts noch herumgehen soll.
Mündlich.
245. Der Schwarzkünstler in Eldena.
Vor ungefähr zweihundert Jahren hatte der damalige Hauptmann Champret zu Eldena einen Informator bei seinen Kindern, Namens Christoph Böhm aus Annaberg in Sachsen. Dieser hatte einen kleinen Zaubergeist, der ihm zu gewissen Zeiten als eine schöne Dame unter dem Namen Laureta erschien, und ihm zu Diensten war. Er hatte diesen Geist, als er zu Leipzig studirte, von seinem Stubengesellen in einem zugetrunkenen Glase überkommen, und konnte sich seitdem nicht von ihm trennen.
Anfangs verspürte man nichts davon. Der Informator, der zugleich Candidat der Theologie war, predigte vielmehr in der Kirche zu Wiek öfters und mit vielem Beifall. Zuletzt geschah es aber, daß der älteste Sohn des Hauptmanns, welcher zu Greifswald studirte, mit einigen anderen Studenten herausgekommen war, um nach der Scheibe zu schießen. Dabei war es denn Allen verwunderlich, wie auf einmal Einigen von ihnen die Gewehre besprochen waren, so daß sie gar nicht losgehen wollten. Durch das sonderbare Betragen des Candidaten bekam man alsbald Verdacht auf ihn, dieser Zauberei halben. Der Hauptmann fing daher an, gegen ihn zu inquiriren, und obgleich er zuerst nichts gestehen wollen, mußte er doch zuletzt, nachdem man ihn auf die Tortur gebracht hatte, von dem Pakt, den er mit dem Teufel geschlossen, und von seinem ganzen sündhaften Leben mit dem Geiste ein getreuliches und vollständiges Bekenntniß ablegen. Er wurde hiernächst auf dem Hofplatze zu Eldena enthauptet.
Biederstedt, Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Prediger in Pommern, II. S. 80.
246. Sidonia Borken.
Vor ungefähr zweihundert Jahren lebte einmal in Pommern ein adliges Fräulein aus einem alten und vornehmen Geschlechte, Sidonia von Borke geheißen. Von der sagen die Leute, daß sie eine arge Hexe und Zauberin gewesen sey. Einige behaupten zwar, dies sey nicht wahr, und sie sey unschuldig gewesen, aber es ist doch nicht zu läugnen, daß sie zu Stettin vor dem Thore als Hexe öffentlich verbrannt ist. In ihrer Jugend soll sie ganz ausnehmend schön gewesen seyn, und weil sie auch reich und vornehm war, begab sie sich an den Hof der Herzoge von Pommern zu Wolgast und Stettin. Schon da soll sie angefangen haben zu hexen; denn der Herzog Ernst Ludwig zu Wolgast entbrannte dergestalt in Liebe zu ihr, daß er sie mit aller Gewalt heirathen wollte. Die Stettinschen Fürsten wollten dies aber nicht zugeben, brachten es vielmehr zu Wege, daß der Herzog das schönste Fräulein heirathete, so dazumalen in Deutschland war, nämlich die Prinzessin Hedwig von Braunschweig. Darüber gerieth Sidonia Borken in einen großen Zorn, und sie fuhr in ihren bösen Künsten nun dadurch fort, daß sie die sechs jungen Fürsten, welche in damaliger Zeit zu Stettin waren, und sämmtlich junge Gemahlinnen hatten, also verzauberte, daß sie ohne Erben sterben mußten. Darauf ging sie aus Verdruß in das Jungfrauenkloster zu Marienfließ zwischen Stargard und Freienwalde in Hinterpommern.
Hier soll sie nun einen sehr ärgerlichen, boshaftigen Lebenswandel getrieben haben, und sie hat fast nichts gethan, als sich mit Zauberei abzugeben. Insbesondere hat sie Bekanntschaft gemacht mit einer alten Zauberin, Wolde Albrechts; von dieser hat sie einen kleinen Zaubergeist, Namens Chim, gekauft, der ihr nun zu allen ihren Teufelskünsten geholfen. Derselbe hat für gewöhnlich die Gestalt einer Katze gehabt; er hat aber auch manchmal sich als ein dreibeiniger Hase mit einem weißen Ringe um den Hals gezeigt. Sie hat ihn überall hingeschickt, wenn sie ihre Feinde hat quälen oder ums Leben bringen lassen. So hat sie ihn auch insbesondere einmal nach dem Dorfe Boek gesandt. Dort war ein Prediger, Namens Lüdeke, der hatte öffentlich auf der Kanzel über ihr ärgerliches Leben geschimpft; dafür schickte sie flugs ihren Chim zu ihm, daß er ihm den Hals umdrehen mußte, wovon der arme Mann eines gar schrecklichen und erbärmlichen Todes gestorben ist. Wenn sie nun so Jemanden hat tödten oder martern lassen, dann hat sie sich die Hände gerieben und den Spruch gethan: So krabben und kratzen meine Hunde und Katzen! Auch hatte sie immer grüne Besen kreuzweise unter ihrem Tische liegen, und soll die Gewohnheit gehabt haben, sich drei Donnerstage nach einander in demselben Wasser zu baden. Wenn ihr Gesinde zu Bette gegangen, hat sie sich gewöhnlich hingesetzt, und den Judas-Psalm gebetet. Als ihr Chim auf die Letzt etwas schwach geworden und nicht Alles, was sie gewollt, mehr hat ausführen können, hat sie sich von der Wolde Albrechts deren Geist, welcher Jürgen geheißen, zur Hülfe geben lassen.
Solche Zauberkünste hat sie getrieben, bis sie an die achtzig Jahre ist alt geworden. Da hat man zuerst die Hexereien der Wolde Albrechts entdeckt, und diese hat darauf, als man sie auf der Folterbank peinlich gefragt, auch von der Sidonia Borken Alles bekannt. Man hat sodann auch diese Letztere vor Gericht gezogen. Anfangs hat sie hartnäckig geläugnet und sich für unschuldig erklärt. Zuletzt aber, als man auch sie peinlich gefragt, hat sie alle ihre Gräuelthaten zugestanden, deren dann eine Menge an den Tag gekommen. Sie ist darauf, im Jahre 1620 vor dem Mühlenthore zu Stettin enthauptet und ihr Körper verbrannt worden. Man sagt, daß dabei aus dem Scheiterhaufen eine Elster in die Höhe geflogen sey. Ihre Seele soll man in Gestalt dieses Vogels noch jetzt oft in der Abenddämmerung vor dem Mühlenthore herumfliegen sehen.
Selbst während ihres Hexenprozesses hat sie das Zaubern nicht unterlassen können. So lebten zu damaliger Zeit zwei Herren von Mellenthin, die reiseten eines Tages zwischen Schlötenitz und Schellin; und wie sie dabei über den Prozeß der Sidonia Borken sich unterredeten, erhob sich urplötzlich ein so gräuliches Stürmen und Brausen in der Luft, daß die Pferde vor dem Wagen sich losrissen und davon liefen. Sie wurden erst bei Stargard ganz verschüchtert wiedergefunden.
Das Zauberwesen, wodurch sie die sechs Fürsten zu Stettin, und wahrscheinlich auch deren Gemahlinnen unfruchtbar gemacht, soll sie, ihrem eigenen Geständnisse nach, in ein Schloß festgeschlossen und dann in den See zu Mariafließ versenkt haben. –
Viele Leute halten die Sidonia Borken aber auch noch für ganz unschuldig. Sie soll keifischer und neugieriger Natur gewesen seyn, und dabei abergläubisch, so daß sie sich gern mit alten Wahrsagerinnen abgegeben. Darum habe man denn die unwahren Anklagen gegen sie erhoben, daß sie selbst eine Zauberin sey, welche von ihr nur durch die grausamen Qualen auf der Tortur mittelst Geständnisses bestärkt worden sind.
Dähnert, Pommersche Bibliothek, Bd. 4. St. 7. S. 233-251., Bd. 5. St. 4. S. 127-130., St. 5. S. 426-434.
Ferner alle Pommersche Geschichtschreiter, und
Mündlich.
247. Der unschuldige Hexenmeister.
In dem Dorfe Boltenhagen im Kreise Greifswald lebte einmal ein frommer, kluger Mann, der für einen Hexenmeister gehalten wurde. Er wurde daher an einen Pfahl gebunden, um lebendig verbrannt zu werden. Da sprossen aber auf einmal drei frische grüne Zweige aus dem Pfahle heraus, und nun erkannten alle Leute, daß er unschuldig sey, worauf sie ihn am Leben ließen.
Mündlich.
248. Die verbrannte Hexe zu Hohendorf.
In dem Dorfe Hohendorf im Kreise Greifswald lebte einmal eine Küsterfrau, die eine Hexe war. Sie wußte sich zwar sehr fromm und gottesfürchtig zu stellen, so daß sie die Bibel auswendig wußte und daß der Pfarrer von ihr sagte, sie sey eine seiner andächtigsten Zuhörerinen. Aber ihre Teufelsstreiche kamen zuletzt doch an das Tageslicht, und sie wurde nun zum Feuertode verurtheilt. Da nahm der Prediger, der noch immer an ihre Schuld nicht glauben wollte, mit ihr die Abrede, daß sie nach ihrer Hinrichtung ihm erscheinen solle, wenn sie unschuldig sey als eine Taube, sonst aber als ein Rabe. Nachdem sie nun aber hingerichtet war, da erschien auf einmal dem Prediger ein schwarzer Rabe, der schrie deutlich: Coax, Coax, Gott einmal verschworen, derselbe ewig verloren! Darauf erkannte der Prediger, daß er sich doch geirrt habe, und daß Kirchengehen und Bibellesen allein es nicht thuen.
Mündlich.
249. Die Hexenmütze und der Kreuzdornstock.
In der Stadt Grimmen gab es früher viele Hexen, so wie die Stadt auch noch jetzt in dem Rufe der Hexerei steht. Einstmals sollten daselbst zwei Hexen zu gleicher Zeit verbrannt werden. Die eine davon starb bald, die andere aber konnte gar nicht zu Tode kommen, denn das Feuer des Scheiterhaufens stieß immer von ihr ab, anstatt sie zu ergreifen. Da kam ein Mann mit einem Kreuzdornstocke herbei, mit dem stieß er der Hexe, welche Maria Krüger hieß, eine schwarze Mütze vom Kopfe, die man ihr gelassen hatte. Mit einem Male flog ein schwarzer Rabe von ihr, und nun verbrannte sie augenblicklich.
Mündlich.
250. Das Gespenst zu Hohen-Bünsow.
Zu Weihnachten des Jahres 1687 hat sich in dem Pfarrhause des Dorfes Hohen-Bünsow ein gar sonderbarliches Gespenst eingefunden. Es erschien am ersten Weihnachtstage, als der Pastor nicht zu Hause, sondern zur Verrichtung von Predigten nach Rubkow gereiset war. An dem Abend dieses Tages, wie es etwas finster geworden, und seine Frau und Tochter sich in der Stube mit Singen und Beten beschäftigten, erschien das Gespenst auf einmal an der Stubenthür, und hat bald wie ein Hund gebellt, bald geschrieen wie ein Ziegenbock, bald an der Stubenthür gekratzt und gewaltsam gerissen, um sie zu öffnen. Das hat also lange gedauert, obgleich die Frau und Tochter des Predigers fleißig am Beten verblieben, bis zuletzt die Tochter Muth gefaßt, und an die Thür getreten und mit lauter Stimme ausgerufen: Du Teufel, du höllische Schlange, des Weibes Saamen soll dir den Kopf zertreten! Worauf der Geist von der Stubenthüre gewichen, und zu der Küchenthüre gegangen. In der Küche war die Magd des Pfarrers. Diese hatte Muth, und nahm zwei Stücke Holz, die warf sie nach ihm, so daß sie ins Kreuz zu liegen kamen. Da fuhr er plötzlich durch die verschlossene Hausthüre ab, einen gräulichen Gestank hinter sich zurücklassend. Dabei hat man denn vermerket, daß es der Teufel selbst seyn müsse, denn er hat einen langen Schwanz und einen großen Pferdefuß gehabt. – Man hat das Gespenst nicht wiedergesehen.
Memorabilia Pomeraniae, a.M. Christophoro Pylio, p.
58.
251. Die sieben bunten Mäuse.
Vor langer Zeit lebte zu Pudmin auf Rügen eine Bauernfrau, die hatte sieben Kinder, welches lauter Mädchen waren, das älteste zwölf und das jüngste zwei Jahre alt. Die Kinder waren alle übereins gekleidet, und trugen bunte Röcke und bunte Schürzen und rothe Mützen. Da trug es sich einst auf einen Charfreitag zu, daß die Frau mit ihrem Manne zur Kirche ging, und die sieben Kinder allein zu Hause ließ. Diese waren Anfangs still und fromm. Nun aber hatte die Frau hinter den Ofen einen Beutel mit Nüssen und Aepfeln gestellt, den sie des Nachmittags ihrem kleinen Pathen schenken wollte. Den bekamen die Kinder zu sehen, und darauf war es mit ihrer Ruhe aus. Sie fielen über den Beutel her, und schmauseten Aepfel und Nüsse auf, so viel deren darin waren. Darüber erzürnte sich die Frau, als sie aus der Kirche zurückkam, und sie konnte sich nicht mäßigen, obgleich es am stillen Freitage war, sondern schimpfte die Kinder laut, und weil man kleine Diebe auch wohl Mausemärten zu nennen pflegt, so ging sie in ihrem Zorne so weit, daß sie ausrief: Der Blitz, ich wollte, daß ihr Mausemärten alle zu Mäusen würdet!
Einem solchen schrecklichen Fluche an dem heiligen Tage und gegen die eigenen Kinder folgte aber die Strafe auf dem Fuße nach. Denn kaum hatte sie die Worte gesprochen, so waren auf einmal alle die sieben Kinder in sieben Mäuse verwandelt. Die liefen in der Stube hin und her, mit bunten Leibern und rothen Köpfen, wie die Kinder sich getragen hatten. Da erschrak die Frau sehr, und wußte nicht, was sie in ihrer Angst anfangen solle. Mittlerweile kam der Knecht, und öffnete die Thür, und nun liefen die sieben Mäuse alle auf einmal durch die öffne Thür zur Stube hinaus und aus dem Hause, und immer weiter über das Pudminer Feld und das Günzer Feld und das Schoritzer Feld, und endlich über das Dumsewitzer Feld in einen kleinen Busch hinein. Die Mutter lief ihnen nach und weinte und jammerte, und bat den lieben Gott, daß er ihr doch ihre Kinder wieder geben möge. Aber sie konnte sie nicht einholen. In dem Busche hinter dem Dumsewitzer Felde war ein klarer Teich; auf diesen liefen die sieben Mäuslein zu, und erst an dem Ufer blieben sie stehen, und sahen sich um. Da erblickten sie die Mutter, die ihnen gefolgt war, und nachdem sie die eine Weile angesehen hatten, sprangen sie auf einmal alle Sieben in das Wasser und gingen sogleich unter. – Als die Bauernfrau dieses Unglück sah, da wurde sie vor großem Schreck zu einem Stein, und rührte nicht Hand oder Fuß mehr.
Der Busch, in welchem dieses geschehen ist, heißt seitdem der Mäusewinkel. Den Teich sieht man noch darin, und an demselben auch noch einen großen, runden Stein, in den die Frau verwandelt ist. Aus dem Teiche kommen alle Nacht die sieben bunten Mäuse heraus, und tanzen um den Stein herum, eine ganze Stunde lang, von zwölf Uhr bis um eins. Der Stein klingt dann, als wenn er sprechen könnte. Die Mäuse singen dabei einen Gesang, welcher also lautet:
Herut, herut,
Du junge Brut!
Din Brüdegam schall kamen,
Se hebben di
Doch gar to früh
Din junges Leben namen.
Sitt de recht up'n Steen,
Watt he Fleesch und Been,
Um wi gan mit dem Kranze,
Säven Junggesell'n
Uns führen schäl'n,
Juchhe, tom Hochtidsdanze!
Man sagt, daß dieses Lied bedeuten soll, daß die Mäuse und die Frau einstens wieder in Menschen können verwandelt werden. Dies soll auf folgende Weise geschehen:
Es muß eine Frau seyn, gerade so alt, wie die Bauernfrau, als sie aus der Kirche kam. Die muß sieben Söhne haben, gerade so alt, als die sieben kleinen Mädchen waren, da sie verwandelt wurden. Wenn die Frau nun mit ihren sieben Söhnen auf einen Charfreitag, gerade um die Mittagszeit, in den Mäusewinkel kommt, und sie sich alle auf den runden Stein setzen, dann wird dieser Stein und die sieben Mäuse wieder zu Menschen werden, und sie werden gerade so aussehen, und dieselben Kleider tragen, wie vor tausend Jahren zur Zeit ihrer Verwandlung. Wenn dann die vierzehn Kinder groß werden, so sollen sie einander heirathen, und sie sollen sehr glücklich und reich werden, denn alle Güter und Höfe ringsumher sollen ihnen gehören.
E.M. Arndt, Märchen und Jugenderinnerungen, I. S. 3-9.
252. Der Erbdegen.
In der Gegend vom Dorfe Gristow unweit des Greifswalder Boddens liegt im Felde ein Teich, in welchem früher große Schätze sollen verborgen gewesen seyn. Die sind aber jetzt heraus. Es lebte nämlich vor Zeiten dort in der Gegend ein Bauer; zu dem kam eines Tages ein fremder Knecht, der sich bei ihm vermiethen wollte. Der Bauer fragte den Knecht, welchen Lohn er denn verlange, worauf dieser ihm erwiederte, was er verlange, sey nur eine Kleinigkeit, die für den Bauern gar keinen besonderen Werth habe; dieser wisse nicht einmal, daß er sie besitze. Weil der Knecht nun ein schmucker, rühriger Mensch war, so nahm der Bauer ihn auf, obgleich er aus dem sonderbaren Begehren wegen des Lohnes nicht recht klug werden konnte. Der Knecht war auch treu und fleißig, und es gerieth Alles unter seinen Händen, was er vornahm, so daß der Bauer ganz zufrieden mit ihm war.
Wie nun sein Jahr um war, so trat der Knecht vor den Bauern, und verlangte seinen versprochenen Lohn. Der Bauer erwiederte ihm aber: Wie kann ich dir den geben; du sagst ja selbst, ich wisse nicht einmal, daß ich die Sache habe, die du begehrt hast. Darauf sprach der Knecht: Oben auf deinem Boden hast du einen Erbdegen, den erbitte ich mir als Lohn. Den versprach ihm der Bauer, wenn er gleich von dem Degen nichts wußte. Sie gingen also zusammen oben auf den Boden, dort zeigte der Knecht ein altes, ganz verrostetes Schwerdt, das hinter einer Latte unterm Dache steckte, in einer Gegend, in welcher der Bauer sich niemals umgesehen hatte. Das Schwerdt hatte keinen besonderen Werth, wie der Bauer bald sah; es war nicht einmal eine Scheide dabei. Der Bauer sagte daher zu dem Knechte, er könne es sich nur nehmen. Aber dieser entgegnete ihm: Wenn ich es mir selbst nehme, so kann es mir nichts helfen, du mußt es herunterlangen und mir geben. Der Bauer war das am Ende auch zufrieden, und es geschah so.
Am anderen Morgen nun trat der Knecht vor seinen Herrn und bat ihn, einen Wagen anzuspannen, er wolle ihm nun zeigen, warum er den Erbdegen von ihm erbeten. Der Wagen wurde angespannt, und sie fuhren zusammen hinaus. Sie fuhren zu dem Teiche, von dem ich oben gesagt habe. Wie sie dort angekommen waren, sagte der Knecht zu dem Bauern: Nun paß auf, was ich dir sagen werde, und was geschehen wird. Ich werde, so wie ich bin, mit meinem Degen in den Teich springen. Dann wirst du ein schreckliches Stürmen und Brausen des Wassers sehen. Davon mußt du dir aber nicht Angst werden lassen, sondern nun mußt du gut aufpassen, was weiter geschieht, und ob das Wasser danach schwarz oder roth wird. Wird es schwarz, dann ist Alles vorbei, und es taugt nicht, und du kannst nur geschwinde mit deinem Wagen umdrehen und nach Hause jagen, denn sonst kostet es dir den Hals. Wenn es aber roth wird, dann habe ich gewonnen, und du wartest ruhig, bis ich aus dem Wasser zurückkomme.
Als der Knecht das gesprochen hatte, stieg er vom Wagen und sprang in den Teich hinein, die Spitze des Erbdegens nach unten gekehrt. Er verschwand alsbald unter dem Wasser, so daß nichts von ihm zu sehen war. Eine Weile blieb Alles ruhig. Allein auf einmal erhob sich tief unten im Teiche ein dumpfes, wildes Tosen, das immer stärker wurde, und nach oben sich hinzog. Darauf gerieth der ganze Teich in eine erschreckliche Bewegung. Die Wellen schlugen thurmhoch in die Höhe, und brauseten so fürchterlich, daß dem Bauern fast Hören und Sehen verging. Er gedachte aber der Worte des Knechtes, und sprach sich Muth ein, und hielt die Pferde fest, die davon jagen wollten. Nach einiger Zeit wurde auf einmal Alles wieder still, und jetzt sah der Bauer, wie der ganze Teich sich roth färbte. Nun dauerte es auch nicht lange, da kam der Knecht aus der Tiefe des Wassers wieder hervor. Er war wohlbehalten, und trug mit beiden Händen eine schwere Kiste. Mit der stieg er ans Ufer und legte sie auf den Wagen des Bauern, und zu diesem sprach er: Das soll dein Theil seyn, weil du mich gut gehalten und mir den Degen gegeben hast. Fahre du jetzt nach Hause, denn ich muß wieder in den Teich und holen mir auch mein Theil.
Damit ging er in den Teich zurück. Der Bauer aber fuhr mit seiner Kiste nach Hause, und wie er sie da öffnete, waren lauter alte, aber blanke Thaler darin. – Den Knecht hat er Zeit seines Lebens nicht wieder gesehen.
Mündlich.
253. Der Kalfater oder Klabatermann.
In Pommern erzählt man sich Folgendes: Sobald ein neues Schiff fertig und von seiner Mannschaft in Besitz genommen ist, zieht in dasselbe auch ein kleiner Geist ein. Die Schiffer nennen ihn den Kalfater oder Klabatermann. Er ist ein guter Geist, sowohl für das Schiff als für die Mannschaft. Gesehen haben ihn nur Wenige, denn es ist ein Unglück für den, der ihn sieht. Die ihn gesehen haben, sagen, er sey kaum zwei Fuß groß; er soll eine rothe Jacke, weite Schifferhosen und einen runden Hut tragen. Andere aber sagen, daß er ganz nackt sey. Je weniger man ihn sieht, desto öfter kann man ihn im Schiffe hören. Denn für dieses sorgt und mühet er sich ohne Unterlaß. Er hilft im Raum die Ballen nachstauchen, er kalfatert das Schiff da, wo kein Mensch zukommen kann, woher er auch den Namen hat. Wenn der Schiffer in der Kajüte eingeschlafen ist, das Schiff aber von Gefahr bedrohet wird, dann fühlt er sich plötzlich vom kleinen Klabatermann angestoßen, daß er erwacht und auffährt, und nun geschwinde anordnet, was zur Abwendung der Gefahr nöthig ist. Die Schiffsleute wissen recht gut, daß dies alles der kleine Kalfater thut. Sie sagen auch nicht anders als: Hörst du wohl, da ist er wieder! wenn sie ihn unten im Raume oder draußen an den Planken handthieren hören.
Die Matrosen suchen sich gut mit ihm zu halten; denn den flinken Matrosen hilft er, wo sie irgend eine Arbeit haben, daß sie frisch und gut von der Hand geht. Er sorgt dafür, daß die Taue beim Einrahmen der Segel auch beim schärfsten Winde nicht schlenkern; er erleichtert ihnen die halbe Arbeit beim Aufhissen der Anker. Und wenn ein flinker Bursch von einem Schiffe auf ein anderes abgeht, dann giebt ihm der Klabatermann ein Zeichen mit, woran ihn der Klabatermann des anderen Schiffes kennt, damit der ihm eben so gut und helfend sey. Die faulen und trotzigen Matrosen dagegen zwickt und quält er, und thut ihnen allerlei Tort an, bis sie zuletzt flink und fleißig werden. Und wenn Alles nicht hilft, so zeigt er sich ihnen zuletzt und schneidet ihnen Gesichter zu. Dann ist es aber auch aus mit ihnen; denn wer den Klabatermann mit leiblichen Augen sieht, dessen letztes Stündlein hat geschlagen. Die Matrosen thun ihm daher Alles zu Gefallen, und setzen ihm oft des Nachts von ihrem Lieblingsessen hin. Von wem er so etwas annimmt und gegessen hat, dem ist er gar absonderlich gut.
Besonders laut und rührig ist der Kalfater, wenn Sturm kommt oder das Schiff sonst in große Gefahr geräth. Man hört ihn dann an allen Ecken und Kanten; er sorgt für Alles und hilft bei Allem.
Dieser Geist, wenn er einmal in ein Schiff eingezogen ist, weicht von demselben nicht wieder, als bis es zu Grunde geht. Wenn er das aber merkt, und wenn er einsieht, daß trotz aller Mühe und Arbeit das Schiff nicht mehr zu retten ist, dann verläßt er es endlich. Auch hierbei zeigt er noch seine Freundschaft für das Schiffsvolk; denn, da man ihn nicht sehen kann, so steigt er so hoch er kann, und stürzt sich dann von oben her mit großem Geräusche vom Schiff in das Wasser, damit man ihn hören könne. Einige sagen, er steige bei solcher Gelegenheit auf die äußerste Spitze des Boogsprits, und springe von dort her in die See. Wer ihn aber dort sehe, mit dem sey es für immer aus.
Wenn nun der Klabatermann das Schiff verlassen hat, dann weiß das Schiffsvolk, daß es mit demselben ein Ende hat. Es legt jetzt Keiner mehr Hand an, denn Rettung des Schiffes ist nicht mehr möglich. Jeder sucht nur sich selbst zu retten, so geschwinde er kann; denn man weiß auch, daß der Klabatermann bis zum letzten Augenblicke bei dem Schiffe und bei der Mannschaft aushält.
Manche behaupten, daß nicht jedes Schiff einen solchen Kalfater habe; sondern daß ein solches Glück nur wenigen Schiffen zu Theil werde. Denn die Klabatermännchen sollen die Seelen von Kindern seyn, die todt geboren, oder sonst vor der Taufe gestorben sind. Wenn solche Kinder nun in einer Haide unter einem Baume begraben werden, und von einem solchen Baume irgend etwas zu dem Baue des Schiffes verwendet ist, dann geht mit dem Holze die Seele des Kindes als Klabatermännchen in das Schiff hinein. Die dies behaupten, sagen auch, daß ein solches Schiff, das einen Kalfater besitzt, niemalen zu Grunde gehen könne.
Einige sagen, daß man den Klabatermann auch ohne Gefahr zu sehen bekommen könne. Das muß man auf folgende Weise anfangen: Man muß nämlich des Nachts zwischen zwölf und ein Uhr allein zum Spillloch gehen, und sich selbst durch die Beine durch und so durch das Spillloch sehen; dann kann man den kleinen Geist erblicken, wie er an der Vorderseite des Spilllochs steht. Wenn man ihn dann aber nackt sieht, so muß man sich hüten, daß man nicht, etwa aus Mitleid, ihm Kleider zuwirft, womit er sich kleiden solle; denn das kann er nicht vertragen, er wird über solch Mitleid leicht böse, und meint, man wolle sich dadurch mit ihm abfinden.
Mündlich.
254. Das Brodmännlein in Stettin.
In Stettin kam eines Abends spät ein Bürgersmann aus dem Wirthshause, um nach seiner Wohnung zurückzukehren. Als er wenige Schritte gegangen war, stand auf einmal ein ganz kleines Männlein mit einem großen, schweren Sack vor ihm, und fragte ihn: Willst du Brod? Der Bürger erschrak, daß er nichts antworten konnte, wich auf die Seite, und lief eilends davon. Das kleine Männlein aber lief hinter ihm her, und war immer ganz dicht ihm an den Fersen. Und als er endlich an seinem Hause angekommen war, da fragte es noch einmal: Willst du Brod? Der Bürger antwortete auch diesmal nicht. Da nahm das Männlein den Sack und warf ihn gegen das Haus, das klang gerade, wie lauter Gold und Silber. Gleich darauf waren Männlein und Sack verschwunden.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
255. Das Waldhorn zu Gahlkow.
In dem Herrenhause des Hofes Gahlkow am Greifswalder Bodden, welcher gegenwärtig der Familie von Wahl zugehört, spukt es schon seit langen Zeiten auf eine gar sonderbare Weise. Man hört nämlich oft, besonders in stillen Nächten, ganz deutlich den Ton eines Waldhorns, welches die Melodie des geistlichen Bußliedes bläst: Herr, an dir hab' ich gesündigt! Dies Blasen geht manchmal durch das ganze Haus, meistentheils ist es aber oben auf dem Boden.
Von der Entstehung desselben erzählt man sich folgende Geschichte: Vor vielen Jahren, als das Gut noch bei einer anderen Familie war, lebte zu Gahlkow einmal ein Herr, der ein sehr ausschweifendes Leben führte. Wie der eines Abends in der Abenddämmerung mit seinem Kutscher von Greifswald zurückgefahren kam, da sah er am Wege ein Frauenzimmer stehen, die schön von Gliedern und Angesicht und mit herrlichen Kleidern angethan war. Der Gutsherr ließ geschwinde halten, und begab sich mit der Fremden in ein Gespräch; er sagte ihr viel Schönes und Liebes, und sie war sehr freundlich gegen ihn, so daß er in heißem Verlangen zu ihr immer mehr entbrannte. Was er aber in seiner Liebeshitze nicht bemerkte, das ersah auf einmal der Kutscher, nämlich daß das Frauenzimmer einen Pferdefuß und ein Hühnerbein hatte, und also der Teufel selbst war, der den Herrn auf solche Weise sich zu eigen zu machen gedachte. Der Knecht kreuzte und segnete sich, und rief in großer Angst seinem Herrn zu, was er gesehen hatte. Darauf erkannte auch dieser den Teufel, und er entsetzte sich dermaßen, daß er vor Schreck kaum wieder in seinen Wagen zurück konnte. Der Teufel lachte ihm höhnisch nach. Von der Zeit an hatte der Gutsherr keine Ruhe mehr. Sein einziger Trost war nur, wenn er auf seinem Waldhorne, dessen er ein großer Freund war, die Melodie des Liedes blasen konnte: Herr, an dir hab' ich gesündigt! – Das Lied hörte man seitdem jeden Abend und jede Nacht, denn auch nach seinem Tode muß er nun umgehen, und es blasen.
Mündlich.
256. Die brennende Mütze.
In der Gegend von Greifenhagen lebte einmal ein Amtmann, der sehr reich war. Sein Getreide gedieh immer am besten auf dem Felde, und seine Heerden vermehrten sich von Jahr zu Jahr. Da nahm er zuletzt einen Schäfer an, dem er auf dessen eigene Gefahr seine Schafheerde verpachtete. Von Stund' an ging die Heerde zu Grunde. Es ging beinahe kein Tag vorbei, daß nicht ein paar der schönsten Schafe starben. Der Schäfer mußte sie mit schwerem Gelde ersetzen, so daß er zuletzt so arm wurde, daß er kein Brod mehr im Hause hatte. Bald darauf starb der reiche Amtmann.
Um diese Zeit ging der Schäfer einmal in den Wald, um sich etwas trocknes Holz zu suchen, damit er sich und seine Kinder gegen die Kälte schützen könne. In dem Walde fand er einen Strick, und wie er gerade recht über sein Elend nachdachte, so nahm er in großer Verzweiflung denselben, um sich daran aufzuhängen. Auf einmal kam ein kleiner Mann auf ihn zu, der ermahnte ihn, von seinem Vorhaben abzustehen, und erst mit ihm zu den Wohnungen der Bösen zu gehen. Das war der Schäfer zufrieden, und der kleine Mann führte ihn zu den Wohnungen der Bösen. Hier sah er lauter brennende Menschen, die mitten in den heißesten Flammen steckten. Unter denselben erkannte er auch seinen verstorbenen Herrn, den Amtmann. Dieser brannte schrecklich, und bat den Schäfer, er möge seine Frau von ihm grüßen. Der Schäfer versprach ihm das, aber er meinte, die Frau werde ihm nicht glauben, wenn er kein Zeichen von ihm habe. Darauf warf der Amtmann ihm eine brennende Mütze zu, die aber sogleich aufhörte zu brennen, als der Schäfer sie aufhob. Dabei sagte er zu diesem, die solle er seiner Frau geben. Als hierauf der Schäfer gehen wollte, sagte der Amtmann noch zu ihm, daß er ihn mit den gestorbenen Schafen betrogen habe, und er trug ihm auf, sich seinen Schaden von seiner Frau ersetzen zu lassen.
Der Schäfer ging zuletzt mit dem kleinen Manne wieder fort. Dieser begleitete ihn bis an sein Haus, und sagte unterwegs zu ihm, daß er ja die Mütze nicht behalten solle, weil er sonst dahin müsse, wo der Amtmann sey. Am anderen Tage ging der Schäfer zu der Amtmannsfrau; der brachte er den Gruß von ihrem Manne und gab ihr auch die Mütze, wogegen er den Ersatz für die bezahlten Schafe erhielt. Die Mütze behielt die Frau; aber sie hatte von dem Augenblicke an, daß dieselbe in ihrem Hause war, keine Ruhe und kein Glück mehr. Sie ließ deshalb den Schäfer wieder kommen, und bat ihn, die Mütze zurückzunehmen; das wollte dieser Anfangs nicht, als ihm die Frau aber 6000 Thaler bot, da ließ er sich verblenden und nahm das Geld und die Mütze. Doch so wie er damit in sein Haus kam, wurde er auf der Stelle gefährlich krank, worauf er alsbald Mütze und Geld wieder auf das Amthaus schickte. Die Amtmannsfrau wollte die Mütze aber auch nicht behalten, und sie ließ sie daher in der Kirche des Dorfes einmauern, wo sie sich noch befindet.
Mündlich.
257. Die todte Schlange.
In der Barkowschen Haide liegt, nicht weit von dem Holzwege, der mitten durch die Haide geht, ein einsames Bauernhaus. In demselben wurde noch vor wenigen Jahren eine todte Schlange gezeigt, von der man sich Folgendes erzählt. In dem Hause wohnten vor langen Zeiten einmal Bauersleute, die nur ein einziges Kind hatten, ein Mädchen von vier Jahren. Im Sommer ließen sie das Kind vor dem Hause spielen, wohin sie ihm auch des Mittags seine Milch mit eingebrockter Semmel brachten. Wenn nun das Kind dies verzehrte, so kam jeden Mittag plötzlich eine große Schlange herbei, die sich zu ihm setzte, und mit ihm von der Milch trank und von der Semmel aß. Es fürchtete sich gar nicht vor derselben, wurde vielmehr so vertraut mit ihr, daß es sie ohne Scheu auf den Hals klopfte und zu ihr sagte, sie solle ihm nicht zu viel abtrinken. Seinen Eltern sagte es nichts hiervon. Als es aber eines Mittags viermal nach einander Milch forderte, da fiel dies der Mutter auf, und wie sie das letztemal die Milch hingebracht hatte, blieb sie hinter der Thür stehen, um zuzusehen, was das Kind mit der vielen Milch anfange. Auf einmal sah sie die Schlange herbeikommen, welche die Milch aufzehren half. Darüber entsetzte sie sich, und sie rief ihren Mann zu Hülfe, der mit einem Knittel herbeikam, um das Thier todtzuschlagen. Das Mädchen weinte zwar sehr, und bat den Vater um Gnade für die Schlange; aber er tödtete sie doch. Von der Stunde an schwand das Kind an allen Gliedern, und nach wenigen Tagen war es todt.
Mündlich.
258. Die Vampyre in Kassuben.
Im Lande Kassuben hat es sich, selbst vor nicht gar langer Zeit, zugetragen, daß zuweilen Kinder mit einer ganz feinen Kopfbedeckung, wie ein zartes Mützchen, auf die Welt gekommen sind. Das werden sehr gefährliche Menschen, wenn sie gestorben und begraben sind. Man muß ihnen daher das Mützchen abnehmen, und es trocknen und sorgfältig aufbewahren. Und bevor nun die Mutter nach ihren Sechswochen zur Kirche und zum Opfer geht, muß sie es verbrennen, daß es zu Pulver kann gerieben werden. Dieses Pulver muß sie dann mit Muttermilch dem Kinde eingeben.
Stirbt nämlich ein solcher mit der Mütze geborner Mensch, bevor er auf diese Weise die Mütze selbst wieder aufgegessen hat, so entsteht daraus das schrecklichste Unglück. Er richtet sich im Grabe wieder auf, und verzehrt zuerst alles Fleisch von seinen eigenen Händen und Füßen, sammt dem Sterbehemde, das er mit in den Sarg bekommen hat. Dann steigt er aus dem Grabe heraus und verzehrt nun die Lebenden. Zuerst sterben seine nächsten Anverwandten, darauf die entfernteren, Einer nach dem Andern. Wenn er keine Verwandtschaft mehr hat, dann macht er sich an die Kirchenglocken in seinem Dorfe; die läutet er des Nachts, und nun muß Alles sterben, so weit der Schall der Glocken reicht, Jung und Alt, Groß und Klein.
Gegen dieses Elend giebt es alsdann nur Ein Mittel: man muß den Todten wieder aufgraben, und ihm mit einem Kirchhofsspaten den Kopf abstechen. Dann hört die Gefräßigkeit auf.
Pommersche Prov. Blätter von Haken, III. S. 421 folg.
259. Die Währwölfe in Greifswald.
Vor zweihundert Jahren waren zu einer Zeit in der Stadt Greifswald eine erschrecklich große Menge Währwölfe. Sie hatten besonders ihren Sitz in der Rokover Straße. Von da aus überfielen sie alle Leute, die sich des Abends nach 8 Uhr außer dem Hause sehen ließen. Zu der damaligen Zeit waren aber viele beherzte Studenten in Greifswald. Die thaten sich zusammen, und zogen in einer Nacht gegen die Unholde aus. Anfangs konnten sie ihnen nichts anhaben, bis die Studenten zuletzt alle ihre silbernen Knöpfe zusammennahmen, die sie geerbt hatten, und damit die Unthiere erlegten.
Mündlich.
260. Der Währwolf bei Zarnow.
In der Gegend von Zarnow trieb sich noch vor wenigen Jahren ein grimmiger Wolf umher, der Menschen und Vieh vielen Schaden that. Einmal hatte er sogar ein Kind zerrissen. Da machten sich alle Bauern der Gegend auf und verfolgten ihn, schlossen ihn auch in einem Busche ein. Als sie ihn hier aber erlegen wollten, stand auf einmal ein großer fremder Mann mit einer Keule vor ihnen. Da erkannten sie, daß sie einen Währwolf vor sich hatten. Dies war im Jahre 1831.
Mündlich.
261. Die Cholera.
Es giebt noch jetzt in Pommern manche Leute, die fest glauben, die Cholera sey im Jahre 1831 absichtlich ins Land gebracht, und zwar soll der Franzose das gethan haben, damit das Land entvölkert werde, und er es wieder gewinnen könne. Um sein Vorhaben auszurichten, soll der Franzose auf allerlei Wegen und unter allerlei Gestalten sich herbeigestohlen haben. So erzählt man sich auch namentlich von Stettin Folgendes: Eines Tages kam durch das Berliner Thor ein Mann in die Stadt hinein, der eine große Kiste auf dem Rücken trug. Der Mann sah sich ängstlich nach allen Seiten um, und suchte unbemerkt an der Schildwache vorbeizukommen. Die Schildwache bemerkte ihn aber, und er wurde festgehalten und in die Wache gebracht. Dort wurde ihm befohlen, seine Kiste zu öffnen; er weigerte sich dessen zwar Anfangs, mußte aber doch zuletzt Folge leisten. Da fand man in der großen Kiste eine andere kleinere; in dieser fand man wieder eine, und das ging eine ganze Zeitlang so fort, so daß man immer auf eine kleinere Kiste kam. Als man aber endlich die kleinste öffnete, da fand man darin ein ganz kleines, kleines Männchen, das war der Franzose, der die Cholera in die Stadt bringen wollte.
Mündlich.
262. Der prophezeihende Täufling.
In vielen Gegenden von Pommern: an der Oder, bei Colbatz, Wartenberg und an manchen anderen Orten, erzählen sich die Leute folgende wunderbare Geschichte, die sich im Jahre 1831 zugetragen hat, als von Westen der Krieg und von Osten die Cholera in das Land einzubrechen drohete. Zu derselben Zeit fuhren nämlich eines Morgens früh mehrere Bauersleute von jenseits der Oder nach Stettin. Als sie nun den langen Damm durch die Oderwiesen passirten, hörten sie auf einmal unten aus der Wiese ein Kind rufen: Nähmt mi mit, nähmt mi mit! Die Bauern stiegen ab, und fanden im Grase ein ganz nacktes, so eben gebornes Kind liegen. Sie erbarmten sich des armen Würmchens, bei dem Niemand war, und legten es auf den Wagen. Sie beriethen dann unter einander, was sie mit dem Kinde machen wollten, und sie kamen dahin überein, daß sie es zuerst wollten taufen lassen. Sie gingen also damit zu einem Prediger in Stettin, und baten diesen, daß er die Taufe verrichten möge, wozu er auch bereit war. Als er aber die Taufhandlung eben begonnen hatte, begab sich auf einmal ein großes Wunder, denn das Kind verwandelte sich plötzlich in ein Stück blutigen Fleisches. Darüber entsetzten sich Alle, und der Prediger befahl den Bauern, daß sie das Fleisch an die Stelle tragen sollten, wo sie das Kind gefunden hatten. Das thaten sie; aber kaum hatten sie die Wiese im Rücken, als sie das Kind wieder erbärmlich schreien hörten, wie vorhin: Nähmt mi mit, nähmt mi mit! und wie sie nun zurückkehrten, fanden sie wieder das Kind, das sie des Morgens früh gefunden hatten. Sie erbarmten sich deshalb noch einmal des hülflosen Würmchens, und brachten es zum zweiten Male zum Prediger, daß er es taufen möge. Allein so wie der Prediger eben wieder die Taufhandlung begonnen hatte, verwandelte das Kind sich in einen Zander (Zannat, Fisch). Der Pfarrer befahl ihnen daher zum zweiten Male, daß sie es zurücktragen sollten. Die Bauern thaten das; aber es begab sich wieder ganz dasselbe, wie das vorige Mal, und als der Prediger das Kind jetzt wieder taufen wollte, verwandelte es sich in ein Brod. Da sagte der Prediger: So wollen wir es denn aufschneiden, und griff schnell zu einem Messer, um sein Vorhaben ins Werk zu richten. Plötzlich aber wurde das Brod wieder ein Kind, und wuchs augenblicklich, so daß Alle es sehen konnten, bis es ein feiner Knabe geworden war. Der sprach zu den Anwesenden: Mich hat Gott gesandt, und ich will Euch sagen, was das Alles bedeutet, was Ihr gesehen habt! Daß ich Fleisch geworden bin, bedeutet Krieg und großes Sterben; daß ich Fisch wurde, das bedeutet Wassersnoth; daß ich aber Brod wurde, das bedeutet eine fruchtbare Zeit, die darauf folgen wird, und wer die noch erlebt, der wird von Allem genug haben, und sich über nichts mehr beklagen dürfen. – Darauf ließ das Kind sich nun ruhig taufen. Die Leute sagen, es solle noch in Stettin herumgehen.
Mündlich.
263. Der Beamte mit dem rothen Faden um den Hals.
Vor einiger Zeit war in Pommern ein vornehmer Beamter, der sich vieler Gewaltthätigkeiten schuldig gemacht hatte, und zuletzt noch durch schwere Mißhandlungen den Tod eines Unschuldigen herbeiführte. Dafür wurde er zum Tode verurtheilt. Der König hat ihm darauf zwar das Leben geschenkt, aber befohlen, daß er Zeitlebens einen rothen Faden um den Hals tragen muß, zum Zeichen, daß er das Leben verwirkt hat. Der Mann lebt noch, und der Scharfrichter muß alle Jahre kommen, um nachzusehen, ob er den Faden noch trägt.
Mündlich.
264. Die drei Schüsse nach dem lieben Gott.
Als es im Sommer des Jahres 1838 über acht Wochen lang jeden Tag regnete, so daß alle Saaten zu verderben droheten, war in der Gegend von Stettin ein Amtmann, der auch viel Korn auf dem Felde stehen hatte, das er nicht einfahren konnte. Darüber wurde der Mann so erbost, daß er, anstatt zu beten, lästerlich dem lieben Gott drohete, wenn er nicht in drei Tagen ander Wetter mache, so wolle er ihm schon was zeigen. Und als die drei Tage um waren, aber kein ander Wetter sich eingestellt hatte, da nahm er sein geladen Gewehr, und schoß damit in seiner gotteslästerlichen Verblendung dreimal gen Himmel nach dem lieben Gott. Kaum hatte er aber den dritten Schuß gethan, so versank er bis mitten an den Leib in die Erde hinein, und es war kein Mensch im Stande, ihn wieder hervorzuziehen. Man schickte zuletzt zu dem Prediger nach Stettin; aber auch der soll ihm nicht haben helfen können, so daß er jämmerlich hat sterben müssen. Diese Geschichte ist in ganz Pommern bekannt geworden.
Mündlich.
265. Der Teufel auf dem Tanzboden
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Es hatte sich seit langen Zeiten der Teufel in leibhafter Gestalt auf der Erde nicht wieder sehen lassen; die Leute sagen, weil er desto mehr unter anderen Gestalten umhergehe. Vor einigen Tagen hat man ihn aber doch wieder einmal ordentlich als Teufel erblickt. Es war nämlich vor einigen Wochen, im März des Jahres 1839, als ein Bauernmädchen, die des Morgens zum heiligen Abendmahle gewesen war, desselbigen Abends auf einen Tanzboden in der Nähe von Stralsund ging, und dort anfing zu tanzen, ohne der heiligen Handlung vom Morgen her noch eingedenk zu seyn. Da kam auf einmal ein Fremder zu ihr, der sie zum Tanz aufforderte, und wie sie dem zusagte und mit ihm tanzte, da konnte sie nicht wieder zum Aufhören kommen; denn der Fremde riß sie mit sich herum, daß ihr das Hören und Sehen verging, und ihr zuletzt das Blut aus Mund und Nase stürzte. Die Musikanten am Spieltische hatten schon lange bemerkt, daß es mit dem unheimlichen Tänzer nicht richtig sey, denn sie sahen deutlich den Pferdefuß, mit dem er herumsprang. Aber sie wagten vor Angst nichts zu sagen. Als jedoch das Mädchen am Ende todt hinfiel, und nun auf einmal der Tänzer ohne alle Spur verschwunden war, da erkannten Alle, daß sie den Teufel, der sich sein Opfer geholt, einmal wieder in seiner leibhaften Gestalt mit dem Pferdefuße gesehen hatten.
Vgl. Stralsunder Sundine v. 3. April 1839.
Fußnoten
1
Geschrieben im April 1839.
266. Die gebannten Glocken.
Nicht weit von dem Dorfe Kirchdorf in der Gegend von Greifswald liegen zwei Teiche, ein großer und ein kleiner. An der Stelle derselben haben früher ein Mönchskloster und eine Schmiede gestanden, nämlich das Mönchskloster da wo der größere Teich liegt, und die Schmiede da, wo der kleinere ist. Die Mönche haben aber ein sehr gottloses Leben geführt und besonders auch in der Schmiede ihr Unwesen getrieben. Da hat es sich denn eines Tages, gerade auf den Johannistag, begeben, daß das Kloster und die Schmiede plötzlich versunken sind, und an ihrer Stelle hat man die beiden Teiche gesehen. Seitdem sind die beiden Glocken von der Mönchskirche, welche mit versunken waren, alle Jahre auf den Johannistag aus dem Wasser hervorgekommen und haben sich an das Ufer gelegt, wo sie sich von zwölf bis ein Uhr Mittags haben sonnen können. Um ein Uhr haben sie aber in die Tiefe des Teiches zurück müssen.
Das hat so gedauert viele Jahre, bis einmal ein Mädchen aus dem Dorfe in dem größeren Teiche Zeug gewaschen. Das ist gerade am Mittage des Johannistages gewesen, als die Glocken sich gesonnt haben. Das Mädchen, die hiervon nichts gewußt, hat, wie sie das Zeug gewaschen gehabt, auf einmal die Glocken gesehen, und auf diese, ohne sich dabei etwas zu denken, dasselbe zum Trocknen gehangen. Das hat nun gewährt bis über ein Uhr Mittags hinaus, und die Glocken haben daher nicht mehr in den Teich zurückkönnen, sondern sind an das Ufer festgebannt gewesen.
Da haben sie lange gelegen, und es hat kein Mensch sie von der Stelle bringen können. Die Bauern von Levenhagen, die damals gerade eine neue Kirche bauten, wofür sie noch keine Glocken hatten, haben es versucht, sie für sich zu nehmen, und einen Wagen mit Pferden hingeschickt, um sie abzuholen. Auf den Wagen haben sie sie auch wohl bekommen können, weiter aber nicht; denn alle Pferde, die sie davor gespannt, haben nun den Wagen nicht von der Stelle zu ziehen vermocht.
Zuletzt sind die Bauern von Stoltenhagen gekommen, die auch keine Glocken in ihrer Kirche hatten. Die haben den Einfall gehabt, einen Wagen mit Ochsen bespannt hinzuschicken. Und die Ochsen
1
haben sie denn auch von der Stelle ziehen können. Seitdem hängen die gebannten Glocken im Thurme zu Stoltenhagen.
Mündlich.
Fußnoten
1
Ein alter Ochsenhirt erzählte diese Sage, er hatte sie von seinem Vorgänger.
267. Der schwarze See und die gebannte Glocke bei Wrangelsburg.
Nicht weit von Wrangelsburg im Kreise Greifswald liegen zwei Seen, von denen der eine ein gelbliches, der andere aber ein ganz schwarzes Wasser hat. In diesen letzteren, welcher der schwarze See heißt, ist vor vielen Jahren eine Kirche mit drei Thürmen versunken. Das ist geschehen auf einen Johannistag. An diesem Tage hört man daher auch noch alle Jahre die Glocken der Thürme unten aus dem See hervortönen, so traurig und wehmüthig, daß man es mit Worten gar nicht sagen kann. Alle hundert Jahre dürfen zwei von ihnen eine Stunde lang oben auf dem Wasser herumschwimmen und ans Ufer kommen.
An einem solchen Tage geschah es einmal, daß zwei Kinder aus Wrangelsburg an dem See ihr Puppenzeug wuschen und es zum Trocknen auf einer der beiden Glocken ausbreiteten, die gerade am Ufer lag und sich sonnte. Dadurch wurde die Glocke gebannt, und sie konnte nicht zurück. Die andere Glocke rief ihr zwar zu:
Anne Susanne, komm mit mir geschwind!
Aber sie antwortete ihr traurig:
Ich kann nicht, Geliebte, gebunden ich bin!
Darauf mußte die andere Glocke allein in die Tiefe des Sees zurückkehren.
Als nun die schöne, große Glocke so da lag, da versammelten sich die reichen Gutsbesitzer der Gegend, um sie auf den Thurm zu Gützkow zu bringen, wo sie nur für
sie
geläutet werden sollte. Das wollte aber nicht gelingen, und obgleich sie sechzehn Pferde vorspannten, so konnten sie damit doch nicht von der Stelle kommen. Da kam ein armer Bauer aus dem Dorfe Zarnekow mit zwei Ochsen des Weges; der spannte seine Ochsen vor, und rief: Nun in Gottes Namen, für Reiche und für Arme! Damit trieb er die Thiere an, und sie zogen ohne Beschwerde die Glocke nach Zarnekow, wo sie auf den Thurm gehangen wurde. Die Glocken in Zarnekow sind noch jetzt die besten im Lande.
Der schwarze See hat neben vielen anderen Fischen auch sehr große Hechte, die das Sonderbare haben, daß sie eine Krone auf dem Kopfe tragen; man kann sie aber nur sehr schwer fangen.
Mündlich.
268. Die singende Glocke.
Eine Meile von Uekermünde bei dem Gute Vogelsang liegt eine große Wiese, auf der ehemals ein Dorf gestanden haben soll. Vor langen Jahren hütete hier einmal ein Hirt seine Schweine, als er sah, daß ein Schwein immer an einer und derselben Stelle die Erde aufwühlte. Er ging daher zuletzt hin, und sah nun den Knopf einer Glocke aus der Erde hervorragen. Er rief mehrere Leute herbei, welche eine große schöne Glocke aus der Erde herausgruben. Die Stadt Uekermünde machte darauf Ansprüche an die Glocke, und die Bürger kamen mit einem, mit acht Pferden bespannten Wagen, um sie zur Stadt zu holen. Allein so viel sie sich auch abmüheten, die acht Pferde konnten die Glocke nicht aus der Stelle ziehen. Während sie sich noch damit quälten, kam zufällig des Weges ein Bauer aus dem benachbarten Dorfe Lukow mit einem Wagen, vor welchem er zwei Ochsen hatte. Der lud nun die Glocke auf, und seine Ochsen zogen sie ganz leicht nach Lukow. Dort wurde sie im Kirchthurm aufgehangen, wo sie noch ist. Diese Glocke hat einen schönen singenden Ton, und wenn man genau zuhört, so kann man hören, wie sie beim Läuten immerfort die Worte singt:
Su borg – Damgorden!
Sie soll dadurch das Auswühlen des Schweins (Sau) und den Namen des versunkenen Dorfes, dem sie zugehört hat, bezeichnen.
Mündlich.
269. Die Glocke in Stargard.
Als vor alten Zeiten zu der St. Marienkirche in Stargard eine Glocke gegossen werden sollte, wurde bekannt gemacht, daß Alle, welche Pathen zu der Glocke werden wollten, zu derselben Metall bringen und in den Ofen werfen möchten, je mehr je besser. Darauf kamen viele Leute und opferten zu der Glocke, was in ihren Kräften stand. Die Reichen ließen silberne Geräthe vor sich hertragen, die sie prunkend vor ihren Augen in den Ofen werfen ließen; Andere brachten messingene Becken und Leuchter, oder auch nur einen zinnernen Teller oder einen Pfennig, wenn sie nicht mehr hatten; denn Jeder wollte sich um die Glocke ein Gotteslohn erwerben. Zuletzt kam auch eine alte Frau zu dem Ofen. Sie war ganz arm, und man wußte, daß sie gar nichts hatte. Die Leute verwunderten sich daher, was sie opfern werde, und man fing an, ihrer zu spotten. Sie kehrte sich aber nicht daran, sondern zog eine Schlange hervor, die sie in den glühenden Ofen warf, einige unverständliche Worte in die Flamme hineinmurmelnd. Was das bedeuten solle, sagte sie Keinem; aber als die Glocke fertig war und zum ersten Male anfing zu läuten, da merkte man den Segen der alten Frau. Denn von Stund' an verschwanden alle Schlangen rings um die Stadt, so weit man den Ton der Glocke hören konnte.
Mündlich.
270. Hack up, so fret ik di.
Auf der Insel Rügen, besonders in der Gegend von Altefähr, hat man ein Sprichwort: Hack up, so fret ik di! (Hacke auf, dann esse ich dich!) Davon erzählt man sich folgende Geschichte: Es war einmal auf Rügen ein nichtsnutziger Knecht, der keine Erbsen essen mochte. Wenn nun dem Gesinde Erbsen vorgesetzt wurden, so fuhr er mit dem umgekehrten Löffel hinein, so daß er nichts davon bekam, und sprach dabei höhnisch jene Worte. Demselben Knecht erging es aber nachher sehr schlecht, und er kam nach einiger Zeit ganz arm und hungrig wieder zu seinem vorigen Herrn, und bat den um Gotteswillen um ein Gericht Erbsen. Da nahm der Herr eine Schaufel, mit der fuhr er verkehrt in einen Haufen Erbsen, und sprach zu dem Knechte: Hack up, so met ik di (Hacke auf, dann miethe ich dich!)
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte und Alterth-Kunde.
271. Das von Hexengeld erbaute Dorf.
Das Dorf Connerow im Kreise Greifswald ist von purem Hexengelde aufgebaut. Das hat sich auf folgende Weise zugetragen: Nachdem nämlich das Dorf im dreißigjährigen Kriege gänzlich zerstört und niedergebrannt war, und die armen Leute sich in elenden Strohhütten aufhielten, wo sie besonders viel von den Ratten und Mäusen zu leiden hatten, kam eines Tages einer dieser armen Menschen nach Wolgast zu einem Bäcker, um sich ein Brod zu erbitten. Dem Bäcker klagte er auch seine Noth, die er mit den Ratten und Mäusen habe. Da bot der Bäcker ihm einen schwarzen Kater an, mit den Worten, den solle er mitnehmen, der werde ihm das Ungeziefer wohl vertilgen, ihm auch sonst noch zu Diensten seyn. Der Bauer nahm den Kater mit Dank an. Wie er nun mit demselben in seine Hütte kam, da fing der Kater auf einmal an zu sprechen und fragte, was er nun thun solle? Der Bauer befahl ihm darauf, er solle ihm alle Ratten und Mäuse wegfangen, und sie auf einen Haufen bringen. Das that der Kater alsbald, und dann fragte er weiter, was er nun thun solle? er könne Alles. Da sagte der Mann zu ihm: Wenn du Alles kannst, so bring' mir Geld! Das that der Kater gleichfalls, und er brachte ihm Geld die Menge, so viel der Bauer haben wollte. Als er genug hatte, gab er den Kater an die anderen Bauern des Dorfes, die nun auch so viel Geld bekamen, als sie sich nur wünschten. Darauf bauten sie ihr Dorf wieder auf, schöner und besser, als es vorher gewesen war.
Wie sie damit fertig waren, konnten sie aber den Kater nicht wieder los werden, da er ihnen doch verdächtig vorkam, und es ihnen ängstlich bei ihm wurde. Sie gingen deshalb zu dem Bäcker in Wolgast, und fragten, wie sie es zu machen hätten, daß sie des Katers wieder ledig würden. Der rieth ihnen, sie sollten nur eine Kiepe nehmen, und zu dem Kater sagen: Kater in die Kiep! dann werde er hineinspringen, und dann sollten sie ihm das Thier nur wiederbringen. Also thaten sie auch.
Die Bauern zu Connerow sind von der Zeit reich und wohlhabend geblieben, so daß sie später ihrem Könige Carl XII. Geld in die Türkei schicken konnten, wie wir oben schon erzählt haben.
Mündlich. Vgl. oben Nr. 55.
272. Der Thurm zu Wobeser.
Die Kirche des Dorfes Wobeser im Rummelsburger Kreise hat einen hohen weißen Thurm, den man, da das Dorf auch sehr hoch liegt, bis weit in die See hinein sehen kann. Deshalb war derselbe in früherer Zeit, als es den Schiffern noch an denjenigen Instrumenten fehlte, die ihnen jetzt die Schifffahrt erleichtern, den Seefahrern ein eben so sicheres als willkommenes Merkzeichen. Dies bewog auch, wie man sich in dem Dorfe und in der Gegend noch allgemein erzählt, in alten Zeiten die Stadt Lübeck, die große Schifffahrt in der Ostsee trieb, alljährlich eine gewisse Summe Geldes an das Dorf zu bezahlen, wofür dieses den Thurm immer frisch mit weißem Kalkanwurf erhalten mußte, so daß er desto weiter und besser auf der See gesehen werden konnte.
Pommersche Provinzial-Blätter, I. S. 69.
273. Die Schwedin in Pommern.
In der Umgend von Treptow an der Rega erzählt man sich allgemein, daß vor vielen Jahren einstmals im Winter in der Nähe des Dorfes Hoff eine große Eisscholle an den Strand getrieben sey, auf welcher sich ein junges Mädchen mit zwei Kühen befand. Sie kam glücklich ans Land, und es fand sich nun, daß sie eine Schwedin war. Die hatte ihre Kühe in Schweden an der Seeküste tränken wollen, war aber mit denselben plötzlich vom Ufer abgerissen und ins hohe Meer hineingetrieben. Sie hatte viele Tage und Nächte allein auf der weiten See zugebracht, mitten zwischen Eisschollen, und weder Menschen noch Land gesehen. Die Milch von ihren Kühen war ihre einzige kümmerliche Nahrung gewesen. Es gefiel ihr in Pommern, wo sie zuerst wieder ans Land gekommen war, und wo sie eine freundliche Aufnahme fand, so gut, daß sie nicht in ihre Heimath zurück wollte. Sie ist auch allda geblieben, und hat im Dorfe Langenhagen bei Treptow geheirathet, wo sie in hohem Alter gestorben und begraben ist.
Pommersche Provinzial-Blätter, V.S. 401. 402.
274. Das Mannagras an der Leba.
Im Lande Kassuben, auf den Sumpfwiesen an der Leba, besonders in der Nähe des Dorfes Zezenow, wächst das Mannagras, oder der Schwadenschwengel, aus dessen Körnern die Manna- oder Schwadengrütze bereitet wird. In früheren Zeiten wurde diese Frucht von den Einwohnern der Gegend nicht beachtet. Da kam einstmalen eine alte Frau aus Preußen in das Dorf Ruschitz, die wegen ihrer Armuth von ihren Landsleuten vertrieben war. Die sah das Gras, und erkannte, daß man aus seinen Körnern eine Grütze bereiten könnte, welche weit kräftiger und wohlschmeckender ist, als selbst das Sagomark. Sie belehrte hiervon die Leute, die sie aufgenommen hatten, und diese fingen alsbald an, die Körner einzusammeln. Aber sie haben keinen Segen davon gehabt. Denn die Gutsherrschaft zu Ruschitz, der die Mannagrütze auch gefiel, machte mit ihnen einen Contract, nach welchem sie jährlich eine große Portion von dieser Grütze zu Hofe liefern, oder von ihren Grundstücken weichen mußten. Und da nun heutiges Tages zu Ruschitz das Gras nicht mehr wächst, wohl aber bei den entlegenen Dörfern Zezenow und Charberow, so müssen sie dahin wandern, um ihren Contract zu halten. So sieht man denn alljährlich zu Ende Juni oder zu Anfang Juli, wenn die Gräser auf den Wiesen reif geworden sind, die Einwohner von Ruschitz, besonders die Weiber, alle in Einer Nacht, der Leba zuziehen, um die Körner des Halmes einzusammeln. Es ist ein weiter Weg und eine mühsame Arbeit; und die Leute laufen überdies Gefahr, als Diebe angehalten und bestraft zu werden, weil sie auf fremden Grund und Boden gehen. Allein sie müssen sich das Alles gefallen lassen, damit die Herrschaft sie nicht von ihren Höfen jagt.
Vgl. Pomm. Provinzial-Blätter von Haken, IV. S. 353. folg.
275. Der Bettler auf der Insel Oie.
Unfern der Mündung der Peene, ungefähr eine oder anderthalb Meilen in die Ostsee hinein, liegt die kleine Insel Oie. Sie gehörte früher zur Marien-Kirche in Greifswald; seit mehr als hundert Jahren ist sie aber schon zum Kirchspiel Kröslin eingepfarrt. Die ganze Insel wird von ungefähr dreißig Menschen bewohnt, die aus drei Familien bestehen, und auch nur in drei Häusern wohnen.
Bis vor dreißig Jahren war noch niemals ein Bettler auf der Insel gewesen. Da geschah es einmal in einem strengen Winter, als die See von Peenemünde bis nach der Insel hin zugefroren war, daß ein Bettler auf den Einfall kam, die Eisbahn zu benutzen und auf der kleinen Insel zu betteln. Der alte Mann kam, ohne daß ihn Jemand bemerkt hatte, auf der Insel an, und stellte sich sogleich in die offne Thür des ersten Hauses, auf welches er traf. Allda fing er auch sofort nach Bettlerart zuerst an, ein kurzes Gebet herzusagen, und dann ein frommes Lied zu singen. Auf solche Weise hatten die Oier das Wort Gottes noch niemals gehört; Alles, was in dem Hause war, stürzte heraus zu dem armen Manne, und holte ihn in die warme Stube, wo er bewirthet und reichlich beschenkt wurde. Dann führten sie ihn im Triumphe zum nächsten Hause, wo er wiederum singen und beten mußte, und worauf er nun von Allen zum dritten Hause geführt wurde, so daß hier die Insel, Groß und Klein, Herrschaft und Gesinde, um ihn versammelt war. Die guten Leute überschütteten ihn mit Kleidern und Lebensmitteln, daß er nicht im Stande war, Alles fortzutragen. Auch Geld bekam er, dreifach so viel, als er hatte erwarten können; die Dienstboten allein hatten über drei Thaler für ihn aufgebracht. Als er endlich die Insel verließ, waren die Leute ordentlich traurig, und er mußte ihnen versprechen, daß er recht bald wiederkommen werde.
Pommersche Provinzial-Blätter, II. S. 43.
276. Die Steinprobe.
In der Stubnitz auf Rügen, nicht weit von dem Herthasee, findet man einen Stein, in welchem man deutlich die Spuren eines großen Fußes und eines ganz kleinen Kinderfußes abgedrückt sieht. Davon erzählt man sich Folgendes: Zur Zeit als noch der Dienst der Göttin Hertha auf der Insel bestand, war unter den Jungfrauen, die der Göttin zu ihrem Dienste geweihet waren, ein junges und sehr schönes Mädchen; diese, obgleich sie der Göttin ewige Jungfrauschaft hatte geloben müssen, hatte eine Liebschaft mit einem fremden jungen Ritter, mit dem sie allnächtlich heimliche Zusammenkünfte an den Ufern des heiligen Sees hielt. Sie hatte ihre Liebe aber nicht so geheim halten können, daß nicht dem Oberpriester der Göttin Kunde davon geworden wäre. Diesem wurde es hinterbracht, daß eine der Jungfrauen strafbarer Liebe pflege: nur
welche
es sey, konnte man ihm nicht sagen. Der Priester stellte alle Jungfrauen zur Rede; aber keine bekannte, auch die Schuldige nicht, obgleich sie die Folgen ihres verbotenen Umgangs schon verspürte und sich Mutter fühlte. Da rief er die Göttin an, daß sie ihm die Schuldige durch ein Wunder entdecken möge, und er führte nun sämmtliche Jungfrauen in den Wald zu einem großen Opfersteine. Dort befahl er ihnen, daß sie eine nach der andern mit nacktem Fuße auf den Stein treten mußten. Das thaten sie, und als die Schuldige den Stein betrat, da offenbarte sich plötzlich ihr Vergehen; denn nicht nur ihr eigner Fuß drückte in dem harten Steine sich ab, sondern auch der Fuß des Kindes, das sie unter ihrem Herzen trug. Dies sind die Fußspuren, die man zum ewigen Wahrzeichen noch jetzt in dem Steine sieht. Der Priester soll darauf die Sünderin oben von der Stubbenkammer haben in das Meer stürzen lassen; aber ein Engel hat sie, wie die Leute sagen, in seine Arme genommen und sanft hinuntergetragen; und unten hat ihr Geliebter schon auf sie gewartet und sie in seinem Schiffe mit sich genommen in seine ferne Heimath.
Einige erzählen, der Priester habe die Schwangerschaft der Priesterin entdeckt, und wie er sie vergebens zu einem Geständniß ermahnt, habe er sie zuletzt jene Probe bestehen lassen, worauf dann das Wunder sich begeben. Das Mädchen soll darauf in dem heiligen See ertränkt seyn.
Mündlich.
Ein Rügenscher Dichter hat übrigens diese Sage in folgende Verse gebracht, welche auf der Insel Rügen ehr verbreitet sind:
Die Steinprobe.
(Eine Rügische Sage.)
Auf der Stubnitz waldumkränzten Höhen,
In des Haines stiller Dunkelheit,
Stand, wo wir noch jetzt die Stätte sehen,
Eine Burg, dem Hertha-Dienst geweiht.
In der Götter schauerlichen Hallen
Sah man Rügens schönste Mädchenschaar;
Eine
mußte ihr zum Opfer fallen
Von den Priesterinnen jedes Jahr.
Aus den edelsten Geschlechtern strebten
Holde Jungfrau'n dieser Ehre nach;
Wonnetrunken ihre Herzen bebten
An der Weihe feierlichem Tag.
Aber Allem mußten sie entsagen,
Was des Lebens Lenz uns Schönes beut,
Durften kaum entfernt zu ahnen wagen
Treuer Liebe stille Seligkeit.
Wie die Sonne alle andern Sterne
Weit an Glanz und Schönheit überstrahlt,
Glänzt von Rügens Jungfrau'n nah und ferne
Wunna,
kaum erst sechszehn Sommer alt.
Früh bestimmte schon der Aeltern Wille
Sie zum Dienst der Göttin; aber ach!
Gumbert
liebte sie, und in der Stille
Hingen Beide ihrer Liebe nach.
Als sie nun in Hertha's finstern Hallen
Ihren Dienst mit trübem Sinn versah,
Wagte
Gumbert
oft dahin zu wallen,
Jeden Abend stand er lauschend da.
Wunna
schlich, wenn Alle um sie ruhten,
Leise durch die Pforte in den Hain
Und genoß dort selige Minuten
Bei der Sterne mildem Dämmerschein.
Bald vernahm der Priester schon die Kunde,
Daß der Jungfrau'n eine ihn betrog
Und in stiller mitternächt'ger Stunde
In die Arme eines Jünglings flog.
Drob ergrimmt' er sehr und ließ erscheinen
Alle Priesterinnen, solche That
Streng zu rächen an der schuld'gen
Einen;
Wunna
bebte, als sie vor ihn trat.
Doch die Schuld'ge wußt' er nicht und fragte;
Alle schwiegen,
Wunna
schöpfte Muth;
Keiner hielt sie für die Angeklagte,
Denn sie war so fromm und schön und gut.
Laut erscholl des Priesters zornig Wüthen,
Gleich dem Donner durch den öden Thurm,
Und die sonst so bleichen Wangen glühten
Wie der Abendhimmel vor dem Sturm.
»Folget mir hinaus!« rief er, und Alle
Thaten schweigend, wie sein Wort gebot.
»Eh' ich diesen Frevel dulde, falle
Diese Burg und gebe mir den Tod!«
Hundert Schritte aufwärts in dem Haine
Steht er still und winkt der Mädchen Schaar.
»Hier,« ruft er, auf diesem breiten Steine
»Wird die Schuldige uns offenbar.«
»Nackten Fußes tretet auf die Mitte
Dieses Steines nach einander hin;
An dem deutlich eingeprägten Tritte
Kennen wir die freche Sünderin.«
Sprach's, und Alle schritten kühn hinüber;
Wunna
blieb zuletzt. Noch keine Spur.
Ach da wurden ihre Augen trüber
Und sie wankte, bleich und zitternd, nur.
Trat hinauf. Doch wehe! schallt's im Haine
Aus des Priesters und der Jungfrau'n Mund.
In dem wunderhaften Göttersteine
Thaten sich zwei Spuren deutlich kund.
Von dem eig'nen Fuße war die eine
Und die and're zart wie Kindestritt.
Deutlich war die Schuld, als sie vom Steine
Bleich und überrascht herniederschritt.
Was sie selbst sich nicht gestehen wollte,
Ja, was ihr vielleicht noch Räthsel war,
Daß sie nämlich Mutter werden sollte,
Lag nun Aller Augen offenbar.
Gleich dem Aar, der mit gespreizten Klauen
Pfeilschnell auf die Beute niederfährt
Und das Lamm von unbewachten Auen
Mit sich führt, weil ihm kein Schäfer wehrt,
So umfaßt mit grimmig-starken Armen
Schnell der Priester
Wunna's
zarten Leib;
Reißt sie fort ohn' jegliches Erbarmen,
Fast zerdrückend das ohnmächt'ge Weib.
Droben auf der hohen Stubbenkammer
Hält er an, und mit gewalt'ger Wucht
Stürzet er, – o unerhörter Jammer! –
Wunna
in die tiefe Bergesschlucht.
Doch mit ew'ger Liebe und Erbarmen
Schützet auch den Sünder Gottes Hand;
Engel trugen
Wunna
auf den Armen
Sanft hernieder an des Meeres Strand. –
Als aus langem Schlummer sie erwachte,
Lag sie an des Jünglings treuer Brust;
Und der Liebe goldne Sonne lachte
Ihrem Leben nun in reiner Lust.
Wenn Du auf der Stubbenkammer weilest,
Wandle doch zum alten Götterhain,
Ehe Du von Jasmunds Fluren eilest;
Noch erblickst Du dort den Wunderstein. –
Welch ein Glück, daß wir in unsern Tagen
Sicher auf den breiten Steinen stehn,
Und daß unsre Tritte nicht mehr sagen,
Wie viel stille Sünden wir begehn.
277. Der Geist des Herrn von Kemnitz.
Das Dorf Kemnitz im Amte Eldena soll vor langen Zeiten von einem Herrn von Kemnitz erbaut seyn, der aus Mecklenburg gekommen ist, und von dem das Dorf seinen Namen erhalten hat. Mit diesem Herrn von Kemnitz soll es eine ganz besondere Sache gewesen seyn, hinter welche jedoch Keiner mit Gewißheit hat kommen können. Denn so wie er gestorben ist, hat man seinen Geist im Dorfe herumgehen sehen. Gewöhnlich ist er des Abends beim Dunkelwerden erschienen. Er hat dann in einem Wagen gesessen, der mit vier pechschwarzen Pferden bespannt war, und hat ein scharlachrothes Kleid getragen. An dem Kirchhofe ist er ausgestiegen, und auf denselben hinaufgegangen. Nach kurzer Zeit aber ist er zurückgekehrt und wieder abgefahren. Besonders häufig ist dies in der Herbstzeit geschehen. Seit vierzig oder funfzig Jahren ist er nicht mehr erschienen; aber es leben noch einige alte Leute im Dorfe, die ihn damals gesehen haben.
Mündlich.
278. Die alte Stadt Grimmen.
Die Stadt Grimmen, die jetzt nur etwa 400 Häuser und 3000 Einwohner hat, soll in alten Zeiten eine sehr große und bevölkerte Stadt gewesen seyn. Sie soll sich erstreckt haben bis an den rauhen Berg, der jetzt eine Viertelmeile weit von Grimmen liegt. Jetzt hat sie nur Eine Kirche; früher soll sie deren aber sieben gehabt haben. Eine davon mit einem großen Kirchhofe rund herum hat gestanden, wo das sogenannte Leichenviertel ist; man findet da auch beim Graben in der Erde noch Schädel und allerlei andere Menschenknochen. Die Stadt soll in einem schweren Kriege erstört seyn; an dem rauhen Berge soll die große Schlacht gewesen seyn; man findet dort noch jetzt viele Menschengebeine, die von den erschlagenen Kriegern herrühren sollen. Auch spukt es dort, weshalb sich bei Nachtzeit kein Mensch gern in seine Nähe wagt.
Mündlich.
279. Der Mäusewagen in Grimmen.
In der Stadt Grimmen fährt jedes Jahr in der Walpurgisnacht ein Wagen mit vielem Gerassel durch alle Straßen. Er fährt so rasch und schwer, daß die Fenster an den Häusern zittern, wo er vorbeifährt. Wenn man nun hinaus auf die Straße sieht, so erblickt man eine große schwarze Kutsche, vor der vier kleine schwarze Mäuse gespannt sind. Auf dem Bocke sitzt ein Kutscher, der einen großen Hut trägt und einen Hühnerfuß hat. Wer in der Kutsche sitzt, weiß man nicht.
Mündlich.
280. Die sieben eingemauerten Bauern zu Turow.
In dem Kreise Grimmen liegt ein großes adliges Schloß, Turow geheißen; rund um dasselbe läuft ein tiefer und breiter Graben, der erst vor ungefähr zweihundert Jahren entstanden ist. Zu der damaligen Zeit lebte nämlich auf dem Schlosse ein Edelmann, Namens Bono; der ließ durch seine sieben Bauern, die zu dem Schlosse gehörten, den Graben machen. Er hatte ihnen ein gutes Tagelohn versprochen, und die sieben Bauern arbeiteten drei volle Jahre daran, alle Tage und mit ihren Weibern und Kindern, damit sie desto eher zu ihrem Lohne kommen möchten. Der Schloßherr rechnete auch alsbald mit ihnen ab, als sie fertig waren. Allein er machte ihnen so viele Gegenrechnungen, für Essen und Trinken, so er ihnen gegeben, für Schippen und Spaten, so sie ihm verdorben, und für andere Sachen, daß die Bauern nicht mehr als sieben Schillinge, also der Mann einen Schilling für alle drei Jahre, heraus haben sollten. Damit wollten die Bauern nicht zufrieden seyn, und sie beschwerten sich bitter bei dem Herrn. Anfangs drohete er ihnen; auf einmal aber gab er ihnen gute Worte, und versprach ihnen ihren vollen Lohn, sie sollten nur mit ihm kommen in eine Stube, die hinten im Schlosse lag, da wolle er ihnen Alles auszahlen. Also lockte er sie in die entlegene Stube, und wie er sie alle sieben darin hatte, ließ er sie lebendig darin einmauern, daß sie eines jämmerlichen Todes sterben mußten.
Als nun aber das Winseln des Letzten nicht mehr gehört wurde, da fuhr auf einmal der Teufel in den Schloßherrn, und ließ ihm keine Ruhe mehr, bis er oben in seine Stube ging, und sein Gewehr von der Wand nahm, und sich damit eine Kugel durch den Kopf schoß, daß das Blut bis oben an die Decke spritzte.
Diese Blutflecke sieht man noch jetzt dort; man hat sie mit keiner Kunst vertilgen können, und wenn die Stellen auch zwanzigmal hinter einander überweißt werden, so kommen sie doch jedesmal gleich wieder zum Vorschein. Auch die Knochen der sieben eingemauerten Bauern liegen noch unten in der Stube; es darf kein Mensch sie von da fortnehmen. Den Schloßherrn und die Bauern sieht man jede Nacht herumspuken.
Mündlich.
281. Der Schatz in der Vollmondsnacht.
Hinter dem Hause des Bäckers Meier in der Langenstraße zu Greifswald ist ein kleiner Garten. In diesem ist, wie die Leute sagen, ein Schatz vergraben, den der Teufel bewacht, der aber alle Jahre einmal in einer Vollmondsnacht zum Vorschein kommt. Er leuchtet dann im Mondlichte und sieht aus, wie ein großer Haufe brennender Kohlen. In dem Hause diente einstmals eine schläfrige Magd, die gewöhnlich des Morgens die Zeit verschlief, und deshalb zum öftern von ihrer Frau ausgescholten wurde. Als die zu einer Zeit aus dem Schlafe erwachte, sah sie, daß es schon ganz hell war, worüber sie sehr in Schrecken gerieth; denn sie meinte, sie hätte sich wieder verschlafen. Sie lief deshalb geschwinde in die Küche, um Feuer anzumachen. Wie sie aber aus dem Fenster sah, welches in den Garten führte, gewahrte sie, daß dort schon ein Feuer brannte. Sie verwunderte sich zwar, wie das Feuer dahin käme; aber in ihrer Eile freute sie sich auch, daß sie nun nicht erst lange welches anzumachen brauche, und sie nahm eine Schüppe und ging damit in den Garten, und holte sich die voll Kohlen. So wie sie indeß damit wieder in die Küche kam und sie auf den Heerd legte, erloschen sie auf einmal alle zusammen. Sie ging daher in den Garten zurück, und holte sich noch eine Schüppe voll, die aber auf gleiche Weise verlöschten. Darauf ging sie zum dritten Male zu dem Feuer in den Garten. So wie sie aber jetzt dabei ankam, erscholl auf einmal hinter den brennenden Kohlen her eine schreckliche Stimme, die rief: Wenn du nun noch einmal kommst, so drehe ich dir den Hals um! Darüber erschrak das arme Mädchen so gewaltig, daß sie kaum ins Haus zurücklaufen konnte. Als sie dies erreicht hatte, schlug gerade die Glocke auf dem Nicolaithurme Ein Uhr Nachts, und mit dem Schlage war das Feuer im Garten verschwunden. Da entsetzte sie sich noch mehr, und sie ging eilig in ihr Bett zurück, wo sie aber die ganze Nacht kein Auge mehr zuthun konnte. Wie sie am anderen Morgen an den Heerd kam, lagen lauter blanke Thaler darauf. Nun erkannte sie, daß sie um Mitternacht bei dem vom Teufel bewachten Schatze gewesen sey, und daß das Licht des Vollmonds sie glauben gemacht hatte, sie hätte sich verschlafen.
Mündlich.
282. Die Wenden-Glocken im Wirchow-See.
In Pommern liegt ein See, der Wirchow- oder Würchow-See geheißen. An der westlichen Spitze desselben ist ein Dörfchen, welches gleichfalls den Namen Wirchow führt. An der östlichen Spitze liegt das Dorf Sassenburg. In alten Zeiten wohnten in dieser Gegend die Wenden. Besonders hatten sie in dem Dorfe Sassenburg ihre Wohnsitze, welches aber damals den Namen Wirchow hatte. Sie hatten daselbst eine große schöne Kirche, und in dem Kirchthurm hingen die schönsten Glocken des ganzen Landes. Da geschah es vor vielen hundert Jahren, daß die Sachsen in das Land einwanderten, und sich zu Herren machten, die armen Wenden aber verachteten und unterdrückten. Denen gefiel auch das schöne Dorf, so damals Wirchow hieß, und sie vertrieben die Wenden daraus, und ließen sich darin nieder, nannten es auch von nun an Sassenburg. Die verjagten Wenden zogen darauf an die andere Seite des Sees und gründeten dort ein neues Dorf, welches sie zum Andenken an das alte auch Wirchow nannten, wie es noch jetzt geheißen wird. Aus ihrem alten Wohnsitze hatten sie nichts mitnehmen können, als die schönen Kirchenglocken. Ueber diese freuten sie sich aber sehr, denn sie waren das einzige Andenken, das ihnen von dem Dorfe ge blieben war, in dem sie geboren waren, und in dem ihre Eltern und von so Manchen die Kinder begraben lagen. Allein auch dieses Andenken wollten ihnen die Sachsen nicht lassen. Diese erschienen auf einmal in dem neuen Dorfe Wirchow, nahmen die Glocken mit Gewalt fort, um sie in ihren Schiffen über den See nach Sassenburg zu bringen. Wie sie aber mitten auf dem Wasser waren, da erhob sich auf einmal ein schrecklicher Sturm, der ihre Schiffe gegen einander trieb, daß sie eins das andere zerschellten und zerbrachen, und die Sachsen einen erbärmlichen Tod in den Wellen fanden. Die Glocken gingen mit ihnen zu Grunde. Die Leute sagen, von den Glocken allein sey dieses Unglück hergekommen, denn die hätten nicht von den Wenden lassen und den Sachsen dienen wollen; darum wären sie lieber in dem See zu Grunde gegangen. Sie liegen noch unten in dem Wasser, und es kann sie Niemand heraufholen. Zu gewissen Zeiten kann man sie dort hören; sie singen dann, wie mit menschlichen Stimmen, ein Klagelied, daß sie da unten auf dem Grunde liegen müssen, und nicht zu den Wenden zurückkönnen.
Mündlich.
283. Der Geist des Bürgermeisters Rubenow.
Vor ungefähr 400 Jahren hat in Greifswald ein Bürgermeister gelebt, Namens Doctor Heinrich Rubenow. Demselben hat die Stadt zwar Vieles zu verdanken gehabt, indem es besonders seinen Bemühungen gelang, daß die Universität nach Greifswald kam. Er war aber auch von unruhigem und rachsüchtigem Gemüthe, so daß er die Stadt in viele Streitigkeiten verwickelte, und mancherlei Ungemach über sie brachte. Wenn er dann zur Verantwortung gezogen wurde, so wußte er sich immer herauszureden, und er wurde aus einem Angeklagten ein Ankläger. So ließ er noch zuletzt den anderen Bürgermeister, Diedrich von Dörpten, als einen Aufrührer zum Tode verurtheilen und auf offenem Markte hinrichten. Auf solche Weise hatte er sich viele Feinde gemacht, und sein Ende war, daß er im Jahre 1462 auf jämmerliche Weise ermordet wurde. Das sollen die Rathsherren selbst gethan haben. Man sagt auch, daß es in seinem eigenen Hause geschehen sey, und zwar unten auf dem Hausflur, gleich an dem dort befindlichen Hals der Kellertreppe. Denn in diesem Hause, welches in der Baaderstraße liegt, und jetzt von dem Bürgermeister Billroth bewohnt wird, sieht man noch oft des Abends seinen Geist. Er erscheint gewöhnlich mit Peitschenknall. Er sieht sehr bleich aus, und trägt eine große Pelzmütze. Man sieht ihn nur in der Gegend des Kellerhalses, hinter dem er auch wieder verschwindet.
Mündlich.
Abergläubische Meinungen und Gebräuche in Pommern und Rügen.
1.
In Kassuben muß jeder Anverwandte dem Todten etwas von dem Seinigen mit in den Sarg geben, einige Haare vom Kopfe, ein Läppchen von seinem Rocke, vom Hemde, vom Halstuch o.d.g. Den gewesenen Säufern wird auch ein Fläschchen mit Branndwein in den Sarg gelegt. Die Kassuben halten sehr geheim mit ihrer Meinung bei diesem Gebrauche, der aber noch aus der Heidenzeit her bei ihnen besteht.
Pomm. Provinzial-Blätter, III. S. 425.
2.
Die Kassubischen Hochzeiten werden immer an Wochentagen gehalten. Am nächsten Sonntage darauf hält das neue Ehepaar seinen Kirchgang, um Gott für die glücklich und nach christlichem Gebrauch vollendete Hochzeit zu danken. In der Zwischenzeit nun von der Hochzeit bis zum Kirchgange darf die junge Frau ja nicht ihre Eltern besuchen; sie würde sonst während ihrer ganzen Ehe kein Glück haben. Wenn sie unterdeß etwas mit ihnen zu sprechen hat, so darf sie zwar auf ihren Hof gehen, aber nicht über die Schwelle des Hauses. Sie bleibt vielmehr draußen vor der Thüre stehen, und schreiet dort so lange aus Leibeskräften, bis Jemand herauskommt, wo sie dann ihr Anliegen vorbringt und darauf schnell wieder umkehrt.
Pomm. Provinzial-Blätter, II. S. 470.
3.
Sowohl in Kassuben, als auch in manchen anderen Gegenden Pommerns ist die halb christliche, halb heidnische Sitte, daß die Wöchnerin, wenn sie ihren Kirchgang hält, während des Gesanges ihr Kind auf den Arm nehmen und damit, von allen ihren verheiratheten und unverheiratheten Bekanntinnen gefolgt, rund um den Altar gehen muß. Dann kniet sie vor demselben nieder, und wird nun von dem Pfarrer, während er dem Kinde die Hände auflegt, feierlich eingesegnet. Stirbt die Wöchnerin im Kindbette, bevor sie ihren Kirchgang hat halten können, so wird ihre Leiche, gefolgt von dem ganzen Trauerzuge, zuvor rings um die Kirche getragen, wie sie beim Leben um den Altar hätte gehen müssen, und dann erst zum Grabe gebracht. Bei dem Kirchgange muß die Wöchnerin selbst ein Opfer auf den Altar legen; bei diesem Leichenzuge aber steckt Jemand aus dem Gefolge statt des Opfers heimlich ein Stück Geld in eine Mauerspalte der Kirche, damit die Seele der Frau Ruhe habe.
Pomm. Provinzial-Blätter, III. S. 475.
4.
In Hinterpommern, besonders in der Gegend von Cöslin, haben sich auf dem Lande noch mehrere sonderbare Hochzeitsgebräuche, wahrscheinlich Wendischen Ursprungs, erhalten, auf welche mit abergläubischer Strenge gehalten wird, da sonst in der Ehe kein Glück und Segen soll bestehen können. Wenn nämlich die Trauung, die immer in der Kirche vollzogen wird, zu Ende ist, und der ganze Hochzeitszug sich nun zum Hochzeitshause begiebt, so muß dieses ja fest verschlossen seyn. Es wird erst nach einer Weile geöffnet, und es tritt dann Einer mit einem ganzen Brodte und einem Kruge Bier heraus vor die Thür. Aus dem Brodte muß hierauf zuerst die Braut ein Stück herausbeißen, dann der Bräutigam, und dann alle Uebrigen nach der Reihe. Diese ausgebissenen Stücke dürfen aber nicht gegessen werden; sie werden vielmehr den Brautleuten gegeben, die sie aufheben müssen. Bevor man sich alsdann zum Hochzeitsschmause niedersetzt, wird in einigen Gegenden, namentlich im Treptowischen, die Braut von der Köchin an den Heerd geführt, wo sie von jedem Gerichte aus allen Töpfen und Kesseln kosten muß. Bei Tische sitzen beide Geschlechter gesondert; der Bräutigam mit den Mannspersonen sitzt in der Stube, die Braut mit den Frauenzimmern im Hausflur. Vor der Braut sowohl als vor dem Bräutigam muß während des Essens ein hölzerner Leuchter stehen, mit drei Armen, auf dem drei Lichter brennen; diese Lichter dürfen weder geputzt noch ausgelöscht werden, sondern müssen von selbst erlöschen. Erlöschen sie, ohne daß sie abgebrannt wären, so müssen die übrig gebliebenen Enden sorgfältig aufbewahrt werden.
Brüggemann, Ausführliche Beschreibung von Vor-und Hinterpommern, I. S. LXVIII.
5.
Irrlichter sind die Seelen der Kinder, die ohne Taufe gestorben sind. Sie müssen bis zum jüngsten Tage am Wasser herumirren.
Mündlich.
6.
In manchen Gegenden von Pommern glauben die Leute, es könne kein Mensch, der im Sterben liege, eher erlöset werden, als bis er sich beim Prediger habe anmelden lassen.
Mündlich.
7.
Wenn man einem Todten die Augen oder den Mund nicht gut zumachen kann, so ist das ein Zeichen, daß aus dem nämlichen Hause bald wieder Einer sterben muß.
Mündlich.
8.
Wenn die Störche im Frühjahre viele weiße Federn haben, so giebt es ein nasses Jahr; ein trocknes aber, wenn sie wenige haben.
Mündlich.
9.
Auf der Insel Usedom ist eine Gegend, welche der Lieper Winkel heißt, und zu welcher sechs Dörfer gehören. Die Einwohner dieser Gegend zeichnen sich durch sonderbare Gebräuche aus. Manche davon legen eben kein vortheilhaftes Zeugniß für sie ab, insbesondere nicht für ihre Sittlichkeit. Manche sind aber auch sehr lobenswerth. So halten sie es unter andern für sündhaft und unglückbringend, wenn man mit dem Brode spielt; und wenn Einer zu solchem Spielen in ein Brod mit einem Messer hineinsticht, so sagen sie: er steche den lieben Gott ins Herz.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
10.
In fast ganz Vorpommern herrscht auf dem Lande die Sitte, daß man nicht mit Ringen, sondern mit Gesangbüchern sich verlobt. Auch dürfen sich Brautleute ja kein Messer schenken, das würde die Liebe zerschneiden.
Daselbst.
11.
In Pommern findet man häufig den Glauben, daß, wenn ein Wittwer oder eine Wittwe sich zum zweiten Male verheirathet, und der verstorbene Ehegatte etwas gegen diese zweite Heirath hat, derselbe während der Trauung rund um den Trautisch herumgehe. Es können ihn aber nur Sonntagskinder sehen. Den Ehen, wo solches passirt, pflegt man nichts Gutes zu prophezeihen.
Mündlich.
12.
(
Währwolf.
) Der Glaube an den Währwolf ist durch ganz Pommern verbreitet. Man muß sich einen Riemen umgürten, der aus dem Rücken eines Gehenkten geschnitten ist; auf solche Weise kann man sich in einen Währwolf verwandeln. Der Währwolf fällt besonders gern die Pferde an. In dem Dorfe Bork unweit Stargard lebte lange Zeit ein Mann blos davon, daß er jeden Abend um den Pferdeplatz im Dorfe herumging und geheimnißvolle Worte flüsterte, wodurch er die Pferde gegen den Währwolf und auch gegen andere Wölfe bannte, obgleich diese schon lange nicht mehr in der Gegend gesehen waren.
Mündlich.
13.
(
Alp.
) Der Alp, oder wie er gewöhnlich genannt wird: »Märt«, ist in Pommern sehr häufig. Der Märt reitet des Nachts auf den Schlafenden, und drückt sie, daß sie zuletzt keinen Athem mehr haben. Gewöhnlich ist er ein Mädchen, die einen schlimmen Fuß hat. Zu einer Zeit hatte die Tochter des Schmieds im Dorfe Bork bei Stargard einen kranken Fuß, und damals klagten besonders viele Leute, daß der Märt sie reite.
Mündlich.
14.
(
Rattenkönig.
) Auf der Insel Rügen glauben die Leute an einen Rattenkönig, der eine schöne goldene Krone trägt. Es soll der Teufel selbst seyn.
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
15.
(
Behexen der Pferde.
) Auf dem Darß giebt es viele Hexen und Zauberer, welche besonders ihre Freude daran haben, anderen Leuten die Pferde zu behexen. Man merkt solches Behexen gleich daran, daß die Thiere nicht mehr fressen wollen. Es giebt dann nur Ein Mittel, das aber auch ganz sicher hilft; man muß nämlich den Pferden einen gesalzenen Hering ins Futter legen.
Der Darß und der Zingst, von A.v. Wehrs, S. 142.
16.
(
Mittel gegen Hexerei.
) Vor einem Stocke oder Gefäße, welches von einem Kreuzdorn gemacht ist, verschwindet alle Hexerei, denn das Kreuz Christi soll von diesem Holze gewesen seyn. Darum werden auf dem Lande in Pommern die Butterstäbe nur aus Kreuzdornholz gemacht.
Mündlich.
17.
Wenn man das Fieber hat, so muß man zu einem vornehmen Herrn, am besten zum Prediger gehen, sich gehorsamst ein Butterbrod fordern, und damit fortgehen, ohne sich zu bedanken. Das hilft. Erst wenn dann das Fieber weg ist, darf man wieder kommen, und seinen Dank abstatten.
Mündlich.
18.
Das Blut wird mit folgendem Spruche besprochen: Blut! Blut! Blut! Steh still, steh still, steh still! Im Namen Gottes des Vaters †, des Sohnes †, des Heiligen Geistes †. Dabei müssen drei Kreuze gemacht werden. Dann muß man auf das Blut blasen, und nun die Worte und die Kreuzzeichen wiederholen.
Mündlich.
19.
Auf der Insel Rügen hat man zum Blutbesprechen auch folgende Formel:
O Wunder über Wunder,
Des Herren Grab ist hierunter!
Darauf stehen drei Blümelein,
Das Eine heißet Wohlgemuth †,
Das Andere heißet Demuth †,
Das Dritte heißet Blut stehe stille †,
Dieweil es ist des Herren Wille!
Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
20.
Die Rose, welche gewöhnlich »dat hilge Dink« genannt wird, wird auf folgende Weise besprochen: Man muß auf die Stelle, wo man die Rose hat, drei Kreuzzeichen machen, und dabei sprechen:
Herut, du vieten, splieten Ding
Du van de See, du wedde Brüg!
Do schast du in steken, do schast du in äten,
Do schast du in rollen, do schast du in kollen;
Dat schast du dohn, dat möst du dohn.
Herut schast du, herut möst du,
Du quälest mi, ik banne di!
Auch kann man folgende Worte sprechen:
Maria, St. Johannes, de fuhren rüber Sand, rüber See,
Wat wullen se do maken?
Do wullen se en Krütlein plücken,
Nich kellen, nich schwellen.
Wat wullen se mit det Krütlein maken?
Do wullen se dat böse hilge Dink mit stillen! –
Wenn man sich verbrannt hat, und den Schmerz stillen will, so muß man auf die verbrannte Stelle drei Kreuzzeichen machen, und dabei sprechen:
Wie hoch ist der Heben,
Wie roth sind die Reben!
Wie kalt ist des Todes Hand!
Und damit stille ich diesen Brand † † †.
Eben so sagt man, um den Zahnschmerz zu besprechen: Schmerz und Zahnwehdage, ik stille di und befehle di, du schast in de Deepe des Meeres fahren, und von doar nich eher wedder herut kamen, bet dat de andere Jungfrau Maria geboren werd; in dem Namen Gott Vaters †, Gott Sohnes †, und Gott heiligen Geistes †.
Daselbst.
21.
In Pommern giebt es viele Menschen, welche den Dieb besprechen können, daß er mit den gestohlnen Sachen nicht fort kann. Das nennt man den Diebessegen. In Stettin lebte vor noch wenigen Jahren ein Schiffszimmermann, Namens Frank, der verstand den Diebessegen, und sprach ihn in folgender Weise: Er ging um den Platz, auf welchem der Diebstahl befürchtet wurde, herum, von Osten nach Norden, bis er wieder zu der Stelle kam, von der er ausgegangen war. Dabei sprach er folgende Worte:
Da kommen drei Diebe gegangen.
Maria sprach: Peterus, Peterus, Peterus!
Binde, binde, binde! –
Ich habe gebunden mit eisernen Ketten,
Kein Mensch, als nur Einer, kann ihn davon retten!
Er soll sehen und hören die ganze Nacht,
Die Sterne am Himmel, den Glockenschlag,
Unempfindlich wie ein Block,
Steif wie ein Stock!
Die Lösung überlasse ich dir,
Den Schlüssel nehme ich zu mir!
Wird er schwarz, bleibt er weiß,
Es macht mir nicht im Geringsten heiß!
Nur keinen Vorwurf,
Gieb mir den Schuft!
Wenn nun nach solchem Bannspruch der Dieb kommt und stiehlt, so kann er mit dem Gestohlnen, sobald er es aufgeladen hat, nicht von der Stelle; er muß damit vielmehr die ganze Nacht stehen, bis zu Sonnenaufgang. Wenn die Sonne aufgeht, ist der Bann zwar gelöset, aber nun wird der Dieb in einen schwarzen Neger verwandelt, und der Banner kann niemals wieder einen Diebessegen sprechen. Darum muß der Banner auch vor Sonnenaufgang zu der Stelle zurückkehren, und den Dieb lossprechen. Dies that der alte Frank mit folgenden Worten:
Der Schlüssel, den ich habe,
Und immer bei mir trage,
Schloß auf das Grab des Herrn,
Ich leih' ihn dir sehr gern;
Der Schlüssel ist sehr groß;
Womit ich dich jetzt löse los!
Nach solchen Worten läßt der Dieb seine Bürde fallen, und läuft eilig davon. Festhalten darf man ihn nicht; man darf ihm nicht einmal Vorwürfe machen, denn sonst kann der Banner ebenfalls nie wieder den Diebessegen sprechen. Man muß vielmehr zu dem weglaufenden Diebe sagen: Gehe in Gottes Namen! – Dann wird er niemals wieder stehlen.
Dem alten Frank wäre es mit dem Diebessegen einmal beinahe schlecht ergangen. Er hatte eines Abends eine Baustelle besprochen, auf welcher er viele Spähne liegen hatte. In der Nacht verschlief er sich, und es war ganz nahe vor Sonnenaufgang, als er erst zu der Baustelle kam. Hier sah er seinen besten Freund stehen, der ihm hatte Spähne stehlen wollen, und der mit einer großen Last auf dem Kopfe, über und über voll Schweiß, da stand und nicht von der Stelle konnte. In der Eile und Angst hatte der alte Frank auf einmal den Lösungsspruch vergessen, der ihm gar nicht beifallen wollte. Es waren nur noch drei Minuten vor Sonnenaufgang. Da kam er zuletzt zu einem raschen Entschluß. Er nahm sein Messer, und schnitt die Erde unter den Füßen des Diebes ganz durch. Darauf gab er diesem einen Stoß, daß er mit seiner Last umfiel. Auf diese Weise wurde der Dieb befreit; eine Minute später wäre er ein Neger geworden.
Daselbst.
22.
Wenn Einem sieben Raben gerade entgegenkommen, so bedeutet das großes Unglück.
Mündlich.
23.
Wenn ein Hase über den Weg läuft, so bedeutet das Glück, wenn ein Wolf – Unglück.
Mündlich.
24.
Wenn man weiße Mummeln ins Haus bringt, so stirbt alles Vieh darin.
Mündlich.
25.
Das
second sight
der Schottländer ist auch fast durch ganz Pommern zu Hause. In einigen Gegenden an der Ostsee, besonders auf der ganzen Insel Rügen wird es durch den, den Etymologen noch immer räthselhaften Ausdruck: »wafeln« bezeichnet. Insbesondere ist der Glaube, daß man merkwürdige Begebenheiten an der Stelle, wo sie sich zutragen werden, mit leiblichen Augen vorher wahrnehmen, daß man sie »wafeln« sehen könne, in Rügen vorherrschend. Namentlich sieht man Feuersbrünste oder strandende Schiffe vorher wafeln. Ferner wafeln auch die versunkenen Städte, z.B. Arkona bei neblichtem Wetter, und Wineta am Ostermorgen.
Mündlich.
Schiffer-Gebräuche und Meinungen.
1.
Wenn ein neues Schiff gebaut wird, so muß man suchen etwas gestohlnes Bauholz in dasselbe zu bekommen, besonders zum Kiele, oder sonst zu einem Hauptstück. Denn solche Schiffe segeln vorzüglich des Nachts schnell. Man kann es den Schiffen bei Nacht gleich ansehen, ob gestohlnes Holz zum Bau verwendet ist. –
2.
Bei dem Bau eines neuen Schiffes muß man auf den ersten Hieb achten, der in den Kiel gethan wird. Wird dabei ein Feuerfunke sichtbar, so ist das ein Zeichen, daß das Schiff schon auf seiner ersten Reise zu Grunde oder sonst verloren gehen wird. –
3.
Beim Einsetzen des Großmastes in ein neues Schiff muß man unter denselben ein Stück Geld legen. Das Schiff wird dann viel Geld verdienen. Besonders gut ist es, wenn man eine alte, nicht mehr geltende Münze dazu nimmt. Ein Russischer Rubel thut auch sehr gute Dienste.
4.
Wie jedes, oder nach dem Glauben Einiger doch manches Schiff seinen Kalfater oder Klabatermann hat, der den Schiffer warnt, dem Schiffsvolke hilft und das Schiff bis zum letzten Augenblicke beschützt, ist schon unter den Sagen erzählt. –
5.
Ob zum Bau eines Schiffes windbrüchiges Holz genommen ist, besonders zum Mast, zum Bugspriet oder zu den Raaen, kann man bald merken; solches Holz knackt nämlich, wenn es stürmisches Wetter werden will. –
6.
Wenn der Besan- oder Großsegel-Baum knarrt, so bedeutet das, daß entweder der Wind still werden, oder der auf die nächste Windstille folgende Wind aus Osten kommen wird. –
7.
Wenn bei stillem Wetter ein Hund, ohne Veranlassung, die Nase hoch hält und schnuppert, so kommt der nächste Wind aus der Gegend, in welche die Nase gerichtet ist. –
8.
Wenn bei stürmischem Wetter die See überschlägt und einen hohlen, dumpfen Ton von sich giebt, so ist das ein Zeichen, daß es bald gutes Wetter werden wird. –
9.
Wenn man auf See ist, so darf man ja keinen Feuerbrand, auch nicht einmal eine glühende Kohle über Bord werfen, denn sonst giebt es gewiß Sturm. –
10.
Wenn der conträre Wind gar nicht nachlassen will, so muß man in die Gegend, aus welcher man den Wind zu haben wünscht, einen stumpfen Besen, jedoch ohne Stiel, über Bord werfen; man wird dann gewiß alsbald den gewünschten Wind haben. Ohne große Noth muß man aber von diesem Mittel keinen Gebrauch machen, denn man kann nicht wissen, wie stark der Wind wird und es kann leicht Sturm entstehen. Auch schadet man dadurch oft vielen anderen Schiffen. Daher entsteht manchmal großes Schimpfen und Streiten, wenn zwei Schiffe einander begegnen, und das eine dem anderen, welches mit gutem Winde segelt, einen solchen Besen entgegenwirft. –
11.
Ein Brand aus der Schiffsküche soll übrigens nach der Meinung Vieler dieselben Dienste thun. –
12.
Wenn man conträren Wind hat, so darf man am Bord ja nicht flicken oder nähen, denn sonst wird der Wind festgenähet, und kann nicht herum. Bei gutem Winde aber ist das Nähen sehr rathsam, denn dann wird er ebenfalls festgenähet, und man behält ihn. –
13.
Durch Pfeifen wird der Wind gelockt und verstärkt. Man darf daher ja nicht an Bord pfeifen, wenn Sturm ist, denn sonst wird dieser dadurch immer stärker. Bei schwachem Winde oder bei einer Windstille aber ist es sehr gut, wenn man in einem lockenden Tone pfeift. Weil man aber doch nicht wissen kann, ob der Wind dadurch nicht gar zu stark werden möchte, muß man zwischen dem Pfeifen dem Winde einige Schmeichelworte zusprechen, z.B.: kumm old Bröderken; kumm olle Junge! etc.
14.
Aeltere Schiffer brauchen gar nicht einmal zu pfeifen, um den Wind zu locken. Sie sind mit ihm schon bekannter, und brauchen sich nur ans Steuer zu stellen, und einige Male zu rufen: Kuhl up, oll Vader! kuhl up, kuhl up! (Kühl auf, frische auf, alter Vater!); binnen einer Viertelstunde kommt dann gewiß der gewünschte Wind. Sie dürfen aber nur halblaut und in schmeichelndem, vertraulichem Tone rufen, denn sonst möchte er doch etwas zu gewaltig kommen. –
15.
Wenn der Wind gut ist, so muß man ja nicht von ihm reden. Das kann er nicht vertragen, und er schlägt gleich um. Auch darf man ja keine Besorgniß äußern, daß er bald umschlagen könne. Am allergefährlichsten ist es, zu berechnen, wie bald man am Ziele seyn werde; denn man kann ganz gewiß seyn, daß man sich verrechnet, und zweimal rechnen muß. –
16.
Wenn auf der See Vögel an Bord kommen, so muß man sie ja nicht fangen, oder nach ihnen haschen; denn so wie man nach den Vögeln greift, wird man bald nach den Segeln greifen müssen, d.h. es wird Sturm kommen. –
17.
Um guten Wind zu bekommen, hat man auch noch ein anderes Mittel: man muß nämlich einen Besen ins Feuer werfen, und zwar mit dem Stiele nach der Gegend hin, aus welcher der Wind kommen soll. –
18.
Einen Todten darf man nicht über 24 Stunden an Bord behalten; sondern man muß ihn binnen dieser Zeit in See werfen; sonst dauert die Reise dreimal länger. –
19.
Um das Schiff vor dem Blitz zu sichern, muß man ein altes und gefundenes Hufeisen vor dem großen Mast über dem Verdeck annageln. Ein halbes thut dieselben Dienste. –
20.
Wenn ein Schiff beladen ist, so muß man aufpassen, wie es steht. Hat es dann Steuerbord-Schlagseite, so wird es eine gute und schnelle Reise haben; andern Falls aber eine lange. –
21.
Wenn ein Matrose wissen will, ob er lange auf dem Schiffe bleiben wird, so muß er das auf folgende Weise machen: Er muß nämlich, nachdem er »gemunstert« hat, sein »Scheu« sich rücklings über den Kopf werfen; fällt nun die Spitze nach der Thüre des Gemaches, so bleibt er nicht lange, fällt sie aber nach inwendig, so bleibt er lange am Schiffe. –
22.
Manchmal hat man »Nachtlichter« auf der See; besonders sind die auf der »Spanischen See« (dem großen Ocean); wenn man denen begegnet, so hat man bestimmt großen Schaden. Denn wenn auch manche gelehrte Leute sagen, die Flamme entstehe durch das Zusammenschlagen des salzigen Wassers; so ist das doch nichts, und man weiß vielmehr recht gut, daß da, wo solche Lichter sind, ein Mann, welcher der Teufel selbst seyn soll, sich in einer Theertonne auf der See herumtreibt. –
23.
In der Gegend vom Cap der guten Hoffnung treibt sich ein »Nachtkreuzer« in der See herum. Er kreuzt an alle Schiffe heran, und man sieht aus allen seinen Kanonenluken Feuer brennen; er kommt so nahe, daß man seine Segel hören kann; aber im Wasser rauschen hört man ihn nicht. Man muß sich vor ihm in Acht nehmen, daß man nichts von ihm annimmt, auch nicht einmal einen Brief zur Bestellung; denn dieser Nachtkreuzer soll sich einmal vor schon sehr langer Zeit, in großer Noth dem Teufel übergeben haben, wenn er eine glückliche Reise machen werde. Nachher ist ihm das leid geworden, und er hat dem Teufel den Contrakt aufgekündigt. Nun kann er niemals zu Hause kommen.
Zum Theil mündlich; zum größten Theil aber aus den Acten der Pommerschen Gesellschaft für Geschichte.
Fischer-Meinungen.
1.
Von der Seejungfer, die am Haff, und besonders am Papenwasser den Fischern bei ihrer Arbeit zusieht, und ihnen Glück bringt, ist schon in den Sagen erzählt. –
2.
In der Nacht vor Ostern, vor Pfingsten und vor Himmelfahrt muß man von des Abends bis zum Morgen die ganze Nacht durch arbeiten; denn niemals ist der Fischfang gesegneter. (Auffallend ist es, daß die Fischer in diesen Nächten wirklich ungewöhnlich viel fangen.) –
3.
Der Fischer darf nie sagen, wie viel er gefangen hat, sonst hat er kein Glück mehr. Soll er ja eine Antwort geben, so muß er immer weniger sagen, ungefähr nur die Hälfte von seinem wirklichen Fange. –
Anhang.
Das Tonnenabschlagen auf dem Darß.
Auf dem Darß hat man noch heut zu Tage ein altes Volksfest, das aus der heidnischen Wendenzeit herrührt, und dessen frühere religiöse Bedeutung man jetzt nicht mehr kennt. Es wird alljährlich zu einer gewissen Zeit gefeiert. Auf einem Anger in der Nähe des Dorfes werden alsdann zwei Pfähle aufgerichtet, in deren Mitte wird eine Pech- oder Theertonne, welche mit Birkenzweigen umwunden ist, aufgehangen, gerade so hoch, daß ein Reiter darunter herjagen kann. Das Fest, zu welchem das ganze Dorf zusammenkommt, beginnt damit, daß die unverheiratheten Burschen des Dorfes in der Versammlung langsam, im Paradeschritt, umherreiten. Voran gehen einige Musikanten. Dann reitet zuerst der vorjährige Tonnenkönig. Die Andere reiten, wie das Loos die Reihenfolge bestimmt hat. Reiter und Pferde sind mit Bändern, Federn, Knittergold, Blumen etc. bunt geschmückt.
Wenn sie so einige Male herumgezogen sind, begeben sie sich an das Ende der abgesteckten Rennbahn, und von hier aus jagt Jeder von ihnen, einzeln, Einer nach dem Andern, in derselben Reihe, in der sie vorhin geritten waren, im vollen Galop unter der Tonne weg, und schlägt mit einem Knittel an dieselbe. Dies dauert, da sie mehrere Pausen machen, oft mehrere Stunden, bis ein Stück der Tonne nach dem anderen heruntergefallen ist, und zuletzt nur noch ihr oberer Boden hängen bleibt, durch welchen der Strick geht, mit dem sie aufgehangen ist. Wer das letzte Stück von der Tonne abschlägt, der ist Tonnenkönig.
Dieser muß nun geschwinde machen, daß er fortkommt; denn wenn er nicht zuerst im Kruge ankommt, sondern einer von den übrigen Tonnenreitern ihn vorher einholt und einfängt, so muß er die ganze Gesellschaft freihalten. Er jagt daher im vollsten Galop hin, sobald er den glücklichen Schlag gethan hat, und es ist lustig anzusehen, wie alle seine Kameraden hinter ihm her jagen, und jeder ihn zu erreichen sucht, und wie alles Volk schreiend und lärmend hinterdrein rennt. Im Kruge kommt darauf Alles wieder zusammen. Er ist von außen und von innen mit Birkenzweigen und Schiffsflaggen geschmückt, und es wird darin, nachdem der König sich eine Königin gewählt hat, gezecht und getanzt bis zum zweiten Morgen.
Gewöhnlich wird dies Fest um die Johanneszeit gehalten. Mehrere benachbarte Dörfer feiern es nach einander, indem sie sich gegenseitig dabei besuchen.
Aehnliche Tonnenfeste, jedoch mit einigen Abweichungen, werden im Lüneburgischen und auf der Dänischen Insel Amak gefeiert.
Der Darß und der Zingst, von A.v. Wehrs, S. 89-93.
Verzeichniß der Werke, die zu den Pommerschen Sagen benutzt sind.
1. Des fürtrefflichen Hochgelahrten Herrn
Alberti Krantzii
Wandalia, oder: Beschreibung Wendischer Geschicht etc., transferiret und übersetzet durch
M. Stephanum Macropum
vom Andreasberge. Lübek, bei und in Verlegung Laurentz Albrechts, Buchhändlers, 1600.
2. Johannis Micrälii Sechs Bücher vom Pommerlande etc. Stettin und Leipzig, Johann Kunkel, 1723.
3.
Martini Rangonis Origines Pomeranicae etc. Colbergae, Georg. Bothius,
1684.
4.
Joh. Bugenhagii Pomerania etc., Gryphiswaldiae, Jac. Löfflerus,
1738.
5.
Valentini ab Eikstedt Epitome Annalium Pomeranie etc. Gryph. J. Löfflerus,
1728.
6.
Alberti Georgii Schwarzii Historia finium principatus Rugiae etc., Gryph. Typis Höpfnerianis,
1727.
7. Diplomatische Geschichte der Pommersch-Rügenschen Städte Schwedischer Hoheit, nach ihrem Ursprunge und erster Verfassung. Nebst angehängter Historie der Pommerschen Grafschaft Gützkow. Entworfen von Albert Georg von Schwarz. Greifsw. bei H.J. Struck (Mit einer vom 15. November 1755 datirten Vorrede von J.H. Dähnert, der dieses Werk nach dem Tode des Verfassers herausgegeben hat.)
8. Das große Pommesche Kirchen-Chronikon
D. Danielis Crameri etc.
Alten Stettin, Nic. Barthelt, 1628.
9. Pomerania, oder Ursprunk, Altheit und Geschichte der Völker und Lande Pomern, Cassuben, Wenden, Stettin, Rhügen, in vierzehn Büchern beschrieben durch
Thomas Kantzow,
weiland Geheimschreiber in der Fürstlich-Pommerschen Kanzley zu Wolgast, und aus dessen Handschrift herausgegeben von Hans Gottfried Ludwig
Kosegarten.
Greifswald, auf Kosten des Herausgebers 1816. II. Theil 1817.
10. Geschichte von Pommern bis auf das Jahr 1129, von Peter Friedrich Kanngießer. Greifsw. in Comm. der Univ. Buchh. 1824. (Auch unter dem besonderen Titel: Bekehrungsgeschichte der Pommern zum Christenthum.)
11. Geschichte des Herzogthums Pommern von den ältesten Zeiten bis zum Tode des letzten Herzogs, oder bis zum Westphälischen Frieden 1648. Von Johann Jacob Sell. Nach dessen Tode herausgegeben. Berlin, Flittner, I. und II. Th. 1819. III. Th. 1820.
12. Pommerbuch, oder vaterländisches Lesebuch für die Provinz Pommern. Herausgegeben von Karl Lappe. Stralsund, 1820.
13. Rügensche Geschichte. Ein Versuch von E.D. Gustav v.d. Lanken. Greifsw. a. Kosten d. Verf. 1819.
14. Märchen und Jugenderinnerungen von E.M. Arndt, Berlin, Realschulbuchhandlung, 1818.
15. Pommersche Sagen, in Balladen und Romanzen, von Ed. Hellm. Freyberg, Pasewalk und Prenzlau, in Comm. b.F.W. Kalbersberg, 1836. (Enthält neunzehn poetisch bearbeitete Pommersche Sagen.)
16. Berliner Kalender auf die Jahre 1837 und 1838. (In beiden namentlich die schätzbare »Geschichte von Pommern und Rügen« vom Professor Barthold in Greifswald.)
17. Chronik der Stadt Wolgast, von Carl Heller, Greifsw. gedr. bei Kuhnike, 1829.
18. Pommersches Magazin, herausgegeben von
D.
C.G.N. Gesterding. Greifswald und Stralsund, 1747-1782.
19. Pommersches Museum, von Demselben. Gedr. zu Rostock 1782-1787.
20. Pommersche Mannigfaltigkeiten, von Demselben, Neu-Brandenburg, 1796.
21. Pommersche Denkwürdigkeiten, gesammelt von Friedrich Rühs. Greifswald 1803.
22. Altes und Neues Pommerland, von Christian Schöttchen, Stargard 1721.
23. Nicolaus von Klempzen, vom Pommerlande und dessen Fürsten-Geschlecht-Beschreibung. Stralsund 1777.
24. Historische Nachricht von den alten Einwohnern in Pommern, auch von dero Religion und Bekehrung etc. von Christiano Zickermann. Stettin 1724.
25. Wahrhafftige erschreckliche newe Zeitung und Geschichte, so sich ausser und in der Stadt Stralsundt dieses jetzt lauffenden 97. Jahrs der minderzall zugetragen und begeben. Als das es zu unterschiedlichen malen Blut und Schwefel geregnet etc. Greifswald. 1597.
26.
Memorabilia Pomeraniae etc. quae etc. recenset etc. M. Christophorus Pylius. Sedini
(ohne Jahrszahl).
27. Stralsundische Chroniken, herausgegeben von
D.
G. Ch. F. Mohnike und
D.
E.H. Zober, Stralsund, 1833.
28. Baltische Studien, herausgegeben von der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. Stettin, 1833 fern.
29. Geschichte von Rügen und Pommern, durch F.W. Barthold, Prof. zu Greifswald. Hamburg 1839.
30. Der Darß und der Zingst, ein Beitrag zur Kenntniß von Neuvorpommern. Vom Hauptmann August von Wehrs. Hannover 1819.
31. Pommersche Provinzial-Blätter für Stadt und Land. Band 1 bis 5. Treptow a.d. Rega 1820-1823.
32. Jahresberichte der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde. Stettin 1827 etc.
33. Beiträge zur Geschichte der Kirchen und Klöster in Neuvorpommern, von Diedrich Herrmann Biederstedt. Vier Theile, Greifswald 1818 und 1819.
34. Altes und Neues Rügen, das ist, Kurtzgefaßte und umständliche Nachricht von demjenigen, was sowohl in
civilibus,
als vornehmlich in
ecclesiasticis
mit dem Fürstenthum Rügen von Anfang an bis auf gegenwärtige Zeit sich zugetragen etc. (von E.H. Wackenroder). Zu finden bei bei Jacob Löfflern, Buchhändler 1730.
35. Geschichte der Klöster in Pommern und den angränzenden Provinzen etc., von Johann Joachim Steinbrück, Prediger bei der St. Peters- und Paulskirche zu Alten-Stettin. Stettin 1796.
36. Neue und genaue geographisch-statistisch-historische Darstellung von der Insel und dem Fürstenthume Rügen. Zur näheren und gründlichen Kenntniß dieses Landes entworfen von Johann Jacob Grümbke, 2 Theile. Berlin, bei Reimer, 1819.
37. Topographische und chronologische Beschreibung der Pommerschen Kauf- und Handelsstadt Anklam, von Carl Friedrich Stavenhagen, Stadt-Secretair in Anclam. Greifswald 1773.
38. Beschreibung und Geschichte der uralten, ehemals festen, großen und berühmten Hansestadt Demmin etc., von Wilhelm Carl Stolle, Archidiacono an der St. Bartholomäikirche und Pastore zu St. Marien in Demmin. Greifswald 1772.
39. Ausführliche Beschreibung des gegenwärtigen Zustandes des Königl. Preußischen Herzogthums Vor- und Hinterpommern, von Ludwig Wilhelm Brüggemann, K. Preuß. Consistorialrath und Hofprediger bei der Schloßkirche zu Stettin. Stettin, 1779-1800. 5 Theile.
40. Geschichte und Beschreibung der St. Marien-Dom-Kirche zu Colberg. Vom
Dr.
I.G.W. Maaß, Königl. Superintendent und Oberprediger. Colberg 1837.
41. J.C. Dähnert, Pommersche Bibliothek (eine Zeitschr.) Greifswald 1753 folg.
42. Reise durch Pommern nach der Insel Rügen etc., von Joh. Friedr. Zöllner, K. Pr. Ober-Consistorialrath und Probst. Berlin, 1797.
43. Bartholomäi Sastroven Herkommen, Geburt und Lauff seines ganzen Lebens etc. Aus der Handschrift herausgegeben und erläutert von Gottl. Christ. Friedr. Mohnike, Consistorial- und Schulrathe etc. zu Stralsund. Greifswald 1823. 1824.