Prolog zur Magelone Absteigen muß ich jetzt von meinem Thron, Des heil'gen Lichtes Ankunft ahnd' ich schon, Die goldne Heerde merkt' die Abschiedsstunde Und kehret heim vom dunkeln Thalesgrunde; Die Schatten zittern, die mein Leben fühlen, Die Morgenröthe will mit Wolken spielen, All' meine Kinder wollen mich verlassen, Hülflos, erschreckt, weiß ich mich nicht zu fassen; Verfolgt, durchbohrt vom scharfen Strahl, dem glühenden, Sink' ich betäubt und stürze mit den fliehenden. – Mutter! Die Kinder, die schwebenden, In Aengsten erbebenden Nimm sie mit dir! – Weh! wohin fliehen? – Was uns deckte, wiegte, bewehrte, entziehen Die glühenden, blühenden Lichter uns hier. So enteilt, so flieht zu den dunkelsten Gestaden, Die unterird'schen Brunnen zu trinken, zu baden Im Geriesel tiefer Quellen –– wohin entrückt sind wir? – Uns kommt in süßen Grüßen ein stilles Leben, Wir wachen und fließen in Küssen zusammen, – Da schießen liebende Flammen Und zieh'n uns fort, dem heil'gen Strahl uns hinzugeben. Ich war gefangen! Wer hat mich befreiet Und aufgelöst des Hauptes düstre Binde? Mein Geist, mein Muth war mit sich selbst entzweiet, Angst, Trübsal, Furcht nahmen zu ihrem Kinde Das bange Herz, zu fremder Noth geweihet; Es floh das wüste Heer im Morgenwinde, Ein Hauch hat Traum und dunkle Nacht verzehret, Und mein Gemüth im Morgenlicht verkläret. Ich will zu meinem hohen Thron aufsteigen: Morgenroth, Diener, leg' die güldnen Decken, Zum Fußtritt durch die lichtazurnen Strecken, Ruf durch den weiten Raum ein heil'ges Schweigen: Schön will ich mich den Unterthanen zeigen, Wald, Berg, Thal, Fluß mit meinem Glanz bedecken, Das Luftgefieder schnell zum Gruß erwecken, Der Pracht soll Niedres sich und Hohes neigen. Die Vögel singen, Wasser rauschen, hallen Gebirg' und Wald, mein Auge dringt zum Dunkeln; Geblendet, trunken, kommt mir Dank von allen: Ein kühler Thau soll ihre Inbrunst lindern; Wie Wald, Strom, Thal und Berg von Pracht erfunkeln, Blüht doch mein Bild nur in den Blumenkindern! Wie grün neigt sich das Gras in unsre Wellen, Wie lieblich schaut die Blum' in unsre Fluth, Vom Himmel will sich Duft zu uns gesellen, Glanz dringt und Luft in unser kühles Blut, Wir fühlen in uns Lieb' und Leben quellen; O wie uns wohl der blaue Himmel thut! Wir gehn wie Gedanken, wie süßes Gefühl, die enteilenden; Uns drängen die Schwestern vorüber den Ufern, den weilenden. Denn ach! Du Ufergrün, du Blumenroth, du Scheinen Vom lieben Licht, das grüßend uns umfängt, Ihr möchtet euch so gern mit uns vereinen, Wie ihr euch tief in unser Auge drängt, Ihr spiegelt euch in Thränen, die wir weinen, Hört Schluchzen, das sich in die Rede mengt; Nur Bildniß, Erinnrung, in lieben Gedanken, sehnsüchtigen, Begleitet uns still, die vertriebenen Wandrer, die flüchtigen. Wer je mit Wollust schaute In seinem goldnen Strahl Den hohen Himmelssaal, Und seinem Licht vertraute; Wer in der tiefen Nacht Die goldnen Lichter fühlte, Mit Augen sehnend zielte Nach ihrer Liebes-Macht; Gern Mond und Sonne dann, Die Stern' all im Gemüth Verklärt als Liebe sieht: Der schau' uns Blumen an. Wir sind nicht hoch, nicht ferne, Tief, wie ein liebend Herz, Sich regt ein heitrer Schmerz Beim Anblick unsrer Sterne. Als der Frühling gekommen, Die Erde die Wärme empfunden, Die Luft durch Strahlen geläutert, Ist des Himmels Dunkel erheitert, Das Eis von den Wassern entschwunden, Sind grüne Pflanzen entglommen: Da haben meine Kinder Sich wiederum besonnen, Und ihren Schmuck nicht minder Wie Blumen rings gewonnen; Es sprangen tausend Bronnen Mit grünen Strahlen empor, Da wuchsen die dunkeln Schatten, Die kühle liebliche Nacht Aus dürren Zweigen hervor, Da schwebten über den Matten Die Dämm'rung, die Düfte, die Klänge, Die grünenden Betten der Liebesgesänge; Sie hat der Frühling in rauschender Pracht, Ein tönend Gezelt, Mit lieber Hand wieder aufgestellt. O Wald, was sagst du? welch ein süßes Blicken Von Blumen will mein Leben in sich ziehen? Wasser, steht still, mir dünkt, es will entfliehen Ein Wort in eurem Strom, mich zu beglücken. Sonne, du willst mir Licht hernieder schicken, Die Farben, die in Blumen sterbend blühen, Glanz, der im Grün erlöschend nur kann glühen, – Wozu Gesang, Strom, Licht und Blumenpflücken? Wie tiefe Nächte dehnt es sich im Innern, Wie Morgenroth will es die Nacht verschlingen, Wie milder Abend fließen müde Scheine. Uneinig trennt sich alles im Vereine: Wie alle Kräfte zur Besinnung ringen Kann ich nicht, was ich bin, mich selbst erinnern. Empor zum reinen Himmelslicht, dem blauen, Sieh' auf und fühl' in dir des Seegens Fülle, Durch dunkle Nacht blitz' auf ein kühner Wille, Dann wirst des Herzens Reichthum du vertrauen! Dann senken sich durch die verklärten Auen Die milden Wogen, fließen durch die Stille; Ahndend, was kühl in deinem Geiste quille, Wirst du dich süß im klaren Spiegel schauen. Dann regt ein süßer Trieb sich liebetrunken, Wasser und Licht sie wollen sich begatten, Es spielen vor dir Farb' und Freude schwebend. Angst, Zweifel, Furcht ist in die Nacht versunken, Friede, Vertrauen wächst auf in dichten Schatten, Süßer Gesang erfrischt das Laub froh bebend. Vernehm' ich nicht die allgewalt'gen Schwingen, Die der Natur erhabner Geist bewegt, Und wie er Berg, Wald, Luft und Ströme schlägt, Die Harf' im dunkeln Heiligthum erklingen? Aus Wollustdämmrung will ein Bild sich ringen, Das in der tiefsten Brust mein Geist gehegt, Und wie es Haupt und Glieder wachsend regt, Muß es in Schmerz und Lust zum Tag' hindringen. (Die Jungfrau tritt aus dem Walde.) Sie nah't, von der die Blumen mir gesprochen, In der des Lichtes Lieblichkeit erglänzt, Aus deren Aug' ein seelig Dunkel blickt: Nun ist mein Herz als Frühling aufgebrochen, Und jeder Sinn ist dicht mit Wonn' umkränzt, Mein bist du, Himmel! denn ich bin entzückt. Und Thränen, Liebster, wollen dich begrüßen, Denn dieses Glück, das seine ros'ge Hand Holdlächelnd beut, das leuchtend blickt mit süßem Erröthen, ach! ist es wohl hergesandt Mit Schmerz und Leid die flücht'ge Lust zu büßen, Ist dieser Gruß zum Scheiden schon gewandt? Vielleicht verharrt der Gast, sieht er die Demuth Und wie Entzücken sich verklärt in Wehmuth. O heilige Thränen O süßer Schmerz! Es bricht das Herz In Glück und Lust, Doch fühlt die Brust Ein stilles Kranken, Ein zitternd Sehnen, Sich hin zu senken In ew'ges Licht, Das nicht Gedanken, Entzücken nicht Und Schmerzen denken.