Die Kinderstube Ein neues Spiel ist aufgetan – das spielen die Kinder so gerne; sie spielens im Alt und Tenor und Sopran, in Berlin und der bayrischen Ferne. Krise! Krise der Intendanz! und es umschlingt dich ein Höllentanz: Der Kleiber und der Klemperer, der Walter und die Kemperer; der Knappertsbusch und der Richard Strauss, der Jeßner, der Reinhardt, das Opernhaus – gestern, morgen und heute – sehr prominente Leute. Bleibt Legal? Geht Tietjen? Ist Ziegel bereit? Wer inszeniert die ›Hose‹ ? In Deutschland gibt es um diese Zeit zwei Millionen Arbeitslose. Krise? Es wirtschaftet um dich her der überschätzte Kommissionär: Der Klemperer und der Kleiberer und mindere Zeitvertreiberer; der Walterer und der Doktor Klein – Gott grüß die Kunst! Eine Krise muß sein! Gestern, morgen und heute –: sehr prominente Leute. Das alles war schon einmal da – im Märze, im vorigen Märze. Da tanzte die Elßler den zierlichsten Pas, und es schäumte die Druckerschwärze. Der Horizont war lieblich verengt, das Theater hat alle hübsch abgelenkt . . . Und heute spielen sie grade so Biedermeier mit Radio: Der Kleiber und der Klemperer, der Walterer und die Kemperer; der Richard Strauss und der Knappertsbusch – Und keiner sagt: Kusch! Und keiner sagt: Kusch! Gestern, heute und morgen – Gott segne die deutschen Sorgen! Amen. · Theobald Tiger Die Weltbühne, 09.04.1929, Nr. 15, S. 563.