Wenn die Igel in der Abendstunde Für achtstimmigen Männerchor Wenn die Igel in der Abendstunde still nach ihren Mäusen gehn, hing auch ich verzückt an deinem Munde, und es war um mich geschehn – Anna-Luise –! Dein Papa ist kühn und Geometer, er hat zwei Kanarienvögelein; auf den Sonnabend aber geht er gern zum Pilsner in 'n Gesangverein – Anna-Luise –! Sagt' ich: »Wirst die meine du in Bälde?«, blicktest du voll süßer Träumerei auf das grüne Vandervelde, und du dachtest dir dein Teil dabei, Anna-Luise –! Und du gabst dich mir im Unterholze einmal hin und einmal her, und du fragtest mich mit deutschem Stolze, ob ich auch im Krieg gewesen wär . . . Anna-Luise –! Ach, ich habe dich ja so belogen! Hab gesagt, mir wär ein Kreuz von Eisen wert, als Gefreiter wär ich ausgezogen, und als Hauptmann wär ich heimgekehrt – Anna-Luise –! Als wir standen bei der Eberesche, wo der Kronprinz einst gepflanzet hat, raschelte ganz leise deine Wäsche, und du strichst dir deine Röcke glatt, Anna-Luise –! Möchtest nie wo andershin du strichen! Siehst du dort die ersten Sterne gehn? Habe Dank für alle unvergesserlichen Stunden und auf Wiedersehn! Anna-Luise –! Denn der schönste Platz, der hier auf Erden mein, das ist Heidelberg in Wien am Rhein, Seemannslos. Keine, die wie du die Flöte bliese . . . ! Lebe wohl! Leb wohl. Anna-Luise –! · Theobald Tiger Die Weltbühne, 04.09.1928, Nr. 36, S. 376, wieder in: Mona Lisa.