Das Gesetz Mann und Frau und Frau und Mann – nach dem Happy End fängt ihr Leben erst an . . . Wohnungsnot und Herzensnot machen manche Ehe tot. Warum läßt man sich denn nicht scheiden? 's fehlt an Geld – und der Schmutz und der Schmutz . . . Und so zerrinnt das Leben beiden – so wie sie, sind hunderttausend ohne Schutz . . . Und unterdes – da sitzen sie im Reichstagshaus und knobeln sich neue Gesetze aus; ein gutes für Scheidung ist nicht dabei – Hört ihr den Schrei? Hört ihr den Schrei? Hört ihr den Schrei? Paragraph 5, Ziffer 4, Absatz 3. »Hör mal, Willy – jetzt ists aus! Noch ein fünftes Kind hat keinen Platz im Haus!« »Heul nicht, Liese, das hat keinen Sinn . . . hier hast du ne Adresse – geh mal hin!« Die Olsch, die macht das im Tarife – aber schlecht – und die Frau geht ein. Dann setzt es anonyme Briefe, und vier Kinder sind nun ganz allein . . . Und unterdes – da sitzen sie im Reichstagshaus und knobeln sich neue Gesetze aus – Für manche ist die Frau eine Milchmeierei – Hört ihr den Schrei? Hört ihr den Schrei? Hört ihr den Schrei? Paragraph 5, Ziffer 4, Absatz 3. Kleiner Dieb, der wird gehängt – großer Verbrecher kriegt noch was geschenkt. Wer da ausbrennt Kriegessaat – das nennt der Richter Landesverrat. Zehntausend warten ungeduldig in den Zellen, geduckt wie ein Tier . . . Die sind vorm Paragraphen schuldig – aber Menschen, Menschen wie wir! – Wach auf, wach auf, Barmherzigkeit! Ein neuer Ton – eine neue Zeit! Recht und Recht sind immer zweierlei . . . Hört ihr den Schrei? Hört ihr den Schrei? Hört ihr den Schrei? Macht euch frei! Macht euch frei! Macht euch frei! · Theobald Tiger Arbeiter Illustrierte Zeitung, 1929, Nr. 41.