Deutsches Lied Blasse Kinder auf dem Hof (Nebenstraße – Westen) machen einen kleinen Schwof neben Müllschuttkästen. Käse-Teint und bleicher Schopf. Dürftiges Grün im Blumentopf auf zwei Fensterbrettern. Und die Stimmchen klettern: »Kaserne! Kaserne! Sonne, Mond und Sterne! Achtung! Richtung! Vordermann! Du – bist – dran –!« Tief geduckt im Ziegelbau hinter wuchtigen Laden sitzen krumm, in Kitteln blau, unsre Kameraden. Staatsanwalt, der schikaniert, Wärter, der sie malträtiert. Ihre Stimmen leiern in Preußen und in Bayern: »Kaserne! Kaserne! Sonne, Mond und Sterne! Achtung! Richtung! Vordermann! Du – bist – dran –!« Deutscher Gram und deutsches Leid. Ämter ohne Ende. Wucher, den ein Staat gefeit, und immer graue Wände. Wir sind schuld. Ein Schrei, der gellt. Aber draußen liegt die Welt. Wir sind ganz alleine. Und hören nur dies eine. »Kaserne! Kaserne! Sonne, Mond und Sterne! Achtung! Richtung! Vordermann! Du – bist – dran –!« · Theobald Tiger Die Weltbühne, 18.10.1923, Nr. 42, S. 381.