Ludwig Uhland Ludwig der Bayer Schauspiel in fünf Aufzügen Personen Personen. Ludwig, Herzog in Bayern, nachher König. Albrecht, Stephan, Otto, seine unerwachsenen Söhne. Friedrich der Schöne, Herzog in Österreich, Gegenkönig. Leopold, Herzog in Österreich, des Vorigen Bruder. Isabella, Friedrichs Gemahlin. Der päpstliche Legat. Friedrich von Zollern, Burggraf zu Nürnberg. Siegfried Schweppermann, Ludwigs Feldhauptmann. Dietrich von Plichendorf, Marschalk von Österreich. Adelram, Graf von Hals. Albrecht von Rindsmaul. Ein Schöffe von Landshut. Thomas, ein Bäcker von München. Steffen, dessen Sohn. Albertus, ein fahrender Schüler. Der Burgvogt von Trausnitz. Reichsfürsten. Der Prior von Maurbach. Ritter, Knappen, Kriegsvolk. Niederbayrischer Adel. Abgeordnete bayrischer Städte und andere Bürger. Frauen der Isabella. Edelknaben. Wächter. 1. Akt Erster Aufzug Saal im Schlosse zu München. Auf der einen Seite der Bühne die Abgeordneten bayrischer Städte, deren Sprecher ein Schöffe von Landshut, auf der andern kriegsgefangener Adel aus Niederbayern, worunter Graf Adelram von Hals. Das sind ja wohl die vielgetreuen Städte? Sie grüßen die gestrenge Ritterschaft. Der wackre Schöff von Landshut, seh ich recht? Zu Eurem Dienst, Graf Adelram von Hals! Ihr seid wohl hergekommen uns zum Hohn? Wir kamen, weil der Herzog uns berief. Des Fürsten Gnade macht die Bürger stolz. Ich merk, euch Herren ist's ein Dorn im Auge, Daß wir die Schwerter an der Seite haben, Indes ihr steht mit leerem Wehrgehäng. Bei Gammelsdorf, wo ihr die Schwerter strecktet, Dort standen wir euch Red auf Stich und Hieb, Doch hier ist Burgfried in des Herzogs Saal; Laßt ruhen hier das eitle Wortgefecht! Gefangen sind wir, aber nicht gebeugt. Das Kriegsglück wechselt, doch der Held ist der, Dem nie das adlige Gemüt entsteht. Der Herzog! Birg dich, glühend Angesicht! Herzog Ludwig tritt auf. Willkomm in meinem Haus, ihr Abgesandten Der bayr'schen Städte! Heimatliches München, Liebwerte Landshut, Moosburg, Ingolstadt Und Straubing, all ihr treuen, seid gegrüßt! Euch danken muß ich, darum hab ich euch Zu mir beschieden. Ja, das Vaterland Habt ihr gerettet in der blut'gen Schlacht. Auch euch beschied ich, Ritter Niederbayerns, Nicht um zu danken, wenig Dank verdient, Was ihr getan an eurem Land und mir. So ganz geblendet wart ihr, so betört, Daß ihr euch schartet unter Östreichs Fahnen, Daß ihr verheertet eurer Heimat Fluren Und eure Brüder schlüget mit dem Schwerte; Nein, nicht geblendet wart ihr, nicht betört: Aus bösem Willen und aus gift'gem Neid Habt ihr die Feinde selbst ins Land gelockt. Meint ihr, weil jetzt dem Reich ein Kaiser fehlt, Es sei gelöset aller Ordnung Band Und freigegeben jeder wilde Frevel? Ein Wort der Gegenrede sei vergönnt Den Angeschuldigten so schwerer Tat! Nach Herzog Otten, Eures Vetters, Tode Geziemt' es uns, dem Adel Niederbayerns, Den minderjähr'gen Fürsten einen Pfleger, Dem Lande zu bestellen einen Vogt. Friedrich der Österreicher deucht' uns gut, Der Fürsten Schwager; ihn beschickten wir, Und weil man ihm des Landes Tor verschloß, So wollten wir es mit den Schwertern öffnen; Drum nicht Verräter sind wir, nein, Verfechter Des teuren Vorrechts, das man uns gekränkt. Nein, Friedrich war der rechte Vormund nie; Der edle Ludwig ist's, der vor uns steht, Den Herzog Otto selber eingesetzt. Zu seinem Sterbelager rief er uns, Die Bürger, die von Landshut und von Straubing, Und auf die Häupter der unmünd'gen Waisen Ließ er uns angeloben, keinen sonst Als den erlauchten Ludwig zu erkennen Noch einzulassen. Und was wir gelobt, Das haben wir behauptet. Unerhört In allen Zeiten, daß ein Bayerfürst Je die Vollziehung seines letzten Willens Den Bürgern übertragen! Unerhört Ist manches, was die Zeit ins Leben treibt, Die nimmer rastende. Was herrlich war Und groß, das sinkt zusammen und vergeht; Was niedrig stand, erwächst und strebet auf. Auch unsre Städte, Frönerhütten einst, Sie dehnen sich, und weiter stets und weiter Zieht sich der Mauern und der Türme Kreis: Dort schafft der Fleiß, dort rührt sich das Gewerb, Dort lebt der Handel, dort erblüht die Kunst, Dort knüpft sich der gesellige Verein, Dort gründet sich, was tüchtig ist und frommt. Von ihren Toren strömt das Leben aus, Auf tausend Straßen dringt es durch das Land, Von Schiffen und von Flößen wogt der Strom, Und Bahn getreten wird durch das Gebirg Hoch über Felsen und der Alpen Eis. Indessen ihr, die ihr euch rühmen möchtet Des Landes Zierde, neidisch blickt ihr nieder Von euren Horsten in das blühnde Tal; Im Strauche lauert ihr dem Wandrer auf, Den Kaufmann werft ihr, führt das Saumroß weg, Zerstöret Brücken, brennt Herbergen ab, Nährt innre Fehde, ruft den äußern Feind. Sagt nun, bei wem ist unsres Landes Heil, Bei wem die Kraft, das Leben, das Gedeihn? Wem soll der Fürst vertrauen, wessen Schutze Die Seinen anbefehlen, wann er stirbt? Sprecht aus, gestrenger Herzog, welches Los Uns zugedacht ist! Eure Rede läßt Kein mildes hoffen, doch wir sind gefaßt. Zuerst geziemt es mir, des Dankes Pflicht Zu zollen. Wackre Bürger, tretet vor Und nehmt sie hin, die Gaben meiner Liebe! Wo sich das Leben drängt, wo der Verkehr Sich mannigfach durchkreuzet und verschlingt, Da braucht's vor allem Ordnung und Gesetz, Damit ein jeder ungeirrt vom andern In sichern Grenzen wandle seine Bahn, Damit nicht die Verwirrung in Gewalt Sich löse, sondern im gemeßnen Recht. Dies wohl bedenkend, haben unsre Städte Vorlängst gebeten, daß die Satzungen Der Väter und was in der Zeiten Lauf Aus eignem Leben, aus des Volkes Art Hervorgegangen, daß es unvermengt Mit fremder Weisheit in des Landes Sprache Gesammelt werde und in Schrift gefaßt. Es ist geschehn: Das neue Rechtsbuch liegt Hier aufgeschlagen. Schöpfet alle draus! Ein reicher Quell des Segens sei es euch Und euren Kindern! Und ein Denkmal sei's Des Fürsten, der dem Volk ein Vater ist! Je fester so im Innern euer Wesen Sich gründet, um so rüst'ger werdet ihr Dem Feind begegnen, der von außen dräut. Längst seid ihr wehrhaft, ja ihr habt's erwiesen, Als ihr gestürmet Östreichs Wagenburg. Drum, daß dem Mute sein Wahrzeichen nicht, Der Ehre nicht ihr freudig Wimpel fehle, Hab ich anstatt der Fahnen, die im Kampf Zerrissen wurden und in euern Kirchen Jetzt aufgehängt sind, diese neuen hier Geweihet und mit solchen Wappenbildern Geschmückt, die eurer Mannheit würdig sind. Nehmt hin! Die Fahnen werden den Bürgern übergeben. Was seh ich? Tapfres Ingolstadt, Den Löwen führ ich selbst; den kühnen Panther, Den flammenspeienden, verleih ich dir. Mein Herzog! Landshut, ritterlich hast du Das Land behütet und des Landes Fürsten. Drei Pickelhauben führtest du bis jetzt, Drei Ritterhelme hab ich dir gesetzt. Ja, wer wie ihr sein Rittertum bewährt, Kann fordern, daß man ihn als Ritter ehrt. die Fahnen schwingend. Dank, Herzog, Dank! Wo diese Banner wallen, Da müssen Bayer siegen oder fallen. Kein Zweifel ist, wir sind hieher gestellt Zu schmählicher Demütigung. Und doch, Ist keiner unter uns, den einst mit Stolz Das Bayerland den Seinigen genannt? Hier dieser Puechberg, warf er vormals nicht Die Österreicher in des Innstroms Wellen, Daß Mann und Roß die jähe Flut verschlang? Er selbst verschmäht zu sprechen, doch es spricht Die Narbe, die des Helden Stirne furcht. Wohl traurig ist's, wenn rühmliches Verdienst Durch spätre Ungebühr verdunkelt wird, Erfreulich aber, wenn noch unerstickt Der beßre Geist zum Rechten sich ermannt Und alten Ruhm erneuet. Hört mich an! Der tapfre Fürst von Österreich, dem ihr Euch zugekehrt (den Städten zum Verdruß, Und weil er mehr als ich den Adel hegt Mit reichen Festen und mit Ritterspiel), Er ist mein Blutsfreund, ist mein Jugendfreund; An seines Vaters, König Albrechts Hof Erwuchsen wir zusammen, Brüdern gleich. Drum, wenn ich auch sein Heer bekämpfen mußte, Doch lebt' im Herzen alte Freundschaft fort Und, als wir jüngst zu Salzburg Aug in Aug Uns gegenüberstanden, knüpfte leicht Der Friede sich und die Verständigung. Getreu und redlich, wie er immer war, Hat er in den Vertrag euch eingeschlossen, Und ich versprach, euch zu begnadigen, In euer Eigentum und eure Lehn Euch wieder einzusetzen, wenn ihr neu Die Treue schwört, die ihr gebrochen habt. Ich bin bereit. Wir sind's. Wir alle sind's. Auf des Herzogs Wink werden den Rittern ihre Schwerter zugestellt. So nehmet eure Schwerter denn zurück, Wetzt ihre Scharten aus und schwinget sie Hinfort fürs Gute, fürs Gemeinsame, Für des gesamten Volkes Heil und Ruhm! mit gehobenem Schwert. Und für den Herzog! ebenso. Unser Blut für ihn! Friedrich, Burggraf von Nürnberg, der mit einigen Rittern eingetreten ist, kommt in den Vordergrund. Verzeiht, Erlauchter Herzog, wenn wir uns Zu drängen wagen durch der Männer Kreis, Die hier um Euch in wichtigem Geding Versammelt sind! Herr Burggraf, schön willkommen! Willkommen, edle Herrn! Was bringt ihr uns? Verkünder großer Zukunft nahn wir Euch. Dem Manne gleicht Ihr, der sein früh Geschäft Beschickt, indes in seinem Rücken Die Sonne groß und herrlich steigt herauf. Werbt Eure Botschaft! Die Versammlung hier Kann Euch nicht stören, sind es doch die Meinen! Was mir verhängt ist, das berührt auch sie. Seit vierzehn Monden ist das Reich verwaist; Wollt einer sich des Thrones Stufen nahn, Der andern Eifersucht riß ihn zurück. Zu Trifels auf der alten Kaiserburg, Dort liegen herrenlos die Reichskleinode Im öden Saal, den Heldengeister hüten, Derweil in deutschen Gauen überall Gewalt und Zwietracht ungebändigt toben. Da fanden endlich an dem Königsstuhl Bei Rhense, wo die alten Bäume schatten, In großer Anzahl sich die Fürsten ein Und hielten Ratschlag ob des Reiches Not. Die Thronbewerber wurden dort erwogen: Savoyen zog vorüber, Brandenburg, Dann Böhmen; lange blieb auf Österreich Der Blick geheftet. Da erscholl die Kunde Von Bayerns Heldenwerk bei Gammelsdorf, Und plötzlich war's, als ständest du, Erlauchter Ludwig, auf dem hohen Tritt Des Königsstuhls im Glänze deines Siegs. Von Mainz und Trier, von Brandenburg und Sachsen, Von Böhmen selber ward auf dich gestimmt, Und weichen mußten, die dir's neideten. Es ward der Tag der feierlichen Wahl Gesetzet und der Auftrag mir erteilt, Dich einzuladen, daß du unverfehlt Am Neunzehnten des Weinmonds auf dem Felde Bei Frankfurt, das man Frankenerde nennt, Erscheinest und der Wahl gewärtig seist. Hab ich darum an jenem blut'gen Tag Den Frieden meines Landes mir erstritten, Damit ich, kaum vom Lager heimgekehrt, In neuen Aufruhr, neuen Kampf hinaus Gerissen werde? Nein, laßt ab von mir! Laßt mich genießen meiner Arbeit Frucht, Laßt mich in meinem Kreise Segen baun, Um meines Volkes Liebe laßt mich werben! Die Königskrone gönn ich andern gern. Das ist das Los der Besten, daß an sie Vielfacher Anspruch sich begehrlich drängt: Wo Segen quillt, da wallet jeder hin. Weil Ihr in Bayern fürstlich Euch erwiesen, So heischet Deutschland Euch zum Könige. Glaubt mir, nicht mein Verdienst ist, was man sucht; Weil Luxemburg die Österreicher fürchtet, So sendet man nach mir. Sie irren sich, Wenn sie für Friedrichs Feind mich halten. Nein, Ich haß ihn nicht, ob ich ihn gleich bekämpft. Ruft ihn zum Throne! Viele sind ihm hold, Denn er ist bieder, tapfer, mächtig, reich, Und keiner huldigt freud'ger ihm als ich. Die Biederkeit ist Euch mit ihm gemein, Die Tapferkeit habt Ihr an ihm erprobt, Die Macht hat, wer den Mächtigen besiegt. Wo Bürger kämpfen für den eignen Herd, Da weichet auch der überlegne Feind; Doch wer als Kaiser sich behaupten will, Der prüfe wohl, was zu Gebot ihm stehe. Mir ist ein schmales Erbe zugefallen: Die Pfalz hab ich zur Hälfte mit dem Bruder, Von Bayern ward mir kaum der dritte Teil, Und meine Mittel hat der Krieg verzehrt. Hinab durch Österreichs fruchtbare Gaue, Zu Wiens prunkvoller Hofburg reitet hin! Dort ist der Mann für einen Kaiserthron. Sei er an Schätzen reicher und an Macht! Ich streit es nicht; auch sei Euch unverhehlt, Es wirbt für ihn der Erzbischof von Köln Und Euer Bruder, Pfalzgraf Rudolf, selbst. Doch eben jener Reichtum, jene Macht Sind schlimme Waffen in der Ehrfurcht Hand; Den Ehrgeiz aber zeigt die Ungeduld, Womit der Herzog nach der Krone strebt, Die unbegehrt auf Euren Scheitel sinkt. Was dem bedrängten Reiche fehlt, ist nicht Ein Ritterspiegel und ein Königsheld, Der seinen Namen zu den Sternen trägt, Es ist ein Pfleger alles Heilsamen, Ein Hort des Friedens und ein Vogt des Rechts, Ein ernster Rächer alles Übermuts. O Herzog, der, der in die Herzen schaut, Er sei mein Zeuge! Wenn auch, die mich sandten, Nicht alle reinen Eifers möchten sein, Doch komm ich nicht ein Bote der Partei, Ich komme, weil der innre Geist mich treibt, Ich komm ein Anwalt vieler Redlichen, Der treuste Freund des Reichs. Ihr seid berufen; Ihr dürft Euch nicht entziehn. Ich will's bedenken. Bedenkt, wo Zweifel ist! Doch hier ist keiner. Seht diese Männer! Allen ist es klar. Wohl hat der deutschen Stämme jeglicher Dem Kaiserthrone seinen Mann geschickt, Hier ist der unsre. Diesen Wittelsbach, Dies edle Bayerblut, ihn senden wir, Und nicht der Schlechteste wird er bestehn. Zeuch hin, Erlauchter Ludwig, Bayerns Ruhm! Und diese Schwerter, die wir deiner Huld Verdanken, sei'n die Wächter deines Throns! Was du uns bist, das sei den Städten allen, Die an des Reiches Strömen sich erbaut! Zeuch hin, verzage nicht an deiner Macht. Für den die Liebe kämpfet, der ist stark. Wohin du willst, laß diese Banner fliegen! Hört Ihr? Ich höre, ja, mir bebt das Herz. O Burggraf, welchen grenzenlosen Blick Hast du mir aufgetan! Von Meer zu Meer Verbreiten sich die Lande, mächtig schwellend Ergießen Ströme sich, die Alpen weichen, Italien dampft von Segen, raucht von Blut, Hier leuchtet Rom, dort dämmert Avignon, Der heil'ge Vater thront, die Rechte segnet, Die Linke blitzet, Frankreich dräuet Sturm, Der deutsche Boden dröhnt, die Fürsten kämpfen, Das Schwert hebt Friedrich: Schwindel faßt mich an. Doch wenn ich euch ins mutige Gesicht, Ihr treuen Bayer, blicke, wenn ich so Die kräftigen Hand ergreife, da durchdringt Mich hoher Mut und männliches Vertraun: Auf solche Pfeiler gründend steh ich fest, Von solchen Fittichen gehoben schwing ich Furchtlos mich auf. Zu dem Burggrafen und dessen Begleitern. Geht hin! Ich werde kommen. 2. Akt 1. Szene Erste Szene Friedrichs von Österreich Lager vor Frankfurt. Vor einem glänzenden Zelte sitzen zwei Edelknaben. Albertus, ein fahrender Schüler, tritt auf. Zween Könige! Beglücktes Deutsches Reich, Seit vierzehn Monden bist du ohne Haupt, Und flugs erwächst dir ein gedoppeltes: Den Friedrich ruft man hier im Lager aus, Dem Ludwig läutet man in Frankfurt drüben; O freud'ge, wahrhaft königliche Zeit! Zwar heißt es, eine Doppelsonne sei Kein gutes Zeichen, und die Bienen dulden Zwo Königinnen nicht in einem Korb ... unterbrechend. Wer seid Ihr, Freund? Ein reisender Scholar. Er ist ein zierlicher und schmucker Mann. Der Mantel, der von seiner Achsel flattert, Ist einer Spinnewebe zu vergleichen, Recht duftig und durchsichtig, fast zu sehr. Die Straußenfedern seiner Reisemütze, In welchem Hühnerhof sind sie gepflückt? Das Tintenfaß, das ihm am Gürtel hängt, Ist sicherlich der größten Weisheit voll. Die Weisheit wird wohl in der Rolle stecken, Die er ins Wams sich eingenestelt hat. Wenn euer Witz, wie ich vermute, nun Erschöpft ist, so vergönnet mir zu fragen: Ist hier des neuen Königs Friedrich Zelt? Ei, dacht ich's doch! Er suchet Hofdienst hier: Gewiß, er hat ein sonderlich Geschick, Den Fürsten aufzuwarten und zumal Erlauchte Fraun mit Anstand zu bedienen. Wenn anders nicht er hergekommen ist, Dem König seine Rosse zuzureiten: Er hat so recht ein reiterlich Gestell. Die Stange halten und die Schleppe tragen, Das ist der Kern von eurer Wissenschaft. Der Federhut, der goldgefranste Mantel, Das ist an euch der wesentlichste Teil. Doch wisset! Mäntel gibt's noch in der Welt, Die nicht mit Gold beflittert und gleichwohl In keiner Weise zu verachten sind. Und weil ihr hier, des Königs Dienste wartend. Verzehrt von Langerweil, im Sonnenschein Euch dehnet und mit leerem Witze spielt, So will ich euch zu beßrem Zeitvertreib Von derlei Mänteln weniges erzählen. Ein Bischof hat zu Regensburg gelebt, Albertus Magnus, der in aller Kunst, Zumal der schwarzen so bewandert war, Daß wohl kein Kämmrer und kein Truchseß je Den König Wilhelm trefflicher bedient Als jener Bischof; denn im tiefen Winter Schuf er den allerschönsten Garten, drin Die Bäume blühten und die Vögel sangen, Und auf den Schüsseln winkten Pflaum und Traube, Die frischesten, darauf der Duft noch lag. Albertus nun befand in seiner Jugend Sich auf der hohen Schule zu Paris Und, als er dort des Königs Tochter sah, Ergriff ihn stracks das glühendste Verlangen. Was tat er? Seinen Mantel spreitet' er Und flog im Mondschein in ihr Fenster ein, Und auf dem Mantel führt' er sie dahin. Als man hernach ihm auf die Sprünge kam Und er, des kühnen Raubes angeklagt, Vor dem notpeinlichen Gerichte stand, Da spreitet' er den Mantel wieder aus, Schwang sich durchs Fenster, flog bis Regensburg, Wo er zuletzt ein frommer Bischof ward. Wie ich nun dieses Mannes Namen trage, Trag ich den Mantel auch von gleichem Zeug, Und ein verliebter Edelknabe wäre Von Herzen froh an solcher Spinnewebe, Darin man schöne Dirnen fängt. Nicht wahr, So was gefällt euch? Und zum Dank dafür Sagt an, wo ich den König Friedrich finde! Er kommt. Das Hauptzelt öffnet sich. Friedrich und Isabella treten heraus. zu Albertus. Hinweg! vortretend. Mein Glückwunsch muß ihm werden, Denn dazu bin ich eigens hergereist. Ist Leopold noch nicht zurück? Nein, Herr! Salve, surgens imperator, Friderice, triumphator! Salve, suavis Isabella, Flos venuste, fulgens stella! Salve ... Wir danken, Schüler. Doch für jetzt sind wir Verhindert, deinen Glückwunsch anzuhören. Zu einem Edelknaben. Führ ihn zum Imbiß in das Speisezelt Und heiß ihm einen Wanderpfennig reichen! Albertus wird von dem Edelknaben nach einem Zelt im Hintergrunde geführt. Nicht heiter, Isabella, scheinest du; Was ist es, das dein schönes Auge trübt? Nur einen Mond erst bin ich dir vermählt Und schon der Eifersucht dahingegeben. Der Eifersucht? Kann ich es ruhig sehn, Wie du, für andres lebend, mich vergissest? Das wache Träumen, den zerrißnen Schlaf, Die Ungeduld, das hastige Erglühn, Und was man sonst der Liebe Zeichen nennt, Find ich an dir, und du verhehlest nicht, Daß ganz dein Herz nun an der Krone hängt. Es ziehn die Ritter nach Turnieren aus Und tummeln sich im raschen Lanzenspiel, Damit sie den erkämpften Siegesdank In der Geliebten Schöße niederlegen: So ring ich nach der Krone, daß ich dir Sie reiche, deiner Schönheit würd'gen Schmuck. Du hast mir einst vertraut, wie dir's geträumt, Als du daheim noch warst in Aragon, Es werb um dich ein König. Soll nun ich Ein schlechtrer sein, als den dein träumend Herz Geweissagt? Soll dir minder Ehre werden, Als jener leise Traumeswunsch ersehnt? O das nicht ist's, wonach mein Herz verlangt, Und wenn ich Macht mir wünschte, wär es jene, Die von den Fraun der Vorzeit ward geübt, Die zaubrische, wodurch sie kühne Ritter In wundervolle Gärten fesselten. Ja, aus dem wilden Streit der Ehrbegier Würd ich in leichter Wolke dich entführen Und in ein Tal des schönen Heimatlandes, Wo üppig Mandel und Granate blüht, Würd ich dich bannen und aus meinem Arme Dich nicht entlassen als zum heitern Kampf Des Hirtenvolks um einen Blumenkranz, Nicht mich allein, die Welt bezaubre du! Zu Wien in deiner kaiserlichen Burg Da sollst du thronen, und dein Zepter sei Ein Zauberstab, der rings in allen Landen Die Geister alles Schönen weckt und lenkt! Belebe den ersterbenden Gesang, In deine Tore laß die Sänger ziehn; Von dir begeistert und durch dich geschmückt Entsende sie, damit in Ost und West Der neue Liederklang verkündige Die Zauber deiner Anmut, deiner Huld! Leopold tritt auf. Mein Bruder! Stör ich nicht die Zärtlichkeit? Was bringst du? Öffnet Frankfurt? Öffnet nicht, Und schon ist Ludwig auf den Hochaltar Erhoben; Glockenklang und Jubelruf Erhallet weit und summt mir noch im Ohr. Und jetzt nach Aachen soll's zur Krönung gehn. Mich hat der Erzbischof von Köln berufen; Wohlauf nach Bonn! Mir winkt die Krone dort. Noch eines meld ich, wenn's der Meldung lohnt. Was ist es? Ludwig beut dir seinen Gruß Und ladet dich zu freundlichem Gespräch. Wohin? Hinab auf jenes grüne Feld. Wenn er dich aus dem Lager reiten sieht, So reitet er zur Stadt heraus. zu einem Edelknaben. Mein Pferd! Der Edelknabe ab. Halt, Bruder! Hindre nicht, o Leopold, Was diese Zwietracht zu versöhnen dient! Zeuch hin, mein Bruder, aber wanke nicht! Der Augenblick erschien uns, der, versäumt, Nicht wiederkehren wird. Dein stolzester Gedanke, meines Strebens höchstes Ziel Ist jetzt errungen oder ewig nie. O Friedrich, all mein Leben war ein Kampf Für unsres Hauses Macht und Herrlichkeit. Als ich ein Jüngling war, da lag vor mir Ermordet unser königlicher Vater; Die alte Stammburg sah auf ihn herab, Und in dem Schoß hielt ihn ein armes Weib. Da ward Blutrache meine Jugendlust, Und Blut vergoß ich, bis die Schwester sprach, Die Agnes: »Nun bad ich im Maientau.« Du kennst das nicht, dich hat dein Stern bewahrt, Du sähest nicht des Vaters offne Wunden. Dann mußt ich's dulden, daß an Habsburgs Statt Ein Luxemburg den Königsthron bestieg; Und doch hab ich dem Luxemburg gedient. In Deutschland und in Welschland folgt ich ihm, Aus Mailands Aufruhr hieb ich ihn heraus Und ließ mir einen goldnen Becher schenken. Zu Feld bin ich im Sommer und im Winter, Zu Pferde schlaf ich, aus dem Helme trink ich, Und als ein Mann, der keinen Sonntag hat, Trag ich den grauen Reitermantel stets, Und eher soll kein Festgewand mich schmücken Als an dem Tag, da du gekrönet wirst. Nicht für mich selbst arbeit ich alles; du Bist unsers Hauses Blume; die Natur Hat dich mit ihren Gaben ausgestattet. Der Menschen Auge blickt mit Wohlgefallen Auf deine herrliche Gestalt, dein Haupt Verlangt die Krone, deine Schulter heischt Den Purpur: willig werden sie gehorchen Dem Manne, dessen Anblick sie erfreut. Ich bin ein Stiefkind, unansehnlich, bloß Zur Arbeit tüchtig ist mein Leib gebaut; Drum laß die Mühe mir, nimm du den Kranz; Doch nimm ihn, faß ihn keck und laß ihn nicht! Glaub nicht, ich gehe hin zu huldigen! Viel andres ist, was mir im Sinne steht. Nachgiebig war mir Ludwig stets bekannt; Vielleicht, daß meine Gegenwart auch hier Das Unerwartete bewirkt. Wohlan! Wir reiten unverweilt. Soll ich's den Fürsten Verkünden? Ja, berufe sie sogleich! Wer mir will folgen, schwinge sich zu Roß! Leopold ab. Du, Isabella, halte dich bereit! Wenn wir zurück sind, bricht das Lager auf. Leb wohl, Geliebte! Teurer, fahre wohl! Friedrich mit Begleitung ab. Unselige Verwirrung! Dürfen wir Noch Lösung hoffen, oder schlingt um uns Sich diese Zwietracht stets verderblicher? Zu Albertus, der eben wieder aus dem Zelte kommt. Tritt hieher, Schüler! Kennest du den Stand Der waltenden Gestirne, weißt du mir Zu sagen, wie die Sterne Friedrichs stehn? Glorreich und festlich leuchten sie im Zeichen Des Löwen; seitwärts: aber in des Löwen Schweif. Isabella in ihr Zelt ab. Ja, wunderbar gezeichnet und verwoben Ist das Geschick der beiden Könige, Und wo die Sterne selbst so dunkel sind, Geziemt es mir nicht, zu entscheiden, wem Der Thron gebühre. Drum werd ich hinüber Nach Frankfurt mich verfugen und nun auch Dem König Ludwig meinen Glückwunsch bringen. Ab. 2. Szene Zweite Szene Feld. Von verschiedenen Seiten treten zugleich die Gegenkönige Ludwig und Friedrich, jeder mit seinem Anhang von Kurfürsten und anderen Reichsständen, auf. Willkommen, Vetter! Dank für diesen Gruß! Ihr habt gewollt, daß wir uns hier besprechen; Was ist's, das Ihr mir zu eröffnen habt? Als wir zu Salzburg uns zum letztenmal Begrüßten, damals wich ein böser Streit Der rahigen Betrachtung, dem verständ'gen Gespräch, dem offnen Blick des Auges und Der alten Freundschaft siegendem Gefühl. Nun, da ein neuer Hader uns entzweit, Schien mir's das Beste, wenn wir abermals Zusammenträten und der Sühne pflegten Mit treuem Herzen und mit klarem Geist. Als wir zu Salzburg uns zuletzt gesehn, Da schien es wohl, die alte Freundschaft sei Noch mächtig: die Gewohnheit früher Zeit Erneuend teilten wir, wie in der Burg Des Vaters einst, den Becher und das Lager, Und im Gespräche bis zur Mitternacht Vertrauten wir uns, was die Herzen drückte. Damals erklärt ich dir den stolzen Wunsch, Den ich mich hier nicht schäme zu bekennen, Den Wunsch, daß ich gewürdigt möchte sein, Zu steigen auf den unbesetzten Thron, Ein Mehrer und Verherrlicher des Reichs. Und damals sagt ich dir (die Sterne schienen In das Gemach), daß du vor allen mir Der Liebste seiest, der Ersehnteste. Wo ist die Liebe, wo die Sehnsucht nun? Sind jene hellen Sterne ganz hinab? Als Gegenkönig trittst du vor mich hin. Daß ich berufen ward, ich sucht es nicht, Ich hab es nie geahnet, nie geträumt; Doch ist's geschehn; es war ein ernster Ruf, Ein solcher, dem der Mann gehorchen muß. Bin ich der Würd'ge nicht, wirf mir's nicht vor, Hier stehen sie, die mich nach ihrem Rechte Gewählt ... Die mich erkoren, stehen hier. Der Meinen zähl ich fünf, der Deinen zween; Die Mehrzahl ist uraltes Wahlgesetz. Dein Böhmen und dein Sachsen sind bestritten; Bei mir erblickst du die Berechtigten. Was rüttelst du verjährten Anspruch auf? Dein Bruder selbst, der Pfalzgraf, steht zu mir. Daß er mich neidet, das ist, was mich schmerzt. Getreuer hielt er mir sein Wort als du. Ich weiß, was ich versprochen, nicht was er. Doch laß dir sagen! wenn die Männer hier, Die mich erwählten, wenn nur ihrer zween Es widerrufen, der beschworenen Verpflichtung mich entheben und zu dir Sich wenden, gerne tret ich dann zurück, Vor dir, dem Kön'ge beug ich dann mein Knie Und nehme Bayern neu von dir zu Lehn. Nein, nimmermehr! Es bleibt bei unsrer Wahl. O Friedrich, nun du selber siehst und hörst, Daß ich dir nicht gewähren kann noch darf, Besinne dich, steh ab, bezwing dich selbst! Du hast ja viel des Glückes: weit erschallt Der Ruf von deiner Tapferkeit und Macht, Den Schönen nennet preisend dich die Welt, Ein herrlich Weib ist Liebe dir und Stolz. Ist dir so reicher Segen nicht genug? Ist denn die Krone nur das volle Glück? 0 welches Heil bringt mir die Königswahl! Seit diesem Morgen erst gewählt, seh ich Den eignen Bruder und den liebsten Freund Mir feindlich grollend gegenüberstehn. O bei der alten Liebe, bei den Banden Des Bluts, bei allem, was dir heilig ist, Beschwör ich dich: laß es dahin nicht kommen, Daß wir, der Zwietracht Beispiel und Erwecker, Das Reich zerspalten in heillosem Kampfe, Daß ich die Würde, die man auf mich warf, Die ich nicht meiden kann, verfluchen muß! Betört dich, Bruder, dieses Gleisners Rede, Es hilft ihn nichts: wenn du die Stelle räumst, So tret ich ein. Die Fürsten, die das Wort Dir gaben, sie gelobten eidlich mir, Wofern du dich entzögest, mich zu küren. Er sagt die Wahrheit: Wir beschworen das. Noch weich ich nicht, noch bin ich Manns genug, Den Gegner wegzudrücken, der mich stört. Ich aber fühl in mir die Kraft, den Thron Zu schirmen vor der Meutrer Ungestüm. Der päpstliche Legat, welcher während des Bisherigen im Hintergrunde erschienen, tritt zwischen die Streitenden. O welch ein Hader, welch verworrner Streit! O ihr verblendeten, verirrten Söhne Der heil'gen Kirche, wahret eure Seelen, Eh noch die Schlange gänzlich sie umstrickt! Was soll der Zank, was soll die Drohung hier? Dorthin, von wannen alle Herrschaft stammt, Dorthin, von wannen meine Sendung ist, Zu Petri heil'gem Stuhle wendet euch! Dort sitzet der berechtigte Verweser Des offnen Reiches, dort der wahre Richter Der streit'gen Königswahl. Ihn gehet an, Ihm traget eure Klag und Antwort vor! Und bei dem Fluch, womit die Kirche straft, Vermesse keiner sich der Reichsverwaltung, Bevor der Richterspruch von dort erging! Wir leiden's nicht! den König wählen wir. Ist hier Empörung wider göttlich Recht? Seit ich berufen ward zur Königswahl, Ist das mein täglich brünstiges Gebet, Daß Gottes Geist erleuchte meinen Sinn, Die Wahrheit zu erkennen und das Recht. Das aber weiset mir kein Himmelsstrahl, Daß sich die Kirche weltlicher Gewalt Anmaßen dürfe, daß der König, den Die deutschen Fürsten wählten, sich vom Papst Einholen müsse die Bestätigung. Nein, solchen Einspruch duld ich nun und nie! Behaupten werd ich, wie ich angelobt, Des Reiches Freiheit und des Königs Recht. Es ist kein Richter über uns als der, Der von den Wolken her die Schlachten lenkt: Solch Gottesurteil nur kann hier entscheiden, Und König ist, wer sich als Sieger zeigt. Drum Ludwig, wenn wir zween uns wiedersehn, So ist's im Schlachtfeld mit geschwungnem Schwert. Alle nach verschiedenen Seiten ab. 3. Akt 1. Szene Erste Szene Ludwigs Lager bei Ampfing. Gegen den Vordergrund das königliche Zelt. Thomas, Bäcker von München, mit Schwert und Pickelhaube gewaffnet, steht vor einem Zelt. Steffen, sein Sohn, den Bündel auf dem Rücken, kommt aus dem Hintergrunde. Dort kommt mir einer durch die Lagergasse, Er ist von unsrer Zunft, ein Sauerbeck; Den sollt ich kennen; freilich, muß ja wohl: Ist's doch mein Sohn, mein eigen Blut, mein Steffen! Gott grüß dich, Steffen! Grüß Euch, Vater Thoms! Das laß dir gut sein, Steffen! Was denn, Vater? Daß du nicht blieben bist in Feindesland. Mir ging's halt wohl zu Wien: ein frommer Meister, 'ne gute Kost ... Man sieht's, hast zugelegt. Da hört ich, daß die Münchner ziehn ins Feld; Da ward mir's heiß im Ofen, macht es kurz, Den Bündel schnürt ich ... Nun, jetzt bist daheim. Sieh! hier ist München; dieses große Zelt, Das ist das Schloß, da wohnt der König drin, Der Ludwig; und die Zelte da herum, Das ist die Stadt, da wohnen unsre Bürger, Und er wohnt mitten drin just wie zu München, Er hat die Stadt mit sich genommen wie Die Schneck ihr Haus. Das wollt ich fragen, ei! Was gilt das Korn da drunten? Dürft mir glauben, 's gilt dort nicht halb so viel wie hierzuland. Ja, hier ist teure Zeit. Halblaut. Der Bäcker selbst Gewinnt nichts mehr; ist Feierabend jetzt, Gibt nichts zu backen mehr. Der leid'ge Krieg Währt gar zu lang. Jawohl, die beiden Herrn, Sie tun sich alles bittre Herzeleid. Ist halt nicht recht; sind doch gesippte Freunde! Sind leibliche Geschwisterkinder; doch Bei solchen Herren kommt's darauf nicht an. Weißt du, wie's angegangen ist? Wie denn? Der Ludwig ward zu Aachen in der Kirche Gekrönt, wie sich's gehört, der Friedrich aber Im Stoppelfeld, und weil kein Thron da war, Mußt er sich auf ein Mehlfaß niedersetzen. Zu Wien, da sagten sie, der Ludwig sei Nicht mit der rechten Krone ... Das macht nichts. Der Ludwig trieb den Friedrich aus dem Feld. Dem Friedrich ging es schlimm und seinen Rittern, Denn keine Stadt wollt ihnen Herberg geben; Sie hätten viel fürs schwarze Brot gezahlt, Sie mußten Rüben aus den Äckern rupfen. Der Friedrich aber sei in kurzer Frist Zurückgekommen mit gewalt'ger Schar, Und bei'ner Stadt (sie heißen's Speyer) habe Der Ludwig auf dem Judenkirchhof sich Behelfen müssen. Friedrich, der ging fehl, Als er mal in ein bayrisch Lager kam Statt in sein eignes. Damals sagt' er nicht, Er sei der König. Dann zu Schillingsfürst Sei Ludwig unsanft aufgewacht, als schon Die Dielen brannten. Wieder anderswo Da sei das Wasser angelaufen ... Meinst Bei Landsberg? Daß der Ludwig bis zum Bart Im Nassen stand. Ist nichts, nur bis ums Knie. Bist österreichisch worden? Scheint mir fast. Warum bin ich herausgelaufen, Vater, Wenn ich kein Bayer bin? Doch sprecht nur fort! Erzählt mir weiter von dem großen Krieg! Weißt du's von Eßlingen? Das weiß ich nicht. Dort lagen sie einander gegenüber Und, als man abends dann von beiden Seiten Die Gäul im Neckar in die Schwemme ritt, Da hub sich mitten in dem Strom ein Krieg, Davon bei hundert Ross' erstochen wurden Und stundenweit der Neckar floß wie Blut. Das ist ein Graus. Ja, das ist eine Not. Das Allerschlimmste kommt uns aber noch; Den Rüben und den Gäulen gilt's nicht mehr, Jetzt gilt's den Männern. Dort bei Mühldorf drüben, Da steht der Feind, und gestern abend ist Der alte Kriegshauptmann hier angelangt, Der Schweppermann von Nürnberg. Im Hintergrunde erscheint Ludwig mit dem Burggrafen und Schweppermann. Steffen, schau! Dort kommt er mit dem König. Auch der Burggraf Von Nürnberg ist dabei. Da ist's nicht richtig, Die kneten was zusammen. Ja, der Alte Versteht das Handwerk; wo man den erblickt, Da geht was los. So komm ich eben recht. Gib acht, man wird dir Arbeit geben, Bursch! Streif nur die Ärmel auf! Jetzt geht's aufs Ziel. Wir fehlten noch, der Schweppermann und ich. Thomas und Steffen treten in ein Zelt, während die andern näherkommen. Schweppermann stellt sich seitwärts und sieht, ohne an dem Gepräche teilzunehmen, zwischen den Zelten hinaus. Habt Dank, Herr Burggraf, daß Ihr diesen Mann Mir zugeführt! Mit Sehnsucht harrt ich sein. Der Böhmenkönig kam mit seinem Heer, Der Erzbischof von Trier mit seinen Scharen, Fußvolk und Reiterfähnlein zogen stündlich Ins Lager ein, nur ihn vermißt ich noch. Ist denn ein König nicht der Geist, der alles Zu überschauen und zu ordnen weiß? Ist großer Hülfsmacht nicht der eine gleich, Der vieles aus dem wenigen erschafft? Schon hat er ja so einfach und so klar Den Plan der Schlacht mir hingebreitet, hat Die Dinge so lebendig und gegliedert Vors Auge mir gestellt, daß ich mit Staunen Erkenne des Gedankens Siegerkraft. Ein schönes, breites Feld, die Vehenwiese, Die Ströme wohlgeführt, die Höhn bequem. So stand er da, die Hand ans Kinn gelegt, Mit unverwandtem, scharfem Auge spähend, Als ich zu Nürnberg in sein Stüblein trat, Ihn zu berufen zu dem Feldherrnamt, Und wie er dort auf eine Tafel blickte, Die er mit kecken Strichen sich beschrieben, So faßt er hier die weite Gegend auf. Sein frisches, mußeloses Alter schien Mir längst für großen Endzweck aufgespart. Warum auch sollten die Erfahrungen So tatenreichen Lebens ungenützt Zu Grabe gehen? Wenn sich lebensmüd Ein Greis gottseligen Gedanken und Bußfer'gen Übungen ergibt, der hat Sich für die andre Welt schon angeschickt, Doch wer wie dieser stets von irdischen Entwürfen, kriegerischen Planen glüht, Der ist bestimmt, die grauen Locken noch Zu krönen mit der letzten vollsten Tat. Heut war's zur Schlacht ein heller, luft'ger Tag. Ein Ritter sprengt heran. Das ist der Pfleger Von Neustadt, Albrecht Rindsmaul. Albrecht von Rindsmaul tritt auf. Ist er hier, Der König? Hieher, Ritter Albrecht! Erlauchter Herr! Was habt Ihr uns zu melden? Wir haben einen Boten aufgefischt, Der diesen Brief zum Herzog Friedrich trug Von Leopold. Lest selber! aufmerkend. Ha, von dem! nachdem er gelesen. Ja, der hat Gutes vor! Er rückt heran Mit großer Macht aus Schwaben und vom Rhein. Nach Fürstenfeld hat er sich hingezogen Und will vom Bruder wissen, wann und wo Die Heere sich vereinigen sollen. Jetzt Ist jeder Augenblick uns kostbar. Laßt Das Heer sich scharen! Längst schon regt sich's drüben; Der Bienenstock will lassen; jetzt ist's Zeit. Wenn wir die Schlacht anbieten, kommen sie. Jetzt, Schweppermann, leg ich in deine Hand Des Reiches Schicksal und das meine. Keinem, Mir selber nicht vertrau ich so wie dir: Sei du, nächst Gott, der Lenker dieses Tags, Der langen, schweren Streits Entscheidung bringt! Hier hängt die Königsrüstung: trag sie du Zum Zeichen deiner vollesten Gewalt! Dergleichen Harnischs bin ich ungewohnt. So sollen meine Waffenträger dich Begleiten mit dem königlichen Schmuck. Ich. aber will so, wie du hier mich siehst, Im blauen Waffenrock zu Felde gehn; Inmitte meines treuen Bayervolks Will ich mitstreiten wie ein andrer Mann. Mit weiser Umsicht ordne du das Heer! Mit kräft'gem Eifer will es ich durchdringen. Sei du das Haupt der Schlacht und ich das Herz! Ludwig mit dem Burggrafen in das königliche Zelt, Schweppermann nach der entgegengesetzten Seite ab. 2. Szene Zweite Szene Friedrichs Lager. Friedrich und der Marschalk Dietrich von Plichendorf treten auf. Was habt Ihr einzuwenden, Marschalk? Vieles! Mir scheint die Zeit nicht günstig noch der Ort Nicht länger wollen meine Ritter harren, Sie brennen nach der Schlacht. Ich kenne das. Auch ich bin jung gewesen. Und die Völker, Die mir mein Oheim, König Karl, gesandt, Die Ungarn, Raizen, Serben und Bulgaren, Sie lieben nicht die Rast, und säum ich noch, Sind sie entflogen auf den flücht'gen Rossen. Solch Heidenvolk, es bringt uns wenig Segen. Sie plündern Klöster, rauben Kirchen aus. Laßt diese hin, erharrt die beßre Hülfe, Die Herzog Leopold uns bringt! Zu lang Verweilet er. Kein Bote kommt von ihm, Und keiner kehrt zurück, den ich gesandt. Er bleibt nicht aus; er hat Euch nie gefehlt. Und ziehn wir übern Innstrom uns zurück, So stehn wir ungefährdet, bis er kommt. Zurück? Nein, wahrlich nicht! Bedenklich ist Die Stellung hier, von Strömen eingeklemmt, Von Inn und Isar. Wenn die Schlacht mißlingt, Sind wir verloren: eine Brücke nur Zum Rückzug, die vom Drang zusammenbricht. Dem Feinde soll man Brücken, goldne, baun; Wir brauchen keine. Vorwärts blickt der Held! Das Rettungsschiff, das nur dem Flüchtling frommt, Zertrümmert er. Das Glück ist keinem pflichtig. Drum ist die Vorsicht für das Unglück gut. Kann ich es länger dulden, weiser Freund, Daß ich ein König und auch keiner bin? Soll ich den Gegner suchen stets und meiden? Nein, die Entscheidung ist uns beiden not, Die Völker fordern sie, und wie wir heut Uns gegenüberstehen, Macht an Macht, Ist es ein gleicher, heldenwürd'ger Kampf. Der Landmann hat fürs Wetter seine Zeichen, Der Schiffer seine Boten für den Sturm: Ein alter Kriegsmann hat die seinen auch. Nicht ich allein hab Euch gewarnt, als Ihr Im Kloster Admont übernachtetet, Da sah der Abt zu den Gestirnen auf, Und fröhlich blickt' er nicht zurück. Ich glaube Den Zeichen gern, wenn sie mir günstig sind. Heut sind es fünfzig Jahre, daß der Erste Von Habsburgs Stamm zum König ward gewählt, Heut schwebt die Krone über Östreichs Haupt. Wenn sonst den Fürsten Eures Stamms ein Kampf Bevorstand, fragten sie den goldnen Ring, Das Kleinod Eures Hauses: glänzt' er hell, So galt's für gutes Zeichen, war er trüb, Für schlimmes. Ja, vor jener Marchfeldschlacht, Drin Ottokar erlegen ist (es war Mein erster Strauß in König Rudolfs Dienst), Da leuchtete das Gold wie Sonnenschein Und so bei Gellheim auch, wo Euer Vater Den Adolf schlug und sich die Kron errang. Seht hier! am Daumen trag ich diesen Ring. Der ist ja bleich wie Erde. Muß er nicht? Ihn trugen Helden, Sieger, Könige: Wie könnt er glänzen an des Enkels Hand, Der zaudernd vor dem Gegenkönig steht? Man hört hinter der Bühne einen Marsch, von Blasinstrumenten gespielt. Doch hört! es nahet schon der Krieger Schar, Die ich nach alter Sitte vor dem Treffen Zu Rittern schlagen will. Geht Ihr hinüber Zu meinem Bruder Heinrich, nehmt die Fahne Von Österreich und steht dem Jüngling bei! Er soll des rechten Flügels Führer sein, Den linken Flügel führet Salzburg an, Das Reichspanier wird in der Mitte wallen. Sowie der Ritterschlag vollzogen ist, Ertönt zum Aufbruch der Trommetenstoß. Ja, tapfrer Plichendorf, erfahrner Held, Ein Kleinod meines Hauses seid auch Ihr: Laßt Euer Heldenauge hell mir glänzen! Das soll mir gute Vorbedeutung sein. In das Hauptzelt abgehend. Man wappne mich! Aus dem Hintergrunde kommt der Zug der zum Ritterschlag bestimmten Knappen. Sie sind sämtlich mit weißen Waffenröcken bekleidet, weiße Federn auf der Sturmhaube, das Schwert am Halse hängend, in der rechten Hand goldne Sporen, in der linken einen silbernen Gürtel. Musik. seitwärts stehend. Da ziehen sie heran, Die Jünglinge, wie Opfer aufgeschmückt, In weißen Waffenröcken, bald vielleicht Gerötet von dem frischen Herzensblut. Das ist ein Neideck, dies ein Strahlenfels, Die sind von Achdorf, der von Hohenstein, Der edelsten Geschlechter Sprößlinge. O Mütter, Bräute, weinen werdet ihr! Nachdem sich die Knappen im Vorgrund in einem Halbkreis aufgestellt haben, tritt Friedrich in prächtiger Rüstung, mit gezogenem Schwert aus dem Zelte. Die Knappen werfen sich aufs Knie. Friedrich tritt in ihre Mitte. Und dort aus dem Gezelte tritt der König. Ha, wie er glänzt in Schönheit und in Pracht! Von Golde schimmert Rüstung und Gewand, Der Helmbusch wallt, das Schlachtschwert leuchtet hell: Seit ich ihn kenne, so erschien er nie. Sucht er auf sich zu locken die Gefahr? Meint er, zu siegen durch die bloße Macht Der herrlichen Erscheinung? Hut ihn Gott! Ab. Die ihr mich grüßet mit gebognem Knie In Kleidern weiß und rein wie frischer Schnee, Als ob ihr, allen Makels abgetan, Eintreten wolltet in ein neues Leben, Sagt, was begehrt ihr? Herr, den Ritterschlag. Was ihr begehrt, ist eine hohe Sache, Die nur ein Tadelloser bitten soll. Doch weil mir euer adeliger Stamm Bekannt und eure Tugend ist bewährt, So soll euch des Begehrs willfahret sein, Wofern ihr das zu halten mir gelobt, Was ich euch heiße. Herr, wir sagen's zu. So schnallt euch denn die goldnen Sporen fest! Und soll es sein, als hätt ich's selbst getan. Der Sporn der Ehre weck euch das Gemüt Zu löblichem und tugendsamem Werk! Sie schnallen sich die Sporen an. Habt ihr's vollzogen? Herr, es ist geschehn. Jetzt gürtet euch den Silbergürtel um! Und soll es gelten, als hätt ich's getan. Der Gürtel deutet euch die fromme Zucht, Die euch vor Übeltat bewahren soll. Sie gürten sich. Seid ihr gegürtet? Herr, es ist geschehn. An euern Gürtel hänget nun die Wehr! Und sei's, als hätt ich selbst sie drangehängt. Gespornt von Ehre und mit Zucht gegürtet, Ist euch das Schwert ein Rüstzeug rechter Tat. Sie stecken die Schwerter an. Seid ihr bewehret? Herr, es ist geschehn. mit hochgehaltenem Schwert. Im Namen Gottes und Sankt Michaels Und Sankt Georgs, des Ritters, schaff ich euch Zu Rittern mit dem Schlage meines Schwerts. Er schlägt einen der Knappen über die Schulter. Und wie ich dieses Jünglings Schulter traf, So traf ich alle mit dem einen Schlag. Seid echte Ritter, tapfer, fromm und treu! Seid Gottes Diener, ehret reine Fraun, Die Witwen schützet und die Waisen schirmt, Der Unschuld helfet und das Unrecht straft! Wenn euch der König ruft zu Schlacht und Streit, Zieht aus die ersten, kehrt die letzten heim! Vor allem heute, wo der höchste Kampf Gestritten wird, der Kampf um Kron und Reich, Seid unverdrossen, seid wie Löwen kühn! Denn darum schuf ich jetzt zu Rittern euch, Daß euer neues, frisches Rittertum Belebend ströme durch mein ganzes Heer. Das Schwert laßt blitzen! Braust dahin gleich Wettern! Die Fahnen flattern, die Trommeten schmettern. Trommetenschall. Die Knappen springen und stürmen mit geschwungenen Schwertern nach allen Seiten ab. Friedrich in das Zelt. 3. Szene Dritte Szene Anhöhe. Schweppermann, Albrecht von Rindsmaul, Adelram von Hals und andere Kriegsleute treten auf. Waffenträger mit der königlichen Rüstung stellen sich hinter Schweppermann. Hier ist der rechte Blick, hier will ich stehn. Die Böhmen brechen los; so seh ich's gern. Sankt Wenzels, ihres Heil'gen, Tag ist heute: Drum schickt ich die voran. Herr Albrecht! Hier! Ihr seid ein sichrer und bedachter Mann; Euch hab ich was Besondres ausgesucht: Gebt Ihr mir auf den freud'gen Friedrich acht! Euch stell ich eigens ihm zum Gegner auf. Setzt Eure Ruhe seiner Hitz entgegen, Ermüdet ihn, nehmt seiner Blößen wahr! Doch Ihr versteht mich. Wählt Euch selber aus, Wen Ihr zu Eurer Hülfe tauglich glaubt! Wie Ihr befehlt. Er geht mit einigen Rittern ab. Da drunten steht's nicht gut. Hilf, heil'ger Wenzel! Böhmen, haltet aus! Sind euch der Ungarn Pfeile allzu dicht? Erschrecken euch die langen Bärte? Wetter! Dort fallen Östreichs schwere Reiter ein: Ha, das gibt Lücken, das ist ein Gedräng, Ein Wirbel. Nun ist's klar: die Böhmen weichen. Zu einem Ritter. Die Bayer sollen vor, links in die Flanke. Der Ritter ab. Da rennt ein Bote her. Was gibt's? tritt auf und meldet. Herr Hauptmann, Das Böhmenheer ist überrannt, gefangen Der Vortrab. König Johann lag am Boden; Des Marschalks Pferd, des Plichendorfs trat schon Auf ihn. Ein fremder Ritter half ihm auf. Schickt Hülf! Ist schon gesorgt: die Bayer kommen. Seht ihr? Sie reiten schon. Ha, wie das stäubt! Nun muß sich Ostreich wenden, wie ich's will. Jetzt, Sonne, die du hell am Himmel brennst, Jetzt, frischer Wind, der du die Wolken jagst, Als Bundsgenossen führ ich euch zum Kampf. Wirf, Sonne, deine Strahlenpfeile scharf Recht in des Feindes Augen, blende sie! Wind, wirble du den Staub von Bayerns Hufen, Erstick in dichten Wolken Östreichs Stolz! Ha, wie die Bayer stürmen! Feldhauptmann, Warum ist mir's versagt, mit meinen Brüdern Den Kampf zu teilen und den Ruhm? Geduld! Ein Ritter tritt eilig auf. Was Neues? König Ludwig wird vermißt; Die Kunde fliegt durchs Heer und lahmt den Sieg. Das war ein Strich durch meine Rechnung. Nein, Der König darf nicht fehlen; um den König Ist's ganze Spiel. Ein König muß mir her. Sind Kön'ge hier so teuer? Stampften doch Die Ross' auf einem! Her, ihr Waffenträger! Ihr habt den König: hier der Kronhelm, hier Der Panzer, hier das Reichsschwert, hier der Schild; Der Schein ist alles. Wer will König sein? Man beut's nicht alle Tage. Wer will's sein? Eilt, wappnet mich! Er wird während des Folgenden mit den königlichen Waffen bekleidet. Ich will die tote Hülle Beleben. Was ist königlicher Geist, Wenn's das nicht ist, was jetzt die Brust mir schwellt? Hier bin ich; dort mein Leibroß: frisch hinauf! Ab. Da jagt er schon hinab, der König, der Aus meiner Stirn mit Helm und Harnisch sprang. Hört ihr sie jauchzen? Seht ihr, wie der Kampf Von seinem Anblick plötzlich sich erfrischt? Noch eins ist übrig: pflanzt das Zeichen auf, Die rote Fahne! Es geschieht. Seht! im Holze drüben Da rührt sich's; Panzer, Helme schimmern durch, Das ist der Burggraf. Seinen Hinterhalt Verläßt er, wird sie in die Seite fassen. Er kommt von dort, woher der Leopold Erwartet wird; ein österreichisch Banner Hab ich ihm aufgesteckt. Schon seh ich's wehn. Nun ist getan, was meines Amtes war, Das Werk im Gang, die Räder alle rollen, Und nichts mehr hemmet ihren raschen Schwung. Und jetzt hinunter in das Feld der Schlacht! Helf Gott, daß wir den guten Ludwig finden! Alle ab. 4. Szene Vierte Szene 1 Schlachtfeld. Friedrich, mit einer Kriegsschar, worunter mehrere der neuen Ritter zu bemerken sind, wird im Getümmel der Schlacht auf die Bühne geworfen. Wohin noch wirft uns dieser tolle Sturm? Das wogt und brandet wie die hohle See. Albrecht von Rindsmaul mit Kriegsleuten tritt auf. Ich hab ihn wieder. Kämpft nicht dieser Mann, Als wollt er alles tun mit seiner Hand? Geplänkel zwischen Albrechts und Friedrichs Kriegern. Bist wieder hier, du neckendes Gespenst? Verfolgst mich stets und hältst mir niemals stand. Will dich mal fassen. Er dringt auf Albrecht ein. Brüder, weicht ihm aus! Sie zerstreuen sich. Und alles wieder wie vom Wind verweht! auftretend. Herr, Euer Bruder Heinrich ist gefangen. Und Plichendorf? Er ließ die Fahne nicht, Bis Heinrich, schwer bedrängt, sie an sich riß Und sich damit den Böhmen übergab. hereineilend. Frohlockt, ihr Männer! Herzog Leopold! Er ist uns nah, schon sah ich sein Panier. Jetzt ist's gewonnen. Frischauf, Ritter! Er will zu neuem Angriff abziehn. Adelram in der königlichen Rüstung mit geschlossenem Helmsturz hereinstürmend, vertritt ihm den Weg. Halt! Mit mir hast du zu tun: Die Krone gilt's. Die Krone, Ludwig! Rasch! Ich oder du. Zweikampf. Adelram fällt. Gott, sei mir gnädig! Heil! Heil! Östreich Heil! tritt auf. Betrogen sind wir! Leopold ist's nicht; Der Burggraf ist's, die Franken. Rettet euch! Flüchtige eilen über die Bühne. Von drei verschiedenen Seiten dringen zu gleicher Zeit Albrecht von Rindsmaul, der Burggraf und Schweppermann, jeder mit seinem Kriegshaufen, auf Friedrichs Schar ein. zu den Seinigen. Jetzt dringt auf ihn! Jetzt muß er unser sein. Den Freund erschlug ich: meine Kraft ist hin. Hinweg, verfluchtes Schwert! Er wirft sein Schwert Albrecht vor die Füße. Sieg, Bayer, Sieg! den gefallenen Adelram erblickend. Unsel'ger Sieg! Da liegt der König tot. Während der Burggraf sich trauernd über die vermeintliche Königsleiche hinbeugt, deutet Schweppermann mit den nachstehenden Worten nach dem Hintergrunde, wo Ludwig erscheint, von den jauchzenden Münchnern auf der Schulter getragen und umdrängt. Unter den Bürgern sind Thomas und Steffen. Schaut hin! Hoch lebe König Ludwig! Hoch! vortretend. Wir haben ihn herausgehaun, wir Münchner, Die Bäckerzunft, mein Steffen hat's getan, Der war der Hitzigste. Sein Meisterstück Hat er gemacht. Hoch König Ludwig! Hoch! Erstehn die Toten? Ludwig ist's, er ist's. sich Friedrich nähernd. Wir sehn Euch gerne, Vetter! Fürchtet nicht Für Euer Leben! Ritterliche Haft Sei Euch versprochen! Senket nicht den Blick! Ihr habt mit Ruhm gefochten, stolzer Held! Zu den Bayern. Wer fing den Herzog? Wir. Nein, ich. Nein, wir. Entscheidet, Friedrich! Weist die Schilder vor! Nachdem er die Wappen überblickt, klopft er auf Albrechts Schild, worauf ein Büffelskopf mit einem Ring gemalt ist. Hier, diesem Kuhmaul mußt ich mich ergeben. Mein tapfrer Albrecht, führt den Herzog hin, Bringt ihn nach Trausnitz, auf mein festes Schloß! Friedrich wird von Albrecht abgeführt. Laßt Eure Hand mich drücken, Schweppermann! Ihr zittert? Herr, das ist der Zoll, den ich Dem Alter schuldig bin. Die morsche Hütte Erbebt, wenn Mächt'ges sich in ihr bewegt. Laßt jetzt dem Kriegsgebrauch sein Recht geschehn! Zum Zeichen, daß das Feld gewonnen ist, Laßt auf der offnen Walstatt hier das Mahl Uns halten! Wird ein magrer Imbiß werden. Wir haben Eier. Jedem Mann ein Ei, Dem frommen Schweppermann zwei! Auf meinen Grabstein schreibt mir diesen Spruch! 4. Akt 1. Szene Erste Szene Gehölz. Herzog Leopold sitzt in tiefsinniger Stellung in einem offenen Zelt, das gegen den Hintergrund unter den Bäumen steht. Zwei Pilgerinnen, die eine verschleiert, treten im Vordergrund auf. Wir sind am Ziel, und weil mein helles Auge Euch statt des eignen nachtumhüllten dient, So wisset, Herzog Leopold ist hier! In einem Zelte, das von allen andern Gesondert unter dunkeln Bäumen steht, Sitzt er, gebogen auf sein bloßes Schwert, Und starrt mit wildem Blick den Boden an. So, hört ich sagen, sitz er manches Mal Seit jenem Unglückstage, da sein Bruder Gefangen ward; dann fahr er plötzlich auf Und tobe blutig durch des Gegners Land. Ich wag es nicht, dem Schrecklichen zu nahn; Wollt Ihr ihn wecken? Herzog Leopold! Er hört nicht. Jüngst in Basel sei's geschehn, Daß man zu seiner Ehre Fackeltanz Anstellte. Festlich klang das Saitenspiel, Die schönsten Frauen zogen ihn zum Reihn, Doch freudlos, ohne Lächeln schritt er hin. Versucht es nochmals! Besser, sollt ich meinen, Als jenen Freudenschall verstehet er Den Laut des Schmerzes. Herzog Leopold vortretend. Wer ruft? Wer nannte mich? Ein flehend Weib. Hinweg! such nicht Barmherzigkeit bei mir, Dem unbarmherzig die Gestirne sind! sich entschleiernd. Kennst du mich? Isabella! Ja, ich bin's, Die Witwe, die elendeste der Fraun. Was willst du? Meinen Jammer will ich dir Verkünden, will dir klagen meine Not: In jener Stunde, da mir Botschaft kam Von Friedrichs Unsieg und Gefangenschaft, Da riß ich ab mein fürstliches Gewand, Und mein Geschmeide trat ich in den Staub; Im rauhen Pilgermantel zog ich aus, Und wo ein Gnadenbild den Gläub'gen winkt, Da wallt ich hin und seufzt und betete. Mit Fasten und Kasteiung quält ich mich, Und meiner Tränen heiße Quelle floß So unversieglich, daß die Augen wund Mir wurden und der Blick mir dunkelte. Und als ich heute nach durchweinter Nacht Dies Mädchen fragte: »Tagt's noch immer nicht?« Da sprach sie: »Strahlt die Sonne denn nicht hell?« Ich aber sah nicht mehr den goldnen Strahl. Und ist's ein Wunder, wenn mir alles Licht Dahingeschwunden mit dem schönen Freunde, Der meiner Augen Trost und Wonne war? In jener Stunde, da mir Ludwigs Sieg Berichtet ward, stemmt ich auf einen Stein Den Knauf des Schwertes, und mit offner Brust Wollt ich hinein mich werfen. Was sie dort Verhinderten, noch kann es hier geschehn: Hier klirrt mein Schwert, und siehst du nicht die Tat, Doch kannst du tauchen in mein heißes Blut Und kannst befühlen die erstarrte Hand. Weh uns! Halt ein! Den Weibern überlaß Die Werke der Verzweiflung und des Grams! Nicht also büßest du das große Leid, Das du mir angetan. Den Gatten hast Du mir gerissen in den wilden Kampf; Du hast ihn mir verloren, als du ihm Gefehlt am großen Tage der Entscheidung: Von dir verlang ich ihn; den Gatten gib Mir wieder und mit ihm der Augen Licht! So manches Jahr hab ich ihm treu gedient, Manch lange Winternacht, manch schönen Mond Hab ich gelegen vor den festen Städten Und vor den Burgen seiner Feinde; Doch er, um einen Tag, um wenig Stunden, Die er auf mich soll warten, wirft er hin Der jahrelangen Mühe teuren Preis. Und dennoch ward ich nicht der Arbeit laß, Und alles setzt ich dran, ihn zu befrein: Nach Avignon bin ich gewandert, habe Den Staub geküsset von des Papstes Sohlen, Bis er den Bannstrahl warf auf Ludwigs Haupt; Dem Könige von Frankreich beugt ich mich Und bot ihm Deutschlands Kron und sah ihn drob In eitler Lust sich spreizen wie ein Pfau; Nach Prag hin eilt ich, und dem Luxemburg Gab ich zerrissen hin den alten Brief, Der unser Recht auf Böhmens Thron verbürgt; Und wieder kam ich, überfiel den Bayer Vor Burgau, trieb ihn schmählich in die Flucht, Verheere sein Gebiet mit Schwert und Brand Und laß ihn nimmer sich des Sieges freun. Doch wenn das alles uns nicht fruchten will, Wenn keine Macht der Erd uns Hülfe schafft, Wenn nicht den Himmel dein Gebet erweicht, So bleibt nur eines noch: die Hölle nur Ist übrig, und auch diese reiß ich auf. Graunvolle Stunde! Sprich! was hast du vor? Die Bühne verdunkelt sich. Unter den Bäumen erscheint Albertus, in den Mantel gehüllt. Schon lagern sich die Schatten auf das Land, Das Nachtgeflügel rauschet in den Zweigen, Und dort schon harrt der Meister schwarzer Kunst, Der mir gelobt, den Bruder zu erlösen. Tritt vor, Albertus! Ja, ich traue dir. Ich hab's erfahren, mächt'ger sind auf Erden Des Abgrunds Geister als die himmlischen. Bist du bereit, die Wandrung anzutreten? Noch eines fehlt mir. Was? Ein Zeichen, Herr, Daran er wisse, wer mich abgeschickt. Kein Ring, kein Kleinod, nichts von Goldeswert, Ein Wort nur, ein Gedanke, der die Seel Ergreift und die Beschwörung wirksam macht. Dir, Isabella, fehlt's am wenigsten An solcher Losung. Zögre nicht! Du bist Der Nacht verfallen und des Lichts beraubt. Die Sterne schau ich nicht, doch weiß ich wohl, Sie gehn jetzt glänzend auf ob meinem Haupt; Mein Aug ist dunkel, doch im Innern leuchten Die Angedenken sel'ger Liebeszeit. Bei was ich den Gemahl beschwören will, Hat mit der Hölle Mächten nichts gemein: Ja, ich beschwör ihn bei dem Ahnungstraume, Der mir ihn wies, bevor ich ihn gekannt, Bei der Begegnung, als er, hergesprengt An meinen Wagen, die Umhüllung hob Und froh erschreckend eins das andre sah; Bei jenen Wonnetränen, die mir quollen, Als er zuerst an seine Brust mich schloß; Beim goldnen Liebessterne, der so hell In unsre Hochzeitkammer funkelte; Bei jeder Stunde des verschwundnen Glückes Und jetzt bei diesen blindgeweinten Augen, Bei diesen Seufzern, dieser Seelenangst; Bei all der Sehnsucht, all der Liebe, die Mein glühend Herz beseligt und verzehrt. Und ich beschwör ihn bei den Todeswunden Des Vaters, bei den eignen Wunden, die Zu Nacht mich schmerzen, daß ich ächzen muß, Bei der gebrochnen Lanzenspitze, die Mir in der Seite steckt, bei diesem Schwerte, Das ich am bösen Tag auf mich gezückt, Bei den Gespenstern der Erschlagenen, Die mich verfolgen, bei den Feuerbränden, Die ich in Städt und Dörfer schleuderte, Bei allem, was mir auf der Seele brennt, Bei allem, was an meinem Leben frißt: Bei Rache, Zorn, Verzweiflung, Raserei. Leopold geht in das Zelt zurück, die Frauen und Albertus nach verschiedenen Seiten ab. 2. Szene Zweite Szene München. Saal im Schlosse. Ludwig und der Burggraf treten im Gespräch auf. Und welchen Eindruck macht der Kirchenfluch, Den unter schnödem Vorwand Papst Johann Auf mich gelegt? Die Schwachen sind geschreckt; Doch eine Wache mächt'ger Geister steht An Eurer Seite: was Johann von Gent, Was Wilhelm Occam, was Marsilius schreibt, Es greift um sich das freie Wort, und weit Wird es noch wirken in der Zeiten Lauf. Mit Recht hat Occam einst zu Euch gesagt: »Schützt mich dein Schwert, so schützet dich mein Wort.« Die kräftige Berufung auch, die Ihr, Erlauchter Herr, ins Reich ergehen ließet, Hat manchen Zweifel siegreich weggeräumt. Zumal die Städte sind im Eifer stark: Zu Regensburg, zu Landshut, wie Ihr wißt, Versagte man den widerspenst'gen Brüdern Das Opfer, bis der Hunger sie bewog, Das heil'ge Amt zu halten nach Gebühr; Zu Straßburg griff das Volk den Pred'germönch, Der an die Kirchentür den Bannbrief schlug, Und stieß ihn nieder in des Rheines Tiefen. Den Eifer lob ich, aber nicht die Tat; Doch gleicher Sinn belebt die Fürsten nicht: Sie wanken. Was zu Rhense jüngst geschah, Wißt Ihr Bescheid darüber? Leopold, Die Vorhand nutzend, die ihm der Entsatz Von Burgau gab, berief sogleich nach Rhense Die Unzufriednen. Frankreichs und des Papsts Gesandte, stets zu unsrem Unheil wach, Erschienen, und gehandelt ward, daß Karl Von Frankreich sollte Deutschlands König sein. Da trat ein Mann hervor, Berthold von Bucheck, Vom deutschen Haus zu Koblenz Kommentur, Und edeln Zornes sprach er: »Wollt ihr den Zum König, der nicht unsre Sprache spricht Noch die Gewohnheit unsres Lebens teilt? Wenn Ludwig weichen soll, ist Deutschland jetzt So arm an Männern, daß ihr auswärts blickt?« Sie schwiegen, die Versammlung war gelöst. Der hat gesprochen, wie ein Deutscher soll. Ich muß ihn rühmen, wie es auch mich kränket, Daß solche Männer meine Gegner sind. Die für Euch stehen, sind sie schlechtrer Art? Die Guten kenn ich, und vor allen du, Mein treuer Zollern, führst mit vollem Recht Die Säul im Wappen, denn du bist bewährt Als eine feste Säule meines Throns. Auf deine Schulter lehn ich mich auch jetzt, Und dir, dem Freunde, will ich anvertraun, Was ich vor andern tief verschweigen muß: Ja, wiß es! Seit der unglücksel'gen Stunde, Da du in meine Halle tratst und mich Zum Thron beriefest, ist kein froher Tag Mir noch geworden, und des Sieges selbst, Des heißerkämpften, hatt ich nicht Gewinn. Der Feinde hab ich mehr noch als zuvor; Die Kampfgenossen reißen gierig mir Am Siegeskranz, und jeder will sein Teil; Wer nicht bei mir den eignen Zweck erreicht, Der kehrt sich ab und sucht ihn anderwärts. Und der Gefangene, was hilft er mich? Er ist mir, was dem Geizigen sein Schatz: Ein freudenlos gefährlicher Besitz, Des Tages Sorge und die Qual der Nacht. O Zollern, Gutes kam mir stets von dir, Nur damals nicht, als du die Königskrone Mir aufludst. O wie oft schon sann ich nach, Mich zu entlasten des unsel'gen Schmucks! Ausbieten möcht ich sie der Welt und rufen: »Will einer friedlos sein, der nehme hin!« Ich weiß, was du mir sagen willst; ich weiß, Jetzt eben in den Tagen der Gefahr Und der Bedrängnis, die mich neu umgibt, Die ich in deiner Tröstung selbst erkannt, Darf ich nicht weichen und nicht lässig sein. Auch reift in mir seit kurzem ein Gedanke, Davon du hören solltest, sah ich nicht Die Ritter dort sich meiner Schwelle nahn. Albrecht von Rindsmaul mit einigen Rittern wird in der Galerie gesehn. Herein, ihr Herrn! Sie treten ein. Ihr seid ein seltner Gast, Herr Albrecht! Seid von Herzen mir willkomm! Erlauchter Herr, ein böser Handel ist's, Was diesmal mich nach München führt: man will Mir an die Ehre tasten. Wer will das? Entrüstet Euch darüber nicht! Ich hoff, Es wird sich geben, wenn Ihr mich gehört. Ich höre. Als wir in der Winterzeit Vor Burgau lagen und mit wenigem Erfolg das Sturmzeug um die Mauern stellten, Da fror es manchen Ritter in die Zehe, Und mißgemut darüber drohten sie, Wenn in drei Tagen nicht das Tor sich öffne, So gelt es des gefangnen Friedrichs Haupt. Drei Tage schwanden und noch drei dazu, Wir lägen, glaub ich, noch vor Burgaus Feste, Hätt uns nicht Leopold den Weg gezeigt. Nun biß es unsern Rittern weidlich aus, Daß sie umsonst gedroht, und Leopold, Der böse Spötter, sprach: »Es hat nicht not: Der König Ludwig kann das Blut nicht sehn.« Die Ritter murrten: »Kann er doch das Blut Der Bayer sehn, das täglich für ihn fließt! Warum nicht Friedrichs? Sollt ihm's wirklich so Am Lösegeld gelegen sein, daß er Um dessenthalb des Feindes Leben fristet Und unsres opfert? Ward denn Friedrich nicht Auf offner Tat ergriffen als ein Feind Des rechten Königs und des Reichs? Warum Soll er nicht bluten und durch seinen Tod Uns Frieden schaffen?« Also murmeln sie, Und weil auch mir, dem Friedrich sich ergab, Ein Teil des Lösegelds gebühren würde, So werfen sie mir vor, ich sei von denen, Die Euch das raten, daß man säuberlich Den Herzog auf der Trausnitz heg und pflege. Darum hab ich hieher mich aufgemacht Und trete jetzt vor Euch mit diesen Rittern, Die ich zu Zeugen mir erbeten habe: Auf meinen Anteil an dem Lösegeld Verzicht ich feierlichst. Gott sei's gedankt! Ich habe noch zu leben ohne das. Dies Schwert, das des gefangnen Friedrichs war, Leg ich in Eure Hand. Mir ziemet nicht Das Urteil, was hier besser sei zu tun; Nach Eurer Weisheit mögt Ihr das ermessen. Drum nehmt dies Schwert! Ob Ihr damit den Herzog Enthaupten laßt, ob nicht, mir gilt es gleich. Er leg das Schwert von sich. Was meiner Ehre, was der Euren ziemt, Es wird geschehn. Gefaßt ist mein Entschluß. Herr Burggraf, macht Euch fertig und auch Ihr, Herr Albrecht, einen Ritt mit mir zu tun! Er geht durch eine Seitentür ab, die andern durch die Galerie. 3. Szene Dritte Szene Burg Trausnitz. Nacht. Der gefangene Friedrich liegt schlafend in einer Nische. Der Burgvogt und drei Wächter mit einer Leuchte treten auf und sehen sich im Gemach um. Ist alles richtig? Ja, er schläft, Herr Burgvogt! Die Lamp ist ausgegangen. Frischt sie auf, Damit er Licht hat, wenn der Sturm ihn weckt! Ist wildes Wetter. nachdem er angezündet. So, die Lampe brennt. Jetzt macht die Runde weiter! Nein doch, halt! Laßt uns den Herzog nochmal recht beschaun, Ob er's auch ist! Der Teufel hat sein Spiel. Kommt, leuchtet her! Ja, seht nur selbst! er ist's. Man kennt ihn an der bleichen Farbe. Still! Er regt sich. Ruhig schläft der Herzog nie. Ja, Vorsicht ist uns not: ein sorglich Ding Ist solche Wache, wo der Kopf drauf steht. Sie gehen ab. Man hört in der Entfernung Donner, der sich bald verstärkt und bis gegen das Ende der Szene von Zeit zu Zeit wiederholt. Friedrich erhebt sich vom Lager. Hat's nicht gedonnert? Ja, es hallen noch Die Berge dumpf. Man sagt wohl, Märzendonner Bedeut ein fruchtbar Jahr. Was soll er mir Für Früchte künden? Nein, ich kann es nicht Ertragen, dieses Wetter. Als der Schnee Noch friedlich über Höhn und Tälern lag Und als das Eis des Stromes Wellen band, Daß sie nicht flossen und nicht rauschten, da Könnt ich mich schicken in mein Kerkerleben. Am Morgen und am Abend ging ich still In die Kapell hinüber zum Gebet, Den Tag entlang ließ man zum Zeitvertreib Mich Pfeile schnitzen, Pfeile sonder Ziel. Doch diese Frühlingsstürme, Märzendonner, Sie rühren mir das Blut auf: mächtig regt Die Jugend sich, die Tatenlust erwacht. Donnerschlag. Im Fenster erscheint Albertus. Ha, welch ein Schlag! Die Fenster klirren auf. Was seh ich? Ist's ein Mensch, ist's ein Gespenst? Sag an! wer bist du? Frag nicht, wer ich sei! Willst du befreit sein, tu, was ich dich heiße! Umfasse mich behend! Den Mantel schlag ich Dir um; der Sturmwind führt uns durch die Luft. Du bist mir fremd. Du hast mich einst gesehn. Komm, Friedrich, komm! Das Nachtgewitter braust, Der Regen rauscht, und morgen steht die Welt Im vollen Frühling wie ein Mädchen, dem Die erste Liebe plötzlich überkam. Jetzt, Friedrich, ist es Zeit zum Kampf und Strauß, Jetzt reiten alle Ritter, Friedrich, komm! Ich will nicht. Deine Schönheit ist gewelkt, Der Frühling blüht, auch sie wird neu erblühn. Du lockst vergeblich. Frühling ist es, komm! Vor Sehnsucht stirbt dein Weib; sie hat sich blind Geweint, ja blind, und weint noch immer fort Und girrt im Dunkeln wie die Nachtigall Und träumt von Königen. Weißt du von dem? Ja, Frühling ist es, deinen Bruder brennen Die Wunden, und die Lanzenspitze sticht. Komm! Dieser Mantel trägt dich sicher hin. Geräusch vor der Tür. Gott sei gedankt! die Runde kommt. Entfleuch! Du bist verloren. Wähnest du wohl gar, Daß ich sie fürchte? Der Burgvogt und die Wächter treten ein. Fort, ihr Elenden! Donnerschlag. Mit diesem Donner werf ich euch zu Boden. Hilf, heilig Kreuz! Flieht! zur Kapelle! flieht! Burgvogt und Wächter ab. Hast du's gesehn? Da sind sie hin. Doch jetzt Ist's höchste Zeit. Komm, Friedrich! Deine Feinde Sind nah, die Brücke fällt, das Burgtor knarrt, Die Hufe klirren. Friedrich, rette dich! Man will dich töten. Ob durch Zauber du, Ob durch Verwegenheit die Zinn erstiegst, Fahr hin, Versucher! Mich verlockst du nicht; In rechtem Kampf hat Ludwig mich gefangen, Und nicht will ich entweichen wie ein Dieb! Die Wächter! Der Burgvogt und die Wächter treten auf, mit Kreuzfahne, Weihkessel und Rauchfaß bewaffnet. Alle gute Geister loben Den Herrn. Das Kreuz voran! Nur keck voran! Spritzt, spritzt den Unhold! blast den Rauch auf ihn! Ich muß von hinnen. Er verschwindet. Hu, der ist hinab, Die Höll hat ihn verschlungen. Wie das kracht Und brauset! Jetzt wird's ruhig, jetzt wird's hell. Klopfen an der Tür. Man klopft. Wer draußen? Alle gute Geister! Albrecht von Rindsmaul tritt ein. Was gibt's hier? Scheucht ihn! Spritzt ihn! Räuchert! Spritzt! Seid ihr von Sinnen? Was soll dieser Spuk? Der Pfleger ist's. Herr Ritter, es ist gut, Daß uns ein Mann von kühlem Blute kommt. Das Grauen dieser Nacht hat wundersam Die Geister aufgestört. Was führt Euch her? Der König ist im Schloß. So ist's doch wahr! Er möcht Euch sprechen. Wißt Ihr, was er will? Ich weiß es nicht. Ein tief Geheimnis ist's; Darum ist er die Nacht geritten. Ha, Was soll das? Drüben auf dem Saal erwartet Der König Euch. Wollt Ihr mir folgen, Herr? Nehmt Euch zusammen, daß Ihr nicht erschreckt, Wenn Ihr Unliebes zu vernehmen habt! Ich weiß es schon, beschlossen ist mein Tod. Er geht mit Albrecht ab. Herr Burgvogt, so nachdenklich? Ja, ich hab's: Der Geist hat meinem Neffen gleich gesehn, Dem ungeratnen, der bei Nacht und Nebel Von hier entwich. Schon neulich deucht es mich, Als sah ich drunten ihn im Zwinger schleichen. So muß ich noch die Schmach an ihm erleben, Daß, wenn der Teufel auf der Erde spukt, Er sich die Larve nimmt in unsrem Stamm! Ab mit den Wächtern. 4. Szene Vierte Szene Saal. Ludwig und der Burggraf treten von der Seite auf. Wollt Ihr Euch keine Ruhe gönnen, Herr, Nach dieser stürm'schen Reise? Heftig war Das Nachtgewitter, das uns überfiel. Die Seele, die auf Großes ist gespannt, Erwehrt sich leicht des Anspruchs der Natur Und achtet wenig auf den äußern Sturm. Der Herzog kommt. Bereitet Ihr indes, Was ich Euch anbefahl! Der Burggraf ab. Friedrich und Albrecht treten von der andern Seite ein. zu Albrecht. Laßt uns allein! Albrecht ab. Mein Vetter, wie erging es Euch? Ich hoffe, Daß meine Diener keinen Anlaß Euch Zur Klage gaben. Meine Weisung war, Euch jegliche Bequemlichkeit zu schaffen, Die mit der Sicherheit verträglich sei. Ihr schweigt? Ha, sprich nur, sprich es aus! Verbirg nicht länger unter glatten Mienen Das Todeswort, das du im Sinne trägst! Ich weiß, du lechzest längst nach meinem Blut; Warum noch erst des Lebens mich versichern Und hier mich hegen als ein Opfertier? Hab ich gezaudert, als ich in der Schlacht Dich zu erreichen hoffte? War ich träg, Das Schwert zu bohren in des Gegners Brust? Wenn du noch atmest, ist es meine Schuld? Drum säum auch du nicht, rufe deine Henker! Hier ist mein Haupt, sieglos, doch ungebeugt. Man riet mir, Euch zu töten, es ist wahr, Und wahr ist's, dieser endlos blut'ge Streit Verhärtet auch des mildern Mannes Sinn; Doch so ist noch der meine nicht verwildert, Daß dieses schöne Haupt mir dürfte fallen, Dies edle Haupt, der höchsten Krone wert. Was ist es andres, das Euch hergeführt? Weil es dahin gekommen zwischen uns, Daß Liebe nichts mehr gilt, daß Freundesrede Für Trug und Heuchelei geachtet wird, So laßt mich das nur Euch vors Auge stellen, Was Euer Vorteil und auch meiner heischt! Es sei Euch unverhalten, schwer bedrängt Bin ich von Feinden: mich gefährdet sehr Des Papstes Fluch, die Rache Leopolds. In solcher Not kann ich an niemand besser Mich wenden als an Euch. Ihr spottet mein. Denn seht! je später sich mein Thron befestigt, Je länger dauert Eure Kerkerhaft; Je wilder mich der Gegner Wut bestürmt, Je fester muß ich Eure Bande schmieden, Und so verzehren wir uns beiderseits, Ich, der ich Frieden will, in stetem Kampf, Ihr, der nach Taten glüht, in ödem Gram. Drum wenn uns beiden Hülfe werden soll, So muß der eine zu dem andern stehn, Und deshalb komm ich her und ruf Euch auf: Verbürget mir den Thron und werdet frei! Was nennt Ihr, Euch den Thron verbürgen? Dies Sind die Bedingungen: entsagen müßt Ihr Dem Königsnamen, müßt die Krone mir Ausfolgen, die man für die rechte hält, Müßt Eure Brüder zum Gehorsam bringen, Die Feinde mir bekämpfen und auch den, Der Papst sich nennt; was Ihr dem Reich entrissen, Müßt Ihr zurück ihm stellen ... Meine Burgen Zum Pfand Euch übergeben, meinen Schatz Als Lösegeld ... Verkennt mich nicht! Das Eure Soll Euch verbleiben, und was Ihr verlort, Wird Euch zurückgegeben, Euer Lehn Bestätigt, Lösegeld bezahlt Ihr nicht, Und alle, die mit Euch gefangen wurden, Sind mit Euch freigelassen. Unterpfand Begehr ich keines: Eure Treue bürgt; Nur Euer Wort verlang ich, daß, wenn Ihr Nicht die Bedingungen erfüllen könnt, Ihr Euch bis auf die nächste Sonnenwende Unfehlbar in die Fängnis wieder stellt. Auf die Entscheidung durch das Schwert habt Ihr Das Recht zur Krone selbst uns ausgesetzt: Mir fiel der Sieg, mein Recht nur sprech ich an. Ob Eurer Gründe siegendes Gewicht, Ob der geheime Zauber dieser Nacht Mein widerstrebendes Gemüt bezwang, Ich muß mich unterwerfen; nehmt mein Wort: Was Ihr bedingt, erfüll ich, wenn ich kann; Kann ich es nicht, so kehr ich auf die Zeit. Handschlag. Wohlan denn! Gegen den Hintergrund rufend. Herzog Friedrich wandelt frei. Hinter der Szene wird eine Orgel angespielt. Was soll das Orgelspiel? Der fromme Prior Von Maurbach, Euer Freund und Beichtiger, Der Lehrer unsrer Jugend ... Ist er hier? Er ist's. Ja, dieser echte Gottesknecht, Ein Gegenbild zu dem von Avignon, Ein Friedensbote, der im Heile nur Und nicht im Fluch die Macht der Kirche zeigt, Er ging von Euch zu mir, von mir zu Euch; Zu trösten sucht' er, zu besänftigen, Neu anzuknüpfen das zerrißne Band. Auch diese Sühne, die wir jetzt vollbracht, Wünscht er zu heil'gen: sein Begehren ist, Daß wir auf unsern Bund die Hostie nehmen. Gegen den Hintergrund. Man öffne! Die Flügeltür in der Mitte geht auf, und man sieht in die erleuchtete Schloßkapelle. Am Altar steht der Prior von Maurbach, an den Stufen des Altars Dietrich von Plichendorf, der Burggraf und Albrecht von Rindsmaul. Orgelspiel, das bis zum Ende des Aufzugs fortdauert. Seht Ihr dort den edlen Greis? Schon harret er auf uns am Hochaltar, Und dort auch stehet Euer Plichendorf. Mit Euch befreit, soll er uns Zeuge sein. O möchte dieses heil'ge Mahl in uns Die Funken alter Liebe neu erwecken! Folgt mir! Die Orgel hallt, der Priester winkt. Fürwahr, ein mächt'ger Wohlklang muß es sein, Der meiner Seele tiefen Mißton lösen, Ein kräft'ger Himmelsfriede, der die Brust, Die stürmisch wallende, mir stillen soll. Herabzusteigen von der Wünsche Gipfel, Des Lebens höchstem Ziele zu entsagen Und wie ein Aar, gebrochnen Fittiches, Zum Himmel aufzublicken, o es ist Ein großer Schmerz, und nicht entehret hier Den Mann die Träne. Kommt! Ich bin bereit. Sie gehen ab nach der Kapelle. Die Orgel verhallt. 5. Akt 1. Szene Erste Szene Ein Garten. Friedrich und Isabella sitzen auf einer Rasenbank. Kein Lenz noch hat so innig mich entzückt, Und seh ich nicht der Bäume Blütenschmuck, Der Wiesen junges Grün, der Blumen Schmelz, Des Himmels Glanz, der sich im Teiche spiegelt, So ward mir dennoch überschwenglich Glück: Von linder Luft umhaucht, von Balsamdüften Umwölkt, von Nachtigallen eingesungen, Ruh ich an des Geliebten Brust, die Hand Des Langentbehrten drück ich an mein Herz. Und diese Blindheit, was noch ist sie mir Als eine Dämmrung, Liebenden erwünscht? Jetzt wein ich Tränen, die nicht brennen, die Mein Aug erfrischen wie der Abendtau, Und manchmal ist's, als wollt es sich erhellen, Als bräch aus dem Gewölk ein holder Stern: Gewiß, mein Friedrich, blickst du dann auf mich Mit Blicken deiner Liebe. Ja, er wird Die Nacht noch teilen, dieser Liebesstrahl. O Isabella, wünsche nicht zu sehr, Das Licht zu schaun! Erschrecken würdest du, Wie schmählich man dich blindes Weib getäuscht: Statt deines Gatten, der ein stolzer Held, Der ein gekrönter König war, hat man Dir einen hingeschoben, der vor Scham Das Haupt muß senken. Senke du das Haupt Auf meine Brust! Fragt Liebe denn nach Kronen? Das ist noch Spur von meiner bessern Zeit, Daß Weibesliebe mich nicht glücklich macht, Seit unter Männern ich entwürdigt bin. Entwürdigt? Aller Herrlichkeit entkleidet, Nicht mehr gefangen, doch darum nicht frei; Denn frei ist, wer das Höchste darf erstreben, Ich aber bin der Scholle jetzt verhaftet, Mein Herzogtum ist meines Wirkens Grenze, Nur abwärts darf ich steigen, nicht hinan. Leopold und der Legat kommen den Garten herauf. O daß sich jetzt auf meine Augen schnell Das Dunkel würfe, was die deinen hüllt! Denn welchen Blicks empfang ich jene zween, Die dort sich nahn? Wer sind die beiden? sprich! Mein Bruder und der päpstliche Legat. Willkommen in der Freiheit! Daß ich spät Erscheine, Bruder, halt es mir zu gut! Die Sorge deines Diensts verweilte mich. Empfangt, erlauchter Herr und hohe Frau, Den Glückwunsch des erfreuten Kirchenhaupts! In dieser schlimmen Zeit hat lange nichts Des heil'gen Vaters Herz so froh bewegt Als die Verkündung dieser Wiederkehr. So freundliche Gesinnungen sind jetzt Uns zwiefach dankenswert. Doch, Leopold, Du scheinst mir krank. Nicht wahr, ich passe schlecht In diesen Garten, der voll Blüte steht? Der Winterfeldzug hat mir zugesetzt. Es bricht nun eine Zeit des Friedens an, Es kommen Tage, wo die Helden ruhn; Auch du, mein Teurer, kannst den Harnisch jetzt, Den festgewachsnen, dir vom Leibe lösen; Die saft'gen Kräuter, die der Frühling zeugt, Kannst du auf deine Wunden drücken, kannst Im warmen Sprudel eines Felsenquells Die Glieder dir erfrischen. Scherzest du? War je zum Kampf gelegne Zeit wie jetzt? Es scheint, du hast vergessen, was ich schrieb Von den Bedingungen, woran ich selbst Die Lösung aus dem Kerker mir geknüpft. Schon haben unsre Brüder sich gefügt; Auf deine Ankunft, die wir längst erharren, Ist des Vergleichs Vollziehung ausgesetzt. Könnt ich das Opfer bringen, warum du Mir widerstreben? Nein, verhindre nicht Die endliche Befriedung dieses Streits! Hilf mir erfüllen, was ich zugesagt! Ich weiß nur, daß du frei bist, andres nicht. Du bist es unbedingt; er mußte dich Entlassen, auf der Brust stand ihm das Schwert: Wo keine Wahl ist, ist auch kein Beding. Drum mutig! Auf des Glücks geschwungnem Rade Sind wir jetzt wieder oben: du bist frei, Der Papst ist dir gewogen, und er wird Als König dich erkennen; Ludwig ist Im Bann, und an des Reiches Grenze tobt Ein neuer Feind: der Polen und der Reußen Unbänd'ge Scharen fallen in die Mark Von Brandenburg, der heil'ge Vater selbst Hat sie berufen; Ludwigs junger Sohn Schreit dort um Hülf; in Schwaben hier bin ich. Hab ich gesäumet, so geschah es nur, Damit ich vielfach, tausendarmig dir Mich stelle: hinter mir schon braust mein Heer, Die Luft, die mir im Nacken weht, ist schon Das Schnauben ihrer Rosse. Darum frisch! Zeuch an den goldnen Harnisch, laß den Hengst Sich bäumen! Jauchzen hör ich schon dein Volk, Die Ritter sind zu Roß, genesen sind Die Wunden, die Erschlagnen springen auf. Steig wieder, Sonne, die gesunken war! Hinab muß Ludwigs bleicher Stern. Du weißt Mich gut zu fassen, du verstehst den Klang, Der tief in meiner Seele widerhallt. Vergeblich! meine Treue steht zu Pfand. Den Zweifel, der Euch das Gewissen drückt, Vergönnt, daß ich mit sachter Hand ihn löse! Was Ihr verheißen, war von Anbeginn Unhaltbar, nichtig, ohne Rechtsbestand. Durch ungerechten Zwang, durch Drohungen, Die auch den festen Mann erschüttern ... Nein, Die Furcht ist's nicht, was zu Entschlüssen mich Zu drängen pflegt. Mein Wort, ich gab es frei. Doch wem habt Ihr's gegeben? Ihm, dem Feinde Der Kirche, dem Verstoßnen, Fluchbeladnen. Schon längst erging der päpstliche Beschluß, Der männiglich von Pflicht und Huldigung, Selbst von beschworner, gegen ihn entbindet, Und eben das ist meiner Sendung Zweck, Von jeglicher Verpflichtung, jedem Eide, Wodurch Ihr Euch gebunden möchtet glauben, Im Namen apostolischer Gewalt Euch loszuzählen, wie andurch geschieht. Noch hab ich nicht gebeten, meiner Pflicht Mich zu entheben, und ich werd es nie. Ob Ihr es bittet, wünschet oder nicht, Die Kirche darf nicht dulden, daß Ihr dem Verfangen bleibet, dem sie fluchen muß. Mißfällig und zu großem Ärgernis Ersah aus Euren Briefen Papst Johann, Daß Ihr mit Kirchenfeinden Einung pflegt, Daß Ihr ihm selber anzusinnen wagt, Sich dem verworfnen Manne zu versöhnen. Drum wisset! wenn Ihr dem Vergleiche lebt, Wenn Ihr, was Gott verhüte! wiederkehrt In Ludwigs Haft, so fällt auf Euer Haupt Derselbe Bannstrahl, der auf jenen fiel. Erwägt es, Herr, und wenn Ihr's wohl erwogen, Bescheidet mich! Indes gehabt Euch wohl! Der Himmel lenke gnädig Euern Sinn! Ab. Von diesem hast du Frist gewonnen; ich Darf keine dir gewähren: augenblicks Muß mir Entscheidung werden, denn gezählt Sind meine Stunden, Eile tut mir not. Ja, wiß es, Bruder! dieser Frühling ist Mein letzter, wenn es je mir Frühling war, Und um zu sterben, brauch ich jetzt nicht mehr Mein Schwert zu wenden gegen meine Brust. In meinem Marke wühlt der Tod, die Kraft Geht mir versiegen, unstet flackert noch Die Lebensflamm auf dem verglühten Stoff. Drum zaudre nicht! Ich fordre jetzt den Sold Für eine frühverzehrte Jugend, für Ein Leben, das in deinem Dienste schwand. Nur diesen Lohn begehr ich, daß zuletzt Du noch hintretest vor mein brechend Aug Im Glanz der Krone, die ich dir erkämpft. Was ich dir schuldig bin, ich hab es nie Verleugnet; rief und ewig ist mein Dank. Könnt ich, was du von deinem Leben mir Geopfert, aus dem meinem dir erstatten, Könnt ich als Leiche vor dir niedersinken, Damit du blühend ständest und verjüngt! Doch eines ist, was ich versagen muß: Der Ehre wank ich nicht, und war's dein Tod. Mein Atem, wenn er gleich sich mühsam hebt, Ist doch so wirksam noch, daß er ein Heer, Ein mächtiges beseelet und bewegt; Noch kann er Sturm erregen, und er wird's. Du bist mein Feind, denn du bist Habsburgs Feind; Nicht Ludwigs, mei n Gefangner bist du jetzt. Versuch's, stell dich zur Wehre, ruf dein Volk Zu Hülf! Der Bannstrahl zischt: du stehst allein. Meint ihr, ihr Toren, daß ich mir die Kron Aufdrängen lasse? Wenn ich eifrig war, Sie zu erstreben, standhaft werd ich sein, Sie abzuwehren. Eile, heb dich weg! Noch bin ich Herr, von dir noch unbesiegt. Du sollst mich wiedersehn. Solang mein Puls Noch zucket, werd ich dein Verfolger sein; Wie ich dir diente, werd ich dich bekämpfen, Und sink ich in der Schlacht des Bruderkriegs Entseelt vom Roß, und wälzen sie auf mich Den Stein des Feldes, glaube nicht, ich könn Im Grabe rasten! Rastlos wird mein Geist Dich suchen und dich quälen. Friedrichs Hand krampfhaft fassend. Leb ich noch? Bin ich nicht Leiche schon? Ist diese Hand Nicht starr, mein Hauch nicht Grabeshauch, mein Blick Nicht Hölle? zurückschaudernd. Weg! Ihr Heil'gen, steht uns bei! Verschling mich, Abgrund! Stürme, reißt mich hin! Ab. Nun, Isabella, hast du selbst gehört, Ich hab es mit Verzweifelnden zu tun, Und rascher Tat bedarf es. Nimmermehr Will ich das Werkzeug fremder Plane sein; Mit jenem Handschlag in des Bayers Hand Hab ich mir selbst mein Schicksal festgesetzt, Und nimmer soll mich dieser Vorwurf treffen, Daß ich den Zwang, den ich vermeiden konnte, Zum Vorwand eines Treuebruchs gebraucht. Noch bin ich frei, noch einen Augenblick; Noch bin ich nicht vom Bann gezeichnet, noch Von meines Bruders Scharen nicht umringt, Und diesen Augenblick der Freiheit nütz ich, Zurückzuschreiten in den Kerker. Weh! Du wolltest? Ja, ich will. Das ist mein Stolz, Daß ich noch wollen kann. Ich glaubte mich Erniedrigt, aus der Freien Zahl getilgt Und fühle jetzt mit eins mich frei und groß Und atme leicht und blicke freudig auf, Daß ich noch Kronen von mir stoßen, noch Den Kerker kann erwählen statt des Throns. Leb wohl, mein Herz! Zu Rosse schwing ich mich: Das Tor ist offen und die Straße frei. Treuloser, meiner Blindheit solltest du Ein Führer sein und läßt mich hülflos stehn; Du solltest heilen mein verweintes Aug Und gibst ihm neue Zähren, heißere. Du darfst nicht fliehen, nein, ich laß dich nicht. Was klammerst du dich fest? Es ist umsonst! Ich gab mein Wort. Nichts weiter als ein Wort? Was ist ein Wort denn gegen meine Liebe? Ein totes Wort, ein Schlag der hohlen Hand, Was soll das gelten, wo das Leben glüht? Ein Wort soll in der Fülle deiner Kraft Hinab dich in das Grab des Kerkers bannen, Soll aus dem Licht des Frühlings, aus dem Atem Der Liebe dich in Nacht und Moder ziehn? Nein, Friedrich, nein. Verfangen bist du mir, In meiner Liebe Kreisen wandelst du, Du lebst von meinem Leben, nimmer läßt Mein Herz das deine ... Bluten, brechen muß Dein Herz und meines; dazu liebten wir. Laß mich! Dein Wort hast jenem du verpfändet, Du gabst auch mir ein Pfand, ein teures Pfand. Ja, Friedrich, was ein süß Erröten dir Gestehen sollte, jetzt verzweiflungsvoll Muß ich's zum Ohr dir schreien: ich bin Mutter. Sie wirft sich vor ihm nieder. Verlaß mich nicht in dieser finstern Nacht! Dein Knie umfaß ich, o verlaß mich nicht! Ich muß, es wird zu spät, ich muß; mich brennt Der Boden hier. Laß, laß mich! lieg im Staube! Du bist des unglücksel'gen Friedrichs Weib. Ab. Isabella wird von ihren herbeieilenden Frauen aufgehoben und hinweggeführt. 2. Szene Zweite Szene Saal im Schlosse zu München. Ludwig tritt auf, setzt sich nieder und blickt nachdenklich in die Galerie hinaus, wo seine Söhne Albrecht, Stephan und Otto Ball spielen. Dort spielen meine Knaben, lustig fliegt Der bunte Ball herüber und hinüber. In meiner Knabenzeit, da schlug ich so Mit Friedrich und mit Leopold den Ball; Doch andres Spiel begann uns, ernsteres: Gewaltig Schicksal warfen wir uns zu, Und müde bin ich von so strengem Spiel. Mehrere Bürger von München nähern sich durch die Galerie. Die Bürger kommen. Seid mir schön gegrüßt, Getreue Münchner! Laßt mich wissen, was Euch Anlaß gab, mich um Gehör zu bitten! Wir sind schon fast beruhigt, hoher Herr, Seit wir nur Euer teures Antlitz schaun. Es hatte durch die Stadt sich das Gerücht Verbreitet, daß Ihr plötzlich in der Nacht Hinausgeritten zu dem Heere, das Nach Brandenburg bestimmt ist, Eurem Erlauchten Sohn zur Hülfe. Billig ist's, Daß dem bedrängten Sohn der Vater helfe; Doch hier auch drohet neuer Überfall: Der alte Dränger Bayerns, Leopold, Ist, wie Ihr wißt, mit großem Heereszug In Schwaben eingerückt. Zugleich verlautet, Daß Friedrich, Eurer Großmut ungedenk, Von neuem sich als König zeigen will. Nun ist Euch wohl bekannt, erhabner Herr, Daß Euren Bürgern nichts zu kostbar ist Für Euch und Euer Recht. Mit Gut und Blut Sind wir zu jeder Stund Euch dienstbereit. Dagegen ist uns nichts so unentbehrlich Als Eure Gegenwart. Ja, Herr, in Euch Ist unsre Stärke. Darum waren wir Bestürzt zu hören, daß Ihr plötzlich uns Verlassen, um nach Brandenburg zu ziehn. Wir sind getrost, Euch noch bei uns zu sehn, Und bitten aus getreuem Herzen: bleibt Uns gegenwärtig! und wenn Kampf beginnt, So steht an unsrer Spitze wie vordem! Das bitten wir. Das bitten alle Bayer. An jenem Tag, da mich der Fürsten Bote Zur Königswahl beschied und ich erbangend Abwehrte den erhabenen Beruf, Da standet ihr mit andrer Städte Bürgern In diesem Saal und rieft mir freudig zu Und drängtet euch ermutigend um mich. Ihr habt's gewollt! Ich stieg auf Deutschlands Thron, Und meine Sorge, die euch eigen war, Hat fortan unter viele sich geteilt. Wo immer, sei's an Deutschlands fernster Mark, Ein Feind sich rühret, dahin muß ich blicken Und, wo am schwersten dräuet die Gefahr, Da muß ich sein mit meiner Gegenwart. Und jetzt, in diesem ernsten Augenblick, Wo dort und hier nach mir gerufen wird, Steh ich noch spähend, wo am dringendsten Des Königes Erscheinen nötig sei. Der Burggraf führt das Heer nach Brandenburg; Es kann geschehn, daß ich ihm folgen muß, Doch nicht als ob mich's dorthin stärker ziehe, Weil dort mein Sohn gefährdet ist; auch hier Sind meine Kinder: alle lieb ich gleich. Herein, ihr Knaben! Seine Söhne kommen herbei. Stellt euch her zu diesen! Sie sind die Meinigen, wie ihr es seid; Und ruft des Reiches Not mich anderwärts, Ihr bleibt bei ihnen als ein Unterpfand, Daß euch und ihnen eine Sorge gilt. Und mehr nicht, wahrlich, können sie verlangen, Als daß ich so für ihre Sicherheit Bedacht sei, wie ich's für die eure bin. Seid ihr zufrieden, Bürger? Herr, wir sind's. Wohlan, so sagt den Euren, was ich sprach! Die Bürger ab. Es ist ein Schweres, mit gebeugtem Geist Der andern Mut noch hülfreich aufzurichten. In Zeiten allgemeiner Drangsal ist Fürwahr der König der Bedrängteste, Auf den sich jeder wirft mit seiner Not. Du bist so traurig, Vater! Komm heraus, Sieh unsrem Spiele zu! Du liebst es sonst. Sei ohne Sorgen, Vater! Laß ihn kommen, Den Leopold! Du hast ja um die Stadt Die große neue Mauer lassen baun. Bleib du, schick mich dem Bruder in die Mark! am Fenster. Ei, welch ein schöner Ritter auf dem Hof! Sein goldfarb Roß ist ganz mit Schweiß bedeckt. Der muß ja vornehm sein: der Marschalk selbst Hält ihm den Bügel. Führt ihn gleich mir her! Die Knaben ab. Ich wart auf Botschaft; gute kommt nicht leicht. Doch wenn das Unheil ganz sich dargelegt, Kann erst die volle Abwehr wirksam sein. Friedrich wird von Ludwigs Söhnen durch die Galerie geführt. Hier ist er. Ja, hier bin ich. Täuschet mich Mein Auge? Friedrich? Freu dich nicht, erschrick Ob meiner Wiederkunft! Sie zeigt dir an, Daß unversöhnlich deine Feinde sind. Unmöglich war mir der Bedingungen Erfüllung, meine Rückkehr selbst ist Flucht. Bewundern muß ich dich. Als ich den Bruder, Der sich mir aufgeopfert, von mir stieß, Als ich mich losriß von der blinden Gattin, Damals, im ersten Schmerze, schien mir's wohl, Als hätt ich Übermenschliches getan; Doch nun ich's recht betrachte, tat ich nichts Als das Geringste, was ein Mann kann tun: Ich hielt, was ich versprochen. Größre Taten, Ruhmwürdige, die ich mir einst geträumt, Vereitelte mein feindliches Geschick. Doch daß ich mindestens mein Wort gelöst, So gut ich konnte, davon zeuge dir Die Krone hier! Er deckt die Krone auf, die er unter dem Mantel mitgebracht. Sie ist das einzige, Was deinen Feinden zu entreißen war; Es ist die Macht nicht, doch ein Schein der Macht, An dem sich oft mein kindisch Herz vergnügt. Er legt sie von sich. Ich selbst bin dein Gefangner wie zuvor. Laß mich zur Trausnitz führen! Mich verlangt Nach Einsamkeit. Mein Leben ist verlebt. Du ein Gefangner? Nein, du bist ein Sieger. Bei Mühldorf siegt ich durch der Waffen Macht, Jetzt durch die Macht der Treue siegest du; Vor dir verliert mein Purpur seinen Glanz! Nicht kann ich König sein, wenn du's nicht bist. Ja, Friedrich, als du tratst in diesen Saal, Da hüb es sich zu hellen an, und jetzt Ist mir es klar geworden wie der Tag: In welcher Blendung irrten wir, in welcher Betörung! Wir, die Enkel eines Ahns, Die Jugendfreunde, wir verfolgten uns, Wir trieben uns durch Fluten und durch Flammen. Durch blut'ge Schlachten, Kerker, Kirchenfluch, Und mit uns lernten unsre Völker sich Verkennen, hassen und bekämpfen, sie, Die einem Stamm entsprossen sind gleich uns, Die alle deutschen Bluts Genossen sind. Und doch so nahe lag die Lösung; nicht Im Schwertkampf, nicht in List noch Zauberei, Sie liegt uns einzig in der Kraft des Herzens. Das Herz nur kann uns retten, das uns stets, Wann wir zum Kampfe schritten, Warnung gab, Das oft die Schlacht noch dann vereitelte, Wann Heer dem Heere schon die Stirne bot. Als wir noch waren wie die Kinder hier, Die dich mir eben zugeführt, da wußten Wir beßre Wege; damals hatten wir Die Schüssel und den Becher und das Bett Gemeinsam, und warum nicht jetzt den Thron? O hätt ich dieses längst dir angeboten! O hättest du es längst von mir begehrt! Du träumest, Ludwig! Das ist mehr als Traum; Es steht mir wahr und wirklich vor dem Geist, Und wie es vor mir steht, verkünd ich dir's: Das Reich mit allen Rechten, allen Würden, Wir sollen's beide haben als ein Mann Und als ein Mann uns wider jeden setzen, Der unser einem feindlich sich erweist; Wir sollen Brüder heißen und als Brüder Uns halten; in dem Siegel unsrer Macht Soll beider Name sich verschlingen, und Wir selbst auch sollen fest verflochten sein Und ungeschieden, bis der Tod uns trennt, Und noch im Tode nehm ein Grab uns auf! Die Krone, Friedrich, die du mir gebracht, Ich setze sie auf dein geweihtes Haupt. Er krönt Friedrich. Die Stund ist heilig. Unser großer Ahn, Der königliche Rudolf, schaut hernieder Und segnet uns, und hier in diesen Kindern Grüßt freudig uns das werdende Geschlecht. Ich faß es nicht. Jetzt bin ich hochgemut, Jetzt bin ich stark, jetzt führ ich selbst mein Heer Gen Brandenburg und bin des Siegs gewiß. Dir, Bruder, übergeb ich unterdes Die Pflege meiner Kinder, meines Landes. Ich kann dir Teureres nicht anvertraun, Und ihnen kann ich keinen Schutzvogt setzen, Der so in allem mein Vertreter und Verweser wäre, so mein andres Selbst. Wenn Leopold herangezogen kommt, Mein Bayern zu verwüsten, tritt ihm du Entgegen in der Königswürde Schmuck! Und lächeln wird sein finstres Angesicht. Ich frage nicht mehr, ob es möglich ist, Ob im feindseligen Treiben dieser Erde So herrlicher Entschluß bestehen kann. Genug, es ist in dieser großen Stunde, Es lebt in diesem hehren Augenblick, Ich fühl's und werfe mich an deine Brust. Sie umarmen sich. Die Knaben drängen sich mit Zeichen der Freude an sie. In dieser innigen Umarmung sei Auf ewig ausgesöhnt der Bruderkrieg, Der uns entzweit hat und das deutsche Volk! Fußnoten 1 Der Verfasser denkt sich diese, meist in äußerer Handlung bestehende Szene so dargestellt, daß sie mittelst klarer Gruppierung und bezeichnenden, zusammengreifenden Spiels in den Hauptzügen schon als Pantomime sich verständlich mache.