Dramatisches Schildeis Böhmerwald. Im Hintergrunde das Schloß Schildeis. Herzog Eginhard, die Herzogin, Ritter Dietwald und ein Einsiedler treten auf. Dort liegt das Jagdschloß, so man Schildeis nennt, Ganz in des Böhmerwaldes Innerstem. Das ist das Schloß, von dem ich Euch gesagt, Daß es die beste Zuflucht bieten mag. Ich hätt' es wahrlich selbst nicht mehr gefunden, Denn alle Weg' und Stege sind verwachsen, Seitdem der sel'ge Herzog hier gejagt, Es sind nun fünfundzwanzig Jahre her. Dank, frommer Bruder, Euch für das Geleit! Ihr seid der wilden Gegend trefflich kund. Und du, mein gutes Weib! nun hast du endlich Des weiten Wegs Beschwerden überstanden. Viel wohler, als in des Palastes Pracht, Der ich unwürdig oft mich achtete, War mir auf dieser mühevollen Fahrt. So meint' ich abzubüßen meine Schuld, Die Schuld, ach! die ich nicht bereuen kann. Dort kömmt ein Jägersmann am Fels herum. Der alte Eckart, dieses Schlosses Vogt. Wie ist er grau geworden und gebeugt! Eckart tritt auf. Willkommen, treuer Eckart! Seh' ich recht? So wird mir noch einmal in diesem Leben Die Freude, meinen lieben Herrn zu schaun! Wie kennst du plötzlich, den du nie gesehn? Ist's möglich? Seid Ihr nicht mein junger Herr, Der Herzog Welf? Du sprichst von meinem Vater, Der vor drei Monden zu den Ahnen gieng. Um Gott! davon gelangte nichts zu uns. Der Himmel schenk' ihm eine sanfte Ruh! Er sah doch ganz, wie ihr, der gute Herr, Als er vor Jahren hier beim Jagen war. Auch dünkt es mir nicht gar so lange her, Und steht noch Alles drüben in der Burg Sowie der Herr es hinterlassen hat. Sie Sanduhr ist seitdem nicht mehr gelaufen, Die Armbrust hängt noch dort, unabgespannt, Sein Jägerhut noch mit dem Tannenzweig, Sein Falke sitzt im Käfig, ausgebälgt. Das alte Liederbuch, darin er las, Ist aufgeschlagen, wo er aufgehört; Ihr könnt fortlesen, wo der Vater blieb, Es kommen erst die herrlichsten Geschichten. Ja! Euer Schloß ist ein seltsamer Ort, Es wandeln dort in stiller Mitternacht Die Geister längst Verstorbner durch die Hallen. Sie kehren gerne zu dem Haus zurück, Wo Alles noch ist, wie zu ihrer Zeit. Das ist wohl gar der Junker Dietwald hier, Der mit dem sel'gen Herzog bei uns war? Ihr habt Euch was verändert, doch nicht sehr. Das hör' ich gern, mein alter Jagdgesell! Ihr habt wohl manches Jährlein hinter Euch? Ein Sechzig. Und ein Dreißig noch dazu. Das Jahr nicht kennend, das der Welt ihn gab, Hat er schon längst auf sechzig sich geschätzt, Doch neigt das Jahr sich wieder, denkt er stets: Ich hab' ein Jährlein leicht zuviel gezählt; So tritt er über sechzig nie hinaus. Es liegt ja doch am Ende dran. Kein Wunder, daß die Zeit ihm stille stand Und daß er meinet, Alles steh' im Alten; Denn kein Ereigniß zeichnet ihm die Tage, Seitdem der sel'ge Herzog hier gejagt, Noch hört er Kunde von dem Lauf der Welt. Den Wechsel selbst der Jahreszeiten läßt Der Tannenwälder ewig Dunkelgrün, Der Felsen ewig frühlingslose Oede In unsrer Wildniß weniger bemerken. Ganz recht! ich hab' es niemals so bedacht. Ihr Theuersten! des Menschen Leben ist Ein kurzes Blühen und ein langes Welken. Durch diesen einfach langen Wechsel zieht Der Jahreszeiten schneller, bunter Tausch, Und schafft dem Menschen, der, dazwischen stehend, Nicht folgen kann, so mannigfaches Weh. Denn wann der Herbst das Feld entblümt, entlaubt, Da trübt sich selbst des frischen Jünglings Sinn, Er muß das Alter kosten vor der Zeit. Noch schmerzlicher – wann sich der Lenz belebt, Da will des Greisen Wange neu sich röthen, Sich zu verjüngen meint das matte Herz; Ach! kurze Täuschung nur! Der dürre Stamm, er treibt ein schwaches Laub, Doch zu gesunder Blüthe bringt er's nicht. Drum lob' ich diese wechsellose Gegend, Wo nichts im Herzen weckt der Sehnsucht Qual. Der Pred'ger in der Wüste hier hat wohl Seit langer Zeit sich nicht mehr ausgesprochen. Es ist, als wäre diese Gegend früh Zurückgeblieben hinterm Schritt der Zeit. Die weiten stillen Wälder, wo der Mensch, Des Schöpfers letztes Werk, noch fehlt. Und dort noch in der Ferne das Gebirg, Das liegt nun vollends außer aller Zeit. Auch nicht das Pflanzenreich ist dort geschaffen; Die Elemente sind noch nicht geschieden; Ein Chaos ungeheurer Felsenblöcke, Voll tiefer Klüfte, drein kein Licht noch fiel, Nur daß oft Flammen aus dem Abgrund zucken! Die dunkeln Wasser rauschen schaurig drunten, Und Wolken liegen in den Schluchten hin. Es kam mich einsmals dort gar seltsam an, Als ich so über diese todten Massen In eigner kräftiger Bewegung schritt. Es glüht mein Aug', es hebet sich mein Arm, Mein Mantel wallt, es flattern meine Locken, Ich rufe durch die Stille hin: Es werde! – Unmächt'ge Stimme schwacher Kreatur! Auch hierher dringt noch die rastlose Zeit, Die Tannen, die so trotzig stehn, sie müssen Zur Menschenwohnung sich zusammenfügen; Die Felsen werden vom Gebirg gerollt Und steigen neu, als hehre Dom', empor. Kaum tretet ihr in diese Wildniß ein, Und habt schon in tiefsinnige Gedanken. Und nun, mein guter Eckart, sei mir treu, Wie du es meinem lieben Vater warst! Wir nehmen unsern Sitz in diesem Schloß, Ich und die werthe Frau hier, mein Gemahl, Doch bleibt es ein Geheimniß, wer wir sind. So ziehn wir denn zur neuen Hofburg ein! Alle ab. Zwei Wanderer treten auf. O Tannenbaum, du edles Reis! Bist Sommer und Winter grün. So ist auch meine Liebe, Die grünet immerhin. O Tannenbaum! doch kannst du nie In Farben freudig blühn: So ist auch meine Liebe, Ach! ewig dunkel grün. O Birke! die so heiter Aus dunkeln Tannen glänzt, Und sich vor anderm Holze Mit zarten Blättern kränzt. Mein jugendliches Hoffen, O Birke! gleicht es dir? Du grünst so früh, so helle, Und neigst doch deine Zier. Ab.