Die wahre Grösse An Herrn Gleim. In meinen Adern tobt ein juvenalisch Feuer; Der Unmuth reichet mir die scharfgestimmte Leyer: Maßt sich des Pöbels Wahn Das Urtheil nicht von grossen Seelen an? Sey Richter, liebster Gleim! der Pöbel soll nicht richten, O du, der iedes Herz mit lieblichen Gedichten Nach Amors Willen lenkt, Der schalkhaft scherzt und frey und edel denkt! Ein Mann, der glücklich kühn zur höchsten Würde flieget, Und, weil er Sklaven gleich, vor Grossen sich geschmieget, Nun, als ein grosser Mann, Auch endlich selbst in Marmor wohnen kann: Der heißt beym Pöbel groß, da ihn sein Herz verdammet; Und wann der Bürger Gold auf seinem Kleide flammet, So sieht die Schmeicheley Für Schimmer nicht, wie klein die Seele sey. Soll seines Nahmens Ruhm auf späte Nachwelt grünen? Dem Staate dient er nur, sich Schätze zu verdienen: Bereichert ein Verrath, So, zweifle nicht, verräth er auch den Staat. Der Absicht Niedrigkeit erniedrigt grosse Thaten: Wem Geiz und Ruhmbegier auch Herculs Werke rathen, Der heißt vergebens groß: Er schwingt sich nie vom Staub des Pöbels los. Zeuch, Alexander! hin bis zu den braunen Scythen; Irr um den trägen Phrat, wo heissre Sonnen wüthen, Und reiß dein murrend Heer Zum Ganges hin, bis ans entfernte Meer! Du kämpfest überall und siegest, wo du kämpfest, Bis du der Barbarn Stolz, voll grössern Stolzes, dämpfest, Und die verheerte Welt Vor ihrem Feind gefesselt niederfällt. Doch laß dich immerhin der Menschheit nicht erbarmen! Von deinem Haupte reisst, auch in des Sieges Armen, Der Tugend rauhe Hand Die Lorbeern ab, die Ehrsucht ihr entwandt. Mit Lorbeern wird von ihr der bessre Held bekränzet, Der für das Vaterland in furchtbarn Waffen glänzet, Und über Feinde siegt, Nicht Feinde sucht, nicht unbeleidigt kriegt: Der Weise, der voll Muths, wann Aberglaube schrecket, Und Wahn die halbe Welt mit schwarzen Flügeln decket, Allein die Wahrheit ehrt, Und ihren Dienst aus reinem Eifer lehrt: Der ächte Menschenfreund, der bloß aus Menschenliebe Die Völker glücklich macht und gern verborgen bliebe; Der nicht um schnöden Lohn, Nein! göttlich liebt, wie du, Timoleon! Zu dir schrie Syracus, als unter Schutt und Flammen Und Leichen, die zerfleischt in eignem Blute schwammen, Der wilde Dionys Sein eisern Joch unträglich fühlen ließ. Du kamst und stürztest ihn, zum Schrecken der Tyrannen, Wie, wann ein Winter-Sturm die Königinn der Tannen Aus tiefen Wurzeln hebt, Von ihrem Fall ein weit Gebürge bebt. Durch dich ward Syracus der Dienstbarkeit entzogen; Und sichrer Ueberfluß und heitre Freude flogen Den freyen Mauern zu, Held aus Corinth! was aber hattest du? Nichts, als die edle Lust, ein Volk beglückt zu haben! Belohnung bessrer Art, als reicher Bürger Gaben! Du Stifter güldner Zeit, Der Hoheit werth, erwähltest Niedrigkeit. Doch dein gerechtes Lob verewigt sich durch Lieder, Nachdem die Ehre dich auf glänzendem Gefieder Den Musen übergab: Noch schallt ihr Lied in Lorbeern um dein Grab.