Friedrich Theodor Vischer Faust Der Tragödie dritter Teil [Motto] Motto Und allegorisch, wie die Lumpen sind, Sie werden nur um desto mehr behagen. Goethe, Faust, der Tragödie zweiter Teil 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Einfaches Zimmer. Lieschen tritt auf. Ich bin das Lieschen, das am Brunnentrog Einst des Gespräches mit dem Gretchen pflog. Erinnert euch, wie sie aus meinem Munde Vom Bärbelchen vernahm die schlimme Kunde. Weil ich nun damals so moralisch sprach, Ließ mir der Herr in seiner großen Gnade Des Fegefeuers heiße Qualen nach Und läutert mich auf minder hartem Pfade. Er wählte mich nach meines Lebens Endung Zu sonderlich bedeutungsvoller Sendung, Ernannte mich zu hochgewicht'ger Stelle: Im Himmelsvorraum, an der heil'gen Schwelle Darf ich als Fausti Seelenfreundin leben, Bis wir gereift, ins Heiligtum zu schweben. Das arme Gretchen, das zu hart gebüßt: Ihr ist jedwede Läuterung erlassen, Als sel'ger Geist ward sie schon längst begrüßt Im sel'gen Kreis, den keine Worte fassen, Sie wohnt in der Verklärten Sitz Zu hoch für eines Dichters Witz. Vernehmet nun, was ich getreu berichte Von Doktor Fausts seitheriger Geschichte. Als er zum Himmelseingang ward erhoben, Erklang ein Ruf posaunenhaft von oben: »Es hat nicht ohne Recht Der Kritiker Geschlecht, Voran der Geist, der stets verneint Und stets als ihr Regent erscheint, Den scharfen Einwand vorgebracht, Der viele Leser stutzig macht, Der Geisterwelt präsentes edles Glied, Nicht ganz so strebend hab' es sich bemüht, Als nötig, es zu retten Aus Satans Ketten; Darum ward resolvieret, Wird hiemit dekretieret: Faust soll vorerst dahüben Noch eine Zeit sich üben, Soll zur Erinnrung an sein Amt auf Erden Im mystischen Vorraum vor dem höchsten Himmel Bei sel'ger Knaben munterem Gewimmel Präzeptor werden! Dies soll mit gewissen Entbehrungen, Mit prüfenden Erschwerungen, Mit Lockungen, die wir nach unserem Plan Dem Satan selbst bewilligt han, Verbunden sein! Und obendrein Erfolgen dann weitere Übungen, Versuchende heilsame Trübungen, Zum Schluß ein läuternder Prozeß, Was noch verhüllt bleibt unterdes. Dies soll ergehn über unsern Knecht! Conclusum! Vidit! Es ist recht.« – Erlaubt, daß ich hier nebenbei bemerke, Ein Wink in Goethes eignem Dichterwerke Sei als Motiv, worauf der Spruch sich stützt, Vom höchsten Consistorium benützt: Da Fausti Seele – freilich fast zu prompt – Mit Engelpost zur Himmelspforte kommt, Im Puppenstande zwar zunächst, Dann aber reißend schnelle wächst, So singen dort die sel'gen Knaben – Ihr werdet's ja gelesen haben Und kennt den pädagogisch schönen Text: »Er überwächst uns schon An mächtigen Gliedern, Wird treuer Pflege Lohn Reichlich erwidern. Wir wurden früh entfernt Von Lebechören, Doch dieser hat gelernt, Er wird uns lehren.« Was nun das himmlische Dekret Unter den Prüfungen versteht, Die an den neuen Stand sich knüpfen Nebst andern, die dann weiter folgen sollen: Laßt nur das Drama weiter hüpfen, So wird sich alles euch entrollen. Ich melde jetzt – ihr werdet es verlangen – Genauer, was mit mir ist vorgegangen. Nicht fern von diesem himmelnahen Ort Steht ein Gebäude, edler Bildung Port, Ein Institut, Feld für Erziehungssaat, Vorhimmlisches Töchterpensionat, Wo man das Herz sowohl als auch den Geist Im Guten, Wahren, Schönen unterweist. Da wird der Sinn geseiet und gesichtet, Im deutschen Stil, in Logik und Musik, Literatur, Kritik sowie Physik, Vor allem in der Unschuld unterrichtet. »Religion für Töchter« war die Blume Des Unterrichts. Des Herrn Direktors Muhme Trug sie uns vor; wie tief und klar, Ich vergeß es nie! Ihr schöner Standpunkt war Gemäßigt freisinnige Theologie. – Manch Gröbliches, was mir vom alten Stande Noch anhing, tat mir ab die Gouvernante. Wahr ist es leider, daß ich gerne klatschte, Wenn ich mit andern zu dem Brunnen patschte; Weit hinter mir mit Gelte und mit Krug Liegt jetzo dieser lasterhafte Zug. Ich reifte, machte mein Examen, Und als den Faust hieher die Engel nahmen, Ward ich als Hausverwalterin, Als weise Unterhalterin, Als Warnerin, als Mahnerin, Vollkommenheitsanbahnerin Dem Waller nach dem Himmelszelt In Gnaden beigesellt. Sie geht an den Tisch, deckt weiter, tritt aber noch einmal vor. Doch ob der Anstalt zu Herrn Doktors Essen Hätt' ich noch einen Hauptpunkt fast vergessen. Der gute Valentin! Da muß ich nun Vom Bärbelchen zugleich Erwähnung tun: Der Valentin, kein andrer, war ihr Schatz, Ein Leichtfuß schien er mir, ein Flatterspatz; Ich sprach: »Er ist ein flinker Jung, Hat anderwärts noch Luft genung.« Wie unrecht! Er war treu! Allein er fiel, Und Treu und Leben fand ein frühes Ziel. Und als zu ihr die Trauerkunde kam, Sie trug es nicht, die Arme starb vor Gram. Doch ihm und ihr war für so schweres Leid Entschädigung von seltner Art bereit: Er durfte hier am Rand der Himmelshallen Für müde Pilger, die zum Gipfel wallen, Ein Wirtshaus, eine Brauerei errichten, Wohin zur Labung kurze Zeit sie flüchten. Die Bärbel kocht, er schenkt, und alle Gäste Befinden sich, so hört man, auf das beste. Jedoch für meinen guten Faust, Der hier so friedlich mit mir haust, Ist dieser Umstand keine Kleinigkeit. Warum? Die Antwort ist bereit, Der nächste Auftritt bringt sie schon Mit mächtiger Sensation. Hiemit sind dann die Proben eingeläutet, Die jener Ausspruch dunkel angedeutet. Ach Gott, mir ist es angst und bang Vor dem geahnten Sturm und Drang! Doch schimmert Licht des Trostes in die Nacht, Ein Himmelsbote hat es überbracht: Es ist ein milder Zusatzparagraph Zum strengen Machtwort, das den Teuren traf: Der Valentin, der handfest tücht'ge Klopfer, Auf Erden einst des Fausti blut'ges Opfer, Jetzt christlich ihm versöhnt nach Möglichkeit, Soll ihm zur Hülfe, wenn die schwersten Proben Ihn etwan aus dem Gleichgewicht geschoben, Mit seiner Muskel Boxkraft sein bereit. Seht hier die Klingel: kommt's zu schwer, So darf ich ziehn und er eilt her. Genug, es ist des Mittagessens Hora, Euch grüßt des Schauspiels Chorus oder Chora. Verneigt sich und tritt an den Tisch zurück. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Faust tritt ein. nimmt ihm Hut und Mantel ab. Bist müde, mein Verehrter! Komm, gib her! Ach, wie war heut die Mühe wieder schwer! Wie schmeckte mir ein gutes Gläschen Wein! Mein guter Heinz, du weißt, es darf nicht sein! Hier steht die Milch, komm her, ich schenk dir ein. Ach ja, Er nimmt und trinkt mit Widerwillen. und Hunger setzt's, nach solcher Last! Was gibt's zu essen, sag, was hast? Du weißt es ja, Heuschreckentag ist heut, Doch morgen gibt es liebliches Gebäck Von wildem Honig. Widriges Geschleck! O schmale Kost, o harte Prüfungszeit! So lebt kein Proletarier, Kein Züchtling, Vegetarier! Beherrsche dich, denk immer an den Zweck! Ich bitte, darf ich denn mit Fug mich nicht beschweren? Den Jungen soll ich Faust, den zweiten Teil, erklären! Ja, das macht Hunger, das macht Durst! Wie lechzt man da nach Bier, nach Wein, nach Wurst! Dabei darf ich den Stecken zwar besitzen, Doch ihn bei schwerer Strafe nicht benützen, Soll, was sie auch für Bubenstreiche treiben, Für ausgesuchten Schabernack, Geduldig wie ein sanfter Engel bleiben! O das verfluchte Schlingelpack! Heinrich! Verzeih, daß mir das starke Wort entflohn, Ein Rückfall war's in alten Erdenton! O wolle du nur fort und fort, Als Hüterin, als Seelenhort, Wenn mich des Zornes rauhe Geister zwacken, Mich reinigen von diesen Erdenschlacken, Hier an des Himmels Ranft Weiblich gelind und sanft Zu höheren Gefilden Mich bilden! O nein, mein Guter, du auch bildest mich, Ich dich durch des Gefühles zarte Bande, Du mich mehr mit dem männlichen Verstande; O Wechselbildung schön und förderlich! O Wonne, zu des höchsten Himmels Hallen Einander bildend so emporzuwallen! Ja, das ist schön und wäre schöner noch, Wär' die Diät um etwas besser doch! Dich, Holde, tadl ich nicht Ums magere Gericht, Du folgst ja nur, ich weiß es lange schon, Dem Wortlaut höherer Instruktion. Des Leibs Entbehrung, Der Geistabklärung Zweckvolle Mehrung, Sie soll den alten Erdenbengel Filtrieren bis zum reinen Engel; Und doch ist's hart, doch ist es halt zu viel, Zu steiler Weg zu dem erhabnen Ziel, Wenn man vom Schulstaub kommt so hungrig, so verschwitzt, Mit tiefem Atemzug zu Tisch dann endlich sitzt Und findet da das traur'ge Einerlei, Kartoffel, Lattich, fade Pflanzenkost Und nur am Sonntag dünnen Apfelmost. O Lieschen, du mit deinem Weibermagen, Du ahnest nicht, was solche Kur will sagen! Warum dies Leben, wie Johann der Täufer? Ich war ja doch kein Fresser und kein Säufer! Noch andre Formen treibt die Üppigkeit, Gedenke reuig der arkadischen Zeit! Warum bist du zur Prüfung da? Gedenk, o Faust, der Helena! Ach, geh mir weg, es sei dir nicht verhehlt: Symbolisch war ich nur mit ihr vermählt, Man tat nur so, es war der pure Schaum, Phantasmagorisch schattenhafter Traum! Den Blocksberg, Faust, vergiß nicht ganz! Da führte dich der arge Reisebruder Zu Tanz mit wem? Pfui, Faust, zu welchem Tanz! Das waren dennoch allerliebste Luder! Heinrich, mir graut vor dir! Ach Gott, verzeih! Verzeih, daß ich so tief zurückefiel! Des Ärgers, Hungers, Durstes Tyrannei Reizt zynisch mich zum alten groben Stil! Vergiß das rohe, unanständ'ge Wort Und bilde mich nur immer weiter fort! Der Stil nur wär' es? Ist's nicht der Gedanke? Es waren freilich gar so reizend schlanke. nach einem Blick in den Spiegel. Faust, Faust, sei jetzt doch mehr für das Gesetzte, Nur das Solide sei dir das Geschätzte! Die starken Reden laß dem Valentin, Dem Mann des Volkes gehn sie eher hin. O er, gefällt durch meinen Degenstoß, O wie beneid ich ihm sein jetzig Los! Nicht Macbeth konnt' in seiner Seele Leiden So schmerzlich den Gemordeten beneiden! Mir vor der Nase steht sein wohnlich Haus, Und wirbelt da des Herdes Rauch heraus, Hör ich vom Anstich den vertrauten Klang, Vergnügter Gäste Schwatzlärm und Gesang, Und denk ich, wie's dem Guten ist zu gonnen, Wenn abendlich am Himmel sinkt die Sonnen, Daß er in sich geht und denkt, Wo man einen guten schenkt, Da ist mir – ach, wie kann es anders sein! –, Als zög' mich Zaubermacht hinein! Wohl sag ich mir im Namen der Moral Den Grund und Zweck von dieses Darbens Qual, Doch ist es jedem eingeboren, Daß sein Gefühl hinan und vorwärts strebt, Wenn vor dem Geist in Stille reif gegoren Mit holdem Dampf ein Sauerkräutchen schwebt, Wenn zart geräuchert neben Schweines Rüssel Ein Wurstpaar dampfet in der wackern Schüssel, Hienebst – verzeih! Ich muß ein wenig schmatzen – Bayrische Knödel oder Schwabenspatzen, Dazu ein Tröpfchen edles, firnes Naß Vom Keller aus dem Lagerbiergelaß. – 3. Auftritt Dritter Auftritt Die Decke öffnet sich, es erscheint in einem rötlichen Lichtkreis Mephistopheles mit einem Orchester von höllischen Geistern, die, als Köchinnen und Kellnerinnen gekleidet, in einer Küche beschäftigt sind; er dirigiert mit dem Taktstock. Schwindet beengende, Mönchisch bedrängende, Traurige Wände! Weichet behende Traulichen Räumen Freundlicher Küche! Schüsseln umsäumen, Blanke, die Ränder, Pfannen die Ständer; Quillet hervor, Steiget empor, Holder Gerüche Reizparadies. Denn an dem Herde Flinker Gebärde Stehet die nette Köchin Babette, Drehet das fette Gänschen am Spieß. – Weitre Gewahrung Zeiget daneben Salzigen Harung, Welcher soeben Neben Kartöffelein, Die sie gerädelt fein, Stehet parat, Kleingeteilt aufzugehn, Angemacht aufzustehn Im ölgenetzeten, Essigdurchsetzeten Räsen Salat. Doch in Kamines Schoß Drängen sich klein und groß Bis zu dem Firste, Locken und winken Rauchige Schinken, Zungen und Würste, Ziehn um die niedliche, Um die gemütliche, Die appetitliche Köchin, die drehende, Sorglich besehende, Schwebenden Kranz. Fertig nun findet sie, Ziehet vom Spieße die Brätelnde, schmorende, Nasebetorende, Goldschimmerhäutliche, Brodelnde, bräutliche, Rundliche Gans. Wie sie sich beuget, Wie sie sich neiget Über die Schüssel, Klirren bewegt, Rasseln die Schlüssel, Lange und kurze, Blinkend am Ringe Stählerner Zwinge, Die sie am Schurze Amtsgemäß trägt. Doch der gewaltigste Unter denselbigen Öffnet aufs baldigste Zu dem gewölbigen Keller die Tür; Dort aus dem kluftigen, Dunkeln Gelaß Luget herfür Strotzend von duftigen, Alten und reinen Tiroler Weinen, Strotzend von hopfigem, Malzgehalttropfigem Kraftelixiere Lagernder Biere Faß an Faß. – sich den Mund wischend. Oh, oh, oh! O das ist nicht von Stroh! Gebärden des Entzückens, hierauf Versinken in einen träumerischen Zustand. Er schläft ein. Der Geisterchor ist verschwunden, die Decke schließt sich wieder, Mephistopheles erscheint hinter Faust. ad Spectatores. Da bin ich. Faßt den Satz in seiner Tiefe: Wo Prüfung ist, ist auch das Negative! Sich über Faust beugend und die dürren Hände über ihn ausstreckend. Er schläft, so recht, nun ist er wieder mein! O weh, o weh, der Böse wieder da! Altbackne Trutschel, freilich, ja. Weh, schläfert er ihn gänzlich ein, So hat er gewonnen, Hat ihm den Geist umsponnen! Zu Faust, indem sie ihn rüttelt. Wach auf, wach auf, sonst bist du ja verloren! im Schlaf redend. Hörst du das Gänselein am Spieße schmoren? ihn stärker rüttelnd. Ermanne dich, da steht der Hölle Sohn! Komm zu dir! Auf, er packt dich schon! Vertreib ihn mit Gebet, Sonst wird's zu spät! erwachend. Ach, laß mich fort, du bete nur und bleibe! Ich breche auf und stürze in die Kneipe! Was ist die Himmelsfreud? Ein leerer Traum Verglichen mit der Kneipe trautem Raum! Fühlt' ich nicht immer ihren Wert? Bin ich der Schlucker nicht, der Schlechtbehauste, Der Unmensch, den am magern Herd Der grimme Durst, der dürre Hunger zauste? Und seitwärts du mit wohlerzognen Sinnen In dieser Hütte dürft'gem Möbelzelt Und all dein häusliches Beginnen Umfangen von der engen Küchenwelt? Dich, deinen Frieden muß ich untergraben, Du, Kneipe, willst und sollst dies Opfer haben! Hilf, Teufel, mir die Angst verkürzen! Was muß geschehn, mag's gleich geschehn! Genießen will ich noch des Lebens Würzen Und meinethalb zugrunde gehn! reißt ihn empor, um ihn fortzuzerren. Gehörest mir, Nur her zu mir! O Not, o Not! Er raset, er ist hin! Jetzt ist es Zeit, jetzt schell ich Valentin! Zieht die Glocke. 4. Auftritt Vierter Auftritt mit einer Malzschaufel. Was soll's, was gibt's? in Krämpfen. O hin zu dir! zu dir! Nur einen guten Bissen reiche mir! Nur einen guten Tropfen Aus Malz und Hopfen! Nur einen einzigen Pokal Von dunkelrotem Spezial! Nur einen! Reiche mir aus deinen Fluten Nur einen kühlen Becher der Erquickung, Ach, ich vergeh in diesen Lechzegluten, Errette mich vom Qualtod der Erstickung! zu Lieschen. Zum Brunnen mit dem Eimer schnell, Füll ihn mit Wasser aus dem frischen Quell, Und übern Kopf schütt ihm die kalte Flut! Ein Sturzbad ist in solchem Falle gut. Ich weiß, das Physikalische Wirkt öfters aufs Moralische; Soll schnell geschehn, der Brunnen ist nicht fern, Dabei denk ich der alten Zeiten gern. Ab. die linke Hand an Faust, mit der rechten den Degen ziehend, zu Valentin. Gleich nimm ihn mit dir, schenk ihm ein! Wo nicht, sollst du des Teufels sein! Den Degen sieh, mit dem ich dich gelähmt! Gedenke, Lümmel, wie man dich gezähmt! War keine Kunst, dein Degen war gefeit, Der meine nicht, doch jetzt ist andre Zeit! Gleich sind die Waffen hier Im höheren Revier, Mein Instrument ist himmlisches Ärar, Ist zauberfest geweihtes Mobiliar! Sie fechten. Verflucht, wie seine Schaufel saust! Taumelt. So, Hund, jetzt spür auch meine Faust! Schlägt ihn. Und hast du meine Faust gespürt, So spüre, wie mein Arm umschnürt, Wie er dich rüttelt, schüttelt, schnellt, Zur Tür hinaus im Fluge prellt! Er faßt ihn um den Leib, schüttelt ihn; Lieschen zurück, sie übergießt Faust. Sie gießet, sie schüttet Die himmlische Quelle, Der Busen wird ruhig, Das Auge wird helle! Valentin wirft mit einem Schüttelruck schnellend den Mephistopheles zur Tür hinaus. Faust zusehend. Ei, wie der's kann! Recht so, hinaus! Hinaus, hinab in seiner Hölle Graus! sich zurückwendend. Frohlocke nicht, wenn ich für diesmal kusche, Wart nur, wart nur, bis ich dich einmal dusche! 5. Auftritt Fünfter Auftritt Harfentöne von oben, hierauf. Glücklich erstanden – Horch, welche reinen Töne! Von himmlischer Schöne! Nicht lockend, lullend, Sinnkitzelschnullend, Nicht jenen gleich phrenetisch, Nein, hoch ästhetisch. Glücklich erstanden! Selig der Sterbliche, Welcher die reizende, Küchengewerbliche, Sinneneinheizende, Brätelnde, schmalzige, Fleischliche, gänsliche, Prickelnde, salzige, Angenehm brenzliche, Wurstliche, fettige, Lockend Babettige, Lüsterne, kitzliche, Gaumenerhitzliche, Weinlich bespitzliche, schmatzende, bitzliche, Malzige, hopfige, Spundenfortklopfige, Seideleinspritzliche, Gärende, bockige, Schäumende, flockige, Mittelbar nützliche Prüfung – wenn auch mehr nur tatsächlich, mehr dem Erfolg als dem Verdienste nach – bestanden. zu Valentin. Laß dich umarmen, den ein Gott mir schickte Als Retter aus dem Rausch, der mich umstrickte! Du scheinst – ich sag es ohne Phrasendunst – In jener seltnen, expedienten Kunst, Hinauszuschmeißen, an die Luft zu setzen, Des echten Hausknechts amtlichem Ergetzen, Ein wahrer Techniker zu sein. Sieh zu und lerne, liebes Doktorlein, Ich bin ein Kerl, der etwas kann, Wie ich, so macht's ein rechter Mann! Half dir nicht einst, dem üppigen Minnesänger, Mit seinem Schwert der schnöde Rattenfänger, Dem jetzt der Zauber in der Scheide blieb, Wie hätt' ich damals weidlich dich gezwiebelt Mit unpariertem tücht'gem Stoß und Hieb! Du bist und bleibst – es sei mir nicht verübelt, Man grollt ja nicht in diesem Heiligtumb – So hier wie dort halt ein Charakterlump! Wart nur, wart nur! das sag ich meinem Düntzer! Was scher ich mich um diesen Zopf? Zeig's ihm nur an, dem tausendfachen Münzer Von Goethes letztem Hosenknopf! Siehst du's denn aber gar so gern, Wenn Famel schreiben über ihren Herrn? – – Doch jetzo muß es anders gehn, es muß, Denn jetzt bin ich dein Famulus! Vorwärts mit mir durch Höllen Qualm und Schwaden, Mit mir, der Arm und Schenkel hat und Waden! Der Mensch ist wacker, zuverlässig, stet, Doch fehlt's ihm fühlbar an Humanität! Heut soll uns nichts beleidigen, Wir werden ihn noch schmeidigen, Wir bilden ihn, wir schleifen ihn noch fein, Den ungeschliffnen Edelstein. Umarmet mich, mir ist vor Freude weinrich, Komm, Valentin, komm, hochgeschätzter Heinrich! Man hört eine Glocke läuten. Die Glocke ruft, jetzt zu dem Lehrerstuhle, Gekühlter Freund, und halte deine Schule! 6. Auftritt Sechster Auftritt Ein Schulzimmer. Es treten lärmend ein, mit Schulsäcken, Büchern, dreißig selige Knaben, nehmen nach und nach Platz auf den Bänken. Mephistopheles steckt den Kopf zur Türe herein. Gut' Morgen, holde Jugend, liebe Fratzen! jubelnd. Oho! der lustige Kauz ist wieder da! ist eingetreten. Heut setzt's wohl Tatzen? Wieso, wieso? Ihr wisset ja, Er darf nichts tun, darf uns nicht schlagen! Wollt ihr's mal recht drauf wagen? Nun sagt mir doch, ihr allerliebsten Tocken, Was denkt ihr heut ihm wieder einzubrocken! Hier eine Kugel Pech, ich schmier's auf den Katheder. Auch gut, da klebt er fest mit seines Sitzteils Leder. Ich habe da Knallerbsen mitgebracht. Nun ja, ihr müßt sie auf den Boden streuen, Daß, wenn er auftritt, es ergötzlich kracht; Doch bin ich stets ein Freund vom Neuen; Zieht ein Schächtelchen aus der Tasche. Kommt her, da guckt, ich hab euch was! ihn umringend und drängend. Ei, wie, laß sehen, was ist das? Platz, süßer Pöbel, Platz! Hält Gustelchen die Schachtel ans Ohr. Hörst, Äffchen, wie es krabbelt? Wie's rutscht und schiebt und zappelt? Ach, Maienkäfer! Ja, mein liebes Kind! Ich haschte sie heut nacht nur so geschwind, Wie ich vom Blocksberg schlendernd stieg herunter; Ich dachte schmunzelnd just an jene Nacht, Wo ich mit Faust denselben Weg gemacht. Blitz, welcher lust'ge Saus und Braus! Der Hexentanz, was für ein Schmaus! Es war so munter wie in Wien beim Sperl, Und damals, ja, war Faust ein andrer Kerl! Wie unverzagt schritt er bergan mit mir! Das Drama ging nicht weiter, aber wir, Und einem Rest von Goethes Epigrammen, Die mit den Xenien nicht gepaßt zusammen, Verschafft' ich bei der Geisterzunft Noch leidlich eine Unterkunft! Nun, wie ich da so bummle ohne Sorgen, So schwärmten denn die Käfer gegen Morgen, Sie summten fröhlich ihre Frühlingslieder, Es spukte wohl selbst durch die Käferglieder Die herrliche Walpurgisnacht – Blitz, wer hat aufgemacht? Der Fritz, der Fritz! gibt ihm eine Ohrfeige. Da hast du was für deinen Wunderfitz! Beschwörend, die offene Schachtel hinaushaltend. Der Herr der Maienkäfer, Schwaben, Der Wanzen, Spinnen, Läuse, Schaben, Der Schlangen, Kröten, Krokodille, Vampire, Molche, Armadille, Der Herr der Würmer und Lazerten, Der Herr des Krebsgangs auf der Erden, Er schickt euch das Verhängnis! Zurück in das Gefängnis! Die Käfer fliegen in die Schachtel. zu Gustel, der sich des Deckels bemächtigt hat. Klapp zu, klapp zu! So, jetzt ist Ruh! Da nimm's, und wenn der Lehrer ist im Zug, Mach auf und laß den Tierchen ihren Flug! Doch halt, es fällt mir noch ein Stückchen ein, Das soll das beste noch von allen sein! Langt vom Katheder mir den Stecken! FRITZCHEN, KARLCHEN UND ANDERE ihn holend und bringend. Was mag er wohl bezwecken? zieht ein Messerchen und schneidet am Stecken. Wir ringeln ihn. Was ist denn das? Sancta Simplicitas! Wie, ihr, in allen Bubenstreichen Zu Lehrers Qual bewandert sondergleichen, Ihr wißt vom Steckenringeln nichts? Schaut her! Ich nehm ihn, schneid hinein, doch nicht ganz quer, Auch nicht bis in des Markes Mitte; Aufsteigend in Spirale mit dem Schnitte, Ganz fein, daß man ihn ja nicht sieht, Richt ich den Stab so her, daß, wenn zu wild Die Zornesader dem Gereizten schwillt Und er nun doch vom Leder zieht, Das Instrument ihm in der Hand zerbricht Und ihm die Hälfte schnellet ins Gesicht. Ihr sorgt dafür, daß seines Unmuts Geister Nicht mehr bezwingt der hart bedrängte Meister. Gern, gern nach Kräften! Wird's, so ist's famos! Man hört Schritte. Er kommt; an euren Platz! Dann frisch drauf los Mit allen euren Teufelei'n! Den Stecken schnell ins Pult hinein! Die Knaben legen den Stecken ins Kathederpult, alle ordnen sich schnell, Mephistopheles verschwindet. 7. Auftritt Siebenter Auftritt tritt ein. Es ist so schwül, so dumpfig hie, Daß es den Atem mir bedrückt, Die sel'ge Knabenkolonie Hat wiederum die Luft verdickt. Er öffnet ein Fenster, sitzt in den Katheder. Wir kommen also heut an den Homunkel; Nicht leicht ist's, heute gebt besonders acht! Ein paar Knaben werfen Knallerbsen aus, Geflüster, Gekicher. Was gibt's? Was hör ich da für ein Gemunkel? Vom Katheder herabeilend. Verschwört ihr euch im Anfang gleich Zu einem neuen Schelmenstreich? Wer scharrt, wer flüstert, kichert, hustet, lacht? Gesteht, wer hat die Unruh angefangen? durcheinander. Der Fritzchen, Karlchen, Gustel (usw.) hat die Schuld! Während der Unruhe schleicht Karlchen auf den Katheder und schmiert Pech auf den Sitz. Ihr Satansvolk! Ihr ungezognen Rangen! Mir reißt am Ende doch noch die Geduld! Still jetzt, und keiner soll sich regen, Sonst kommt es sicher doch zu Schlägen! Er tritt auf eine Knallerbse, sie kracht, er rutscht, fällt; allgemeines Kichern, Lachen. Das ist zuviel! jetzt greif ich nach der Waffe! Ah bah! Ihr dürft ja nicht! Mit dir beginn ich, frecher Laffe! Du bist der Täter, ungezogner Wicht! Schreitet zum Katheder, ergreift den Stecken, hält aber plötzlich still. Wie ist mir? Welche milde Stimme Wehrt tief im Innern meinem Grimme? Der Stunde denk ich, da in meiner Hand O homo fuge! eingeschrieben stand, Auch Wallenstein Fällt jetzt mir ein: »Ich will es lieber doch nicht tun«; – So sei's, ich laß den Backel ruhn. Er legt den Stecken weg. Die Untersuchung schlag ich diesmal nieder, Gemessen ratend: Solches tut nicht wieder! Der Dichtung tiefem Ernste wird's gelingen, Den Geist des Mutwills, hoff ich, zu bezwingen, Es geht jetzt, wie gesagt, an den Homunkel, Gebt acht, paßt auf, der Gegenstand ist dunkel! Ablesend aus einem Manuskript. Der Homunculus, das von meinem früheren Famulus Wagner, nachher Professor, auf chemischem Wege verfertigte Menschlein, ist einerseits die geistlose Gelehrsamkeit, welche Schätze des Wissens zwar sammelt, aber nicht in lebendigen, geistigen Besitz zu verwandeln weiß, andererseits aber ebensosehr das besonnene, in selbstbewußter Kraft ahnungsvoll nach dem idealen Schönen hingerichtete Streben, also die sich selbst übertreffende Gelehrsamkeit, die Liebe zum Schönen, die dem Menschen voranleuchten muß, wenn er das Land der Schönheit suchen und finden soll; übrigens, da er an Galateas Muschelwagen zerschellt und als flüssiges Feuer – Doch nein, der Rest sei aufgeschoben! Erst laßt mich sehen, ob ich euch kann loben; Jetzt wird behört. Nun, Karlchen, sag Er will aufstehen, fühlt, daß er anklebt, reißt sich los. Das Wetterschlag! – Was hält mich da? Hier pappt es ja! Was klebt, was sperrt? Was reißt, was zerrt? Ha, das ist Pech! Wer war so frech? Eilt vom Katheder unter die Knaben; man bemerkt, daß ein Teil seines Beinkleids etwas mangelhaft geworden. Wer hat's getan? Ihm nahet das Gericht! Ich nicht – ich nicht – ich nicht – ich nicht – Nicht länger spotte, Du teuflische, obwohl selige Lausbubenrotte! Daß ich euch noch befehlige, Jetzt endlich sollt ihr klärlich es verspüren! Den Backel, was auch folge, will ich führen! Gespannt ist jeder Nerv zu Schreckenstaten! Vom ersten fang ich an und haue fort Mit furchtbar'm Hieb von Ort zu Ort, Bis mir der schnöde Täter wird verraten! Geht entschlossen zum Katheder, ergreift den Stecken, steht aber plötzlich still. Wär' es getan, wenn es getan ist, dann Wär's gut, man rät' es schnelle; wenn der Schlag Auffangen könnt' in seinem Netz die Folgen, Mit dem Vollbringen das Gelingen haschen, Daß mit dem Stockhieb alles aus und ab, Ganz fertig alles wäre – hier – nur hier, Auf dieser Schülerbank der Gegenwart, Das künft'ge Leben setzte ich aufs Spiel. Die Türe wird leise halb geöffnet, Lieschen wird sichtbar. flüsternd. Enthalte dich auch jetzo von dem Wilden Und suche menschlich deine Schar zu bilden; Wenn wilde Bären unter Menschen laufen, Da muß der Fühlende entsetzlich schnaufen. Ergib dich ganz humanitarischen Zwecken Und laß im Pulte den barbarischen Stecken! Von Lady Macbeth volles Gegenteil Bered ich dich zu deinem eignen Heil. Zieht die Türe wieder zu. Ab. Sei mir gesegnet, Engelstimme du! Ja, du hast recht! Ich habe keinen Stachel, Als einzig Zornwut, die zum Aufschwung eilt, Sich überschlägt und in die Patsche fällt – Und nun, ihr Jungen, wieder zum Homunkel! Genau und ohne jegliches Geflunkel Will er bestimmt sein, kurz gefaßt, So daß das Wort streng zum Begriffe paßt; So sage, Fritzchen, ohne Federlesen, Was ist es also, dieses seltne Wesen? Homunkel ist fürs erste überhaupt – Er ist – er ist – Nun, wie mit Recht man glaubt – Für sich. Schon ist die vorige Definition, Die memorierte, wieder mir entflohn. Es ist nicht Zeit, im Hefte nachzusehn, Aus Kommentaren, wenigstens aus zehn, Hab ich die Deutungen mir abgeschrieben – Laut. Er ist – er ist – wo sind wir stehngeblieben? Er ist, besieht man es beim Licht – Erlaubt, mir scheint, ihr wißt es selber nicht. für sich. Du ahnungsvoller Schlingel du! Laut. Wart, Kerl, ich haue doch noch zu! Besteigt den Katheder, sieht in das Manuskript. Ja gut, zuerst folgt noch der Rest der ersteren, längeren Definition: Der Homunculus ist nämlich außerdem, daß er einerseits die trockene Gelehrsamkeit, andrerseits die Liebe zum ideal Schönen ist, zugleich eine äußerst tiefsinnige Anspielung auf den Vulkanismus. Indem er nämlich am Muschelwagen der Galatea – Maienkäfer summen. Welch tiefes Summen, welch ein dumpfer Ton Stopft mit Gewalt das Wort in meinem Munde? Verkündiget ihr Maienkäfer schon Des Wonnemonats freudenreiche Stunde? Was sucht ihr, mächtig und gelind, Ihr Brumseltöne mich im Schulenstaube? Klingt dort umher, wo Frühlingsferien sind – Noch mehr Maienkäfer summen. Des Sumselns hör ich mehr! Wie, was! ich glaube – Gekicher. Ein Maienkäfer sitzt Faust auf die Nase; stärkeres Gekicher. Das Bubenpack, Zum Schabernack Ließ los das käfrige Gefieder – Die Ader schwillt, der Zorngeist packt mich wieder – Er stürzt vom Katheder herab unter die Knaben, findet nach längeren Schwierigkeiten bei Gustelchen die Schachtel, reißt ihn am Wamskragen zum Katheder. Ha! an mir selbst – so bin ich desperat – Begeh ich, zwar mit etwas Änderung, Doch mit dem gleichen wilden Schwung Zum zweitenmal dasselbe Plagiat. Was ist die Himmelsfreude mit gebundnen Armen! Jetzt soll das Haselholz in meiner Hand erwarmen! Hilf, Teufel, mir die Pein verkürzen! Was muß geschehn, mag's gleich geschehn! Mag dein Geschick auf mein's zusammenstürzen Und du mit mir zugrunde gehn! In Todesmut will ich zum Stecken greifen, Dir fünfundzwanzig auf den Hintern häufen, Zum Globus, den geschwollenen, erweitern Und wie du selbst am End auch ich zerscheitern! Er ergreift den Stecken, holt mit der Rechten aus, während er mit der Linken Gustelchen die Hosen spannt, der Stecken zerbricht, das obere Stück fliegt ihm an den Kopf; ausgelassenes Gelächter der Knaben. Ha, diesmal hat der schlimmste Bubenstreich Mich just gerettet aus der Hölle Rachen! Vernunft kehrt wieder; lacht ihr Buben gleich, Der Teufel, der's euch riet, wird schwerlich lachen. erscheint im Hintergrund, nur dem Zuschauer sichtbar, hinter dem Ohre kratzend. O diesmal war ich sonder Zweifel Ein dummer Teufel! Die Patsche hab ich selbst mir angerichtet, Durch Steckens Ringlung meinen Sieg vernichtet; Ich Esel habe nicht bedacht, Daß allzu scharf nur schartig macht! Von neuem wird mir's klar: ich bin ein Teil der Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Erste Strophe Glücklich erstanden! Selig der Sterbsliche, Welcher die herbsliche, Beinah verderbsliche, Heil doch erwerbsliche, Knallende, erbsliche, Erbsliche, knallende, Rutschende, fallende Prüfung bestanden! Zweite Strophe Glücklich erstanden! Selig der Sterbliche, Welcher die tappige, Sitzledergerbliche, Schmierige, pappiche, Hinterwärts färbliche, Klebrige, schnappige, Hosenabklappige Prüfung bestanden. Dritte Strophe Glücklich erstanden! Selig der Lehrende, Dichtung Erklärende, Knaben Behörende, Der die beschwerende, Ärgerlich störende, Käferlich brummende, Schläferlich summende, Lüftedurchirrende, Surrende, flirrende, Naseumschwirrende, Krabbliche, Fappliche, Schwappliche, Zappliche Prüfung zwar nicht so ganz, Wenigstens nicht mit Glanz, Immerhin unterdes, Doch noch in Folge des Bubengeschlingelten, Rundschnittumzingelten, Steckengeringelten Streiches bestanden! O tönet fort, ihr süßen Engelslieder! Tropft Schweiß der Scham auch von der Stirne nieder, Die Gnade siegt, der Himmel hat mich wieder! Lieschen ist inzwischen eingetreten. Dank stamml ich dir! Nicht mir, nicht mir! Zu Hilfe kamen äußere Momente, Doch alles dankst du lediglich am Ende Dem eignen Selbst, das ernst und tief Dir wieder ins Bewußtsein rief Ihn, der vorübergehend schlief: Kants kategorischen Imperativ. Umarmung. Die Knaben weinen gerührt. Hinter der Gruppe Mephistopheles, immer noch hinter dem Ohre kratzend. 8. Auftritt Achter Auftritt Zimmer wie im ersten Auftritt des ersten Akts. Faust eben niedersitzend am Tisch, den Lieschen deckt. Das wäre durchgeschwitzt! Doch was kommt itzt? Die Ruhepause dauert wohl nicht lange; Wie ist mir vor der weitern Prüfung bange! Es mehrt die Angst, daß sie noch gar so dunkel, Geheimnisvoll hängt an der Parzen Kunkel. eine Flasche und eine Schüssel aufstellend. Erhole dich! Vergiß! Da – trink und iß Und sammle Kraft zum neuen schweren Schritte Geruhig hier in unserer stillen Hütte. Ei, schau! Was bringst? Nicht Milch, nicht wilder Honig, Ist es wohl Wein? Ich hoff, er ist nicht konig – Und in der Schüssel, wie? Heuschrecken sind es nicht. Bratwürste! Sieh das köstliche Gericht! Durch ein besonderes Dekret, Heut morgen mir in Gnaden abgereicht, Ist heute dir verbessert die Diät, Daß nicht die Kraft zum neuen Gang dir weicht. Der Trank jedoch ist reiner Apfelwein. zugreifend. Nun ja, mag sein, mag sein! Ach wie das schmeckt! Die Lebensgeister weckt! Da nimm, halt wacker mit, dein Wohl! stoß an! Sie essen und trinken. Es donnert. Auf, Doktor Heinrich Faust! Es ist genug geschmaust! Dir reicht das Schicksal jetzt noch einen Bittern: Noch einmal sollst hinab du zu den Müttern! Pause. Bleib aufrecht, Faust! Wie ist dir? Schaudert's dich? Die Mütter! Mütter! 's klingt so wunderlich! Die Mütter! 's trifft mich immer wie ein Schlag, Das Schauerwort, das ich nicht hören mag! Neuer Donner. Tu auf dem alten Schlüssel einen Pfiff, Darauf erfolgt der rasche Niederschliff! Das wird ja wohl der rost'ge Schlüssel sein, Den du nicht sehen konntest ohne Pein; Du batest mich, recht tief ihn zu verstecken, Zuunterst in dem Schrank schloß ich ihn ein. Es ist der Schlüssel zu dem Tal der Schrecken, Obwohl nur Rost und lumpiges altes Eisen; Mir war verboten, ihn hinwegzuschmeißen; Du ahnest nicht, wohin es geht, Es ist ein furchtbares Dekret! Ergib dich in dein Los! O Faust, sei groß! etwas milder. Zu deiner Hilfe soll der Valentin, Du Hasenfuß, mit dir hinunterziehn! Drei Prüfungen sind ausersehn, Man hofft, du werdest sie bestehn! Die erste ist nicht gar zu schwer, Heiß geht es bei der zweiten her: Wird Feindes Macht euch überstark, Stampft! und euch hilft Urlebensmark. Die dritte ist noch schwerer, Prüft dich als treuen Lehrer; Sei fest, laß deine Schule dir nicht nehmen, Vor hehren Geistern mußt du sonst dich schämen. Donnerschlag. Diesmal hat's ziemlich lange peroriert, Orakel sind sonst kürzer redigiert. – Im Anfang freilich etwas grob. Ertrag's, verzage nicht darob! Als Ganzes war die Rede doch human, Man spürte das schon ihrer Länge an. 9. Auftritt Neunter Auftritt Valentin tritt ein, als Soldat angetan, Degen an der Seite. Habt ihr's gehört? Ich weiß es schon; Durch wunderbare Vision, Die mir im Traume ward heut nacht, Ist mir die Ordre kundgemacht. Hinunter zu den Müttern soll es gehn, Ich soll als Knappe dir zur Seite stehn. Wer sind die Mütter? Weiß der Teufel! Verfluchte Hexen ohne Zweifel? Göttinnen sind es, dunkle, ungekannte, Von Geistern selbst nicht gern genannte. Ihr Wesen ist Gestaltung, Umgestaltung, Des ew'gen Sinnes ew'ge Unterhaltung, Umschwebt von Bildern aller Kreatur, Urtypen der erzeugenden Natur; Dort ist origo omnium formarum. Spaßvogel du! Urigel? Lirum larum! Du lachst, Naturbursch! Aber mir, mir graut, Mich überrieselt kalte Gänsehaut! Wo aber ist das Zeug? In welchem Raum? Hinunter geht's, so sagte mir der Traum. Sie thronen hehr in purer Einsamkeit, Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit. Potz Blitz, da tapp' ein anderer hinein! Da muß es ja verdammt langweilig sein! Es ist kein Raum und doch zugleich ein Raum, Ein Raum und doch gewissermaßen kaum. Zu ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen, Sie ist im innersten Erdballschlund, Den wir mit Fug symbolisch deuten dürfen Als metaphysischen Weltenuntergrund. Als Untergrund? Das muß ja Hefe sein! Da haben wir – dies muß von selbst erhellen – Die Welt uns als ein Bierfaß vorzustellen. Wie schlagen wir den mächt'gen Spunden ein? Fast lachen muß ich trotz dem tiefen Schauer; Naiver du, wie denkst du ganz als Brauer! Stellst dir, du unverbesserlicher Tor, Tief mystische Dinge wie mechanisch vor! Ein Schlüssel tut's, tief geistiges Symbol, Der öffnet uns das grauenvolle Hohl! Es sei! Es sei! Ich muß es wagen, Hinweg das Zagen! Lieschen, den Schlüssel bring herbei! Lieschen geht mit Zeichen großer Angst. Zu einem Schloß von so besonderer Art Will's wohl ein Ding mit einem krausen Bart, Und schwer genug mag's werden, ihn zu drehn. Ach, am Objekte ist nicht viel zu sehn; Des Grauens Sitz bei solchen Geistertiefen Liegt wesentlich und stets im Subjektiven. kommt mit einem rostigen Schlüssel. Da komm ich mit dem Schauderinstrumente, Mit Zittern nahm ich's in die zarten Hände. Der ganze Bart ist ja ein rost'ger Knauf! Das geht ja nicht, der macht das Schloß nicht auf. Ich soll ihn ja nicht stecken und nicht drehn, Ein Pfiff darauf, und alles ist geschehn. O schrecklich jetzt! Mir zuckt das Herz voll Qual! Ich bleibe hier, ich wag's nicht noch einmal! macht eine entschieden gebietende Attitüde mit dem Schlüssel. Potz Donner, sei doch nicht so feig, Du siehst ja aus wie Milchbrotteig! Hättst du gelernt, dich selbst und andere zu meistern, Erbebtest du auch nicht vor einer Schar von Geistern! So steh doch nicht so mauderich, Wenn du nicht pfeifst, so pfeife ich! Nein! Nein! Das darf nicht sein! Es wäre völlig wirkungslos Und stellt' uns schwerer Ahndung bloß, Nur reiner Pfiff von Humanistenlippen Führt uns hinab durch infernale Klippen; Die Mütterwohnungöffnungsprozedur Taugt nicht für empiristische Natur! den Schlüssel reichend. So pfeife denn, dein Pfiff mag eher gelten, Doch meinen Stand, den laß ich mir nicht schelten. Es sei! Ich wag es. Lieschen, lebe wohl! Jetzt geht's hinunter in das grause Hohl! Zieh kühn hinab ins dunkle Reich der Mütter, Bald grüß ich dich als sieggekrönten Ritter! Du, Valentin, beschütze treu den Teuern, Verlaß ihn nie in seinen Abenteuern, Doch sei dabei ein bißchen minder grob, Sonst trübest du das zugedachte Lob! Ich bin halt, wie ich bin, ich mein es nicht so böse; Soll der da vorwärts gehn, so braucht es eben Stöße. Faust pfeift. Es erscheint ein Kaminfeger. 10. Auftritt Zehnter Auftritt Die Vorigen. Der Kaminfeger. mit Leiter, Besen, Schürfeisen. Da bin ich, da bin ich und zeige euch an, Der Schlot ist geöffnet, bereit ist die Bahn! Beginnen kann der Niederschlupf Zum unnennbaren Mütterschupf! Er verschwindet. O Himmel, sah ich recht? er hinkt auf einem Fuß! Sein Blick aus der geschwärzten Fratze Wies merkbar auf die innre Teufelstatze, Aus höllischer Esse bracht' er seinen Ruß! Könnt' ich ihn packen, mit seinem Besen Ihm den Leviten tüchtig lesen! Ein schöner Reiseführer, der Mephisto! Jetzt weiß man erst nicht, hotto oder histo? Nicht speziell versteh ich diese Wendung, Doch das erseh ich aus der dunkeln Sendung: Zum Tauchen in die tiefsten Tiefen, Zum penetranten Niederschliefen, Zum Geistesrücktritt hinter die Erscheinung Führt nur die Kraft durchschneidender Verneinung, Sie sieht sich an wie das abstruse Schwarze. Dir wachsen doch, wie Warze wächst auf Warze, Die Raupen im Gehirn! Was faserst da? Den rußig Schwarzen, scheint mir, lobst du ja! Ach Gott, die Tiefen der Abstraktion, Sie selbst enthalten oft Illusion, Es können ihre Schauer, ihre Schrecken, Heilsam an sich, doch Täuschung auch bezwecken; Der Schwarze, der dem Guten doch muß dienen, Meint's drum nicht gut, ist nicht als Freund erschienen. O Not! o Kreuz! Furchtbarer Doppelschein! Entsetzlich Zwielicht zwischen Ja und Nein! Blitzsakerment! Wer kann das Zeug verstehen! Der Mensch wird närrisch! Hoch ist's Zeit zum Gehen! Dumpfes donnerähnliches Geräusch. Der Boden unter Faust und Valentin schwankt, bricht ein, sie sinken hinab, Faust reicht im Versinken seufzend Lieschen noch einmal die Hand. allein. O schauervoller Niedergang! Wie ist um ihn mir weh und bang! Doch weiß ich, all der Schauer und der Schreck Hat eine Läutrungsphase nur zum Zweck, Und tief bedenkend faß ich neuen Mut: Das ganze Leben ist ein Institut. Der Vorhang fällt. Ende des ersten Aufzugs. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Die Bühne zeigt einen Raum, der kein Raum ist, nichtsdestoweniger in einer großen Höhle mit großem Tor und einer seitlichen Spalte des Gesteins besteht. Um auszudrücken, daß man sich außerhalb der Zeit befindet, kann die Theateruhr gestellt werden. Drei Mütter sitzen an einem steinernen Tisch, trinken Kaffee und sind zugleich beschäftigt, Figuren aus allerhand Zeug zu verfertigen. Sie singen. Teils sind wir wesenhaft, Teils jedoch nicht, Hexenhaft, besenhaft, Wahrheit, Gedicht. Tief in der Erde Schoß, Also im Raum, Doch zugleich körperlos, Geistiger Schaum, Außerhalb aller Zeit, Doch zugleich einst und heut, Thronen wir plauderbar, Spaßhaft, doch schauderbar, Trinken Kaffee, Juchhe! Fleißig auch flicken wir, Sitzend im Ring, Nähen und stricken hier Seltsames Ding. Jeglichen Wesens Form – Dies ist der Witz – Findet hier seine Norm, Seine Matriz, Ewigen Prägestock, Erstlichen innern Rock. Bild wird von uns erneut, Wenn Geistes Macht gebeut. Trinket Kaffee! Juchhe! Fragest du, was und wie Dieses denn sei, Halte dich nur an die Philosophei! Nimm deinen Plato her: Reinesten Wein In der Ideenlehr Schenkt er dir ein, In der beschaulichen, Mystischen, blaulichen; Kannst du sie nicht verstehn, Läßt du sie lieber gehn. Trinket Kaffee! Juchhe! Andre behaupten nun Sinniglich grübelich, Dieses geheime Tun Interpretiere sich Richtiger, klarer aus Dem Diodor, Denn dieses alte Haus – Bringen sie vor – Melde beziehlichen, Schwer zu erklärenden, Mütter verehrenden Kult auf Sizilichen. Trinket Kaffee! Juchhe! sich anfassend, tanzend. Uns ist die Konjektur Übrigens wurst, Löscht der Kaffee uns nur Unseren Durst. Goethe dort oben lacht, Des labor improbus, Wenn euch der Zahn erkracht Über der harten Nuß! Drehet und windet euch, Zanket euch, schindet euch, Schreibet und schnörkelet, Firgelet, nörgelet! – Hoch der Kaffee! Juchhe! Ausgelassener höllischer Fandango. Schauderhaftes Gelächter. Es klopft an der Tür. Wer ist der Unberufne, der an dieses Tor, Um welches rings ein schauerlich Geheimnis weht, Mit ungeweihter Frevlerhand zu rühren wagt? außen. Oho, ihr Mütterchen, oho! Stellt euch nicht so! Nur aufgetan! wozu denn das Geflunker? Herrje! Herrje! Besuch von unsrem Junker! Öffnen eilig. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Die Vorigen. Mephistopheles als Kaminfeger tritt ein. Guten Abend, liebe Mühmchen, Dieses Abgrunds holde Blümchen! Ei, welch artiges Kostümchen! Der allerliebste Seelenjäger, Wie reizend heut als Schornsteinfeger! Enthüllet uns, wenn's euch beliebt, Was ihr in dieser Maske triebt! legt Leiter und Besen beiseite und erscheint in seinem gewohnten Habit. Ich seh, es gibt Kaffee, ihr lieben Schätzchen, Ihr gönnt mir wohl ein Schälchen und ein Plätzchen? durcheinander, einen Stuhl setzend, einladend, Kaffee einschenkend. Da sitzt, da nehmt und laßt's euch schmecken! ein Zigarrentäschchen ziehend. Ist es vergönnt, mir eine anzustecken? Wir können's gut vertragen, riechen's gern. Geht, reichet Feuer unsrem gnäd'gen Herrn. Braucht's nicht, ich führe früh und spat Zündholz von eignem Fabrikat. Zieht aus einem Büchschen ein Zündhölzchen, fährt damit über sein Gesäß, zündet an, sitzt, nimmt einen Schluck Kaffee – für sich. Puh! Puh! die gelben Rüben stinken raus. Man kann dazu das Rauchen Vom höllischen Havanna-Wenzislaus Wahrhaftig brauchen! Nun saget an, was gibt's denn Neu's jetzunder? behaglich im Stuhle sich dehnend. Nun ja, der Faust kommt wieder runter. Zur Niederfahrt in euren tiefen Schacht Hab einen eignen Schlot ich angebracht Und dann im Schornsteinfegerkleid Ihm angezeigt, der Durchgang sei bereit; Doch nicht zu wohlgeputzt soll er ihn finden, Er mag sich nur mit Klettern tüchtig schinden, Die weiche Haut an Händ und Füßen schürfen Und etwas Rußstaub in die Kehle schlürfen. Noch einer kommt mit ihm, ein Grobian; Dem wird vergehn der rohen Stärke Wahn. Es bleibt uns Zeit, ein wenig noch zu plaudern, Sie sollen uns im Vorgemache zaudern; Waschwasser müßt ihr für die zwei Gesellen Und Seife, Handtuch vor die Türe stellen, Sie sollen nach der Fahrt durch den geschwärzten Rachen Anständig draußen Toilette machen; Denn unser Hof ist keiner von den kleinen, Salongerecht muß da der Gast erscheinen. Dann schiebt den Riegel vor das hohe Tor, Wann's uns gefällt, so lassen wir sie vor. zu Mutter B und C. Besorgt die Sachen! Müßt schnelle machen! Während es geschieht, zu Mephistopheles. Der Faust also, um dessentwillen wir – Um dessentwillen ihr von mir, Da es bedurfte neuen, schnellen Rats, Seid aus dem Chaos, aus des Ursalats Nicht angemachtem Teil herausgezwickt, Herausgeklaubt, geschustert und geflickt. Ihr wißt, ihr Grazien, wie mein Zauberstab Euch seinerzeit das dunkle Leben gab Und euch sodann von meiner Schöpferkraft, Die Scheingeburten, Schatten, Schemen schafft, Ein Teil vererbte, um mit Geisterhänden Am Zögling Faust mein Werk noch zu vollenden. Es war mir leider nicht gelungen, Im Wollustschlamm den wunderlichen Jungen Am Brockensabbat gründlich zu versumpfen; Ihr solltet im Absurden ihn verdumpfen, Im klassischen Walpurgisnachtgewirr, In zusammengestoppelter Larven Geschwirr, In bizarrem Greifen- und Sphinxeschnarren Ihn glücklich bilden zum schalen Narren, Und um die Tatkraft ganz ihm zu entwinden, Ihn mit dem Schemen Helena verbinden. Da kam mir die verhängnisvolle Schere Der obern Macht verteufelt in die Quere, Die Luft der Politik, die herbe, frische, Nahm ihn am Wische, Riß ihn empor aus unsern Netzen. Er eilte, sich ein großes Ziel zu setzen, Das sogenannte Volkswohl. Dummes Wort! Doch schlimm für mich! Er schlüpft mir eben fort! Zwar noch einmal sucht' ich ihn dranzukriegen; Ich war es, als sein böser Dämon, Der gegen Baucis und Philemon Ihm die Gewalttat eingab zu verfügen. Allein es half mir nichts, dieweil das alte Paar Aus dem Ovidius gepumpet war. Man wagt kein streng supplicium, Bringt man entlehnte Masken um. Es hatte nämlich dieser tapfre Mann Für einen Sieg, den ich für ihn gewann, Ein Lehn empfangen aus des Kaisers Hand, Ein langgestrecktes Uferland An des gefräß'gen Meeres Strand. Der Wellen Ansturm galt es abzuzwingen, Ihm täglich neu das Feste abzuringen, Es galt zu hacken, schaufeln, graben, hauen Und das Erkämpfte fruchtbar anzubauen; Die Knechteschar, sie sparte nicht den Fleiß, Das Beste aber tat die Zauberkunst, Nichts ohne sie vermochte aller Schweiß, Und Fausts Verdienst war nichts als eitler Dunst. Und dann nach jener alten Leute Gütchen Weckt' ich in ihm ein lüstern Ahabs-Mütchen; Was ich geraten, hatt' ich zu vollstrecken Und fing das Ding ein bißchen gröblich an, Die Alten fielen um vor Schrecken Und blieben tot – es war getan. Sonst sah man ihn nicht weiter viel regieren, Den Handel aber wollt' er protegieren, Er schickte mich als Flottenführer aus, Und etwas Seeraub gönnt' ich mir als Schmaus. Dann aber, dann kam ein Moment, Darob mir heut noch Gall und Leber brennt: Mein Doktor Faustus wird ein Skrupelklauber, Den Abschied gibt er meinem feinen Zauber, Ich schicke nun, den Mut ihm doch zu lähmen, Vier graue Weiber, allegorische Schemen, Ihm auf den Hals. Drei jagt er schnelle fort, Die vierte doch, die Sorge, bleibt am Ort, Sie haucht ihn an, nimmt ihm das Augenlicht – Was es bedeutet, weiß ich selber nicht –, Genug, es sollt' ihn ängstigen und schwächen; Doch er läßt sich den starren Sinn nicht brechen, Es zeugt sein Hirn in aufgeblasnem Schaum Von großer Zukunft einen hohlen Traum, Wie er auf freier, selbsterkämpfter Erde Ein freies Volk als Fürst regieren werde, Er ruft, entzückt von diesem Narrenbilde, Als schaut' er in der Seligen Gefilde: »Im Vorgefühl von solchem hohen Glück Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.« Da steht die Uhr, der Zeiger fällt, Der stolze Träumer ist geprellt Und ganz abrupt, nicht weiter motiviert, Doch just, wie der Vertrag es stipuliert, Sinkt er auf einmal maustot um, Und ich natürlich war nicht dumm – Ach nein! – ich war's – war's nachher – schweig, o Zunge! Ich, wie ein grüner, unerfahrner Junge – Der Teufel soll die schönen Engel holen! Wie haben sie mich hinterlich vexiert, Rückwirkend um die Beute mich bestohlen! Ach ja! ich habe furchtbar mich blamiert! O Armer! Seht, er schämt sich! Purpurröte Kämpft mit dem Schwefelgelb, ein rein Orange Entsteht aus der chromatischen Melange! Oh, sieh dies Schauspiel an, verklärter Goethe! Sieh hin, wie er vor Ärger nun erblaut, Wie Blau mit Gelb als Grünes sich erschaut, Wie Grün mit Rot als Wechselsupplement Sich hebt und mehrt, gesteigert strahlt und brennt! Wir möchten gern dies Farbenphänomen Im zweiten Teil des Faust verwendet sehn, Man findet dort so viel Geologie, Der Farbenlehre nur gedenkst du nie! Doch als ich schon dem höchsten Himmel nah Des Faust Unsterbliches getragen sah, Hab ich nicht faul nachträglich mich gewehrt! Mit würd'gem Nachdruck macht' ich geltend, Zu leicht sei ihm die Seligkeit beschert. Wie? rief ich edel zürnend, sittlich scheltend: Der Mensch hat ja im Grunde nichts getan, Und dafür langt er nun im Himmel an? Ich querulierte, drängte, ließ nicht nach, Bis Gott der Herr aus einer Wolke sprach: »Nun meinethalb, es sei, Du meine Polizei, Mein Sauerteig, mein Hauptmineur, Du mein agent provocateur! Entfernt noch von den höchsten Paradiesen In einen Vorraum sei der Faust verwiesen, Zwei große Proben soll er noch bestehen! Wie er sich hält, wir werden es ja sehen; Und jede soll Versuchungen umfassen Verschiedner Art, die ganz dir überlassen.« Als erste dieser prüfungsreichen Lagen Ward ihm ein schwierig Schulamt übertragen: Die sel'gen Knaben mußt' er instruieren Bei schmaler Kost. Den Bakel je zu führen War ihm verboten. Wie ich da ihn packte, Wie ich ihn reizte, kitzelte und plackte, Könnt ihr euch denken. Und wie ist's gegangen? Ach die Erzählung müßt ihr nicht verlangen! Wie ihn sein grober Spießgesell geschützt, Wie ich durch Zufall kläglich abgeblitzt – Still, still davon! Kurzum, mit knapper Not Mied er den Durchfall, der ihm nah gedroht. Doch jetzt bei euch, ihr dunkeln Priesterinnen, Soll seiner Proben zweiter Gang beginnen, Und hier, ich schwör's, wird er total zerzaust, Des Himmels Muttersöhnchen, dieser Faust! Helft mir, daß nichts zum Rigorosum fehle! Bestürmt mit Geisterschauern seine Seele! Ihm soll der Schreck das dünne Blut entfärben! Den Tod der Feigheit soll er schmählich sterben! Kurzum, so wahr ich bin der Mephistophel, Er muß mir doch noch unter den Pantoffel! durcheinander. Was aber tun wir? Satan, edler Vetter, Gib Rat, sag an, sprich, hilf, Potz Donnerwetter! Da fällt mir ein – was meinst? Wir haben ja Im Magazine noch die Helena Benebst dem Kerlchen, ihrem Sohn, Dem Purzelwicht Euphorion. Ihr könnt's versuchen, mit den alten Fetzen Den weichen Mann aufs Trockene zu setzen. Doch halt ich wenig drauf; er hat's verschmeckt, Gemerkt, was in den Kindertocken steckt. Halt! Halt! Was andres fällt mir ein, Das muß, mir dünkt, von großer Wirkung sein; Dann noch etwas, das muß noch besser batten: Zwei Schreckpopanze, schauerliche Schatten, Zwei Wauwau, Knechte Ruprecht will ich pappen! Gebt nur gleich her, reicht Werg und Leinwandlappen, Filz, Leder, Watte, Roßhaar, Blech, Reicht Teer und Kleister, Schnur und Pech, Wir basteln gleich die erste schöne Puppe, Ihm einzubrocken eine Höllensuppe! Die Mütter schaffen aus Wandschränken das Verlangte herbei. Mephistopheles fängt an zu arbeiten. Was gibt's? Ei schön, schau, schau! Das gibt ja einen prächtigen Wauwau! flüstert während der Arbeit unverständliche Worte. Spannende stille Tätigkeit unter Beihilfe der Mütter. Mephistopheles zieht eine Büchse aus der Tasche und gießt etwas Flüssiges in die Puppe. Den Klebestoff, den zähen Teufelsleim, Aus höllischem Drachenfett gekochten Seim, Gieß ich nunmehr aus dieser Büchse Zu festrem Halt ins Lumpenwerk hinein. So, so, nun wird's solide sein. Jetzt dort vom Unschlitthafen etwas Wichse! Wird gereicht. Daß ich den Schnurrbart kräusle fein, Denn ausgedreht in zwei sublime Spitzen, Just wie zwei Rattenschwänze, muß er sitzen. Es geschieht. Man hört ein stärkeres Klopfen. draußen. Macht auf, ihr alten Schachteln! Sonst gibt es Dachteln! draußen, leise, doch hörbar zu Valentin. Warum denn gleich so grob, du Tor? Laut. Erhabne Wesen, laßt uns gnädigst vor! Herein das Zeug in euer Kämmerlein, Des Hochgewölbs verborgne Seitenkluft! Ihr bleibet noch, und wenn es heft'ger pufft, Nach kurzem Schelten lasset sie herein, Doch dürfen euch die Gäste nicht mehr finden, Zu mir hinein beeilt euch zu verschwinden, Helft mir am dritten von den Wauwau-Geistern Getreulich nähen, stopfen, flicken, kleistern. Ist alles fertig, lassen wir sie los: Ihr werdet sehn, die Wirkung ist famos. Und wenn auch eins und zwei nicht trifft, Das dritte trifft, drauf nähm' ich Gift! Stärkeres Pochen, während Mephistopheles in einer Seitenöffnung der Höhle verschwindet und die Mütter schnelle das Puppenzeug hineinschaffen. Wer ist der Unberufne, der an dieses Tor, Um welches rings ein schauerlich Geheimnis weht, Mit weltbefleckter, frevler Hand zu rühren wagt? Erst reinigt sorgsam euch mit heil'ger Waschungsflut, Die draußen in geweihtem Becken steht bereit, Dann tun wir auf, und ihr, andächt'gen Schauers voll, Betretet betend dieses hohe Heiligtum! Sonst werfen Schrecken, tötliche, zu Boden euch, Dem Jüngling gleich zu Sais, der den Schleier hob! außen. Wir lassen uns nicht an der Nase ziehn! Der Schmutz von eurem rußigen Kamin Ist abgewaschen und gebürstet schon; Bescheidet euch, wir sind kein Schweinepack, Wir halten was auf unsere Person! Macht auf! Sonst gibt es einen Knack! außen. Ach, Valentin, wir wollen höflich bitten, Wir richten's eher mit bescheidnen Sitten! draußen. Man wird wohl lang noch betteln! Im Dienste wird gefordert! Macht auf, ihr Vetteln! Wir sind beordert! Uhu, schuhu, Schuhu, Uhu! Schläge und Fußstoß an die Tür, sie bricht ein, während die Mütter schnell in das Seitengemach abgehen. 3. Auftritt Dritter Auftritt Faust und Valentin treten ein. umschauend. Leer ist das Nest! Hier vom Geschirr ein Rest! Ach schau, hier wohnen Kaffeebasen! Die Töpfe halt ich für etrursche Vasen. Und sieh, ein brauner Saft darin: Da steckt gewiß geheimnisvoller Sinn! Ist's wohl von dem, den ich in jener Nacht Dem festlich hohen Morgen zugebracht, Doch sanft gerührt nicht ausgetrunken? Auch Semmelreste liegen da zum Tunken; Mußt übern Topf die Nase neigen: Das duftet ja nach Rüben und nach Feigen, Zugleich auch nach Zichorie, Des Weiberkaffees Glorie! Dafür muß ich Verständnis han, Hab's schwer der Bärbel abgetan. 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen. Aus der Seitenspalte erscheint Helena. Erkennst du mich, o ritterlicher Faust, nicht mehr, Mich Helena, mit der du einst im Liebesbund Ineinsgeschlungen selig die Vereinigung Entzweiter Kunstprinzipien stelltest dar? Du warst der Inhalt, das romantische Prinzip, Ich aber das antike, war die schöne Form. Nachdem sodann das süß prinzipielle Band Die Frucht getragen der modernen Poesie In ihrer wild erhabnen Übersprudelung, Da freilich mußt' ich lassen dich in tiefem Harm. Ach, alter Schatz, geschätzte Gliederpuppe, Mir dünkt es, ausgegossen ist die Suppe. Im Anfang schien mir's nett, doch die arkadsche Feier, Gesteh' ich's nur, sie war langweilig ungeheuer. Ach geh, in jenen Grotten war's entzückend schön! Das frühe Scheiden hat mich bitterlich gereut, Die Renaissance, sie ist nicht ganz noch dargestellt, Laß uns zu diesem Zweck noch mehr Prinzipchens tun! So wisse doch, ich bin ja fortgeschritten, Hab mich entwickelt, hab mich evolviert, Hab aus des Humanismus Lauberhütten Zur Tat, zur Aktion mich resolviert, Der Schönheit weiches, stilles Element Ist jetzt ein aufgehobenes Moment. Bei meinen Göttern! Dir scheint leider unbekannt, Was Interpretentiefsinn neuerdings entdeckt: Ich bin ja Heroine, jener Tatensinn, Den du nach meinem Scheiden in der Brust verspürt, Du dankst ihn mir. Hellenischer hoher Heldengeist: Der Bund mit mir hat mächtig dir ihn eingeimpft. Aus ein paar Wörtchen des Mephisto schließt man dies: »Man merkt es wohl, du kommst von Heroinen her«, So sprach er. Daß man richtig draus argumentiert, Ist evident, denn du gewannest eine Schlacht. Ah bah! Der Nekromant von Norcia, der Sabiner, So gab ich an, war da mein treuer Diener; In Wahrheit ist's Mephistos Zaubermacht, Die mir den Sieg zustande hat gebracht. Gestand ich doch: das wär' die rechte Höhe, Da zu befehlen, wo ich nichts verstehe. Ja hattest du denn nicht mit blonder Krieger Schar Im dritten Akt erobert den Peloponnes? Nun ja, als Goethe jene Worte schrieb, Da hatt' er einfach diesen Punkt vergessen, So kam es denn, daß beides stehenblieb; Er ist halt überm Faust zu lang gesessen. Doch auf was Grund – die Frage sei getan – Sprichst du den Heroinentitel an? Wenn's wahr ist, was geflüstert ward im Land, Du habest noch in deinem led'gen Stand Mit Theseus in Athen dich amüsiert, Hat er zur Heldin dadurch dich kreiert? Zwar allerdings trotz diesem Abenteuer Erschienen noch in Spartas Fürstensaal In ganzen Scharen elegante Freier, Worunter mancher stolze General; Doch wirst du selber nicht behaupten: Weil sie in dir die Heroine glaubten; Es galt ja doch nur Der hübschen Figur. Der Menelaos wurde der Beglückte, Doch bald darauf der jämmerlich Berückte, Mit einem stolzen Hirschgeweih Geschmückte, Denn mit Prinz Paris, dem geputzten Fant, Geschniegelten, trojanischen Leutenant, Bist du nach Asien durchgebrannt. Der Krieg brach los, du standst in guter Ruh Und sahest mit dem Operngucker zu. Genug, mir galt es nur, zu demonstrieren: Verhältnisse mit Offizieren, Sie können selbst bei schönen Damen Den Anspruch auf den Heldennamen Nicht logisch motivieren. Treuloser, hörst du nicht der Liebe Stimme mehr, Dein Herz ist, hoff ich, doch kein Rabenvaterherz; Erscheine, unsrer raschen Hochzeit rasche Frucht! 5. Auftritt Fünfter Auftritt Euphorion kommt aus der Seitenhöhle gehüpft, zur Laute singend, in kurzen Pausen hochaufspringend. Bin die Begeisterung, Bin der sublime Schwung, Bin auch der wilde Sprung Tief in die Niederung, Hurre hopp hopp! Bin Himmelsstürmerei, Edelste Raserei Neuester Poesei, Ungezähmt göttlich frei! Hurre hopp hopp! Springt stärker auf. Ach du lieb Knabenbild, Springe doch nicht so wild, Möglichenfalls Brichst du den Hals! springt noch heftiger. Fern und so weiter fern, Weit und so ferner weit Spring ich und hüpf ich gern Hoch über Raum und Zeit, Hurre hopp hopp! Fort und so ferner fort, Fern und so forter fern Stürm ich von Ort zu Ort, Frage nach keinem Herrn! Hurre hopp hopp! Treulich und so fortan Flieg ich zum Himmelszelt, Freilich und fort so an Nieder zur Erdenwelt! Hurre hopp hopp! O denk, o denke, Wem du gehörest, Wie du uns störest Durch diese Schwänke! Lasse vom tollen Trieb Deinem Papa zulieb, Welcher im Staat Möglicher künftiger, Wirklicher zünftiger, Zünftiger wirklicher, Spreeflußbezirklicher Geheimerrat! wie vorhin. Bin nicht nur Sang und Klang, Sondern auch Tatendrang, Nicht nur Geistüberschwang, Auch etwas Dong Juang! Hurre hopp hopp! Bin nämlich eigentlich, Wenn man profunder bohrt, Merklich hinzeigentlich Byron der stolze Lord. Hurre hopp hopp! Springe auch wagentlich Diesem Mann und Papa Nicht viel nachfragentlich Über den Kopf, haha! Hopsasa, hopsasa Hurre hopp hopp! Er springt beiden mit sog. Grätschsprung über den Kopf. Jetzt ist's zuviel, verzogner Naseweis, Lausbub, ich packe dich am Hosenpreis! Ja, faß ihn nur und gib zu seinem Heil Ihm eine Tracht auf jenen Teil Der menschlichen Persönlichkeit, Der stets, da er so rund und breit, Am meisten ein Objekt ist der Erziehung, Ein Ziel der pädagogischen Bemühung! Valentin tut es. Laß ab, laß ab, du nordisch eherner Barbar, Germanischen Waldes wildes Eichelfraßprodukt! ᾽Ο μὴ δαρεὶς ἀνϑρωπος οὐ παιδεύεται. Ototoi, ai, ai, ai! Ach, diese Hiebe auf des Kindes zart Gesäß, Sie sind trotz tiefem Wort des Dichters Sophokles Für fühlend weiches Griechenmutterherz zu räs! fortfahrend. Hei! Wie das patscht Und platzt und klatscht! Der Mensch ist schrecklich drastisch, Die Griechin gar hört man in Reimen klagen. Es macht sich gar so gut elastisch, 's ist eine Lust, recht draufzuschlagen. wankend. Entsetzt vom Anblick dieser grausen Schaudertat, Geh ich verhauchend meine Seele jetzt zurück In das geheimnisvolle Müttermagazin. Ein altes Wort bewährt sich traurig auch an mir: Daß Draht und Kleister dauerhaft sich nie vereint. Zerrissen ist der Fädchen und der Drähtchen Band, Werg, Leinwand, Flicken, Pappe fallen stäubend ab. Bejammernd solches, sag ich schmerzlich Lebewohl Und sinke dir noch einmal weinend an die Brust, Doch sterbend laß ich meine Krinoline dir! Sie umarmt Faust und löst sich in Teilchen auf, welche in die Krinoline hineinfallen. O dieser Wendung Tiefsinn ist enorm! Es bleibet vom Antiken nur die Form! Zwar ist's schon einmal dagewesen, Auch kann man's sonst in Büchern lesen. in die Krinoline hineinblickend. Was tausend! Trödelwerk von lauter Drähtchen, Von Kurbeln, Stangen, Bügeln, Rädchen Verkritzeltes Papier aus Schülermappen, Pappreste, Leinwandfetzen, Flicken, Lappen – Ganz blieb nur dieses luft'ge Reifgestelle, Da sieht man's recht: Plusmacherei der Hölle! Am Hühnerkorbe freilich ist nicht viel! Die Mode geht jetzt auf ein andres Ziel; Von außen her umnähet sie den Rock Mit Flatteraufputz, windigem Gelock, Nach hinten drängt sie mit vermehrten Kräften, Der Wölbung dort ein Bauschwerk aufzuheften, Dort häuft und häuft sie und gestaltet so Das zücht'ge Weib zum wandelnden Popo; Sieht man sie gehn, so ist der rechte Name: Da kommt ja ein Popo mit etwas Dame. Die Dichtkunst, diesem reinen Drange gleich, Baut dortherum ihr muffig Himmelreich; Standhaft erprobet im Kloakenwerke Des Nasennerves ungewohnte Stärke Der neuen Zeit Savonarola, Herr Zola, Und ruft der Klassizistenzunft zum Trutz: Das wahrhaft Ideale ist der Schmutz! Da ist die steifste Klassik mir doch lieber; Heb auf den Korb und stürze mir ihn über. tut es, reißt aber das Gestell wieder weg und wirft es beiseite. Den Teufel auch! Was soll die Narretei! Was soll die Maske der entseelten Puppe! Geh du natürlich, ungezwungen, frei Wie ich in deiner guten, deutschen Juppe. nach dem Gestell greifend. Nein, nein! Hochklassisch will ich jetzo bleiben Der Poesie zu ihrem wahren Heil, Pandora, Epimenides will ich schreiben, Will schreiben meinen eignen, zweiten Teil. Du warst ein andrer Kerl, mein Bester, Als mich du schriebst und meine Schwester! Zum Henker mit dem steifen Artefakt, Das dich in Roßhaar, Wachstuch, Werg verpackt! Er zerreißt das Gestell. der wimmernd zugesehen. Schreckliche Rupferei! All meine Hupferei Wird Überdruß! Müde des Tageslichts, Streb ich ins ew'ge Nichts – Dies ist der Schluß. Werde vor bittrem Leid Jetzt die Zerrissenheit, Weltschmerzlerei, Die pessimistische, Die nihilistische Ausmerzlerei. Fort mit der Seinerei! Sei's die Verneinerei, Die jetzt regiert! Fort die Fortanerei! Hoch die Nirwanerei! Welt sei negiert! Er springt mit einer heftigen Schnellung ans Gewölbe auf und fällt zerplatzt in Form von Guttaperchalappen herunter. Da liegt der Spatz, Da sieh den Schatz! Ein Haufen Gummifetzen! Es ist auch wahr, wer mag sich da ergetzen, Am Puppenspiele weiter noch sich letzen! Das ganze Zeug ist endlich mir entleidet, Ich mache einen Strich, Der jetzt entschlossen scheidet Mein altes Ich von einem neuen Ich. Er stößt die Lappen mit dem Fuße zu den Krinolinresten. Fort mit dem Plunder, und zertreten sei Die tatenfaule Humanisterei! Beide treten auf den Resten herum. Glücklich erstanden! Selig derjenige, Der die Helenige, Mehr krinolinische Als heroinische, Nicht sehr natürliche, Wächsern figürliche, Klassisch beschwatzende, Mannsgeist befratzende, Dann die euphorische, Hüpfend emporische, Auf und ab purzliche, Springende, sturzliche, Naseweis knabische, Gummiarabische, Sturmdrangpoetische, Wilde, phrenetische, Lordische, britische, Launische, wittische, Zweifelzerbissene, Weltschmerzzerissene, Willen kastrierende, Dasein negierende Prüfung bestanden! Ihr Geister, Dank! Doch fast des Lobs zuviel! Es war im Grund ein abgeschmacktes Spiel. Ich strecke mich nach einem höhern Ziel, Ich such ein neues Blatt in meines Lebens Kodex. Das tücht'ge Pritschen auf Euphorions Potex Gemahnte mich an meine alten Zeiten. Als guter Landsknecht möcht' ich wieder schreiten Zur Schlacht, zur Schlacht, Dreinhaun mit Macht! Schlugst du nicht auch zu eines Kaisers Heile Schon eine Schlacht in Goethes zweitem Teile? Das war ja nichts; warst vorhin ja dabei, Wie ich der Helena gestand die Flunkerei; Mephisto mit fingierten Kriegerscharen, Mit allegorischen Automaten Trieb mir den Feind im vierten Akt zu Paaren: Dies ist das Ganze meiner Taten, Symbole sind's von Noten, Tintenflüssen, Depeschen, diplomatischen Ergüssen, Mit denen ich, des Friedens schlaffer Sohn, Trieb die bewaffnete Mediation. Ich bin's nicht mehr, nicht mehr der friedereiche Romantiker, der tatenscheue, weiche; Seit diese Helena nun wieder hat gastieret, Bin ich, ich wiederhol's, vom Schöngeisttum kurieret; Mein Will' ist jetzt ein Helm, ein Schwert, ein Schild, Mir graust vor jener Zeiten mattem Bild, Da ich gestrebt, mir eine Macht zu schaffen, Um zu bezwingen eine Welt in Waffen, Dann so gepanzert vorzog, mich zu ducken, Daß selbst ein Zwerg mir durft' ins Antlitz spucken; Zum Spott der Völker war's benannt Die Politik der freien Hand. 6. Auftritt Sechster Auftritt Es kommt ein kleines Männchen. wispernd. Mich schickt mein Herr, der große Imperator, Selbstherrscher und zugleich der Völker Liberator. Mein Auftrag heißt – ich bitte aufzupassen –: Du sollst von mir im Bart dich zupfen lassen! Er zupft ihn am Bart, Faust gibt ihm eine Ohrfeige. Herr, dieser Schlag ist ein verlorner Sieg, Erbleiche du, die Antwort ist der Krieg! Nur zu! Nur zu! Er lass' es immer krachen! Noch alte Rechnung gibt es abzumachen. Bereuen sollst du deinen Hohn! Sie naht, die große Nation! Ab. Man hört vom Hintergrunde dumpfes Brüllen und starkes Krachen. 's ist keine Kleinigkeit, das ist schon wahr. Des Feindes Macht ist nicht zu unterschätzen, Gewalt'ge Schläge wird es diesmal setzen, Vorhanden ist die brennende Gefahr, Wovon die Stimme sprach: wird allzu stark der Feind, So stampft und urgewalt'ge Hilf erscheint! Beide stampfen. Aus dem Boden taucht auf ein großer Bauer mit einer Sense. Blitz Donner auch, so mitten aus der Heuet Wer zwingt mich her? Das Öhmd liegt just verstreuet! Könnt ihr nicht warten, bis es unter Dach? Den Teufel auch, was ist denn los? Es brüllt und kracht abermals. Du hörest ja das drohende Gekrach, Der Krieg ist los, es nahet der Franzos, Der alte Störenfried, der freche, jähe, Auf den schlag los, da haue du und mähe! So der? Das ist was andres, gut, es sei! Mein Öhmd mag faulen; auf! ich bin dabei! Er soll mich spüren, mich, den deutschen Michel, In meiner Faust die starke, lange Sichel. Man hört ein Getrappel. Es kommt; nun laß von diesem da dich führen, Der ist Soldat und weiß zu kommandieren. Jawohl, ich hab's gelernt im Türkenkrieg, Mein Hauptmann fiel beim Sturm auf eine Schanze, Das Fähnlein führt' ich vorwärts, und den Sieg Errangen wir im blutig wilden Tanze. Gut, gut, ich bin dabei, sagt nur, wohin zu hauen! Wer uns bedroht, soll seine Wunder schauen, Ich will ihn zausen, Ich will ihm lausen, Die Sense soll sausen, Und wenn es ihm gruselt, wenn es ihm graust, So wird er sie kennen, die deutsche Faust. Ein Prachtskerl! Was er Arme hat und Schenkel! Und Fäuste! Des Cheruskers wahrer Enkel! Er gleicht ja fast den alten deutschen Riesen, Die Kraft der Goten, Sachsen, Friesen, Der Hessen, Franken, Bayern, Alemannen Scheint sich in ihm zu einen und zu spannen. Er strotzet von der Erde Mark, Wem der hilft, der ist felsenstark. Ein bißchen ungeschlacht; schad't nicht! Mir sagt sein Blick, sein klares Augenlicht: Er ist vernünftig, seine derbe Wucht Fügt in die Ordnung sich und Manneszucht. Das Brüllen und Trappen kommt näher. Sie werden sichtbar, es sind ihrer drei, Ein Mensch, ein starker Stier, ein wilder Leu. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Es erscheinen: eine Menschengestalt, zu ihrer Linken ein Mann mit Stierkopf, der ein Geräte trägt, das einer Drehorgel gleicht, aber in eine Röhre mit Seiher ausläuft, zu ihrer Rechten ein Löwe. Me voilà, vainqueur de Sebastopel! Flieht über Stein und Stoppel! Vainqueur de Solferino! Bergt euch im camerino! Gut, gut! Und der da mit der Orgelspritze, Was will denn der? Was ist's für ein Geschütze? Das ist der Witz Von dieser Spritz, Daß sie nicht Wasser auf Feuersglut, Sondern mörderisch Feuer spritzen tut, Gebt acht, Wie's knattert und kracht! Er setzt das Gerät in Bewegung. Ist sie erst scharf geladen, Ihr fallt in ganzen Schwaden! Man wird es ja sehen, Wer besser kann mähen. Zur Rechten da, was will der Leu? Ein Sinnbild wohl? Das Gleichnis ist nicht neu! Kein Gleichnis nur! Aus Afrika Kommt dieser da, Nach rühmlichen Siegen Mein Diener in Kriegen; Sein Blick ist Wut, Sein Trank ist Blut, Sein Zahn Verderben, Seine Klaue Sterben, Mit einem wilden Katzensatz, Wirst sehen, ist er auf dem Platz, Schlingt Lamm und Rind, Würgt Mann und Weib, Schont nicht das Kind In Mutterleib, Und eh du noch herbeigerannt, Wird Wüste sein dein ganzes Land. Allons! En avant! Marche, marche! Attaque! dem Bauern ins Ohr. Hau zu! Hau zu! wer schnell sich wehrt Und ins Konzept dem Gegner fährt, Gewinnt das Spiel! Geschwind! Hau wie der Wind! Der Bauer holt aus und haut dem Löwen, wie er aufspringen will, eine Tatze ab, der Löwe brüllt vor Schmerz und fährt zurück. Alle drei werfen sich auf die Gestalt, die den Degen zieht, der Mann mit Stierkopf schießt die Kugelspritze los, der Löwe wendet sich wieder zum Angriff; heftiger Kampf, der in kreisende Bewegung übergebt, die Feinde werden in die Enge getrieben, Stiermann und Löwe stürzen, die Gestalt sinkt in die Knie. Er kniet, in unsern Hieben war ein Segen. Je suis perdu, da habt ihr meinen Degen! Gib her, du bist des Schwerts nicht wert, Das ein frivoler Krieg entehrt! ihn betrachtend. Ich sah einmal in meinem Vaterlande, In einem Tal voll heilsam warmer Quellen, Allwo, mit unsrem Abschaum in dem Bund, Zu unsrer Schmach und ew'gen Affenschande Ein Spielbankpächter saß, ein welscher Hund, So eine Art zuchthäuslicher Gesellen – Ich drückte mich – zusehn wollt' ich einmal – Durch die Pariser Huren in den Saal –, Mir ekelte, gar manche deutsche Frauen Vermengt mit diesem Lauspack hier zu schauen, Indes den Gatten schnöder Kitzel jückte, Zu sehen, was am Schandtisch wohl ihm glückte Da sah ich Kerle, die mit feinen Krücken Das Blutgeld so zusammenschäufelten, Mit matten, überwachten Blicken Es sonderten, verteilten, häufelten: Sieh, Faust, ganz so verschnurrt, verkohlt und stumpf, So ausgezogen, so ein stiller Sumpf Ist dieses Kerls verwittert Angesicht, So ausgebrannt stiehlt sich ein müdes Licht Aus seinen eingezwickten Lidern. Die croupiers meinst du. – Führt ihn fort, den Biedern, Ins Loch mit ihm, da mag er brummen Und dann verstummen. Valentin und der Bauer führen die Gestalt ab, nach wenigen Schritten fällt sie und zerbricht; aus den Fetzen, in die sie sich auflöst, fließt die Essenz, die Mephistopheles eingegossen. Pfui Teufel! Guck hieher, in lauter Brüh Löst er sich auf, die stinkt, so stank's noch nie! Nach Pech und Schwefel, cremor tartari! Es wirft mich fast. Ganz wie verstunkne Eier! Wie Aas, geschmort im Höllenkochherdfeuer. Wohl, wohl! Doch weiter treibet nicht den Hohn! Es sind die Sünden einer Nation, Was hier zu Quintessenz ist destilliert; Was eines Volkes lüsternes Verlangen An uns schon seit Jahrhunderten begangen, Ist in dem schnöden Gallert komprimiert; Die Puppe, die wir trocken nun gesetzt, Wohl auch die Pfaffen haben sie gehetzt, Doch allen wurmt's in ihrem eitlen Sinn, Daß ich der Faust von früher nicht mehr bin! Wie schade drum, denn brüderlich zu wandern, Daß einer willig lerne von dem andern, Sind wir bestimmt, reich ist ihr Geistesschatz, Und fruchtbar ist der Geister Gegensatz! Wie schade, daß ein Volk, dem wir so viel verdanken, Bei allem seinem Witz auf einem Punkt muß kranken! Es ist ein Punkt, worin – sieht man genauer zu – Der Feinste, Klarste selbst bei ihnen ist ein fou: Er heißt: wir sind auf jeden Fall Die erste Nation im All; Derselbe Satz klingt fort und fort Als Schlußrefrain aus jedem Wort, Drum wollen sie wie eifersücht'ge Knaben Noch immer, was doch uns gehöret, haben. Die Lehre aber, die soeben Der derbe Michel euch gegeben, O möchtet ihr sie zu Gemüte führen Und nicht zum Rachekrieg die Flamme schüren! Denk's auch! Bin schwer von Weib und Kind geschieden, Ich geh nach Haus, ich liebe mir den Frieden. Stört man noch einmal meine Ruh, So schlag ich noch viel gröber zu. B'hüt Gott! B'hüt Gott, hast brav geschafft! Jawohl, hab Dank, hast brav geschafft, B'hüt Gott, urmarkige Volkeskraft! Der Bauer hat beiden die Hand gedrückt und verschwindet in der Erde. Ach, wie der drückt, mir brennt die Hand und saust! Ja, ja, das ist des Michels Faust! Glücklich erstanden! Selig der Mutige, Welcher die blutige, Bonapart-Hutige, Schnell hereinplatzige, Löwenhaft tatzige, Krallenhaft kratzige, Kriegerisch boxige, Brüllende, ochsige, Pulverich blitzende, Kugelnbespritzende, Gliederzerschlitzende Prüfung zwar nicht allein, Doch da er jetzt zu zwein, Und mit Genehmigtsein Sehniger, Michlicher, Hauender, sichlicher Hilfe der ehrlichen, Wälderhaft bärlichen, Oft widerhärlichen, Endlich verbundenen, Einig gefundenen, Pfeilisch umwundenen Volkskraft bestanden! Habt Dank, ihr Geister, für das schöne Lied! Doch von dem heißen Kampfe bin ich müd; Komm, Valentin, hier laß uns niedersitzen. Ja, ja, der Wauwau macht' uns weidlich schwitzen. Ein bißchen Ruhe täte gut Dem überhitzten, umgejagten Blut! Die dritte Probe soll die schwerste sein. Hätt' ich zur Stärkung nur ein Gläschen Wein! Zur neuen Arbeit fühl ich wenig Kraft. Ach, wär' es nur ein Seidel Gerstensaft! Wie sehn ich mich nach einem festen Trunke, Doch nichts vergönnt die frostige Spelunke! 8. Auftritt Achter Auftritt Man hört eine Stimme. Hocus pocus! Pocus hocus! In nomine horum Et harum Sanctorum, Sanctarum! Was gibt's da? Worum oder Warum? Was schnarrt, was plärrt, was dudelt? Was näselt, leiert, ludelt? Et in nomine sancti Loyolae, Loyolae, Loyolae! Na, Johlen kann ich auch, In unsern Bergen ist's der Brauch. Er jodelt. Hoidohä! Hoidohä! Hoidohä! Es nähert sich eine Dunstwolke. Wie riecht's auf einmal seltsam penetrant, Halb nach Gewürze, halb nach Fackelbrand! Aus der Dunstwolke erscheint ein hagerer schwarzer Schemen mit langem Schiffhut, hinter ihm ein Knabe mit einem Gefäß, ein anderer mit einer Pechfackel, neben ihm rechts ein großer Hund mit Stachelhalsband, links ein kleiner Fuchs. Fauste! Was soll's? Gehorsam! Wem denn? Dir? Ja mir, dem einzig wahren Gott in mir! Denn seines Sohns realer Stellvertreter War ja in Rom der heil'ge Jünger Peter; Desselben Stellvertreters Stellvertreter, Das Oberhaupt der ganzen Christenheit, Inhaber der Unfehlbarkeit, Hat mich ernannt als jenes Unkrauts Jäter, Das Luther, der vermaledeite Racker, Gesäet in des reinen Glaubens Acker. Bin auf dem großen Kirchenkriegstheater Sein General, sein großer Ketzerbrater, Sein Ketzerfolterknecht, sein Ketzerfresser, Auch seiner Lehre Doktor und Professer, Ich komme, Ketzerseele, dir zu künden: Vor allem jetzt bereue deine Sünden, Bekehre dich zum Glauben, der allein Zum Himmel führt der Kirche Lämmelein! Dann hast du mich zu deiner Knabenschule Alleinigem Direktor einzusetzen, Ich hasple ihre Seelen auf die Spule Des wahren Credo, tilge weg die Fetzen Des eitlen Wissens. Wenn du dich bekehrst Und nur, was ich erlaube, denkst und lehrst, Magst du als Unterlehrer figurieren, Etwa die kleinern Kinder informieren. Nicht schäme dich an dem geringem Kittel: Kollaborator ist doch auch ein Titel, Auch sagt er, wie nach unsrem Postulat Zur Kirche sich verhalten soll der Staat. – Den Jungen soll es nicht vor deiner Lehre gruseln, Sie ist so streng nicht, als sie scheint, Zeig ihnen, was sie schön vereint, Mit würz'gem Dampfe mußt du sie beduseln, Mit unseres Mischmaschs dichtem Qualm und Rauch, Der brodelnd dampft in dieser Schüssel Bauch; Komm, Kleiner, ihren goldnen Deckel lüfte, Du, rieche nun die wunderbaren Düfte! Der Knabe öffnet das Gefäß. Wandmoose, Mumienreste aus Ägypten, Geholt aus Pyramiden, Tempeln, Krypten, Urheil'ge Isis- und Osirismythen, Aus Syrien Adoniskultusblüten; Ranunkelwurzel, brand'ger Spelt Aus Ahrimans finstrer Abgrundswelt, Blumengebild mit gelber Spitze, Symbol von Mithras Zipfelmütze, Tollkirsche, zeugend Schwindeldunst, Entsproßt schamanischer Zauberkunst, Ein gut Pfund Judaismus, Ein Quantum Buddhaismus, Benebst so mancher schönen Blume Aus echt altgriechischem Heiligtume: Vom Dienste der Venus und Here Manch glänzende duftige Beere, Samen von römischen Laren, Draus wuchsen Heiligenscharen, Auch saftige Eichenblätter Aus Hainen germanischer Götter, Auf Wodan weisend, auf Balder, Thor, Nahrhafte Eicheln findst du vor. – Dies alles auf heil'gen Flammen Zu einem Brei gekocht zusammen, Ergab die Aromatik Von unserer Dogmatik, Hat sich gemischt, durchdrungen und summiert. Daß es die Seelen mystisch nebuliert, Die um so leichter man dann dominiert. Pult! Puh! Mach wieder zu! Fort mit dem Dampf! Er macht mir Krampf! Der Knabe schließt das Gefäß. Verschmähst du, diesen Küchenmus zu ehren, Mit seinem Dunst die Knaben zu ernähren, Gehorchest du und beugest du dich nicht, Dein wartet unbarmherziges Gericht: Sieh meinen Garkoch: wer nicht mir geschworen, Den wird er auf dem Scheiterhaufen schmoren! Er zeigt auf den Fackelträger, der die Fackel schwingt. Wie? Was? Ich, der im Waffentanz Geschlagen den dämonischen Popanz, Ich, siegestrunken, soll den Reißaus nehmen Vor deinem Prahlen, abgeschmackter Schemen? Der Kirche vielgetreuen lieben Sohn, Den frommen Wächter an dem heil'gen Thron Hast du, Barbar, im Sündentrotz geschlagen! Dein ist die Schuld, daß durch die fromme Pforte Bewaffnet einbrach die profane Horde, Dem Herrn der Welt, der Fürstenhäupter Haupte, Des Constantinus heil'ge Schenkung raubte Und ihn, da er nicht floh, Gefangen warf auf Stroh. Frohlocke nicht, es soll dir nicht behagen! Von innen aus laß ich dein Reich zernagen! Erfahre dann, wie schwach es sei, Wie schlecht sie baut, die freie Maurerei! Dein's, auf die Dummheit von der List gemauert, Glaubst du, daß es in Ewigkeiten dauert? Kein Fundament ist ja so fest und breit, Ein solcher Bau besteht in Ewigkeit. Auf einer Fälschung ruht dein Machtbestand! Die Schenkung Constantini – Wind und Sand! Die Fälschung wirkte vollen Rechtes Titel, Der heil'ge Zweck, er heiligt jedes Mittel, So daß, wenn dieser nur dadurch gedeiht, Ein Mördchen auch die Kirche gern verzeiht. Ja, solch ein Bau, mit Gift und Blut gekittet, Er wird von keiner Zeiten Sturm zerrüttet. Dein Bau ist Lehm, ist Glas, ist dünnes Blech. Jetzt ist er gar zum Heucheln auch zu frech! Den Hut herab von deiner Gleißnerfratze, Herab den Deckel von der Pfaffenglatze! Will ihm den Hut vom Kopf schlagen. abwehrend. Ihr wißt noch nicht, weltlich naive Lümmel, Was wir vermögen, die wir sind vom Himmel! Sprecht, meine Diener, ihren Mut zu kühlen! Wenn sie nicht hören, lasset schnell sie fühlen! Wu wu, wau wau, wu wu! Entsetzet euch, hu hu! Ich bin das wilde Bulldoggtier, Bin stärker als der stärkste Stier, Ich bin der alte Bannbullbeißer, Wovor gezittert mancher Kaiser. Wer steht, den zwag ich, Wer läuft, den jag ich, Ich hetze trotz'gen Potentaten Die eignen Völker an die Waden, Nicht oberflächlich beiß ich an, Tief dringt mein eiterbiss'ger Zahn, Mein Herr, im Fluchen meisterhaft, Lieh ihm des Fluchgifts Ätzekraft, Das wühlt und wühlt in Fleisch und Blut, Wie Geifergischt der Hundewut. Zwar bin ich welsche Hundezucht, Bin jener Doggen Enkelfrucht, Mit denen man im Frankenland, Von schönen Eifers Glut entbrannt, Die Hugenotten in die Messe hetzte, Daß manche gläub'ge Seele sich ergetzte; Doch auch Germania heutzutag Heckt meinen edlen Hundeschlag. Ich heiße Hatzrüd, Bull, Packan, In neuer Zeit, die mehr human, Gewöhnlich einfach Hetzkaplan. Wu wu, wau wau, wu wu! Entsetzet euch, hu hu! Burg Malepartus ist mein Ort, Ich bin und heiße Schwindelhort, Bin Virtuos in Schlich und Pfiff Und jedem Advokatenkniff. In jeden Brei, Wes Stoffs er sei, Werf ich die Kirchenpille; Verdreht, verhext Wird jeder Text Durch meine Kreuzpostille. Ich spiele für den heil'gen Rock Brett, Mühle, l'hombre und Tarock, Im Rams, im Tapp, in Whist und Skat, Macht mich so leicht kein Gegner matt, Kann schachern, wie um Hemd und Hut In klugem Tausch ein Mauscheljud, Wer mich beschummeln wollt' und fahn, Der müßte wahrlich früh aufstan. Treu schwör ich meinem jetz'gen Herrn, Doch ist das Wölfische nicht fern. Ihr draußen, beugt euch, sinkt vor uns aufs Knie, Denn wir sind Zentrum, ihr Peripherie, Ich aber bin vom Zentrum Das Rhododendrum. So spricht der Fuchs Und nicht zum Jux! SCHEMEN, HUND UND FUCHS zusammen. Wir bieten auch die Hand zur Stärkung der Gemeinde – Helfe, was helfen mag! – dem wildsten unsrer Feinde, Und wohnte er im tiefsten Trichter Am Schwefelthron der Höllenrichter, Herbei muß der gehaßte Widersacher! Wir dingen ihn, er liebt wie wir den Schacher; Verkauft er doch im Wahlkampf seine Seele, Damit ihm nicht der unsern Stimme fehle, Verhandelt Überzeugung und Gewissen, Der Spitzbub, den wir doch nicht gerne missen. Wir kennen, was uns eint: Freiheit ist unsre Losung, Und sie verbindet uns zu zärtlicher Liebkosung. Regiert, so rufen wir, soll schließlich gar nicht werden, Es sei denn, daß nur wir regiereten auf Erden, Wir wollen alles und sie auch, So stecken wir in einem Schlauch. Wir wissen beide nichts von einem Vaterlande, Den Teufel fragen wir nach seiner Ehr und Schande! Krallkatzen von der besten Art, Der roten, Nun hebt und wetzt, mit uns geschart, Die Pfoten! Es erscheint eine Meute rotgestreifter Katzen. Der Schemen, der Hund, der Fuchs singen mit ihnen zusammen. Feldruf sei: Alles frei Für Partei! Wir selb zwei: Pfaffen-Ei, Fortschritts-Ei, Rot und Schwarz, Schwarz und Rot, Bringen verbündet euch den Tod, Staat und Polizei! Juchhei! Wilde Bewegung, Der eine Knabe öffnet den Deckel der Schüssel wieder und spritzt Tropfen aus der Suppe nach Faust und Valentin, der andere schwingt die Fackel, der Hund bellt und packt an, der Fuchs bellt ebenfalls, wässert auf den Schweif und streut ihnen das Naß in die Augen, die Katzen fauchen, miauen und werfen sich auf die beiden; diese lassen nach und nach vom Widerstand ab. verwirrt, taumelnd; er erscheint plötzlich ein anderer, Helm und Degen entfällt ihm. Mir wird so schwach, so zappelich! dem der Degen ebenfalls entfällt. Mir wird so blöd und schwabbelich! Es ist doch etwas Schönes um den Frieden. Ein Lämmlein wird, der Raufbold war hienieden. Man kann ja weichen und im Weichen sagen: Ich weiche nicht, ich will nur Rechnung tragen. Schon Salomo, der Weise, sprach: Freund, der Gescheiteste gibt nach. Doch nicht umsonst; da heißt es: klüglich fahre! Man marktet, feilscht, man bietet War um Ware; Tu ich dir dies, dafür tust du mir jenes, Ums Schachern ist's im Grund doch etwas Schönes. Im Kriege hatt' ich einen Kameraden, Der hat im Landsknechtspiel mich gut beraten, Ich kartle mit dem Fuchs, ich will ihn tüchtig tummeln, Es wird sich finden, wer den andern kann beschummeln. Zu guter Disziplin verhilft mir doch der Schemen, Mein wildes Bubenvolk wird er mir helfen zähmen. In meine Kneipanstalt dort an des Himmels Schwelle Erhandl ich, daß er mir zahlreiche Kundschaft stelle; Bringt er die Roten mit, das ist ein starker Haufen, Da gibt es vielen Durst, sie werden tüchtig saufen. 9. Auftritt Neunter Auftritt Ein starker Knall, das Gewölbe der Höhle öffnet sich, Licht von oben dringt herein, in der Höbe erscheinen zwei Männer, umgeben von einem Strahlenkreis. Der alt böse Feind, Mit Ernst er's jetzt meint, Groß Macht und viel List Sein grausam Rüstung ist, Auf Erd ist nicht sein'sgleichen. Ein ewigs Gut Liegt in eurer Hut, Das ist nicht Wind, Damit spielen ist Sünd, Dürft nicht wanken und weichen. Da nehmt ein Schwert, Ist Mannshand wert, Heißt Luthers Herz und Mut, Kräftiglich hauen tut, Ein gute Wehr und Waffen! Führt es so wie ich Standhaft ritterlich, Der Satan steht ihm nicht, Das macht, er ist gericht't, Belial und seine Pfaffen. Er reicht ein Schwert herunter, Valentin ergreift es. Das sprach ein Mann von Schrot und Korn, Recht hat er mit seinem heil'gen Zorn. Der Donner schlag', was war ich für ein Schaf! Bin wieder Valentin, Soldat und brav! Wofür die Ahnen blutig einst gestritten: Freiheit der Welt von pfäffischer Gewalt, Wofür mein Volk am Marterkreuz gelitten, Zerstampft, beraubt und krank an innrem Spalt: Jetzt, da ihr in erstaunten Weltteils Mitten Dasteht verjüngt, in stolzer Mannsgestalt, Schenkt ihr den Preis in einem Wahn von Milde Dem Nimmersatt und seinem Götzenbilde. Als Losung nicht für weiche, matte Seelen Hab ich der Duldung schönen Ruf gemeint, Nicht eurer Schonung wollt' ich ihn empfehlen, Den »Patriarchen«, jeder Duldung Feind! Laßt euch von mir zu bessern Taten stählen! Schämt euch! Ich stand allein, ihr seid vereint. Da nehmt dies Schwert von mir, sein Nam ist Wahrheit! Grad aus, wie ich, haut durch und schaffet Klarheit! Er reicht ein Schwert herab. Faust ergreift es. Der Kopf wird hell, der Schwindel weicht, Der Alp läßt frei die Glieder, Fort, Dunstgebilde, Larven, fleucht! Mich selber find' ich wieder. Bin Faust und fühl es tief und recht: Wie ich beharrte, wär' ich Knecht. Ein geistig strebend Volk ist mein, Todfeind des Wahnes dumpfem Schein, Dein treuer Hüter will ich sein! Beide heben die Schwerter, die sämtlichen Popanze, die während der Reden der zwei Geist-Männer stutzend stillgestanden, verschwinden, das Gewölbe hat sich wieder geschlossen. Glücklich erstanden! Selig der Treffliche, Welcher die pfäffliche, Überschlagbeffliche, Hetzkaplankläffliche, Schwarze, soutanische, Ultramontanische, Undeutsch romanische, Spanisch loyolische, Sengend petrolische, Buddha-mongolische, Kritische, griffige, Schwindelhortpfiffige, Fuchsschweifbeschiffige, Reineke Vossige, Keineswegs possige, Wirklich Canossige Prüfung – einfallend, in tiefem Basse. Halt! Was man zuletzt gesehn, Als wär' es schon geschehn, Ist noch nicht factum! Verbum verwandelt sich, Merket, es handelt sich Eigentlich nur um Futurum Exactum. fortfahrend. Prüfung zwar nicht so ganz Allerdings nicht mit Glanz, Immerhin unterdes Doch noch mit Hilfe des Beistands der Geister Älterer Meister, Und wenn man ungeniert Sonderlich konjugiert, Diesesmal setzet statt: Prüfung bestanden hat – Bestanden haben wird, Wirklich nur kurz beirrt Noch hat bestanden! Wie rührt mich im Bewußtsein meiner Schuld Durch dies Konzert der hehren Geister Huld! Ich, der so streng im richt'gen Konjugieren Das Schülervolk gewohnt zu exerzieren, Wie tröstet mich's, daß mir zum Benefiz Diesmal darf gelten ein grammat'scher Schnitz! Nur in der deutschen Schul bin ich gewesen, Und das nicht lang, ich bracht' es kaum zum Lesen. Ich sage einfach: Gnade ist geschehen Für Recht. Was? Weichen vor dem Schwindelquark? Rührt er sich wieder, dann soll's anders gehen, Man soll mich finden und mein altes Mark! – Was aber regt sich noch im Hintergrund? Was geistert hinten in dem Höhlenschlund? Sind's gar die Mütter, die man nicht mehr sah? Wo staken sie? Potz Blitz, sie sind schon da! Die Mütter, die aus einem Winkel der Höhle hervorgeschlüpft, erscheinen mit verschiedenem Küchengerät und Geschirr, auch Feuerbränden bewaffnet. Volkes Stimm Gottes Stimm! Unser Kaplan Füllte mit Gall und Grimm Frommes Organ, Christlichste Zeitungen, Wahrheitsverbreitungen. Stechet mit spitzem Stift, Speiet und spritzet Gift! Hussa packan! Halali! Laßt ihm den Schlüssel nicht, Haltet ihn fest, Strafet den Bösewicht In unsrem Nest! Quälet und peiniget, Kreuziget, steiniget Ketzerisch Sünderpack In unserem Höhlensack! Hussa packan! Halali! Sie machen einen Angriff mit ihren Instrumenten, werfen Brände und einen Hagel von Geschirren, aus denen verschiedene Brühe, Essig, Kaffeesatz und dergl. sich ergießt. Auch das noch! Mit den schnöden Vetteln Soll man noch seine Zeit verzetteln? Schaff du sie fort, ich rühre keine Hand. Man schlenkert sie halt einfach an die Wand! Sich da befassen tut nicht gut; Sie schaden dem nur, der sie fürchten tut. Er wirft sie verächtlich an die Wand, wo sie, in Papierfetzen verwandelt, hängenbleiben. Völlig erstanden! Selig der würdige Nordengebürtige, Der auch die letzliche, Lästige, bürdige, Zwar nicht entsetzliche, Doch nicht ergetzliche, Maulig bemutternde, Nervenerschutternde, Schwach Herz verbutternde Prüfung bestanden! Dir auch, du anderer Unterweltswanderer, Nicht leicht entfärblicher, Derblicher Sterblicher, Der du befreitest schon Früher den Sorgensohn Voll Resolution Aus jener brätlichen, Duftend salätlichen, Sinne beschleichenden, Nase bestreichenden Prüfung und treuelich, Nimmermehr scheuelich Ihm in dem spassischen, Helenaklassischen Und in dem sohnischen Euphorionischen, Hüpferlich narrischen, Grillig bizarrischen Strauß dich geselletest, Dann zum gefährlichen, Sehr militärlichen Kampfe dich stelletest Und mit ihm schwitzetest, Feind niederblitzetest, Dann in der kritischen, Kulturpolitischen, Stickluftmephitischen Prüfung zwar wackeltest, Wankelhaft fackeltest, Doch dich ermannetest, Anfangs zu klügliche, Schwache, verzügliche Geisteskraft spannetest Und den halb faktischen, Futur-exaktischen Sieg mit errangest, Götzen bezwangest, Endlich den Mütterspuk, Schwarzen Gespenstertuck Warfst an die Wand zuruck, Sagen wir Amen Nach dem Examen! Nun ja, doch jetzt genug der Dudelei! Ich mag sie nicht und brauch sie nicht, Die höchst langweilige Lobeshudelei, Tu halt nach Kräften meine Pflicht. Zu meiner Bärbel möcht ich jetzt nach Haus, Mach, Faust, zieh deinen Schlüssel wieder raus! Doch halt! dann kommt der Schornsteinfeger wieder, Dem steh ich nicht für seine ganzen Glieder; Der Schandgeselle, der im Ruße haust, Seh ich ihn nur, so juckt mir schon die Faust; Doch diesmal leider werden wir ihn brauchen, Wer sonst kann durch den Schlot hinauf uns schlauchen? Ich glaube doch, zur Auffahrt an das Licht Bedürfen wir des schwarzen Helfers nicht; Die Rückkehr in das ganze Eine, Wo sich das Wahre mit dem schönen Scheine Vereint, wo sich vollzieht das höchste Gut, Bedingt nicht wieder die Negation; Drum zweifle nicht, mein Sohn, Diesmal ermahne ich dich, fasse Mut! Ich höre etwas wie ein wirbelnd Sausen, Ein ziehend Wehn von oben her und außen, Der Himmel hat, so wage ich zu hoffen, Etwas wie eine Luftdruckpost zur Hand – – Entschlossen pfeif ich – Er pfeift auf dem Schlüssel, die Türflügel springen auf. sieh, der Weg ist offen! Ich spür's, der Zug ergreift schon mein Gewand, Hinauf, hinan! Frei ist die Bahn! Hinauf aus schwarzer Tiefe. Ins Lichte, Positive! Während dieser Worte sind beide schon vom Boden gehoben, schweben dem Tore zu, durch dasselbe hinaus, dann, wie von einer Windhose gefaßt, wirbelnd nach oben und verschwinden. Ende des zweiten Aufzugs. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Mephistopheles vor einer großen, dunkeln Wolke, hinter welcher Glanz hervorstrahlt. Beim siedenden, höllischen Pech und Schwefel! Das ist nicht recht, ist Verrat und Frevel! Ein andrer, ein Schwächling mag dich loben, Wortbrechende Eigenmacht da oben! Sooft er mir in die Falle tappt, Wird er mir wieder weggeschnappt; Fass' ich ihn wieder, wird aus meinen Ketten Ihn sicherlich ein neuer Staatsstreich retten! aus der Wolke. Es irrt der Mensch, solang er strebt. Nicht übel! Und wenn er zappelnd klebt Und also in Wahrheit nicht mehr strebt, Ist er nicht mein? Nein! Er wird sich erheben Und wieder streben. Schon gut, nur dauert es nicht lange. Auch dann ist uns um ihn nicht bange, Aufs neue schwingt er sich empor. So, so! Nun aber kommt mir's vor, Wir geraten ins ewige Lied hinein, In die Schraube ohn Ende; Mir wirbelt's im Oberkämmerlein, Als ob das Gehirn mir brennte; Wer sagt mir in dieser Finsternuß, Wie das Drama dann finde seinen Schluß? – Und noch etwas: liegt er im Sumpf und Schilfe, Dann schickst du Geister zu seiner Hilfe. So freilich zerreißt er leicht seine Kette: Das ist Unrecht, das ist gegen die Wette. Du sprachst von einem dunkeln, sichern Drange, Der ihn noch in die Klarheit werde führen, Du sprachst kein Wort von Helfen, Sekundieren, Dir schien um Faust auch ohne das nicht bange; Du gabst mir vor, er war mir überlassen, Mit meinen Künsten durfte ich ihn fassen; Auf seinen Urquell bautest du allein, Und jetzt mit Geistern greifst du treulos ein. Ihre Kraft, sie gilt wie seine, Denn die Menschheit, sie ist nur eine. – Im Wechsel von Fallen und Streben Bewegt sich ewig das Leben Und des Lebens innerster Kern und Saft, Das ist im Wechsel die strebende Kraft. Unendlich dehnt sich im Lauf die Zeit, Sie ist nur ewige Endlichkeit, Wahrhaft ewig, unendlich in sich Ist der Geist nur, das wahre, reine Ich. lacht stark. Du lachst? Ich lache, ja! Denn in die Metaphysika, So merk ich nun, geht's da hinein. Hab solche Sachen, dünn und fein – Jetzt will mir die Erinnerung wieder kommen – In einem deutschen Hörsaal einst vernommen. Nun aber – wird alles so enthüllt, Wo bleibt dann Gestalt und Schein und Bild, Was wird aus dir? Was wird aus mir? Wo bleibt der Tragödie ganzer Staat Ohne den mythischen Apparat? Und also der Schluß? Nun sage! Ich wiederhole die Frage! Mit Fausto was soll am Ende geschehn? Bin doch begierig, will doch sehn! Nun ja, zum Himmel führ ich ihn ein, Und das zweitemal soll es gültig sein. Ja, wenn er doch immer wieder irrt Und der Sinn nur abstrakt in den Lüften schwirrt, Daß das Streben im ewigen Einerlei Von Fallen und Streben das Wahre sei, Dann wird ja als sinnlich einzelnes Fakt Die Rettung zu einem gewaltsamen Akt, Ist Staatsstreich, ist Handeln wider den Pakt. Ist des Bilds Bedeutung herausgehoben, So ist es verflüchtigt, ist zerstoben, Drängt es sich dick auch dann noch ein, So ist es schiefer, konfuser Schein. schweigt lange. Nun, nun? Kein Wort? Wie lange währt das Schweigen fort? Für sich. Ich hör etwas – vertrau ich meinem Ohr, So kommt mir's wie ein heimlich Lachen vor. Da hätt' er also doch das Lachen Sich nicht ganz abgewöhnt; Das wäre nett, bei so bestellten Sachen Ständ' es nicht krumm, wir wären halb versöhnt. tritt aus der Wolke hervor. Nicht weiter verhandelt der Herr mit dir, Sein letztes Wort übergibt er mir. Es lautet: Punktum. Es bleibt dabei, Faust wird gerettet, er wird frei! Dir aber gönnt die Resolution Noch etliche Satisfaktion. Dafür, daß Faust, betäubt vom Myrrhendampfe, Nicht wacker aushielt in dem Pfaffenkampfe, Muß er von schimmlich modernden Figuren Ertragen abgeschmackte Prozeduren, Legendenhaft, Studentenhaft Zur Himmelfahrt sich weihen lassen. Dann darfst du noch einmal ihn fassen: Zu Fausti Sanctificatur Bedarfs noch einer Doppelkur, Einer trocknen und einer nassen; Du darfst sie leiten, darfst für seine Nerven Nach Lust die Läutrung schärfen. Die Formen, das Verfahren Wird man dir offenbaren. Doch nicht mißbrauche das bedingte Recht, Sonst geht dir's schlecht! Laß insbesondre bei der zweiten Kur Das Feuer weg, sonst zittre nur! Und endlich soll der aufgeschloßne Himmel Im Unterschied vom früheren Gewimmel So übersinnlich mager sein, So transparent, so äußerst fein, So fadenscheinig und so dünn, Daß nicht zu glänzend der Gewinn; Conclusum. Imprimatur! Janicula claudatur! Michael und der Glanz verschwinden. O klägliche Abfinderei! Schäbige Halbheit, unrecht gütliche, So recht perfid gemütliche Philistertyrannei! Was kann ich sagen? Ich muß es tragen! Es ist mein Schicksal, ach, ich sehe, Es kann einmal nicht anders sein In der ewigen gemischten Ehe, Der Ehe zwischen Ja und Nein! Doch was ich kann, das will ich nützen, Der Kerl soll stöhnen und schwitzen, Will ihn schrauben und schütteln, Stoßen und rütteln, Zwicken und Zerren, Er soll mir plärren! Und mag mir's auch verboten sein, Das Feuer schmuggl ich dennoch ein! Ich, der geborne Vulkanist, Soll auf des Feuers Kraft verzichten? Mitnichten, strenger Herr, mitnichten! Der Willkürmacht begegne ich mit List! Ich will ihn braten, rösten, brühen, Das Fegefeuer soll nicht heißer glühen! Dann sag ich mit lustigem Teufelston: Siehst du, das ist der Humor davon! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Geräumige Stube in Valentins Wirtshaus. Ein Teil des Raums durch einen seitlich gezogenen Vorhang geschieden und verhüllt, für den Zuschauer offen; ein Schragen ist darin sichtbar. einen langen Tisch herrichtend. Mein guter Vältl ist wieder da, Den ich in Ängsten lange nicht mehr sah. Was Grausliches auf seinem Gang geschehn, Das deutet er mit dunkeln Winken an, Spricht von Gespenstern, die sie schaudernd sahn, Mein armer Kopf kann es nicht recht verstehn. Bin nur zufrieden, wieder ihn zu haben. – Mit einem Festtrunk soll ich Gäste laben, Und an den Trunk soll anderes sich knüpfen, Wovon die Decke jetzt noch nicht zu lüpfen. Was steht uns wohl geheimnisvoll bevor? Ein Wort von letzten, starken Läuterungen, Von Himmelan, von Schweben und Empor Ist halbverständlich mir ans Ohr gedrungen. Was hat dabei mein Valentin zu tun? Gibt's Arbeit noch? Darf er als Zeuge ruhn? Was wird aus uns, aus unsrem Wirtshaus werden, Wenn's Flattern angeht hochweg von der Erden? Des Himmels Vorraum ist mir gut genug, Nicht folgen kann ich allzu hohem Flug. 3. Auftritt Dritter Auftritt Faust tritt mit Lieschen ein. Sei mir gegrüßt, du schlichte Frau! Der Horizont ist wieder blau, Er strahlet Wonne auf uns nieder! Wir haben unsre Freunde wieder! Und bist du auch an Bildung mir nicht gleich, Doch nah wie ich dem offnen Himmelreich. Ach Gott! Ich spüre gar kein Bildungsstreben, Als brave Wirtin möcht ich weiter leben! zu Lieschen. Bestanden ist der dreifach harte Strauß, Doch weh, noch ist die Probezeit nicht aus! Nicht freut mich die Tafel, im wirtlichen Saal Gerüstet zum Einweihungsfestbacchanal, Verhülltes Schweres ist noch angedroht – Oh, mir ist bang, und Zuspruch tut mir not! Sei stark! So hart wie die bestandne Pein Kann diese letzte Läuterung nicht sein! Wer weiß! Sieh diesen Vorhang ausgebreitet! Wie geisterhaft die langen Falten zucken! Was hinter ihm sich mystisch vorbereitet, Gibt mir gewiß noch Grausiges zu schlucken. Man sieht in der offenen Türe vier Gestalten in Kutten, mit Studentenmützen und Heiligenscheinen. Eine derselben schwebt beständig auf und ab. Aha! das sind sie, die beim leidensvollen Einkleidungsfest mir assistieren sollen! »Ein heil'ger Doktor, in Scholastik groß, Soll Täufer sein bei deinem Fuchsenstoß, Drei Patres seien Paten dir und Zeugen!« So ist mir angesagt; ich muß mich beugen, Muß sie ertragen nach dem finstern Spruch Mit ihrem ranz'gen Heiligengeruch! Ach! ich gesteh es, mir geschieht nur recht! Warum auch hielt ich damals mich so schlecht Vor dem Gespenste mit der schwarzen Kutte! Dafür entlehnt aus faulem Kirchenschutte Mein Dichter aus des alten Goethe Spalten Boshaft die sporig modrigen Gestalten! Laß von Verdruß dich nicht zu stark beschweren: Es gilt, sie allegorisch zu erklären! Ein schwacher Trost für meinen Katzenjammer: Sie riechen eklich nach der Rumpelkammer. Zählst du dich zu den Schuldigen, Zähl' auch zu den Geduldigen! Zwar nach der Lehre neuerer Theologen, Die einem denkenden Glauben huldigen, Bin ich im Töchterinstitut erzogen, Entwachsen dem byzantinischen Stil, Wie auch dem folgenden Formenspiel, Als da ist: dem romanischen Halbrundbogen Und dem steilen, spitzigen, gotischen; Aus Andachtbüchlein, niedlichen, modischen, In schwarzem Saffian mit goldnem Schnitte Ward schön gesungen in der Töchter Mitte. Doch ließ' ich, um beseligt hinzuwallen, Mir gern auch jeden ältern Stil gefallen; Sei objektiv! Bedeutung ist in allen! Ach, sieh doch nur den einen von den Vieren Beharrlich auf und nieder oszillieren! Weist dies auf meines ungeratnen jungen Euphorion verrückte Purzelungen? Mahnt dieses Bild magnetischen Prozesses Dich an die Frucht begangenen Exzesses: Als Buße für erkannte Schuld Ertrag' auch dieses mit Geduld! 4. Auftritt Vierter Auftritt Die vier Patres treten ein. Pater Ecstaticus, auf- und abschiebend, Pater Seraphicus, Pater Profundus, an ihrer Spitze Doktor Marianus. MARIANUS mit segnender Gebärde. Sei benedeit, o Faust, auf diesen Wegen! Zum letzten Schritt empfange unsern Segen! Mit Ehrfurcht grüß ich euch, altheilige Gestalten, Entschlossen, fromm und zahm die Weihung auszuhalten! Für sich. Dem Teufel fast möcht' ich mich lieber stellen Als diesen übeldunstigen Gesellen! In dem durch Vorhang abgeteilten Nebenraum erscheint Mephistopheles mit Valentin, der eine Gerte trägt. für sich. Brauchst ihn nicht zu zitieren, Wirst ihn schon spüren! MARIANUS zu Faust. Fürs erste bist du nun gebeten, Hier in den innern Raum hineinzutreten. Während Faust unbemerkt noch zögert, zu Lieschen. Du, dieses Manns moralische Adjunkte, Es gibt mitunter so gewisse Punkte, Es kommt etwas, es geht jetzt etwas vor, Das nicht wohl paßt für Weibes Aug und Ohr. Dein Doktor Faustus wird ein wenig stöhnen, Geh lieber fort, sei fern von diesen Tönen! Die Festpokale wirst du gern noch scheuern, Tu es und laß auf kurze Zeit den Teuern! Ach Gott, ach Gott, wird ihm doch nichts geschehen? MARIANUS. Ah bah! Du wirst gesund ihn wiedersehen! Lieschen geht ängstlich ab. Zu Bärbelchen. Du sorge, daß aus eurer Brauerei Das volle Faß nun bald zur Stelle sei, Dein Mann hat jetzt was anderes zu tun. Was denn? Was gibt es denn? MARIANUS. Nun, nun, Er wird ein wenig streichen. Wen denn? MARIANUS. Den Faust, er hat bei ihm noch etwas gut. Zwar du gehörst nicht zu den Allzuweichen, Doch weilst du besser in des Kellers Hut. Den Faust? Das wäre leichtlich zu ertragen, Hört' ich den Herrn ein wenig winseln, klagen; Auch sah ich oft mit guter Ruh Dem Raufen und Balgen im Wirtshaus zu. MARIANUS. Da sahst du nur bekleidete Gestalten; Verschöben sich des Vorhangs breite Falten, Der Anblick würde Frauen wohl beschämen: Zur Adamstracht muß Faustus sich bequemen. Geh lieber fort, es ist doch besser, Und kümmre dich um deine Fässer. Bärbelchen geht ab. vortretend. So, so? Und mich, mich fragt man nicht, Ob ich es dulde, solches Schmachgericht? MARIANUS. So nah, mein Freund, dem Tor des Paradieses, Sei doch vernünftig und erwäge dieses! Es sammeln sich durch unsre Sünden In unsres irdischen Leibes Schlünden, In unsern Därmen, Muskeln, Sehnen, Arterien und Venen Gewisse spröde Stockungen, Gewisse Saftverhockungen, Gichtische Pfropfungen, Kalkige Stopfungen; Durch diese, wenn sie zähe sich verklemmt, Wird auch der Seele Rührigkeit gehemmt, Vorab bei Denkern, welche viel gesessen Und teils zu wenig, teils zu viel gegessen. Da gibt's nichts Beßres als ein tüchtig Kneten, Vereint natürlich mit andächt'gem Beten. – für sich. Das lassen wir auf sich beruhn, Ich denk, es wird's auch so noch tun. MARIANUS. Von Männerfaust läßt man die Muskel streichen, Durchtalgend, mangend, bügelnd sie erweichen, Man schafft durch diese gründliche Massage, Dem trägen Blut erleichterte Passage, Und mit der Flucht des Hämorrhoidalen Erwacht die Seele neu zum Idealen. Zu dieser Kur will's eine derbe Hand, Drum ist dazu der Valentin ernannt. Er hat in deinen Prüfungstagen Dir deine Schuld nicht nachgetragen, Hat dich geleitet, dich gestützt, Als treuer Knappe dich beschützt, Dies Satisfaktiönelein Soll ihm darum gegönnet sein. Ertrag es, wenn es brennt und saust, Du weißt: es reimt sich Faust auf Faust! Nun denn, so unterwerfe dich, mein Bester! Die alte Schuld an Bruder und an Schwester Bricht meinen Stolz. So führet mich hinein! Auch diese Buße will geduldet sein. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Dr. Marianus und die drei Patres treten mit Faust durch den Vorhang in den zweiten Raum. den Mephistopheles erblickend. Nun, da sieht's gut aus, der ist da! Mit höherem Permisse, ja! zu Valentin. Ach Gott, es sei! ich füge mich, Nur macht es nicht zu fürchterlich! Er wird entkleidet und legt sich auf den Schragen. zu Mephistopheles. Dies eine Mal gehorch ich dir; Ich bin bereit, nun kommandier! Sänftlich streiche, Fleisch erweiche! Es geschieht. Wird's nur nicht stärker, ist es zum Ertragen, Ich dulde still auf meinem Schragen. Derber reibe, Pressend drücke, Klemmend kneipe, Zwage, zwicke! Au weh! Ich vergeh! Magst immer ächzen und schnaufen! Es bringt die Säfte ins Laufen, Daß du nicht mehr so lang verhockst Und bis zum fünften Akte stockst! Zu Valentin. Kratze, fitzle, Kraue, kitzle! Kribble, krabble, Daß er zapple! krampfhaft lachend. Haha! haha! Greulicher Krampf, gichterisch Lachen, Lieber vor Schmerz heulend zerkrachen! Hi, hi! Nachkitzel zur Walpurgisnacht Und ihren Ludereien! Der klassischen sei hier nicht gedacht, Die war schon zum Kasteien, Man ging vor lauter Deutungsschund In dem Gestrüppe ja zugrund. Doch an den Zwerg Homunculus, Des Dichterhirns forunculus, Sein Schweben und sein Schwabbeln Gemahne dich dies Krabbeln! Zu Valentin. Jetzt nimm die Gerte, hau! Valentin haut. Au! Au! Au! Für Zauberei beim Uferbau Mit Menschenopferblut Hast du den Lohn noch gut; Philemons und der Baucis Weh, Die Räuberei zur offnen See, Auf deiner Rechnung stehen sie, Ernstlich bereutest du sie nie. – Zu Valentin. Hau stärker zu! Es geschieht. Huhu! Huhu! zu Valentin. Zurück jetzt denke an den Degenstoß Und denk an deiner armen Schwester Los! Hat man ein Weib so scheußlich ruiniert, Wird man von Elfensang nicht absolviert! Jetzt haue zu mit voller Kraft! Es spritze nur der heiße rote Saft! Valentin haut noch stärker. Du haust mich wund! Ich geh zugrund! Schwer ist die Schuld! Übt Gnad und Huld! Hau zu! Hau zu! Gib keine Ruh! Nein! nein! und aber nein! Nicht länger soll gehauen sein! Vom Himmel hör ich Gretchens Stimme: »Jetzt mach ein Ende deinem Grimme! Hier oben ist die Schuld verziehn, Verzeih auch du, mein Valentin!« Was, zahmer Lümmel, du? Hau zu, hau zu! Halt's Maul, du hast jetzt ausbefohlen, Ich werde vielmehr diese scharfe Kur In ihrer Tempi Reihenfolge nur Rückwärts absteigend wiederholen, Bis ich sie schließe mit gelinden Strichen, Und meine Rechnung gilt mir ausgeglichen. Wie weich und feig! Bist du von Teig? Bist du Soldat Und scheust die Tat? Du Schandwurm, der die halbe Welt vergiftet, Du bist's, der jene Taten angestiftet! Haut ihm mit der Gerte übers Gesicht. das Blut vom Gesicht wischend, für sich. Verflucht, daß ich den Kerl nicht zwingen kann! Was steckt doch in dem ungeleckten Mann? Ihm gegenüber wird mein Zauber lahm, Am End noch gar macht mich der Lümmel zahm! Doch nein und nochmals nein! Der letzte Wurf ist mein! Hinüber jetzt zu meiner alten Base, Dem Hexenbalge mit der spitzen Nase! Da soll ein Naß bereitet sein, Das durchbeißt bis ins Mark hinein! Ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt nachrufend. Kratz ab, kratz ab, du Schandgesicht, Mach, was du willst, man fürcht't dich nicht! Zu Faust. Nun, gehn wir denn noch einmal dran! Ach, sei es gnädig abgetan! Wiederholung der Prozedur in sinkender Skala, Fausts Ausrufe milder, am Ende wohlig. Noch einen Klaps! Steh auf, durchknetet und durchweicht! aufstehend. Ach, wie ist mir so wohl, so luftig und so leicht! MARIANUS zu den Patres. Mit Öl vom Atos, extrafein, Reibt jetzt die wunde Haut ihm ein, Dann kleidet mit geweihter Hand Ihn sanft in priesterlich Gewand! Es geschieht, eine Soutane wird ihm umgezogen, dann ergreift ihn Dr. Marianus an der Hand. Komm, o Gekneteter, Fäustlich Gejäteter, Nicht mehr Verdichteter, Handfest Gesichteter, Kalkstoffentgichteter, Reiner und freier Komme zur Feier, Komme zum Actus ernst und groß, Komme zum himmlischen Fuchsenstoß! Er schlägt den Seitenvorhang auf und führt ihn in den Hauptraum hinaus, die anderen folgen. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Bärbelchen und Lieschen sind im Hauptraume wieder erschienen und vollenden die Zurüstung der Tafel, schenken dann die Becher ein und bedienen ferner beim Trunk. MARIANUS. Setzt alle frisch Euch an den Tisch! Zu Valentin. Du, Valentin, magst untenan dich setzen, Wir wissen alle dein Verdienst zu schätzen, Doch kannst du tiefern Geist nicht ahnen, Kannst beim Gespräch dich nicht beteiligen, Denn du gehörst zu den Profanen, Wir aber zu den Heiligen. Mir wurst! Spielt immer eure Geige! Ich gucke zu und trink und schweige. Dr. Marianus führt Faust an den Platz zu seiner Rechten, setzt sich obenan. Der Schwebeschwung sistiere sich, Auf meinen Hintern setz ich mich Und hole die Ekstase Jetzt lieber aus dem Glase! Faleri, Juchhei! Dem Oberflächlichen Blieb stets ich fern, Drang dem Hauptsächlichen Bis in den Kern, Ich haßte stets das Leere, Seichte, Schiefe, Heut aber schöpf ich gründlich aus der Tiefe. Falera, Juchhei! Nicht ird'scher Zaum und Zügel Hemmt meines Geistes Lauf, Hoch über alle Hügel Schwebt er entlastet auf, Heut gibt der Trunk uns Flügel, Zu Faust. Fiducit, Bruder, sauf! Faleri, Juchhei! MARIANUS ergreift den vor ihm liegenden Schläger und schlägt damit auf den Tisch. Noch ist's nicht Zeit, ihm vorzutrinken, Folgt in der Ordnung meinen Winken! Zuerst, beim alten guten Brauch zu bleiben, Laßt uns dem Fuchsen einen Salamander reiben! Ist's jener, der einst glühen sollte? MARIANUS. Als sich der Pudel nicht entpuppen wollte? Du grüner himmlischer Student, Der den Komment so wenig kennt! – Zu Ehren ihm nach überstandnen Proben Nunmehr die Becher feierlich erhoben! Exercitium Salamandris fiat! Eins! Zwei! Drei! Gerühret dank ich, heil'ge Kompanei! Und ahne bei dem Trunk, mir zum Gewinn Der Schlückezahl geriebnen tiefen Sinn! Trunk nach dem Kommando, Niederstoßen der Becher. MARIANUS. Nun singt zum Gruße für das neue Glied Aus vollen Kehlen ihm das Bundeslied! MARIANUS singen. Mystischer Trinkerchor, Hehres Studentenkorps, Fromme Magisterschar Vom Himmelsseminar, Ernsteste Streblinge, Strahlende Schweblinge, Nimmer Buchstäblinge, Setzen wir minniglich, Brüderlich inniglich, Figürlich sinniglich, Hebend das Glas empor, Dir einen ganzen vor, Irdischen Drucks Nunmehr entbürdeter, Eintritts gewürdeter Lieblicher Fuchs! Seit lange soff ich keinen Ganzen mehr, Das Ganze ward mir immer etwas schwer. MARIANUS. Drum blieb der Faust so lange ein Fragment, Jetzt heißt es absolvieren, Herr Student! Bemoster Chor, Auf, macht's ihm vor In den bekannten sieben Zügen, Von eins bis vier, von vier bis sieben! Genau! Sonst werd ich's rügen! Die drei Patres trinken, während Dr. Marianus vorzählt, in den genannten Tempi. Ist auch nicht die Nagelprobe dringeblieben! Jetzt, Fauste, sei's getan! Frisch, setz an! Nun denn, es steigt, Zählt nach und zeugt! Wüßt' ich nicht, daß es Sinnbild sei, Wie schmerzte mich die Völlerei! MARIANUS. Wohl Sinnbild, denn das Leben ist ein Schlucken, Muß jeder würgen, ohne auszuspucken, Und unsre Kirche lehrt das rechte Ducken. Zu Faust, der ausgetrunken hat. Auch nicht bemogelt, Fuchs? Laßt sehn! Er duckt sich: gut, vollkommen ist's geschehn. Nun stimmet an das schöne Fuchsenlied, So oft schon, wenn von Haus ein Füchschen schied, Aus kräftigen Jugendlungen Zum Empfang in der Kneipe gesungen, Zwar jetzt mit etwas renoviertem Text, Doch ohne daß ein Sinnverlust erwächst! Der große Humpen geht dabei im Kreise, Trink wacker, Faust, und greifst du singend ein, Dein Sprüchlein bring nach der bekannten Weise Ergetzlich vor als blödes Füchselein. Wohlan denn, schon gestimmt sind ja die Kehlen! Pater Profunde, laß den Baß nicht fehlen, Er trage fest mit seiner Grundgewalt Die Melodie, daß es harmonisch schallt! Wer kommt vors Himmelstor, Wer kommt vors lederne Himmelstor? Ça, ça lederne Tor, Wer kommt vors Himmelstor? Es kommt ein Füchselein, Es kommt ein ledernes Füchselein, Ça, ça Füchselein, Es kommt ein Füchselein. Ihr Diener, meine Herrn, Ihr Diener, meine hochehrwürdigen Herrn, Ça, ça hochehrwürdigen Herrn, Ihr Diener, meine Herrn! Was macht das Mütterkorps, Was macht das lederne Mütterkorps, Ça, ça lederne Korps, Was macht das Mütterkorps? In Fetzen liegen sie, In ledernen Fetzen liegen sie, Ça, ça liegen sie, In Fetzen liegen sie. Was macht die Helena, Was macht die lederne Helena? Ça, ça Helena, Was macht die Helena? Ist aus dem Rock geschlüpft, Ist aus dem ledernen Rock geschlüpft, Ça, ça Rock geschlüpft, Ist aus dem Rock geschlüpft. Was macht Euphorion, Was macht der lederne Kautschuksohn, Ça, ça Kautschuksohn, Was macht der Kautschuksohn? Er ist geklopft, gepatscht, Der Lederne ist geklopft, gepatscht, Ça, ça durchgepatscht, Er ist geklopft, gepatscht. Was macht der große Mann, Was macht der lederne große Mann, Ça, ça Cäsarmann, Was macht der große Mann? Man schlug ihm ab den Hut, Man schlug ihm ab den ledernen Hut, Ça, ça Kaiserhut, Man schlug ihm ab den Hut. Was macht der Schwindelhort, Was macht der lederne Schwindelhort, Ça, ça Schwindelhort, Was macht der Schwindelhort? stockt. Was macht der Hetzkaplan, Was macht der lederne Hetzkaplan, Ça, ça Hetzkaplan, Was macht der Hetzkaplan? stockt. Was macht der Loyola, Was macht der lederne Loyola, Ça, ça Loyola, Was macht der Loyola? stockt. MARIANUS. Was schweigt das Füchselein, Was schweigt das lederne Füchselein, Ça, ça Füchselein, Was schweigt das Füchselein? für sich. Hör ich die Namen nur der Mißgebilde sprechen, Wird mir zumut, als müßte ich mich brechen, Die Zunge stockt, die Stirne schwitzt vor Scham, Daß es bis dahin, dahin mit mir kam, Daß ich ein Nichts, wozu die Hölle lacht, Zeitweilig gelten ließ als eine Macht. O was für Lagen Muß man ertragen! Die Glatzen würden ohnedem Mich ganz gemütlich und bequem Am Holzstoßfeuer schmoren, Hätt' nicht der Dichter so verkehrt, vertrackt, Um zu gastieren bei dem blöden Akt, Sie herbeschworen. Nur eine Halbzeit läßt sich finden, Mich leidlich da herauszuwinden: Hilf mir, Futurum exactum: Ein Faktum und noch kein Faktum! Laut. Sie werden ausgemerzt worden sein. – Falsch prophezeit, nein, nein, o nein! O diese Zeit tritt niemals ein, Permaneant in secula, Sunt enim nostra genera! MARIANUS. Fällst in die Ketzerei zurück? Bedenke besser dein Geschick! Wart, wart, Es geht dir hart! Wir weigern dir die Taufe, Fuchs! Ach was, ich weiß ja, ihr seid kommandiert! Ihr freut euch selber des soliden Schlucks, Der euch bei diesem Aktus wird serviert. MARIANUS zu den Patres. Nun ja, es sei! Nehmt's leicht und frei! Vollendet willig den erhabnen Jux! Die Kirche wird am Ende siegen, Ein halber Ketzer wird so viel nicht wiegen, Vielleicht durchmürbt ihn im Verlaufe Doch noch die Kraft der Fuchsentaufe. Sie folge nun in üblich hehrer Weise, Stellt euch um uns in feierlichem Kreise! Sie muß nun doppelt gründlich sein, Statt des Pokals füllt mir den Humpen ein! Lieschen macht eine ablehnende Bewegung, Bärbelchen füllt und reicht. Man stellt sich im Kreis um Dr. Marianus und Faust. MARIANUS den Humpen hebend. Du vom Himmel zwar Bezweckter, Doch noch immer nicht Korrekter, Immer noch nicht recht Perfekter, Vernimm an dieser hehren Pforte Des Dichters klassisch große Worte! Die Engel, die zum Himmelsaal Dich trugen, haben sie gesungen, Vernimm sie heute noch einmal, Du Wäsche, die nicht völlig ist gewrungen: »Uns bleibt ein Erdenrest Zu tragen peinlich, Und wär' er von Asbest, Er ist nicht reinlich –« 8. Auftritt Achter Auftritt Während Dr. Marianus spricht, öffnet sich die Vorderseite des Podiums, man hört dumpfes Geräusch, jener hält inne, in der Öffnung erscheinen Mephistopheles und Seismos. Dies Fuchsentaufefest Ist noch zu kleinlich, Zuck, Ruck, Druck! Mit gedranger Kraft geschoben, Mit den Schultern brav gehoben, So gelangen wir nach oben, Wo uns alles weichen muß! MARIANUS während unter ihm der Boden sich hebt, der Humpen ihm entfällt. Weh! welch plötzlich Hindernuß! Fort, der Boden wird zur Schlucht! Fort in allgemeiner Flucht! Alles flieht, nur Faust fällt hinab, der ganze Boden verschwindet unter Krachen, die Szene ist jetzt eine große Höhle, worin man verborgenes Gewässer rieseln hört. Faust liegt zuerst betäubt, erhebt sich langsam. Geht es von der Taufe Gar noch in die Traufe? zu Seismos. Hast brav geschafft, Titanenkraft! Bist mit Lob entlassen, Schaff in andern Gassen! Seismos verschwindet. Aus der Tiefe kommt das Feuer, Aus der Tiefe kommt die Quelle; Mein Geschmack am Abenteuer Scherzt auch gerne mit der Welle, Spritzet Islands Wasserspeier Aus des Schlundes Felsenschwelle, Schüttelt Meere bis zum Grunde, Daß sie bellen wie grimme Hunde, Schleudert Ströme hoch von oben In den Abgrund, daß sie toben, Am Gestein empor sich bäumen, Daß sie wütend im Zerschäumen Wimmern, ächzen, schreien, brüllen, Bebend Herz mit Schauer füllen. Diesmal aber läßt der Meister, Fausti Waschung zu erzielen, Seine kühlen Wassergeister In gemeßner Ordnung spielen. Er besteigt eine erhöhte Stelle an der Rückwand der Höhle. Hu! Wie mich schon zum voraus friert: Mir schwant, was kommt, wo dieser dirigiert. Lüftezug am hohlen Ort, Nimm ihm erst die Kleider fort. Eine Art Wirbelwind weht Faust die Kleider vom Leibe. An den Wänden öffnen sich Nischen mit hervorragenden teils dünneren, teils stärkeren Röhren, an denen sich Handgriffe befinden. In der ersten Nische erscheint. am Griffe drückend. Grundstoff sämtlicher Dinge, Urelement, o Wasser, Kräftig begießend springe, Mächtiger Allumfasser! stark begossen. Ich spür's am massigen Gefäll, Du doktrinärer Altgesell, Die Philosophen sind prinzipiell! Prrr! In der zweiten Nische erscheint eine. am Griff drückend. Milder, freundlicher begegne, Perlend tröpfle, riesle, regne, Grüße kühlend, schmeichelnd segne Des geprüften Mannes Bahn, Welle aus dem Ozean! Ah, ah! So laß ich mir's gefallen! Dies feine Stäuben, milde Wallen, Wie tut es wohl dem schwer geschlagnen Leib! O Güte, Lindigkeit, dein Nam ist Weib! In der dritten Nische erscheinen. am Griff drückend. Müßt ihn nicht schonen! Wir, die Tritonen, Wissen es besser, Welche Gewässer Fegen und bohnen! Wild überstürze dich, Wachsender Wellenkamm! Peitsche gewaltiglich, Rollenden Schaumes Schwamm! Werde der See vertraut Trockene Lederhaut Älteres Herrn! Salziges Seebad, Wenn es auch weh tat, Preiset man gern. taumelt. Der Teufel auch, so speit doch nicht so wild! Man meint ja fast, man sei im Seebad Sylt, Wo der geborstnen Welle Schaum und Blase Noch anrollt mit so stürmischer Emphase, Daß sie den Bader schleudert auf die Nase! am Griff drückend. Ob es von innen, ob von außen näßte, Gesteh, das Wasser ist das Allerbeste! Ach, wieviel sanfter, reiner, lichter Wirkt dieser Strahl, man spürt daran den Dichter! am Griff drückend, stärkerer Ausguß. Wasserkräfte! spricht der Werner, Wirket stark und gründlich ferner! Wasser schuf Granitbergs Hörner. Wirket mächtiger und tiefer! Wasser schuf selbst Glimmerschiefer. Wirkt mit uriger Gewalt! Wasser schuf selbst den Basalt. Wie? Was? Von unten auch Beschwerden? Soll ich denn gar ein Berg noch werden? Es drängt so sonderbar nach oben, Fließt ab das Wasser oder werde ich gehoben? am Griff drückend, worauf breite, langsame, stetige Begießung folgt. Fahrt doch nicht so gewaltsam zu! Komm, armer Kerl, ich geb dir etwas Ruh; Ich liebe nicht, was wütet und was speit, Das wahre Agens ist die lange Zeit. Schon gut, das ließe sich ertragen, Doch wird mir bang vor ungezählten Tagen; Währt's denn wie bei der vielgestalten Erde In Ewigkeit, bis ich formieret werde? mit mehreren Gnomen in blauen Schürzen erscheint von der Seite und schiebt eine große Kufe herein. Zu künstlich, zu gelehrt wird diese Kur, Die einzig wahre Losung ist Natur! Durch überliefert altehrwürdige Kunde Kommt Offenbarung aus des Volkes Munde. Badknechte her und packet diesen Mann Und zeigt an ihm, was die Naturkunst kann! Geschwitzt hat er genug seit Jahren, Den Wickel können wir ersparen, Werft ihn von dieser Stufe Zuvörderst in die Kufe! Es geschieht unter Wehrufen Fausts. Dann stellt ihn ohne Aufenthalt Unter die Dusche aus unsrem Wald; Der Bach ist schon hiehergeführt, Er springt, wenn ihr die Kordel rührt. Zu Faust. Glaub mir, die Dusche von Gräfenberg, Sie stählt zum Riesen einen Zwerg. Die Gnomen ziehen, nachdem sie Faust aus der Kufe gehoben und aufgestellt haben, an einer herabhängenden Schnur, ein mächtiger Wasserstrom fällt von oben auf ihn. O weh! o weh! Was wollt ihr noch versuchen! Das schlägt mich ja zusammen fast zum Kuchen Wie Buschs gewalzte Knaben von Korinth! Verfahre doch nicht gar so wild und blind! Du machst mich ja nur schwächer noch, Du Bauernkerl, so unterscheide doch! Starke, Schwache, Kleine, Große! Wir fragen den Teufel nach Diagnose! Jetzt häufet alle euren Wasserschuß Zu einem einz'gen ungeheuren Guß! Es geschieht. Faust wird durch die von allen Seiten auf ihn eindringenden Wassergüsse in unbeschreiblicher Weise umbergewirbelt und stöhnt. O fürchterliche Wasserbrunst! berührt die Felswand hinter ihm, sie öffnet sich, und eine Tonne mit einem Hahn schiebt sich hervor. Magst's wohl so nennen, Das Wort wird wahr durch meine Kunst, Wirst's gleich erkennen! Denn jetzt zum faden, nassen Element Füg ich noch eins, das tüchtig beißt und brennt; Man merkt's wohl nicht im obern Reich, Der Schnapsstrahl sieht den andern gleich. Am Hahn drehend. Spritze, Blitze, Bring Höllenhitze, Speie, sprühe, Haut verbrühe, Hirn verglühe, Mache Grusel, Schaffe Dusel, Magischer Fusel Aus heizender Wurzel, aus pfeffrigem Kraut, Aus der Galle bissiger Dächse, Aus geringelter Schlangen Flechse In rauchiger Küche gebrannt, gebraut Von der runzlichen Vettel, der Hexe! Ein voller Strahl heller Flüssigkeit spritzt aus dem Hahn und trifft Faust. stöhnend. Das ist des bösen Feinds Geschoß! Du kennst den Schützen, suche keinen andern! Leicht spürt man aus dem wässerigen Troß Den Geist heraus, den schärferen, gebranntern! 9. Auftritt Neunter Auftritt Homunculus, leuchtendes Menschlein in einer Flasche, kommt herbeigeschwebt. Daß ich Neuigkeiten nasche, Komm ich her in meiner Flasche, Nach pharsalischen Beschwerden Möcht ich endlich werden, werden, Schwebe, forsche nach der Spur Geistdurchdrungener Natur. Höre gießen, Rauschend fließen, Höre zischen, Schäumen, gischen, Wasserstoff aus Urnen, Bütten Hör ich sprühen, spritzen, schütten, Wittre, rieche doch zumal An dem nachdrucksvollern Strahl Schärfres Etwas; ist es Geist, Bin ich nicht umsonst gereist, Denn ich seh die Prozedur, Die zur innigen Mixtur Einet die Natur Mit der Geistkultur. Wunderbar! kein Name nennt's! Auf! Jetzt reicht's zur Existenz! Er schwebt unvorsichtig näher, die Flasche zerbricht am Gestein, die Flüssigkeit, die Mephistopheles ausgießt, entzündet sich, Faust, von einem Feuerstrom getroffen, schreit verzweifelt auf, es folgt ein starker Knall, der Inhalt der Tonne hat sich entzündet. Alle andern sind verschwunden. Stille. Mephistopheles und Faust liegen am Boden. mit schwacher Stimme an sich herumtastend. Verflucht! bin doch die Flamme sonst gewohnt, Wie kommt's, daß sie mich diesmal nicht geschont? Feuerfester Sohn der Hölle, Und verbrüht am ganzen Felle! Handeltest wie im Taps, Gabst dir durch Hexenschnaps Selber den Strafeklaps! Böses ist Feuerbrand Im Lebenswohlverband; Selbstverräterisch, Selbsttötungstäterisch, Selberverbräterisch Muß es sich richten, Auf Raub verzichten, Muß sich vernichten! langsam aufstehend. Verbrannt ist Steiß und Angesicht, Doch umzubringen bin ich nicht. Jetzt geh ich fort zu edlen Männern, Zu junkerlichen Fuselbrennern, Und fördre mir zum Rachefest Als ihr Genoß die Branntweinpest; Die Steuer darf man nicht erhöhn, Der Reingewinn ist gar zu schön. – Dann auf gedankenschnellem Renner Jag ich nach Süden übern Brenner Zu andern Brennern: jenen, die den Urdampf Anschüren zum gesegneten Kulturkampf. Hinkt ab. Es riecht häßlich. 10. Auftritt Zehnter Auftritt Der Raum verwandelt sich wieder in Valentins Wirtsstube. Es erscheinen Dr. Marianus, die drei Patres, die Frauen und Valentin, die letzteren anfangs im Hintergrund. Faust erhebt sich langsam vom Boden, während ihm ein Kostüm anwächst: weißer Frack, weiße Weste und Beinkleider; an den Schultern werden durch die geöffneten Nähte Rudimente von Flügeln sichtbar. MARIANUS zu Faust. Flutenumflossener, Wasserbeschossener, Wirksam Begossener, Nun Desinfekterer, Sauber Geleckterer, Sichtlich Perfekterer, Mutig erhebe dich, Irdischer Streberich, Bald wirst du Schweberich! Wo bin ich? Seid Ihr's? Ist es wahr? MARIANUS. Du bist bei der getreuen Schar. Wo war ich denn? Mir deucht, ich war im Nassen; Wo wart ihr? warum habt ihr mich verlassen? MARIANUS. Vernimm, o Faust: mir und den Patribus War kundgetan, was noch geschehen muß, Und weil wir selber schon geläutert sind, Verließen wir das gröbre Erdenkind, Als durch des Seismos unterird'schen Druck Der Boden einfiel mit gewalt'gem Ruck, Als du hinabsankst in die Quellgelasse Der Wassergeister, in das äußerst Nasse, Auf daß durch ihres Gusses volle Spende Der Fuchsentaufe Wirkung sich vollende. Noch nicht genügend war die trockne Knetung, Das Wasser auch verlangte noch Vertretung; Kleinlich mechanisch war die erste Kur, War noch nicht makrokosmischer Natur, Der Mikrokosmus Mensch muß dem Planeten gleichen. Durchwalkt vom Wasser erst Gestalt erreichen, Daß er dereinst in ew'gen Schwunges Wonne, In majestät'scher Weise Mit Brudersphären um die Geistersonne Beseligt kreise. Komm, radikal Gewaschner und Gewischter, Umarme mich, du wunderbar Erfrischter, Komm an mein Herz, Gesundeter, Planetenhaft Gerundeter! Komm an mein Herz, Granit, Sprenklicher Syenit, Küsse den Gottesschalk, Muschel- und Jurakalk! Eozän, miozän, pliozän! Alles hast du gesehn, Alles ist dir geschehn! Komm, kiesliche Molasse, Komm, daß ich dich umfasse! Sprenge mit Hitzgewalt, Porphyr, Trachyt, Basalt, Schichte, die alt und kalt! Komm, o Diluvium, Komm, o Alluvium, Tränenimpluvium Netze den humus, Fratres nunc sumus! Gerührte Umarmung. MARIANUS. Tritt vor, Lisette, wieder ihm vereint, Du hast genug gelitten und geweint. Ah, bist du da! Willkommen, o willkommen! Geborgen waren wir bei diesen Frommen, Doch peinvoll ahnend, was dir widerfahre, Durchlitt ich Tage, Wochen, Monde, Jahre! Sag, heil'ger Mann, was wird es nun mit diesen? MARIANUS. Besondre Gnade dürfen sie genießen: Man wird sie, um die Treue zu belohnen, Mit einem Läuterungsprozeß verschonen; Der Himmel auch ist nicht so sehr Pedant, Ist gegen Damen, wo er kann, galant. Umarmet euch, beglücktes Paar, Bald wird euch Höchstes offenbar! Laß dich umarmen nah dem Himmelsglanz, Gebildet sind wir gegenseitig ganz! Eleusische Mysterien Schaun wir in ew'gen Ferien! MARIANUS die Umarmung betrachtend. O schöne Gruppe, fast wie im Theater! der inzwischen vorgetreten. Doch jetzo laß mich wissen, frommer Vater, Was soll nach den Gefährden und Beschwerden Denn nun aus mir und meiner Bärbel werden? Währenddessen haben sich P. Seraphicus, Ecstaticus und Profundus Bärbelchen genähert. zu dieser. Habt Ihr's gehört? Der Himmel ist galant, Der Pater auch darf nicht zurückebleiben, Erlaubt mir, laßt von der geweihten Hand Euch zärtlich in die volle Wange kneipen! O gengen's, Sie sein halt immer Ein Schlimmer! Stößt ihn weg. im Auf- und Abschweben einen Kuß raubend. Wie kußlich immer noch der Mund! abwischend, mit der Faust drohend. Wart, kriegst eins auf die Glatz, Du dürrer, alter Spatz! legt ihr den Arm um die Hüfte. Die Hüfte, wie so voll und rund! gibt ihm eine Ohrfeige. Wär' ich in meinen späten Tagen So dumm, Scherwenzlern nachzufragen, Auf solche Schwarten Würd' ich nicht warten! Ratsch! Patsch! der aufmerksam geworden. Was für Geklatsch? Kann man noch einem Menschen trauen? Die drei Herrn Patres sind an mich gegangen. Halt mir sie fest, sie tüchtig herzuhauen! Die Heuchler! Welches freche Unterfangen! Ist schon besorgt, sind abgeblitzt, Mach keinen Lärm, die Watschel sitzt. MARIANUS. Nun, nun, auch dem geschornen Haupt Ist doch ein kleiner Spaß erlaubt; Sei nur zufrieden, breiter Erdensohn: Für deine Knetmanipulation Wird dir ein kaum verdienter Lohn, Denn ungefegt kommst du davon. »Kommst du davon«: wohin, wohin soll's gehn? MARIANUS. Nun, wohin anders als zu Himmelshöhn? für sich. Verzeih mir's Gott, ich freu mich kaum hinein; Zu dünne, fürcht ich, wird die Luft dort sein. Laut. Nur eines, heil'ger Doktor, möcht ich wissen: Gibt's etwan ob der Erde Kümmernissen, Auf der Verklärung überird'schen Hügeln Mitunter doch noch jemand abzuprügeln? MARIANUS. Das minder, Du sprichst wie Kinder! In jenen Räumen, stoff- und schattenfrei, Gibt's keine Zwietracht, keine Keilerei. Dort ist kein Wirtshaus, wo man rauft und ringt, Dort sind nur Tempel, wo man singt und singt. Auf Erden wohl, damit das sieche, stumpfe Geschlecht der Menschen träge nicht versumpfen Gibt's Holzereien, große Prügeltrachten, Gibt's wilden Aufruhr, blut'ge Schlachten; Würgengel schweben nieder ins Getümmel, Die Sel'gen schauen ruhig zu vom Himmel. Kann sein vielleicht, durch kräftige Verwendung Bewirk ich solchenfalls dir eine Sendung. Vielleicht nur? Hm! MARIANUS. Still, stille, jetzt geht's an, Die Wände schwinden, schweige, was profan! Als frommer Gruß von Doktor und von Pater Sei jetzo stimmenkräftig intoniert Die Andachtstrophe aus dem Landesvater, Für diesen Zweck ein wenig redigiert! MARIANUS. Alles schweige, Jeder neige Geisterchören nur sein Ohr! Jeder schaue In das Blaue Absolute nur empor! 11. Auftritt Elfter Auftritt Verwandlung. Decke und Wände verschwinden, die seitliche Grenze der Bühne bilden leichte Wolken. Die drei Patres mit Dr. Marianus gruppieren sich auf die eine, Faust, Lieschen, Valentin, Bärbelchen auf die andere Seite, alle mit gespannten Blicken nach der Mitte des Hintergrundes schauend. Nach einer feierlichen Pause erhebt sich an dieser Stelle ein großer Wolkenhügel in rosenfarber bengalischer Beleuchtung, die ihre Helle auf die vorher halbdunkel gewordene Bühne verbreitet, und erscheint auf dessen Höhe, in intensivem, reinem Lichte strahlend, ein kolossaler Stiefelknecht. Allgemeiner Ausdruck ernsten Staunens. Hierauf erscheint und stellt sich zur Rechten des Stiefelknechts ein Stiefel. Sodann erscheint und stellt sich zur Linken des Stiefelknechts ein zweiter Stiefel. Darauf schwebt herbei eine Gruppe von fünf Hühneraugen. Dieselbe bewegt sich durch die Luft in rhythmischen Evolutionen, ähnlich denen des antiken Chors, und steht dann zur Rechten des einen Stiefels still. Ihr folgt eine zweite Gruppe von fünf Hühneraugen, bewegt sich in derselben Weise und steht zur Rechten des zweiten Stiefels stille. Die zwei Gruppen werden durch Chor A und Chor B bezeichnet. Gesang dieser zwei Chöre begleitet von rhythmisch-orchestischem Stellenwechsel der Individuen in beiden Gruppen. Drückende Hornungen, Brennende Laugungen, Leichliche Dornungen, Hühnliche Augungen, Säfteverhockungen, Hemmende Blockungen, Zwickende Stockungen! Der Sinn, der tief im Innern, bleibt zurück, Lest ihn aus unsrem seelenvollen Blick! Bis jetzo ahnt' ich nicht von fern, Was doch in solchem Hühneraugenstern Ein Ausdruck liegen kann von Schmerz und Sehnen, Fast scheint es mir, sie füllen sich mit Tränen. Was doch die Liesl jetzt so seltsam spricht, So superklug sprach sie am Brunnen nicht; Seitdem sie Faust, den zweiten Teil, gelesen, Ist sie verändert all in ihrem Wesen, Ihr Kopf verschoben, Ihr Hirn verschroben. Was! Hühneraugen sind halt Hühneraugen! Das sind Bemerkungen, die gar nichts taugen; Je mehr ein Bild kurios und krumm, Desto markierter wirkt sein tertium, Streift man ihm ab die sonderbare Hülle, Entdeckt man staunend der Bedeutung Fülle. Was soll das Bild? Es dient nur der Idee! Ich dank für die Idee, Die stecket in der Zeh. MARIANUS. Belächelt liebend diesen Mann, den guten, Den braven Kameraden, Der nun mit euch aus Gnaden Ins lichterfüllte Meer des Absoluten, Auf Hoffnung doch, es werde schon noch kommen, Wird aufgenommen. Doch schweigt, emporgewandt das Angesicht, Ein Stiefel spricht, Er singet vielmehr hoch und tief In einer Art Rezitativ. rechts. Füße beklemmen wir, links. Übersturz dämmen wir, Fortschritt oft hemmen wir, Wanderlauf stemmen wir, Und doch bedarf man unser sehr, Denn barfuß geht man mit Beschwer; Nichts taugt die nackige Natur, Das wahre Ziel ist die Kultur. Hörst du, mein Faust! Das zielt auf Bildung, Auf Fortschritt in Verbeßrung und Entwildung, Das wolltest du nicht immer recht beachten, Wenn ich bemerkte, danach sei zu trachten. Mir scheint, da liegt noch nicht der ganze Pfiff. O Heinrich, sprich doch zärter! Jetzt sprech ich, wie ich mag, ich bin ja ein Verklärter! Bildung: zu leer noch ist mir der Begriff, Zu unbestimmt und zu abstrakt, Zu theoretisch, allgemein und nackt, Da liegt noch nicht der Has im Pfeffer, Es will noch einen andern Treffer. Mir scheint, man wolle hier uns informieren, Daß man die Stiefel gründlich solle schmieren; Am besten aber ist ein Paar von Juchten, Vorab zum Marsche durch Morast und Schluchten. MARIANUS. Du sprichst nur immer noch naiver! Du klebst am Nächsten, denke künftig tiefer! Doch schaut und faßt euch in der Seele Grund, Das Hauptsymbol, es rühret sich jetzund, Ursinnes Urwort uns zu geben kund! Schon reget sich sein zangenhafter Mund. Aufglühet mystisch seiner Augen Rund. Schon gurgelt's im geheimnisvollen Schlund. MARIANUS. Er zaudert noch, er läßt uns eine Frist, Bis seine Rede meditieret ist, Inbrünstiglich von himmelnahen Stufen Mit echtem Goethe-Vers ihn anzurufen. Ewiger Wonnebrand, Brennendes Liebeband, Stiefel am Wolkenrand, Drücke mich, zwänge mich, Schnürend beenge mich, Zwickend bedränge mich, Leichdorn durchsenge mich, Leder, das tüchtige, Presse das Nichtige, Daß sich's verflüchtige! Ist es erst ganz durchbohrt, Durchgeglüht, durchgechlort, Früher nicht, erst alsdann Löse den Lederbann, Hebe des Felles Druck, Wunderbar Schreinerstuck! Schau ich, wonneglutdurchbebet, Zu des Holzes hohem Sitz, Ahn ich, was im Innern lebet Für ein ungeheurer Witz! Blick herab auf meiner Füße Welt- und erdgemäß Organ, Daß du sehest, wie sie büße, Sieh der Zehen Gegend an! Über Steine, über Wurzeln Muß geprüfter Kömmling purzeln, Wund vom Haufwerk rauher Felsen, Naß vom Strom, der abestürzt, Wund von Schrund, weil keine Stelzen Ihm den steilen Weg verkürzt! in Kreisbewegung herschwebend. Morgenwölkchen kommt geschwebet, Aus dem Schulstaub hergestrebet, Neubegierige Schar der Kleinen; Sehen Wunderbild erscheinen, Doch mit kurzen Knabenbeinen, Mit dem niedern Starenflug Reicht der Blick nicht hoch genug. Nimm uns auf in deine Mutze, Nackentasche der Kapuze, Daß von deiner Augenhöhe Unser kindlich Auge sehe! Ach, sind im Seligen-Revier Denn diese Schlingel wieder hier? Fängt gar der Lehrkurs wieder an? Ich meinte, dies sei abgetan! Steck sie hinein in deinen alten Flaus, Da hinterm Hals, wo blau und weiß gefleckt Dein Schnupftuch bei der Tabaksdose steckt, Und laß die Rangen ja nicht wieder raus! schiebt die Knaben an genannte Stelle in seine Kapuze. Guckt hervor und sehet recht Idealen Stiefelknecht! Schweißhaft riecht's an diesem Ort, Bitte, laß uns wieder fort! Sie tun nicht gut, sie krabbeln, Sie wühlen, bohrzen, zappeln. So schüttle schnell das naseweise Pack Mit kräftigem Ruck aus dem Kapuzensack, Daß sie hinunter von den Himmelsstiegen In Purzelbäumen wieder abwärts fliegen Bis in die Schule, der sie durchgebrannt, Daß ihnen dort die Hose wird gespannt! Dort lehrt wohl schon, und ohne Steckenbann, Als strenger Herr ein neuer Schultyrann. Es geschieht. MARIANUS. Nach dieser Episode aus dem Mundus (Der Vorderhimmel ist noch halbe Welt) Folgt nun der dritte Pater, der Profundus, Mit Hochgesang hinan zum Himmelszelt. Aus des Abgrunds dunklen Tiefen Komm ich aufwärts angestiefelt. Fußes Schmerzen nimmer schliefen, Weil der Strumpf zu grob verwiefelt, Weil ein plumper Erdenflegel In den Absatz Bretternägel Eintrieb, weil er, was zerstücket, Grob mit Pechschnur hat geflicket Mit den Pfriemen, mit den Ahlen! O beschwicht'ge diese Qualen, Schaff Erlösung, schaff ein End, Urbedeutsam Instrument! MARIANUS. Er kommt, er kommt, der hohe Festmoment! Durch beide Stiefel geht ein seltsam Schüttern, Ein Rücken, Schieben, geisterhaftes Zittern, Nicht mehr gemessen, wilder jetzt und wilder Bewegen sich die Leichdorngruppenbilder. Feierlicher Donner. im tiefsten Baß. Ung Lung Ickelung Wickelung Twickelung Entwickelung Twickelung Wickelung Ickelung Lung Ung. Lang und würdevoll nachdröhnendes Echo. Ung! Die Stiefel fliegen wie weggeschleudert seitwärts, die Hühneraugen wirbeln kaum unterscheidbar. »Eng« wird's der Stiefel wegen heißen wohl. Nun aber schweige doch vor höchstem Weltsymbol! zu Valentin. Mach vorwärts, mach! trag jetzt dein Sprüchel vor, Sonst wird's zu spät, wir müssen mit empor; Du hast's ja lang schon einstudiert, So fang doch an, sei ungeniert! Schiebt ihn vorwärts. zögernd, schüchtern. Durchlauchtigster, Allergnädigster Herr Stiefelknecht! Indem ich nämlich der weiland Landsknecht-Korporal Valentin, jetzo bürgerlicher, halbgeläuterter Brauerei- und Wirtschaftseigentümer am Vorhimmel bin und indem bei mir die müden und durstigen Himmelspilger einzukehren pflegen und Labung finden, indem mein Bier nicht schlecht ist und indem ich ferner den hier anwesenden Doktor Faust, obwohlen derselbe mich vorzeiten umgebracht, in allerlei Proben und Nöten begleitet und geschützet, ihn auch auf Ordre kürzlich einigermaßen geknetet habe, indem ich aber – sintemal – indem es mir aber hier ganz oben – Leis zu Bärbelchen. Weib, hilf, ich bleibe stecken! Es soll jetzt das kommen, das da, daß es hier zu langweilig – Weiß, weiß, aber »langweilig« wird man nicht sagen dürfen – Sag: zu fad. – Ist ebenfalls zu grob. Sag: dünn, oder malzarm, oder – Hab's. Laut. Und indem es mir hier ganz oben sozusagen zu wenig gehopft, auch zu wenig gemalzt aussieht, oder indem hier sozusagen zu wenig vorkommt und aber in meiner Wirtsstube mehr vorkommt, so – so geht mein untertänigstes Gesuch dahin, daß mich Eure Durchlaucht in Gnaden entlassen und – leis. Vergiß mich nicht! Und mir nebst meinem ehrsamen Eheweib Barbara erlauben mögen, in meine obbenannten Verhältnisse zurückzukehren. – Er trocknet sich den Schweiß ab. bewegt seine Kiefer klappernd gegeneinander, hierauf spricht er . I A Ia A I. Die Töne sind so sonderbar gebrochen, Halb ist's gelacht und halb gesprochen. Soll's Ía heißen oder Iá? MARIANUS. Nichts Unerklärbares ist da; Es heißt wohl beides: einesteils, Du seist ein Esel, auf ein Meer des Heils So unbedacht, so töricht zu verzichten, Doch andernteils gewährt man dir die Bitte, Weil doch allhier nichts mit dir auszurichten. Geh du nur heim, trotz deinem dummen Schritte Kann man so böse dir nicht sein; Man kehrt doch gerne bei dir ein. Auch künftig sollen müde Himmelspilger An deines Kellers Gaben Als rüstige Getränkvertilger Sich laben, Auch spricht wohl aus des Himmels offnem Tor Ein Seliger mitunter bei dir vor Und sucht an deinem Tische froh Abwechslung vom Unisono. O tausend Dank! O Jubilum! Gelt, unsre Bitte war nicht dumm? Komm schnell mit fort Vom kahlen Ort! Herr Stiefelknecht, ich neige mich Im tiefsten Dank demütiglich, B'hüt Gott, ihr frommen, heil'gen Herrn, Verweilt da oben immer gern, Und sprecht ihr einmal bei mir zu, Laßt mir mein Bärbelchen in Ruh! B'hüt Gott, Herr Doktor und Frau Liese, Spaziert nur auf des Himmels Wiese! Leb wohl, leb wohl, geh froh dahin! Zu Lieschen. Mir ist es, als beneid ich – Faust, Faust! Nicht so, ich bitte dich! Horch auf, es donnert feierlich. Donner. Valentin geht mit Bärbelchen ab, bleibt aber noch in Sicht. Es erscheint über dem Stiefelknecht eine große Null. im allertiefsten Baß. Euch Bilder jetzt verschling ich wie ein Nero: Das Absolute ist das reine Zero. Die Null verschlingt Stiefelknecht, Stiefel, Hühneraugen und schwebt nun allein in der Höhe. zurückblickend. Prost Mahlzeit! Nun, ein rechter guter Magen Kann schon etwas vertragen. MARIANUS nachrufend. Geh hin in Frieden, schaue nicht mehr um! Niemals begreifst du höchstes Symbolum! Doch wir, vertraut dem überird'schen Glanze, Wir suchen jetzt das inhaltvolle Ganze In seiner Sinnbezüglichkeit Mit heiliger Vergnüglichkeit Zu fassen in bedeutungsvolles Wort. Einleitend fang ich an, ihr fahret fort! Dieses Historium ECSTATICUS. Ist kein Brimborium. SERAPHICUS. Ist Allegorium, PROFUNDUS. Ursinns Sensorium, Urpräzeptorium, Bildungsdoktorium, von ferne, ehe er den Blicken verschwindet, ruft lachend zurück. Schuhrevisorium! Es erscheinen kaum sichtbar drei Chöre von seligen Geistern und singen. Nektarciborium! Mehr als Cichorium! hüstelnd. Logischen Urbegriffs Inhalatorium! MARIANUS. Empor nun, ganzes Auditorium! Aufschwingt euch zum Emporium, Allwo unbeschnipfelt Die Idee sich gipfelt, Wo das I sich tüpfelt, Wo der Weltbaum wipfelt, Wo die Weltwurst zipfelt! Während sämtliche leibhafte Personen sich anfassen und nach der Höhe des Wolkenbergs zu schweben beginnen, ertönt ein. Das Abgeschmackteste, Hier ward es geschmeckt, Das Allervertrackteste, Hier war es bezweckt; Das Unverzeihliche, Hier sei es verziehn; Das ewig Langweilige Zieht uns dahin! Der Vorhang fällt. Finis. Nachspiel 1. Auftritt Erster Auftritt Valentins Wirtsstube. Valentin, Bärbel. Was jetzt wohl unser Doktor macht? Wird schöne lange Weil ausstehn! Weißt, Vältl, hab schon manches Mal gedacht, Es müsse hinter dem, den damals wir gesehn, Ein zweiter Himmel noch, ein nicht so leerer, sein Mit viel Musik und schönen Engelein. Vielleicht hast recht, doch nicht wahr, der Verzicht, Den wir geleistet, reut dich darum nicht? O nein! Ich wüßte keinen bessern Stand, Als Wirtsfrau sein dahier am Himmelsrand! Ich wünschte nur, es gäb' noch mehr zu tun, Mag niemals gerne mehr als nötig ruhn. Je mehr der Gäste sind, so wohler wird es mir, Laut muß es hergehn, so gefällt's auch dir. Zu still nur war's die letzten Tage her, Bergauf geht jetzt der Reisezug nicht sehr. 's gibt eben Zeiten, wo hinauf zum Himmel Nicht eben stark der Reisenden Gewimmel, Jetzt vollends, wo sie in gedrängten Haufen Nach Gelde nur, zu Bank und Börse laufen. Doch, hör ich, ist, den Frömmeren zu dienen, Ein Reisebuch im deutschen Land erschienen, Ein Himmelsbädeker. Die Wirkung wird sich zeigen. Der Himmelsgang wird wohl zum Modereigen; Fehlt nur noch eine Himmelszahnradbahn, Wie finge dann die Völkerwandrung an! Schließt man dort oben strenge nicht die Pforte, Sie drücken sich hinein ins Heiligtum, Besehen sich die ungewohnten Orte Und kehren dann gelangweilt wieder um. Bald werden sie den Himmel selbst verderben, Denn wo es hintritt, das Kulturgeschmeiß, Da wird der Boden hohl und mürb und heiß, Da muß der Grashalm dorrend sich verfärben; Das letzte Tal, tief im Gebirg versteckt, Ist bald von dem Touristenpack entdeckt, Bald lernt an den verbrühten, heikeln Tröpfen Der letzte Hirte, der vor einem Jahr Genügsam treu der Vätersitte war, Die schnöde Kunst, zu saugen und zu schröpfen. Zwar bin ich Wirt, auf Einkehr muß ich halten, Doch ehrbar will ich meines Amtes walten, Mein Tisch und Keller sollen einfach bleiben, Die Preise werd ich nimmer übertreiben, Und kommt ein Gast, dem hoch die Nase steht: Sollst sehen, Bärbel, wie es ihm ergeht. am Fenster. Komm her, da guck hinaus und sieh: Da kommt ja eine ganze Kompanie Mit roten Büchlein in der Hand Heraufgekeucht in Sand und Sonnenbrand. hinausschauend. Die sehen nach gelehrten Schluckern aus, Sie werden nicht von den Verwöhnten sein, Nicht abgereizt durch überwürzten Schmaus, Denn ihre Löhnung ist, man weiß es, klein. Geh nach der Küche! Halt, besorge schneller Ein Fäßchen gutes altes aus dem Keller. Bärbel ab. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Es tritt ein die Gesellschaft der an Goethes Faust sich zu tot erklärt habenden Erklärer, bestehend aus Präsident Denkerke, drei Stoffhubern mit Namen Scharrer, Karrer, Brösamle, drei Sinnhubern mit Namen Deuterke, Grübelwitz, Hascherl. Guten Abend, guter Mann! Guten Abend, Herr, bin aber dann und wann Kein guter Mann. Ach, könnten wir, um unsern Durst zu laben, Wohl eine gute Bowle haben? Bärbel tritt wieder ein; Bursche bringen ein Bierfäßchen und gehen ab. Nichts Polnisches gibt's hier, Hier schenkt man Bier; Ein guter Roter aus Tiroler-Reben Wird ausnahmsweise auch gegeben. Wohl etwas säuerlich? Inzwischen Kann man ihn ja mit Zucker mischen. Ich habe zweierlei, sind beide gut, Der Spezial, das feinre Traubenblut. Schmeckt er euch nicht, so laßt's halt bleiben! Zum Weine laß ich keinen Zucker reiben. zu Valentin. Weißt, neulich kam ja auch so eine Puppe, Die wollte Zucker auf Salat und Suppe. Ist guter, feiner Kümmel wohl vorhanden? Schnaps mag man nicht in unsern Landen. Laßt nach dem Essen erst uns fragen, Ich hab gar einen langen Magen. 's gibt gute Suppen, Gerstl oder Nudl, Schweinshaxen, Tellerfleisch mit Kraut, Backhähndl, Erdbirn in der Haut, Als Mehlspeis Kaiserschmarrn, Tiroler-Strudl. Die Gesellschaft sieht einander an. Was diese Wirtsfrau seltsam spricht! Sie ist wohl aus dem deutschen Reiche nicht? Es ist der Trunk, wonach wir mehr verlangen, Der Hunger ist uns schnell vergangen. Jetzt kurz und gut: Bier, wenn die Herren wollen! Beliebt's euch nicht, so könnt's euch wieder trollen! So sei es Bier! Gut, so stich an, mein Schatz! Am runden Tisch da nehmet Platz! Es wird angestochen, eingeschenkt, getrunken. Ei, nicht so übel ist der Gerstensaft! Laßt munter uns die durst'ge Kehle letzen! Erneut sich erst die fast erschöpfte Kraft, Soll uns zum Trunke auch Gesang ergetzen. Warum nicht lieber mit erfrischten Sinnen Dann ungesäumt das Hauptgeschäft beginnen? Wir haben doch schon auf dem Marsch beschlossen, Als wir das neue Schauspiel angesehn, An die Erklärung unverdrossen Schon auf der nächsten, längern Rast zu gehn, Damit am Ziel, im Himmelslosamente, Die Arbeit um so leichter sich vollende. Wohl, wohl, doch besser muß das Werk gelingen, Wird erst Gesang die rechte Stimmung bringen. Den Hymnus der Exakten schlag ich vor, Er ist so schön, trägt hoch das Herz empor. Nein, nein! Er ist nicht weit genug an Geist, Nicht aller Brüder Meinung drückt er aus, Wir andern suchen die Idee zumeist In einer Dichtung Körper, Rock und Flaus, Notizen sind uns Schale nur und Treber, Wir wollen mehr, wir sind Gedankengräber. Salbadern ja, ästhetisch Schwadronieren Ist euer Fach, abstraktes Räsonieren! Herr Bruder, das verbitt ich mir; Ihr seid die Kärrner, Architekten wir! Was ihr? Der Dichter ist der Architekt! Wer geistvoll deutet, was im Bauriß steckt, Der hilft durch seine Winke, seine Lichter Zum Dasein erst dem Bau und so dem Dichter. Was Geist! Was Geist! In unsrer Zunft Ist für ihn keine Unterkunft, Wir führen einen feinern Hypsometer. Ist zu besetzen ein Katheder, Erkundigt man sich nach den Kandidaten, So ist das schlechteste von allen Prädikaten: »Der Mann hat Geist«, hinweg mit ihm, hinaus! Er taugt uns nicht in unser Lagerhaus! Still! Keinen Zank! seid ruhig! Haltet Frieden! In zwei Parteien sind wir zwar geschieden, Doch beide haben in des Abgangs Stunden Zu meiner Wahl in Eintracht sich verbunden, Zur Wahl als Führer, Sprecher, Präsident. Ihr seid in mir nicht zwei mehr, nicht getrennt, Zur Einheit aufgehobenes Moment. So folgt mir auch und löset in Gesang Die Dissonanz, den unschön harten Klang. Ihr kennt ein Lied und wißt, wie schön es klingt, Das der Ideenjagd hohen Wert besingt; Wohlan, damit kein Zwist uns wieder scheide, Wir gleichen aus, wir singen alle beide! Das eine, das ja tief und echt Dem Werte des Exakten wird gerecht, Es mag vorangehn. Vorgang in der Zeit Ist noch kein Vorrang. Singt, ihr seid bereit. War's um sechs Uhr oder sieben, Wann er diesen Vers geschrieben? War's vielleicht präzis halb achte, Als er zu Papiere brachte Diesen Einfall, diesen Witz? War es vor, war's nach dem Essen, Als bei Lotten er gesessen? Was des weitern dann geschehen, Durfte, fragen wir, es sehen Der Geliebten kleiner Fritz? Wie war's mit Corona Schröter? Rosenrötlich oder röter? Was ist Sage, was Geschichte? Auch auf diesen Streitpunkt richte Sich die Nase scharf und spitz! Mariane – wer es wüßte, Ob er nur die Stirne küßte, Ob er, um nicht bloß zu nippen, Kühnlich Lippen drückt' auf Lippen, Amors älterer Noviz? Ach, die Knöpf an seinem Rocke, Ach, die Haare jeder Locke, Wer sie pünktlich könnte zählen, Würde nicht den Weg verfehlen Zu der Wahrheit tiefstem Sitz. Nur ein Schwätzer kann verübeln Dieses Stöbern, Krabbeln, Grübeln, Diese kritisch feine Beize, Frucht der süßen Prickelreize, Diesen edeln Wunderfiz. Doch uns lockt nicht nur das Nächste, Ha! wir wagen zu dem Texte Konjektürchen anzubringen, Große Tat! Wird sie gelingen Unser schönstes Benefiz! Echter Forschung Morgenröte, Über Lessing, Schiller, Goethe, Über groß und kleine Dichter Glüh' empor, verkünde Lichter, Neu und blendend wie ein Blitz! Laß ersterben das Abstrakte, Laß erblühen das Exakte! Leuchte, zeuge, ziehe, züchte Wahrer Literargeschichte Musterhafteste Miliz! Laß ersterben die Ästhetik, Laß erblühn die Arithmetik! Schüler, auf! zum Heiligtume Der addierten Bröselkrume Walle feierlichen Schritts! Geist, Entwicklungsgang und Fatum: Ihr Geheimnis ist das Datum, Die Geschichte ist Kalender, Leb' er hoch, der Einsichtspender Und sein Segen, die Notiz! Macht eine Pause, netzet erst die Kehle, Damit die Kraft dem zweiten Sang nicht fehlte! Er preist das höhere Studium, Der erste war doch nur Präludium. Da danken wir und sagen frei: Präsidium spricht als Partei! In allen Ehren sollt ihr ja doch gelten, Gelehrte Vorarbeit, wer wird sie schelten? Was Vorarbeit? Wer darf uns so taxieren? Die ganze Arbeit ist es, die wir führen. Ihr streitet doch bei jedem Schritt! Gefällt's euch nicht, singt eben ihr nicht mit! Jawohl, die andern haben auch nicht mitgesungen, Als vorhin unser beßres Lied erklungen. So laßt es nur, wir können euch entbehren, Wir werden um drei Stimmen uns nicht scheren! Sind ohnedies so dünn wie eine Zaser, Man hört's, euch fehlt die Kehlkopfmuskelfaser. Ihr, Brüder, desto heller singt, Daß laut die Halle wiederklingt! Lebe hoch die tiefre Deutung, Bloß Exaktes ist vom Übel! Hoch die philosoph'sche Häutung, Schälung dichterischer Zwiebel! Hier ist nie ein Ding es selber; Männer, Weiber, acta, facta, Löwen, Hunde, Ochsen, Kälber Sind Begriffe, sind abstracta. Nur der Geist, er macht lebendig, Buchstab ist nur Feld im Winter, Saatkorn schlummert innewendig; Fraget stets: was ist dahinter? Wer sich nur am Bild ergetzet, Sinnlich ist er, soll sich schämen, Wer den Wert ins Zentrum setzet, Fragt: was läßt sich draus entnehmen? Erster Sinn will wenig sagen; Vorwärts mit bedachten Schritten! Nach dem zweiten mußt du nagen, Weiter, weiter nach dem dritten! Der Poet ist ein Verstecker, Flieht, was nur sich selbst bedeutet, Und erwartet den Entdecker, Welcher den Begriff erbeutet. Nur erklären, nur erklären, Aber ja kein Urteil wagen, Nur verehren, nur verehren, Ob poetisch? ja nicht fragen! Doch auf des Parnasses Gipfeln Mit den dankbaren Poeten Wandeln unter Lorbeerwipfeln Arm in Arm die Interpreten. Exest, colloquium! Stoßt an, stoßt an mit hellem Klang! Ich hoffe doch, da nunmehr im Gesang Sich jede der Parteien ausgesprochen, Dies wirke auf den Riß, der ausgebrochen, Als heilendes Collodium. DEUTERKE, GRÜBELWITZ, HASCHERL. O pharmazeutisch schönes Bild! SCHARRER, KARRER, BRÖSAMLE. Auch wir gestehn, es stimmt uns mild! Jetzt an die Arbeit, zu dem ernsten Werke! Erfrischter Sinn mehrt auch des Denktriebs Stärke. Erlaubt, Herr Präses, erst als Friedenskuß Bevorwort ich noch einen Lumpidus; Dem Einzelnen sei noch das Wort geschenkt, In eignem Vers zu sagen, was er denkt! Es fühlt dazu ein jeder wohl den Drang, Zu wenig ist gemeinsamer Gesang, Den Witz, das Können der Person Zeigt nur Improvisation. Nun ja, so trage jeder mit Humor, Doch auch mit Ernst ein Schnaderhüpfel vor! Im Wettstreit mögen die Parteien wechseln, Umlaufend ihre Gnomensprüche drechseln. Stoffsammlerlinge, Sinnbilddeuterlinge, Je einer, dann der andre sag' und singe! Stoffhuber und Sinnhuber laßt mich sagen Den schlichten Namen mögt ihr immer tragen. Mag sich denn jeder schnell besinnen! Bestimmet nur, wer soll beginnen? Die Frage soll uns nicht entzweien, Der Präses, der die Einheit der Parteien, Er sei der erste auf dem Plan, Er fange an! nach kurzem Besinnen. Die Poesie ist sehr viel wert, Die die Erklärung sehr erschwert! Jufifallera! Jufifallera! Jufifalleralala! alle jubelnd, mit den Gläsern anstoßend. O geistreich! Welcher Wahrheitsschatz O welcher klangvoll schöne Satz! Jufifallera – –! Stoffhuber jetzt, Notizenmehrer! Mir nach! Und folge dann ein Sinnerklärer! Ameisen sind wir, Bröselein Sammeln wir mit Eifer ein, Körnlein, Larven, Moderrest Aufgepackt und schnell zu Nest! Jufifallera – –! Jufifallera – –! Was verständlich ohne Not, Gleicht gemeinem Hausmannsbrot, Seines Ofens feinste Brezel Reicht der Dichter uns im Rätsel. Jufifallera – –! Jufifallera – –! Hennen sind wir, fleiß'ge Hennen, Kratzefuß soll man uns nennen, Scharren gackernd auf dem Mist, Bis ein Schatz gefunden ist, Ein Notizlein oder mehr: Brief von Goethe, inhaltsleer! Jufifallera – –! Jufifallera – –! Am reinsten strahlt der Dichtung Zauberlicht, Wenn man vergebens sich den Kopf zerbricht. Jufifallera – –! Jufifallera – –! Heiß' er Goethe, Schiller, Ramler, Ohne uns, die Lumpensammler, Ist der Dichter nur ein Stammler! Jufifallera – –! Jufifallera – –! Dichtungseuter, wird es welker, Um so eifriger die Melker, Rinnt die Milch auch dünner, dünner, Wir die Sennen, wir die Sinner Sind Ideen-Käs-Gewinner. Jufifallera – –! Beliebt den Herren, Käs zu essen? Ein guter Pharao-Kuhkäs ist vorhanden, Mein Weiberl hat's zu sagen nur vergessen. zu Valentin. Dank, Dank, ihr habt uns falsch verstanden, Nur geistig war das Wort vom Käs gemeint. Zu Denkerke, lachend. Auch einer, der nur wahrnimmt, was da scheint, Stoffhuber, keines tiefern Sinns Entdecker. mürrisch wegtretend, für sich. Da sieht man's wieder, diese Schlecker! Zuvörderst nun, vereinigte Parteien – Ich bitte, haltet noch ein wenig ein, Da kommt mir noch ein Verselein: Ei, die Forschung ist nicht blöde, Ist bedeutend vorgeruckt, Zählt sie doch, wieviel von Goethe Jetzo Briefe sind gedruckt, Jufifallera – –! unterbrechend. Ist es erlaubt, noch etwas nachzubringen, So weiß auch ich ein Versehen noch zu singen: Klebe, kitte, schweiße, löte Sand an Sand und Tand an Tand, Und so bringst du noch von Goethe Die Biographie zustand! Jufifallera – –! unterbrechend. Genug, genug! Jetzt nicht mehr unterbrechen! Kein bittres Wörtlein weiter sprechen! Der Lumpidus ist aus, Vergessen sei der Strauß! – Wohlan denn, nun vereinigte Parteien, Zum sichern Pfand, Daß ihr euch künftig nimmer wollt entzweien, Zum schönen Band Reicht euch die Hand! O wie ist Liebe lenis, dulcis, mollis, Gleich Gruppen auf des Musenhaines collis! Wohlan, ihr Lieben, Guten, trinket Schmollis! Allgemeine Umarmung und Schmollis-Trinken. Jetzt in der warmen Stimmung, der befreiten, Laßt uns zu dem beschloßnen Werke schreiten! Ja, ja, gleich leitet die Debatte ein, Parlamentarisch soll verfahren sein! Gern, gern, doch taugt des Reimes heitres Rosa Nicht wohl zum strengen Werk, es fordert Prosa. Die Form zu wechseln, wie auch Shakespeare tut, Gibt eben er, der große, mir den Mut! Goethe sei mit uns! – Verehrte in ihm, im Meister! Mitgestorbene, Mitaufgelöste in ihm! Welches Wunderbare an uns herangetreten, als wir selig gestorben in unsrem Beruf, himmelsreisebereit in jener germanischen Stadt, der Pflegerin alles Idealen, uns zusammenfanden – ihr wißt es. Wir finden des Schauspielhauses Pforten umdrängt, umstürmt, wir lesen auf errafftem Theaterzettel den Namen einer neuen dramatischen Schöpfung, der unser tiefstes Interesse erregt, mit unsern verdünnten, schon halb verklärten Körpern finden wir unschwer Platz im überfüllten Hause, und von Staunen starr, phrenetisch entzückt schauen, schauen, hören wir. Das schriftfertige Mitglied unsrer Gemeinde, Herr Brösamle, stenographiert. Am andern Tag wird unsere Himmelsreise fortgesetzt, wir machen Rast in schattigem Buchwaldgrund, ich fixiere mir mit Geistesflug eine Reihe von Fragen, von riesigen Forsch- und Denkaufgaben, die aus dem ungeheuren, Unendliches im Schoß bergenden Ganzen jedem feineren Geist entgegenquellen, und wir beschließen, nicht unkundig der Gebirgsreise-Unterkunft, der cantionera am Himmelsrande, die uns augenblicklich beherbergt, hier etwas längere Rast zu machen und diese Fragenkolonne zu einer ersten näheren Prüfung uns vorzulegen. Wer mag der unermeßlich Hohe, abgründlich Tiefe, der einzig auserkorene Erbe des Goethegeistes sein, der unter den sinnspritzend, symbolstrotzend klangreichen vier Namen als Verfasser sich verbirgt? Ich habe hierüber bereits nachgedacht: vier Namen, der eine deutsche, der zweite italienisch, der dritte serbisch oder illyrisch, der vierte polnisch – Ich bitte, bitte, wir können darauf noch nicht eintreten, ich muß ja doch vorher erst – Ein polnischer Faust – zwar Twardowsky genannt – Aber noch einmal, halten Sie doch Ihren edlen Eifer noch zurück – So lassen Sie doch den Herrn Präses fortfahren! Keine Unterbrechungen! – Wer dieser echte Erbe des Goethegeistes in seinem höchsten Reifestand? Dies allerdings eine Frage, die ich – da doch Herr Scharrer schwerlich schon die ganze Beantwortung gefunden haben wird – unsern gesamten Herrn Stoffhubern dringend ans Herz lege. Nun aber, welche Welt von lösungsbedürftigen Rätseln liegt vor uns! Noch ist der erste und zweite Teil der ewigen, allumfassenden Goethe-Schöpfung lange nicht völlig erschöpfend kommentiert, und nun wächst dieser neue Wald von Fragezeichen uns zu, schüttet sich dies neue Rätselfüllhorn vor uns aus! – Nicht wenig zwar ist geschehen in Entzifferung der zwei Teile des unsterblichen Nichtpseudonymen. Unsere Sinnhuber, um diese zunächst zu nennen, haben Großes geleistet. Einiges nur aus den schon gehäuften Schätzen kann ich nicht umhin zu erwähnen. Ideenperlen sind gefischt wie folgende. Einer unsrer Köpfe, Schüler des großen Philosophen Crispus, hat die Welt belehrt, daß, wenn Faust unruhig im Sessel sich herumwirft, dies bedeutet: er oszilliert wie die ihren Pol suchende Nadel; der Pudel ist die personifizierte Sinnlichkeit, der niedre, das Geistige störende Trieb; das Pentagramma die irdische Hülle des Menschen, die Ratte, die es zernagt, das den leiblichen Menschen zerstörende Prinzip; die Hexenküche ist das Bild des Unsinns in der deutschen Literatur zur Zeit, da sie geschrieben wurde, Helena im Spiegel das Ideal des natürlich Schönen, wie es Faust nachher in Gretchen verwirklicht sieht; mit Grund darf man vermuten, die Saufbrüder in Auerbachs Keller seien ein Bild der zweiten schlesischen Dichterschule und ihrer wilden Sinnlichkeit; die Geschichte mit Gretchen – es scheint zwar, als ob sie keine Allegorie sei, allein es scheint auch nur so: die Kunst des Dichters hat hier fast sich selbst übertroffen, indem sie uns eine Allegorie so hinstellt, daß wir sie kaum für eine solche, weit eher für eine wirkliche Geschichte halten möchten: was sie eigentlich enthält, das sind die Bestrebungen Goethes als Dichter in seiner ersten Periode; speziell das Geschmeidekästchen bedeutet seine ersten Dichterleistungen, insbesondre Werthers Leiden. Gretchen ist überhaupt das einfach Schöne, einfach Wahre und Gute, nach welchem der jugendliche Dichter rang; ihr Fall besagt, daß solches durch das Unvollkommene, Unreine befleckt wird, welches so weit geht, daß Valentin, der Repräsentant der sittlichen Kraft und Würde, getötet wird. Dieser ausgezeichnete Sinnhuber ist es auch, der entdeckt hat, was in dem Verse »Der Frühling webt schon in den Birken, und auch die Fichte fühlt ihn schon« für eine Anspielung steckt! Das bezieht sich auf die satirische Schrift des Philosophen Fichte gegen Nicolai: Friedr. Nicolais Leben und sonderbare Meinungen etc. Nicht minder leuchtende Aufhellung verdankt diesem Geiste der zweite Teil des Dramas; führe ich nur an, daß er im Kaiser des ersten Akts den europäischen Menschheitsgeist, in Philemon und Baucis nebst ihrem Gütchen das Gebiet der reinen Religion mit ihrer freien Aussicht ins Unendliche erkannt hat, so läßt sich genügend erschließen, was derselbe zur Hebung der sinnig halb verborgnen Schätze noch alles geleistet. Die Verdienste der Schule des Philosophen Hamulus um unsre Dichtung – ihr kennt sie; könnt ihr vergessen haben, was sein Schüler Boccula geleistet hat, dieser elektrische Kopf, dem bei allem alles einfällt, der rechte Mann, der Welt aufzuweisen, daß Goethes Faust überhaupt alles enthält – das letzte Ergebnis des sich in der Zeit entwickelnden Weltgeistes, der ungeheuren Arbeit der Weltgeschichte, das Resultat der Wissenschaft überhaupt? Soll ich noch Geistesblicke von ihm anführen wie den, daß, wenn Mephistopheles auf dem Blocksberg zu Faust sagt: »du mußt des Felsens alte Rippen packen«, unter dem Fels der dogmatisch derbe und sichere Wortverstand gemeint ist, daß der Schlüsselbund, womit Faust Gretchens Kerker öffnet, die falsche Selbsthilfe moralischer und intellektueller Kraft, das Nachtlämpchen, das er mitbringt, die seichte Verstandesaufklärung, den matten, düsteren Schein vereinzelter Vernunft bedeutet, womit sie im Lichte zu wandeln meint? O dieser, hätte er den zweiten Teil, geschweige diesen wundervollen dritten erlebt, welche Ideenschatzkammer hätte er aufgetan gesehen und wie hätte er die Schätze gehoben? Um noch andere Kleinode spekulativer Entdeckung nur flüchtig vor unsern Augen noch einmal aufschimmern zu lassen, erinnre ich, wie der scharf- und tiefsinnige Albus nachgewiesen hat, daß Fausts Schritt zum Selbstmord, unnatürlich, wenn buchstäblich verstanden, nur den sittlichen Selbstmord, die geistige Selbstvernichtung bedeuten könne, welche im Abfall zum Bösen, in der Empörung gegen Gott liege; daß das Gift in der Phiole demnach die sublimierte Natur des Bösen versinnbildliche, ferner – Ich bitte, Herr Präsident – Ich bitte, mich fortfahren zu lassen – Kurze Zwischenreden müssen erlaubt sein, weil sonst wertvolle – Nein! nein; sonst gelangen wir ja nimmer an die viel wertvolleren – Ich will, darf, muß sagen – der Ofen in Fausts Zimmer wohl nicht geheizt, weil lauer Ostertag – bedeutet – ( meine Entdeckung) –: den Mangel an innerer Wärme, denn – Gut, meinetwegen! Aber um Gottes willen – Ja, um Gottes willen – fortfahren lassen! Hat doch von den Verdiensten der Stoffhuber unser Herr Präsident noch kein Wort gesagt – 3. Auftritt Dritter Auftritt Man hört heftige und starke Schritte, die Türe wird aufgerissen, herein stürmt Mr. Wedge. Hinter ihm tritt unbemerkt eine zweite Person ein, genannt Steinzänger. WEDGE. Let me – lassen Sie mich – Wer sind Sie? Sind Sie tot oder nicht? Mir scheint, Sie leben noch, nur Tote, dem Endlichen Abgestorbene haben Zutritt in dieser Gesellschaft – WEDGE. What? What? But – aber meine großen discoveries – nur um sogleich dies eine – wenn wir im zweiten Teil überall unter Wasser oder See die Religion verstehen – what a sublimity – welche Erhabenheit leiht dies dem fünften Akt! With what a mysterious light beleuchtet dies die ganze Tragödie! Überhaupt – Aber, mein Herr – Er ist ein Sinnhuber, wir haben deren ohnedies genug, bitten Sie ihn doch, sich zu entfernen! Ja, ja wir sind uns ohne ihn genug – WEDGE. Goddam, I'll speak, speak! Die Welt soll wissen –: Goethes Faust enthält die deutsche Kulturgeschichte – development of German culture – dunkles Mittelalter im ersten Teil, im zweiten Fortschritt zum Humanismus im Kampf mit Aberglauben, Despotismus – nur verhüllt, weil der große Dichter befürchten mußte, daß wider ihn aufstehen – would have roused – die Regierungen, der Klerus, die Presse, ja das Volk selbst – Wachsende Unruhe – Mr. Wedge schnurrt das Folgende heftig herunter. Da ist die ganze materielle Welt nur Sinnbild der intellektuellen; Dunkel gleich: Unwissenheit; Licht, Sonne: gleich Quelle alles intellektuellen Lebens, dagegen Mond: Kirchenherrschaft, Mittelalter; Luft gleich: Ideal; Dünste gleich: edlen Gefühlen; Wolken gleich: deren Häufung, Verbindung und Mannigfaltigkeit; Feuer gleich: Aufklärung; Erde gleich: practical Element; Wasser oder See: ich wiederhole, gleich Religion; Feld: gleich strenger Verstand; Kohle: gleich verbrannte Kulturideen früherer Zeitalter; Holzkohle spezieller gleich: künstliche Verbrennung der Naturkultur; Metalle gleich: Tugenden; unter den Planeten ist Merkur gleich dem Prinzip der Diplomatie, Venus gleich dem Ideal der Courtoisie, Grazie, Zeremonie – Genug, genug, zuviel, zuviel! DEUTERKE, GRÜBELWITZ, HASCHERL. Ja, selbst für uns, die wir etwas vertragen können! – WEDGE. Alas! I have ja noch lange nicht die ganze inorganic nature – nicht die vegetables – nicht die animals – z.B. the domestic sow – die Haussau: Bild von Aberglauben, verächtlichen, schmutzigen Gedanken, horses Rosse: die unverständigen Menschenklassen, Landleute, Arbeiter, auch Bürger, die sich von verständigen Menschen satteln und reiten lassen; – dann aber men – Menschen: Faust the ideal spirit, der ideale Geist Deutschlands, Kaiser: der practical spirit of the German people, – Geisterwesen: die Mütter – ihre Bedeutung klar: die geheim gehaltene, noch unentsiegelte Bibel, – der Schlüssel: die humanistische Aufklärung, – Fausts stürmischer Ausbruch im Anblick der heraufbeschwornen Helena: der Kampf um die Volksrechte im Bauernkrieg, – das ewig Weibliche: das Schöne und Gute in aller Philosophie – – – hervortretend. Immer noch nur oberflächlich! WEDGE. Why? What? Who are you? Oberflächlich! sage ich. Wer ich bin, gehört nicht zur Sache. Sie denken bei der Fausterklärung zu wenig an Kant. Faust kann nichts anderes sein als – das ist logische Notwendigkeit – als: der irregehende, nämlich spekulative oder das übersinnliche begreifen wollende Verstand, der den rechten Weg erst betritt, wenn er sich zur Tat wendet. Haben Sie denn z.B. übersehen, was von den zwölf Kategorien vorkommt? Valentin ist ja natürlich der gesunde, im Felde der Erfahrung gültige Verstand. Ihm dienen zur Verarbeitung aller Sinneseindrücke die Verstandesbegriffe, d.h. die Kategorien, deren zwölf sind. Nun bewundert! Sagt Valentin nicht in v. 3385 und 3386: »Und wenn dich erst ein Dutzend hat, so hat dich auch die ganze Stadt«? Was sagt der Mensch von mir, kann nit verstahn! WEDGE. Goddam! Wie kommen Sie herein? Wer sind Sie? Es ist zuviel, zuviel, diese Eindringlinge erdrücken uns! Wer ist der Unbescheidene? Und wäre eine Welt wider mich, ich rede, weil ich reden muß! Ich greife – da euch die Geduld fehlt, zusammenhängend zu hören – ins volle und sage nur: der Elefant ist der positive Beweis, der alles niederstampft, das Nilpferd jedoch der falsche Beweis. Gretchen ist die Naivetät, deren Mutter das Unbewußte, die drei Tropfen, die diese töten, sind das Ichbewußtsein – Ich bin ich – Wenn hier alles nichts hilft – Ja, ja, Gewalt! Hinaus! Zu wenig Strafe! Knebeln! Sollen hören müssen und nicht sprechen dürfen! schreiend, schnell. Szene in Auerbachs Keller: die Jugend, Hexen und Hexenküche: das Alter, Walpurgisnacht: der Wahn, der Kaiser: der Schein, Helena: die Illusion – Herr Wirt, haben Sie nicht ein paar Knebel und ein paar Trum Strick? zu Bärbel. O das ist nett, das gibt zu lachen, Geh, Bärbel, hole die verlangten Sachen! Waschklämmerlein sind ja im Haus, Mußt eines schlitzen, Die Enden ein wenig schnitzen, Zwei Knebel werden so daraus. Bärbel ab. wie vorhin. Die Mütter sind der Urgrund alles Geschaffenen, nämlich das Nichts; klassische Walpurgisnacht – nur so viel in Eile: die Ameisen sind die Kompilatoren, die Gnomen: die Irrtümer, die Greifen: die Diktionäre, – Euphorion ist der Wunsch, Philemon, Baucis und der Wanderer sind die Legende, die Sage, die Tradition, – die seligen Knaben sind die transzendentalen Ideen, Seraphicus ist die transzendentale Ästhetik, seine zwei Augen: Raum und Zeit, die Engel sind die transzendentale Logik, – alles im Sinne Kants, das ewig Weibliche ist die Vernunft – bringt Knebel und Stricke, übergibt sie Valentin. Meinst, daß die Herrn das Ding verstehen? Gib her, wir wollen sehen. Überreicht dem Präsidenten Denkerke die Sachen. Nun, meine Herrn, drauf los! Angriff, heftige Gegenwehr der Angegriffenen, Rufe von Mr. Wedge: Britons never shall be slaves! von Steinzänger: Ich lasse mich nicht unlogisch behandeln! Ei lustig! Sie verzwingen's nit, Geh, Vältl, hilf ein wenig mit! greift ein, die beiden werden gebunden und geknebelt. Ihr Würgen und ihr Stöhnen wird uns stören, Wir könnten weder sprechen noch uns hören; Drum fort mit ihnen, sperrt sie ein, Dann überlaßt sie ihrer Pein, Denn jede Schuld rächt sich auf Erden! Fort, fort, wie wild sie immer sich gebärden! zu Bärbel. Geh, zeig den Weg zum Rumpelkämmerlein! Die beiden werden unter schwerem Widerstand fortgeschafft. Meine Herrn, endlich, nachdem die Ruhe hergestellt ist, fahre ich fort. Diese ungestümen Eindringlinge, sie haben unsern verdienstvollen Herrn Sinnhubern ungebührlich in ihre Geistarbeit gepfuscht. So geistreich wie diese sind wir auch, wir brauchen keine Hilfe. Wir wissen ja auch nicht einmal, ob sie nicht noch am Leben sind, also doppelt unberufen sich hier eingedrängt haben. Wären Lebende hier zugelassen, würden wir so manchen Würdigeren wählen und einladen; als wir abgingen, lebte z.B. noch jener feine Kopf, der aufgestellt hat, der zweite Teil Faust gleiche an Tiefe, an eigenem, aus immer neuer Erwartung und Täuschung entspringendem Reize Hegels Phänomenologie: – Sie lieben auch die Übertreibung, jene zwei glücklich Beseitigten. Man kann zwar in Sinndeutung nicht leicht zuviel tun; jene Fremdlinge aber tun zuviel. Es muß etwas schon sehr zuviel sein, wenn es uns zuviel ist. Allzu ist allzu. Wir wissen bei alledem, wie viele Rätsel des Weltgedichts noch nicht gelöst sind; dies jedoch ist unsere Arbeit, Unberufene sollen uns nichts vorwegnehmen! – Doch es ist hohe Zeit, auch der Verdienste unserer Herrn Stoffhuber zu gedenken, freilich, um auch da nur zu betonen, wieviel noch zu tun bleibt. Für das bereits Geleistete genügen vollständig Beispiele wie die, daß aufgehellt ist das wunderbarliche Wort Kribskrabs (der Imagination), daß gelöst ist das Rätsel des Namens Urian (Urian sitzt obenauf), daß aufgegabelt ist der Aufsatz von Fernow, woraus sich die dunkeln Worte erläutern: »Und von dem ganzen Hexenheer sind zweie nur gepudert«; doch »zweie« – was dies heißen soll, liegt noch im dunkeln; so auch, wie eben zugestanden, noch manches andere; noch weiß die Welt nicht genau, wer der Servibilis ist, was besagen soll die Hexenstimme: »Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar« etc., noch ist nicht erkannt, wer eigentlich unter dem alten General, dem Minister, dem Parvenü am Feuer zu verstehen ist, – ich nenne nicht weiter einzelnes, sage nur: die Studien über die Zeit der Entstehung jedes Teils der Tragödie in höchsten Ehren, aber noch ist nicht erforscht Jahr, Monat, Tag, Stunde, Viertelstunde der Entstehung jeder einzelnen Zeile; wir wissen, daß bei Gretchen an die gewisse Wirtstochter von Bockenheim, dann auch an Friedrike von Sesenheim, wir wissen dagegen noch nicht, an welche wirkliche Personen bei den Bürgern vor dem Tor, bei Frau Schwertlein, bei Valentin, dann – ich nenne vom zweiten Teil in der Eile nur diese – bei Helena, bei dem Homunculus zu denken ist, denn allegorischer Sinn schließt spezielle Anlehnung nicht aus. Wie könnte ich darum vergessen, was Ungeheures im übrigen unsere Herrn Stoffhuber für den zweiten Teil geleistet haben – Ja, das dürfen wir sagen, die Finger bluten uns noch vom Nachschlagen, Umblättern in ganzen Bergen von Literatur! Nur nebenher sei erwähnt, daß wir eben jetzt mit Feuereifer nach dem Namen Schwertlein in den Frankfurter Kirchenbüchern stöbern. Aber erst Stücke wie die klassische Walpurgisnacht, was hat sie uns – unterbrechend. Das führt mich wieder auf unsere verehrten Sinnhuber! An die zwanzig Deutungen liegen vom Homunculus vor – welche ist die wahre? oder – sind alle wahr? Genug! genug! Unendlich, ja unendlich ist noch die Aufgabe! Und jetzt, jetzt angesichts dieser Unendlichkeit eine neue! Dieser zentrale Feuerherd von Mystik, dieser dritte Teil! Nun, gottlob! kommt's endlich! Bitte, ja, ja, bitte! Ich habe also, wie die verehrten Herrn schon wissen, mir ein erstes, nur ganz vorläufiges Verzeichnis von Aufgaben, die uns erwachsen, eilig entworfen, nach Nummern aufgereiht und lese es Ihnen vor – gewiß nicht zu augenblicklicher Lösung – wie unsinnig wäre solch Verlangen! – nein, nur zum Zweck ungefähren Einblicks in die ungeheure Überfülle, das Milliardengewimmel der aufquellenden, aufzuckenden Fragen, welche uns, gehäuft mit den noch ungelösten alten, eine Ewigkeit zu beschäftigen geeignet sind. Ich lese Ihnen diese Liste vor, nur zum eben genannten Zweck, bitte daher, und zwar hier besonders inständig, mich nicht unterbrechen zu wollen. Jenseits ist ja genug Zeit, da kann jeder von den verehrten Herrn bequemlich seine Ideen, seine Entdeckungen vortragen. 1. Zum ersten Aufzug a) Was bedeutet Lieschen als Genossin Fausts wie als weiblicher Chorus des Dramas? b) Was ist Faust in diesem neuen Stadium? c) Seine Kost betreffend, was bedeuten die Heuschrecken und – Heuschrecke von hewi, Heu, und schrikan, springen – – Aber ich bitte – – Ganz recht, also Sinn: das gewisse noch Springende, Sprunghafte, Abrupte in Fausts – Aber mein Gott, ich habe doch gebeten ich will ja mit Ihrer Genehmigung erst – Es ist auch wahr, bitte die Herrn, lassen wir doch den Herrn Präsidenten fortfahren – Und der wilde Honig – Doch wohl das gewisse noch Ungesichtete, Ungeklärte im Blumensaftsüßen von Fausts Humanismus – Aber um Gottes willen – wie soll ich so denn weiterkommen! Lassen Sie mich doch gelangen d) zu den verschiedenen neuen Versuchungen im ersten Stadium des betreffenden Stadiums! Die lockenden Speisen, die das Geisterkonzert des Mephistopheles vorspiegelt, die Getränke können doch nicht sich selbst bedeuten! Müssen Sinnbilder für verschiedene Formen feiner geistigsinnlicher Lockungen sein – so die Gans, der Hering – – Nur eine kurze Zwischenbemerkung: es hieß – das ist mir genau im Gedächtnis – nicht Hering, sondern Harung – altertümlich – erinnert schön an das gleich altertümliche abe bei Goethe in »abestürzt« – Nun ja, aber weiter! weiter! Der Salat – ich mache auf das naheliegend Symbolische in Öl und Essig aufmerksam –, dann die Schinken, Zungen, Würste – Oh, nur ein Wort zu: Würste! – Nebenher: Zungen – klar: die Sprachen – Aber Würste – sollte nicht – nach bekanntem Studentenausdruck – Andeutung des Wursthaften bloß philologischer – Aber so lassen Sie mich doch zum Wichtigeren gelangen – Babette als Köchin – – Ist Barbara – Nun eben, eben – das Barbarische in bloßen, wenn auch noch so feinen Sinnengenüssen – – Nichts! kommt von barba – – Ob nicht vielmehr von Babe (baby) oder von Babbeln? für sich. Hilf du mir, Gewalt meiner Stimme! Schreiend. Die Weine! Vielmehr warum nur eine Sorte: Tiroler – Unser Wirt, wie die Herrn vorhin bemerkt haben werden, unterscheidet zwei Sorten Tiroler: der feinere: Spezial – Sollte dies – nämlich sonst. Superintendent – nicht etwa auf den gutbestellten Keller eines – Aber das Bier, das Bier – also die Bedeutung von Malz und Hopfen und deren Gärung – Unschwer deutbar – Zusammengärung des Bittern und Ölignahrhaftfetten – Negation und Position – lauter schreiend, schnell ablesend. Ferner, ferner e) das nahe Unterliegen Fausts, das Eingreifen Valentins – was bedeutet überhaupt in dieser neuen Handlung Valentin? – Das Sturzbad, die Malzschaufel, durch sie der Sieg über Mephistopheles –, das Hinauswerfen desselben, und zwar besonders der schnellende Ruck, womit es geschieht. – Weiter dann f) die Prüfungen Fausts in der Schule durch die seligen Knaben – wer sind diese? stark schreiend. In dieser Beziehung ist unsrem geknebelten Steinzänger doch Unrecht geschehen; ich nehme seine geniale Deutung auf: die seligen Knaben sind die transzendentalen Ideen – – Faust wünscht ja am Schluß, daß ihnen die Hosen gespannt werden; wie kann man transzendentalen Ideen die Hosen spannen? Sollte nicht eine Beziehung auf Charlottens von Stein kleinen Fritz – brüllend. Der Bakel, den Faust nicht führen darf, das Ringeln – Bitte, bitte! Schlangenstab des Äskulap, Caduceus des Merkur – Nichts da, die Schlangenwindungen der Dialektik – Die Knallerbsen, die Maienkäfer – mit spitzer Stimme durchdringend. Zu untersuchen vor allem, ob zu der Zeit, da Goethe die Walpurgisnacht schrieb, und zur Zeit, da mutmaßlich diese Szene des dritten Teils entstand, viele Maienkäfer – Pah! Maienkäfer sind Gelehrtengrillen! matt. Wollen die Herrn wohl die Gnade üben, mich zum zweiten, noch viel wichtigern Aufzug – Ja! ja! Reden! weiter, weiter! Ich überspringe wichtige Fragen, wie die, was nach schwierigem Siege die verbesserte Kost bedeute, eile also zum zweiten Akt, zu dessen erstem Auftritt, bemerke zu den Müttern nur flüchtig, daß meines Wissens noch von keinem Erklärer die Nornen der skandinavischen Mythologie beigezogen sind, und gebe zwei der wichtigsten Punkte mit besonderem Nachdruck künftigem – bitte, nur künftigem – Nachdenken hin: den Schlüssel, welchen der unbekannte, mystisch pseudonyme Dichter aus Goethe herübernimmt, und Mephistopheles als Kaminfeger – Bitte, nur eine Bemerkung zur Fragestellung – Oh, nur ein paar Worte! Der Schlüssel wurde von unsern Herrn Sinnhubern längst, und wohl richtig, als die Philologie gedeutet, die das tiefere Eindringen in das Altertum zwar nur anbahnt, doch, im Fortschritt sich vertiefend – daher leuchtend – wirklich vermittelt; es ist ihre Feinheit, ihr Spürsinn, ihr Pfiff – daher pfeift Faust auf dem Schlüssel, so legt sich anmutig das Wortspiel nahe: Philologie – Pfiffologie – Au! Kalauer! Der Schlüssel ist nach andern, und gewiß einfach richtig, das Symbol des Priestertums, der Weisheit, welche die Pforten der Erkenntnis und das Wesen der Dinge eröffnet. Nichts da! Oberflächlich und dazu unklar! Vielmehr – Aber Stille! Stille! Der Schlüssel muß mit dem Kaminfeger zusammengenommen werden. Setzen wir dafür das gleichbedeutende Essenkehrer – esse – Sein – und kehren oder fegen – die äußerste, tiefste Abstraktion, die alles (sinnliche) Sein wegfegt, ausscheidet – Prr! Soll ich noch präsidieren oder nicht? Ach, nur noch die paar Worte – solche Ideen kann man ja nicht zurückhalten –: zur reinen Abstraktion gelangt man durch Schlußreihen – Schluß – Schlüssel – Pah! Bei der Philologie bleibt's! Noch ein Beweis! der Schlüssel ist rostig – Rost, Christi an, Friedrich, berühmter Grammatiker und Lexikograph, Professor am Gymnasium zu Gotha, dann Oberschulrat und Direktor – Absurd! Rost kann nur das Unechte, Veraltete beschränkter Philologie bedeuten – Wollen Sie mich beleidigen? Zur Ordnung! Zur Ordnung! Fortfahren! Fortfahren! der sich vergeblich noch hörbar zu machen sucht, zu Bärbel. Frau Wirtin! Haben Sie keine Glocke? Ich brauche eine Glocke! Wir haben eine, wohlverwahrt im Schrein, Ich hole sie. Nun, das wird lustig sein! Ich frage noch einmal, ob Sie mich beleidigen wollen? Ich wüßte noch eine andere Erklärung zu: rostig – rusticus – rustik – Sie belieben gröber zu werden als ich! Ich begnüge mich, ihnen zum Bewußtsein zu bringen: Sie haben noch eine andere abgeschmackte Bemerkung vorgebracht, nämlich zu den Maienkäfern, als ob es sich da um eigentliche Maienkäfer handle. Diese sind übrigens auch nicht, wie Herr Deuterke meinte, die Gelehrtengrillen, sondern die krabblich gereizten Nerven eines gequälten Schulmanns – schreiend. Friede! Friede! Wo bleibt die Versöhnung, der Schmollis? Hat Ihnen mein Freund Scharrer richtig oder unrichtig zu bedenken gegeben, ob man transzendentalen Ideen die Hosen spannen könne? Ja, Hosenspanne – Ei, die geistige Spannung – mit einer Schelle, zu Valentin. Da, Vältl, sieh, die gute alte Schelle Die Schelle bewegend. Mit ihrem Klang so rund und helle! Einst hat sie meines Vaters schönste Kuh Auf unsrer Alm im Hochgebirg getragen, Wie gerne hört' ich dem Geläute zu! Als Angedenken aus den alten Tagen Hob ich sie auf; das gute, zahme Tier, Die Lisl selbst war stolz auf ihre Zier. Übergibt Denkerke die Schelle. Da nehmt und schellt, sie hilft euch schon! Weithin vernimmt man ihren Ton. Im Augenblick, wo Denkerke die Schelle ergreift, stürzen durch die Seitentüre, durch welche Bärbel gekommen, Mr. Wedge und Steinzänger wieder herein. WEDGE. – Delivered! Delivered! Ich bin frei! Mir soll niemand wehren! SCHARRER, KARRER, BRÖSAMLE. Unsere Feinde, die Sinnhuber, wieder um zwei vermehrt! DEUTERKE, GRÜBELWITZ, HASCHERL. Unsere Partei durch diese unbequemen Freunde wieder blamiert! schellt. Blitz, Bärbel, hast denn du sie frei gemacht? Behüte, nein! Fiel mir nicht ein! So haben sie sich selber losgebracht! Uns ist kein Knoten zu verwickelt! Auf, meine Herrn! An die Arbeit! Fortfahren! Weiter auslegen! Auf Kant zurück – – WEDGE. Forward! Furthermore – symbolic terms, figurative language – MEHRERE STIMMEN Hinaus! Hinaus! schellt stärker, unter wachsendem Lärm. Was tut denn da für eine Schelle? Ei seht! eine Kuhschelle! Das lassen wir uns nicht gefallen! Absetzen! Die Schelle entreißen! Stürmen auf Denkerke los. die Kuhschelle zur Verteidigung hebend. Rebellion! die ersteren zurückhaltend. Anarchie! Es entsteht ein Gezerre, das in eine allgemeine Schlägerei übergeht. zu Valentin. Meinst nicht, man soll sie auseinanderbringen? Sonst kommt es leicht zu schlimmen Dingen. der lachend mit eingestemmten Armen zusieht. Ach was, die Kerle tun einander nix, Schwach ist die Faust und jeder Schlag ein Gix. Es geht so zu, wie wenn sich Schneider raufen, 's gibt höchstens blaue Mäler und Rotlaufen. Vielleicht kommt's aber doch zu Messern? Ach bah! Bei diesen Zuckerfressern? Der Kampf wird heftiger, es wird mit Seidelkrügen geworfen. Doch halt, jetzt wird mir's auch zu kraus! Gebt Ruhe, oder ich biet aus! Wohl ein paar Püffe geb ich frei, Doch dies ist eine Sauerei! Ein Krug streift Bärbels Gesicht. Au! Das hat weh getan! Nu, jetzt ist's Zeit! Komm, Weib, wir gehen dran! die Ärmel aufstreifend. Ich hoff, so gut wie drunten geht's da oben, Oft half ich mit, ich kann's noch, sollst mich loben! indem er mit Bärbel an die Arbeit geht. Hinaus! Hinaus und hopp, hopp, hopp! Hinaus, ihr Fexen, im Galopp! Hinaus, ihr Dackel, Hinaus, ihr Lackel! Hinaus, dünnbeinige Grillengeiger! Hinaus, verhockte Mückenseiger, Hinaus, Perücken und Hatzeln! Hinaus, Rohrspatzen und Atzeln! Getümmel, Geschrei. Valentin und Bärbel werden nach und nach Meister und werfen einen nach dem andern mit so kräftigen Rucken aus der Türe, daß man sie noch die Treppen hinabkollern hört. Inzwischen ist am offenen Fenster ein alter Herr erschienen, er sieht zu, lacht kräftig und verschwindet. zu Bärbel. Blitz! Das war nett! Frei ist die Bahn! Hast's brav gemacht; komm, stoß mit an! Sie sitzen und trinken. Es lebe, wer noch wacker ficht! Rührlöffelchen sind deine Arme nicht! 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen. Der alte Herr tritt ein. für sich. Hineingeheimnißt hab ich dies und das, Damit sie tüchtig auszuraten kriegen; Schon recht, doch lustiger ist der Spaß, Wenn sie die Stieg hinunterfliegen. zu Valentin. Schau auf, da kommt ein Gast, Ein alter Herr mit heitrem Angesicht. Wie blickt er hell! mir dünkt, sein Augenlicht Verbreit't im Zimmer einen Glanz und Glast! Guten Abend! Was beliebt? Ich sehe, daß es Bier da gibt, Doch möcht ich lieber Wein, Es braucht kein Extratrank zu sein. Tiroler hab ich in zwei Proben, Den Spezial, den feinern, kann ich loben. Den trink ich gern, einst auf der Brennerfahrt Hab ich den roten Tischtrunk nicht gespart. zu Bärbel. Geh, hol ihm einen Schoppen, Schatz! Bärbel ab. Zu dem alten Herrn. Macht's Euch bequem und nehmet Platz! Darf man wohl fragen, woher Eure Reise? Ihr kommt wohl her auf ebenem Geleise, Ihr scheint nicht müd, Ihr seht so frisch darein, Als wüßtet Ihr von keiner Pilgerpein. Der Erdensand liegt hinter mir zerstoben. Ja wie? ja was? Kommt Ihr denn gar von oben? So dünkt mir fast; Ihr seid so unbeschwert, Und Eure Stirne leuchtet wie verklärt! O sprecht! Ich meinte, wer im Himmel ist, muß bleiben! Darf man denn da hinaus und auch noch kneipen? für sich. Ein Staatskerl, darf ich selbst mir sagen, Den ich gemacht in meinen besten Tagen. bringt Wein, einschenkend. Da, wohl bekomm's! trinkt. Ein guter Rebensaft! Zu Valentin. Euch geb ich gerne Rechenschaft. Im Himmel sind verschiedne Regionen, Und nach Geschmack kann da ein jeder wohnen. Rechtgläubig Fromme wählen Klosterzellen Und treten nie mehr über ihre Schwellen, Die Heitern, die am hellen Tag der Welt Auf freie Tat des Lebens Wert gestellt, Die nicht im Angstschweiß sich das Heil erwarben Und ruhig ohne Pfaffenhilfe starben, Zu reinem Wirken finden sie die Bahn, Lichtreiche Sphären, weithin aufgetan, Und wenn sie von den wolkenlosen Höhen Aufs Erdenschauspiel niedergehen, Wenn Lust sich regt, der Menschen Tun und Trachten Sich in der Nähe wieder zu betrachten: Es steht uns frei, in dieses enge Leben Zum Gastbesuche leis herabzuschweben. Ich denn, da ich von oben sah, Was hier Erheiterndes geschah, Wie ob dem Faust man gar mit Fäusten kämpfte, Wie dann dein Arm den Aufruhr dämpfte, Wie du so prompt das Hausrecht exequiertest, Zur Tür hinaus mit deinem rüst'gen Weib Die lächerlichen Deuter expediertest, Kam ich herab zu frohem Zeitvertreib, Denn mich erfreut das Bild der Kraft. Stoß an, mein Sohn! Hast brav geschafft! Auch Ihr, Frau Wirtin, laßt das Glas nicht leer! Stoßt mit uns an! Kommt her, kommt her! Es geschieht. Potz Blitz! So, so? So sieht's im Himmel aus, Wo jetzt mein Doktor Faust zu Haus? Ich mochte nicht mit, wollte nicht hinein, Mir deuchte, gar langweilig müss' es sein. Mir war, gesteh ich offen, Die geistliche Gesellschaft auch zuwider, Da ist wohl, dacht' ich, wenig Lust zu hoffen, Da singt man ewig nur dieselben Lieder; Zuletzt kam gar der Stiefelknecht daher Nebst andrem Zeug, und ich verstand nichts mehr. für sich. Ich laß ihn drauf, er habe sie erlebt, Die Fratzen, die im Spottspiel ihn umschwebt; Ach, der devote gotische Apparat, Der mir am Schluß verkehrte Dienste tat, War jenem Wichte, der so frech vermessen Gespottet, leider ein willkommnes Fressen. Laut. Du sahst zu wenig. Wie ein mürber Zunder Zerfiel im Nu der ganze fade Plunder. Mir war vergönnt, den Doktor umzuschaffen, Aus dem unsichern, fraglichen Gesellen, Von Schnörkelwerk umflunkert und von Pfaffen, Den wahren Faust, den Urfaust herzustellen, Frisch zu behauchen die Gedankenblässe, Neu zu entfachen jene Feueresse, Wie sie im Faust der ersten Szenen glüht, Den Kern von Erz zu lüften, der da sprüht, Den Drang, den Sturm, die hohe Leidenschaft, Den heißen Schmerz in der Titanenkraft. Nun aber – Er stockt. Dann? Ins Leben eingeführt, Nun mußte schuldig der Verwogne werden. Ich hab's gespürt. Dann weiter in den Klippen und Gefährden – Nun, weiter? für sich. Wie er lästig fragt! Ja, weiter! Das ist leicht gesagt! Drei Akte lang, vier Akte fast – Verwünschte Rast! Ich überspringe die gedehnte Lücke – Er merkt wohl nicht die breite Kluft – Und führ ihn kurzweg ohne Brücke Zum letzten Akte durch die Luft – Laut. Er lernte in des Lebens herben Kämpfen, Auf Dornenweg des Irrtums und der Schuld Die Hochglut des Titanenfeuers dämpfen, Er lernte Weisheit, stete Kraft, Geduld. Ich hab – erlaubt, ich sag es unumwunden – Viel Kraft in ihm gerade nicht gefunden – für sich. Der Unbequeme! Laut. Nun, ich sag es ja, Du sahst zu wenig, warest just nicht da, Wie auf des Lebens wirrem Felsenfeld Mein feuriger und schwer geprüfter Held Zwar öfters irr den rechten Weg nicht fand, Und doch als Mann aufs neue stets bestand – Genug, der Kämpfe Frucht ist nun gezeitigt, Mein Faust gehärtet und doch auch geschmeidigt. Dem Stahle gleicht er, der sich biegt, nicht bricht, Er ruht, beharrt und ruht, beharrt auch nicht, Sein Ruhen ist kein Starren und kein Kleben, Sein Ruf ist: Vorwärts! Streben, immer streben, Doch inhaltsvoll, nicht wild und hohl, Fortlernend, bauend an der Menschheit Wohl! Noch einmal nun in reinern Regionen Darf er als Vater eines Volkes wohnen. Sein Aug ist überall, er handelt, er regiert, Doch hart nicht ist der Zügel, den er führt, Frei sollen tücht'ge Kräfte sich entfalten, Zu edlem Menschendasein sich gestalten, Fest steht das Recht, und ehrlich ist das Walten, Der Handel, das Gewerbe schießt in Saft, Es blüht die Kunst, es blüht die Wissenschaft, Sein Lieblingskind, die Schule, wohl zu pflegen Ist seine Lust, und nimmer fehlt der Segen. Ja wie? Ei was! Schulmeister ist er wieder? Und gar aufs neue bei den sel'gen Knaben? Bedenk: ein Fürst! Ihm dienen, hoch und nieder, Wie Bienen in den fein gebauten Waben Im Bau des Staats tausend lebend'ge Glieder. Ja gibt's denn auch im Himmel noch zu lehren, Zu lenken, zu erziehen und zu strafen? Vollkommen muß in jenen höchsten Sphären Doch alles sein, bei sel'gen Himmelsschafen Braucht's Hirten nicht, nicht Hund noch Schippe mehr! Mein Guter, darin irrst du schwer. Vollkommen kann kein Einzelwesen sein, Gott selbst nur spricht: Vollkommenheit ist mein! Wer lebt, und ob er auch im Himmel lebt, Kann leben nur, indem er kämpft und strebt, Im Weiterschreiten sucht er Qual und Glück, Er unbefriedigt jeden Augenblick; Es fallen nur die engsten aller Schranken, In deren Druck die Erdenmenschen kranken; Mit Irrtum, Schwachheit müht man sich auch dort, Unreife gibt's, Erziehung dauert fort. Eins aber ist dem Himmelstaat erspart – Und meinem Faust ist dieses Werk gelungen –: Der Keil, der Dorn der allerschlimmsten Art, Der Pfahl, der in des Staates Fleisch gedrungen, Die Fessel, dran die Schule war gekettet, Die innre stete Rebellion: Die Kirche ist vernichtet, und gerettet Die Religion. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Die Vorigen. Unbekannter tritt ein und setzt sich in eine Ecke. aufstehend. Guten Abend, was beliebt? Mir alles eins, nur was es eben gibt. Tirolerwein steht just noch da. Gut, ja. aufwartend. Bekomm's Euch wohl! Ihr seid vom Marsch ermattet? Für sich. Des Mannes Aug und Stirne ist beschattet, Er muß was Schweres auf dem Herzen haben. Wieder zu dem alten Herrn tretend. Verzeiht, bedienen mußt' ich diesen Herrn. Ich bitt, ich hör Euch gar so gern, Fahrt fort, mit Euren Reden mich zu laben. Zwar mich erschreckte Euer letztes Wort; Wie lebt denn eine Christenseele dort? Das muß ja schrecklich traurig sein, Darf man denn nicht mehr in die Kirch hinein? Warum denn nicht? Nur keine Litaneien, Kein Zauberwort sagt da ein Priester her, Gefallen ist der Unterschied vom Laien, Mensch ist nur Mensch, und Pfaffen gibt's nicht mehr, Mahnung und Trost in milderhabner Weise Tönt von den Lippen weltgeprüfter Greise. ist aufmerksam geworden; für sich. Er ist's. Es sei! Er spricht ja hell und frei. Er tritt vor den alten Herrn und verbeugt sich ehrerbietig. Ich stelle mich. Was soll's? Wer hieß es Euch? Was wollt, wer seid Ihr? Sagt's nur gleich! Urheber des Gedichtes: Faust, Der Tragödie dritter Teil Im Geist des zweiten Teiles treu gedichtet. Du bist es, du, der mich so frech gezaust? Entferne dich zu deinem eignen Heil! Verkrieche dich! Du hast dich selbst gerichtet! Hinnehmen muß ich's. Gehen darf ich nicht. Ich bin beordert, stehe vor Gericht. Geh, sag ich. Zu bleiben wag ich. Ich soll, ich muß es wagen, Ein hoher Wille hat mir's aufgetragen. So sprich! Nur schnell heraus damit! Der Herr der Welt befahl mir diesen Schritt. Vor deinem Angesicht soll ich mich stellen, Soll jede Rüge meiner Sündenschuld Aus deinem Mund hinnehmen in Geduld, Dann sollst du mir das Richterurteil fällen, Vielmehr es ist gefällt, du aber kannst es wenden, Kannst mildern, schärfen, volle Gnade spenden. Beschieden ist mir ausgesuchte Pein, Dem Fegefeuer soll sie ähnlich sein; Ob ewig oder nur auf Zeit, Ob kurz, ob lange, dein ist der Entscheid, Und woll' ich ganz in Demut nur mich fassen – Ward mir bedeutet – dann vielleicht, Wenn flehend ich dein Herz erweicht, Werd' auf dein Fürwort alles mir erlassen. Dies letztere sei pflichtlich nur berichtet, Darauf hab ich zum voraus schon verzichtet. Kannst du denn überhaupt noch zweifeln? Fühlst du nicht selbst, dein Ort sei bei den Teufeln? Verworfner, der die schnöde, scharfe Lauge Auf meines Alters Lieblingswerk ergossen, Tritt näher, schaue mir ins Auge! Ist ganz dein Sinn verhärtet und verschlossen? Kennst du ein Etwas? Weißt du, was ich meine? Verehrung meinst du. Nun, und du fühlst keine? Frei verehrt einen großen Mann Der Mann, der selbst etwas schaffen kann. für sich. Das läßt sich hören. Laut. Nichts als Hohneswaffen Hast du geführt. Verneinen ist kein Schaffen. Ach liebe Zeit! Ich hab nicht anders können! Notwendigkeit willst du die Frechheit nennen? Verzeiht, verzeiht, ich sag es ungeniert: Ich find in Eures Dramas zweitem Teile Fast keinen Satz, fast keine Zeile, Die nicht kurios, nicht manieriert, So daß es mir im Kopfe rädelt, surrt, Summt, kitzelt, krabbelt, schwirrt und schnurrt; Ich kann nicht anders, muß, sooft ich's lese, Als wenn ein Kobold im Genick mir säße, Muß in dem Tone weiter besteln, reimen, Muß drehen, schnitzeln, schnipfeln, päppeln, leimen. für sich. Wie unbequem auch dieser Flegel spricht, Gesteh' ich mir, ganz unrecht hat er nicht. Ward mir's doch am erreichten Ziele Im Himmelslicht auf einmal selber klar, Daß ich zuletzt ein alter Schnörkler war, Als ob ein Zöpfchen mir vom Nacken fiele. Und dennoch ist der Naseweis zu schelten. Laut. Und ließ' ich auch, was du mir vorrückst, gelten, Dennoch ist Spott auf gute Geister schlecht, Den Tadel bringt er um sein halbes Recht. Hätt' ich's mit dir allein zu tun, Ließ' ich vielleicht die spitze Feder ruhn, Allein die blind lobpreisenden Verehrer, Nußknackerisch scholastischen Erklärer, Kleinmeister, brillenaugigen Magister, Die famuli, die Pietätsphilister, Die »Goethereifen«, die Goethe-Pietisten, Die selbstgefällig dir im Mantel nisten, Nur dieses Volk, für welches du ein Gott, Ist schuldig, daß mein Tadel ward zum Spott; Dir selber, denk ich, sind in Himmelshallen Die Schuppen von dem Auge schon gefallen. für sich. Er sah's nicht, wie es vorhin mich ergetzte, Als man beschleunigt an die Luft sie setzte, Doch ist, als ahnt' er's. Laut. Allzu frech und wild War doch dein Hohn auf tiefgedachtes Bild, Auf manches hochbedeutsame Symbol, Das du verzerrtest läppisch, albern, hohl Und überdies frivol. Ei, meine Späße, freilich sind sie krumm, So toll wie meine Reime und so dumm, Hanswurstisch, närrisch und gerade drum Nicht bös, Nicht gegen dich maliziös. Ich dachte mir bei diesen Spielereien: Vielleicht sie fallen mir herein, Zerbrechen über meine Rätselknöpfe Sich gar am Ende auch noch ihre Köpfe, Wie sie an deinen harten Nüssen knackten, Mit Spatzenschnäbeln bohrten, pickten, hackten – Du saßest in bequemer Ruh Verborgen hinter spanischer Wand Und horchtest lächelnd dem Geknacke zu – Vergleichst du mein Gebild mit deinem Tand? Nur das Bedeutende macht sinnen, Reizt, nötigt zum Gedankenspinnen. An deinen Rätseln, diesen dünnen Blechen, Wird niemand Kopf und Zähne sich zerbrechen Weißt du, wie meine Prachtallegorien, Anschauungen im großen Stil, Bezaubernd Phantasie und Formgefühl, Gewaltig jetzt auf eurer Bühne ziehn? Verzeih, o großer, wunderbarer Mann, Wenn ich darauf nicht fein erwidern kann. Ausstattungsstück ist jetzt dein Faust geworden, Da gaffen sie in dichtgedrängten Horden Beim zweiten Teile dumpfen Staunens voll, Und keiner weiß, was er sich denken soll. Ist's aber – ja, ich frage – ist es gut, Daß also man am schwachen Volke tut? Daß man es anhält, sich für klug zu halten, Indes beim Anblick blendender Gestalten Narkotisch alle Nerven sich beduseln Und Fragezeichen im Gehirne wuseln? für sich. Zu lange schon! Er wird mir grob und gröber, Der kecke Spürer, unbescheidne Stöber, Noch manches, was ich selber längst erkannt, Rührt er mir auf mit wählerischer Hand, Wenn ich nicht jetzt ein kurzes Ende mache Mit raschem Schritt zum Mittelpunkt der Sache. Laut. Du weißt wohl nicht, mein Freund, wie grob du bist? Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist. Noch eines sag ich, Noch eines frag ich – Und traurig g'nug, daß ich noch fragen muß Der Faust am Schluß, Der Faust als Volksregent Im Kampfe mit dem Wogenelement, Der Mann der Tat, der wirkt und schafft, Die rein bewußte, sturmgereifte Kraft, Der Faust, dem hohen Sinne ganz ergeben: Nur der verdient sich Freiheit, so wie Leben, Der täglich sie erobern muß, – Der Faust, der selig in die Zukunft schaut, Wo alles grünen wird, was er gebaut, Wo er, fortwirkend in der Zeiten Fluß, Mit freiem Volk auf freiem Grund wird stehn, Der Faust, der nun zum Augenblicke spricht: Verweile doch, du bist so schön! Der große Faust – und den verstehst du nicht? Die Lösung des Prologes und der Wette, Daß er dem Tod, dem Teufel nun erliegt Und dennoch es verdient, daß ich ihn rette, Den Faust, der in der Niederlage siegt, Den Faust, in dem die Menschheit lebt Und ewig irrend ewig strebt, Den siehst du nicht? Was jede Seele trifft, Bespritzest du mit deines Hohnes Gift, Und ich – Fürbitter soll ich für dich sein? Hinweg, sag ich, fort zur verdienten Pein! Nicht so ist's; mehr als manch Verehrerhundert Hab ich von Herzen diesen Schluß bewundert, Doch um so mehr des Schlusses Schluß beklagt, Der nach des Schlusses wahrem Geist nicht fragt. Gilt es denn gleich, woher ich die Symbole, Aus welchem Fundort die Motive hole? Darfst du, den Faust zum Himmel aufzuschwingen, In pfäffische Gesellschaft ihn verbringen, Die ihn, wenn sie halbwegs ihn nur gekannt, Als Ketzer hätte sicherlich verbrannt? Geruch des Weihrauchs, stimmt er zu den Sphären, Wo mündig frei der Geist sich soll bewähren? Soll altehrwürdig hier das Sinnbild walten, Die Bibel bot dir schlichtere Gestalten. Ich bleib dabei, die salbungsvollen Glatzen, Sie sind und bleiben lächerliche Fratzen. Das ist zu stark! Noch einmal sag ich, fort! Es ist noch nicht mein letztes Wort. Vor dich zu treten ist mir vorgeschrieben, Entscheiden kannst du nach Belieben, Ich bettle nicht, allein ich geh noch nicht; Erst volle Wahrheit, danach das Gericht! Noch stolz, noch stolz? Ist alles nicht erledigt? Droht mir zum Schluß wohl gar noch eine Predigt? Nenn's, wie du willst, nicht wohlweis soll es sein! Von dir an dich leg ich Berufung ein. Von mir an mich? Ja, sag ich, an den Mann, Den klaren, der es besser wissen kann. Verstehen kannst du meines Spottes Born: Erkrankte Liebe ist mein ganzer Zorn. sieht ihn nachdenklich an, für sich. Will er jetzt schmeicheln? Nein, das kann er nicht! Weich blickt er jetzt und gut, so blickt kein Wicht. Nicht wehe tut's, wenn fragliches Talent Sich in Manier, Geheimniskram verrennt, Doch wenn es einem Genius widerfährt, O das tut weh, das sticht und brennt und schwärt! Zu dir hab ich von früher Jugend Tagen Beglückt, entzückt die Augen aufgeschlagen. Nur Staunen kann uns Mittleren geziemen, Auch nur zu lösen deiner Schuhe Riemen Bin ich nicht wert. Vor Menschen beugt mein Knie Sich nie, Doch könnt' es je sich beugen, Wie ich dich ehre, würd' es dir bezeugen. – Es schwebten Feen Aus seligen Höhn Und sangen um deine Wiege. Ein himmlisches Rosenlicht Umschwamm des Kindes Löckchen und Stirne. Seliger Knabe du, Hauchten segnend die Geisterstimmen, Seliger Knabe du, Einst, wer dein Lied vernimmt, Dem werde es wohl, der werde froh, Leicht, leichter rinne sein Blut! – Als Gott erschaffen die Welt, Da sah er an, was er hatte gemacht, Und siehe da, es war sehr gut. Also sehn wir mit deinen Augen Luft und Erde und Baum und Tier Und der Menschen gute Geschlechter, Ein solcher Goldglanz zittert um alles, Was da ist. Es quillt, es sprudelt In deinem Geist, Ergiebig, reich, voll Schießen und steigen kristallne Strahlen, Verdichten sich, werden Bilder, Scharf gezeichnete, hell geschaute, Klar wie in jonischem Sonnenlicht, Wohlbekannte und doch so fremde, Denn es umschwebt sie ahnungsvoll Ein namenloses Unendliches. Sinn und Sinne hatten die Holden, Jeglichen Nerv dir weihend gesegnet, Gesegnet vor allem, daß es schaue, Dein Auge. Eine noch trat im Reigen hervor, Raunend mit fein bewegten Lippen Küßte sie deinen Kindermund; Mit dem Gedanken, sagte sie, sei dir Unbefohlen das Wort zur Hand, Eines mit ihm, geboren mit ihm! In einem Momente mit der Stimmung Summe und klinge im innern Ohr Die Weise, der Ton, der Akzente Rhythmus Und des Lautklangs seelische Farbe! Schöpfe am Quell, mein Liebling du! Aus künstlicher Fassung mögen andre In zierlichen Bechern holen und bieten Gestriges Naß. – Hinein ins Leben mit keckem Sprung Wirft sich die junge, strotzende Kraft. Saftige Derbheit, wilder Mutwill, Gärungsberauschter Jugendmut Lärmt wie Frühlingsgewitter daher, Blitzt und kracht und klatscht wie ein lauer, Fruchtbarer Regen aufs Gefilde. – So stürmisch und doch wie weich im Innern! Hoffnungsloser Liebe Gewalt, All ihr namenloses Weh Packt und durchwühlt das sehnsuchtvolle, An seines Reichtums Überfülle Gefährlich kranke, in zehrender Wehmut Schwelgende, nimmersatte, Nach göttlichem Dasein lechzende Herz. Vielbeweinte Dichtergestalt Schreitet zum Tode. Aber der Dichter, Er genest. Ihn rettet die Dichtung. – Hinter dem krausen, sturmgejagten Morgengewölke tagt es schon, Wacht der Besinnung gesunde Kühle, Öffnet sich täuschungsloser Blick, Dringt in die eigne heiße Brust, Dringt ins Getriebe der dichten Welt, Durchschauet den Schein, Unerbittlich, doch nie verneinend, Was dem gemeinen, gottverlaßnen Blicke Schein heißt – Künftiger Weisheit früher Bote. Sieh, und auf einmal Schwingt sich mit breitem Adlerfittich, Schwebt in entzücktem Traumgesicht, Heiligen Wahnsinns, göttlicher Trunkenheit Pythische Wunderlaute stammelnd, In Ätherhöhen dein Geist empor, Ins lichtdurchdrungene tiefe Blau, Und entschwindet. In welche Fernen Hat dich, geheimnisvoller Vertrauter des Weltgeists, Die Sehnsucht getragen? Aber da bist du leibhaft wieder, Trittst vertraulich in unsre Mitte. Fröhlicher Leichtsinn scherzt und spielet, Schwimmt in des Daseins Reiz und Lust. Sorgend sieht auf das ungebundne Weltkind der ernste, redliche Freund, Zürnend der Sitte strenger Hüter. Hast du vergessen, wie schwer das Leben Wuchtet, wie sich die Wolken türmen, Vergessen, wie leicht der bange Pilger Im Gewitterdunkel, von Schlünden umgähnt, Redlich suchend und dennoch irrend Fehltritt und auf das schuldige Haupt Niederzuckt der gezackte Blitz Und in die Klüfte und in die Grüfte Der arme Getroffne niedertaumelt? – Du, o nimmer! Zart und zitternd Schwingt mitfühlend der menschliche Nerv, Leidet mit allen, leidet in allen Sturmdurchwühlten, kampfzerrißnen, Todwund blutenden Menschenherzen. Seufzer aus Abgrundtiefen geholt, Strom der Klagen, der heißen Zähren, Wilder Verzweiflung gellender Aufschrei, Eumenidengeheul dazwischen Schlagen zum Himmel empor und rufen: Menschenlos! Aber es rührt sich, aber es gleitet Über die Wunden weiblich weich, Träufelt kühlenden Balsam ein Priesterlich eine sanfte Hand, Aber es lispelt Segenspruch Priesterlich eine sanfte Stimme. Nach Oliven- und Myrtengärten, Nach dem Lande, dem ungenannten, Sehnt sich fluchbeladenes, armes, Geraubtes Kind. Stumme Liebe verzehrt sein Herz, Tränen fließen, klagende Chöre, Wehmutlösende, weiche Stimmen Tönen an seiner frühen Gruft. Doch von fern aus nordischem Nebel Steigt ein Gebilde geisterhaft, Hebt sich dunkle Mannesgestalt. Unter sinnender hoher Stirne Schlagen sich große, brennende Augen Weitauf. Heiliger Durst nach Wahrheit Lohet im Blicke, lechzet und fragt, Fragt die letzte, die höchste der Fragen. Tiefster Zweifel, innerster Zwiespalt, Der eine Brust zerreißen kann, Klafft. Zum Bund mit der Hölle greift Verzweiflung. Aus der Tiefe was taucht herauf? Ein Geist, nicht Teufel dem ersten Blick. Unverblendbarer Weltverstand Schmunzelt behaglich auf seinen Lippen, Über das Leben lächelt er hin; Erfahrung heißt er. Nicht leiden mag er Überschwang. Das Titanenherz Will er in seine Schule nehmen. Hinter dem Lächeln aber zuckt es Todgefährlich, Verneinung grinsend, Höllische Tigerklaue lauert Aus den Augen und um die Stirne. – Herein in die Tagwelt dämmert seltsam Gespenstischer Schein. Unter dem Hexenkessel züngelt Flackernde Flamme. – Zum Zauberberg Geht es hinauf mit schwanken Schritten. Schwefliches, schwüles Licht ergießt sich, Flimmert umher und flirrt und knistert, Schatten huschen, in wirrem Traume Dreht sich die Welt, die Windsbraut sauset, Durch die heulenden, zischenden Lüfte Naht im Sturme dahergefegt Hexenzunft. – Alte Sagen klingen dazwischen, Seltsame Stimmen singen verhallend Von alten untergangnen Zeiten – Rauschet und brauset die wilde Jagd? Wotan mit seinem Geisterheer? – – Aber in wilden Spukes Mitte Schiebt sich grausige Geist-Erscheinung, Tauchend aus des Gewissens Tiefe, Betrogner Liebe Totenbild. – Am Rabensteine was jagt vorüber? Die Rappen schnauben – der eine Reiter Fragt etwas. »Vorbei!« ist die Antwort, »Vorbei!« – In Kerkermauern, in Moderluft Klirren Ketten, wälzt sich auf Stroh Ein Weib. Engel vom Himmel, o alle Geister Des Mitleids stehen weinend umher. Lasset in Flammen alles vergehen, Was sie geschaffen, die Meisterhand, Lasset den Namen selbst vergessen, Aber die Blätter gerettet sein, Die wenigen, die dies Bild entrollen: Wie? so werden die Enkel fragen, Wer ist der Geist, der namenlose? Wer vermag mit so sichrer Hand Aus des Lebens und aus der Seele Tiefen zu schöpfen und zu holen, Wer mit so ungeschminktem Bild Jegliches Herz in seinem geheimsten Marke zu packen und zu schütteln? Sanftere Rührung grüßt und begleitet Mit innigem Wunsche ländliches Paar, Wie es durch wogendes Kornfeld schreitet, Schüchtern schweigende Lieb im Herzen. Ahnungsvolle Beleuchtung streut Hinter Gewitterwolken hervor Die sinkende Sonne über das Feld. Schwärzere Wolken jagen und bersten Über der Völker entsetzten Häuptern. Mannsmut will es, den Bund der Liebe Zu wagen, mit fremdem, flüchtigem Weib Ein Haus zu gründen. Der Vater zürnt. Aber erweicht in der Seele Grund Legt er den Liebenden Hand in Hand. Hoch und entschlossen aufgerichtet Neben den Eltern, neben der Jungfrau, Der edlen, ernsten, schmerzgeprüften, Neben den tiefbewegten Freunden Steht der Jüngling, ein deutscher Mann. Schützen wird er mit Heldenarm Weib und Kind und Haus und Hof, Die Äcker, die Gärten, die Felder rings, All die Habe, die wohlbestellte, Die satte, gediegne, wie sie der Dichter Mit des Homeros Auge geschaut. – Ich ende. Wie sollen die lahmen, armen, Stammelnden Worte dich erreichen! Über die Flecken in deiner Sonne, Über die Zeiten, da der Hellenen Auserkorener Geisteserbe Zu voll des Dankes tiefer, als gut ist, Als germanisches Blut es duldet, In das Himation sich vermummte, Trägt im Fluge mich noch einmal Das entlastete, freie, schlagende Herz; Preisen möchte ich noch die hohe Ruhe, die hinter allen Stürmen Wie im Grunde des Meeres wohnt, Preisen möcht ich die Stille, preisen Möcht ich im leicht erregten, Reizbaren, leidenschaftbestürmten Geiste die Weisheit. Läßt sie im Kreise der Engelheerschar Steil vortreten den argen Schalk, Wechselt der Herr des Himmels selbst, Sicher, daß ihm, dem Weltenlenker, Dienen muß der Verneinungsdämon, Menschlich läßliches Wort mit ihm – Oh, mit so heitrer, heller Stirne Über den bunten Wolkenbildern, Die du heraufführst, über den Drachen, Die aus dem Abgrund du beschwörst, Thront sie, die Lichte, die selig Stille Ruhig, stetig im reinen Blau. Geht der Dichter nieder in dir, Der Weise steigt und zu seiner Rechten, Inniger stets und milder schauend, Freundlicher, nachsichtsvoller lächelnd Herzliche Güte, Menschenliebe. die eingeschlafen war, bei der eintretenden Stille erwacht und sich die Augen reibt. Was gibt's? Was gibt's? Ja so, ja so! Es hat mir nur geträumt, bin froh. Die Geister gingen im Schlaf mir nach, Von denen der Herr so wunderlich sprach, So kurios. Fast wird mir bang, Er möchte am End noch närrisch werden. Ich meine, er sprach auch gar zu lang. Ich hörte ihn ohne Schlafbeschwerden. Ein biss'rl verrückt – du hast schon recht Doch mir gefiel's nicht grad so schlecht, Obwohl ich's nicht so ganz versteh; Erging's ihm schlimm, mir tät's doch weh. Bist endlich fertig? Längst schon war's zuviel; Im Tadel kennst du, jetzt im Lob kein Ziel. stutzend. Bist du denn da? Wie doch entfiel es mir, Daß ich noch immer mich befand vor dir? Ganz ohne Zeugen glaubte ich zu sein, Ich sprach mit deinem Bild allein. So ist es wirklich, zweifle nicht! Ich lobe nicht gern ins Gesicht. Vernommen hab ich deines Lobes Spenden Und soll nun – meinst du doch vielleicht Durch deinen Panegyrikus erweicht Für deine Begnadung mich verwenden? Nein, nimmermehr! Jetzt erst recht kannst du nicht, Du darfst nicht, weil dies Loblied du gehört, Und ich, dem doppelt nun der Stolz es wehrt, Auf jede Hoffnung leiste ich Verzicht. sich abwendend. So geh! Nicht so! Laß mir ein andres Bild von dir! Im Widerwillen scheide nicht von mir! Leb wohl und gib mit zugewandtem Blick Ein freundlich Wort dem Scheidenden zurück! Dann trag ich leichter im Verbannungstal Die angedrohte, unbekannte Qual. Leb wohl und reiche freundlich deine Rechte! die Hand reichend. Leb wohl! Hab Dank! Und nun, ihr strengen Mächte! Ich bin bereit, es komme, was da will. Ich klage nicht, dem Schicksal halt ich still. 6. Auftritt Sechster Auftritt In diesem Augenblick zerspringt mit lautem Knall der Ofen, daß die Kacheln umherfliegen. Aus Gluten tritt hervor. den Unbekannten am Arme packend. Her zu mir! Nach dem Ofen. Vorwärts, meine Schergenscharen! Heraus und packt den Sträfling bei den Haaren! Es schlüpfen aus dem Ofen der Schemen des zweiten Aufzugs mit Fuchs Schwindelhort und Hund Packan, Dr. Marianus, Pater Seraphicus, Ecstaticus und Profundus, woneben noch einige Gestalten im Kirchenrock evangelischer Pastoren. Alle stellen sich auf, zum Angriff bereit. Heraus, ihr wilden, rotgestreiften Katzen, Heraus, mit euren Tatzen Den Frevler zu zerkratzen! Die Katzen des zweiten Aufzugs springen aus dem Ofen und stellen sich ebenso auf. Wie was? Was soll mir das? Das sind zumeist ja meine eignen Fratzen! Die sind ja nicht! Sind nur ein Traumgesicht! Sie sind. Sie selber haben dir souffliert, Du mögest sie, vermeintlich frei, Im bösen Sinn der Spötterei Für deines schlechten Dramas Zweck erdichten, Damit sie dich, von mir nun requiriert, Wie du's verdienest, ohne Gnade richten. An allen Ecken wirst du Feinde finden, In Ost und West, in Nord und Süden brennt's, Dort häuft schon aus dem Stamme dürrer Linden Den Holzstoß eine alte Exzellenz; Die Lutherhasser, die Lessinghasser, Sie haben allwärts Oberwasser; Von deiner eignen Klerisei Sind etlich Herren auch dabei; Und wenn die Schwarzen nicht genug noch schüren, Die Roten werden kräftig assistieren. Doch halt! noch fehlt zum ganzen, rechten Spaße Die Brühe zu den Brocken, fehlt die Masse. Heraus auch du und sei nicht stumm, Schwatzhaftiges Philistertum! Mach Lärm, verdrehe, klatsche, Verstärke noch die Patsche! In der Öffnung des Ofens entwickelt sich aus Rauch und Dampf eine unbestimmte Menge von Philisterfiguren und pflanzt sich zum Angriff bereit neben die andern. Erhebe jetzt das Schlachtgeschrei Zum Angriff, ganze Kompanei! Fort mit ihm zum supplicium! Auf, schleppet ihn mit gaudium Vors heilige officium! Fort, ohne moratorium Schleppt ihn vors Consistorium! Wu wu! Hu hu! Auf! Dem Verräter ins Gesicht! Gekrallt, gekratzt, gebissen! Auf, schleppet ihn vors Volksgericht, Er sei gelyncht, zerrissen! Auf, ganzes Philisterium, Voran die Herrn Pastoren, Schleppt ihn vors Ministerium Und schreit ihm in die Ohren! Die sämtlichen Erscheinungen werfen sich auf den Unbekannten. Getümmel, Gezause. Sie morden ihn noch sicherlich, Derweil verdutzt wir stehen! Ach, Vältl, hilf doch, spute dich! Ich kann's nicht länger sehen. Hätt' ich den Geisterdegen noch! Die Schaufel her! So eile doch! Hast recht, sie hat schon gut getan! Schnell ab. Lauf nur! Du bist zu spät daran! Der Unbekannte wird nach dem Ofen gerissen und verschwindet daselbst mit Mephistopheles nebst der ganzen Meute; man hört noch verworrenes Geräusch vom Ofenloch her, dann Stille. kehrt zurück mit der Malzschaufel. Ach Gott, ach Gott, zu spat, zu spat! Den Donner auch, wie ist es schad! Wie hätt' ich dreingehauen! zu dem alten Herrn. Ach, guter Herr, erbarmt Ihr Euch denn nicht? Könnt Ihr so ruhig zu dem Greuel schauen? Könnt Ihr denn nicht noch etwas für ihn tun? Wir hörten, Eure Stimme hab' Gewicht. Bedenkt, es tut ihm halt ein wenig rappeln. Nun, nun – Der Mensch war schlimm, Ein Isegrim. Er mag nur eine gute Weile zappeln, Doch nicht zu lang. Ich denke seinetwegen Zu rechter Zeit ein Wörtchen einzulegen. Bei einer Frau von wunderbarem Glanz: Der Nachwelt, dieser obersten Instanz; Denn gegen die obskuren Kutten, Die ihm zu schaden sich verquälen, Auch ihm soll es an Ulrich Hutten, An Franz von Sickingen nicht fehlen. Ende.