Johann Heinrich Voß Oden und Elegien 1. Die Rückkehr 1771. Von dem täuschenden Wahn erwacht, Geb ich itzo des Nords Fittichen zu verwehn Die verschmähete Liebe hin. Die Mänade, vom Hauch Evans getrieben, rast Nicht mit brausendem Thyrsus so, So die Pythia nicht, wenn das Orakel ihr Im arbeitenden Busen kocht, Als der raset, auf den Amor den Köcher leert. Hat die Liebe der Grajer Wut Nicht zehn Sommer entflammt? Hat sie nicht Ilions Goldne Türme gestürzet, und Des dardanischen Volks Heldengeschlecht erwürgt? – Ha! wie hat mich die Glut verzehrt! Ha! wie hat sie das Mark meines Gebeins verbrannt, Und die schwindende Haut geschrumpft! Wie ward öfters mein Stolz tief in den Staub gebeugt, Wenn ich meiner Gebieterin Mir verschlossene Thür nächtlich belagerte, Und nicht Regen, nicht schneidenden Hagel achtete, noch stürmender Winde Wut! Jetzt entzückt mich kein Mädchen mehr, Jetzt kein tändelnder Kampf, noch ein ersiegter Kuß; Jetzt entzückt die catonische, Hohe Weisheit mich nur, welche der Liebe lacht, Und, in Schlüssen verloren, mit Stolzgerunzelter Stirn lockende Nymphen sieht. Doch, ach Phyllis! was schielt mein Blick Nach der blendenden Brust, wenn sie den Schleier hebt? Was verfolgt dich mein Fuß, wenn du Unter Blumen entschläfst, oder im finstern Hain, Oder, wenn du errötend in Kühle Fluten den Reiz marmorner Glieder tauchst?