Johann Heinrich Voß Oden und Lieder 1. Auf die Ausgießung des h. Geistes 1769. Der Wald voll Cedern Gottes zittert! Es braust des Jordans hohle Flut! Der Sturm zerreißt die Wolken und erschüttert Jerusalem mit jäher Wut! – Willkommen, seligster der Tage, Verheißen von Jehovens Sohn Den Jüngern, daß nicht ihre Seele zage, Wenn ihr des Todes Schrecken drohn! Der Geist wird auf sie ausgegossen, Und ihre Blödigkeit entflieht; Die Lippe, von des Geistes Glanz umflossen, Tönt Gottes Preis: die Zunge glüht. Es hört die Sprache seines Landes Erstaunt der Kreter, Araber, Der braune Bürger des Cyrenersandes, Der Grajer und Ausonier. Bald fliegt ihr Name zu den Sternen, Wenn ihrer Stimme, fürchterlich Durch Gotteskraft, sich Ottern schnell entfernen, Und Satans schwarze Scharen sich, Und Seuchen in Gehennas Klüfte Sich stürzen; wenn, durch Gottes Schutz Gestärkt, sie Becher voll von Pontus Gifte Verhöhnen, und des Wütrichs Trutz! – O Gott, bin ich in deines Sohnes Geheimnisvolles Blut getaucht, Das ewig an den Stufen deines Thrones Im schauerhaften Dunkel raucht: So höre itzt mein gläubig Flehen! Mit Feuer taufe meinen Geist, Das ihn im Sturm zu jenen lichten Höhen Vom Greuel dieses Staubes reißt! Daß er mit Rüstungen des Äthers Bewehrt, gestärkt durch deine Macht, Den ganzen Trupp des höllischen Verräters Zurückschreck' in die alte Nacht; Und frei vom Kummer, der hienieden Ihn oft in dunkle Schatten hüllt, Die lautre Quelle trinke, die dem Müden In Edens Palmen Labsal quillt!