Hymne Es webt und waltet Ueber den Wassern, Ueber der Erde, Ein unergründbarer, Kaum geahnter, Ewiger Geist In Ruhe. Ihn lobt die Blume, Die zarte auf dem Hügel, Ihn die Quelle, die klare, Und kennt ihn nicht. Ihn lobt der Mensch, Der wunderbare Aus der Umarmung Des Ewigen und Endlichen Entquoll'ne Sohn. Lobt ihn im wallenden Licht Der Morgensonne Im bleichen Dämmern Der stillen Mondnacht; Im weichen Wehen Bebender, flüsternder Blätter, In allem Wogen, Drängen und Schwellen Der ewigen Natur, Seiner Tochter, Lobet und erkennt ihn. Er erkennt ihn, glaubt ihn In seiner Fülle, seiner Ruhe, Den durch sich selbst lebenden, Ueber dem All ruhenden, Alten, wandellosen Geist! Und er beugt sein Haupt, Das stolze, zum Himmel ragende, Flicht um die Schläfe sich Die tiefe zarte Demuth, Die sinnige Viole, Die ihn krönet. Aber kühner blickt er auf, Den Ew'gen in der Brust gewahrend. Ihn trägt die Kraft, Die gottentstammte, Hinan zu ihm, Wie eine Morgenwolke. Er aber ruhet, Der ewige Vater, Der alles trägt, Allliebend. Nieder auf die Erde Ströhmt sein Segen, Reich wie seine Sonne; Denn er liebt sie! Hält die sein Entwöhnte An den Vaterbusen Mit allem, Was auf ihr ist. Ewig ruht er, Der alte Vater, Der alles trägt, Allliebend. Unten aber auf der Erde Haust Zerstörung; Da begegnen sich, Blindwirtend, Feindliche Kräfte, Was in die Luft sich thürmte, Fest und sicher, Dem Ew'gen trotzend, Das stürzet donnernd Der Riesenarm der Zeit zu Boden, Und um die grauen moos'gen Trümmer Den alten, ungeformten Schutt, Wandelt, wie ein Fremdling, Der späte Enkel. Hinaufgestoßen, hinabgestoßen, In schwankender Bewegung, Auf wiegender Woge, Treibet das Lebensschiff; Wellen und Winde Fassen und heben und drehen und wirbeln Endlos durch Strudel, an Buchten vorüber, Weit in die Ferne das Irrende. Alle Werke, Die der Mensch schuf, Sind nicht ewig. Einst goß Auf der Länder eines Seiner ewigen Schöne Unendliche Fülle Der Herr. Da regten Menschenhände Allwirksam sich, Und schufen, bauten, formten, thürmten, Ohne Rast. Lagen am Mutterbusen, Die Schönen, Deiner Natur! Und vermaßen sich Die Kühnen, stark zu seyn, Allmächtiger, Wie du! O daß sie wären Noch die alten Götterfreunde! Noch des Vaters Busenkinder! Weine, Seele, Ueber sie! Denn sie alle Liegen in der Erde. Ueber ihren Gräbern, Wallt traurig flüsternd, Wie ein schüchterner Geist, Der Abendwind Durch Lorbeerblätter, Und der müde Wanderer ruht, Sinnend auf den Säulentrümmern, Den alten, moosumwobnen, Ueber den Gräbern; Und du nah'st ihm, Wie ein lächelnder Engel, Holde Vergangenheit, Und wie ein weinender, Bittere Zukunft! Hört ihr's beben? Schrecken faßt Alles! Hohl dröhnt die alte Mütterliche Erde, Wankend in den Fugen: Wolkenschauer Decken den Mond, Vorüberwandelnd: Aufwallt das Meer, Der starren Felswand kahle Rippen Mit Schaum und Woge schlagend; Furchtbar saust Der heulende Windstoß Durch geschüttelte, rauschende Wälder, Und knarrend, mit gebroch'nem Aste, Stürzt ausgewirbelt, Hinab in jähes Felsgeklüfte, Hinab! Der schwarzen Eiche Riesenkrone! Sturm und Wind faßt Ast und Blätter, Fels und Wogen: Alles springt laut- Donnernd von der Alten Höhe, Stürzt zerschmetternd; Stimmen jammern, Toben, seufzen, Kräfte rasen, Sich zermalmend, Mann an Mann drängt Sich zusammen, Faßt sich tobend, Mordet, mordet! Qualm und Rauch und Flamm' und Staub, Waffen und Eisen, Arm und Arm. Und aus der Erde Steigt ein Riese, Berge reißend Aus Grund und Wurzel, Ueber den Nacken Fliegende Haare schüttelnd, Seine Stimme Durch Wald und Thal, Wie Donner, sendend, Alle Wesen Auf der Erde Zertretend ohn' Erbarmen. Und aus den Wettern Hallt die Stimme: Zittert, Menschen, Zittert vor der Zwietracht Geist! Und aus den Gräbern, Steigen auf die Geister Der Väter, Finstere, große Gestalten, Lange Schatten; Wie Meeresbrausen Donnert ihr Gesang: Fleucht den Riesen! Noch sind eure Berge, Wie einst! Noch sind eure Wasser, Eure Thäler, Wie einst! Nur die Söhne der Berge, Die Söhne der Thäler Sind nicht Wie einst! Es wird der Mensch nur, Was er soll, Durch eig'ne Kraft! Wirbelt hinan Eure Geister Zu ihrem Urquell, Zu ihm, Der webt und waltet, Ueber den Wassern, Ueber der Erde, Ueber allem Bewegten. Ein unergründbarer, Kaum geahnter, Ewiger Geist. Das kann der Mensch nur, Wenn er frey ist! Werdet, Enkel, Wie wir! Auf der Erde Herrscht ewiger Wechsel: Ueber dem Wechselnden Steht der Mensch, Der Bleibende: Denn so will's Der ewige Vater, Der alles trägt, Allliebend.