Epigramme aus Latium Cori Deine Berge sie blühn in parthenopäischer Fülle, Südliche Lüfte, wie froh grüßt' euch mein Auge, mein Herz! Ja, hier bin ich bezaubert, und wär's auch ein Wunder, vom Meere Lockt ja die griechische Fee mich in ihr magisches Netz. Tempel in Cori Bist du des Helden Tempel, der hier dem blumigen Felsen, Einem Elysium hier, Myrthen und Rosen entragt, Wahrlich dann bauten die Grazien dich, zum lieblichsten Denkmal, Daß dir die Göttin den Trank ewiger Jugend gereicht. Monte Cavo Wär' ich vielleicht im Olymp? Hier seh' ich Fabel, Geschichte, Rom, Aeneas, Ulyß und die homerische See, Ist es der Pegasus, der den Wandrer zum Berge herauftrug? Nein! die moderne Welt kommt hier zu Esel herauf. Monte Porzio Stehst du auf Tusculums Höh' in der aufgegrabenen Vorwelt, Suchst du in Trümmern und Schutt Cicero's Villa hier auf, Dann zum Rebenhügel hinab ins lustige Dörfchen, Und wie Cicero bald macht dich Freund Bacchus beredt. Monte Compatri Lob' ich den Blick in das reizende Land, bis zum blauen Oreste, Bis zu Tibur, die Lust schatt'gen Kastanienhains, Wo mich die Nachtigall in schallenden Chören umjauchzet, Oder schau' ich das Gold nur deines Nektars mir an? Carzoli Deine cyclopischen Mauern, die Burg und die maurischen Häuschen, Längst vergaß ich sie schon, häßliches marsisches Nest! Aber noch schaudert mich vor dem Wein, vor Essig und Oele, Deinen Betten und all diesem entsetzlichen Wust. Alba Göttliches bietest dem Auge du dar in Thal und Gebirgen, Hier der Velino, und dort strahlt aus der Tiefe der See! Einst als Gefangener saß der König Syphax in Alba, Mir auch hat es, dem Frei'n, Wasser und Brod nur bescheert. Colli Wohin steig' ich, Italien noch, nicht Helvetiens Wildniß Wär's, wo in Wolken und Schnee stöhnend der Wanderer irrt? Aber noch sind wir im Süden! Es feindet uns zwar die Natur an, Aber dies südliche Volk nimmt's mit den Deutschen nicht auf. Schlachtfeld von Tagliacozzo Thal der Imele, dich grüß' ich! In deinen weiten Gefilden Sank im verzweifelten Kampf unser Heroengeschlecht! Drum verehr' ich dich auch, du bist schön, doch gefielst du mir besser, Hätte Conradin hier, hätte der Deutsche gesiegt. Avezzano Freundliche Hügel umgeben das Dorf, den dankbaren Boden Hat ein fleißiger Schlag südlicher Leutchen bepflanzt. Heimathlich fühl' ich mich hier, und kehr' ich nach Hause zum Heerde, Sagt mir ein Mädchen, dir blüht nirgends ein heimathlich Glück. Fucinersee Drohend umstarren die spiegelnde Fluth apenninische Felsen, Und acherontisches Grau'n schattet ins Wasser herab. Doch Avezzano, es lockt mich zum Strand, ich schweb' auf dem Lethe, Und das lieblichste Kind ladet zum Mahle mich ein. Velino Unerschütterlich glänzt die Schneepyramide zum Himmel, Römer kamen, es kam selber der Deutsche, sie blieb! Ja, sie ist ewig, und wäre sie's nicht, sie stürzte zusammen, Als du die Feldschlacht hier, letzter der Staufen, verlorst! Abruzzesische Räuber Lauert mir nur im Gebirg und schreckt mit Dolch und Pistole, Ziert mit dem blutigen Schmuck glänzender Opfer euch nur. Mich erschrecket ihr nicht, die unsterbliche Gabe der Lieder, Aber kein irdisches Gut hat mir der Himmel verliehn. Classisches in Tibur Jagst du dem Classischen nach, und ist's dem Barbaren Entzücken, Nun so sieh, wie mich hier Vorwelt und Mitwelt erfreut! Ueber der Grotte Neptuns wird gezecht, im purpurnen Becher Spiegelt sich Tempel und Berg, Hain und die Villa Lukulls. Rückkunft nach Rom Seine Beute, die Schätze der Welt, hat der Feldherr, der Cäsar, Dankbar aufs Kapitol einst im Triumphe gebracht, Kronen bring' ich dir nicht, mir mangelt selbst noch der Lorbeer, Nimm meine Lieder dafür, Jupiter Xenius, an! Olevano Erstes Lied Wenn der goldenen Loose mir das Schicksal Eins vergönnte, wenn heitrer Himmel wieder Ueberm Haupt mir die hohe lautre Schönheit Bess'rer Tage verjüngt ergöß', und voller Mir die heilige reine Flut des Lebens Aus der Urne des Gottes ränne, wenn sie Frei vom drohenden Fels, wo sie zerstäubet, Ungefährdet vom Abgrund, dessen Grauen Oft die schäumend bewegte gern verschlänge, Nun im Schatten des jungen Lorbeers und im Süßen Dufte der Rose klar und ruhig, Wellenlos, zu des Friedens Sonnentempel Ihrem Genius folgte, – dann wohl trennt' ich Nimmermehr mich von dir, bis meiner Tage Vollgewachsener Strom ins Meer verrauschte; Dann wohl blieb' ich dir treu, wie seinen Felsen, Seinen Lüften der Adler; meine Freuden Baut' ich kühn mir ins Urgebirg, des Aethers Frischem Reiche vertraut' ich mich, der Menschheit Nur aus neblicher Wolkenferne sichtbar, Ihren giftigen Pfeilen nicht erreichbar, Felsenland der Sabiner, und des alten Volks der Herniker, dir, mein heimlich Tempe, Mein Olevano, treu! Vom hohen Grabe, Das die Sag' als dreitausendjährig Denkmal Des Ascanius ehrt, ist's schön, des Morgens, Im gewaltigen, ew'gen Eichenschatten Hinzuwandern, bis aus Elysiums üpp'ger Waldesfülle, dem Dunkel der Cypressen, Noch vom Pupurhauche der Früh' umduftet, Des sikul'schen Ariccia's busch'ger Hügel Mit der glänzenden Kuppel sich entfaltet. Schön ist's auch von Genzano's sonn'ger Höhe Hier hinunter zu blicken, wo im Schooße Seiner Haine Dianens blauer Spiegel 1 Deine schmachtende sanfte Mild' und Schöne O hesperischer Himmel, wiederstrahlet, Unter Pappeln von Nemi's jähem Fels die Nymph' Egeria sich im Thränenbache Niederstürzt, und den grauen Zeiten heilig, Unterm Cavo der ferentin'sche Hain blüht, Ja der taurischen Göttin grüne Heimat Aus den Fernen der Vorwelt das Geheimniß Holder Fabel der Gegenwart zurückruft, Aber dort des Tyrrhenermeeres Bläue, Wie ein Wunder, homer'scher Geist entwehet, Und die muntre Erinn'rung noch in Circe's Feenwelt und des griech'schen Wandrers spielet. Dennoch suchte die Heimat hier ein ruhig Unzerfallnes Herz nur, deß Empfindung Sanft und tief wie Dianens Spiegel wäre, Das der Freud' und der Wehmuth Schauern leise, Wie dem Zephyr die stille See, erbebte, Dem die Liebe, die erste, heil'ge, schöne, Wie italische Lüfte, rein und selig Noch ins knospende Blumenreich des Innern Allerquickend und tiefbelebend schiene, Dem der scheue Genuß, der zücht'ge, täglich Noch die fliehende Lust mit holdem Wahne Nie vergänglicher Dauer lächelnd täuschte, Das die Qualen der ersten Jugendliebe Nie im Taumel der zweiten und die Täuschung Neu entzündeter, sturmverwehter Flamme Nie im schrecklichen Wagen der Verzweiflung, Nie im dreifachen Brand vergessen wollte, Das noch niemals verloren, dem im tiefen Heiligthume der Seele nie der Altar Und das Bild der befleckten Göttin stürzte, Dem noch Leben und Liebe so gefahrlos, Ungerührt vom Orkan, im linden Dufte Weiter Ferne, wie des Tyrrhenermeeres Ruhig liebliches Bild von dort erscheinet. Solche Herzen erfreuten Cynthia's Haine, Und die blühende Schattenwelt Ariccia's. Meine Seele, die schon das Glück des Friedens Wie die schweigenden Ufer der Diana Nun das glückliche Fabelreich, verloren, Meine trauernde Seele haucht nur Wünsche, Nur Erin'rungen, Seufzer, Klagelaute, Dort hinüber, wo sie nur längst Entfloh'nes, Der Vergangenheit einsam weinend suchte. Deine Felsen, die zeitgetroffnen, aber, Mein Olevano, sind's, wo sich der hohe Düstre Geist der Natur mit ernsten Schauern Seiner Einsamkeit gerne mir befreundet, Finstre Wälder des Apennins, in deren Melancholischen Schluchten über Trümmer Niederschäumend der Bergstrom tos't, in deren Blitzgespaltenen Wipfeln oft der Wind ein Lied hinhaucht, das, verwandt mit meinen Leiden, Meinen Schmerzen, wie wilde Geisterliebe Mir ertönet, das ich versteh' und kenne, Dem antwortend sich Stürm' in meiner Seele Heulend regen, o Wälder, euch erwählt' ich Mir zur Heimat! in eurem Grün vernähm' ich Keinen menschlichen Laut, nur des Naturgeists Ewig Sausen und Weh'n, nur selten hallte Ferneher der Gesang des Ziegenhirten Aus dem Thal, zu der Pfeifen rohem Spielwerk, Das, nach Sitte der Väter, der Campagna Volk erfreut, und auf luft'ger Felsenspitze, Wenn der blühende Wald sich lichtet, stünd' ich Plötzlich, und in den Lüften hängen wie der Leichtgeflügelten Vögel wind'ge Heimat, All' die Dörfer umher, dem Auge Staunen Und Verwundrung erregend – Civitella's Nackte schaurige Höh'n, sie lockten mächtig Mir das stürmische Herz, und frischer Bergwind Bliese wild mir durchs Haar, die Wolken zögen Nah um's Haupt mir, die fels'ge Pyramide, Mein Olevano, graut' empor, und ungeduldig Zitternd schweifte der Blick, der alten Volsker Vielgestaltig Gebirg, die Schlösser all' und Luft'gen Dörfer entlang, bis fern, wo dämmernd Unter Latiums wollustvollen Hügeln Sich Velliträ erhebt, das rebengrüne. Hier, wenn mir's der Olympier einst vergönnte, Hierher flüchtet' ich mich und jenes wen'ge Noch von Hoffnung und karger Lebensfreude, Was vom Schiffbruch des Lebens mir geblieben. Fußnoten 1 Noch nennt man den See von Nemi lo Specchio di Diana. Zweites Lied Doch nicht immer der Berge melanchol'sche Wälderschauer, der Felsschlucht altes Dunkel, Wo des Räubers Auge dem Wandrer lauert, Und der fliegende Dolch so manchen Busen Von den Qualen des Lebens schon befreiet, Doch nicht immer des Bergstroms ödes Brausen Und des Sturmes Gespielen, jene Wipfel Uralt rauschender Bäum' und jene Pfade, Die nur selten das Maulthier keuchend wandelt, Wären meine Gesellschaft. Menschen suchen Gerne Menschen. Erhab'ne Geister freilich, Schöpferische, die Herrscherthrone stützen, Völkern, oder den Sternen, des Gedankens Unergründlichem Werk, ja selbst dem Gotte Den er denkt, des Gesetzes Ordnung geben, Die das All und was in ihm ist, bis zu der Pflanze treibendem Keim, die weite Schöpfung, Die lebend'ge, mit ihrem Geist, mit Anfang Selbst und Ende, die Alles, was im Raume, Alles, was in der Zeit geschieht und lebet, Zaubrern ähnlich, in Zahl und Chiffern bannen, Geister auch, die des Bildes ew'ge Schönheit Aus dem Marmor mit Schöpferfreiheit rufen, Als ob längst sie vollendet in der rohen Ird'schen Masse geschlummert, und nun herrlich, Wie die Seele dem Körper, ihr entstiegen, Ferne wären sie mir. Doch wie die Sonne, Der unendliche Lichtquell, alles Lebens Heitre Mutter, die Schatten auch erzeuget, Folgt dem Genius auch des Schwarzen, Dunkeln, Allzuviel, und der karge Neid, die grimme Eifersucht und der Bosheit Schlangentäuschung, Alle Martern und Leiden einer kühnen Ruhmbegierigen thatenlust'gen Seele, Nie mehr träfen sie mich; treulose Herzen Und eidbrüchige Freunde würfen nie mehr Tödtlich Gift in die Quelle, die kastal'sche, Wo ich schöpf' und den ernsten Musen opfre; Haß und Kleinmuth bekränzte mir den Altar, Wo die Flamm' ich entzünde, nicht mit Dornen, Statt mit Rosen und süßer Myrt' und Lorbeer; Vor dem Grauen der schicksalsheil'gen Furien Furchtsam zitternd, verbärg' ihr süßes Antlitz Mir die fliehende, scheue Grazie nicht mehr; Lieblich wäre mein Lied alsdann und lauter Wie italischer Aether; meines Lebens Milde sinkende Sonne göss' in diesen Sanften Himmel des Liedes ihres Abends Schönstes, glühendstes Gold; besänftigt ruhte Nun im friedlichen Glanze meiner Leiden Endlos Meer, die beschwornen Stürme schwiegen, Und in Blüten des neuen Frühlings sänge Nun die Nachtigall. Wenn die Nacht sich nahte, Stiegen nicht die Gespenster mehr der Todten Leichenbleich aus den Gräbern; still erschiene Mir die Sonne der Schlafenden, der Träume Zücht'ge Göttin; die Stätte, wo sie ruhen, Die Geliebten, umduftet' eine Klarheit, Wie von jenseits zur Erde niederdämmernd. Mein Begleiter, mein Freund und Umgang aber Wäre doch nur Homer; denn wie ich ferne Von der Mitwelt und ihrem Wuste lebte, Möcht' ich auch nur der Kinder und der Helden, Nur der Weisen und Götter Sprache hören! Einsam wäre ja dann und schlicht und kräftig Auch mein Leben, so wie mein Lied; am Quelle Treuer heil'ger Natur säß' ich, in ihrer Unerschöpflichen Flut mich täglich badend, Jeden Flecken vertilgend, und in immer Voll'rer schön'rer Gesundheit wachsend, säh' ich Zur unsterblichen Jugend schon mich reifen; Ruhig kehrt' ich in Platon's Arme wieder, Ein Enttäuschter, zurück, der ich die Wahrheit Irrend außer mir sucht', und, wie sie schweigend Mir im Busen gewohnt so lang' nicht wußte. Freudeschauernd begrüßt' ich Diotima's Seherlehre zum erstenmale wieder, Von den Schmerzen der Wanderung genesen, Von der Liebe der Körper und der Seelen, Von der Sehnsucht der unvollkomm'nen Schönheit. Die zum Menschen uns lockt, zum ersten Anschau'n Allvollendeter, geist'ger, ew'ger Schönheit, Die in Gott ist, die reine Seele wendend. Drittes Lied Kehrt' ich müde von Fels und Berg nach Hause, Schlüge freilich kein liebend Herz dem Wand'rer Ungeduldig entgegen; von der Treppe Meines friedlichen Hauses streckte freilich Mir die Arme kein treues Weib zu, freudig An die züchtige, keusche Brust mich drückend, Wo ein blühender Säugling hellen Auges Uns anblickte, wie wenn er schon der Mutter Schalkhaft lachte, daß sie den Vater küsset. Schweige stille, mein Herz, laß ab, mit Bildern Dich zu martern, die nur dich dran erinnern, Was du bitter auf immer hast verloren. Doch nicht gänzlich ohn' alle Lieb', ohn' allen Menschlich freundlichen Blick verflössen mir die Stillen Tage. Des Hauses muntre Kinder Wären gerne bei mir: denn gut und menschlich, Kindern freundlich, ist in des Lebens Stürmen Stets mein Herz doch geblieben, wie's die falschen, Bösen Zungen der Menschen auch verleumdet. Alle liebten sie mich; ich schenkte diesem Spielwerk, jenem erzählt' ich ein Geschichtchen, Ja ich scherzte mit ihnen, heute führt' ich In Kastanienhaine sie und morgen Zu den Höhen voll Feigen und Oliven. Kehrt' ich Abends zurück, so spränge jubelnd Rafaello mir zu, der wilde Knabe, Sich mit Jauchzen um meine Füße klammernd, Oder riefe Demetria mich zum Schutze Vor des Brüderchens Ungestüm; das eine Brächte Feigen auf grünem Weinlaub, jenes Frischen stärkenden Wein aus der Campagna, Und Melonen voll süßen Markes, einen Blumenkorb, den sofort die ältre Schwester, Scheuer gegen den Mann, und dem Geheimniß Des Geschlechtes schon nah, ihm still entwindet, Und mit feinerem Sinn der Blumen schönste Wählend, weiblich verschämt, mir durch des rohen Bruders Hand zum Geschenk ein Sträußchen sendet. Treulich sorgte die hohe schöne Mutter – Frisch und jugendlich noch, wenn auch der Sohn ihr Auf den Gipfeln der Serpentara muthig Jagend streift, noch ein Kind am Busen nährend, – 1 Für den einsamen Gast, damit kein Ding ihm Zu des Lebens Bequemlichkeit entgehe; Rüstig käme der Vater auch und scherzte, Lacht' und nennte mich einen finstern Träumer, Einen Sonderling, den die Nacht des Waldes Mehr erfreu' als der Menschen lustig Treiben, Dem die Stirne zu frühe sich gefaltet, Der mit Grillen sich plagt', und mahnt', die Schwermuth Mit begeisterndem Weine zu verscheuchen. Dann ergriff' er der raschen Kinder eines, Schwäng' es lachend empor, und setzt es nieder, Und entlief', ein Geschäft im Hause, flüchtig, In der Vigne, im Garten zu besorgen. Doch am liebsten das greise Haupt des Alten Säh' ich an, wenn im Kreis der muntern Enkel Seine Seele sich freut, wenn er des Knaben Unart wehrt, und dem Arm der hohen Mutter Oft den Säugling entnimmt, damit sein Händchen In den silbernen Locken spiel'; und Abends, Wenn der Geistliche kommt, der alte, ernste, Spricht man traulich von Krieg und Menschenelend, Wann die Kinder entschlummert, und erzählet, Von der Herrlichkeit Roms, und von den Fremden, Die bis hieher gepilgert, und der Schönheit Dieser Zaubernatur und von den Räubern, Die den Wanderer drohn, und ihrer Mordlust, 2 Vom Ertrage der Ernt' und der Oliven, Und vom Herbste der Feigen und des Weines. Manches mischt auch der alte Pred'ger über's Alterthum ins Gespräch, und redet kundig Von den Spuren der Römer, und den Resten Längst vergangener Zeit; ich aber schild're Tausend Dinge, die ich, die Welt durchpilgernd, Einst gesehn und bewundert, Völkersitten, Land und Meer und entfernte Städt' und Reiche, – Tief im Herzen das traur'ge Schicksal bergend, Das mich quälend von Ort zu Ort getrieben! Fußnoten 1 Serpentara nennt man einen öden Felshang bei Olevano, der sich allmählich gegen das fast in den Wolken schwebende Civitella erhebt. Vielleicht daß er von den Schlangen den Namen hat, welche in dieser Wildniß nicht selten sind. Er war dem Dichter ein Lieblingsspaziergang; denn der Wechsel der malerischen Ansichten des Aequergebirges, besonders aber der Volskerkette, ist unbeschreiblich mannigfaltig. Diese himmlischen Berge sind nach Zeichnung und Form, vorzüglich durch die stete Folge von Licht, Schatten, Duft, Violett, Azurblau, und bei gewissen Beleuchtungen durch die reizendsten Regenbogenfarben wohl die allerschönsten, welche der Dichter gesehen. Für den Landschaftsmaler ist hier eine unerschöpfliche Ausbeute zu finden. 2 In jetziger Zeit sind die Räuber in den päpstlichen Gebirgen zwar nicht häufig, und man kann das Latium, auch das Sabinerland sicher durchwandern. Aber es sind kaum sechs Jahre her, daß eine gewaltige Bande in den Bergen von Olevano hauste. Ich hörte die abenteuerlichsten Historien. Bekannt ist auch in Deutschland der Raub des Malers, welchen die Briganti mit einem Grafen verwechselten, den sie abführen wollten. Sie richteten den äußersten Unfug in der Gegend an. Kein Mensch war des Lebens mehr sicher. Vor den Dörfern bei hellem Tage ertönte das furchtbare faccia a terra, welches sie dem Wanderer zuruften, während sie die Muskete auf ihn anlegten. Don Leonardo Prattesi, ein alter Geistlicher, in dessen Haus ich wohnte, erzählte mir, daß er einmal einen Spaziergang vors Dorf hinaus gemacht, und ein Buch in der Hand gehabt. Unversehens sieht er etliche Dutzend Räuber in aller Behaglichkeit vor dem Angesicht der Olevaneser die Weinberge und Feigengärten heruntersteigen und Pfähle ausreißen. Der alte Herr erschrack nicht wenig. Die fürchterlichen Menschen gingen geruhig über die Straße, grüßten den halb todten Prediger mit einem freundlichen: Buon giorno, ser zi prete! (zi für zio, Oheim) und zogen die Vigne hinunter. Die Carabinieri lieferten ihnen kleine Bataillen, richteten aber nichts aus und hatten große Furcht vor ihnen. Viertes Lied Eine Stunde des Tages aber weiht' ich Dir, o Loggia! Des Morgens, wenn die Sonne 1 Aus den Hernikerfelsen, überm kahlen Sanft umdufteten Haupte des Serone 2 Sich erhüb', und die Purpurflamme glühend Um Olevano's Häuserpyramide Höh're Schönheit ergösse, säß ich längst schon Auf des Hauses Balkon, an dem das Weinlaub Schwellend volle Gewinde hoch emporrankt, Ueberquellend vom Geist des Freudengottes Schon die Traube dem süßen Lichte zulacht, Wo in mächtigen Blättern aus der Mauer Mit der reifenden Frucht die Feige vorgrünt, Saftig schon die Citrone lacht, die goldne, Die Melon' ihr Gewächs zur Erde senket, Und zur Seite der einsamen Cypresse, Aus dem Busche die Goldcitrone blinket. Helle säh' ich die wind'gen Schlösser blinken, Sähe Rocca di Cavi, morgenheiter Der Capranica Burg, Kastanienhügel 3 Führten nun mir den Blick in der Campagna Bunte, schimmernde Gründe weit zur Ferne, Bis wo durch die Elysiumshaine Cavi's Palestrina der Schattenpfad sich nähert, 4 Zu der Volsker Gebirge, Cavignano, Bis zur Scurcola und Anagni's Tempe. 5 Und die volle Erinn'rung schweifte manchmal In mein Latium hin, das ewig theure, Zu den Hainen Albano's, zu Gandolfo's Klarem, erlenbekränzten See, zu Nemi's Altem, dunkeln Dianenwald, Genzano's Meeresaussicht, und zu des Monte Cavo, Weltbeherrschenden Haupt, wo oft mein Auge Von Oreste, von Tibur's Paradiese 6 Das unendliche Meer bis zu der Circe Fernem, bläulichen Vorgebirg', hinunter Zu Parthenope's Zauberinseln schaute, Schweifte gerne zum rebenvollen Hügel, Wo die Stadt der Lavinia, fabelheilig, Drei Jahrtausende bald sich schon im Lichte Des hesperischen Himmels sonnt; sie schweifte Nach des ewigen Frühlings Wollusthainen, Frascatanischen Gärten zu, und bliebe Träumend stehn an der Einzigen, der Hehren, Unaussprechlich Erhab'nen, deren Kuppeln Aus der Schwermuth und Oede der Campagna Einsam ragen und doch die Welt beherrschten. Einst auch so auf dem Hausbalkone saß ich, Unstät irrte mein Auge von dem Maulthier, Das den Bergpfad herauf der träge Führer Der rothwammsige, nach des Thores grauer Wölbung führte, hinweg in weite Fernen: Lange mocht' ich wohl so hinüberschauen, Den Gedanken folgend, die gleich den Wolken Manchmal über die schöne Erde schweben, Und im fliegenden Wechsel bald verwehen, Als mein Blick nach Olevano's Terrassen Aus der Ferne zumal sich kehrt; und siehe, Drüben, wo sich am Fels das Dorf emporhebt, Da gewahr' ich auf hoher Loggia schöne, Farb'ge Frauengestalten, eine aber Ragt vor allen hervor an Wuchs und Hoheit Und an Jugend, an reicher Tracht und Kleidung. Weiß, in reizendem Faltenwurf erglänzt das Busentuch, um den Nacken sanft sich wölbend; Albanesische Sitte, weiß der Schleier, Blendend weiß das Gewand auch, Rosenbänder Und viel andere zieren Brust und Arme, Groß und königlich anzuschauen ist sie, Dienerinnen nur dünken mir die andern; Nieder aber von des Balkones Höhe, All die schönen Olivenhaine, die den Fuß des Felsens mit Silbergrün bedecken, All die Fülle der Feigen und Kastanien Und die farbigen Gründe der Campagna Ueberblickte sie, zu der Volsker fernen, Violetten Gebirgen dann sich wendend. Und mir däuchte – warum? ich wüßt' es deutlich Nicht zu sagen – ein Weib aus grauen Zeiten Aus homerischer Welt zu schauen, sei es Nun Andromache, die von Priams Beste Ueber Ilion's Eb'ne blickt, wo Hektor Mit den Danaern kämpft, sei es die schöne Königstochter Antigone, die ängstlich Mit der Sklavinnen Schaar von Thebens Mauern Niedersieht in das Feld, wo sich der Sieben Waffenglänzendes Heer zum Sturme nähert. Also königlich war sie anzuschauen, Jene Frauengestalt im weißen Schleier, Und im weißen Gewand und Busentuche; Nur ein Punkt in der weiten Felsenlandschaft, Schien sie doch mir die Herrin all des Landes. Einsmals blickte sie auch zu mir herüber, Und in düsterer Träume Nebel senkte Sich die Seele mir ein. Da schlich Cechino, Mein Begleiter zuweilen durch die Berge, Sich heraus, und die Schulter mir berührend, Weckt' er mich aus dem Traum. »Siehst du hinüber,« Fragt' er lachend, »wo auf der hohen Loggia –« Nein, erwidert' ich, rasch empor mich hebend, Eben däuchte mir, daß sich über'm Monte Artemisio vom Meer her ein Gewitter 7 Nahen wird, und so laß uns eilig vorher, Eh' es kommt, auf die Serpentara wandern. 8 Fußnoten 1 Loggia nennt man in Italien die Balkone, deren fast jegliches Haus einen hat. Häufig sind sie auf dem Dache. Meine Loggia in Olevano ist einzig in der Welt. 2 Der Monte Serone, zum Hernikergebirg gehörig, liegt östlich von Olevano, ist sehr hoch und öd, und von einer ausgezeichnet schönen Zeichnung. Auf ihm hielten sich lange die Räuber auf, und man konnte sie von der Loggia meines Hauses aus droben umhergehen, spioniren, Feuer machen und schießen sehen. 3 Capranica und Rocca di Cavi sind ungemein hochliegende Dörfer auf den Gipfeln des Aequergebirgs westlich von Olevano; Rocca di Cavi sieht man von den sieben Hügeln aus. 4 Palestrina, das alte Präneste, ist nur zwölf Miglien von Olevano entfernt, aber verdeckt durch die Aequerberge. 5 Lauter Berge und Städte sind östlich von Olevano. Besonders lieblich ist die Lage Palignano's, und hinter ihm Anagni's. Es zeichnen sich unzählige Gründe und Hügel in den mannigfaltigsten Linien übereinander her, und die Beleuchtung wechselt fast jeden Augenblick, so daß sie bald in glänzender Farbenfrische vor uns blühen, bald in einen elysischen Fernduft zurückschweben. 6 Die Aussicht auf dem Cavo ist unermeßlich. Westlich die Campagna und Rom, nördlich und östlich die Gebirge vom Sorakte an, das Sabinerland, das Gebiet der Aequer, Herniker und Volsker, die meist beschneiten Hörner des Apennins, die pontinischen Sümpfe südlich, das Vorgebirg der Circe, das Homer für eine Insel hielt, wie jeder Reisende aus der Ferne, westlich und südlich aber die ungeheure Meeresfläche. Die Hälfte des Horizonts ist hohes Meer. Zudem die entzückend schönen lustvollen Umgebungen des alten Vulkans, die unsägliche Fruchtbarkeit und Fülle der Natur, die Seen von Nemi und Albano, Genzano, Civita Lavinia, Rocca di Papa, Marino, und ferne die vielen Seestädte so ergreifenden Andenkens. Da denkt man denn nicht mehr an den Rigi, undankbar und ungerecht wie man ist, und sieht sich nur im Land der größten Geschichte, der lieblichsten Fabel, der süßesten Natur. 7 Der Monte Artemisio von unvergleichlich zarter Bildung nach dem Charakter der Albanerberge liegt westlich von Olevano. An seinem Fuß das alte Velliträ, jetzt Velletri. 8 Diese Gedichte sollten sich in einer größeren schwermüthigen Reihe ausdehnen, und zuletzt sollte mitten unter den Zaubern dieser italischen Bergnatur das Bild des Vaterlandes aufdämmern, und ein zärtlicher Abschied von ihm schließen. Das war die Absicht des Dichters, während er lange in tiefer Abgeschiedenheit in Olevano lebte. Die abenteuerliche Laune des Schicksals aber unterbrach ihn. Lieder der Nazarena Erstes Lied Ja, gesteh' ich's, deinetwegen Bin ich, schöne Nazarena, Im Olivendorf geblieben. Daß von allen süßen Töchtern Weit umher in Civitella, In Sanct Viso und Serone, In Roviati und Subiaco, Den Sabinerbergen allen Du die schönste bist, es sagen's Alt und Jung, und Frau'n und Männer, Doch am meisten sagt's mein Auge, Sagt's mein Herz, wie schön du bist. Fremdling, ich verstehe wenig Deine Sprache, willst du aber Meiner spotten, meiner höhnen, Wisse denn, in unsren Bergen Waltet strenge Zucht und Sitte, Unser armes Herz gilt wenig, Nur der Vater gilt, gehorchen Muß ich blindlings ihm, und tändeln Wie mit Römerinnen, darfst du Nicht mit uns, o glaube, tödten Würde mich der böse Vater, Darum, Fremdling, spotte nicht. Kind, du kennest nicht mein Leben, Nicht mein Herz und nicht sein Schicksal Kennst ihn nicht, der so verwegen Dir von Lieb' und Schönheit plaudert, Und auf immer unverständlich Möge dir sein Geist auch bleiben. Aber o vergönne, daß ich Mich dir näh're, daß ich trete In dein Haus, wie in den Tempel, Und die Nemesis hat keine Macht mehr über mich, und sicher Bin ich, Kind, an deinem Herd. Du erschreckst mich, Worte sprichst du Schlimmen Sinnes, die zu fassen Mein Verstand nicht reicht, o Fremdling! Gut erscheinst du mir und redlich, Drum laß ab, mit dunkeln Worten Mich zu schrecken, zu verschüchtern. Ach ich will dir wohl, doch muß ich Meines Vaters Härte fürchten, Sprich mit ihm, die Tochter kann dir Nichts gestatten, nichts versprechen. Liebst du mich, so geh zum Vater, Aber, Fremdling, spotte nicht. O wie könnt' ich dein begehren! Kenntest du mein Seelenleiden! Schon zu alt bin ich, um tändelnd Mich mit leerem Wahn zu täuschen, Noch zu jung, um deines Auges Wilde Strahlen nicht zu fühlen, Zu geprüft, um noch zu hoffen, Zu verwegen, um zu fürchten, Zu erfahren, um zu trauen, Und zu weich, um nicht zu lieben, Lieben möcht' ich dich, besitzen, Nazarena, kann ich nicht. Fremdling, meinem Ohre klingen Deine Worte wie ein Räthsel, Und ich darf dich so nicht hören, Denn vielleicht wär's eine Sünde. Kommst du meine Ruh zu stören Ueber's Meer in unsre Berge, Mich mit Worten zu bestricken, Deren Sinn ich nicht verstehe –? Ich gehorche meinem Vater, Seinem Willen muß ich folgen, Liebst du mich, so geh zum Vater, Aber, Fremdling, spotte nicht. Zweites Lied Jeden Tag an meinem Hause Seh' ich dich vorüber wandeln, Kaum bin ich am Webestuhle Früh des Morgens, sieh da kommst du Schon herauf die Felsentreppen, Und nach meinem Fenster schielet Stets dein Aug', und freundlich grüßend Gehst du weiter, sage, Fremdling, Sage, was ist dein Begehr? Jeden Tag an deinem Hause Muß ich wohl vorüberwandeln, Schon bist du am Webestuhle Früh des Morgens, wenn ich komme, Und dein Engelsköpfchen lächelt Durch das Fenster und dein Auge Schielt nach mir und freundlich grüßend Nickst du: sage, Nazarena, Sage, was ist dein Begehr? Gestern kaum nach Sonnenaufgang, Als ich noch dich schlummern dachte, Und im Felsengarten draußen Blumen für die Mutter Gottes Abzupflücken ging, da sahst du Schon zu unsrem Fels herüber, Und erkanntest aus der Ferne Mich so gut, und winktest, glaub' ich, Sage doch, was denk' ich mir? Gestern kaum nach Sonnenaufgang Als ich noch dich schlummern dachte, Warst du schon im Felsengarten, Weil du wußtest, daß der Schlummer Frühe mich verläßt, und sahest Schon von deinem Fels herüber, Und erkanntest aus der Ferne Mich so gut, und grüßtest, glaub' ich, Sage, Kind, was denk' ich mir? Ja und was geschah! Ich dachte Nicht an dich, da hör' ich leise Hinter'm Gartenbusch den Bergweg Einen Tritt herauf, es flüstert, Und ich schau, wer ist's? Vor'm Garten Draußen an dem Feigenbaume Stehst du schon, mit süßen Worten Einen guten Tag mir wünschend, Sage, wie versteh' ich das? Wahr ist es, ich eilte hurtig Den Olivenberg hinunter, Und den Fußpfad hin gelangt' ich An den Garten, und ich zische, Und du schaust heraus und grüßest Herzlich mich, und lispelst leise: Hier entdeckt man uns, zu Hause Wart' ich dein in einer Stunde; Sage, wie versteh' ich das? O du kannst dich nicht verstellen: In der Messe drauf, 's ist Sünde, Saßest du in meiner Nähe, Und anstatt daß du gebetet, Sahest du mich an, ich schämte Mich vor all' den vielen Mädchen, Und war froh, als sie geendet, Aber ach – du folgtest eilig; Wie entschuldigest du dich? O du kannst dich nicht verstellen: In der Mess', in meiner Nähe Knietest du, denn vor dir kam ich, Und du sahst mich an: erröthen Mußtest du, und wie du schöner Bist als alle, warst du schöner Als du selbst in dieser Röthe, Und ich folgte dir – du wolltest's; Wie entschuldigest du dich? Kannst du läugnen, daß du Briefchen Mir geschrieben, und mit Blumen Ein Sonett geschickt, und hab' ich Eine Antwort dir gegeben? Sagst du nicht an jedem Tage, Morgen scheid' ich, übermorgen Bin ich schon in Rom, und immer Bleibst du hier, o Fremdling, läugne, Läugn' es nicht, du bist mir gut. Wahr ist's, daß ich dir geschrieben, Doch ich weiß auch, daß du Antwort Mir gegeben, wenn du anders Schreiben könntest – und so läugne Du mir nicht, daß du mich batest: Bleibe hier, und wenn du scheidest, Kehre wieder, und auf lange, Und dann nimm mich hin auf immer; Nazarena, läugnest du's? Drittes Lied Aber eines, Nazarena, Könntest du mir nun gewähren: Wir sind ganz allein; die Mutter Draußen sitzt sie auf der Treppe; Menschen sind Verräther, Tauben Sind es aber nicht und Hühner, Und so sollst du etwas denn, Meine Taube, mir gewähren. Was auch wolltest du besond'res! Alles darf die Mutter wissen; Doch ich weiß nicht, was du möchtest, Und was könnt' ich dir wohl geben? Nichts vermag ich, eingekerkert Wie ich bin; was kann ein armes Mädchen von Olevano Deinem Wunsche dir gewähren? Orvietto's Wein, Genzano's Goldne Traub' ist süß und herrlich, Aber meiner Lippe schmeckte Süßer noch der Kuß der deinen; Drum, mein Liebchen, neige hurtig Mir vom Webestuhl herüber Deines Mundes Lieblichkeit, Eilig, eh die Mutter störet. Was verlangst du? Nein, ich könnte, Könnt' es nicht, und es ist Sünde, Denn der Pred'ger hat's verboten. O Madonna, wie vermöcht' ich's In der Beichte zu bekennen, Und was sagte mir der Priester? Welche Buße – nein, ich kann So was Böses nicht begehen. Kind, ein Kuß ist keine Sünde, In der Beichte nicht zu sagen, Und du weißt es gut, dein schalkhaft Lieblich Lächeln, es verräth dich. Zaudre nicht, o Nazarena, Sei nicht falsch, denn wohl bemerkt' ich's, Wie du heut der Nachbarin Blondgelocktes Bübchen küßtest. Ei, mein Freund, ein andres ist es, Einen Mann, ein Kind zu küssen. Endlich könntest du mir zürnen, Daß ich meinen Heil'gen küsse! Still, mein Freund, es ist verboten, Und es sind auch eitle Possen, Nazarena darf es nicht, Ehe sie dein Weib geworden. Wohl denn, wenn du nur dem Heil'gen Einen Kuß vergönnst, so will ich Dir zu Lieb' ein Heil'ger werden, Wenn die Welt auch Grund genug hat, Noch dafür mich nicht zu halten, Will ich's klar dir doch beweisen, Denn ich will ein Wunder thun – Ohne Kuß von dir zu gehen. Viertes Lied Und du scheidest! – ach ich fürchte, Schon in Palestrina hast du Nazarenens Bild vergessen, Und die Schönheit Roms und deiner Reizend holden Römerinnen – Sicher, daß sie's alsobald Dir aus Herz und Seele tilgen. Nein lebendig, wie dem Schiffer, Der allein auf schwachem Balken Irrte durch des Meeres Wüste, Nie das Bild des grünen Eilands, Wo er Rettung fand, verschwindet, Wird Olevano mir treu, Ewig in der Seele schweben. Besser wär' es wohl, du Lieber, Wenn du ganz herüberzögest; Schön ist's ja in unsern Bergen, Wie's die fremden Wandrer rühmen, Könntest hier auch dichten, lesen, Träumen, schreiben, und du wärst Nazarenen doch nicht ferne. Liebes Kind, mein Schicksal will es, Daß ich nun zum Capitole Und den großen Plätzen allen Meiner Lieb' und Schwermuth wandre! Doch wenn auf der Serpentara Wieder die Kastanie grünt, Dann, mein Leben, kehr' ich wieder. Ach du kehrst nicht mehr, ich ahn' es, Eine wohl der schönen Frauen Wird dein Herz in Liebe fesseln. Denn gewiß, du hast der Mädchen Viele schon gehabt. Ich warte Dein umsonst: der Frühling kehrt, Aber du, mein Herz, nicht wieder. Sei nicht bange, Nazarena! Unter Roms, Albano's Frauen, Selbst am Blumenfest Genzano's 1 Unter all' der schönen Jugend, Hab' ich dennoch keine Schönheit, Hab' ich doch kein Angesicht Wie das deinige gesehen. Aber zu gering den Wünschen Deines Herzens möcht' ich scheinen: Schlicht nur nach der Berge Sitten Trag' ich Halstuch, Band und Schleier; Meine sechzehn Lenze sind mir Nur im Garten, am Kamin Und am Webestuhl verflossen. Darum frisch und unverdorben Bist du immerfort geblieben. Dein Geschlecht – im Rausch der Städte Längst verlernt' ich es zu achten, Und aus Irrthum, Wust und Täuschung Nun zur lauteren Natur, Nazarena, kehr' ich wieder. Aber ach, du sagtest gestern, Große, große Wanderungen Ueber's Meer hinüber, glaub' ich, Wolltest du auf's Jahr beginnen. O mir graus't es vor dem Meere, Wenn ich's oft so weit und hoch Von der Serpentara sehe. Nach dem Eiland der Cyklopen, Nach dem Aetna und den Trümmern Siracusa's und Girgenti's Möcht' ich wohl hinüberschiffen. Aber sicher, süße Seele, Kehr' ich über's schöne Meer, Wenn die Traube reift, zurücke. Und dein Vaterland? du wolltest Deine Lieben nimmer sehen, Deine Mutter, und die Vielen, Denen du im Herzen wohnest? O gewiß, du möchtest alle Wiedersehn; und wenn du gehst, Was ist dann mit Nazarenen? Kind, von einer Welt, die liebend Einst an dieser Brust gehangen, Ist mir nichts fast übrig blieben; Nur der Vater, nur die Mutter Ist noch mein durch Götter Gnade, Und ein schönes Herz noch, sonst Wünsch' ich mir kein Wiedersehen. Fußnoten 1 Am 21sten Juni lockt das Blumenfest in Genzano die Bewohner der ganzen Umgegend, ja sogar von Terracina und von den Seestädten, besonders auch die Fremden in Rom an diesem Wohnsitz des ewigen Frühlings zusammen. Dieses Fest ist einer begeisterten Dichterschilderung an anderm Orte werth. Für uns Nordländer scheint es eine Fabel, ein Märchen zu sein. Die Straßen sind von den schönsten Blumen übersäet, mit welchen alle möglichen Zeichnungen, Tempel, Gärten, Altäre, Wappen, Arabesken und Ornamente auf der Fläche ausgeführt sind. Auf ihnen wandelt die Prozession zur Kirche. Alles stürzt auf die Kniee. Die großen Schönheiten Albano's und dieses ganzen glücklichen Landstriches, Profile, deren Hoheit und Charakter an Niobe erinnern, die überaus reiche und reizende Tracht dieser antiken Frauen, die vielen andern Kostüme vom Meer her, welche orientalischen Geschmack haben, die Gesundheit, Fülle, Kraft und Frische in diesem weiblichen Heldengeschlecht, der Jubel den ganzen Tag über, die angefüllten Straßen, die tumultuarischen Osterien, die Bekannten die man findet, der köstliche Wein, nahezu der beste im ganzen Kirchenstaat, und vorzüglich die elysäische Natur, die immergrünen Eichenhaine, die Pappelufer des Sees von Nemi, die herrliche Meeraussicht – das alles kommt zusammen, um einen solchen Tag unvergeßlich zu machen. Fünftes Lied Horch! es läutet, gehst du heute Nicht zur Messe, willst du immer Bei mir bleiben? Traun es wäre Hohe Zeit, die Mutter mahnte, Noch hab' ich mich nicht gewaschen, Meine Haare nicht gerichtet, Meine Kleider für die Kirche Nicht gerüstet hab' ich sie. Nun so laß mich gehn; ich fühle Kopfweh heut; die Luft ist heiter, Und ich bin in übler Laune, Besser ist's, daß ich im Freien Mich erfrische, mich erquicke, Drum zur Vigne will ich gehen, Reife Feigen mir zu suchen, In die Messe geh' ich nicht. Höre, Lieber, laß mich's offen Dir gestehn, daß mir im Herzen Sich ein großer Zweifel reget: Bist du auch ein Christ? – du lächelst – Denk', die Leut' im Dorfe sagen's, Daß du einmal in der Messe Nicht gekniet, dich nicht bekreuzet, Als die heil'ge Glocke klang. Wohl, mein Kind, gib dich zufrieden, Glaub', ich bin ein Christ; ich habe Wohl das Glöcklein nicht gehöret, Denn ich bin oft in Gedanken; Und so sollst du's heut denn sehen, Wie ich meine Andacht thue, Denn zur Messe will ich gehen, Wenn nur du gewiß nicht fehlst. Sechstes Lied Ja, so laß es uns bestellen, Besser ist's, ich bin im Kloster Als in meines Vaters Hause; Nimmer kannst du hier mich sehen, Denn der böse Vater zürnet, Ach! und Feinde hast du mehr Als du weißt, in diesen Bergen. Halte treu an dem Entschlusse, Deiner wart' ich denn im Kloster: Hätt' es nimmer mir geträumet, Daß mein Liebchen Nonne würde. Gut ist es, des Vaters Zürnen Zu vermeiden, doch warum, Sprich, hab ich der Feinde viele? Viele schon, und wohl ein Dutzend Haben mich zum Weib begehret, Aber welche mir gefielen, Die gefielen nicht dem Vater, Und die er gewählt, ich mochte Sie nicht leiden, alle nun Macht die Eifersucht zu Feinden. Drum mit seinem Willen wirst du Niemals eines Mannes werden, Und so laß denn im Geheimen Einen Liebesbund uns knüpfen; Glaub', ich kenne Welt und Menschen, Glaube, Mädchen, wer nicht täuscht, Wird dafür getäuscht von andern. Aber, lieber Freund, ich fürchte, Allzu eng sind Klosterbande; Uns zu sehn, und uns zu sprechen, Schwierig wird es sein; die Nonne Bleibt im traurigen Gemache. Ach mir bangt, es wird uns nicht Glücken, wieder uns zu finden. Ohne Furcht, mein Kind, es findet Das Geheimniß eines Briefchens Eingang auch ins Nonnenkloster; Doch die holde Kunst zu schreiben Sei die erste, die du lernest; Liebe, die da sprechen lehrt, Liebe lehrt gewiß auch schreiben. Und so geben denn die Heiligen Ihren Schutz dir auf die Reise; Nimm zum Pfande meiner Treue Diese Hand, du darfst nicht weilen, Denn sie lauern dein und trachten Böses – warte mein in Rom! Lebe wohl! Auf Wiedersehen! Gedichte aus Latium und den Sabinerbergen Abschied von Olevano Leb' wohl, du unvergeßliches Felsendorf, Leb' wohl! Mit heiter scherzendem Lied nicht mehr Will ich dich preisen, wie's den Kindern, Göttern und Glücklichen ist gegeben. Der leichte Scherz, der flüchtig im Sommertag Dem Schmetterling vergleichbar die Blumen neckt, Ist nicht mein Erbtheil, anders lenkt' es Jener zerstörende Geist, den schauernd Im Lebenskampf mein glühendes Herz erprüft. Gefährlich ist's zu spielen; die Nemesis Ist eine ernste Macht, die Charis Fliehet vor ihr in das Reich der Kindheit. Was dein Beginnen, armes getäuschtes Herz? Ziemt es dem Krieger mitten im Graun der Schlacht, Dem Schiffer in des Meers Orkanen, Bilder der Heimat, der Ruh' zu nähren? Den aus des Paradieses verlorner Lust Der unversöhnte zürnende Gott gejagt, Ziemt's dem, die süße Frucht zu wünschen, Deren Genuß ihm den Tod bereitet? Still, Herz, dein wartet Rom! noch empfängt dich heut Sein uralt Thor, und größerer Herrlichkeit Schwermüth'ge Reste wirst du schauen, Schäm' dich des wen'gen, das du beweinest! Und dennoch einmal, einmal noch kehrt mein Blick Sich rückwärts, wo der wallende Nebeldunst Und milde Morgenwolken röthlich Mir mein Olevano schon umziehen. Ist's nicht, als wär's der dampfenden Erd' entrückt? Versteh' ich dich, o Geist der Natur, hinfort Wär's nimmer möglich, wär's vorüber, Wäre verschwunden für mich auf ewig? Und was auch hofft' ich, glücklich zu sein, und es Zu bleiben für und für, o verwegner Wahn! Mir reifen keine Früchte; Blüten, Aber hesperische, sind mein Alles. Ach freilich süß war's, menschlicher Irrthum nur, Was ich geträumt. Noch tief in der Schattenwelt Hofft ja der Todte, seine Qualen Mit der Erinn'rung der Freude nährend. Nach finstern Tagen bricht aus dem Nachtgewölk Oft noch ein hold wehmüthiges Abendlicht, Und mancher schon am Rand des Grabes Lächelt und spricht noch vom Glück der Jugend. O wer nur einmal irrte! Zu schön, zu tief, Zu wahr ist doch die Täuschung, zu herb und leer Die Wahrheit, und in Wolk' und Nebel Bildet den Bogen die sanfte Iris. Darum ist's dir nicht Schande, mein Dichterherz, Wenn du dem theuren Felsen, dem gastlichen, Und dem noch Theurern, was dir droben Athmet, noch einmal voll Liebe zuweinst! Das sei der Opfer letztes und zärtlichstes, Hinfort laß ab von Hoffnung, du kennst dein Loos, Dein Glück, dein kurzes Zauberleben Flieht mit dem fliehenden Bild der Berge. Und Wiedersehn? Sie hofft' es, versprach es ja, Doch ach, sie kennt den glücklichen Träumer nur, Kennt den Erwachten nicht, so lebe Wohl, o Geliebte, die Götter geben's! Lieder der Untreue Erstes Lied Bald, Geliebter, schickt der Vater Mich nach Rom ins Nonnenkloster, Täglich bitt' ich ihn, es bittet Täglich auch die gute Mutter, Endlich naht das Wiedersehen, Endlich von Olevano Scheid' ich, und vielleicht auf immer. Könnt' ich, schöne Nazarena, Deine Hoffnung dir erfüllen, Jene Träume, die ich spielend Mit dem Feuerhauch der Sehnsucht Dir im Herzen aufgeblasen, Deren Süßigkeit und Glut Ich verwegen mit dir theilte. Hab' ich mich nicht, mein Geliebter, Ganz dir anvertraut? Die Heimat, Unsre Felsen, unsre Berge, Gern verlass' ich sie, die einz'ge Tochter bin ich meiner Eltern, Dennoch folg' ich dir, mein Herz, Wenn nur du getreu mir bleibest. Gutes Kind, du füllst mit Wehmuth Und mit Reue mir die Seele! Soll ich meine Schuld bekennen? Gleich der sommerlichen Raupe Spann ich mich in deinem Herzen Traulich ein, als Schmetterling Muß ich nun ins Weite fliegen. O was hör' ich, wär' es möglich? Hätt' ich wohl dein Wort verstanden? Dich verlör' ich, und entfaltet Hier in dieses Herzens Wärme Flögest du davon, du ließest Mich am traur'gen Webestuhl, Und du zögst in andre Länder? Was vermöcht' ich dir zu sagen, Ohne schmerzlich zu bereuen, Was ich blind an dir verschuldet, Ohne schmerzlich zu empfinden, Was ich dir und mir verschwiegen, Was ich dir und Ihr gethan, Dir und Ihr gebrochen habe. O was sagst du, mich betrogen Hättest du, die ich ins Kloster Dir zu Liebe gehen wollte, Die ich träumte mit dem Herbste Meiner Liebe Frucht zu ernten. Heimat, Eltern, Vaterland, Selbst die Sprache dir zu opfern? Nenn' es nicht Betrug, und willst du, Ach, so sage lieber, daß ich Dieses eigne Herz betrogen Mit dem schmeichlerischen Wahne, In des Südens goldnen Lüften In den Schlummer es gelullt, Draus die Schuld es nun erwecket. Guter Himmel, nach so langen Schweren Zweifeln doch verrathen? O was wird die Mutter sagen? Wie das ganze Dorf mich schmähen, Wie die Mädchen meiner spotten, Ach und wie mein armes Herz Seinen süßen Wahn beweinen! Tröste, schöne Nazarena, Tröste dich, noch ist's im Dunkel, Und wir sind noch nicht geschieden; Aber höre, wenn ich fühle, Daß ich doppelt mich verschuldet, Sei es eine schöne That, Die mich doppelt auch entsühne. Zweites Lied Deutsches Liebchen. Wilhelm, ach so lange Jahre Hab' ich deiner nun gewartet, Meine Freuden dir geopfert, Meine Schmerzen dir verziehen, Meine Seelenangst besänftigt, Hing so lang, so treu an dir, Und du liebest eine andre? Sagtest du in schönen Zeiten Nicht so oft, in deinen Augen, Liebes Herz, ist meine Liebe, Wie im Meeresgrund verschwommen. Meintest du damit die Thränen, Die ich weine, sättigt sich Deine Liebe nur in Thränen? Was hab' ich um deinetwillen Nicht ertragen und erduldet; Nur um einen Kuß den Jammer Meiner Mutter, deiner Feinde Grimmen Haß auf mich geladen, O wie treu hab' ich geliebt, Und du liebst nun eine andre? Hab' ich nicht den Schimpf der Bosheit, Nicht die Schmähungen der Rache, Nicht Verleumdung und Mißhandlung Dir zu Liebe still erlitten, Nur geweint in meiner Kammer, Und an dich gedacht, erfreun Deine Liebe denn nur Thränen? Selbst die Eifersucht, ich habe Sie für dich bekämpft, ertragen, Daß so oft der großen Freundin Fürchterlich Geschick und Leiden Selbst in meinem Arm dich schreckte, Trug es willig, blieb dir treu, Und du liebst nun eine andre? O ein Wort, ein Blick genügte Mir für all' den Seelenkummer, Niemals hab' ich ja gefordert, Daß du zum Altar mich führest, Nur gehofft hab' ich's, gewünschet Im geheimsten, und geglaubt, Deine Liebe trockne Thränen. Meine Ruhe, meinen Frieden, Hab' ich für dich hingegeben, Nur gezittert, wenn von Ruhmgier, Künft'gen Thaten du gesprochen, Nur gebebt, wenn so gewaltig Sich dein Geist erhob, doch treu Bin ich immer dir geblieben. Alles hab' ich dir verziehen, Wie sie auch dich mir verleumdet, Wild und gottlos dich geschildert, Nur dem Guten, nicht dem Schlimmen, Hab' ich fromm geglaubt, du konntest Irren doch nicht freveln, nicht Deine Lieb' in Thränen weiden. O zuweilen meint' ich freilich, Daß zwei Seelen in dir wohnten, Allen bösen Höllengeistern Sei die ein' anheim gefallen. Doch die andre gut und menschlich, Diese liebt' ich, blieb ihr treu, Und du liebst nun eine andre? Wilhelm, laß mich denn die letzte Sein von deinen armen Opfern! Was kann ich noch thun? Zu lieben, Du vergönnst mir's nicht! Vergeben Will ich dir! Fang' endlich einmal An zu lieben, bleib' ihr treu, Und vergiß nun meine Thränen. Drittes Lied Ja, mein Kind, ich fühl's mit Freuden, Was du einmal mir gewesen, Und mit Schmerz und bittrer Rene, Was du noch mir bist, von allem Menschlichen bist du das Liebste Mir, das Göttlichste, von allem Göttlichen das Menschlichste. Nur ein einfach schlichtes Wesen Bin ich, von den hohen Dingen, Die in deinem Munde schweben, Bin ich nichts, ja selbst das wen'ge, Was ich bin, und was ich habe, Dank' ich einzig nur der Liebe, Hab' ich einzig nur von dir. Hättest du von mir auch alles, Kraft und Fülle der Gedanken, Alles Gold und alle Perlen Dieser Erde, dennoch hätt' ich Höh'res noch von dir, der reinsten Unerschütterlichsten Liebe, Und der frömmsten Treue Bild. Ist's ein Wunder, daß ich liebe, Daß ich dir nur leb' und athme? Ist's ein Wunder, wenn das Veilchen Treu im Sonnenschein sich freuet, Liebt die Lüfte nicht der Vogel, Nicht die Biene süßen Honig, Und das Herz Unsterblichkeit? Und ich konnte dein vergessen, Konnt' im Zauberduft des Südens, Konnt' auch in Hesperiens Wollust Dem Sirenenliede folgen, Konnte deinem treuen Herzen, Meinem deutschen Liebchen konnt' ich Also lohnen mit Verrath? Wußt' ich's ja, du bleibst mir immer Bleibest gut, es hat die Einfalt, Hat mein niedrig Bild, die Schwäche, Mein befangner Geist der Größe Deines Roms nicht halten können, Du vergaßest mich ein wenig, Denn die Heimat liebst du nicht. Aber dich! Mein Kind, du hörtest Schon von alten kühnen Helden, Daß ein Zauber sie umfangen, Bradamante schien vergessen, Und ich bin kein Held, ein Sänger Bin ich nur, der gern von Helden, Lieber noch von Liebe singt. Ach ich armes Kind vermag ja Keinen Lorbeer dir zu geben, Nur mit Myrtenkränzen kann ich, Nur mit Küssen dich beschenken, Und im Drang nach größern Dingen, Unter Roms Ruinen denkst du Freilich nicht ans Liebchen mehr. Schweifend über Berg und Meere, Durch der Länder weite Strecken, Im Geräusch der Städte, Fremden Stets ein Fremder, lernt' ich kennen, Wie ein liebend Herz zu ehren, Mit der Heimat unversöhnbar, Was du dem Verbannten bist. Wär' ich's ihm, vor Freude weint' ich, Aber was wohl fänd' er jetzt noch In dem deutschen Mädchen? Ehre, Ruhm ist höher dir als Liebe, Meine Jugend nahmst du längst schon, Arm ist nur mein Kopf, an Leiden Und an Lieben reich mein Herz. O hör' auf, geliebte Seele, Mich mit deiner sanften Demuth, Deiner Herzenskraft und Schöne Mich vor dir in Staub zu werfen. Ich verachtete die Menschen, Treulos nannt' ich sie, und blieb doch Einem Engel selbst nicht treu. Viertes Lied Aber willst du deinem Liebchen Wirklich wohl, warum denn hast du's So allein zurückgelassen? Ach, du bist so gut und freundlich, Und so grausam doch, so wenig Schontest du in deiner Stärke Meiner Schwäche, meiner Furcht. Als ich Knabe war, da floh ich Meines Alters Kinderspiele, Und dereinst in Ruhm und Ehre Groß zu werden, träumt ich einsam, Und die Stadt zu sehn, wo dieser Erde mächtigste Gebieter, Romulus Geschlecht geherrscht. Aber mußtest du die Heimat Denn so frühe schon vergessen? Freilich ist sie dir verbittert, Deinen Haß verdienten viele, Doch ein Herz, voll heißer Liebe, Schwach und treu, verzehrt im Stillen Um den wilden Wandrer sich. Sähst du diesen blauen Himmel, Diese goldnen Abendlüfte, Diese süßen, duft'gen Berge, Diese Haine, diese Meere, Sähst du von des Mario Höhen Roma's Riesenbild, gewaltig, Wie ein Berg, St. Petri Dom – Dies Hesperien mit der Fülle Lachender Orangenhaine, Diese herrlichen Ruinen Aus der Vorwelt, dieses Lorbeers Stolzes Grün, nach dem dich lüstet, Und das schönste noch – die theure Reizende Sabinerin! Böses Kind, du willst dich rächen, Und die Züchtigung verdien' ich; Doch du weißt, wie unbefriedigt Sinn und Geist mir strebt; es reiften In der Flamme der Begeist'rung In des Herzens Brand Gedanken Und Entwürfe, gleich dem Gold. Und die Ruhe suchst du außen In des Lebens raschen Kreisen, Wunderbarer, Unzufriedner! Könnt' ich dir mit einem Kusse Meines Herzens sanfte Stille In die Lippen hauchen, stürbe Mit dem Kuß mein Leben auch! Laß, o laß, mein holdes Liebchen, Diesen Wahn mir, glücklich bin ich Einzig, wenn die Welt mich ehret, Nicht für dieses Leben leb' ich, Nur dem Ruhme nach dem Tode; Wollt' ich dir nur angehören, Müßt' ich fast ein Engel sein. O mein Freund, zuweilen schaudr' ich, Hör' ich deinen Namen nennen, Deinen Ruhm und deine Kränze, Deine Lieder muß ich fürchten, Nur mit dir, mit deinem Herzen Bin ich glücklich, groß und herrlich Wünscht' ich nie dich, aber treu. Trüg' ich doch in meinem Busen Deine Einfalt, deinen Frieden, Deine schön begränzten Freuden, Aber ach, mir ist's nicht möglich. Ruf' dem Adler in den Lüften, Gib dem Jüngling seiner Kindheit Unerwachten Sinn zurück. Ja, zu kühn ist's, dich zu lieben, Deinesgleichen bringt ein Mädchen Mit dem ersten Kuß sein Alles, Seel und Leib zum ew'gen Opfer, Ihr vermögt nicht treu zu bleiben, Aber unsre Kraft ist Liebe, Und die Treu ist unser Ruhm. Fünftes Lied O wie gern, mein zartes Liebchen, Macht' ich dich zu meinem Weibe; Zwar ich bin noch jung an Jahren, Aber ziemlich alt am Herzen, Bin allein, der Freunde viele Hab' ich, aber keinen Freund, Und doch wünsch' ich noch mir Liebe. Ja, wie wollt' ich dann dir leben, Deine Tage fröhlich machen, Deinen stillsten Wunsch erfüllen, Deinen Willen nur befolgen, Deine trüben Launen tragen, Und zufrieden sein, wenn du Nur ein herzlich Wort mir sagtest. Aber Kind, des Capitoles Nun so tempelloser Hügel, Und des Forums heil'ge Reste, Und der sieben Berge Schwermuth, Und des alten Tibers Strömung, Raffael, und der ihm gleicht, Dieser milde reine Himmel! Welch ein Himmel, o Geliebter, Blühte dir in unverdorbner Häuslich frommer Still', im Arme Deines Weibes, groß und mächtig Sieht Rom's Welt dich an, doch leider Ist von allem dem nichts dein, Nur dein Liebchen ist dein eigen. Aber bin ich nicht ein Sänger, Der die Leier auf der Schulter, Allenthalben nach dem Schönen, Nach dem Herrlichen muß pilgern? Hier im Süden sing' ich freier, Und unsterblich einst zu sein, Soll das ew'ge Rom mich lehren. Aber glücklich dich zu fühlen, Liebster, könnt' ich es dich lehren, Komm zurück in deine Heimat, Deinen Liedern lausch' ich, alle Weiß ich treu dir herzusagen, Keiner liebt sie ja, wie ich, Wenn ich auch dich selbst mehr liebe. Denke, daß Girgenti's Tempel, Daß des Aetna rauchend Schneehaupt, Der Cyclopen Fabelinsel Und die schönen Nachbarmeere, Daß ich noch Odysseus Eiland, Und das theure Griechenland Nicht begrüßt, gesehen habe. Morgens weckte schon mein Kuß dich, Und du wärst im eignen Hause, Wohlgepflegt vom eignen Weibe, Wärst in Reinlichkeit und Ordnung, Ja, ich hülfe dir im Dichten, Und geduldig ließ ich mir Tage, Nächte lang dictiren. Sagtest du ein Wort der Wahrheit, Schön und gut, voll Herz und Seele, Dann umhalst' ich dich, und dankte Dir mit wahreren Gefühlen Als die kalte Welt; den Dichter Fürcht' ich noch in dir, doch dann Müßt' ich, wie dich selbst, ihn lieben. Säh' ich deine Stirn gerunzelt, Wollte dir der böse Dämon, Wie du's nennst, das Herz beschatten, Dann umschläng' ich dich, mit Worten Und mit Scherzen dich erheiternd; Bin ich auch an Worten arm, Hab ich doch ein Herz voll Liebe. Wärst du müde von der Arbeit, Dann für deine Ruhe sorgt' ich, Könntest mir am Busen schlafen, Alles macht' ich dir bequemlich, Und du müßtest selbst gestehen, Besser sorgt ein Weib für dich, Das dich liebt, als deine Welschen. Wolltest du allein sein, ließ ich Dich in tiefer Stille, wartend, Bis du selbst mich riefst, und endlich, Liebster Mann, laß mich's bekennen, Müßt' ich auch vor dir erröthen, Brächt' ich dir ein lächelnd Kind, Das dir ähnlich ist, entgegen – Schweige, Liebchen, solchem Glücke Schmilzt mein Herz, und trauernd such' ich, Wo du sei'st, doch wie die Lipp' auch Nach der deinen brennt, so sind wir Für den Kuß uns doch zu ferne, Laß mich in der Einsamkeit Nicht zu sehr mich einsam fühlen. Stille Gärten grünen drunten Vor dem Fenster mir, es schweiget Alles hier, denn Rom ist stille, Und im morgendlichen Dufte Schau'n die Trümmer der Cäsare Nur mich an, ich denke dein, Aber, Kind, mit welcher Liebe? Sechstes Lied An die Sabinerin. Dein gedenk' ich, Nazarene, Wenn das Schiff mich nach dem Eiland Theokrits, auf griech'sche Erde, Nach der Heimat des Ulysses, Ueber's weite Meer entführt. Aber unsre Wünsche schwinden Oft wie Rauch dahin; der Frühling Er erfreut, und wir genießen Wohl den Balsamduft der Blüten, Doch die reifen Früchte nicht. Glüht uns auch die volle Traube Schon entgegen, lechzt der Gaumen Nach dem Trunke, so entführet Uns der Gott im Sinnenrausche Den gebornen süßen Wein. Nie mehr soll ich denn die Felsen, Nimmermehr die Feigenhügel, Luft'ge holde Schattenwege Der Kastanienhaine, nimmer Mein Olevano mehr sehn? Nimmermehr der Serpentara Rauhe wilde Wand besteigen, Nimmermehr die schönen Berge Tief im Lichtblau eines sanften Mädchenauges lächeln sehn? Weil sie meinem Leben drohen, Und mich hassen, wie den Pluto, Der dem blumenvollen Enna Mit verwegner Kraft die schönste Schäferin hinweggeraubt? Sei's denn, liebe Nazarene, Ob wir auch uns wiedersehen, Ob du mit dem Nonnenschleier Auch vertauschest deine farb'ge Feenhafte Zaubertracht, Eine Schuld doch muß ich sühnen, Eine andere begehend, Einer meine Treue brechend, Einer andern sie bewahrend, Beiden meine Reue weihn. Zwar die Schönste bleibst du immer Deines reizenden Geschlechtes, Zwar vollkommner malte Sanzio Nie ein Weib, und nie Correggio Einer Grazie Wunderbild. Doch es gibt ein Herz voll Liebe, Voll Geduld und Treu und Langmuth, Wie's in seiner geist'gen Schöne, So lebendig, leidend, fühlend, Ariosto nicht besang. Alles schuld' ich ihm, vor allen Dieses Herz! Ich kann's nicht theilen, Und damit nicht seine Leiden Ueber unsern Frevel kommen, Sag' ich dir mein Lebewohl! Die Muse Noch bin ich nicht allein, wenn auch mein Herz Den Menschen längst verlor, den einst so heiß, So lang geliebten, und vom bunten Kreis Des Lebens und der Gegenwart zur Nacht Und Einsamkeit und in den finstern Graus, Zu Trümmern einer fernen Heldenzeit, In deine stille wilde Felsenwelt, Die grünen Haine, die verlaßnen Höhn, Die lichtbeglänzten, Apeninn, entfloh; O dennoch bin ich nicht allein, noch blieb Mir Eine Freundin nach so trüber Zeit Von Allen, Allen, die ich einst geliebt, Die einz'ge noch, die Treue mir bewahrt. Ach nur mit heißen Thränen, mit dem Schmerz, Der letzten Liebe, Freundin, nenn' ich dich, Erhab'ne, die dem Stammelnden ja schon Dein hoch uranisch Angesicht gezeigt, Dem Schüchternen, der noch dich nicht verstand, Und dennoch, wenn auch irrend, dir geglüht, Dem Jünglinge, der deine Gottheit nur Im allverwüstenden Orkan gesucht, Nicht zürntest du ihm, du vergabst ihm gern, Du großes Herz! Als Alles mein noch war, Da schien's, als liebtest du mich weniger, Und als ich Alles nun verlor, da warst Es du, die Alles mir ersetzt. Als mich Das Sterbliche verließ, da zeigtest du Das Ew'ge mir; als ich verzagt war, gabst Du Muth und Kraft mir in's gesunkne Herz; Als ich auf Erden nichts mehr fand, worauf Vertrau'n, eröffnetest du mir die Welt, Die nie betrügt; als mir die Gegenwart Zur Nacht geworden, führte mir dein Geist Das holde Mondlicht der Vergangenheit In meines Lebens düstres Reich zurück, Und wecktest, wenn auch nur im Silberduft Der Mondnacht, einen neuen Frühling mir, Und liehst der Nachtigall die Zaubermacht Ihr Weh zu klagen in die Einsamkeit. Und als auch die Vergangenheit zu eng Mir ward, da lüftetest den Schleier du, Den schicksalsvollen, der die Zukunft deckt, Und zeigtest mir den weiten Ocean, Den ungemeßnen, wo die kühne Schaar Der Ruhmbegier'gen unter Klipp' und Sturm Auf unfruchtbarer Woge schwankend kämpft, Und ließest mich im magisch fernen Duft Das neue Eiland sehn, wo spät vielleicht Nach langer Irrfahrt mich die Ruh' empfängt. O Muse, was verdank' ich dir, was bin Ich ohne dich? Ich denk' es nicht, weil ich Mich ohne Seele ja nicht denken kann. Das All, was wär' es ohne Gott – die Welt Des Lichts beraubt? und das Lebendige Der heil'gen Luft? – was ohne Mutterbrust Der Säugling, und was ohne Frühling wohl Das Veilchen, und das ungestillte Herz Wohl ohne Hoffnung der Unsterblichkeit? Du älteste der Genien, die du warst, Noch eh' die Welt war, die dem Schöpfer du Die Elemente scheiden halfst, daß sie Nach richt'ger Weis', in schöner Harmonie Sich flohn und liebten, daß die Welten selbst In streng gemeßnem Gange wandelten, Du Geist der Urwelt, dessen schaffend Wort Im Reich des Seins beherrscht, was auch sich nur Mit gleichem Maß gebildet, Ton und Wort Und menschliche Gestalt – das all' ist dein! Ein sprachlos Kind war selbst die Weisheit einst, Du öffnetest ihr Herz und Mund, du warst's, Die einst dem Sichtbaren die Zagende Mit himmlischer Gewalt entriß, und kühn Sie durch die Welt des Geistigen geführt, Du gabst ihr Muth und Licht, und wenn sie oft So hoch von allem Irdischen hinweg Gestrauchelt, hohe Lehrerin, da nahmst Die Schwankende begeisternd du hinein In deinen Aetherwagen und im Schwung Der Winde trugst du durch den Himmel sie. Du lehrtest sie die Sprache, sie zum Glück Der Menschheit auferziehend, und dein Hauch, Der schöpferische, gab der Schülerin Die ersten heiligen Gedanken ein. Und sanft bescheiden, wie du bist, hast du Der Undankbaren nicht gezürnt, als sie Im Wechsel der Jahrtausende vergaß, Was sie dir dankt, das sie im Uebermuth Und eiteln Eigendünkel endlich ganz Von ihrer hehren Schwester loß sich riß, Kein Platon mehr, von eurer Lieb' erfüllt, Auf Einer Opferschal' im Tempel auch Die Flamme der Begeisterung erhielt, Da hörtest dennoch du nicht auf, wenn auch Geschmäht vom Wahnwitz jener Rasenden, Zu segnen das entartete Geschlecht. O wär' ich deiner würdig, wär ich's auch Nur halb, langmüth'ge Göttin, der ich mich Beschämt nur näh're. Ja, gesteh' ich's dir, Zuweilen, wenn von der Cäsare Burg Aus Riesentrümmern über's alte Rom Mein Auge schaut, erscheinst du furchtbar mir, Und nicht vermag ich's, deiner Stirne Glanz, Dein ewig ruhig Antlitz anzuschau'n, So groß erscheinst du mir, so niedrig ich. Und dennoch, Freundin, wenn dein milder Geist Mit süßem Licht die weite Wölbung hin Im Pantheon der Dämmrung sich vermählt, Da scheinst mit ernstem stillen Tiefsinn du Auch mich zu rufen, und getröstet tritt Dein Jünger aus dem alten Götterhaus. Hab' ich ja deine Huld geprüft, wenn auch Ein Undankbarer, fühl' ich's ja so lang Im Innern mir, wie du besel'gen kannst, Wie du mein Alles bist, und weiß ich's ja Nun erst so unaussprechlich, da mir nichts Von so unendlich vielem übrig blieb, Bin ich ja doch so reich durch dich, so fest, So duldsam, standhaft in des Unglücks Nacht, So sicher auch am Abgrund. O vergib, Vergib dem Frevelnden, der Opfer nur Zu viele hab' ich dir gebracht, das Letzte selbst, Was mein noch war, gelassen, ganz mich dir, Von allen Banden frei, zum Dienst geweiht. Schau nicht auf das, was hinter uns, ich kann Sonst nicht bestehn, zu wenig ist's, und nichts Ganz deiner Würd'ges, was ich that; sei mir, O Freundin, ach nicht Freundin noch, sei mir, O Göttin, gnädig – Dank, Unsterbliche, Dank bring' ich dir nur mit Unsterblichem.