Die achtzehnte Fabel. Von der Nachtigall und dem Sperber. Es sang die liebe nachtigall Auf eim baum, daß im wald erschall, Auf einer buchen singen tet, Da sie ir nest mit jungen het. Dasselb ein sperber ward gewar, Floh hin, wolt sie auffreßen gar. Die mutter bat; er sprach: »Wil nit Ir schon, du singst mir denn ein liet.« Die nachtigall hub an zu singen, Daß tet im weiten wald erklingen, Sang mit dem maul; ir herz fürwar Betrübt und ser beengstet war. Der sperber sprach: »Das ist geklagt Mer denn gsungen, drumb mirs nit bhagt.« Fraß ire jungen; da sies sach, Ein scharpfes schwert ir herz durchstach. In dem ein vogler kam geschlichen, Het sein leimruten fein bestrichen, Darin der sperber blieb behangen. Die nachtgall sahe, daß er gefangen Und von dem vogler ward bestrickt: Da ward ir herz zum teil erquickt. Wer hat gefürt ein böses leben, Dem wird ein böses end gegeben, Und wer mit unrecht zwingt die frummen, Mag zu keim guten ende kummen. Bilch ists, daß solchen also get, Gleich wie im psalm geschrieben stet, Daß dem, ders frommen nicht verschont, Mit gleicher bzalung werd gelont, Auf daß die, den unrecht geschehen, Sich freuen, wenns ir feinde sehen, Daß in wird wider heim gebracht Das leit, welch sie selb hetten gdacht Auf die unschuldigen zu brengen, Selb bleiben in dem strick behengen.