Die sechsundachtzigste Fabel. Vom Ochsen und einem Wider. Der wider, geborn von einem schaf, All sein genoßen übertraf: Ein starker schelm und böser tropf, Der trug zwei hörner auf seim kopf, Die waren knorrecht, rund gebogen, Zun seiten umb den kopf her lagen. Darauf er sich trutzlich verließ, Die andern all zu boden stieß, Es weren geisböck oder wider, So warf ers in eim stoß darnider. Derhalben sich gar hoch aufmutzt, Zu ser auf seine sterke trutzt Gleich einem ber und wilden tier. Legt sich in kampf mit einem stier Und widern selben feindlich kriegt; Gedacht: ich hab vor stets gesiegt, Stoß in auch in eim hui zur erd, Daß er meinr sterk auch innen werd! Und sich bald an den ochsen rieb. Derselb ein wenig steen blieb, Zorniglich bei im selber dacht: Wer hat dich jetzt so trutzig gmacht? Und auf den wider gar ergrimt Ein starken dapfern zulauf nimt. Im ersten stoß also erschreckt, Daß er all viere von im streckt, Das blut im aus der nasen schoß, Sein ghirn im umb die oren floß. Wie er das spiel verloren sach, Sterbend er zu im selber sprach: O we mir groben, tollen narren, Daß ich mich leget an ein farren, Dem ich nit gleich erschaffen bin; Mein sterk und leben fert dabin! Wer nit seim ding tracht weislich nach, Vermißt sich in der erst zu hoch, Derselb auf halbem weg erligt Und oft den spot zum schaden krigt. Ob du ein gringen kanst erlegen, Soltu dich drumb nit bald erwegen, An einen größern dich zu reiben, Sunst wird er dir den geil eintreiben; Es ist vil beßer, erst besinnen, Was deine schultern tragen künnen. »Ein schiflin klein«, wie Naso sagt, »Das sich aufs kleine waßer wagt Und auf eim engen teich kan schweben, Sol sich drumb nit ins mer begeben.«