Die einunddreißigste Fabel. Von der Spinnen und Podagra. Gebellius ein fabel schreibt, Die auch denen ist eingeleibt, Welch erst Esopus hat gemacht, Auch ander mer nach im bedacht. Weil sie nun ist dermaßen gstellt, Daß sie mir im latein gefellt, Wiewol sie es tet nit gar gern, Hat dennoch teutsch must reden lern. Es war einsmals ein kluge spinne, Voll weisheit und gar scharpf von sinne, Die wolt aufhörn von irem weben Und sich hinaus ins felt begeben, Daß sich ein wenig möcht erquicken. Eilend tet sich zu wege schicken. Wie sie sich nun im gang umbsach, Sich, da folgt ir von ferne nach Die podagra zu beiden seiten Und sprach: »Gesellschaft wöllest beiten! Mich dunkt, du wilt meins weges wandern, Gut ists, wir reisen mit einander.« Sie zohen beid zusammen hin Zu einem flecken, lag für in. Sie bschlussen mit gemeinem rat, Ein jeder solt gen in die stadt, Der erste wirt, so im für kem, In mit im in sein bhausung nem, Dem wolt er folgen williglich. Bald mit der kürz begab es sich, Ein reicher bürger ongefer Sprach zu der spinnen: »Kom du her, Ge mit mir heim, ich teil mit dir, Was Gott und glück han geben mir.« Die spinn zohe hin, tet fleißig schauen, Hoch an eim balken wolt sie bauen, Daselben ir geweb ausbreit. Die hausmagd war von stund bereit, Wo sich die spinn zu weben regt, Mit einem besem sies wegfegt, Und ward ir da kein stett vergunt, Da sie urlaub zu bauen fund; Und kunt also die arme spinne Im weiten hause nichts beginnen, Das da möcht bleiben unberört Und ir die hausmagd nit zerstört. Sie het kein fried im ganzen haus: Man jagts zu allen türen aus. Dagegen auch die podagra Ward irer herberg nit fast fro: Kert ein zu einem armen baur, Der macht dem gast sein leben saur. Als er zu abent eßen solt Und sich seins leids ergetzen wolt, Da ward ein trucken brod sein speis, Das war zwar nicht wie sämel weiß; Weist in darnach zum küpferling, Sprach: »Wenn dich dürft, daselb aus trink.« Wie nun der gast war worden krank Von bösem wege, speis und trank, Sein augen kunt nit halten offen, Hieng oft den kopf, begert zu schlafen, Da zeigt man im ein hölzen bet, Desgleichen vor nit gsehen het; War nit mit mei oder blumen bsteckt, Auch nit mit seiden tepten deckt; Ein wenig stro darinnen lag, Das het gelegen manchen tag. Die podagra legt sich da nider, Zu ruen ire schwache glider. Was jamers sie die nacht da lit, Kan jederman betrachten nit. Kein schlaf in ire augen kam, Biß sie morgens den tag vernam, Und daß die liebe sonn aufblickt, Die sie zum teil irs leids erquickt, Des elenden kummers und jammer, Den sie die nacht het in der kammer; Daselbs geschahe ir we und ant, Denn sie war unglücks nicht gewont. Des morgens frü sich für her zoch, Heraus auf allen vieren kroch, Für onmacht lag schier gar darnider: Doch kams zu irer gsellschaft wider. Sie wünscht der spinn ein guten morgen Und sprach: »Ich hab die nacht in sorgen Gelegen hart auf einer bank, Die nacht daucht mich eins jares lang, Hab solch armut und kummer glitten, Dafür mich hinfür wil behüten. Wenn du den armut sehest an, Darin da lebt der arme man, Bei dem ich bin die nacht gelegen, Soltst dich mit hend und füßen segen. Hab nie gesehn ein solchen armen, Es möcht ein harten stein erbarmen. Fro ward ich, da die sonn aufgieng Und das zu tagen anefieng.« »Ach«, sprach die spinn, »schweig, laß dein klagen! Mein unru kan ich nit aussagen, Welch ich gelitten dise nacht: Han mir mein leben saur gemacht. Aus einem winkel in den andern Hab ich die ganze nacht must wandern. Die hausmagd mir nit gunnen tet, Daß ich ein stund geruet het; Wo ich aufschlagen wolt mein zelt, Waren drei oder vier bestellt, Die mir verstörten all mein wesen, Fegten mich weg mit vilen besen: Also ganz sauber, schön und rein Musts überall im hause sein, Welch doch nit ist von meinem ton: Ich könt sein nimmermer gewon. Mit solchem fegen und reinigkeit Machten sie mir mein leben leid; Wenn sichs hie wolt für leuten ziemen, Wolt ich dir zeigen meine striemen, Die sie mir dise nacht geschlagen: Ich weiß zwar nicht, wem ichs sol klagen. Ein jüden solt es wol verdrießen; Habs, als hets mir ein hund gebißen.« Podagra sprach: »Liebe gespiel, Ein guten rat ich geben wil: Ich merk wol, wo es wil hinaus. Laß mich ins reichen mannes haus; Wo mans helt sauber, schön und rein, Da wil ich deste lieber sein. Zum armen man tu dich begeben, Da magstu wol mit frieden weben.« Da sprach die spinn: »Das nem ich an, Hab dich wol mit dem reichen man.« So bald es wider abent ward, Podagra macht sich auf die fart. Wiewol sie gar erbermlich gieng, Der reiche man sie doch entpfieng Mit großer er und reverenz, Mit neigen, biegen und credenz, Brachts auf ein bet mit seiden küßen, Der legt man ir drei zu den füßen. Hilf Gott! wie ward sie da tractiert, Mit gar köstlichen gschenken geert! Bald ward für ir der tisch gedeckt, Darauf gar weiße sämeln gelegt, Fisch, wie man die erdenken mocht, Ward alles überflüßig bracht. Rephünlin, wachteln, amseln und fasen, Wildprät von hirschen, rehe und hasen, Wein cors, trebian, süß malmasier, Den man bringt von Venedig her, Und wie man die all mag erdenken, Tet man ir überflüßig schenken, Ja also vil und überflüßig, Daß sies zum teil ward überdrüßig; In summ, man mocht da nit entbern, Denn was der gast nit tet begern. Die spinn sich auch nicht lang besann, Zohe ein zu einem armen man, Begunt gemächlich anzuheben, Zu spinnen, haspeln, spulen, weben An türen, fenstern, balken, wenden Stricket mit füßen und mit henden, Das zerbrochne macht wider ganz, Rund, mit vil straln wie sonnenglanz, Langlecht, rudecht und viereckit, Gleich, ungleich, seltzam, schieb und scheckit. So herrschet sie im leren haus, Niemand irrt sie oder trieb sie aus. Nit lang darnach in selben tagen Tet sichs on all gefer zutragen, Daß die spinn und die podagran Kamen einander wider an. Sprach zur spinnen: »Nun ist mir wol, Ich hab als, was ich haben sol. Zu meinem großen glück und frummen Bin ich zu solcher herberg kummen.« Die spinn auch ire freiheit rümet Mit vilen worten hoch verblümet, Wie sie im ganzen haus regiert, Mit spinnweb alle winkel ziert: Solchs preiset sie mit großem rum, Nem nit dafür das keisertum. Da willigtens von beiden seiten, So wolten in zukummen zeiten Die podagra zur herberg keren Zu reichen hansen, großen herren; Wer allenthab von iren dingen. So mocht der spinn nicht baß gelingen, Denn daß sie sich zum armen kert: Daß solch gut wer, het sie gelert Erfarnheit und der lange brauch. Das haltens noch, drumb siht man auch Die spinnen bei den armen bleiben. Die reichen tun ir zeit vertreiben Mit der podagra auf weichen betten; Und wenn sie auch dieselb nit hetten, So hettens sunst kein zeitvertreib; Ich achts für gut, daß bei in bleib; Mögens auch meinethalb wol han, Biß daß die growen röck vergan. Man mag disen apologon, Der an im selb lüstig und schon, Ziehen zu mancher sachen gstalt; Doch erstlich er ein solchs inhalt, Daß einer oft in einer statt Mer glücks denn an der andern hat, Und daß krankheit gemeinlich pflegen Sein bei den reichen: da tut mans hegen Auf weichen betten, deckets warm Und nimts gar freundlich an den arm, Leßt in keins dings gebrechen nicht: Solchs bei den armen nit geschicht. Noch eins han wir draus zu versten, Wöllns auch nit lan fürüber gen: Wiewol gelt, gut sind Gottes gab, Doch siht man oft bei kleiner hab Größer freiheit, rusamer leben Denn bei dem Gott groß reichtum geben. Endlich wil ich also beschließen: Der arm sol seiner freiheit gnießen, Haben ein frischen, freien mut; Laß den reichen mit seinem gut Sein leben engstigen und worgen: Der hund darf für die schuh nit sorgen.