Die einundsiebzigste Fabel. Von Vögeln. Vor zeiten, da der vögel war Bei einander ein große schar Versamlet, daß sie hielten gmein, Eintrechtig schloßen all mit ein Und einen könig welen teten, Der ire sachen könt vertreten Und in faßen ein regiment, Daß sie nicht flöhen so zertrennt. Solchs hort der pfau und trat herfür, Sprach: »Lieben freunde, gebt gehör! Es ist der brauch in aller welt, Daß recht und gsetz werden gestellt; Und dweil es nun die meinung hat Und wir drumb gangen sein zu rat, Daß wir müßen ein könig han, Dünkt mich fürwar, ich sei der man, Villeicht von Gott darzu versehen, Wie meine kleider solchs verjehen. Ein gülden stück trag ich stets an, Hab ich auf meinem haubt ein kron, Derhalb von art darzu geborn, Würd ich auch eintrechtig gekorn; Billich bin ich eur könig, herr, Dörft hinforder keinr sorgen mer.« Die vögel mit einander redten Und sprachen: »Zwar, wenn wirs nicht teten, Wüstens zu veranworten nit.« Die kur war auch dem haufen mit: Eintrechtiglich den pfauen welten Und ein amt nach dem andern bstellten. Die atzel sich bald zuhin macht Und dise wal allein anfacht Und sprach: »Herr könig, laßt euch sagen, Wird sich einmal ein krieg zutragen, Und daß der adler, wie er pflegt, Sich wider uns feindlich erregt, Und ir in harnisch kriechen solt, Wolt gerne sehn, womit ir wolt Uns all verfechten und beschützen. Was kan das gülden stück denn nützen? Denn hilft nicht der gespiegelt schwanz: Er dient vil beßer an den tanz. Ein gülden stück und hoher pracht Fürwar kein rechten könig macht. Mit weisheit, sterke, vernunft und kraft Ein fürst mer dann mit prangen schafft.« Es lert uns dise atzel, teilt, Waran es oft den fürsten feilt, Als weisheit, kraft, vernunft und sterk; Dabei ein rechten fürsten merk. Leiblich schöne und stolzer mut Oft mer schaden denn frommen tut. Gerechtigkeit, ein frum gemüte Reimen sich zum fürstlichen geblüte. Der Gottes forcht vor augen hat, Dem folgt all ding recht früe und spat.