Die fünfte Fabel. Vom untreuen Hunde. Ein schäfer het ein hund, hieß Strom, Den hielt er züchtig und ganz from, Und auf im solchen glauben baut, Daß er im all die schaf vertraut. Doch wenn der schäfer kert den rücken, Biß er ein schaf und riß zu stücken. Das trieb er bei eim halben jar. Zuletst ward es sein herr gewar, Band in und sprach: »Du böser dieb, Allzeit hab dich gehabt so lieb Und dich aus meiner hand gespeist; Dafür solch untreu mir beweist Und dieberei begangen hast: Du solt sterben am dürren ast.« Er sprach: »Woltst mich genießen laßen, Daß ich bin ein deinr hausgenoßen, Und henk lieber den wolf davor, Der dich bestilt das ganze jar.« Er sprach: »Drumb er sein leben wagt Und hat mir feindlich abgesagt; Du aber underm guten glauben Der freundschaft tust dein herrn berauben. Solch pflegt man an ein sonder stangen Hoch über alle dieb zu hangen.« Ein schmeichler, der von außen scheint Und ist im herzen zwifach feind, Der ist wol solcher eren wert, Daß im wurd zwifach straf beschert.