Die neunundzwanzigste Fabel. Von einem rumretigen Menschen. Vom adel zoh ein junger knab Mit andern hin zum heilgen grab, Damit sich in der welt versucht, Und daß er weidlich liegen mocht, Wenn er kem wider heim zurück. Denn solchs ist wol das beste stück, Da man die lügen mit verblümt; Wenn einr aus fremden landen kümt Zu den seinen in sein heimut, Dem helt man wol ein lüg zu gut. Denn wer darf strafen, da er nicht gwesen, Hats auch selb nicht in büchern glesen? Drumb hat einr da eins worts wol macht. Das het der gsell vor wol bedacht, Rümt sich seinr großen degenheit Und sprach: »Mit meiner gschicklichkeit Und sonderlich mit ringen, springen Und allen ritterlichen dingen Tet ichs alln, die zu Rodus warn, Weit über aus und vil zuvorn.« Und rief bald drüber all Rodiser, Die daselb warn, als für beweiser. Im antwort einr, der umbher stund, Und sprach zu im: »Hör, lieber fründ, Was ist dir not, daß du rüfst zeugen? So du war redst, wirds niemand leugen.« Wer liegen wil und sich hoch rümen, Der muß mit viler red verblümen; Die warheit, obs schon wird getrutzt, Doch sich mit wenig worten schützt, Ist bstendig, leßt sich nit verneinen, Stet allzeit fest auf zweien beinen. Auf einem bein die lügen hinkt, Und wie man sagt: eigen lob stinkt.