Die dreiundneunzigste Fabel. Vom müden Esel. Dem esel in dem winter hart Gar saur sein zeit und leben wart; Das harte stro war seine speis, Gieng auf dem frost und harten eis. Er wünschet, daß der glenz ankem Und im denselben kummer bnem, Und sprach: So möcht mir werden baß, Wenn ich kem in das grüne gras. Im mai sein herr ward ungeschleun, Trieb den esel in ziegelscheun: Da must er ton und ziegel tragen, Ward übel gspeist und wol geschlagen. Er dacht: Der sommer ist nicht fern, So zeuht mein herr hin in die ern Und wird mein denn daheim vergeßen: Denn wil mich sat der disteln freßen. Wie es kam zu der ern im sommer, Da kam er in ein großen jamer, Must weizen tragen in den secken, So groß, einr möcht dafür erschrecken. Er dacht: Gott geb, der herbst ankum, Denn ist die arbeitszeit herumb. Ja wol, so bald der herbst ankam, Da hub sich erst sein arbeit an; Da wurden äpfel, birn und nuß All winkel voll zum überfluß, Mandeln, feigen, trauben und wein Must er mit haufen tragen ein. Das weret stets und alle tag. Der arme esel gar erlag Und sprach: Es wil nicht beßer wern! Den winter tet wider begern; Sprach: Wo ich ker, find keine ru: Gott geb mir nur gedult dazu! Niemand gedenk auf diser erd, Daß seins unglücks ein ende werd. Diß leben ist ein steter kampf: Nach dem sonnenschein folgt ein dampf. Das leßt uns Gott zum besten gschehen, Als tet er durch die finger sehen, Auf daß wir gfegt werden recht frum Und bitten, daß sein reich zukum.