Die sechsundzwanzigste Fabel. Von zweien Brüdern. Ein arme witwe het zwen sün; Der ein war lüstig, frech und kün, Der ander treg, saß stets zu haus, Schlief morgens lang, kam selten aus. Der erst stund auf, gieng frü zu feld: Da fand er ein beutel mit geld, Bracht in seinr mutter bald zu stunden. Sie war fro, daß ers gelt het funden. Da lag sein bruder noch und schlief, Vors bett die mutter zu im lief Und sprach: »Sihe da, du fauler tropf, Werst wert, der dich schlüg umb den kopf Mit feusten und dich lüstig macht. Sich hie, das hat dein bruder bracht, Heut morgen frü funden am weg: So leistu hie, bist faul und treg.« Er sprach: »Mutter, laßt euren zorn! Het der, welcher dasselb verlorn, Biß jetzt gelegen auf seim bett, Mein bruder das nit funden hett.« Der faule sucht allzeit auszug, Damit er sich entschüldigen mug. Doch ists auch nit allzeit getan Mit ser laufen und frü aufstan. Mancher verschont ein kleinen regen Und tut eim größern bald begegen. Man sagt: Zu schaden, spot und haß Komt man allzeit frü gnug zu maß.