Die vierundsechzigste Fabel. Vom alten Weibe und dem Teufel. Aus der erfarnheit sich befindt, Daß die menschen gemeinlich gsinnt, Wenn ir fürnemen, wort und taten In selb zu unglück tun geraten, Daß sie dasselb dem unglück pflegen Oder dem teufel zu zu legen. Verdroß ein mal den teufel gar, Als er ward auf ein zeit gewar, Daß ein alt weib nach frischen feigen Auf einen hohen baum wolt steigen, Und stellt sich eben zu den sachen, Als obs ein groß gefäll wolt machen. Das sahe der teufel zuvor gar eben, Daß im darnach die schuld würd geben, Dacht: dem wil ich vorkummen heute; Rief zu sich etlich zeuges leute Und sprach: »Seht zu, das alte weib Steigt auf den baum und wagt irn leib, Davon sie bald wird fallen rab. Darumb ich euch gerufen hab, Daß ir mir zeugen, daß sie hat Dasselb getan on meinen rat, Hinauf gestiegen so geschuht, Es wird ir kommen nit zu gut.« Bald fiel das weib ein harten fall. Die leut liefen zu all zumal, Sprachen: »Wer macht dich so vermeßen, Daß du dein selber tust vergeßen Und dich einr solchen tat erwigst, Also geschuht den baum aufstiegst?« Sie sprach: »Der teufel gab mirs für.« Er sprach: »Das leugstu, alte hur!« Mit den zeugen beweisen tet, Daß ers ir nicht geraten het. Zwar niemand fürzuwenden hat, Zentschüldigen sein missetat, Damit den teufel zu beschulden Oder das glück zu verunhulden. Drumb sihe dich für in deinem wandeln, Tu nicht wider billichkeit handeln, Gott nimmet kein entschüldung an, Ein jeglich werk hat seinen lon.