Die neunundsiebzigste Fabel. Vom Geier und andern Vögeln. Der geier sein jartag halten wolte, Und bat all vögel, daß sie solten Zu gast auf einen abent komen, Denn er im ganz het fürgenomen, Seinen freunden, den vögeln allen, Ein gestbot tun zu wolgefallen, Sein herrlichkeit sie mochten sehen. Demselben ist also geschehen, Die vögel kamen all mit haufen, Der geier tet in entgegen laufen Und hieß sie all willkommen sein, Fürt sie mit im ins haus hinein, Hin in die kamer nach ein ander. Da las er inen den kalander, Daß irer keiner wider kam, In allesamt das leben nam. Wer jetzt wil in der welt umbgan, Der muß gar gnau in achtung han, Daß er sich vor den gsellen hüte, Die im begegn wie in der güte, Mit schmeichelworten in betören, Biß daß sie in den credo leren; Wenn sie in denn gefürt aufs eis, Wird er zuletst mit schaden weis; Denn jetzt die welt so treulich ist, Daß wenn man dir das best vorlist, So ists im grund betriegerei. Bei vilen leuten, glaub mir frei, Mit warheit wird die lüg staffiert Und mit honig das gift geschmiert. Denn also gets zu diser zeit: In gutem glauben btreugt man dleut, Mit list den frommen ůberfert; Glaub mir, ich bins mit schaden glert.