Die dreiundsiebzigste Fabel. Vom Löwen, Esel und Fuchsen. Der löw wolt laufen auf das gejeid, Nam mit den fuchs und esel beid Und sprach: »Wir wölln zusamen jagen! Laß sehn, was wil das glück uns tragen.« Sie giengen mit dem löwen bald, Zu jagen vor den grünen wald, Fiengen mit hetzen und mit birschen Hasen und reh, hinden und hirschen, Warfens zusamen in das laub. Der löw sprach: »Wer teilt uns den raub?« Der esel sprach: »Das wil ich tun On allen haß aufs gleichest nun.« Als ers nun gleich geteilet het, Der löw zorniglich grimmen tet Und sprach: »Du teilest wie ein schalk: Das sol dir kosten deinen balk!« Von stund den esel gar zerriß, Und im das herz im leib abbiß. Zum fuchs sprach er: »Teil du jetzt recht, Der esel war der sach zu schlecht.« Der fuchs dem löwen da gehorcht Und teilt den raub mit großer forcht. Dem löwen gab ers ganz und gar Biß auf ein kleines stück fürwar, Das tet der fuchs vor sich behalten. Da sprach der löw: »Des müß Gott walten! Du bist fürwar ein kluger man. Ich bit dich freundlich, sag mir an, Von wem hastu solch weisheit glert?« Zum toten esel er sich kert Und sprach: »Des schad und ungefug Haben mich jetzt gemachet klug, Und bin daraus berichtet wol, Wie ich mit löwen teilen sol.« Wer sich kan an sein nehsten keren, Aus seinem unglück weisheit leren, Wenn er seins nehsten schaden sicht, Als daß im der zur warnung gschicht, Seliglich in sein witz erhelt, Daß er nicht bald in unglück fellt.