Die sechsundsechzigste Fabel. Von der Ratzen und einer Eichen. Vil ratzen hielten einst gemein, Kamen eintrechtig überein, Sprachen: »Da stet ein große eichen, Davon wir unser speise reichen, Und jetzund voller eckern stet, Als ob sie weren drauf geset. So kumt, laßt in uns undergraben, Daß er fellt umb, wir futrung haben; So darfen wir nit an den zweigen Mit arbeit auf und abe steigen.« Dasselb erhört ein alte ratzen Und sprach: »Das sein nur unnütz fratzen! Laßt ab von solchem losen tant: Solch rat uns schadet allesant. Nicht mer denn dise eichen haben, Die uns ernert und stets tut laben: Wenn wir die jetzund werfen umb, Und laß das jar denn umbher kum, Denn seht, ob eins ein eckern findt Für sich oder für seine kind. Wenn wirs jetzt fellen und verachten, Müßen wirs ander jar verschmachten.« Es sol allzeit ein weiser man Vorbetrachten und achtung han, Die ding allein bedenken nicht, Die er gegen vor augen sicht, Sondern auch was in künftige zeiten Im bgegnen möcht und an in reiten. Selig, ders kan vorhin bedenken, Der weiß sich im unglück zu lenken.