Die siebenundsechzigste Fabel. Vom alten Wisel und den Meusen. Ein wisel ward vor alter schwach, Knut nicht den meusen laufen nach, Derhalb im auch zerran die speis, Gedacht, wie es mit list so weis Den meusen möchte nachstellen, Damit sie dester baß könt fellen. In einem kasten fand ein loch; Daselb es sich ins mel verkroch, Da gmeiniglich dieselben meuse Zu laufen pflegen nach der speise, Und dacht, es wolt also erschleichen, Was mit laufen nicht möcht erreichen. Erwüscht ir eine nach der andern, Wenns in den kasten teten wandern. Es zeigt uns dise fabel an: Wenn wir groß ding vor handen han Und unser macht nicht kan ertragen, So muß man dennoch nit verzagen, Knüpfen die weisheit an das end, Da die macht und sterke wendt. Es wird durch weisheit oft verschafft, Das man durch große sterk und kraft Nicht het kunt regen oder rüren, Tut man durch witz hinaus füren. Der groß philosophus Lysander, Ein rat der Lacedemonier, Derselb pflag sprichworts weis zu sagen: »Wenn sich die maßen lang zutragen, Die löwenhaut kans nicht bedecken; Wiewol mans denen tut und recken, Muß man den fuchsbalg heften dran, Daß man mög mit der leng bestan.« Das heißt, was nicht erreicht die kraft, Dasselb geschicklichkeit verschafft. Ovidius sagt auch des gleichen: »Was man mit macht nicht kan erreichen, Erlangt man durch künheit und list, Dazu der will auch gnugsam ist.«