Die zehnte Fabel. Vom Adeler und der Kräen. Der adler fand ein schneckenhaus, Das kunt er nicht gewinnen aus; Es zoh der schneck den kopf hinein, Ward überall hart wie ein stein. Er picket drauf, warfs hin und her: Des ward gewar ein kräe von fer. Die floh hinzu und sprach: »Herr arn, Eins wil ich sagen euch zuvorn. Mit eurem werfen und mit picken Brecht ir den schnecken nicht zu stücken. Ein guten rat wil ich euch geben, Ob ir desselben wölt geleben: So fliegend auf, so hoch ir künt, Und nemt den schnecken in den mund, Laßt in rab fallen auf ein stein; Er zerfellt, wer er auch lauter bein.« Er tet im so; der schneck zerknürscht; Bald het in da die kräe erwüscht, Weil er noch hoch dort oben war, Und aufgefreßen ganz und gar. Zu spat ward das der adler gwar. Ein jeder sehe sich für gar eben, Darf nicht eim jeden glauben geben. Der glaub ist klein zu unsern zeiten So wol bei hohen als nidern leuten: Also auch nicht eins jedern rat Ein jeder anzunemen hat. Es rät oft mancher einem man, Das er von herzen im nicht gan, Oder sucht darin sein eigen nutz Als under eines andern schutz, Und leßt der schalk sich merken nicht, Biß man zuletzt das end besicht.