Die vierundsechzigste Fabel. Vom Löwen und Ochsen. Der löw im feld ein ochsen sach; Demselben schlich er heimlich nach, Aus list sprach er im freundlich zu: »Bit, wölst mir zu gefallen tun! Ich hab ein feißtes schaf geschlacht, Kum heint und iß mit mir zu nacht.« Er sagt ims zu; wie er da kam, In der kuchen kein schaf vernam, Denn daß da an einr großen stangen Ein kessel übers feur gehangen. Der löw hieß in freundlich willkummen. Da kert der ochs bald wider umbe. Der löw rief im und sprach: »Wo hin?« Er sprach: »Dein gast ich heut nicht bin, Dieweil ich sihe kein schaf hie nicht; Ein ochsen zu kochen ist zugericht. Im kessel wol vier schäpsen süd, Und an dem spieß ein ochsen briet.« Ein man, der weis und witzig ist, Der merkt gar bald der bösen list, Die underm schein des friedens wüten, Dest baß weiß sich für in zu hüten.