Überflüssiger Gedancken erstes Dutzent 1. Thränen der Jungferschafft 1. Susser Gifft verliebter Hertzen, Schwaches Werck-Zeug voller Krafft, Werthes Ziel der keuschen Schmertzen, Du berühmte Jungferschafft! Freylich gehet deine Zier Allen schönen Sachen für. 2. Wie die Rosen in dem Meyen Ihre bleiche Lieblichkeit Niemals schöner von sich streuen, Als wenn ihre Sicherheit Vnberührt und unbefleckt In dem grünen Stocke steckt. 3. Also muß man dich erheben, Weil du keiner fremden Hand Dich zum Raube wilst ergeben, Sondern das beliebte Pfand Aller Ruh und Lebens-Rast An der süssen Freyheit hast. 4. Du ergetzst dich an der Jugend, Bist also an dir vergnügt, Und gebrauchst dich deiner Tugend, Welche dir im Hertzen liegt, Da sie auch die beste Frucht, An der Zarten Keuschheit sucht. 5. Doch wie lange kan es wären? Endlich muß die Jugend sich Durch den schnellen Lauff verzehren, Oder es beruffet dich Liebe, Lust und Eitelkeit In der Tugend Wettestreit. 6. Wil man bey den Aepffelbäumen Zu der lust spatzieren gehn, Darff man nicht die Zeit versäumen Wann sie in der Blüte stehn, Eh der Gärtner nach der Saat Auch die Frucht gebrochen hat. 7. Und soll dann der schönen Wangen Halbvermischtes Milch und Blut Gantz und gar vergebens prangen, Wie ein saurer Apffel thut, Welcher nicht so wohl den Zahn Als das Aug ergetzen kan? 8. Wein und Bier wird ja zum trincken Nicht zum Ansehn auffgesetzt, Und was nutzt ein guter Schincken Wann er nicht den Mund ergetzt? Solte denn der Jugend Schein Auch nicht etwas nütze seyn? 9. Freylich pflantzt die Zeuge-Mutter Dir was heimlichs in die Brust, Daß du dich nach frembden Futter Höchst-begierig sehnen must, Vnd da fehlt dir manche Krafft O du arme Jungferschafft! 10. Wie manch schönes Nest voll Eyer Unter Frost und Kälte steht, Biß das angenehme Feuer Frembder Brüt darüber geht; Also ist es umb den Stand, Den du führest, auch bewandt. 11. Manches Schäfgen trägt die Schwere Seiner Wollen mit Verdruß, Weil es auff des Schäfers Schere Gar zu lange warten muß: Manche Rose krümmt den Stiel, Weil sie niemand brechen wil. 12. Gute Nacht du leere Schüssel, O du Leuchter ohne Liecht! Festes Schloß, doch sonder Schlüssel, Gute Wag und kein Gewicht, Ach wiewohl ist die daran Die beyzeiten freyen kan!