Christian Felix Weiße Atreus und Thyest Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen Personen Personen des Trauerspiels. Atreus, König in Mykene. Thyest, dessen Bruder. Pelopia, Atreus' Gemahlin. Aegisth, vermeinter Sohn des Atreus. Priester des Apollo. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt alleine. Umsonst! noch lebt der Wurm, der meine Seele Durchnagt! noch brennt die Glut, die sie verzehrt! – Das Blut, das ich vergoß, statt sie zu löschen, Ist Schwefel, der die Flamme nur vermehrt. Die Furie schwärmet wütend über mir: Erinnys ruft, Megära schwingt die Fackel Und leuchtet mir durchs Auge tief ins Herz Und zeiget mir den Toren. Ja, ich bin's! Ließ ich nicht den Thyest entrinnen? – ihn? – Ah! es brüllt laut der Abgrund unter mir, Der Gipfel des Palasts bebt bei dem Namen, Thyest! Thyest! oh! ist kein Eingeweide, Worein ich auch dein Fleisch vergraben kann, Wie deiner Kinder ihrs? – er lebt! es lebt Das Ungeheuer noch! der Löwe brüllt In Wüsten Libyens mir lauter nur Ins Ohr, je mehr ich seinem Hunger gab. Wie? hatt' ich denn noch einen Plisthenes, Noch einen Tantalus, den ich zerfleischte? Nein, ihn allein! und den erwürg' ich nicht? Tobt Eumeniden! schlingt das Schlangenhaar Fest um mein Herz! ich hab's verdient – ja ja; Die Hölle schickt den Hunger und die Pest Auf Winden fort: sie schütteln sie Herab auf uns von ihren schwarzen Flügeln! Ein weites Grab ist Argos und Mykene! – Wie wird Thyest frohlocken, daß ich Herr Von Leichen bin! wie boshaft lächeln, daß Das Reich, aus dem ich ihn vertrieb, ein Reich Der Schatten ist, wo jedes schreckenvoll Zum Tode spricht: »Den letzten Pfeil für mich!« ... Allein verschloß der Erde Mittelpunkt Den Bruder selbst, so tret' ich seinen Kern Entzwei – und ihn zugleich. Kein Tartarus, Und reichte seine Mau'r bis an Olymp, Umher beschattet von dreifacher Nacht Und von Tysiphonen bewacht, schützt ihn Vor meinem Grimm: mein Tisch war schrecklicher Für den Thyest, als der Odrysische 1 ... Er soll ein Tisch der Hund' und Geier sein! Die ganze Welt soll meiner Waffen Glanz Durchleuchten, jedes Meer, das Ägis und Jonien bespielt, von meinen Flotten Erseufzen, ging auch ganz Mykene drauf, Bis daß man mir Thyesten wiedergibt! ... Wer kömmt? ha! er! der Priester des Apollo ... Der Träumer! Schützt' ihn nicht der Aberglaube Des blöden Volks (ein unverletzlich Recht!), So wär' er längst ... doch ich muß meine Wut Verbergen ... 2. Auftritt Zweiter Auftritt Atreus, Priester. Sprich, was willst du hier so früh? – Was heißt der finstre Blick? der stumme Schmerz, Der von den Wangen dir in Tränen fällt? – Du bist mir stets ein Unglücksbote ... Herr, Verzeih dem Gram, dem Mitleid, welches mir Die Sprache tötet ... Nun? Das Elend wächst Mit jedem Augenblick. Mit jeder Stunde Hängt sich ein neu Gewicht an jene Last, Die uns in Abgrund zieht. Bald ist Mykene Nicht einer Stadt, nein, einem Schlachtfeld gleich, Wo zu den Gräbern uns der Raum gebricht! Gespenstern gleich durchtaumeln deine Bürger Die Stadt nach Hülf' und fallen auf der Flucht. Das Kind saugt an der Mutter Brust den Tod Mit seiner Nahrung ein, indem sie selbst Zum letztenmal es liebreich an sich drückt. Noch itzt, ihr Götter! als ich zu dir ging, Fiel neben mir ein edler, weiser Mann: Ein Freund sucht' ihn zu retten, hob ihn auf, Küßt' ihn, und zog den Tod in Küssen ein, Und fiel auf ihn; sein jüngster Sohn, der ihn Verfolgt', umfaßte da sein Knie und weinte Sein Leben aus! ... Hab' ich durch meinen Hauch Sie angesteckt? Was nützt mir die Erzählung? Kann ich dem Äolus gebieten, daß Er denen Winden wehrt, die Pest und Tod Auf uns verwehn? Herr, du bist König, Vater Von deinem Volk! Ein mitleidsvoller Blick Stärkt, wie der Sonnenstrahl, ein mattes Herz. Ein Labetrunk erquickt den Wanderer, Ob er ihm gleich nicht seinen Weg verkürzt. – Tu wenigstens noch deine Scheuren auf: Denn was die Pest verschont, erwürgt der Hunger. Such, und du suchst umsonst in deinen Tälern, Die feisten Rinder auf. Das Lamm verhungert Auf dem versengten Gras! So hat das Volk Den Tod weit weniger zu scheun: es können Sich Leichen nun von Leichen mästen! ... Ah, Grausamer! soll die Sonne noch einmal Ihr Angesicht verbergen: sich die Nacht In Nacht verhüllen? Soll Thyestes mir Aeropen noch einmal entreißen, mir Mit dem geheimen Vlies des alten Pelops Den Zepter rauben? Das du dem Chrisipp, Nachdem du ihn erwürgt, geraubet hast? Verwegner, schweig! ... oh! hätt' Apollo nicht Sein Heiligtum dir anvertraut ... So wüßt' Ich, was du tätst! es ist kein Rächer mehr, Kein Gott mehr, den du scheust: dein Herz frohlockt, Sieht es die Menschlichkeit in Elend schmachten. Freund, Bruder, Untertan, und Mensch ... was Mensch? Die Namen alle sind von dir entweiht. Ich bin Monarch – ha! Priester ... Erbittert. Strafe mich! Sei ein Monarch und lad auf deine Bürger Der Götter Zorn: doch zittre, daß dich nicht Selbst der Ruin bedeckt, der über uns Schon wankend Schatten wirft, den uns die Götter In Wundern drohn! Die Pfeile des Apollo Sind nichts, wenn sie vor dir vorübergehn, Sind nichts für dich! – doch die Natur erkrankt: Bald hebt der letzte Stoß dein schmachtend Reich Aus seinen Angeln und Mykene fällt Zertrümmert in den Schlund des Tänarus, Und Atreus fällt mit ihm ... Und zittert nicht – Du sprachst von Wundern, Priester? rede fort! Der Mond erschien, sein silbern Angesicht Dreimal getaucht in Blut: der alte Hain, Der zu dem Tempel führt, wo ew'ge Stille In tiefer Nacht von Taxus und Zypressen Ehrwürdig herrscht, und wo die Tantaliden Durch Opfer zu dem Thron sich heiligen, Ward hell, ganz hell durch einen Blitz und bebte: Die Spolien des Myrtilus, die Räder Von falschen Achsen, der zerbrochne Wagen Und jede Missetat der Tantaler, Die Phryg'sche Tiara, vom Pelops selbst Hier aufgehängt, und die gestickte Chlamys Der Barbarn und der Raub von jedem Feinde, Die der Triumph an jene Säulen hing, Fiel durch den Stoß herab ... Und dann? Dann stieg Aus jenem schwarzen Sumpf bei dem Geheule Der Seelen, die die Pest dem Acheron Geschickt und die den Wald durchschwebeten, Plisthen und Tantalus, Thyestens Söhne, Mit offnem Leib', ihr rauchend Eingeweide In ihrer Hand, hervor ... Bald lehrst du mich Sie fürchten! – ruften sie nicht den Thyest? Dich, Atreus! Atreus! Atreus! dreimal: dich! Es brausete der Wald: der Tempel bebte Und sie verschwanden. Wir, wir, deine Priester, Gestreckt zu dem Altar, durchbeteten Die ganze Nacht ... Sehr wohl getan! allein Was ist's, das mich erschüttert? Schrecklich! schrecklich! Die Geister fodern von mir ihren Vater. Der Tartarus ist nicht in meiner Macht, Sonst schlöss' ich sie an einem Kaukasus Mit ew'gen Fesseln an. Indessen wähnt Dein traurig Volk, daß du ihm helfen kannst. Sie stehn an deinem Schloß: ihr stummer Gram, Ihr Auge, das voll Ernst zur Erde schaut, Und die erhobne Hand spricht ihren Schmerz, Da zum Geschrei um Hülfe Kraft gebricht. Gebrochen nennen sie nur dich, und ächzen. So lehre mich, wodurch ich helfen kann: Mein Arm ist gleich gestreckt. Schon ist Aegisth Nach Delphos abgesandt, den Gott um Rat Zu fragen, der ihn in Orakeln gibt. Er mag uns lehren, was er von uns will: Vielleicht, ich hoff' es selbst, kömmt er noch heute Zurück, denn schon könnt' er zurücke sein. – Brauchst du noch Opfer? gut, so opfre, prüfe, Forsch allem nach, was Götter uns versöhnt! Willst du noch mehr? sieh! ich verweigre nichts. So wohne selbst heut unserm Opfer bei, Damit das Volk sieht, daß du Götter glaubst, Für seine Not sie zu erweichen suchst, Und da du sie durch Opfer erst erzürnt, Durch Opfer sie auch nun besänft'gen willst. Du weißt ja gnug den heiligen Gebrauch, Beiseite. Der unter deiner Hand zum Fluch uns ward. Ja ja, ich weiß schon, was du murrst! – Es sei! Geh, schmücke den Altar! laß Weihrauch glühn, Und zier ein Opfertier mit aller Pracht Der Zeremonie! – Ich opfre selbst ... Wer kömmt? – Aegisth? 3. Auftritt Dritter Auftritt Atreus, Priester, Aegisth. Erlaube, Herr, daß ich Gleich des Orakels Spruch vernehmen darf. Oh! daß er Heil dem Volk, Heil dir sein möge! Mykenens Glück, Herr, ist in deiner Hand! Die Götter zeigen dir das Mittel an, Wodurch man leicht des Todes Rachen stopft, Der ungesättigt würgt ... Und wie? geschwind! Indem du sprichst, gehn hunderte verloren! Noch mehr! sie liefern dir das Mittel selbst! Wohl! sprich! – »Sobald der Bruder des Thyest ...« Verwegner! nannte mich der Götterspruch Also? Die Worte selbst, die Pythia Vom Dreifuß mir in heil'gen Murmeln gab: »Sobald der Bruder des Thyest mit Blut Den Bruder ausgesöhnt; das Blut durch Blut Von dem entweihten Altar wäscht; das Reich Nicht mehr die Brüder trennt ...« Es gebe mir Thyesten erst zurück! »Soll auch der Fluch, Der auf Mykene ruht, wie Nebel fliehn.« Ha! das Orakel liebt die Nebel sehr! ... Verstehst du, Greis, was es von uns begehrt? Ich weiß es nicht; – Vielleicht, Herr, sollst du tun, Was die Gerechtigkeit dich längst gelehrt, Das Reich geteilt ... Wer hat dich das gelehrt? Eh stürzet sich der Arktos in das Meer, Eh grünt die Saat auf dem Jonschen Meere, Eh gibt die Mitternacht der Welt das Licht, Eh tritt die Flut mit Flammen, eh der Tod Mit Leben, eh der Wind mit Wellen in Den Bund, eh dies Thyest ... Nein, sprich, eh Atreus Dies ... Könnt' ich es? – Wo find' ich den Thyest? – Soll ich nach ihm das weite Meer durchziehn? – Würd' er mir traun? Dein Fehler! Er ist hier! zugleich. Thyest? Ja, Herr, er selbst! Dies wagt er? – Er? Nein, durch Gewalt und List ward er verführt! Der Götterspruch schien mir zu aufgeklärt, Als daß ich ihn zu unserm Untergange Entweichen ließ. beiseite. Ihr Götter! welch Gewitter Türmt sich aufs neu! Wo ist er? sprich! geschwind! Kann er entfliehn? Er ist noch auf dem Schiffe, Das uns hierher von Delphis trug, und fleht Um seinen Tod, damit er dich nicht sehe. Wie? wo? und wann? ... doch, Priester, geh, vollziehe, Was ich gebot! Vergönn', daß ich erst die Geschichte Ganz höre! Dieser Tag wird für Mykenens Heil Zu wichtig, fodert uns zu Opfern auf, Die nicht der Götter Zorn noch mehr entflammen! – Atreus stampft zornig mit dem Fuße. Er kam versteckt im traurigsten Gewande, Um beim Orakel Rat zu fragen. Da Flößt ihm ein Gott, ich weiß nicht, welchen Trieb Der Freundschaft für mich ein; er liebte mich, Ich ihn ... Du ihn? Doch ich verschwieg ihm treu, Wie du gebotst, von wannen und warum Ich käm'. Er tat es ebenfalls: jedoch Ein Kaledonier verriet es mir, Der ihn begleitete. Es hatte schon Die Pythia die Antwort mir gegeben; Ich sah in ihm der Götter Fingerzeig, Den hellen Weg aus unserm Labyrinthe. Er ging, um sich, wie er mir frei gestand, In dem Gebürg', das seinen Rücken hoch Um Delphos dreht, vor einem grimm'gen Feinde Tief zu verbergen. Ich verfolgt' ihn heimlich, Ergriff ihn bei der Nacht in einer Kluft Am Berge des Parnaß, und hier entdeckt' Ich ihm der Götter Rat. – beiseite. Unglücklicher! Und er? Ich rufte Berg und Hügeln zu, Auf ihn zu fallen, ihn in Grund zu schlagen! Klagt Erd' und Himmel an; fleht, winselt, schreit: Nicht des Orakels Spruch, die Hoffnung nicht, Nicht jeder Trost, den ich ihm tränend gab, Besänftigt ihn ... beiseite. Er weiß, was er verdient! Und ich gesteh', er hätte mich erweicht, Wenn Argos' Heil, wenn unser Elend nicht, Die Hoffnung nicht, uns davon frei zu sehn, (Wann du in ihm der Götter Spruch erfüllst) ... Genug, Aegisth! Ich eile schnell, dem Volke Den Funken Trost in seiner Not zu geben: ... Ihr Götter, steht uns bei! Geht nicht zu weit! Verbirg es wenigstens, daß hier Thyest In Argos ist, bis sich der Götter Wille Uns mehr erklärt ... Ich kenne meine Pflicht. Geht ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt Atreus, Aegisth. Unsinniger! wenn du dein Glück verstanden, So hättest du geschwiegen: sahst du nicht Hier den Verräter stehn? verstandst du nicht Den Wink, der dir mein drohend Auge gab? Meinst du den Priester? – Herr! ich bin gelehrt, In ihm den Gott, in dessen Heiligtum Er dient, zu ehren ... Ha! wer lehrt es dich? Der Aberglaube? Dank es meiner Gnade, Noch mehr, der Zärtlichkeit für deine Mutter, Daß dich mein Grimm nicht gleich getötet hat. Was tat ich? Was? was du getan? Du fragst? Du solltest mir allein den Götterspruch Entdecken, mir entdecken, daß Thyest In deinen Händen war. Der Priester haßt Mich und mein Haus; schon längst hätt' ich der Wut Ihn aufgeopfert: doch das blinde Volk Wähnt, daß er, wie er will, den Blitz des Zeus Regiert. Ein Wort von ihm? so bläst er uns Ein Feuer auf, das meinen Thron verzehrt. – Und weißt du, wem ich diesen zugedacht? – Dir! ja dir selbst! – Mir, Herr? Ja dir, mein Sohn! Den Thron von Argos! Du, du solltest einst Mein Erbe, bald mein Mitbeherrscher sein! – Was sagst du? Daß das Glück, das deine Huld Mir zugedacht, den Dank weit übersteigt, Den ich dir geben kann. Herr! ich bin nichts ... Kann ich aus nichts, nicht einen König machen? Bist du mir nicht der jüngste, liebste Sohn? Hat je ein Sterblicher wohl mehr als ich Das Weib geliebt, das dich mir einst gebar? Jedoch das Volk, das Pestilenz und Hunger Vertilgt, braucht Hülfe! – des Orakels Spruch ... Tor! des Orakels Spruch war leicht verdreht. Ein kluger Mann weiß schon, wie er damit Verfahren soll. Ich zittre! würden wohl Die Götter, deren Wink die Welt erschüttert ... Laß sie erschüttern! sahst du sie zerfallen, Wann sich ihr Grimm in Wettern aufgebläht? Legt sich das Meer nicht nach dem Sturm von selbst? Allein, das Schiff, das auf den Wellen geht, Wie leicht zerscheitert es! Du bist ein Feiger! Steh fest, ein Fels im Meer! die Welle schlägt Umsonst an deinen Fuß, zerbricht sich selbst, Und flieht zurück! ... vielleicht (Du kennst noch nicht Der Priester höllischen Betrug!), vielleicht Gab unser Priester selbst der Pythia Die schielichte, zweideut'ge Antwort ein. Vielleicht bestach Thyest die Priesterin. Unmöglich! Herr! – und ist sie denn für uns So schrecklich? Ha, Kind! hörtest du nicht selbst, Wie schlau der Priester sie enträtselte. Ich soll das Reich geteilt mit dem Thyest ... Verderben! Fluch und Tod! eh soll Mykene, Eh Argos, Griechenland, eh alle Welt In Trümmern untergehn! Hast du es nicht, Du selbst gesehn, mit welchem Aufruhr da In ihm die Seele rang, wie sehr die Wut Ihm das Gesicht verzog, nur mich zu sehn? – Und dieser Mann soll mit mir König sein? Er fürchtet dich – er bat, er drohte nicht! Tor! weil er mir nicht drohen kann. Glaubst du, Sobald ich ihn zum Thron erhüb', daß er Mich nicht herunterstieß', mich, den er haßt, So wie ich ihn? daß er nicht dir das Herz Aus deinem Leibe riß, bloß weil ich dir Den Thron bestimmt? nicht deine Mutter erst Durch Schand' entehrete, dann grimmig sie Zerfleischte, bloß weil ich sie geliebt? Entsetzen! – Herr! er ist in deiner Hand! Du kannst den Strom durch angewiesnes Ufer Gebieten, wie du willst! Ah! dieser schwellt Leicht zu der Höh', daß er den Damm zerreißt! Schon spielt er unter sich. – Du kennst das Volk; Verfolgt vom Tod schaut es nach Hülf' umher, Der Priester bläst des Aberglaubens Gift In sein Gehirn, damit es sinnlos wird. Viel lieber stürzt es sich in Strom und hofft, Daß dieser es an Ufer treibt, wo es Sich retten kann. Wer von den Felsen stürzt, Hält sich an einen Stein, ob dieser gleich Den Sturz beflügelt, ihn im Fall zerquetscht. – Nein! er muß sterben, ja in Martern will Ich ihm den Geist aus seinem Körper ziehn! – Erbarmung, Herr! er ist dein Bruder ... Wie, Verwegner? nenn ihn mir noch einmal so! Und jede Qual ... doch nein; ich liebe dich, So sehr als ich die beiden Söhne hasse, Die mir Aerope gab; sie sind Bastarde Und ihrer Mutter Fluch. Das Goldne Vlies Stahl sie; ja, sie gebar den Tod, der itzt Unaufgehalten würgt! – Du bist mein Sohn, Und dein ist er, der Thron von Argos ... Ach! Beflügle wenigstens den Tod, daß er Sein Unglück endige! Was sagst du! ha! Aus welchem Zauberkelch hast du getrunken? Das Mitleid ... Wehe dir! wo du dies hörst, Wo du ... doch nein, Aegisth wird weiser sein. Ich bin dein Vater, ich dein König. Lehrt Der Priester frech Geschwätz vielleicht dich auch Dem ungehorsam sein? Gebiete, Herr! Dein Will' ist mein Gesetz. Gut! itzund tobt Der Sturm der Leidenschaft in meiner Brust Noch allzusehr, um einen sichern Schluß Zu fassen: bringe bald mir den Gefangnen, Daß ich der Wut, die mein Triumph in ihm Erregen muß, noch einmal spotten kann: Dann – ja alsdann erwarte, was mein Grimm Beschleußt! verhüll ihn wohl, damit das Volk Nicht den Verräter kenne. – Geht ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt alleine. Ich zittre! – Ach! was heißt der innre Krieg? – Es wallt mein Blut, mein ganzes Herz empört Sich wider ihn, den die Natur mir doch Zum Vater gab? – Kaum konnt' ich ihn so nennen. Ein Ungeheur! ... Oh! was hab' ich gesagt? – Legt mir ein Gott den Fluch in kühnen Mund? – Und seine Huld bestimmt mir einen Thron? – Ein groß Geschenk! wer wird nicht gern Monarch Von Argos und Mykene sein? ... Allein Thyest? – unglücklicher Thyest! ich fühl's, Mein Herz schwimmt tief in Leid, es steigen Mir Tränen in das Aug', auch wider Willen! – Sein zitternd Haupt! sein silberfarbnes Haar, Sein Elend, sein Gebet, sein Flehn! – er nannte Mich Sohn! – Warum schien mir in seinem Munde Der Name doch so süß? warum ließ ich Ihn auf sein Bitten nicht entfliehn? – Barbar, Ja unbarmherziger Barbar! – ich, ich! ... Doch sollt' ich treulos sein? der Götterspruch – Mein Vater! – Ach! er ist sehr grausam! ... wie? Hat er mir nicht gesagt, daß auch Thyest Es vormals war? ihm Weib und Thron geraubt? – Ein Labyrinth! mein Vater – ja, die Pflicht Für ihn lehrt mich Gehorsam: fort, Natur! Dein weibisch Mitleid ... oh! ihr Götter, laßt Mich euern Willen tun! so tu' ich recht! 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Königin, Aegisth. Du hast recht getan! des Mitleids Träne Zerschmelzt die Bande nicht, womit die Pflicht Dich bindet: nicht der Sohn hat Recht, den Vater Vor seinen Richterstuhl zu ziehn! – Aegisth, Du kennst des Vaters Wut, ein Sturm, der alles, Was ihm die Stirne beut, darniederreißt! Wer, wie die Saat, vor seinem Hauch sich neigt, Wächst grünend auf und trägt erwünschte Frucht! Nur dadurch macht' ich mir sein Herz geneigt. Sieh! er bestimmt, wie du mir selbst gesagt, Dir einst das Reich! und der Orakelspruch ... Die Götter fügten es nicht so umsonst, Daß da Thyest in deine Hände fiel, Als unser Heil ihn zu erfodern schien: Auch kömmt es uns nicht zu, dies aufzulösen. Die Götter hüllen es durch Taten auf, Und der Verstand wird durch den Ausgang klar! Doch, Königin, der Götter Spruch gebot Nicht Grausamkeit ... Doch dir gebieten sie Gehorsam. Traurig g'nug! das erstemal Hab' ich die Last von dieser Pflicht gefühlt! ... Ach! siehe den Thyest und hör ihn selbst! Ich fürchte nicht die Pest, die uns vielleicht Im Augenblicke würgt, den Hunger nicht, Der matt und abgezehrt an Leichen nagt Und unsre Stadt mit Gräbern unterhöhlt, Die Schrecken nicht, die uns bedrohn, so sehr, Als dieses Mannes Angst, als seine Klage! – Er weint: – geschmolznes Blei ist jede Träne, Die bis aufs Mark mich brennt, sein schluchzend Ach! Ein schneidend Schwert, das mir das Herz durchfährt! Sohn, sei so weibisch nicht! der Klageton, Mit dem du sprichst, ziemt nicht ein männlich Herz. – Du sollst selbst der ersten einer sein, Die, da der Thron dein künftig Erbteil wird, Beim Vater dem Thyest das Todesurtel ... Was sagst du? nein! o glaube, Königin, Mein Vater ist sehr hart ... Verwegner, schweige! Hier ist ein Thron, ein Leben auf dem Spiel! Und war' er's auch. Des Mitleids Stimme muß Itzt heischrer sein, als der glorreiche Ruf Zum Thron von Argos. Sieh! mit welchem Reize Die höchste Macht ihn schmückt, des Zepters Gold, Das Diadem mit Sternen übersät, Der Purpur ... Aber, wenn unschuldigs Blut Ihn färbt? Es färb' ihn! sprich! ist's deine Schuld, Wenn sich dein Vater rächt? ... der Götterspruch, Ist er dein Werk? Ah! weißt du die Geschichte Von dem Thyest und seinen Söhnen! – er, Er selbst hat sie mir eben erst erzählt! Und du hörst seine Klagen an? verdammst Den Vater? ha! was würdest du dann tun, Wenn er dir Weib und Krone nähm? nicht wahr? Von diesem Raube hat er nichts erzählt! – Als ich in Sikyon noch Priesterin In Pallas' Tempel war, und da der Ruf Von beider Brüder Zwist die Welt durchflog, Verdammt' ich auch den Atreus! doch seit dem Hat er mir die Geschicht' ins Licht gebracht, Und von der Tat die Schwärze weggewischt, Die in der Fern' sie mir verfinsterte. Das schönste Götterbild wird fürchterlich, Wenn es der Rauch entflammter Kerzen schwärzt: Nimm ihn hinweg, so tritt es glänzender Hervor. – Gesetzt, daß ihn die Wut zu weit Geführet hat: die Schuld hat Grenzen, doch Die Rache nicht! Ein Gott vergißt sich selbst Im Zorn, und öfters straft sein Blitz den Mann, Der höchstens nur der Rute würdig war. – Gehorche du des Königes Gebot, Erwart in Ruh' der Götter weisen Schluß, Und glaube nicht, daß du da wählen kannst, Wo dich die Pflicht blind zu gehorchen lehret. – Ich folge deinem Rat. Wo ist Thyest? Ich möchte doch den Zweig von Pelops Stamm Auch sehn, der über uns so viele Schmach Gebracht. Er ist im Vorhof. Bring ihn her! Denn Atreus wird bald selbst zugegen sein. Aegisth geht ab. 2. Auftritt Zweiter Auftritt alleine. Ich weiß nicht, welche Stimm' in meiner Brust Für den Thyest auch fleht. – Ich wünsch', und wünsch' Ihn nicht zu sehn. Beklemmt von Bangigkeit Schöpf' ich nach Luft, und fast zerspringt mein Herz. – Die Schreckenbilder, die ich vor'ge Nacht Im Traum erblickt, seh' ich noch stets vor Augen. Mein Vater lag mir buhlerisch im Arm Und heulte laut; die Donner rauscheten Umher, und eh ich mich's versah, fuhr mir Ein Dolch ins Herz: erwachend fühlt' ich noch Der Wunde Schmerz! ... doch still! es kömmt Aegisth! ... Daß meine Klage nicht sein Herz noch mehr Erweiche! ... Ah! was seh' ich? Große Götter! – 3. Auftritt Dritter Auftritt Königin, Aegisth, Thyest. beiseite. Thyest! ist dies Thyest? er gleicht dem Bilde, Das ich im Traum sah! zum Aegisth. Undankbarer! Ist dies der Lohn für mein Vertraun auf dich? Wo ist das Ungeheur, dein Vater? – zaghaft. Dies Ist meine Mutter! etwas unruhig, als er sie sieht. Dies? Ihr Angesicht Scheint mild. Allein ich weiß es schon, daß hier Nicht Menschen sind! den Gräbern gleich, wo drinnen Die Made frißt: von außen schmückt sie Gold. – Verschlinge mich, Hyäna! denn du bist Des Atreus Weib! Verwegner! fleht man so Um Mitleid? weißt du auch ... Ich weiß es, daß Kein Mitleid wohnt, wo Atreus wohnt! die Burg, Die mich einst glücklich sah ... ach sah! nicht mehr! – Ein Mörderhaus! Die Türme der Zyklopen, Sonst heilig, itzt entweiht! – Die Spinne lauscht Hier und ergreift den Wurm, der unschuldsvoll Im Sonnenstrahle spielt! – Unglücklicher! Du trotzest? da mein Fürspruch dir vielleicht ... Ich brauch' ihn nicht: denn ich will sterben. Nicht Der Tod, trüg er die scheußlichste Gestalt, Mit Feuer, Stachel, Dolch – was die Natur Nur Schauervolles kennt, bewaffnet, schreckt Mich mehr! ... allein, den Atreus sehn? – ihn sehn? – Verderben, Pein und Tod sind lieblicher! Jedoch die Götter ... Der Orakelspruch ... Kennt ihr hier Götter? ihr? ihr Antlitz hat Sich längst von euch gewandt; und eure Götter Sind bloß die Furien, Unmenschlichkeit, Raub, Lügen, Mord, Betrug, Verräterei; Und eure Opfer? ... Weh! Weh! meine Kinder! Mein Plisthenes! mein Tantalus! dort, dort An dem Altar zerriß er sie, zerschnitt Er ihr Gebein: kein kindliches Geschrei, Kein Winseln und kein Flehn drang in sein Ohr: Er fluchte nur, daß ihm nicht die Natur Mehr Fäuste gab, in ihrem Eingeweide Zu wühlen, ihnen nicht mehr Leben gab, Sie zu zerstören ... Ah! du zitterst, Weib? Denk, wenn er dir so deinen Sohn zerrissen? erschrocken. Was sagst du? schweig! wo ich dir raten soll. Des Feindes Wut besänftiget nicht Wut! Die Welle legt sich nicht, wenn du sie schlägst! ... Gilt noch mein Wort beim König ... Weg von mir! Kein Wort für mich! du bist ein Tigerherz! Wie? hast du nicht hier diesen Sohn mit ihm Erzeugt? so falsch, so grausam, als er selbst, Sein Vater ... Ach! liebkosend wand er sich Wie eine Schlang' um mich und stach, indem Ich ihn erwärmte – Nein, Thyest! dies tat Ich nicht – Meineidiger! was fleht' ich dich? – Fleht' ich um Argos' Thron? nein, meiner Qual Und meinem Elend mich zu überlassen! Bei Löwen mich in tiefen Wüsteneien, In Wäldern, die kein Tag jemals durchschaut, Den kummervollen Rest des Lebens mir Zu lassen! – Aber nein! – er schleppt mich fort, Hieher, hieher zum Atreus: ... Weh! weh mir, Mir Unglückseligen! – Hier! Ach! hier stand ... (Entsetzliche Erinnerung!) hier stand Das schreckliche Gefäß, worin das Blut Von meinen Kindern mir mit Wein vermischt Entgegenschäumete: hier trank ich es! Hier lag ihr Haupt: dort ihrer Hände Paar, Gefaltet noch, als sie um Hülfe flehten Und weder Gott noch Mensch mitleidig sie Erhört' ... Ihr seht euch an? – Ihr trocknet euch Die Augen? – Ach! hat die Verstellung schon Euch Atreus auch gelehrt? – Wie? oder gibt Ein noch mitleid'ger Gott ... umsonst! umsonst! – Ah! Ihr verstummt? Wohl! laßt mich noch entfliehn, Eh Atreus kömmt! Aus Mitleid tötet mich! Und sterbend dank' ich euch. Dies kann nicht sein: Denn gleich ist Atreus hier! Mein Mitleid hast Du zwar, wenn du's verdienst. Das Elend herrscht In Argos, und uns drückt es mehr als dich. Fühlst du es nicht (wenn dein verhüllt Gesicht Es dir zu sehn verbot), daß du auf Leichen Gingst? – Sprich! wer hat auf ein unglücklich Volk Den Fluch gebracht? das Scheusal, dein Gemahl! Wer hat die Furien aus ihrer Nacht Hervorgelockt? das Scheusal, dein Gemahl! ... Wer brach den Eid, den er am Altar schwur, Den Göttern schwur? das Scheusal, dein Gemahl! ... Verwegner, schweig! er kömmt, damit du nicht Ihn zwingest, das zu sein, was du ihn nennst. Muß ich ihn einmal sehn, so fürcht' ich nicht Die ganze Höll' in ihm. – Thyest, Thyest! Das schärfste Schwert, das Marmor spalten will, Zerspringt! ... Du kennst ihn schon! Ich kenn' ihn, ja, Und alles Schreckliche, das meiner wartet. Ich hab' kein Weib und keine Kinder mehr! Was fürcht' ich sonst! verhindre, daß ich ihn Nicht seh', und dann, dann will ich dich noch segnen. Das kann ich nicht, doch will ich dein Geschicke Zu lindern mich bemühn ... Das will ich nicht! Die Lindrung ist mir Pein: ein süßes Wort Vom Atreus, Höllenpein! So trage du Auch deine Schuld! So fürchte wenigstens, Daß deine Qual zum Mitleid uns bewege! Geh, Falscher! Dich zum Mitleid? – Ach! warum, Grausame Götter, zwingt ihr noch mein Herz, In ihm den Feind zu lieben! – Jüngling, ja Ich weiß nicht, welch geheimer fremder Trieb Für dich und dieses Weib sich in mir regt? Ein Glück! daß ihr dem Atreus zugehört, Daß ich euch hassen muß ... wird den Atreus gewahr. Mein Vater kömmt! beiseite; sie sieht den Thyest mitleidig an. Du armer Greis! wie sehr beklag' ich dich! 4. Auftritt Vierter Auftritt Die Vorigen, Atreus. Ha! bist du hier? Ich bin's, Verruchter! ja, Damit ich dir noch einmal fluchen kann, Eh ich dies graue Haar zur Grube trage; Die Söhne seh', die du geschlachtet hast, Und ... Stolz genug! weißt du, wer du hier bist? Ich? – König von Myken und Argos! So? Wo liegt dein Staat? Da, wo die Schändlichkeit In menschlicher Gestalt itzt herrscht. – Sie herrsche! Oh! dürfte sie Thyest nicht vor sich sehn! ... Ihr Götter seid einmal gerecht! es fehlt Euch ja an Blitzen nicht! werft sie herab! Vertilgt ... Du bist wohl sehr ergrimmt, daß du Nicht ihre Blitze trägst? doch, dank es mir, Daß dich die meinigen nicht schon verzehrt! – Oh! hätten sie's getan! so hätt' ich nicht Die schrecklichste der Taten da gesehn, Vor der die Sonne selbst ihr Angesicht Verbarg und die Natur zurückebebte! So hätt' ich nicht an deiner Hand mein Blut Wegtröpfeln sehn; so wär' mein armer Staub Bloß deiner Rache Spiel: Du könntest ihn Auf jenen Flecken streun, wo itzt mein Blut Der Götter Rach' erfleht, und ich säh' dort Mit den Unsterblichen herab, um dich Hier zu verachten! – Ha! – wie aber? wenn Ich unsern Zwist vergäß', voll Gnad und Huld Vergäß', daß du Thyest mein Bruder wärst, Und dieses Reich mit dir zu teilen wagte? – Hast du den Götterspruch gehört? – Oh! wär' Es Ernst! Umsonst! So flucht' ich deiner Huld! ... Weg! Du betrügst mich nicht! das letztemal Betrogst du mich also! – da glaubt' ich, daß Ein Tropfen Bluts voll Menschlichkeit in dem Noch übrig wär', den mit mir eine Brust Getränkt, ein Blut genährt. – Oh! wehe mir, Daß ich es da geglaubt! ... Und wär' es wahr, So möcht' ich nicht mit dir das Reich ... mit dir? – Nein, Qual und Tod! ihr seid mir lieblicher! So wär's der Mühe wert, dich neben mir Zu setzen! Ja, dies sieht dir ähnlich! So Bist du mein Bruder: – So – doch sag' ich dir: Dich stieß ich dann in Abgrund ... Wenn du könntest, Verräter! weißt du, daß von meinem Winke Dein Leben hängt? Und darum ekelt mir's! Ha! unerträglich stolz! spöttisch. Es steht ihm wohl! beiseite. Mehr als zu wohl! Dies Bettlerkleid ... wo hast Du es geborgt? – Und wem stahlst du das Gold, Den Purpur, der dein niedrig Herz versteckt? Die Götter gaben mir's, weil ich's verdiente! O Götter! hört! hört, wie er eurer spottet! ... Gewiß durch Opfer? Ja, du gabst mir sie Ja selbst? Abscheulicher! sie hören dich, Die Götter! sind sie gleich parteiisch itzt, So kömmt doch eine Zeit – sie kömmt gewiß, Da meiner Kinder Blut und diese Fesseln, Die du mir angelegt, beim Jupiter Mehr als des Zepters Last, die du geraubt, Mehr wägen werden. Dann wird noch für dich Ein Geier übrig sein, der dir ohn' Ende Dein immer wachsend Herz zerfressen wird, So wie du mir mein Herz! – Du leugst! Du fraßest Es selbst ... Du redest doch von deinen Kindern? Hast du nicht ihrer mehr? – Nein, ich bin übrig! Zerfleische mich! Dein Rachen dürstet Blut, Ich seh' es wohl. Vielleicht wird es dein Gift! Vielleicht trag' ich in meinem Blut die Pest, Die itzt dein Bruder ist, und dir die Müh' Erspart und würgen hilft! – O Pelops Stamm! Unglücklichs Volk! dem du Beherrscher gabst! – Nein, du sollst leben! Nein, ich raubte mir Die königliche Lust, an deiner Wut Mich zu ergötzen? tief in deinen Blicken Den innern Gram zu spähn ... zum Aegisth. Ja, eine Lust, Die deiner würdig ist! ... Da lern, Aegisth, Welch eines Vaters du dich rühmen darfst! Lern es, du Weib, welch einen Mann du hast! Dann redet mir von Lieb' und Mitleid vor! ... Verachtest du sie nicht? – Mein Vater! Schweig! Zum Thyest. Du findest hier nicht die Aerope mehr, Die du verführen kannst. – Dies weiß ich: dies Macht sie auch deiner wert. Aerope war Es nicht: sie war schon mein, eh du durch Zwang Sie in die Bande schlugst, die ich zerriß: Und war ich strafenswert, so hab' ich g'nug (Ihr Götter! wißt es selbst!) dadurch gebüßt, Daß sie dir zugehört. – Dein schwarzes Herz Braucht andere Gehülfen, so – wie die ... Er meint dich, Königin, und dich, Aegisth! – Ihr sollt gerächet sein! – Ihr sollt es sehn, Wie ihn des Folters Grimm zerrenkt, von Glied Zu Glied den flücht'gen Geist umher erst jagt, Eh er den Ausgang trifft, eh ihn der Tod Mit kaltem Arm umfaßt; ihr sollt es sehn! Ihr sollt es sehn, wie auf der Folter ich Des Wütrichs lachen will ... Was zauderst du, Tyrann! komm! sei du selbst mein Henkersknecht, Damit ich dir im letzten Odemzuge Noch fluchen kann, du deine Taten krönst, Und dir, dir selbst, als dem Unmenschlichsten, Dem Scheußlichsten, die späte Nachwelt fluche. Fort! mir aus dem Gesicht! Dies wünscht' ich längst! Führ ihn, Aegisth, tief in die finstre Nacht Des Kerkers unter uns, bis meine Wut Erst überdacht, was für ihn Schreckliches Noch übrig ist! ... zum Aegisth. Komm fort! – was zauderst du? der sich die Augen wischt. Mein Vater! – denk, was ich ihm zugesagt! Laß meine Tränen dich ... Was sagst du? fort, Verfluchter! fort, mit ihm mir aus den Augen, Wo dich nicht auch mein Grimm ergreifen soll! Aegisth gehet mit Thyesten ab. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Atreus, Königin. Was fällt dem Knaben ein? Ah! hörtest du? – Präg ihm für meinen Zorn mehr Ehrfurcht ein, Sonst ... Welch ein Sturm! verzeih ihm dieses Mal! Die Jugend hat ein wächsernes Gefühl, Borgt von der zarten Brust, nicht vom Verstande Den Rat, und dreht sich um das Herz umher, Bis durch der Jahre Lauf die Klugheit ihm Die Sphär' erweitert hat. – Ein alter Mann Von Jahren abgezehrt, noch mehr vom Grame, Des mattem Aug' die dürft'ge Trän' entsteigt, Die bleiche Wang' ihm sengt, in weißem Bart Sich zitternd hängt; indem sein schwacher Mund Erbarmung fleht, preßt leicht der Menschlichkeit Das Mitleid aus! ... Ah! du entschuldigst ihn? Auch ist er noch von der Beleidigung, Wodurch Thyest dich einst verwundet hat, Nicht g'nug belehrt. – Er kennt noch nicht das Glück, Das du im Thron ihm einstens zugedacht, Und einem Kinde gilt ein buntes Glas Gleich einem Edelstein. – Du weißt, daß stets Aegisth in deinem Wink den Wink des Zeus, Durch den er diese Welt bewegt, verehrte. Ein Wort! und er wird dein Gebot vollziehn! Es sei! ich werd' es sehn. Allein ... Thyest, Thyest! – Die Rache treibt mein ganz Gehirn In einem Kreis umher! – Wo fängt sie an? Wo hört sie auf? – Ihr, Höllengötter, sagt! Oh! lispelt mir's vertraulich in das Ohr ... Sprich, Königin! – Auf welche Marter mich Die Wut auch führt, so dünkt sie mir zu klein. Die ärgste hab' ich schon an ihm verübt! Itzt hat er nichts als sein unwürdig Sich. – Sich? – Weniger als nichts – ein schlecht Gerippe, Das ich zerreißen kann; zehn Tropfen Blut, Die ihm noch übrig sind, und ein verwelkt, Empfindungsloses Herz. – Ja, er hat recht, Daß er der Marter trotzt ... Verderben, Pein! Mir trotzt Thyest, sprich, Königin! was denkst, Was rätst du mir? Ich fürchte deinen Zorn! Ich weiß, daß er wie Feuerflammen frißt, Wenn man ihm raten will, wo ihn sein Grimm Nicht Taten lehren kann! – Nein, rede frei! Die Liebe hat viel Recht! sie spricht für dich! So laß ihn los! Wie? gibt die Hölle dir Den Anschlag ein? – ah! was hast du gesagt! Bist du der Widerhall von deinem Sohne? Nein; quäl ihn, wie du willst: so rufst du schnell Das Ende seiner Qual, den Tod, herbei! Der Tod – gewiß, er scheint dem Glücklichen Nur fürchterlich: dem Leidenden ist er Willkommne Ruh'! Du sahst, er foderte Dich dazu auf? – Laß ihn in Wüsteneien, So fürchterlich, wie seine Qual in ihm, Mit Wölfen laut sein Unglück heulen; da Die Wut des Syrius, von keinem Bach Erquickt, den Sturm des Boreas, durch nichts Als eine Haut bedeckt, um die er erst Mit Panthern kämpfen muß, empfinden! Du, Sei glücklich auf dem Thron! hoch glänzend sei Dein Ruhm! und jedes Meer erzittre weit Und breit umher vor deiner Macht: – Er seh's Und fühl' die Qual, die mehr als Phlegeton Das Herz verbrennt, der Feinde bittersten Beglückt zu sehn, wenn man es selbst nicht ist. nachdenkend. Dies ist etwas! ... Denk ihn nur auf dem Throne, Den du beherrschst, und denke: du seist er! Was wähltest du: Tod oder Leben? Tod, Trüg' er nur nicht den Anblick des Thyest! – Allein das Glück ist falsch. Was hätten sonst Die Götter für ein Spiel? wär' nicht der Mensch. Schon einmal hab' ich sie belustiget. – Sein Odemhauch, und wär' er noch so schwach, Den Staub zu heben, ist für mich ein Sturm, Der meinen Thron erschüttern kann. Nein, nein, Er schmacht' indes in Fesseln, bis ich mir Die Art erst ausgedacht, die ihm den Tod Empfindbar machen soll! Doch, Herr! mein Sohn Wird Erbe deines Throns? Er hat mein Wort! Lehr ihn, gehorsam sein. Dies werd' ich tun! Atreus geht ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt alleine. Wohl mir! daß ich vom neuen atmen kann! – Was widerfuhr mir? was? ich weiß es nicht. – Thyest! – Es bebt die kleinste Nerv' in mir Bei seinem Namen! – Ah! sein Angesicht! – Der Sprache Ton – ein ganzes Ebenbild Von dem, den ich im Traum gesehn, zuvor Niemals gesehn. – Ein jedes Wort von ihm Ward eine Flamm' in meiner Brust und fuhr Empor in mir, erstickte mir die Sprache! – Mein Herz flucht still dem Atreus: jede Qual, Die er ihm droht fühlt' ich durch jedes Glied. Ich fühlte jede Pein, die ich ersann, Als ich den Faden ihm verlängerte, An dem sein Leben hängt; und fühlte nicht, Was Atreus Wut mir da zu fürchten gab! – Ah! was ist das? – Ich glaube, schreckte mich Nicht die Gefahr von meinem Sohn ... Tyrann! Wär' er das, was du glaubst, mein Sohn von dir! Megäre wär' nicht grausamer als ich? – Thyest! Thyest! was spricht für den Thyest? – Ein Bettler? ein Tyrann? ein Feind des Atreus? Die traurigste Gestalt? – mir flucht er selbst? – Ha! ist das Elend denn weit mächtiger Als jener Glanz, der einen Thron umgibt? Verschlingt er Tugend? Pflicht? – Ich träume noch! – Umsonst hält die Vernunft mein Glück mir vor! – Sog ich ein Gift aus seinen Augen ein? Ist er ein Sohn des Erebus, der uns Durch Zauberei ein anderes Auge gibt? Ein andres Herz in unsern Busen senkt? Er muß es sein! – Aerope – trank sie nicht Auch dieses Zaubergift? nein, nein, er soll Mich nicht berauschen; nein, ich will die Pflicht, Den Ehrgeiz und den Ruhm erst hören, dann – Dann sehn, was für das Mitleid übrigbleibt! 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt allein. Es sei darum! Er wüte, schäume, rase! Erbarmen, Mitleid, Pflicht, Religion, Gewissen, Amt, Gewogenheit und Treu' Für meinen alten Freund und König, ach! – Für den unglücklichen Thyest: dies ruft Mich auf, ihm beizustehn! es koste mir Das Leben. – Ah! was nützt es mir, wenn ich Der Götter Fluch ertragen soll? – und nie Hat ein Tyrann die Sonne seines Glücks Bis zu dem Untergange scheinen sehn. – Wer weiß, was itzt der Götter Rat beschließt! – Apollo hält sein Angesicht versteckt: Sein Bogen ist gespannt, schon liegt der Pfeil Darauf: – Wer weiß, nach wessen Brust er zielt! – Unglücklicher Thyest! oh! wärst du es! Oh! hätte der Tyrann schon itzt ... Weh ihm! Ich habe nicht umsonst den Götterspruch Dem Volke kundgetan ... Doch das Verbot Des Atreus ... Hier ist alles still umher. – Es hüllet sich der Blitz in schwarz Gewölke, Der Riese lauscht tief hinter dem Gebürge. Ich seh' ihn wohl: doch tritt er dann hervor! – Ihr Götter! dann ... zum Glück! da kömmt Aegisth! Noch hat des Jünglings Herz der Bosheit Schlamm Nicht überschwemmt: bis auf den Boden noch Sieht man es hell ... 2. Auftritt Zweiter Auftritt Priester, Aegisth. tiefsinnig und traurig, ohne den Priester gleich gewahr zu 25 werden. Ich weiß es nicht. – Mein Herz schwimmt tief in Leid! – Wie gern nähm' ich ihm seine Fesseln ab, Und legte sie mir an! – Den Göttern sei's Gedankt! noch lebt Thyest! er wird den Priester gewahr. Der Priester! ... Prinz! Was fehlet dir? Mir? nichts! – Allein! dein Aug' Ist trüb'! Es nagt an dieser Ros' ein Wurm! Gesteh es mir, traf sie ein Mehltau? sprich! Hat eine böse Tat dein Herz befleckt? Mein Herz? ich habe nichts getan, als ... Was? Als – was mein Vater mir gebot! Was ist's? – Es lebt Thyest? Er lebt! allein, wie lange! Das weiß ich nicht! – Auf keines Sterblichen Gesicht sah ich den Zorn noch so erschrecklich! Der Sturm im Meer ist sanft: die Flamme kühl Ach! gegen seine Wut, des Königs Wut! Und keine Qual so hart, die dem Thyest Er nicht gedroht ... Gedroht? jedoch noch nicht Vollstreckt? – genug! noch Glück genug für uns! – Und was sagst du dazu? Ich? was ein Sohn Dann sagen darf, sobald ein Vater will! Ich schweige, tue, was die Pflicht mich lehrt, Gehorche ... Ja, sie lehrt dich seinem Winke Gehorsam sein, wenn er gebeut, was Recht, Gesetz und Billigkeit erfodern; doch, Ist seine Foderung also? Das weiß Ich nicht! Und was hat er von dir gefodert? Wo ist Thyest? und wo der König? Dieser Verschloß sich voller Grimm in sein Gemach, Befahl der Wacht, niemand vor ihm zu lassen, Und jener ... ach! ihn mußt' ich unters Schloß In Kerker bringen ... Und du seufzest? – Du Verrätst mich nicht! ich weiß es, deine Gunst Hab' ich schon oft geprüft! – Mein ganzes Herz Weint laut um den Thyest: die kleinste Qual, Womit man ihn bedroht, fährt wie ein Dolch Mir durchs Gebein! ich seh', ich fühle sie! – Was hat er ihm gedroht? Ach, alles! – Tod Ist das geringste; ja, mir dünkt sogar, Ich litte gern für den Thyest den Tod! Der Vorwurf, daß ich ihn nicht fliehen ließ, Daß ich mit Haß ihm sein Vertraun belohnt, Daß ich zu Qual und Tod ihn hergeführt, Daß ich ... ach! alles wirft mein Herz mir vor! Ist denn kein Trost ... Ich habe Trost, mein Prinz! Die Götter richten uns nach unsrer Absicht, Nicht nach dem Ausgang; der ruht ganz allein In ihrer Hand. Mir bürgt dein edles Her Für Bosheit und Betrug in dem, was du Getan: der Götter Spruch, den Pythia Dir gab; dein Wunsch, das Elend von Mykene, Das eine Mitternacht von Schrecken deckt, Zu endigen; die Hoffnung Pelops Haus, Auf den der Acheron Haß, Mord und Tod Ganz ausgeschüttet hat, mit Freundschaft, Glück Und Leben ausgesöhnt zu sehn, dies war Der Grund: – Er war's, die Götter wissen es! In allem hast du noch nach deiner Pflicht Getan. fällt ihm um den Hals. O Glück! mein Freund, mein bester Freund! O welch ein Trost! ein Balsam auf mein Herz Ist mir dein Wort! So hab' ich recht getan? Doch wenn Thyest ... Ach! wenn dir's möglich ist, Entreiß ihn des Verderbens offnem Schlunde! Mit hundert Rachen brüllt er unter ihm ... Du kennst nicht meines Vaters Grimm, weißt nicht Wie der mich schreckte, da ich für ihn bat! Getrost ... Hast du nicht schon ein leis Getümmel Des Volks vor dem Palast gehört? der Ruf, Der hundertzüngige, so stumm er scheint, Hat schon die Neuigkeit von dem Thyest Umher gehaucht. In des Orakels Spruch Verkündigt' ich der allgemeinen Not Das nahe Ziel und alles lebt aufs neue. Der Brüder Zwist sah jedermann schon längst Bloß für den Quell des tiefen Elends an, Aus welchem es den Zorn der Götter trinkt, Und die Versöhnung ist der Halm, auf dem Für sie der Rest des schwachen Lebens hängt. – Doch das Verbot des Königs ... fürcht'st du nicht ... Ich fürchte nur die Götter! Menschen nicht, Nicht Könige, nicht ihn. – Er weiß, das Volk Verehrt den Gott in mir, der seinen Dienst Mir anvertraut! er weiß, wie heilig ich Vor ihm gewandelt. – Weh, weh ihm! ... Er kömmt! Ich zittre! – 3. Auftritt Dritter Auftritt Die Vorigen, Atreus. Ha! unfehlbar wiegelst du Aegisthen auf? ... was will das Volk am Schlosse, Verräter? Nein, das bin ich nicht! – Es weiß Das Volk, daß hier Thyest in Fesseln liegt. Wer hat es ihm gesagt? – Du, nicht wahr? Du? Nein, Herr! Warst du's, Aegisth? Mein Vater, nein! Doch auf dem Schiffe war es bald bekannt. Der flehende Thyest verriet sich selbst. Die Neugier, Herr, sobald man eine Tat In ein Geheimnis hüllt, hat Aug und Ohr Gedoppelt: sieht noch mehr als wirklich ist! geht tiefsinnig auf dem Theater umher; beiseite. Die Tugend soll mir ihre Maske leihn! Dies wundre dich nur nicht! das Zwillingspaar Am Firmament verbirgt eh sein Gestirn, Eh sich die Glut verbirgt, die Rach und Zorn Bei eurem Zwist, von Furien erborgt, Und Argos in den Brand gesteckt, von dem Der Rauch noch itzt, sein Auge blutig frißt. Mykene steht mit offnem Mund und harrt, Ob durch die Nacht ihm wo ein Helfer glänze? Und spürt dem Fünkchen nach, das in der Fern' Ihm scheint. Es sei! der Anfall meines Zorns Ist nun vorbei! das Elend des Thyest Hat mich ihm ausgesöhnt: die Klugheit will; Es sei! freudig. Mein Vater! ... Schweig! ... doch wisse, Greis! Versöhnen will ich mich mit ihm: ich will Vor dem Altar Vergessenheit ihm schwören; Ein Opfer selbst mit allem Pomp geschmückt, Nebst ihm, den Göttern schlachten: – doch das Reich Geteilt mit ihm ... nein, das wird nie geschehn! Eh will ich selbst ein Raub des Todes sein, Eh rüste Zeus mit allen Donnern sich ... Genug! ich weiß, daß Schwefel sich bei Glut Zu leicht entflammt; gnug! ich begehre nicht, Daß du vom Throne steigst; auch nicht, daß du Mit dir zugleich ihn drauf erheben sollst. Ich glaube selbst, Thyest haßt dich zu sehr ... (Urteile du, wer ihn zuerst gereizt!) Um neben dir ein zweiter Zeus zu sein. Ich glaube mehr! daß ihn sein Elend g'nug Gelehret hat, wie schlüpfrig jener Gipfel Der Hoheit ist, von dem ein falscher Tritt In Abgrund stürzen kann. Der Stamm ist alt, Zu Früchten untragbar: die Äste hast Du ihm verhaut; ich weiß, er selber wird Den kleinen Rest, bis sich sein Saft verzehrt, Im Schatten stiller Ruh' verleben wollen! Versöhne dich mit ihm: gib ihm soviel, Als seine Notdurft heischt: räum ihm entfernt Von dir ein Ländchen ein, ein kleines Stück In dem argolischen Bezirk! – dann siehe! Ob sich der Götter Zorn für uns versöhnt, Und was der Sinn von dem Orakel sei! – Willst du dies tun? – O König! tu's! Damit dem Zwietrachtsgeist, der Pelops Haus In Brand gesteckt und alles Ungemach Darauf verbreitet hat, zuletzt einmal Die Fackel ausgelöscht und unsrer Not Ein Ende werde! – Herr! willst du es tun? Ich will und räum' ihm Epidaurus ein, Wenn ich nur nicht sein Angesicht mehr sehe! ... Doch glaubst du, daß dies seiner Herrschsucht g'nüge? Daß wenn die Schlange sich vom Frost erholt ... Ich setze mich zum Unterpfand für ihn, Mein Vater! Junger Tor! wer fragte dich? Die Schlange soll nicht stechen. Laß mich, Herr, Ihn sehn! gib mir Bedingungen für ihn, Schränk ihn nach Willkür ein, ich lege sie Ihm vor, und will er nicht, so schwör' ich dir, Trotz der gerechten Wut, zu der du ihn Gereizt, trotz alledem, was ihm das Recht Des Bluts und der Natur gegeben, trotz Der Rache, die du ihn gelehrt; ich schwör's Bei den Unsterblichen: das Heiligtum Soll selbst sich wider ihn bewaffnen ... doch – Daß die Versöhnung ja der ersten nicht, Das Opfer nicht dem vor'gen ähnlich sei! Es seufzt das Volk: die ungeheure Last Des Elends, die es drückt ... Ich weiß genug! Da sollst du Bürge sein. Es soll Thyest Das Opfer öffentlich mit mir vollziehn, Dann lass' ich ihn in deiner Hand, im Tempel, Bis das, was er bedarf, bestimmet ist. Doch alsdann fodr' ich auch von deiner Hand, Daß er mir nicht das Volk zum Aufruhr reizt, Daß er den Rest, den ihm die Parze schenkt, In Ruh' verlebt, daß ihm der Ehrgeiz nie Die Segel schwellt, wenn man die Laufbahn ihm Auf diesem Meer des Lebens offenläßt, So sehr ihn auch der Wind begünstiget. – Bürgst du dafür? Ich tu's ... Allein, darf ich Ihn itzt nicht sehn, ihn unterrichten, was Dein Will' ist? – – nach einer kleinen Pause. Ja, du sollst ihn sehn. Zum Aegisth. Aegisth! Geh! bring ihn her! Mein Vater! ach! mein Herz Zerfließt in Dank ... Geht ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt Atreus, Priester. Doch du, sobald du dich Mit ihm besprochen hast: so geh voran, Und stille den Tumult vor dem Palast! Die Klugheit heischt, daß wir noch unbemerkt Zum Tempel gehn: des Pöbels Auflauf ist Schon halbe Meuterei. Verweis' indessen ihn Zum Altar hin, damit er öffentlich Dort die Versöhnung seh'. – Ich billige Zwar die Behutsamkeit; allein, du gehst, Mein König, doch mit mir? Ich folge dir Im Augenblick, wenn du das Volk verscheucht. Es komme dann Thyest mit dem Aegisth Uns nach! Du sollst es sehn: wie großmutsvoll Ich handeln kann. Das werd' ich sehn! auch du Sollst sehn, wie treu ich meinem König bin, Sobald er nur der Götter Willen folgt, Die ihm ihr Bild auf Erden eingeprägt. Ich geh' ... Er kömmt! – wir dürfen uns nicht sehn! Im Weggehen. Du sollst es sehn, Verräter, wie ich dich Betrügen will! 5. Auftritt Fünfter Auftritt Priester, Thyest, Aegisth. für sich alleine. Kann's sein! ist dies Thyest, Der einst an Reiz dem jungen Bacchus glich? Wie hat der Gram sein Angesicht gefurcht, Des Alters Eis sein schwarzes Haar bereift, Das Elend ihn zur Gruft herabgebeugt! – Er kennt mich nicht! – Thyest! zum Aegisth. Du täuschst mich nicht! Wo ist der Wütrich? fort! zum Aegisth. Laß uns alleine, Aegisth geht ab. Mein Prinz! 6. Auftritt Sechster Auftritt Die Vorigen. Thyest! Wie? kennst du mich nicht mehr? Den Freund, den alten Freund ... Hier einen Freund, Wo Atreus wohnt? hier kenn' ich keinen Freund, Ich habe keinen Freund: der Götter Haß, Der Menschen Fluch bin ich! – Nicht wahr, du dienst Dem Atreus? – Sklave! geh, dich kenn' ich nicht! Ich diene nur den Göttern und nicht ihm. – Kennst du nicht deinen Freund von Nauplien? richtet sich etwas auf. Von Nauplien? Dem, als das Elend dich Verfolgte, du die Tochter anvertraut, Ein kaum halbjährig Kind ... Was hör' ich! – wie? Du solltest ... nein, unmöglich! ... einen Freund Von mir? und Atreus ließ ihn übrig? hier? – Du solltest Calchas sein? – Sieht ihn starr an. O ja, du bist's, Dies redliche Gesicht – du bist's! ja ja, du bist's ... Ihr Götter! – ist mein Herz zu so viel Glück Noch aufbewahrt! – Seit dreißig Jahren itzt Das erstemal noch einen Augenblick Der Süßigkeit? – Er fällt ihm um den Hals. Ihr Götter! tötet mich In der Umarmung! – noch dies letzte Glück! Vor Freuden! ach! noch einmal! – noch einmal! – Wo kömmst du her? was willst du hier? – bist du Der Todesbote? – Ach! sei mir gegrüßt! Ich segne diesen Dolch, der mich durchbohrt: So sterb' ich doch in eines Freundes Arm! So ist die Hand doch sanft, die sterbend mir Mein Auge zugedrückt! ... O Calchas! lebt, Lebt meine Tochter noch? wo ist sie? ... still! Daß Atreus es nicht hört, wenn sie noch lebt! – O mein Thyest! Warum itzt nicht mein König! Weg! dieser Nam' ist mir verhaßt, seit ihn Mein Bruder trägt, mein Mörder, mein Tyrann. Ich bin ein Wurm ... noch weniger: denn der Scharrt sich in Staub vor unsrer Grausamkeit, Ist sicher: ich! – ach! mir bleibt nicht der Staub, Wo ich mich gern, um lebend tot zu sein, Vergrüb'! – O Freund! weißt du mein Elend ganz? – Unmöglich! – Ah! wer weiß es nicht! die Welt Ist voll von deinem Weh und Atreus' Wut. Jedoch die Götter, Freund ... Wie glaubst du noch, Daß Götter sind? Unheiliger Gedanke! – Nein, nein! so weißt du nicht, was ich erlitt! Plisthen und Tantalus ... Ich weiß es! doch Erzürne nicht die schon ergrimmten Götter Durch einen Fluch, den die Verzweiflung dir, Die Höll' in Sinn gehaucht! Die Götter sind In Weh und Wohl, das ihre Hand uns schickt, Gleich gut und weise: denk, daß du auch sie Durch manche böse Tat zum Zorn gereizt! – Durch Bruderhaß, durch Ehebruch, durch Mord ... Ich tat's, wirf mir nur meine Taten vor, Ich hab's verdient! – – Du bist dafür bestraft! Leid in Geduld! fleh sie in Demut an! Erwarte still das Ende deiner Not! ... Ein Ende meiner Not? Warum dies nicht? Weil dein begrenzter Blick es nicht erreicht? Sieh doch umher, wie weit Mykene geht, Und Argos, Griechenland, das Meer, die Welt? Die Zeit? die Ewigkeit? – Vielleicht wiegt Zeus Schon seinen Blitz auf deine Peiniger! Vielleicht ... doch still! ... vielleicht vergönnt man uns Nicht lange Zeit! Allein ich denk', ich bin Ein Friedensbote dir ... Hier Friede! hier? Beim Atreus? – Ach! verschworst du dich mit ihm? Und du bist Calchas? nein, du bist's nicht mehr! Hab' ich es nicht gehört, was seine Wut Mir angekündigt hat? – Ah! bist du noch, Bist du mein alter Freund, so halte nur Den Donner nicht zurück, der auf mich zielt! So ist es aus! Ich weiß, was Atreus dir gedroht! Welch ein Geschick dein warten würde! Nicht Von seiner Huld und Bruderliebe hoff' Ich Heil für dich: Nein, einzig von der Furcht, Die kein Tyrann im Busen töten kann, Wenn gleich sein Schwert sonst alles töten kann. Gefürchtet wünschen sie zu sein und fürchten sich, Wenn sie es sind! Es fürchtet Atreus dich! Es gärt das Volk im Aufruhr schon; es weiß Dein Leid, beweint sein eigenes in dir, Flucht, droht und fleht: der Thron erbebt! er sieht's. Die Götter bieten Erd' und Himmel auf Zu Zeichen! Raben schrein in schwarzer Luft, Der Donner wirft Altär' und Höhen um: Gespenster schweben bleich auf Gräbern her. Er sieht's und bebt, so sehr er es verbirgt: Er sieht's und trotzt dem Himmel durch Geschrei Und übertäubt durch Wut die innre Stimme Und glaubt, er hör' sie nicht, und zittert doch! – Meinst du, daß er mich nicht zerschmetterte, Als meine Stimm' ich itzt für dich erhob? – Und dien' ich gleich im Tempel des Apollo: Du weißt, was er nach Priestern sonst gefragt ... Doch höre, was ich itzt für dich erhielt! Verstellung! List! ein übertünchtes Grab! Tret' ich darauf: Oh! so verschlingt es mich! Nein, sag' ich dir! er kann nicht, wollt' er auch. Er übergibt dich mir: bist du einmal Im Heiligtum: wohl! so versuch' er es: So steck' er uns mit Göttern und Altar In Brand und sehe, was ein Volk beginnt, Das wundenvoll mit der Verzweiflung ringt Und kühn der Rute trotzt, mit der er schlägt ... Doch hast du Mut genug, das Königreich, Des Hälfte dir gehört, nicht zu begehren? Und dies fragt Calchas mich? zehn Königreiche! Hab' ich nicht schon die Bitterkeit geschmeckt? – Ein güldner Apfel, ach! er ist voll Gift, Und drinnen steckt der Tod, berührst du ihn. Des Raubtiers Höhl' ist mir weit sicherer Als Atreus' Thron ... Doch wenn du ihn allein Besitzen kannst? die höchste Macht ... Ist nichts. Sie ekelt mir. So, wie ich es gewünscht! Auf die Bedingung nur erhalt' ich dich! – Du sagst dich feierlich vom Throne los? Von allem! bringe mich nur weg von ihm! Mein Innerstes empört sich voller Graun, Wenn ich ihn seh'! Mich dünkt, er spritzt aufs neue Mir meiner Kinder Blut ins Angesicht, Wenn ich ihn sehen muß! – Dies mußt du: doch Nur noch einmal! So wird sein Blick mich töten! Er räumt dir Epidaurus ein! Er mir? So wachet dort gewiß ein Todesdiener, Der mich erwürgen soll! Es steht bei dir Zu nehmen. Willst du nicht, so bleib bei mir Im Tempel! weihe dich der Götter Dienst Und bete sie mit mir im stillen an! Dies könnt' ich tun! ... doch ist der Tempel nicht Hier in Mykene, hier, wo Atreus herrscht? Im Tempel herrscht er nicht; und wenigstens Bleibt dir zur Flucht da stets ein Weg noch offen. Wohlan! ich bleib'. Es steht mir überall Zu sterben frei. Vom Atreus will ich nichts, Nichts, nichts, kein Stäubchen nicht, nicht gern ein Grab In Argos! Gut! Um desto weniger Brauchst du dem Glück und ihm dich zu vertraun ... Doch einmal mußt du ihn noch sehn! einmal! Warum? Warum? weil du ihm am Altare Vor allem Volk Versöhnung schwören sollst. Was sagst du? Haß, Haß bis ins Höllenreich! Gebiet, o Freund, itzt deiner Leidenschaft! – Wie reiß' ich dich sonst aus des Adlers Klaue, Die dich schnell faßt, sobald du mir versagst, In Tempel uns zu folgen? – Siehst du nicht, Daß dies der Vorwand ist? – Dein Vorteil heischt Es selbst, damit das Volk dein Elend sehe! Die Träne schleicht sich leichter in das Herz, Wenn unser Auge sie erhascht, als wenn Man abgewandt von ihm ein Meer verweint. Die Großmut, dich versöhnlich da zu sehn, Wo eine Furie dir Frieden beut, Und alles dich zu Blut und Rache ruft: Der Pomp des Opfers ... Ah! was sagst du mir? Auch Opfer? Weh! weh dem unglücklichen Thyest! Oh! denkst du nicht des letzten Opfers? Weh mir! weh mir! schon seh' ich Blut! mein Blut An seiner Hand! ... wo ist Pelopia? – Schon einmal fragt' ich dich, und schweigend gabst Du mir Bericht. Ach! ist sie tot? ist sie In Atreus Hand? – unfehlbar! ja sie ist's! Dies wird das Opfer sein, das er aufs neue Zu schlachten denkt! – Du irrest dich, Thyest! Zwar hab' ich nichts seit jenem Augenblicke Von ihr gehört, gesehn: allein sie ist Gewiß in Sicherheit. Ich brachte sie Nach Sizyon, wo Theosprotus herrscht, In Tempel, übergab sie da der Zucht Der Oberpriesterin, zugleich vertraut Ich ihr den Ring, den du mir gabst, samt Stand Und Namen: doch verbot ich ihr, niemals Der Tochter kundzutun, woher sie sei, Bis dein Geschick zu deinem Vorteil sich Erklärt. Sie hat, wie ich nachdem erfahren, Der Pallas sich geweiht, und dienet da Vermutlich noch, als Priesterin. Du sagst, Nach Sizyon? – Ich weiß nicht, welch ein Schauer Mich überläuft! – Das Schrecken treibt mein Haar Empor ... Unsterbliche! wacht über sie! ... Doch still ... ich will mich nicht mehr ängstigen! Genug ... Genug! ich geh'. Die Zeit ... Du gehst? Geh' ich mit dir? – Nein, Atreus geht mit mir. – Dich bringt Aegisth zu mir an den Altar. Ich will das Volk erst am Palast verstreun, Damit dem Atreus nicht selbst dies ein Vorwand Zur Rache sei. Weh mir! wie wird mir's gehn! Grausamer Freund! Du gehest nicht mit mir? Nimmst sie zurück, die Hoffnung, die du gabst? Und gehst allein? – Befürchte nichts, Thyest! Ließ ich den Atreus hier, so fürchtet' ich, Soviel als du von ihm. Vertrau dich mir! Ein Raubtier streichelt man, wenn es uns nicht Verletzen soll! den Anschein vom Vertraun Mußt' ich ihm zugestehn. Wofern er säumt, So komm' ich flügelschnell zurück! und dann Weh ihm! ... Du folge nur in allem, was Die Freundschaft dir im Tempel raten wird! Verbeiß einmal die innre Rachbegier Und stelle dich, als ob dich Lethens Trank Vergessenheit gelehrt. Ich muß! – Genug! Dir überlass' ich mich .... Umarme mich – Er umarmet ihn. Freund! sei getrost! – Indem er abgeht, tritt Aegisth herein. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Thyest, Aegisth. Getrost! Ah! wenn der Trost Bei der Verzweiflung wohnt, so find' ich ihn ... Verzeih! – Demüt'ge mich durch keine Bitte mehr! Davon weiß Atreus nichts. Du bist sein Sohn! Du folgest mir, Thyest! – Wohin? beschämt. In Kerker! Dies wird von meinem Glück der Anfang sein. Sie gehen ab. 4. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt alleine. So soll es sein! – Er dank' es seinem Glücke, Daß ihn die Rache nicht zu langer Qual Noch aufbewahrt! daß seiner nicht mein Spott Noch in dem Tode lacht, wann dieser nun Das Herz ihm bricht, und jeden Zug die Angst Im Angesicht mit bleichen Farben malt! – Dies Schauspiel raubt mir bloß des Priesters List! Ah! Rach und Tod auf des Verräters Kopf! Er soll mir büßen! ja! beim Zeus! er soll Die Schrecken, die ich feierlich ihm schwur, Die soll er fühlen! spät sei's oder früh! Ich lehr' ihn zittern, noch im Reich der Schatten. Vor Schrecken soll das Rad, das neben ihm Ixion wälzt, auf einmal stillestehn, Und dann im Herzen seines Tityus, Der Geier seinen Fraß vergessen. Ja, Die Hölle zittern, daß des Atreus Wut Mehr Qualen noch erdacht, als sie gekannt .... Es kömmt mein Weib! – sie muß mir ihre Kunst Zur Mordtat leihn. – Es wankt Aegisth! ... Das weibliche Geschwätz zerschmelzet leicht Sein Herz ... Was bringst du mir? 2. Auftritt Zweiter Auftritt Atreus, Pelopia. Mein König, hast Du vor dem Schloß den Auflauf schon gesehn? Ich sah ihn wohl. Und weißt du, was das Volk Begehrt? Ich horchte still, was sein Gespräch, Sein Auflauf sei; die Lüfte säuselten Thyest, Thyest mir zu. – Wie ich gefürchtet! – Ha! wir sind in Gefahr! der Aufruhr stürmt: Noch atmet er, und bald, lass' ich ihm Zeit, Bläst er im Sturm, reißt mir das Diadem Vom Haupt, stürzt mich vom Thron und dich zugleich! Dich, meine Königin! – Ich zittre nicht Für mich – für dich! ... Entsetzen! wann Thyest Uns auf den Nacken tritt, von deinem Sohne Das blut'ge Eingeweid' uns ins Gesichte Mit grimm'gem Hohne schlägt ... Was sagst du, Herr? Was unausbleiblich ist, wenn nicht die Wolke Ein jäher Blitz zerreißt und schnell herab Auf die Verräter fällt, die sie getürmt. Wer sind sie? Wer? der Priester und Thyest! Thyest! der ohnmachtsvoll im Kerker liegt? In seinen Namen hüllt das Mordgespenst Sich ein; der Priester wirft ihm vom Altar Die heil'gen Kleider um, und gibt ihm keck Zu dem Panier den feilen Götterspruch, Den er darauf mit blut'gen Lettern schreibt. Schon fasset es die Säulen meines Throns – Er bebt, schlag es zurück, sonst fällt er! fällt Auf dich und deinen Sohn! Die Phantasei Täuscht dich vielleicht mit falschen Schrecken! Ah! Hab' ich sie nicht, den Priester und Thyesten Hier selbst belauscht, mit eignem Ohr gehört? Ich soll vom Thron herabgeworfen sein! Man will ihn erst hin in der Götter Schutz, In Tempel ziehn, wo stolz der Priester herrscht. – Ein Augenblick entscheidet unser Los; Ist der entflohn ... Und was ist dein Entschluß? Mir sagt' Aegisth bloß im Vorübergehn, Daß du dich dem Thyest versöhnen willst. Ein Vorwand, einen Punkt der Zeit für uns Noch zu gewinnen! sieh den Plan und rette Dich, mich und deinen Sohn, uns und das Reich! Was soll geschehn? Dein Will' ist mein Gesetz! Der Priester stillt den Sturm des Volks anitzt: Du siehst! es ist Betrug, damit er mir Nur den Thyest entriß: – Er kömmt und holt Mich dann in Tempel ab, wo ich, um nicht Gleich in der ersten Flut ersäuft zu sein, Mit dem Thyest, Versöhnung öffentlich Ihm angelobt. Aegisth soll, glaubt der Tor, Thyesten hin begleiten, dann will er (Dies horcht' ich ihnen ab) zum König ihn Vor allem Volk ernennen (denn er weiß Den Wankelmut des Volks, das seiner Schwären, Die Pest und Hunger schlägt, wünscht los zu sein), Dann ... o das Schreckliche! dann ... soll ich dir Es sagen, was für uns erfolgen wird? – Wie beugt man ihnen vor? Thyest darf nie Zum Tempel kommen, nie die freie Luft Mehr atmen, sonst – sonst ist's um uns geschehn! Das heißt, er soll ... Ja, er soll sterben! Ah! Wie? Du erschrickst? Verzeih! ein weiblich Herz Entsetzet sich zu leicht beim Klang des Todes! Verbann itzt diese Furcht! Bewaffne dich Mit männergleichem Mut! – Es muß Aegisth Den Todesstreich vollziehn! Aegisth? mein Sohn? Aegisth! Dein Sohn und mein Sohn! ja, er muß! Bereit ihn vor! es möcht' ihn meine Wut, Wenn sie des Jünglings Herz unfolgsam fände, Zermalmen. – Schon war er mir widerspenstig! Um deinetwillen hab' ich ihm verziehn. Der Mutter Sanftmut streicht oft Honigseim Auf ein Gebot, das in der Väter Ernst Gehüllt, der Weichlichkeit zu bitter scheint. Entschließe dich! es bringt der Augenblick Vielleicht den Priester uns zurück: dann ist's Um uns geschehn! Qual, Angst und Tod, Grab und Verwesung liegt bei Kron' und Reiche Vor dir: was wählest du für dich, für mich, Für den Aegisth? Was die Vernunft gebeut .... Doch, König, Herr! kann nicht ein anderer ... Nein, sag' ich, nein: warum nicht er? wer soll Gehorsamer für meinen Willen sein Als er? wem soll ich traun? – Verrätern? Herr! Ich fürchte nur ... Was? fürchtest du ihn mehr Als mich! so fürchte stracks für ihn! Mein Arm Hat Kraft genug, den Ungehorsam selbst In ihm zu züchtigen. Der Donner brennt! Im Augenblick ist er von dem Thyest Auf den Aegisth gelenkt: das Blut, das nicht Den Bruder schützt, schützt wahrlich nicht den Sohn; Und ich ... ich schwöre dir beim Styx ... Halt ein! Was soll er tun? Gehorchen. Wie? und wann? Im Augenblick. Sobald der Priester mich Von hinnen führt .... (O Mord durch mein Gebein, Daß ich nicht des Triumphs in meiner Rache selbst Genießen soll! G'nug Ruhm für den Aegisth, Daß er von meiner Rach' ein Werkzeug wird!) – Im Augenblick, sobald der Priester mich Von hinnen führt, hin zu dem Tempel führt: So stoß er dem Thyest den Dolch ins Herz! Vergönnt es dem Aegisth die Zeit, den Tod Ihm fühlbarer zu machen: ... Du verstehst Mich g'nug! – erschrocken. Allein, wird nicht des Volkes Grimm, Das schon im Aufruhr kocht; des Priesters Haß, Wenn er die Mordgeschicht' erfährt ... Er komm' In Tempel mit Geschrei und klag' es da Im falschen Winseln uns, daß sich Thyest Aus Furcht vor mir mit eigner Hand entleibte, Daß er den Kopf im Kerker sich zerstieß, Daß er sich selbst ... er sage, was er will! Wird die Verstellung ihm wohl Kunst genug Verleihn? So lehr es ihn! – Ha! Dein Geschlecht Ist schon dazu gemacht. – Nicht mehr ein Wort! ... Doch nein; den Leichnam scharr' er in den Sand Und sag', er sei ihm unterwegs entflohn. Ich sende dann schnell Boten durch das Land, Ich setze Preis' auf seinen Kopf und schäum' Und wüt' auf den Aegisth und schließ ihn auch Zum Schein minutenlang in Kerker ein, Den er mit meinem Thron vertauschen soll. Ein solcher Schein befriedigt leicht das Volk: Denn soll dies nicht in unsre Taten spähn, So setze man die Räder der Maschine In Gang und lehre sie nur tätig sein: Sie läuft sich endlich stumpf und stehet still. Doch des Orakels Spruch ... Fluch über dich Und des Orakels Spruch! Ich hab' ihn selbst Enträtselt, ja, ich glaube: mein Entwurf Ist ganz sein Sinn. »Es wäscht sein Blut das Blut Der Kinder vom Altar, das Reich trennt nicht Alsdann die Brüder mehr, die Pest entflieht!« ... Da kömmt Aegisth. – Genug! o Königin, Sei meiner Liebe wert! und liebst du ihn, Ah! liebst du den Aegisth, so lehr ihn auch, Der meinen wert zu sein. – 3. Auftritt Dritter Auftritt Die Vorigen, Aegisth. Was bringst du, Sohn! Der Priester wartet dein! der Auflauf ist Durch ihn gestillt, kein Mensch ist mehr am Schlosse: Der Priester wünscht in Kerker nur zu sehn, Ob noch Thyestes lebt? Dies kann er tun! Geh, führ ihn hin: – du kömmst hieher zurück: Die Königin hat ein Geschäft für dich! – Sei stolz darauf! die väterliche Huld Hat dir dies Glück gewährt: vollführe kühn, Was sie gebieten wird, sonst zittre! ... Geh! Ich folge dir. Geht mit Aegisthen ab. 4. Auftritt Vierter Auftritt allein. Wo bin ich? alles dreht Sich um mich her, wie in mir mein Gehirn! – Mein Busen klopft; mein Auge schwimmt in Tränen, Mein Herz in Blut! – Thyest! so sollst du sterben? Ist's Mitleid, Menschlichkeit, die für dich flehn? In meiner Brust mit lauter Stimme flehn! Und ach! Aegisth! – der soll dein Mörder sein? Mein Sohn? grausame Tat! ... wie hass' ich dich! – Mir dünkt, ich fühle sie! durch jedes Glied Fährt mörderisch ein Dolch! – Unglücklicher! Zu welchen Furien der Hölle soll Ich flehn, daß sie mich waffnen? ach! sie sind Des Atreus Götter! ... hat nicht Atreus recht? – Droht nicht das Panthertier des Löwen Stolz Mit blut'gem Zahn? – In einer Art von Raserei, nach einer Pause. Ja, Furien, herauf! Zerbrecht der Hölle dreifach eisern Tor, Treibt mich, treibt den Aegisth! – Ihr kommt, ihr kommt! Der blut'gen Geißel Schwung braust durch die Luft, Die Funken sprühn aus halbverbrannten Fackeln, Es schwellen blau die hagern Wangen auf: Den ausgefreßnen Leib umschlinget schon Das schwarze Leichenkleid! es rauscht die Furcht Der bangen Mitternacht in Fittichen Von Spinnen ausgewebt, schwarz über mir! Ha, gebt mir einen Dolch! – Er sterb, er sterbe! Umsonst flehst du, mein Sohn, für den Thyest! Stoß oder stirb ... Er kömmt! – er komme nur! Mir dünkt, ich bin itzt eine der Mänaden; – Wär' es Thyestes selbst, ich fürcht' ihn nicht! 5. Auftritt Fünfter Auftritt Pelopia, Aegisth. der zusammenfährt, als er sie erblickt. Ah! welche Blässe färbt dein Angesicht? Ein Schauder schlägt dein zitterndes Gebein? Dein ungewisses Aug' gießt Flammen aus? Du keuchst? – weh mir! Was fehlt dir, Königin? – Ist das Gebot, das Atreus hier für mich Dir hinterließ, so angst-, so schreckenvoll? Nein, eine Kleinigkeit! Du warst mir stets Gehorsam, Sohn: wirst du es immer sein? O zweifle nicht! mein Leben ist dein Werk; Ist's dies? gebeut! und ich gehorche ... Nein: So gäb' ich meins für deines hin! Was sonst? Sprich! alles will ich tun! Du willst es tun? Schwör es bei jenem Schwur, der Götter selbst Gebunden hält, wenn sie Ambrosia Und Nektar letzen soll! Was heißt die Furcht, Die Vorsicht, die du brauchst? Gehorche! schwöre! Ich tu's! Genug! – Geh! töte den Thyest! – erschrocken. Ihr Götter! wie? – was sagst du? – hör' ich recht? – Du sollst ihn töten! ja. Ihn? den erst itzt Der König mir befahl, zu dem Altare Des Sonnengottes hinzuführen? Ihn! Es ist des Königs Gebot! Ich will's. Sein Glück erfordert es, mein Glück und deines. Mein Glück! sprichst du? kauft man ein Glück durch Mord, Durch Meineid, durch Betrug? Nicht deine Schuld! Thyest ist ein Verräter! Atreus will! Ein Untertan folgt, wenn sein König will; Sonst ist der Tod sein Lohn und deiner! Götter! Oh! was hab' ich getan! daß du mit mir So ungewöhnlich sprichst, die du mir sonst Ganz Freundlichkeit, ganz Mutterliebe warst: In lieblichen, in süßen Tönen sprachst ... So sprech' ich noch, wenn du gehorsam bist. In Donnern spricht man Widerspenstigen! Oh! nenne mich nicht so! ich bin es nicht! Du tötest also ihn? Du willst es? – Du? ... Was hat der arme Greis getan? Welch Recht Hast du, zu fragen? g'nug! Du sollst – Ein Mord! – Und nicht einmal soll da ein Sohn die Mutter ... Ich bin auch Königin. Oh! zeige mir Die Ursach' wenigstens, damit ich nur Der von geheimer Angst zerrißnen Brust Die Rechenschaft erteilen kann, damit Die Ursach' dieser Hand die Kräfte gebe, Die Tat zu tun, vor der das Herz erbebt? – Solch eine Tat! ... Oh! ihr Unsterblichen, Worzu behaltet ihr mich auf! Zum Throne, Sobald du folgst. – So wenig dir es ziemt, Die richterliche Frag' an mich zu tun; So wenig mir es ziemt, dir Rechenschaft Zu geben, da du unsern Willen weißt: So lass' ich mich doch noch so weit herab! ... Doch wehe dir, wo du dann zauderst! – Wisse! Der Priester und Thyest verschworen sich, Sobald sie unterm Schutz der Götter sind, Im Tempel sind, den König von dem Throne Zu stürzen. – Sprich, was wartet unser dann? – Glaubst du, daß noch ein Argos für dich ist? Daß für dich aus der Erd' ein neu Mykene Entsprießen wird? – Ist die Verschwörung nicht Ein Hirngespinst, das sich mein Vater macht? Denn, wisse, Königin! ich habe ganz Hier das Gespräch des Priesters und Thyests Gehört. Du leugst! kann dies Gespräch nicht selbst Verstellung sein? – Kurz, Atreus will! du mußt! Das Leben des Thyest ist unser Tod, Er ist's! verlangst du den? – Wohlan! so komm! Komm her! Undankbarer fang an mit mir! Hier unter diesem Herzen trug ich dich, Durchbohr es: schwinge dann den blut'gen Dolch Frohlockend über mir, indem du mich Mit Füßen trittst, und preise dann der Welt Dein Mitleid an, daß du des Fremdlings schonest, Um deine Mutter ... ah! bist du mein Sohn? Erbarme dich! – Weil du dich mein erbarmst? – Ha! soll ich hier, in Staub gebeugt, dich flehn? Du tötest mich! – Nein, nein, du tötest mich! Doch des Triumphs sollst du dich nicht erfreun! – Erzittre! daß ich dich jemals geliebt! Hör ein Geheimnis an, das dich und mich Des Atreus Grimm schnell überliefern soll. Ha! du bist ein Bastard, nicht Atreus Sohn! Was hör' ich? Götter! Ja; als er mich nahm, Trug ich schon dich zween Monat lang. – Kein Mensch Als ich und der, der sie verbrach, weiß sie, Die Tat. – Als ich bei Nacht einst in dem Haine Der Pallas opferte, und mir das Blut An einem nahen Bach von Händen wusch, Geschah die Tat. Den Frevler kenn' ich nicht: Zum Glück entriß ich seiner Seit' ein Schwert, Das dir vielleicht ihn einstens kennbar macht. Nach der Entheiligung konnt' ich den Dienst Der keuschen Göttin nicht mehr am Altare Vollziehn, wo sich die Tat zu leicht verriet, Und ich durch Schimpf, Verachtung, Qual und Tod Bestrafet ward. Ich suchte Schutz am Hofe Des Theosprotus, wo mich Atreus sah, Mich liebgewann, und zu dem Thron erhob. – Du weißt nun alles! komm! begleite mich Zum Atreus; alles will ich ihm entdecken, Damit sein Zorn von dem Thyest auf mich Und dich geschüttet sei! komm! unverweilt Komm fort, du Mörder! komm! nicht mehr mein Sohn! ... Du weinst? Was soll ich tun? – Hier bin ich – ach! Gebeut! ich will es tun! bewaffne mich! Führ meine Hand! und zittert sie zurück Und weigert sie den Mord: so stoße schnell Dem Ungehorsamen durchs Herz! – Genug! Ich finde dich itzt wieder! O mein Sohn! Mein Herz bebt selbst vor dieser blut'gen Tat; Allein sie muß geschehn! – Der Götter Fluch (Ist es ihr Wille nicht) fall auf das Haupt Des Atreus hundertfach! Thyestens Blut Wasch unsre Hände rein von aller Schuld! ... Komm, deines Vater Schwert umgürte dich. War er ein Held, so füll' es dich mit Mut Und schaffe dir, da er dir nichts verließ, Als dies; zum wenigsten Mykenens Thron! Ich folge dir – Pelopia geht ab. 6. Auftritt Sechster Auftritt alleine. Ich bin nicht Atreus Sohn? – Nein nein, ich bin es nicht! Oh! hat es mir Mein Abscheu nicht schon längst entdeckt, daß ich Kein Sohn des Wütrichs bin? – Abscheulicher! – Und ich soll ihm die Hand zur Mordtat leihn? Grausame Mutter, ach! was forderst du? – Ich muß ... allein Nachsinnend. könnt' ich das Mordegewehr Nicht mir ins Herze drehn? ist nicht der Tod, Den sich die Unschuld gibt, weit rühmlicher, Als wenn man sich durch Frevel schuldig macht, Der Götter Fluch auf sich herniederzieht, Und schändlich lebt und herrscht, wenn man Mit Ehren sterben kann? ... Die Königin Ist aber in Gefahr – sie, meine Mutter! ah! Von dieser Lieb und Pflicht reißt mich nichts los! – Ich muß! ich muß! – unglücklicher Thyest! Geht ab. 5. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Eingang zu dem Gefängnisse des Thyest. Pelopia, Aegisth. Pelopia führet ihn zitternd an der Hand und in der andern hält sie das Schwert. Hier nimm! – Du bebst! – was fürchtest du? Mein Herz! O Angst! – es berstet: ... gib! Nimm! – halt es fest! Wie schwer ist es! Für eines Feigen Hand! O wär's fürs Vaterland! Du solltest sehn! ... Was würd' ich sehn! Dich fliehn? ein einz'ger Feind Ist dir so schrecklich? – ha! was würden dir Zehntausend Feinde sein? Weit weniger! Weil sie bewaffnet sind! gib dem Thyest Die ganze Kraft der Jugend in den Arm, Geuß frisches Blut ihm in die Adern ein, Zieh seine Nerven an, gib ihm ins Herz Des Siegers Rüstigkeit, der Hand das Schwert Und laß ihn los: alsdann – dann fordr' er mich Zum Kampf heraus! und du sollst sehn ... Ganz gut! Itzt will ich aber sehn, was du für mich, Für dich, für den, der dir die Krone gibt, Beginnen kannst. Die Tat, so klein sie ist, Ist eines Helden wert! Dein furchtsam Herz Ist hier der Feind, nicht er! G'nug Ruhm für dich, Besiegst du es. – Doch Undanks auch genug! Sein inneres Gefühl, den Richter hier Auf seine Brust zeigend. Der uns nichts Böses rät, zu töten! – Tor! Wie? siehst du außer dir sonst nichts als dich? Nennst du dies böse? dies? wenn du uns rettest? Den König? mich? ein ganzes Königreich? Wenn dies vielleicht der Götter Sinn selbst wär', Daß du den Zwist der Brüder endigtest, Der Argos Fluch, Grab und Verderben ist? Ich bleibe stets der Mörder! Bleib es! g'nug! Entschuldiget dich nicht des Königs Wille? Mein Wille? Deine Pflicht? – fort oder komme Zum Atreus! – Ah! ihr Götter; steht mir bei! Verfinstert mir das Auge, daß ich nicht Mehr seh'! verstopft mein Ohr, daß ich nicht höre! Versteinert mir das Herz! lenkt meinen Stoß Ihm – oder mir ins Herz! Ich bleibe hier! Wiß es! ich bleibe hier. Ich steh' dir bei, Wenn dir es nicht gelingt. – Sie verbirgt sich am Eingange des Gefängnisses; die Türen desselbigen tun sich auf und zeigen den Thyest. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Thyest, schlafend, Aegisth mit dem Schwerte. zittert und bebt. Er schläft? – wie sanft! – Ah! itzung weiß er nicht, Daß ihm so nah sein Mörder ist? wenn ihm Es nicht ein Gott im Traume sagt, daß der Sein Mörder ist, den er geliebt, der ihm Die Sicherheit verhieß ... Der Lügner! ah! Verschläng' ihn doch der Abgrund! ... Still! er lächelt, Der gute Greis! – in Fesseln lächelt er Dem Tode zu, da ich ... Entsetzen! ich! ... Die Mutter zeiget sich halb, droht ihm, und stampfet mit dem Fuße. Oh! sieh nur her! sieh! den ehrwürd'gen Greis! – Sie gebärdet sich sehr ängstlich über sein Zaudern. Allein vielleicht wiegt ihn ein güt'ger Gott In diesen süßen Schlaf, damit er nicht Die Bitterkeit des Todes fühlen soll, Den Mörder kennen soll! – Ja ja, er selbst Erbarmt sich meiner Angst, um mir die Scham, Die keine Nacht verhüllt, zu schenken – Er nähert sich ihm, sieht ihn lange aufmerksam an, erhebt die zitternde Hand; indem erwacht jähling Thyest; Aegisth läßt den Dolch voll Entsetzen fallen, die Mutter ringt, doch ungesehn vom Thyest, die Hände. Ah! Mein Sohn! – Aegisth? und mit entblößtem Schwerte – Er greift danach und hebt es auf. Aegisth steht starr und zittert. Mir träumte von Plisthen ... Du zitterst? ah! Warum? – Sei mir gegrüßt – ich merk' es schon, Dich sendet Atreus! – nein, nein, zittre nicht! Dein bleiches Angesicht verrät mir noch, Daß du so schlimm nicht bist, als ich vermeint. – Du willst mir nur mein Elend endigen! Des Priesters Hoffnung hat mich nicht getäuscht: Ich wartete des Friedensboten – komm! Hier ist mein offnes Herz – Er zeigt ihm de Busen. hier nimm das Schwert! ... Ist es auch scharf genug? ... Indem er es genauer besieht, fährt er vor Schrecken zusammen. Pelopia springt hervor und will ihm das Schwert entreißen; er zieht es aber wieder zurück und ruft. Was seh' ich? halt! ... Ängstlich zum Aegisth. Wer gab dir dieses Schwert? unruhig. Ich! gib es her! Sobald du mich gelehrt, wer dir es gab? Greif zu, Aegisth! ... Kleinmütiger! – Du bebst? ... Ich sage dir! Nicht eher geb' ich es. – Dies Schwert war mein! Dein? – Götter! O welch ein Gedank! ... hat sie Mir nicht gesagt ... In einem finstern Hain Bei Sicyon – (o tilgten jene Nacht Die Götter auch aus meinem Leben aus!) ... Ha! solltest du's, Verräter, sein, dem ich Damals das Schwert entriß? der mich entehrte? Der mir auch unerkannt ein süßes Gift In meinen Adern ließ, daß dich noch itzt Mein Herz nicht hassen kann! – reicht ihr das Schwert; sie reißt es ihm aus der Hand. Da! strafe mich dafür! – fällt ihm um den Hals und weint. Mein Vater! ach! ich sterbe! Scham Und Reu ... ich wollte dich – ermorden! – Wie? Du bist mein Sohn? Ich bin's! ich bin's, und hätt' Es meine Mutter mir auch nicht gesagt. Im ersten Augenblick, als ich dich sah, Hat mir's mein Herz gesagt! – O Süßigkeit! Mir gibt das Glück noch einen Sohn zurück? – Umarme, drücke mich fest an dein Herz! – Zieh meinen Geist mit deinem Odem ein! – Aegisth, mein Sohn! – Du bist nicht Atreus' Sohn? Nein, nein, ich bin es nicht! und hätt' er mehr Als eine Welt, und wollte diese Welt Mir geben! – Nein, ich bin es nicht! ich bin Dein Sohn! ich sterbe hier mit dir! ich hab' Es tausendmal verdient! War ich es nicht (O Schändlichkeit), der dich hieher gebracht? Nein: Deine Tugend ist des Lebens wert! Oh! wär' itzt Argos mein! (das erstemal! Daß mir der Wunsch, den ich verflucht, aufs neu Ins Herze schleicht!) ... doch komm! vollzieh die Tat, Zu der mein Bruder dich hieher geschickt! Vielleicht war dies der Preis ... Mein Vater, wie? Verkennst du so dein Blut? Nein, töte mich Und eile schnell in Tempel, eh er kömmt! – O zu getreues Kind! ... Unsterbliche! Gebt ihm den Lohn – Er weint. den ich nicht geben kann! Er geht zur Pelopia, die mit eingeschlagenen Armen diese Zeit über voll Tiefsinn an der Seite des Theaters gestanden. Ha! Königin! Du bist des Atreus Weib! Noch ist das Schwert entblößt in deiner Hand: Komm! es ist dein Beruf! tu für den Sohn, Was er für sich nicht wagt! – Gib, meine Mutter! Er will nach dem Schwerte greifen, sie zieht es hastig zurück und sieht den Thyest starr an. Dein rollend Auge sagt mir, was du denkst! – Was zauderst du? stoß her! – Thyest! Thyest! Sie hebt die Hände empor, die sie mit einer ängstlichen Wildheit ringt. Oh! rufe nur des Atreus Götter an! Sie werden dir schon Mut verleihn! ihr Durst Lechzt nur nach Blut! mach ihre Zähne ganz Von meinem Fleische stumpf, von dem noch itzt Ihr Rachen überläuft! – fällt ihr zu Füßen. O töte mich! ... Schmeichelnd. Gib mir das Schwert! – Weg! weg! Steh auf, mein Sohn! Damit nicht ihre Wut ... mit aufgehobenen Händen. Thyest! Thyest! wird eines Ringes an ihrer Hand gewahr. O weh! Zeig mir die Hand! ... nicht die bewaffnete! – Die linke! – Ja, er ist's! er ist's! ... woher? – Wer gab dir diesen Ring? wer? Wer? – warum? Ich bin des Todes! sprich ... nein: töte mich! – Verschweig die schrecklichste Entdeckung – Ah! Mein Vater! Still! oh! nenne mich Thyest! ... Ihr Götter! schüttet euern Zornkelch nur Bis auf den Boden aus! ... Ich muß es wissen! Ha! was ist das? mein Blut in Adern starrt! – Gab dir es nicht die Oberpriesterin Zu Sicyon? Wer hat es dir gesagt? – Das einzige Geschenk, das sie mir noch Von meiner Mutter ließ! ... weißt du vielleicht, Wer diese war? und wer mein Vater war? Sag es geschwind! – Sag es, sonst töt' ich dich! – O töte mich! aus Mitleid töte mich! Aus Mitleid – selbst für dich, daß du es nicht Erfährst! ... doch nein – ein Mord! ein Vatermord! – Ah! was hab' ich gesagt! o meine Tochter! Nein, meine ... Weh! Weh über uns! o holt Den Atreus her, damit er unsre Schande Mit unserm Blut bedeck'! O Erde, tu Dich auf! verbirg uns vor des Tages Licht! Roll über uns, du ewig Feuermeer, Das durch die Hölle sich mit Brausen wälzt, Verzehr uns ganz, daß wir uns alle nie, Auch dort nie wiedersehn! – Grausamer Tag! Weit grausamer als der, da mir mein Blut Durch meine Lippen floß! Du leuchtest mir, Da du vor Atreus' Grimm dein Licht verbargst? Lösch aus! lösch ewig aus! Aegisth! Aegisth! Mein Sohn ... mein Enkel! ah! warum? warum Grausamer! tötetest du mich nicht erst? – Warum bewahrst du mich zur scheußlichsten Entdeckung auf! Ich bin des Todes! – Zwar Seh' ich nur halb durch diese Finsternis: ... Doch dein Verbrechen kam unfehlbar ... Weg Von mir! es kam von mir ... Pelopia! ... die wieder aus ihrem Tiefsinne erwacht. Der Name, den sie sterbend stammelte! – Ich bin's ... mein Traumgesicht ... Bin ich es nicht, Die dich zur Schande macht? wie wag' ich es, Dies Angesicht, wo deiner Mutter Reiz Noch eingeprägt, mir meine Missetat Mit Schrecken zeigt, zu sehn? ... Oh! dürft' ich dich Nicht einmal noch umarmen ... Weg von mir! Daß dir die Flamme nicht ins Auge schlägt! – Die Furie – sie kömmt zurück! – ich sehe Nur Flammen um mich her! – Das Eis zerschmilzt, Das mir in Adern starrt! – die Spitze wankt Am Dolch! der Arm ist reg' – Sie bewegt das Schwert. die Eumenide Wirft ihre Schlangen mir ins Herz! ich fühl' Es schon durchbohrt! das Blut, das strömeweis' Heraus sich drängt, löscht nicht den weiten Brand! ... Aegisth! geh her! – Bist du das Denkmal nicht Von unsrer Schande? – komm! ... Nein, bleib zurück! ... Die Königin läuft wütend auf den Aegisth los; Thyest tritt dazwischen. Ihr Götter! ah! was willst du tun? Was? was? – Die Schuld, die du verbrachst, in meinem Blute ... Sie stößt sich das Schwert in die Brust und fällt dem Thyest in die Arme. Ihr Götter! Weh! weh mir! o meine Mutter! Aegisth zieht ihr das Schwert aus der Brust. O Höllenangst! ... Sie will Thyests Arm zurückstoßen. Weg! mit dem Arm! er brennt, Wie Nessus' Kleid! ... unglücklicher Aegisth! – Du weißt den Namen nicht, den du nun trägst! Der Schwester Sohn – der Enkel deines Vaters! ... Der Fluch hängt über dir! – umsonst glaubt' ich Sie durch mein Blut gebüßt! – ich seh', der Tod Nimmt nicht die Rechnung an! – Du erbst von uns Die Missetat – und Ehebruch und Mord Wird deines Lebens Ruhm, sein Inhalt sein. – Zweimal fünf Sonnen fliehn vorbei ... was ist Des Helden Ruhm? – Umsonst frohlocket er, Der Sieger Ilions! – Dein blutig Schwert Hängt über seinem Mahl – und fällt – und fällt – Und trifft ... O Weh! die Rache hinkt dir nach, Sie hält dich schon beim blonden Haar, sie hebt Den Dolch ... Weh mir! Sie stirbt! – Unglückliche! Oh! reiße mich schnell in den Abgrund nach. Er führet sie in das noch offne Gefängnis hinein. 3. Auftritt Dritter Auftritt allein, betäubt. Wo bin ich? eine Nacht, noch schwärzer als Die Nacht, umschattet mich! – Nur hier und da Ein Blitz! und jeder fährt nach mir! – Nach mir! Erschlüg er mich! – Sohn, Vater, Ehgemahl, Weib, Tochter, Mutter! – ah! und ich? was? was? – Still! hab' ich nicht das Schwert in meiner Hand? ... O meiner Mutter Blut raucht noch daran! Thyest! Thyest! ... ha! lebt nicht Atreus noch? ... Er kömmt, er kömmt ... Man hört ein Geräusch. Geschwind! Er läuft nach der Türe des Gefängnisses und schließt sie zu. Ich trage nicht Umsonst dies Schwert! – Ich bin der Sohn Thyests ... 4. Auftritt Vierter Auftritt Atreus, Aegisth. voller Wut. Verfluchter! ha! wo bleibst du? Stundenlang Erwart' ich dich im Tempel! hat es dir Die Mutter nicht gesagt? Ist mein Gebot Vollbracht? Wo ist Thyest? wo deine Mutter? Ist er ermordet? – ha! was zauderst du? Sprich! rede! – Wie? Du schweigst? – bleich wie der Tod? Stumm wie das Grab? die dicke Träne rollet Dir durchs Gesicht – sprich oder ... hebt das Schwert voll Blut in die Höhe. Nichts, als dies? Oh! daß ich nicht dies Blut vergießen half! – Fühlt' er auch seinen Tod? ist er verscharrt? Und Bösewicht! warum verweilst du hier? Der Priester sprüht schon seinen Argwohn aus! Weh dir! wenn er des Aufruhrs Flammen reizt – Du schweigst noch? – ist dein Gehirn verletzt? Wie? oder trauerst du um den Thyest? Und eine Hölle soll mit ihrer Qual Für dich zu wenig sein! ... Er wird den Priester gewahr. Der Priester! ha! Was sag' ich! ... Er sinnt einen Augenblick. Still! – 5. Auftritt Fünfter Auftritt Atreus, Aegisth, Priester. stellt sich, als ob er auf den Aegisth wüte. Verderben, Fluch und Pein Auf deinen Kopf! – Verräter! was hast du Getan? welch Blut klebt an dem Mörderschwerte? Ah! den Thyest hast du ermordet? Du? – Hab' ich dir nicht gesagt, daß du ihn hin In Tempel bringen sollst? Ich reiße dich Auf immerdar aus meinem Herzen! fort! Fort, Vaterlieb' und alle Zärtlichkeit! – Er stellt sich, als ob er erst den Priester gewahr werde. O Freund! zur rechten Zeit! ... da komm und siehe! Der Mord raucht noch an seinem Henkerstahle! Was hör' ich! Wenn ich dir gehorcht, Barbar! Ha! leugne, Bösewicht! – Fort! daß das Volk Den Mörder des Thyest zerfleische! fort! Er will ihn beim Kleide ergreifen, hinausschleppen und ihm das Schwert aus der Hand winden. Das bin ich nicht ... doch deiner will ich sein! ... Er stößt dem Atreus das Schwert in die Seite; dieser fällt an die Stufen des Gefängnisses. Hier ist Thyest! – Thyest kömmt zur Türe des Gefängnisses heraus. 6. Auftritt Sechster Auftritt Die Vorigen, Thyest. Verfluchter Mörder! ... Er wird Thyesten gewahr. Ah! Was seh' ich? – dieser lebt! Er versucht es etlichemal, sich aufzuraffen, aber vergeblich. Aegisth! Aegisth! Du tatst nicht recht! – Ich tat, was ich gesollt! die Hände ringend, zum Priester. Mein Freund! – Ah! nun fühl' ich die Hölle ganz! Zum Aegisth. Vermaledeiter Sohn! Ich wär's, wär' ich Dein Sohn! Du nicht? Komm her: Thyest! komm her Und spotte meiner Qual! Du bist gerächt! Ich bin es wert! daß ich euch allesamt In meinem ersten Grimm nicht gleich zerrissen! – Verfluchter Priester! daß – ich dir getraut! Zum Aegisth. Daß ich dich nicht aus deiner Mutter Schoße Lebendig riß, und deiner Mutter dich Nicht so zu fressen gab, wie diesem hier Sein Fleisch. – Ich bin es wert! ... ihr Furien! Greift zu, schleppt mich in jene Finsternis! ... O weh! wie schwarz! dort, dort! – was seh' ich dort? Zwo Seelen steigen tief herauf! – Plisthen Und Tantalus – voll Blut – zerfleischt – und itzt – Sie waffnen sich mit Skorpionen ... helft! – Der Richter Minos! – fort – Er schlägt die Augen auf. O weh! o weh! Thyest lebt noch! Thyest! Aegisth? und du? – Zum Priester. Das Maß der Grausamkeit war voll! – sein Stolz Liegt hier im Staub! das höllische Gericht, Mit Schrecken angetan, bringt itzt von ihm Das schwarze Rechnungsbuch ... ah! wie er kämpft! Der Götter Spruch ist nun gewiß erfüllt. Dein Blut, Thyest, ist durch sein Blut gerächt! Du herrschst! kein Zwist trennt beide Brüder mehr! Den Göttern sei's gedankt! – Atreus stirbt. Das Untier stirbt! Betrogner Freund! Du weißt nicht, was in mir Für eines lebt – Sieh! dieser ist mein Sohn! Mein Enkel! ... Atreus Weib, die Tochter, die Du rettest, mein ... sag es aus, Aegisth! Dort liegt sie – dort – die Mördrin ihrer selbst! – Ihr letztes Wort verflucht' mich im Aegisth, Und Pelops Haus wird bei der Nachwelt noch Ein Monument abscheulicher Taten sein! Ah! ist der Götter Zorn noch nicht versöhnt? – Unglücklicher Thyest! dies ist die Frucht, Wenn man ein Sklav' von einer Sünde wird! Ein Laster knüpft sich stets dem zweiten an: Die Kette wird so lang und schwer, Daß keine Macht ihr unser Herz entwindet, Bis ihre Last uns in den Abgrund zieht. Ende des Trauerspiels. Fußnoten 1 Bei den Odrysiern, die einen Teil von Thrazien bewohnten, war es gewöhnlich, sich bei ihren feierlichsten Mahlzeiten zu schlagen und einander durch Wunden zu verunstalten.