Maria Luise Weissmann Imago Aber öffne... Aber öffne nur die Türe, Aber tritt nur auf die Schwelle, Hebe kaum den Blick und spüre Schon die ungeheure Helle, Schon den Glanz der leeren Räume, Die wie Wiese rasch erblühten, Schon den Tanz der schweren Träume, Die sich hoben, die erglühten... Zärtliche beschwingte Welle, Sieh, kein Lufthauch, der nicht rühre – – Aber tritt nur auf die Schwelle, Aber öffne nur die Türe! Kakteen Sie stehen jahrelang im Topf aus Ton, Verstockte in sich, selbstverliebte Käuze, In einer rätselhaft verbißnen Fron Der Form: sind Kugel, Kegel, Kreuze, Sie gleichen Birnen, mißgebornen Köpfen, Sind Stein-Gespenster, Schlange, Hand: Verfeindet so dem Außen, daß in Schöpfen Stacheln aufstehn um sie wie eine Wand, Dahinter sie verharrn, anarchisch, kündend, Prophet und Gott, ihr selbstbeseßnes Ich, Bis sie auf einmal stumm, in Blumen mündend, Sich ganz verschweigen, opfern, löschen sich. Ballade vom Namenlosen Er lebte weil er geboren war, Er fand keinen anderen Grund. Die Mutter liebte ganz früh sein Haar, Einmal Eine dann seinen Mund, Doch war es nicht wichtig und verging Auch schnell, bevor ers ermessen. Alles in allem war so gering – Er hatte als er zu sterben anfing Sich schon seit Jahren vergessen. Ballade vom Schatten Engte mich mein kleiner Schatten ein, Kleiner Schatten, der mich streng umschrieb, Mir drei Schritt voraus, zur Seite ging Oder drei in meinem Rücken blieb. Sprach ich: Schatten, böser Spiegel Schatten, Soll ich ewig treuer Diener sein, Immerfort von deinem Maß beschlossen, Ewig Abbild und für ewig dein? Schatten sprach darauf: Gib mir ein Licht, Größres Licht gib mir, mich drin zu strecken, Und ich geh von dir, groß und namenlos Weithin fremde Erde zu bedecken. Frau, da ging deines Blickes Mond, Deiner Augen Sonne schräg überm Himmel auf. (Unvollendet) An den Vater Ganz früh: Du tauchtest Dampf der morgendlichen Gärten In meine Seele. Der blauen Sichel des Mondes Namen gabst du, verwandt. Es reihten die Tiere Dir sich gehorsam, Zauberer, der du die Blumen Fremd im Abend beschworst zwischen Farrnkraut und Steinen. Mich auch einmal. Und gehst mir weiter die fremden Wege wie damals voran. Weißt schon den weißen Schimmer des Haars. So reichst du, das Endliche kennend Immer zuerst, den Tod wie damals den Tau, wie die Blumen. Aber die Liebe verfließt, ein dunkles Gewässer Ferne unendlich von Jedem einsam befahren. Spülte mir niemals zur Seite, der dich trägt, den Nachen, Hilfe verheißend. Es reichte mein Schrei Nicht ins Land dir der Nacht: versink ich, erstrahlst du, Tröstlich vielleicht, ein Letztes, verwandelt, als Stern. Karneval des Unbeschwingten Ach, ich war mir ganz entlaufen, Tanzte fremd im fremden Land Und sie wollten mich schon taufen: Einer doch den Namen fand, Der mich rief, wie sie mich nannten Damals, einst, vor langer Zeit... Und ich wußte: sie erkannten Unter dem gemalten Kleid Doch den Fremdling, der verblieben, Nun sich selber unbekannt. Sein verstoßnes Herz zu lieben Stand er rot an einer Wand. Traumbrücke Über die Tage, über die hellen, Wenn sie der Abend verdunkelt hat, Schießen die langen, schießen die schnellen Brücken des Traumes von Stadt zu Stadt. Über die Wälder, über die Meere Wölbt sich mitternächtig ihr Flug, Weit wie der Wolken schweifende Heere, Breit wie der Vögel wandernder Zug, Vogelgleich, wolkenhaft, ohne Entgleiten, Denn ihre Pfeiler stehn nahe bewahrt; Aber die Ufer, aber die Weiten Ziehn sich entgegen in rasender Fahrt: Und es hebt sich zu der Spieluhr Leisem Gang die Schlange weiß, Die aus Königsgräbern auffuhr In dem blitzgebahnten Gleis. Und es schnellen tausendfachen Winkes Götter Arm um Arm, Von den Schalen, alten, flachen Nährt sich ihrer Finger Schwarm. Und es schwimmen nahe Wände Fort in Urwald und Gestade, Drinnen schlingen ohne Ende Sich die vielbegangnen Pfade. Unverhaltbar müssen spalten Munde sich in langen Schrein Und es brechen die Gestalten, Die befreiten, in sich ein. Aber beim Scheine des Morgens beschlugen Sich die Gesichter mit Ferne und Licht, Und die sich töteten und die sich trugen, Liegen allein und erkannten sich nicht. Insekten Tagsüber bargen die Blätter, Bäume und Blum ihr Gesicht. Schatten war ihnen und Retter Wieder ein flatterndes Licht. Aber im Abend fiel fahle Blässe durchsichtig zu Tal. Mond, die geneigte Schale, Goß den Strahl. Welt war drunter die bleiche Alles Verbergens bloß. Sie auch zogen vorüber Einsam und gläubig und groß: (Unvollendet) Jugend des Propheten Ich liebte Linnen und die sanften Seiden Strich meine Hand mit Lust. ER flüsterte: »Das harte Fell des Hirsches wird dich kleiden.« Ich saß beim Mahle und mein Blick war Schein Des gelben Weins. Er sagte laut und hell: »Die bittre Wurzel wird dir Speise sein.« Mein Schloß war fest... Und als ich mich gerettet Noch zu der höchsten Zinne, rief Er dort: »O guter Schlaf, auf Dorn und Steingebettet!« Ich lag bei ihr. In ihrer Brüste Bucht Träumt ich den Heimat-Traum. Er hat gewußt, Ich würde einsam gehen und verflucht. So brach ich auf. Denn daß ich ihm geglaubt, Zwang mich sein unbesiegbar sichres Wissen. Groß hing sein Lächeln über meinem Haupt. Don Quichote kämpft mit Gott Da Du mich segnen sollst, was frommt Dir dies, Daß Deine Hand, Gewaltger, mich verstieß, Daß Deine Kraft, Gesegneter, mich ließ, Daß mich Dein Atem, Zürnender, verbließ? Nun lieg ich irgendwo. Und ich bin nicht mehr Als Staub im Staube, unerkennbar, sehr Gering. Und schweift Dein großes Auge her Auf meine Stätte, trübt sichs wolkig leer. Ich aber laß Dich nicht. Da Du verneint Mir ändern Kampf, sieh, Reiner, her: ich bot Dich auf, in Pfützen spiegelnd, kämpfe, Feind O Einziger mit Dir: Du würgst mich wenn Der Staub mich würgt. In jede ärmste Not Reiß ich Dich Gott: Du segnetest mich denn. Der Einsiedler Er hatte seit Jahren nicht mehr gesät Verstreut noch reifte ihm das Getreide Zuletzt ließ er den Hafer ungemäht Sein Pferd verlor sich auf der Weide. Er brach eine Zeit noch Beeren vom Ast Als müßte er einen Hunger stillen, Dann vergaß er auch diese letzte Last Um seiner tieferen Ruhe willen. Er saß vor der Hütte bei Tag und Nacht Die Hütte verfiel in Wind und Regen Allmählich wuchsen die Gräser sacht Seinen Füßen und Knien entgegen Und wuchsen langsam durch seine Hand. Er ward wie ein Sieb, ohne Außen und Innen. Gleichmäßig und ganz ohne Widerstand Konnten die Jahre durch ihn rinnen. Der wandernde Stab Ahasvers war ich einst, Tannhäusers auch. Ich grünte und ich schlug Wurzeln einmal und wuchs und wurde Strauch. Nun ist die Welt besät Mit meiner Brut: Ein jeder Schößling trieb Und trieb die alte ungestillte Wut. Trieb, die sich treibt, die Kraft. Wen sie befiel, Wer mich ergriff, den trifft Ziel nur als Weg zu einem neuen Ziel. Wer an mir ging, den kann Kein Haus verwahrn, Zu viele Straßen rings, Die ungekannt ins Unbegangne fahrn, Zu wenig Schnitter für Die große Mahd, Nach allen Händen drängt Und drängt sich gierig die gereifte Saat: Wegsüchtige, die aus mir Geboren sind Und noch gefangen stehn Und seufzend wehn unter dem weiten Wind... Mißhör die Sehnsucht nicht, Die um dich brennt, Mensch, faß ein Ding und geh Ihm nach und stills und führs zu seinem End. Möwe über der Brücke Dir unterm Fuß, Zwischen den Ufern Schreitender, spannt Sich der Brücke gewölbter Bogen. Und eine Möwe, Wie ein Gedanke fernher blitzend, Schießt auf dich ihre blendende Bahn. Eine Sekunde Stößt ihr Auge in deines, greift Dich der weißen Schwinge Umarmung. Eine Sekunde Hebt dich der Flug, trägt dich der Geist, Der schwerelose, brausend empor. Es weht dich an Der unendliche Raum, es rauscht Freiheit dir unermeßlich ums Haupt. Wie ein Gedanke Der weiße Vogel, fernhin sich windend, Und kehrt dir einmal wieder vielleicht Solange noch Von Ufer zu Ufer, Wanderer, dich Der Brücke schweigender Bogen trägt. Gesang an die Stadt Du brachst im schönen Leib der Landschaft auf. Wie eine Eiterbeule aufbricht, brachst du Auf in den Tag und liegst du gleißend nun Unter den Sternen nachts. Nun gehen alle großen Straßen zu dir hin: Zu dir die Mühsal-Straßen, staubbedeckt, Die Eisen-Adern, und die unsichtbaren Straßen der Luft spannen sich nach dir hin. Und alle großen Ströme münden in dich ein: In dich die breiten, breiten Ströme Blut, Die Ströme Lust, die Ströme Schmerz, es stürzen Zu dir die tausendfachen Ströme Tod. Daß, wer in dich trieb, Wirbel, sieht zurück Und sieht nur Weg: sieht noch in Kindheitsjahren Von Kindheitsdrachen sehnsuchtsvoll befahren Nach dir ein ziellos reines Blau. Auszug der Tiere Es waren eingekreist die ahnungslosen Verirrten Tiere eh sie sich versahn Von Wand und Wand. Ganz fern im Grenzenlosen Zog noch von Himmel eine blasse Bahn. In einer Nacht war Mond in ihren Träumen. Sie brachen auf, gezogen in das fahle Trügende Licht. Und wie ins Laub von Bäumen Stiegen sie ins Geäst der Kathedrale. Und stiegen träumend fort bis in das letzte Gezweig der Giebel und erwachten kaum Als sich ihr Fuß hinaus ins Leere setzte: Sie fanden sich verstiegen in dem Raum, Der Erde nicht und der nicht Himmel hieß, Ganz heimatlos. Sie starrten in des Lichts Ziehenden Strahl bis sie der Blick verließ Und sie versteinten, irren Angesichts. Park im Vorfrühling O halte dich, aus dir nicht zu entgleiten Ins Grenzenlose! Folg der Hunde Spiel Nicht mit dem Blick, wies weiß in dunkeln Weiten Der Büsche schwindet. Lausch nicht auf ein Ziel Im unruhvollen Trab der schnellen Pferde, Von fern her klopfend. Achte, daß die Sohle Der Füße dir nicht, schwindelnde Geberde, Der Hügel Fall und Anstieg wiederhole, Schmeck nicht zu tief den bittern Knospenduft!.. Und doch zuletzt, ein Trunkener und schwer Brichst taumelnd du durch trügerische Luft Tief in des Himmels schwarz beschäumtes Meer. Unendlicher Frühling Ich seh dich wieder, Frühling, steigen ins Geäst. Ich seh den dürren Zweig, von deiner Faust umpreßt, Nun wieder glühn und blühn, ich seh den Wiesenpfad Bergauf dir unterm Fuß erstehn und wehn wie Saat. Dann wirst du wieder um die Gipfel streichen – Schnee, der vergeht, o Weiß, das zum Verbleichen Sich wieder fügt, talüber quillt, o Einsamkeit, Gelöst, hinströmend zärtlich wild und weit. (Unvollendet) Abend im Frühherbst Weit ausgegossen liegt das breite Land. Der Himmel taucht den Scheitel noch ins Licht, Doch seitlich hebt gelassen eine Hand Die dunkle Maske Nacht ihm ins Gesicht. Viel fette Lämmer weiden auf der Flur, In Gärten steht das Kraut in seiner Fülle, Herbstwälder ziehn als eine goldne Spur, Am Baum die Frucht glänzt prall in ihrer Hülle. Es ist der letzte dieser kurzen Tage: All Ding steht reif und rund und unbewegt Schwebend in sich gebannt wie eine Waage, Die Tod und Leben gleichgewichtig trägt. Weg im Nebel Nun wird die Spur der Füße langsam ungetan, Und aus der Tiefe, aus der tiefen Tiefe steigt Das Trübe, schwadengrauer Nebel himmelan. Nun wird der Augen-Aufblick langsam leer, Und aus der Höhe, aus der hohen Höhe neigt Die Wolke sich, sinkt Nebel erdwärts schwer. Nun drängt zu dem verwandten Un-Gesicht Das Wesenlose aus den fahlen Gründen Und hebt sich sehnend ins versäumte Licht. Nun flieht, was war: es fliehen Busch und Baum, Flieh'n Berg und Tal, die sich zur Flucht verbünden, Es fliehst du, Herz. Es floh'n die Zeit, der Raum. Land wurde Meer. Meer wurde schwälend Schaum. Ihn schlürft, sich fröstelnd zu entzünden, Das ungelebte Leben und der ungeträumte Traum. Schnee Träne des Himmels: der Regen fiel Tödlich wie Schwermut fällt Auf das geliebte zerbrochene Spiel Auf die verwesende Welt. Herbst schon rollte sie schwelgend hinab, Purpurner Untergang, Sanft nun wiegt sie zu Grab Eigener Wehmut Gesang. Da: im silbernen Blitz der Fröste Sieh, Erstarrung fällt, Selige Form; es tanzt im Kristall die erlöste Tanzt die gerettete Welt. Jahres-Ende Du greises Jahr: du eilst, dem Ziele zu Rascher und rascher, sehnst dich nach der Ruh In einem tiefen grenzenlosen Tod. Doch sieh: ich eile schneller, nach dem Rot Des neuen Morgens gierig, dir voraus. O komm! Hinübergeh! Lösch aus, lösch aus! Gezeichnetes, Beladenes, befleckt Mit großer Müdigkeit, mit Schmerz bedeckt – Vergeh – ich werde! Stirb – und ich vermag Aufzuerstehn: o neuer, reinster Tag! Ich sah dich an... Ich sah dich an, o daß ich dich Niemals gesehn, nun bin ich blind, Nun bist du groß, nun führst du mich Ein irres Kind. Und wo das Haus, das sichre Haus Mir einst im Wind geborgen stand, Da zieh ich aus, da zieh ich aus In Niemands Land. Und wo ich bleib und wo ich steh, Wächst Schierling süß und duftet wund, Umhaucht mich schwer, bespricht mich weh Dein liebster Mund. Wohin ich geh, wohin ich treib, Traum treibt mich um, niemehr erwacht Die trübe Seel, der arme Leib Aus deiner Nacht. Nenn ich dich Glück? Nenn ich dich Glück? Entsetzen? nenn ich dich Heil oder Folter? Ich weiß keinen Namen Zu fassen dich; ich fügte keinen Rahmen Um dich, daraus dein Bild nicht löste sich Und schritt davon. Ich habe dich zu halten Vermocht in keiner einzigen Gestalt. Ich griff mit einer innigen Gewalt Und was ich griff, lächelte schon gespalten... Du bist so weise dich stets zu entwinden Aus meinen Worten, meinem Blick, der Hand, Daß ich schon oft vermeinte dich zu finden, Wenn ich fand (Unvollendet) Anrede Ich atme Dich mit Sehnsucht, süßer Duft. Wo Du verschwebst, ging aller Frühling enden, Wo Du verhauchst, da weht von Schatten-Wänden Herbstlichen Atems die bereifte Luft. Ich schmecke Dich mit Andacht, edles Brot. Wo Du gebrichst, gebricht es aller Fülle, Wo Du ausgehst, da steigt aus ihrer Hülle Von Überfluß die ungemeßne Not. Ich fühle Dich mit Angst, geliebter Leib. Die Dich verlor, die Hand, wird irrer Schwere Tasten ringsum und tasten in die Leere Nach allen Dings unfaßbarem Verbleib. Ich höre Dich, o naher Stimme Sang. Wo Du verstummst, wird jeder Laut in Schweigen Hinsterben und vergeblich tief im Neigen Das Ohr sich mühn nach einem kleinen Klang. Ich sehe Dich mit Inbrunst, großes Licht, Geleucht der Weite, Glanz aus tausend Fernen. Wo Du verbleichst, kehrt unter blinden Sternen In Dunkel das verlöschende Gesicht. Sonett So bin ich nun verführt von jedem Schatten, Der niederglitt aus eines Vogels Flug, Als träfe mich mit tödlichem Ermatten Dein Wimpernaufschlag. In dem wilden Zug Des Windes rührt mich deine harte Hand Sehnsüchtig an, im Schilfe rauscht dein Haar, Dem Stundenschlag, wie er verzitternd schwand, Glich oft dein Lächeln, fern und unhaltbar. Auch, wenn du weintest, wär im Niederregnen Noch deine Träne – ach ich müßte dir Selbst wo du niemals gingest, noch begegnen (Unvollendet) Oft aus den tiefen Schächten der Nacht Oft aus den tiefen Schächten der Nacht Steigst Du empor: Dir trieft Dunkel Schweigens Gewässer Aus dem verworrenen Haar. Oft vor der Röte des Morgens Steht das Gebirg, Deine Stirn, Schweifender Hang der Wange um Deines Mundes vereisten Grat. Abends dämmert Dein Schatten oft. Tief aus dem Spiegel des Sees, Blicklosen Blickes hebt Sich Dein goldenes Auge auf. Allein im Mittag seh ich Dich Beweglich, flüchtigen Fußes Ziehn wie die Zeit. Du schüttelst Lächelnd Hände und Haupt. Uralt... Schweig, mein Geliebter; Mund auf Mund Wurden wir groß, wurden wir alt In einem nie gestillten Bund, Alt wie der uralte Wald. Alt wie der Mond, mein Lichtgesicht, Bist du am Himmel tausend Jahr O schmale Sichel aufgericht, Der ich die Ernte war. Alt wie das Meer, die dunkle Saat, Nach dir gereift, sehnsüchtige Flut, Steigt zwischen uns den ewigen Pfad Dunkel das ewige Blut. Dann, wenn du gehst... Dann, wenn Du gehst, scheinst Du mir nie gewesen. Ich finde mich, wie der vom Traum erwacht, Versehnt nach einer nächsten tiefern Nacht, Zur alten Lüge lächelnd zu genesen. Dann, wenn Du kommst, weiß ich mich nicht erhalten Je ohne Dich, Du Herz der toten Welt: Du Brand, vor dessen Glut mich das Erkalten, Dem ich entrann, erinnernd überfällt – So schwank ich, willig immer zu verlachen Der frühern Stunde Armut; find ich mich Zwischen Phantomen taumelnd; in den Rachen Gleit ich der Zeit, unwissend: liebt ich Dich Eben im Traum, eben im Traum-Erwachen? Dies nur: ich tats, blieb unabänderlich. Geh nicht vor mir... Geh nicht vor mir in dieses unbesungne In dieses dunkle Reich, das Keiner kennt; Damit Dein Name, dieser lang verklungne, Wenn ich ihn ruf, noch Dich mit Namen nennt. Vertausche nicht Dein Angesicht mit jenen Veränderlichen aus dem fremden Kreis, Die oft im Traum vorübergehn und denen Ich keinen Gruß und keinen Wunsch mehr weiß. Laß mich beim Brot gedenken und beim Wein, Daß Du noch glühst, laß nicht mit Schatten-Speise, Mit Blut und Mehl verstohlen her Dich rufen, Wie man Geschiedne ruft: es steigt ihr Schein Und ihre unsichtbare Sohle leise Erdwärts herauf die ungeheuren Stufen. Sonett Wende den Blick hinweg! Er traf mich lang Und traf mich tödlich. Zwar ich gleite nicht Unwillig hin, nicht zu vergehen bang: Nur nimm von meinem Tod dies dunkle Licht, Nimm Deinen Blick hinweg! Kein Dickicht ist Mir ja bereitet wie dem wunden Tier, Dem bald Geendeten; und keine List Mich zu verbergen wachte noch in mir – So sei barmherzig! – Und es löste sich Auch meinem Blick dies schauerlich einmal Vernommne Bild: Es bot dem kaiserlich Wandelnden Nero sich, von spitzem Pfahl Emporgepreßt, ein Antlitz, das verblich: Er prüfte lang und lächelnd seine Qual. Tote Liebe Was mir erwarb Ihr süßes Licht Was ihr verdarb Mein Angesicht Warum sie starb Ich weiß es nicht. Die Märchenbraut Lag so im Tod Dem Blick vertraut; Der Wange Rot Wer es geschaut Fiel neu in Not. Als hübe sie Die er gewann Die wie der Früh- Tau ihm zerrann Als hübe sie Zu sprechen an: Was dich mir warb Damals im Licht Was mich verdarb Für dein Gesicht Warum ich starb Ich weiß es nicht. Wir wissen beid Nicht wies geschah Wir sind im Leid Uns nun ganz nah An deine Seit Sehnt ich mich ja. Reiche mir Lieber Noch deine Hand. Ist sie im Fieber Wie ich sie fand Als sie hinüber Gab mir den Brand? Auf ein Paket mit Briefen So jahrlang totgesagt, daß ich es hob Wie eine Aschenurne, Und gefaßt Daß nicht der Staub aus dem Verblichnen stob Wollt ich sie tragen. Doch mich bog die Last: Entschwundne Himmel brachen strahlend nieder Versuchung lispelte wie einst die Schlange, Verlorne Höllen kehrten lächelnd wieder Und schmiegten sich vertraut um Stirn und Wange. Und alle brannten wie das Leben brennt Und waren feurig-blühend, nackt und rot, Und sprachen chorweis; dies nun ist das End. Wir leben, leben. Aber du bist tot. Mit einer Uhr Ich wollt' sie erst mit diesem Wunsch geleiten, Ich wollte sagen: »Liebster, laß Dir scheinen Bittere Stunden jene, die uns scheiden, Und süße Stunden, solche, die uns einen.« Kaum war der Wunsch gedacht, als ich ihn bat »Sei ungetan!« Ach, der mich inbegriff, Kein Wunsch, der Dir nicht einmal Böses tat Im Meer der Zukunft, untergründig Riff... Wie leicht mag sein, daß die Vergänglichkeit Mich nimmt, ihr Teil – »una ex hisce« rief Die Inschrift stumm. Dich träf in dieser Zeit Mein Wunsch wie Fluch. Und also scheid ich aus Und bitte nur, daß Dich umschließe tief, Wo Du auch seist, des Glückes gastlich Haus. Fluch Wenn es Dich aufreißt, denk daran. . . . . . . . . . . . . . . . . Wie so das Herz zum Herzen schwoll So ohne Maß, so übervoll. Wo Du auch stehst, gedenk daran. Vergiß es nicht, wo Du auch ruhst, Wo müd Dein Haupt sich hingeneigt In Heimat fremd, Verlangen schweigt – Wie Stillung einst auf Lider sank, So blau behaucht, so liebekrank. Wo Du verweilst, vergiß es nicht. Sei eingedenk, wie Du auch hoffst Auf Irrfahrt gehst, spät oder früh, zuviel der Müh Wo aller Weg einst einer war So voller Ziel, so sonnenklar – Sei eingedenk, wohin Du gehst. Und noch zuletzt gemahn es Dich, Wenn Tod Dich faßt, die leere Hand Den Weg hinweist in leeres Land, Wie Hand und Weg schon einmal, leer, So fernhinaus, ohn Wiederkehr... Daran zuletzt gemahn Dichs auch. (Unvollendet) Sonett Wie schien die alte Feindschaft nun besiegelt In gültigem Vertrag: ein Lächeln hing Geheimnislos von einem Lächelnden; verriegelt Schloß sich der Mund dem Schweigenden, es fing Die Rede sich in anmutvollem Spiel Verschlungen wandelnd, schwesterlich vertraut: Wie war den Wandernden verwandte Ziel Wie sicher schien das (alte) Haus gebaut: Da traf ein Blick aus alten Feindschaftstagen: Nachtdunkler Weg erstand ins Unbekannte Aus sanften Worten strömten wilde Klagen. Gesprochenes erlosch ins Nie-Genannte.... (Unvollendet) Mich ergriff der Schmerz und sprach: Nun bist du mein. Ich bin das starke Haus, das dich behaust, Ich bin im Haus der stärkste Stein. Wenn du vertraust – Ich bin das sichre Haus und schließ dich ein. Ich bin das Brot, Ich bin das gute Brot, das dich erhält, Ich bin im Brot die große Not, Die dich befällt, Speis ich dich nicht; ich bin das Brot. Ich bin der Wind, Ich bin der Atem, der dich weich umweht. Ich bin (die laue) Luft, die dich umsinnt, Die nur zu kommen geht. So bist du mein. Ich bin der weite Wind. Versieh dich nicht – Ich bin es auch, die deine Hand sich bricht, Die Blume klein. Und bin das Licht, Das süße Licht, Das sie umflicht – Denn du bist mein. Versieh dich nicht! Gewissheit Sei geduldig! Nimm gelassen, Wie der Tage Kette gleitet: Anfang, der nicht zu erfassen, Ende nicht. Und die sich breitet, Mitte, ziellos, offner, enger, Laß sie zögern, laß sie schweifen: Unerbittlich wird ein strenger Kreis zuletzt Dich einbegreifen.