9. Auf die Zank-Schrifften des Babilas
Wie kommt's, das
Babilas
nie
bey der Sache
bleibet,
Wenn
ärgerlicher Weis'
er wieder andre schreibet,
Und
Schimpf
- und
Scheltwort'
uns stat
guter Gründe
bringt?
1
Gesetzt er rede wahr, bildt er sich aber ein,
Dass einer, dessen Athem stinckt,
Unmüglich könn' ein Redner sein.
Fußnoten
1
Und Schimpf- und Scheltwort' uns statt guter Gründe bringt.
Diese
ärgerliche Art
wider seine
Wiedersacher
zu schreiben, ist bey uns Deutschen in solchem Schwange, dass man daraus allein zur Genüge ersehen kann, dass wir noch nicht recht
gehöbelt
sind. Denn zu geschweigen, dass dergleichen unglimpffliche Worte
wieder die gute Sitten streiten;
so giebt es ja die gesunde Vernunfft, das der, der dergleichen
Scheltworte
verdienet, nicht verdienet dass man ihm die Ehre thue die Feder wider ihn zu ergreiffen: Und dass derjenige der es thut,
sich mit demselben auf einen Fuss setzet;
und folgends alle
Schimpfworte
die er demselben giebet, desto eher von
dem Verfasser selbst
verstanden werden, je grössern Fug er hat dieselbe seinem
Wiedersacher
beyzulegen. Zudem so ist es nicht müglich, dass dergleichen
unverschämtes Gezäncke,
dergleichen
immunda, ignominiosaque dicta
jemand anders, als dem
gemeinen Pöbel
zur Ergetzung dienen können.
Offenduntur enim, quibus est equus, et pater, et res;
Nec si quid fricti ciceris probat, et nucis emptor,
Aequis accipiunt animis: donantve corona.
Hor. de arte Poet.
Es giebt insonderheit viel unter uns, welche wunder dencken, was sie ausgerichtet, wenn sie den
Nahmen
ihres Wiedersachers
verdrehet,
und aus demselben ein
Schimpfwort erpresset haben;
sich ohne Zweifel einbildende, dass sie mit der
kahlen Verwandlung
eines Nahmens mehr Ehre, als
Ovidius
mit seiner gantzen
Metamorphosis
eingeleget haben.
Tiberius Nero
wurde zwar von den Römern wegen seiner
Trunckenheit Biberius Mero
genennet, man siehet aber auch, dass niemand der dessen Geschichte beschrieben, sich die Erfindung dieses Wortes zugeeignet, sondern ein jeder dasselbe dem
gemeinen Pöbel
überlassen. Nun fehlet es so weit, dass die heutige Verwandlungen der Nahmen so
ungezwungen,
und so
natürlich,
wie diese von der Sache fliessen solten; dass sie vielmehr, so zu sagen,
bey den Haaren
dazu gerissen werden. Man hat nur noch neulich ein Exempel gehabt, dass in einem gewissen
Lateinischen Briefe
der Nahme
Thomas
in
Asinus
verwandelt worden ist; welches denn so
lächerlich
scheinet, dass man diesem Dinge folgende Verse mit gutem Fug zueignen kann:
Der Esel kommt von
Thomas
her:
Doch find' ich, wenn dem also wär',
Dass auf dem weiten Weg und Pfad
Er sich gar sehr
verändert
hat.
In dem gelehrten Buch des Seel. Herrn
Morhofs de Patavinitate Liviana
wird fast ein gleiches Exempel gefunden. Denn nachdem er sich bemühet hat zu erweisen, wie wenig Ursach
Asinius Pollio
gehabt habe, diesem Verfasser der Römischen Geschichte seine
Vaterstadt
vorzurücken; so beschliesset er seine Rede mit diesen Worten:
Adeo, ut utrum Livio plus Patavinitatis, an Asinio asinitatis insit, merito dubites.
Ich erinnere mich aber auch, dass der berühmte
Menage
zu Paris, der dieses Buch in grossem Wehrt hielte, mir mehr als einmahl gesaget; er wünschte dass dieser Ort, theils wegen des
einfältigen Witzes,
theils wegen der
Beschimpffung
eines so
berühmten
und
grossen Mannes,
aus dem Buch wäre ausgelassen worden. Denn in was vor einem grossen Ansehn derselbe in Rom gewesen, das kan man allein aus diesen Versen des
Horat.
schliessen:
Insigne moestis praesidium reis,
Et consulentis, Pollio, curiae:
Cui laurus aeternos honores
Dalmatico peperit triumpho.
Oder aus
Virgils
vierdten
Ecloga Pollio
genant, und insonderheit aus diesen Worten:
Teque adeo decus hoc aevi, te consule inibit
Pollio, et incipient magni procedere menses.
Te duce, si qua manent sceleris vestigia nostri,
Irrita perpetua solvent formidine terras.
Zu dem hat man insgemein gefunden, dass wie man in einen Wald geblasen, also sey auch wiederum herausgeblasen worden.
Doctor
Eck sagte einsten, man solte aus dem Nahmen
Luterus
das r. herausnehmen, so würde er
Luteus
das ist
kothig
heissen; worauf ihm aber geantwortet wurde; dass wo dem also wäre, so wolte man dieses r. seinem Nahmen aus Danckbarkeit schencken, so, dass als es zwischen das grosse D. so
Doctor
bedeutete, und seinen Nahmen Eck gesetzet ward,
Dreck
daraus wurde. Ob nun gleich diese Beantwortung, der Tugend und Sittsamkeit selbst hätte abgedrungen werden können, so hätte man doch besser gethan, wenn man eben wegen des
unflätigen Worts
sich dieser Lateinischen Knittel-Verse erinnert hätte:
Hoc scio pro certo, quoties cum stercore certo etc.
Der Schluss ist dieser:
Dass niemand jemals wieder seinen Wiedersacher mit Vortheil geschrieben; welcher denselben nicht auf eine sinnreiche Art, ohne denselben mit Schimpfworten anzugreiffen, aufzuziehen gewusst.
Nam
Scimus inurbanum lepido seponere dicto.
Hor.