6. Mütterliche Liebe
Der
Zeuchnüss' ernster Gunst,
die von der
Mutter Hand
Ein
unerzognes Kind
empfängt,
der sind so viel,
Dass vor dem einen nicht das andre wird erkant;
Den
bleichen Sternen gleich,
die, in dem
fernen Ziel,
Kaum dass es Sterne sind,
das Auge kan verspüren;
Und die sich
in der Zahl
bescheidentlich verlieren:
So dass, weil
Mutter-Gunst
trit an der
Götter
stat,
Dem Himmel gleich die Lieb' auch ihre Milchstrass' hat.
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Fußnoten
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Dem Himmel gleich die Lieb' auch ihre Milchstrass' hat.
Dass der
weisse
Zug welchen man des Nachts am Himmel siehet, und die
Milchstrasse
oder
via lactea
genant wird, in unzehlig viel kleinen Sternen bestehe, ist einem jeden bekannt. Wannenhero man die
Mütterliche Wohlthaten
mit dieser Milchstrasse desto füglicher vergleichen können, weil die erstere derselben
mit der Milch von den Brüsten gesogen
werden; Und man also in der vorigen Ausgabe diese Uberschrifft mit folgendem Verse so ungereimt nicht, geschlossen:
Der Liebe Milchstrass fängt an ihren Brüsten an.
Weil man aber vermerckt, dass der Leser in der
vorigen Ausgabe
sich an die
Verkürtzung
einiger Worte, ohne dass ein
selbstlauter Buchstabe
auf dieselbe gefolget, gestossen habe; und man folgends gedacht, er würde auch allhier in dem Wort:
Milchstrass,
das E. am Ende vermissen; so hat man, wie in allen andern Versen, also auch in diesem den
vermeinten Fehler
ersetzen, und
damit die Verbesserung der Mühe wehrt schiene,
auch gemeiniglich den
Verstand
zu verbessern gesucht. Wie denn ein geschickter Leser den Unterscheid zwischen diesen
zweyen Schlüssen
gar leicht erkennen wird. Sintemahl der
letzt angezogene
nur einen
artigen,
der andere aber einen
edlen Verstand
hat. Sonsten hat man wegen des
Buchstabs
E. allhier beyläuffig zu erinnern, dass man auch hierinnen seine Richtschnur von den
Schlesiern
allein nicht nehmen muss; dieweil dieselbe diesen Buchstaben nicht allein
unnöthig
zu vielen Worten setzen, sondern auch offtmahls durch denselben der
Sprache gewalt thun.
Als:
Abe
vor ab. Er geht ihm
gleiche.
Das
Gelücke. Ohre. Geiste.
Die
Furchte.
Er
sprachte. Abereisen.
Welche alle, wie ich sie nebst vielen andern in des Herrn von
Hoffmanswaldaus
Briefen im Durchblättern gefunden; also weiss ich mich wol zu erinnern, dass
dergleichen
auch im Herrn von
Lohenstein
häuffig anzutreffen sind. Wie mir den zum Beweiss folgende Verse einfallen:
Das Thier beym Hyppanis, das eine Nacht gebiehrt,
Stirbt mit dem
Abende.
Ibrahim
Trauersp.
Nun möchte ich fragen, ob nicht in vielen Worten ein am Ende
abgeschnittenes
E. die Ohren minder verletze, als ein in diesen angezogenen Worten
hinzugesetztes
E.
Etsi enim suus cuique modus est, tamen magis offendit nimium quam parum.
Cicero de Orat.