Christian Wernicke Ausgewählte Epigramme Palämon Palämon, der besitzt des Königs Gunst und Ohr. Ich folg' ihm durch den Saal bis an des Palasts Thor; Ich hust', er sieht sich um; ich neige mich, er lacht; »Ich habe gestern noch«, sagt er, »an Ihn gedacht.« Ich glaub' es ohne sein Vermessen Und find' es in der That, Daß er sich meiner hat Erinnert, um mich zu vergessen. An einen Hofmann Aufrichtig und doch höflich sein Stimmt selten mit einander ein; Doch muß man dir dies Lob zulegen: Du kannst dich wohl in beide schicken, Bist höflich, wenn ich bin zugegen, Aufrichtig hinter meinem Rücken. Die leblose Schönheit So schläfrig, doch so schön! Kann man den Augen trauen? Ist Chloris ein Geschöpf? Wie? Oder ist sie nur Ein ungemeines Bild? Denn was wir an ihr schauen, Ist für die Kunst zu groß, zu schwach für die Natur. Wollt' etwa die Natur des Malers Hand nachaffen? Hat sie mit gleicher Münz' ein Künstler hier bezahlt? So hat sie die Natur gemalet, nicht geschaffen; So hat ein Maler sie geschaffen, nicht gemalt. Thorheit der Welt 1 Wir gehn mit Lust und vollen Freuden Nach Rom, Madrid und nach Paris, Nach London, Amsterdam und Leyden; Wir gehn als Jason nach dem Vlies; Wir gehn nach Wien als Abgesandte, Wir gehn in's Feld als Oberste, Auf's Rathhaus als des Raths Verwandte, Als Flaggenführer in die See; Wir gehn, verschwendend unsre Stunden, Mit Brüdern in ein Saufgelag, Mit Schwestern in ihr Schlafgemach Und in's Gehege mit den Hunden; Wir gehn, um niemals still zu stehn, Und kitzeln uns mit stetem Wandern; Wir gehn von einem Ort zum andern, Und woll'n doch in uns selbst nicht gehn. Fußnoten 1 Meist nach d. Ausg. v. 1701. Der Leichenspruch des Geizigen Als einmal Marcus schlummernd saß Und in dem Buch der Weisheit las Den Spruch: » Wer einen Freund find't findet einen Schatz «. So rief er: Diesen edeln Satz, Den wähl' ich mir zum Leichenspruch! Und schrieb ihn in sein Tafelbuch. Doch ich, indem er schrieb, verspürte, 1 Daß er, den Geiz und Schlaf verführte, Als dienten diese Wort' in seinen Kram, gemeint; Er schrieb: » Wer einen Schatz find't, findet einen Freund «. Fußnoten 1 verspürt. Im folg. V.: durch G. und Schl. verführt. Unterschied der Schönheit Das Doris schön sei, find't mein Aug' im ersten Blick, Ich fühle die Gefahr und weich' umsonst zurück; Hergegen wenn ich viel mit Chloris umgegangen, So nimmt sie erst, und, eh' ich's merke, mich gefangen. Dort raubt man mir mein Herz, hier wird es mir gestohlen, Weil Doris schneller zwar, doch Chloris sichrer siegt. Die Schönheit zeigt sich dort im freien Feld' und liegt In Chloris Angesicht, als hinterm Busch, verhohlen. Wittwentrauer Clorinde trau'rt um ihren Mann, Den sie in Wort und Werk – sie schwört es – nie betrogen; Sie hat ein zierlich Trau'rkleid an, Ihr Zimmer ist mit Boy bis auf den Grund bezogen, Schwarz ist die Deck' auf ihrem Bett'; Briefträger, Kuppler, Knecht, Magd, Kutscher, Pferd und Wagen, Sie alle müssen Trauer tragen: Es scheint, als ob sie Freud' an ihrer Trauer hätt'. Unbestand des Glücks Weil man auf dieser Welt mehr Kreuz, als Freud', erlebt Und immer in der Irre schwebt, So denkt ihr wenig nach, indem ihr so verzagt Den Unbestand des Glücks beklagt; Dankt für die Hoffnung doch, ihr Thoren, dem Geschick! Der Unbestand ist unser Glück. Almosen und Geschenke 1 Man nennet ein Geschenk, was 2 Arme Reichen geben, Und Gottesgabe, was von diesen jene 3 heben; Doch Alles ist dem Geizhals gleich: Gieb ihm, was auch das Ding für einen Namen habe, Er nimmt Geschenke, weil er reich, Und, weil er arm, die Gottesgabe. Fußnoten 1 Nach d. Ausg. v. 1701. 2 das. 3 Gottesgab, was die von diesen. Ulysses und die Geschichtschreiber Wir irren beiderseits; der Streit ist leicht zu schlichten: Ulysses in der See und wir in den Geschichten. Die neue Welt Man fand in Indien der ersten Unschuld Spur, Ein Volk, das ohne Zwang gehorchte der Natur, Das einen eiteln Ruhm nie sucht' in der Gefahr Und keine Tugend kannt', als die kein Laster war, So daß hier jedermann erkannte mit Erfreuen, Es sei die alte Welt gefunden in der neuen. Physik und Ethik Erforsche, wie die Welt, also auch dein Gemüthe, Und sei gelehrt und tugendhaft; Die Güte der Natur zeig' in der Wissenschaft, Im Wohlthun die Natur der Güte. Vare, redde mihi legiones! Wie ist August entstellt, daß seine Kriegesschaar Mit unbezwungner Hand Arminius besieget! Ihn schlägt ein schlecht'rer Feind, weil tapfern Feinden zwar Sein Feldherr, aber er den Schmerzen unterlieget. Glück und Verdienst Wie selten findet man, daß Glück und Reichthum grünet, Wo Ehr' und Tugend wohnt! Es ist an Wunders statt, Wenn der so viel erlangt, als er mit Recht verdienet, Und der so viel verdient, als er erlanget hat. Est mala res mulier Der irret, wer der Weiber Ehr' Nur nach dem Schein von außen wiegt; 1 Die Eingezogene betrügt, Die Freie, die betrügt noch mehr. Fußnoten 1 So die Ausg. von 1701. Die späteren haben dafür: Mehr, als den blosen Schein, zufüget. An Mopsus »Die Morgenstund' hat Gold im Mund«, und du bleibst arm, Obgleich manch früher Tag dir deinen Kopf macht warm. Mich dünkt, das Sprichwort ist verführerisch und eitel; Weil sie's im Munde hat, so hast du 's nicht im Beutel. Fruchtbarkeit französischer Schriftsteller Daß ein französcher bel-esprit Manch artig Buch mit goldnem Schnitt 1 In Holland uns bescheert, Daß er uns nicht sein Pfund verhehlt, Das Jahr nach Monatbüchern 2 zählt, Ist nicht Verwunderns werth. Er macht kaum seine Feder naß Und künstelt ohne Müh'; Wahr ist's, er schreibt, ich weiß nicht, wie; Doch auch, ich weiß nicht, was. Fußnoten 1 Manch artlich Buch vergüldt im Schnitt. 2 durch Monat-Bücher. An einen Splitterrichter Magst du, was meine Fehler sind, Von meinem Feinde gerne hören, So laß auch meinen Freund dich lehren, Was man bei mir für Tugend find't; Spricht man dort übel ohne Maaße, Und legt man hier zu viel mir zu, So wähle du die Mittelstraße Und denk', ich bin ein Mensch, wie du. An Amaryllis Die Tugend wird zwar meist verlacht; Doch deine theure Schönheit macht, Daß jene man auch in dir preist. Die Schönheit fällt zwar oft in's Netz; Doch deiner Tugend streng Gesetz Beschützet das, was jene weist. Es fällt die Welt dem Zeugniß bei, 1 Das dir mein schwacher Mund itzt giebt: Man lobt dich ohne Heuchelei, Wie man dich ohne Hoffnung liebt. Fußnoten 1 Die Welt fällt dem Gezeugniß bey. Der Kriegsheld Der saure Thraso schlägt durch bloßes Ansehn wund: Ein schwarzer Stutzbart ziert den aufgeschwollnen Mund; Er trägt ein langes Schwert und ein dick spanisch Rohr, Die Feder auf dem Hut, den Hut auf einem Ohr; Rock, Hosen, Wamms und Strümpf' und Alles muß sich gatten; Er sieht so grausam aus, daß er sich selbst kaum traut, Daß, wenn er ungefähr in einen Spiegel schaut, Er selber sich entsetzt vor seinem eignen Schatten. Seemanns-Liebe Daß man ein Fräulein preist, indem man sie betrüget, Und sie durch Umschweif' oft zu überreden strebt, Daß man die Händ' ihr küßt und ihr zu Füßen lieget, Indem man sie empor bis an die Sterne hebt, Das steht Cleant nicht an, der nicht beredtsam ist, Der, was er ohne Müh' und in dem ersten Griff Nicht haben kann, verschmäht. Er ist ein Orlogschiff, 1 Das nur mit dem Geschütz, nicht mit der Flagge grüßt. Fußnoten 1 Lesart der ältern Ausg. für: Kriegesschiff. Sape hodie Marull verschiebet seine Sorgen Und seine Vorsicht bis auf morgen, Auf morgen seine Reu' und Buß' Und in Gefahr den letzten Schluß, Auf morgen, Freunde sich zu machen Und vor der Feinde Trug zu wachen, Auf morgen Fleiß und Aemsigkeit – Und ist allein ein Narr für heut. An unsere Poeten 1 Ihr Dichter, wenn ein Vers aus eurer Feder quillt, Um eure Phyllis zu bedienen, So zeigt sich gleich ein »Marmorbild«, Ihr Aug' ist von »Achat«, die Lippen sind »Rubinen«, Die Adern aus »Saphir« gemacht, Und eure Buhlschaft wird, weil ihr sie preist, verlacht. Die Welschen sind zwar auch nicht klug, Weil sie in einem weiten Flug Mit einer Göttinn stets bis an die Sterne fliegen; In Frankreich macht man sie von lauter Geist und Witz, Der Freundschaft fähig und verschwiegen, Kurz ein Gefäß ohn' einen 2 Ritz; In England, wo sie schalt- und walten, Da werden sie für nichts, als Fleisch und Blut, gehalten; Ihr aber, umgekehrt, wollt all' Pygmalions sein, 3 Denn eure Phyllis ist ein Bild, ein Bild von Stein. Fußnoten 1 Insbesondere gegen den Schwulst der Lohensteinschen Schule gerichtet. 2 eine. 3 Ihr aber wollt verkehrt Pigmalions alle sein. Schuldner oder Gläubiger? Manch ungehobelt Holz wird zum Merkur gemacht, Weil mancher theure Mann, aus aller Höfling' Acht, 1 Sich sonst bei keinem Maaß, als seinem Schatten mißt. Viel hebt das Glück empor, Viel' hält es auch zurück; Doch wer die Welt recht kennt, der findet, daß das Glück Mehr Schulden ausstehn hat, als es selbst schuldig ist. Fußnoten 1 den kein Höfling achtet. Hoc unum scio, quod nihil scio Du denkst, daß Jedermann aus deinen eiteln Schlüssen Und falscher Wissenschaft sehr große Klugheit schleußt; Was nützt es, wenn du gleich weißt, daß du gar nichts 1 weißt, Wenn du nicht weißt, daß dies auch Andre von dir wissen! Fußnoten 1 nichtes. Amaryllis Bildniß Wie eine Venus einst kam aus der Muschel her, So steigt die andre hier aus ihres Malers Schalen, – So gleich, daß Keiner nicht sie gleicher könnt', als er, Und auch so schön, daß er nichts Schön'res könnte 1 malen! Fußnoten 1 So schön, daß keiner nicht, die schöner ist, kann. Auf Cäsar's Ermordung Der Mörderhaufe dringt so unversehns herfür, Daß keine Rettung nicht, o Cäsar, ist zu hoffen. Wer flieht? Geist oder Leib? Dem steht kaum eine Thür, Hingegen jenem stehn so viel, als Wunden, offen. Das Bildniß 1 Du schminkst Gesicht und Brust mit wohlgemischten Farben. Dies thut dein Maler nicht; der stellt die Fleck' und Narben Mit grobem Pinsel dar. Mathilde, glaub', es ist Dein Bild dir ähnlicher, als du dir selber bist. Fußnoten 1 Zum Theil nach d. ält. Ausg. Mäßigkeit Der seiner vollen Krüge schonet, Ist mäßig, und nicht Der, der Durst gezwungen leid't; In einem leeren Fasse wohnet Der Durst und nicht die Mäßigkeit. Vorsicht 1 Wer mit Vernunft der Zeit und dem Verhängniß weicht, Wer seinem Glück nicht traut auch in den besten Tagen, Den stört kein Zufall nicht; das Kreuz ist Beiden leicht, Wer lang darauf gedacht, und wer es lang ertragen. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Schlaue Aufrichtigkeit Scheint, was ihr seid, bekennt eu'r Herz im Angesicht, Die albern-kluge Welt wird dies Verstellung nennen; Sprecht rund heraus, man glaubt euch nicht; Geht nackt, und man wird euch nicht kennen. Sicherheit im Glück Sag' einem, der erfreut dem Glück im Schooße lieget, Daß dessen Stille stets die Sicherheit betrüget, Daß es uns, ehe wir es recht erkannt, verläßt; Er höret dich nicht mehr, denn junge Hochzeitgäst' Den Wächter, der des Nachts die Stunden rufet, hören; Er spottet deiner Gunst und lachet deiner Lehren, Und alle deine Wort' entführt der schnelle Wind. Ein Glücklicher ist taub, sowie das Glück ist blind. Neupoetischer Unsinn 1 Artemon hat gelernt, an mehr als einem Ort' Ein unverständlich Nichts durch aufgeblas'ne Wort' In wohlgezählte Reim' ohn' allen Zwang zu bringen; In jedem Abschnitt hört man klingen: » Schnee, Marmor, Alabast, Musk, Bisam und Zibeth, Sammt, Purpur, Seid' und Gold, Stern, Sonn' und Morgenröth', « Die sich in Unverstand verschanzen Und in geschloßner Reihe tanzen. Zwar les' ich selten sie vom Anfang bis an's Ende; Doch klopf' ich lachend in die Hände Und denk': es sind nicht schlechte Sachen, Aus Schell'n ein Glockenspiel zu machen. Fußnoten 1 Gegen Lohenstein und seine Nachahmer. Großer Herren Gnade 1 Der, welcher sich Einfältiglich Verlässet auf die Erdengötter, Der ihrem holden Lächeln traut, Auf Blicke Rechnung macht, der schaut In den Kalender nach dem Wetter. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Guter Name in Verfolgung Melintes, den der Feinde Macht Um seine Wohlfahrt hat gebracht, Dem sprach man tröstlich also zu: »Melintes, stelle dich zur Ruh', Weil deiner Unschuld Nichts gebricht Und Jeder von dir rühmlich spricht, Der sich mit jenen nicht verschworen.« Melintes hört' es an und rief: » Was nützt ein guter Wind dem Schiff, Das Mast und Segel hat verloren? « An Melintes Laß auf Verfolgung nicht sich ändern deine Triebe, Noch sich in Zorn und Haß verkehren Gunst und Liebe; Thu' jetzt mit Vorsatz Das, was erstlich Neigung war, Und mache durch Geduld die Unschuld offenbar; Sonst würden Die, die jetzt ihr Unrecht selbst erkennen, Das, was die Wirkung ist, verkehrt die Ursach nennen. Die Tugend 1 Die Tugend ist ein Lorbeerbaum, Der dichte Zweig' ausschießt in einem engen Raum, Der mit den Zweigen so, wie mit dem Schatten dienet, Im Winter in der Kält', in Hitz' im Sommer grünet. Zwar pflegt die Welt ihr Spott und Hohn, Statt der verdienten Ehre, zu bezeigen; Doch sie ist ihr selbsteigner Lohn: Es krönt ein Lorbeerbaum sich selbst mit eignen Zweigen. Fußnoten 1 N.d.ä.A. »Und alle Gräber werden bewegt werden« Es wird die Wiege zwar, doch nicht das Grab bewegt, In das man unsers Leibs entkernte Schalen legt; Doch wann der Lebensfürst erscheinen wird und wann Die donnernde Posaun' erschallen wird auf Erden, Dann wird das Grab bewegt, und unser Grab wird dann Der Neugebornen Wiege werden. Almosen 1 Es reicht der Armuth Hand das beste Bettelbrot; Wer selbst in Drangsal, hilft am rühmlichsten aus Noth, Und der wird meist von Gott geliebt, Der, weil er Andern giebt, die Hände selbst läßt leer; Denn Der, der wenig giebt von Wenigem, giebt mehr, Als Der, der viel von Vielem giebt. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Glücklicher Irrthum Daß Kalkas oftmals sich in seiner Arzenei Verirrt, das macht euch vor ihm scheu? O Thorheit! Euch ist nicht die Art, zu heilen, kund: Er macht durch Irrthum oft gesund. Neujahrswünsche Es spricht Marcolphus mir am neuen Jahrstag zu Und wünscht mir, was er mir entwendet 1 , Fried' und Ruh'; Er wünscht mir lange Jahr' und raubt mir meine Zeit, Veranlaßt mich zum Fluch und wünscht mir Seligkeit; In seinem Antlitz sitzt das Merkmal böser Tage, Und sein Neujahrswunsch ist des Neujahrs erste Plage. Fußnoten 1 benimmet. Narren die besten Lehrmeister Ein rechter Geck ist mehr, als mancher Schulfuchs, werth, Und man lernt mehr von ihm, als auf der hohen Schule 1 ; Der hustet Wort' und schwitzt vor Weisheit in dem Stuhle, Weil jener, wenn er tanzt, singt, lachet, spricht und schwört, Verkehrt, was ansteht, zeigt. Die Weisheit dort besteht In vielen Worten, 2 hier in einem krausen Zug: Dort lernt man sich zum Narr'n, hier lachet man sich klug. Fußnoten 1 Schul. So unten: Stuhl. 2 Dort in viel Wort' und etc. An einen Tagelöhner der Verleger Schreib' eilends; denn es steht der Drucker vor der Thür Und bringt gespartes Geld für dein verschwend't Papier; Ein jeder Bogen gilt zwei Thaler, find gleich nicht Die Worte, wie das Gold, von einerlei Gewicht. Die Anzahl wird dem Werth im Drucken vorgezogen; Drum wäge du sein Gold, er zählt nur deine Bogen. Unnütze Klagen 1 Man klagt, daß wir die Lieb' und alte Treu' verloren, Und daß der Segen sich verkehrt in einem Fluche; Jedoch wenn ich mit Fleiß die vor'ge Zeit durchsuche, So dank' ich Gott, daß ich in dieser bin geboren. Fußnoten 1 Meist n.d.ä.A. Kleiner Mangel Der Abschnitt? gut. Der Vers? fließt wohl. Der Reim? geschickt. Die Wort'? in Ordnung. Nichts, als der Verstand verrückt. Schifffahrt des Lebens Wir irren auf der See der Welt, Weil eine Fluth die andre schwellt; Kein Vorgebirg' erscheint zur Rechten noch zur Linken. Wir sind der Wellen Gaukelspiel, Süd, Ost, Nord, West gilt uns gleichviel, Weil wir den Hafen nur erreichen, wenn wir sinken. Schönheit ohne Verstand Nichts, als nur falsche Münz' ist Schönheit ohne Witz; Denn das Gepräg' ist gut, doch ist das Erz nichts nütz'. Disputax Die Ursach' ist, mein Herr, daß ich dies Ding behaupt', Dieweil die – – – »O, das wird von Niemand nicht geglaubt!« – Wie? Eh' er mich gehört? Und darauf hebt er an Und widerlegt ein Ding, davon ich nie geträumt, Und das so wenig er, wie ich, verstehen kann. Er redet, daß der Mund ihm schäumt; Ein ungeduldig Wort, das läuft die andern über Und setzet den Verstand fast in ein hitzig Fieber. Ich segne mich und merke wohl, Daß ich der Thorheit sehr verdächtig mich gemacht, Weil ich vermessentlich gedacht, Daß einer, der sich selbst nicht hört, mich hören soll. Die neue Fräuleinschaft Daß Mancher jetzt heißt Wohlgeboren, Der erst die Schuh', hernach den Bart für Lohn geputzt, Das klingt was hart in meinen Ohren; Doch wenn das Wort der Sache nutzt, So geb' ich Alles nach, und ich bin nicht entrüst't, Daß man Die Fräulein heißt, die keine Jungfer ist. Eitelkeit weltlicher Lust' und Ehren Daß eine Fürstinn mich umfing mit heißen Küssen, Und mich ein König Freund und Grafen gnädig hießen, – Das träumt' ich. Mein Gemüth war durch die Lust zerstört, Ich schmeckte, was ich fühlt', und fühlte, was ich hört'. Als aber ich erwacht' und nach den sanften Zeichen Der ungewohnten Küss' auf meinen Lippen sucht', Auch den entwich'nen Schall der Titel in der Flucht Durch mein verwöhnt Gehör gedachte zu erreichen, Da war so wenig hier zu hören und zu sehn, Als wenn, was ich geträumt, wär' in der That geschehn. Klugheit der Welt 1 Du hast den Seneca und Plato wohl gelesen; Allein du kennest nicht der Welt verkehrtes Wesen. Menalcas, glaub', es steckt viel Weisheit im Betrug, Viel Wissenschaft in den Gebehrden. Du hast Verstand, doch nicht Geschicklichkeit genug, Auch von den Narren selbst für klug geschätzt zu werden. Fußnoten 1 Größtentheils n.d.ä.A. An Gaurus Daß meinen Namen du durch bösen Leumund 1 kränkst, Und ich mich nicht an dir auf andre Weise räche, Als daß ich allezeit von dir viel Gutes spreche, Gereichet mir zum Schimpf mehr, als du wohl gedenkst: Es läßt die Welt sich nicht betrügen Und strafet mich, wie dich, der Lügen. Fußnoten 1 durch Nachred' arghaft. Verkehrte Welt Es kehrten Lieb' und Tod in eine Herberg' ein Und legten beide müd' 1 die Köcher und die Pfeile Von ihren Seiten ab. Sie schliefen, bis der Schein Der Sonn' im Süden war, so daß aus großer Eile Beim Abzug keines nicht sein recht Gewehr bekam. Wie nun bei Jungen die, er sich bei Alten übte, Und jedes fremde Pfeil' auf eignen Bogen nahm, So starb die Jugend ab, das Alter ward verliebt. Fußnoten 1 Im Orig. beid' ermüdt. Gute Lehre 1 Ich schau' bestürzt den vollen Mann Und sein unsinnig Laster an. Er lässet weder mir, noch seinen Gläsern Ruh'; Doch muß ich seiner Thorheit lachen: Der Unmensch will mich trunken machen Und trinkt, je mehr er trinkt, die Mäßigkeit mir zu. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Uebermaß der Schönheit Schau ich Mirandola, so schwellt Mein Herz und zittert, wenn sie spricht. Mirandola gefällt mir nicht, Weil sie mir gar zu sehr gefällt. An einen Weltmann 1 Du sorgest, daß dein Ruhm auf Erden nicht vergeh', Und Jeder nennet dich ein Wunder seiner Zeit. Wo aber bleibt die Ewigkeit? Du bist der Rhone gleich, die durch den Genfersee Erkenntlich, unvermischt ihr stolzes Wasser führt, Nachgehends sich im Meer verliert. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Der Wucherer Man sagt, daß Spurius an seinen Gott nicht denket; Doch irrt man, weil er ihm sein ganzes Herz geschenket, Weil er ihn brunstig liebt und stets vor Augen hält. – Versteht mich aber recht: Es ist sein Gott – sein Geld. »Seid fromm, wie die Tauben, und listig, als die Schlangen« Ob von der Weisheit selbst wir gleich den Spruch empfangen: »Seid, wie die Tauben, fromm, und listig, wie die Schlangen«, Doch folg' ich, weil ich ihn nicht recht verstehe, lieber Der Einfalt Sittenlehr' in Allem, was ich thu': – Ich eigne mir allein die erste Hälfte zu; Die andre lass' ich euch, ihr Schriftgelehrten, über. Schriftsteller-Eile Was Marcus schreibt, das ist geschrieben, Und was ihm aus der Feder fällt, Ist, wie es fällt, auch liegen 1 blieben. Und fragst du, was die Ursach sei? Weil er Nachdenklichkeit für Beutelschneiderei, Und ein durchstrichen Wort für Mord und Todtschlag hält. Fußnoten 1 beliegen. Geringe Feinde Was groß ist, wird gefürcht't, was klein ist, wird verlacht, 1 Und dieses macht, daß wir geruhig niemals sitzen. Laß uns den Himmel nur vor kleinen Feinden schützen, Vor großen nehmen wir uns selber wohl in Acht. Fußnoten 1 veracht. Der sichere Spieler Rebuff ist gutes Muths; er weiß ein Meisterstück, Wodurch er seinen Zorn an seinem Unglück kühlet: Das Glück betrüget ihn, weil er viel Geld verspielet, Und er, weil er es nicht bezahlen kann, das Glück. Staatsweisheit Zu große Schatzung stört der Unterthanen Fleiß, Und Dürftigkeit benimmt den Muth; Drum spart und denkt, es sei der Unterthanen Blut Ein edler Opfer, als ihr Schweiß. Uneigennützige Liebe Lieb' ist der Großmuth Frucht, und die sich darin üben, Die schlagen in den Wind der Liebe Widerschein. Du kannst, sei, wie du willst, geliebt, unglücklich sein, Sei, wie du willst, unglücklich, dennoch lieben. Geistlose Schönheit 1 Wahr ist's, es ist ein gut Gesicht Ein öffentlich Empfehlungsschreiben, Wenn der Besitzer nur dem selbst nicht widerspricht Und seinen Leser läßt bei seiner Meinung bleiben. In deinem Briefe sind die Züg' und Zeilen schön, Den Inhalt kann kein Mensch verstehn. Fußnoten 1 Zum Theil n.d.ä.A. Alte und neue Zeit Wenn man der alten Zeit Geschichte fleißig liest Und was jetzt im Gebrauch, nicht läßt aus seiner Hut, So ist die alte Zeit, sowie die neue, gut; Man lernt, wenn man bedachtsam ist, Von jener, was am besten glücket, Von der, was sich am besten schicket. Zwiefache Erkenntnißquelle 1 Ich stelle mir mit Lust dein ganzes Wesen vor: Verstand und Schönheit sind verknüpft mit deiner Jugend; Das Auge weiß, daß du bist würdig deiner Tugend, Und daß du würdig bist der Schönheit, weiß das Ohr. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Xerxes Ich hör' am Hellespont noch Xerxes Ketten klingen, Und seine Wuth ergötzet mich; Der ungeheure Thor kann nicht das Feu'r in sich Und will die Fluth in jenem zwingen. Alexander Ja, eine Welt war ihm zu wenig, Und Alexander wollte König Noch über mehr, als eine, sein; Drum setzte der gekrönte Zecher Sich oft bei Herkuls trunknem Becher Und trank 1 den Wein, wie Wasser, ein: Dieweil, wenn Dunst das Aug' umziehet, Ein Trunkner Alles doppelt siehet. Fußnoten 1 soff. Friedenstractaten Du sagest zwar, daß du dem Feinde nach Belieben Den Frieden habest vorgeschrieben, Nimmst aber nicht in Acht, obgleich es sonnenklar, Daß dir es drum mit ihm gelungen, Weil du ihn nur zu thun, was er gewünscht, gezwungen, Und dein Beding sein Vortheil war. Ruhe bei Hofe Wenn über viel Geschäft' Hofjunker, Spieler, Rath, Fuchsschwänzer und was sonst nach Hof' in Kutschen fähret, Sich hundertmal des Tags beschweret, So lach' ich über sie: dieweil sie in der That Sonst nicht und nur allein, wie in der Wieg' ein Kind, In der Bewegung ruhig sind. Fabel und Historie Sucht nach der Wahrheit in Gedichten, Und nach den Lügen in Geschichten, Daß die Gedicht' euch nützlich sein Und die Geschicht' euch nicht betrüge; Denn jene zeigen uns die Wahrheit unter'm Schein Der Lügen, unter'm Schein der Wahrheit diese Lüge. Cato 1 Zwei herrschten über Rom, nicht aber über dich; Vor Cäsars Stahl trug Rom, der Tod vor deinem Scheu; Du starbst, wie du gelebt. Die Freiheit duldet Zwei; Ein Freier aber duld't nicht Einen über sich. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Geheime Absicht Verlangst du, daß ich dir des Damons Zweck erklär', Wenn du so tief ihn schau'st vor Jedermann sich neigen? Er will hierdurch, wie man ihn selbst soll ehren, zeigen, Und seine Demuth kommt von seiner Hoffahrt her. Zweideutiger Ruhm An Armida. Willst du, daß ich dich rühmen soll, So deute meine Meinung wohl; Tiefsinnig bin ich nicht, meist schreib' ich ungefähr Und denk', indem ich rühm', auf keine Heuchelei: Fromm bist du, wie – – ein stilles Meer, Und wie ein guter Wind – – getreu. Leutseligkeit Verachte Niemand nicht, obgleich du größer bist, Damit sich Niemand nicht vor deinem Anspruch scheu'; Lieb' Einen, weil er würdig ist, Den Andern, daß er würdig sei. Erfahrung ohne Klugheit Es ist ein ungereimter 1 Wahn, Daß Klugheit man nach Jahren mißt; Erfahrung ohne Klugheit ist Ein Blinder auf gewohnter Bahn. Fußnoten 1 So d.ä.A. Die züricher hat – wohl durch Druckf. – »ungemeiner«. Klugheit ohne Erfahrung Der, wenn er geht, den Weg erst mißt, Den machet mancher Umschweif träge; Denn Klugheit ohn' Erfahrung ist Ein Sehender auf fremdem Wege. Erfahrung mit Klugheit Wer Keinen 1 , was noch wie es sei zu thun, darf fragen, Und nach dem rechten Zweck auf rechtem Wege zieht, Von dem allein nur kann man sagen, Daß er mit zweien Augen sieht. Fußnoten 1 Niemand. Glücks- und Unglücksstern 1 An einen Glücklichen. Es hat ein Unglückskind, wie du, gewisse Stunden, Mit welchen sich sein Glück verbunden, Der Sonnenweiser zeigt sie an; Nur daß er sie nicht so, wie du, erkennen kann: Wenn deine Stunde naht, so ist es hell und licht; Wenn aber seine kommt, dann scheint die Sonne nicht. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Warum zwei Augen? 1 Dieweil uns die Natur zwei Augen wollte gönnen, Da man mit einem doch genugsam sehen können, So fragt' Amyntas mich, Warum dies sei geschehen. Du sollst mit einem Aug', antwortet' ich, auf dich, Auf Andre mit dem andern sehen. Fußnoten 1 Zum Theil n.d.ä.A. »Car tel est notre plaisir« 1 Zu Regensburg fünf kurze Fragen, Auf welche mancher Mund muß seine Meinung sagen, Und zu Versailles so viel Worte, Die manche Hand ausführt an mehr als einem Orte, Die sind's, die Ursach sind, daß Frankreich Deutschland pflückt Und manche Lilienblum' auf unsern Adler drückt. Bei uns heißt's: » Ob? Wie? Wen? Was? Wer? « Und dort: » Denn das ist mein Begehr! « Fußnoten 1 N.d.ä.A. Die grausame Schöne 1 Wär' Hyra nicht so schön, wär' sie so grausam nicht, So hätt' ich minder Freud' und fühlte minder Schmerzen; Das Paradies schau' ich in ihrem Angesicht Und fühle Höll' in meinem Herzen. Fußnoten 1 Zum Theil n.d.ä.A. Wahrheit im Wein 1 Lobt immer den Diogenes, Sagt Celidor, ihr Andern! Ich, der den Wein mit Eimern mess', Ich halt's mit Alexandern; Ich bin ein Held beim vollen Glas, Und wär' ein Narr im leeren Faß. Fußnoten 1 Wir haben es und erlaubt, die ersten Zeilen nach Ramler zu geben; im Orig. heißt es: Es liebe den Diogenes, Sagt Celidor, ein ander; Ich, der den Wein mit Eimern meß', Ich halt's mit Alexander. Freundeswort Versichre dich, mein Freund, daß ich dir niemals sage, Was ich nicht in dem Herzen trage, Noch daß ein zweifelnd Wort aus meinem Munde fall'. Mit Liebe weiß ich nicht zu scherzen; Ein jedes Wort klopft in dem Herzen, Im Munde hörst du nur desselben Wiederschall. Der Scheinheilige Thrax spricht, wenn ich ihn unbewacht 1 Bei einer schönen Thais finde, Sein Amt hab' ihn hieher gebracht, Um sie von ihrer schnöden Sünde Durch seinen treuen Unterricht Gewissenhaftig abzuschrecken: Er wärmt sich an der Sonn' und spricht, – Er schaue nur nach ihren Flecken. Fußnoten 1 unverwacht. Sittliche Grazie Clorinde sagt nicht oft, was sie nicht sagen soll; Doch was sie sagt und thut, wird durch die Art beschönet, Mit der sie Alles thut. Es steht ihr Alles wohl, So daß die Tugend selbst ihr keinen Zierrath lehnet, Den ihre Schönheit nicht der Tugend wiedergiebt: Sie macht die Tugend so, wie diese sie beliebt. Wesentlicher Unterschied Mich dünkt, wenn Koridon von andern Leuten spricht, Daß es ihm an Verstand gebricht, Und, wenn er, was er selbst verrichtet hat, erzählt, Daß es ihm an Gedächtniß fehlt. Schuldenlast 1 Daß Kolax Keinen nicht bezahlt Und doch mit vielen Dienern prahlt, Daß er in einer Kutsche fährt, Ist nicht so sehr Verwunderns werth. Laß seine Gläub'ger sich gedulden: Zwei Pferde haben gnug zu ziehn an seinen Schulden. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Zwiefacher Sieg 1 Wie leicht ist Einer überwunden, Wenn man die rechte Zeit zur Rache hat gefunden! – Erdrück' ihn! er verdient's! Es steht dir Alles frei; Doch wo du ihm vergiebst, so überwind'st du Zwei. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Gleiche Thorheit 1 An einen Geizigen. Darfst du darum auf Chlorus schmähn, Daß er vergebens hofft auf, was nicht kann geschehn? Stell' ein dein nichtiges Geschwätze, Das Jedermann zum Zorn bewegt, Und denke, daß die Welt auf eine Wagschaal' legt Die Hoffnung eines Narr'n und eines Geiz'gen 2 Schätze. Fußnoten 1 N.d.ä.A. 2 Geizhals. Der bestechliche Richter Die Strafe scheut er nicht, wenn er sich läßt bestechen; Denn er zahlt die, wird er entdeckt, mit dem Verbrechen. »Es ist uns gut, Herr, daß du uns züchtigst« Wie Mancher dünket sich im Glück ein Held zu sein, Der in der Noth verzagt! Das Unglück ist's allein, Das in das Innerste des falschen Herzens dringet Und den verführten Tropf zur Selbsterkenntniß bringet. Ein Glas zeigt, wenn es ist durchsichtig, nur das Licht; Doch wenn's verfinstert ist, so zeigt's dir dein Gesicht. An einen Waghals Warum erzürnst du dich, mein Freund, wenn ich dich schelt', Daß du dich ohne Noth so oft giebst in Gefahr? Gestehe nur, du seist ein Narr, So geb' ich's zu, du bist ein Held. Verständige Rede Wenn Strephon spricht, schweigt Jedermann Und hört ihn oft mit Lust, oft mit Verwundrung an; Es wird kein Wort von ihm verschwendet. Viel ist es, was er sagt, doch, was er nicht sagt, mehr; Dem denkt man nach, wenn er geendet, Und giebt ihm dann auch noch, wann er schon schweigt, Gehör. Eitle Dankbarkeit Daß für erwies'ne Dienst' oft Kremon mich gepriesen, Ist keine Dankbarkeit und nichts, als Gaukelei: Er trachtet, darzuthun, was er, nicht, was ich sei, Mehr, daß er sie verdient, als, daß ich sie erwiesen. Müßiggang Such' in der Arbeit deine Ruh', Nachdem du emsiglich den Himmel angefleht; Die Arbeit hört 1 der Welt, dem Himmel das Gebet, Der Müßiggang der Hölle zu. Fußnoten 1 gehört. Reisen in's Ausland 1 Als Krato reisen wollt' und von uns Abschied nahm, Da war er noch zu jung für einen weiten Ritt; Drum bracht' er, als er wiederkam, Aus fremden Ländern nichts, als ihre Thorheit, mit. So war er außer Lands des Vaterlandes Schande Und fremder Länder Schimpf in seinem Vaterlande. Fußnoten 1 Zum Theil n.d.ä.A. Erzwungene Gunst Es war Verachtung meine Frucht, So lang' ich Kreon's Gunst in tiefster Demuth sucht'; Doch 1 als mir die Geduld entfiel, Erreicht' ich unverhofft durch Keckheit Zweck und Ziel. Er war besorgt für seine Ruh' Und schrieb mir einen Brief voll Anerbietung zu. Ich las ihn und erkannt' hierbei, Daß eines Narren Gunst gleich seinem Briefe sei, – Daß, eh' man lieset seinen Gruß, Man erst sein Siegel brechen muß. Fußnoten 1 Im Orig. Denn, wohl nur aus Versehen. In der ä.A.: Als aber die etc. Buhlereien der Deutschen in Frankreich Daß Frankreich uns pflegt zu verwunden Durch Pulver, welches wir erfunden, Daß es in Büchern uns verlacht, Nachdem das Drucken wir erdacht, Daß wir dort unser Geld verschwenden, Mit dem es uns hernach besticht, Daß es durch unsre Länder bricht Mit Pferden, die wir ihnen senden, – Geht eh' in meinen Kopf hinein, Als wenn wir dort die Kraft verlieren, Daß ihre Weiber wir verführen Und unsrer Feinde Väter sei'n. Kleiderordnung In deiner Kleidung sei bedacht Auf Nothdurft mehr, als Zierd', auf Zierde mehr, als Pracht, Und nimm dir dies zur Richtschnur hin: Was deinen Leib bedeckt, das zeiget deinen Sinn. Das Gerücht Der Ruf ist selten ohne Grund, Vergrößert er gleich alle Sachen; Die Wahrheit öffnet ihm den Mund Und lehret ihn die Lügen machen; Er setzt, um mehr uns zu betrügen, Zur Finsterniß ein wenig Klarheit, Spricht keine Wahrheit ohne Lügen Und keine Lügen ohne Wahrheit. Cäsar und seine Geschichtbücher 1 Daß Cäsar, was er selbst gethan, auch selbst beschrieben, Macht, daß man ihn zugleich hochschätzen muß und lieben; So tapfer, so beredt, daß er allein ein Paar, – Ein Schreiber der Geschicht' und die Geschichte war. Fußnoten 1 N.d.ä.A. Ungleiche Wirkung Durch Weisheit, die der Welt ein weiser Grieche lehrt, Wird ein gesetzter Glaub' in uns gewiß vermehrt; Steht aber dieser nur auf Schrauben, So wird er insgemein durch jene ganz zerstört. Die Weltweisheit wirkt in dem Glauben Das, was bei einem Feu'r der Wind ausrichten kann: Das kleine löscht er aus, das große bläst er an. Witz ohne Einsicht Ich geb' es gerne zu, Witz hast du mehr, als g'nug; Doch schreibst du, wenn du schreibst, als wär'st du nicht recht klug; Dein scharf- und spitzer Kiel verletzet den Verstand Und ist ein blankes Schwert in eines Tollen Hand; Du schreibst, was sinnreich ist, doch was sich nicht geziemt, Und deine Thorheit wird durch deinen Witz berühmt. »Das Eine weiß ich, daß ich Nichts weiß« 1 Der Menschen Weisheit ist nur lauter Gaukelei, Und daß auch deine hier nicht ausgenommen sei, Ist klar; denn du weißt nichts, als daß du gar nichts 2 weißt. Und willst du wissen, was dies heißt? Die Sach' ist nicht so ungereimt: Hat niemals dich, mein Freund, geträumt, daß du geträumt? Fußnoten 1 Zum Theil n.d.ä.A. 2 nichtes. Der Spieler Gerontes hält nichts auf sein Amt Und denkt nur, wie er insgesammt Im Spiel die Spieler mög' entkräften, Und macht Betrug zu seinem Ziel. Er spielet nur mit den Geschäften, Und ist geschäftig in dem Spiel. Glück der Unverschämten In einem Wirthshaus die Geehrtsten, Und in der Schule die Gelehrtsten; Die Klügsten nach mißlungnem Rath Und Tapfersten nach einer That; Die größten Helden im Erdulden, Die besten Schläfer bei viel Schulden, Die weitsten Wandrer in der Welt Und schärfsten Spieler ohne Geld; Die Günstling' unversuchter Weiber Und der Lucrezien Zeitvertreiber, Am fremden Tisch die Ersten satt Und reich, wo Niemand sonst was hat; Die besten Heuchler, Lügner, Wäscher, Wahrsager, Aerzt' und Zungendrescher, Die Ersten so im Welt- als 1 Kirchenstand, – Propheten all' im Vaterland. Fußnoten 1 Die erst im Welt- und. Feinde Du mußt mit deinen Feinden leben So, daß du das Gesetz erfüllst. Den Stärkern magst du, wo du willst, Du mußt den Schwächeren vergeben. An einen Empfindlichen Greif hurtig, greift ein Geck dich an, Zur Feder oder zum Gewehr; Denn wer den Schimpf verachten kann, Der muß viel besser sein, als er. Sprachkunde Neära ist geschickt, ich geb' es gerne nach; Sie spricht Französisch, Welsch 1 , wie ihre Muttersprach', Und lernt noch Griechisch leicht 2 , Hebräisch und Latein; Denn Alles, was sie spricht, besteht in Ja und Nein. Fußnoten 1 französch und welsch. 2 lernte leicht noch griech'sch. Gefährliche Freundschaft Meinst du, Kleantes sei dein Freund, Daß er am Hofe dich so hoch sucht zu erheben Und ein so hohes Amt vor Andern dir läßt geben, Das über dein Vermögen scheint? Ein Adler hebt die Schildkröt' himmelan, Damit er sie zerschmettern kann. Des Prassers Philosophie Klar ist die Weltweisheit, die er als neu uns schenkt, Die er mit vollem Mund' uns aus der Schüssel liest; Es sagt Cartesius: »Der Mensch ist, weil er denkt,« Und Menedemus sagt: » er ist, dieweil er ißt. « An einen ungerathenen Sohn Du wohlgeborner Bösewicht, Du maßest dir zwar an der Ahnen hohe Ehre, Folgst aber nicht, wie sie, der Tugend strenger Lehre; Du kennest nur dein Recht, nicht aber deine Pflicht. Ihr Wappen prangt mit wilden Thieren, Und du zeigst im Gemüth, was sie im Wappen führen, Arglistig, wie ein Aff', und gleich dem Bären wild. O wärst du nach Verdienst geviertheilt, wie dein Schild! Freundschaft und Ehe Wer Hülfe nöthig hat und, was ihm nützt, verstehet, Der seh', statt eines Weibs 1 , sich um nach einem Mann. Ein Narr ist, der zu Wasser gehet, Wenn er zu Lande reisen kann. Fußnoten 1 sehe für ein Weib. An einen hungrigen Poeten Dir bringt, o Jambus 1 , nichts dein Fleiß, Als eines Dichterlings verwelktes Lorbeerreis; Selbst dein Verleger giebt dir nichts, Und Adam's Fluch ist dir gedoppelt zugemessen: Du mußt im Schweiß des Angesichts So fasten, wie ihr Brot die Andern essen. Fußnoten 1 Sonst bringt dir, Jambus. Zwiefache Wirkung Du rühmst und tadelst mich zu sehr, Nachdem ich dich und dich nicht hör'; Das Erst' ist nicht nach meinem Sinn, Das Andre fällt mir ungelegen: Du machst mich roth, wenn ich zugegen, Und schwarz, wenn ich abwesend bin. Eitle Mühe Kein prächtig Kleid, mein Freund, entfernt dich von der Bahre, Und du versteckst umsonst dein Haupt in fremde Haare; In jeder Runzel sitzt des Todes rauhe Spur, Ein kahler Scheitel ist ein Grenzstein der Natur. Grabschrift Der weder Nothdurft noch den Lecker Bezahlt, noch Weinschenk' oder Bäcker, Noch Krämer, Schuster oder Schneider, Der Allen lehrte die Geduld, Der hat – o Wunder! und o leider! – Bezahlet der Natur die Schuld. Vermummte Wahrheit Kalisto, der die Haut kaum an den Knochen hing, Die traf ich an, als sie vermummt im Grünen ging. Ich naht' herzu und, gleich als ob ich sie nicht kennte Und ihr Gesicht zu sehen brennte: »Die Sonne möcht' ich sehn, die eine Wolke deckt,« Sagt' ich, als ich die Hand nach ihrer Maske streckt'. – »Glaubt Ihr«, versetzte sie, »daß insgemein auch meine Den Thoren wie den Klugen scheine?« – Erzürnt durch dieses Wort »Ei, ist Euch nicht bekannt,« Sprach ich, »ein schlaues Weib, Semiramis genannt? Sie ließ, als sie noch lebt', auf ihren Leichstein graben: Wer einen Schatz verlangt zu haben, Der findet ihn gewiß hier unter diesem Stein. Ein Fremdling fand sich drauf nach vielen Jahren ein; Er las und dachte: Geld verachten nur die Narren, Und fing die Gruft an aufzuscharren. Es kostet' ihm viel Müh', und oftmals schöpft' er Luft, Eh' er den Sarg entdeckt' in der verstörten Gruft. Als aber er zuletzt den Deckel aufgebrochen, So fand er nichts, als – dürre Knochen.« Ich schwieg; sie aber sprach: Freund, ich versteh' Euch nicht. – »Nein?« sagt' ich; » ei, so zieht die Maske vom Gesicht! « Der Hofmann Corantes sagt mit vielen Flüchen, Daß Niemand fleißiger zu Hofe geh', als er, Und ich sah einmal ihn hier selbst von ungefähr, Jedoch nicht gehen, sondern – kriechen. Buße Es fand sein zartes Weib ein Ehmann in Gefahr Und wollte, weil es so zu Rom gebräuchlich war, Aus großer Liebe sich bequemen, Die Ruthenstreich' ihr abzunehmen, Die in der Beicht' ein Mönch ihr auferlegt. Als nun der Pater ihm den Rücken lustig fegt', So rief das Weib: »Haut zu, Herr Pater; denn ich bin Gar eine große Sünderinn!« Der Trompeter des Prinzen Moriz Es war dem Spinola bekannt, Daß Moriz mit dem Heer sich zu verschanzen trachte. Als ein Trompeter nun ihm wurde zugesandt, Der ein Gewerb' vom Prinzen brachte, So fragt' er ihn: »Wie kommt's, daß euer junger Held So blöd' und furchtsam sich in der Verschanzung hält?« – »Es möcht'«, antwortet' er, sich neigend bis zur Erden, »Mein Herr auch gern, wie Ihr, ein alter Feldherr werden. Staatslehre Ein Abgesandter sprach einst mit Elisabeth Im königlichen Vorgemache, Und als er ihr verwies, daß, was in einer Sache Sie kurz zuvor gesprochen hätt', Nicht Gottes Wort gemäß gewesen, Auch manchen Bibelspruch ihr zum Beweise brachte: »Ihr habt die Bibel zwar«, versetzte sie und lachte, » Die Bücher aber nicht der Könige gelesen.« Claudite jam rivos etc. 1 Schließt eure klaren Bäch', ihr Musen! es ist Zeit; In Deutschland find' ich euch von keiner Nutzbarkeit. Hätt' ich gelernt, wie man im Felde sich läßt schlagen, So hätt' ich schon vielleicht zwei Wachen vor der Thür. Und hätt' ich bunte Schnür' auf meinem Rock getragen, So ging mir auch vielleicht anitzt kein Staatsrath für. Hätt' ich durch Schatzungen gelernt, das Volk zu drücken, So trüg' ich auch vielleicht bereits ein 2 Ritterband. Und wüßt' ich leckerhaft die Tafel anzuschicken, So hätt' ich manchen Sitz 3 zu einem Unterpfand. Es muß, wer Etwas hier gedenket zu erwischen, Statt eures klaren Bachs in trüben Wassern fischen. Fußnoten 1 Dieses Epigramm schließt das neunte Buch der Ueberschriften; die drei vorhergehenden sind dem zehnten entlehnt. 2 schon einen. 3 Rittersitz.