Christian Wernicke
Ausgewählte Epigramme
Palämon
Palämon, der besitzt des Königs Gunst und Ohr.
Ich folg' ihm durch den Saal bis an des Palasts Thor;
Ich hust', er sieht sich um; ich neige mich, er lacht;
»Ich habe gestern noch«, sagt er, »an Ihn gedacht.«
Ich glaub' es ohne sein Vermessen
Und find' es in der That,
Daß er sich meiner hat
Erinnert,
um mich zu
vergessen.
An einen Hofmann
Aufrichtig
und doch
höflich sein
Stimmt selten mit einander ein;
Doch muß man dir dies Lob zulegen:
Du kannst dich wohl in beide schicken,
Bist höflich,
wenn ich bin zugegen,
Aufrichtig
hinter meinem Rücken.
Die leblose Schönheit
So schläfrig, doch so schön! Kann man den Augen trauen?
Ist Chloris ein Geschöpf? Wie? Oder ist sie nur
Ein ungemeines Bild? Denn was wir an ihr schauen,
Ist für die Kunst zu groß, zu schwach für die Natur.
Wollt' etwa die Natur des Malers Hand nachaffen?
Hat sie mit gleicher Münz' ein Künstler hier bezahlt?
So hat sie die
Natur gemalet,
nicht
geschaffen;
So hat ein
Maler
sie
geschaffen,
nicht
gemalt.
Thorheit der Welt
1
Wir
gehn
mit Lust und vollen Freuden
Nach Rom, Madrid und nach Paris,
Nach London, Amsterdam und Leyden;
Wir
gehn
als Jason nach dem Vlies;
Wir
gehn
nach Wien als Abgesandte,
Wir
gehn
in's Feld als Oberste,
Auf's Rathhaus als des Raths Verwandte,
Als Flaggenführer in die See;
Wir
gehn,
verschwendend unsre Stunden,
Mit Brüdern in ein Saufgelag,
Mit Schwestern in ihr Schlafgemach
Und in's Gehege mit den Hunden;
Wir
gehn,
um niemals still zu stehn,
Und kitzeln uns mit stetem Wandern;
Wir
gehn
von einem Ort zum andern,
Und woll'n doch in uns selbst nicht gehn.
Fußnoten
1
Meist nach d. Ausg. v. 1701.
Der Leichenspruch des Geizigen
Als einmal Marcus schlummernd saß
Und in dem Buch der Weisheit las
Den Spruch: »
Wer einen Freund find't findet einen Schatz
«.
So rief er: Diesen edeln Satz,
Den wähl' ich mir zum Leichenspruch!
Und schrieb ihn in sein Tafelbuch.
Doch ich, indem er schrieb, verspürte,
1
Daß er, den
Geiz
und
Schlaf
verführte,
Als dienten diese Wort' in seinen Kram, gemeint;
Er schrieb: »
Wer einen Schatz find't, findet einen Freund
«.
Fußnoten
1
verspürt. Im folg. V.: durch G. und Schl. verführt.
Unterschied der Schönheit
Das
Doris
schön sei, find't mein Aug' im ersten Blick,
Ich fühle die Gefahr und weich' umsonst zurück;
Hergegen wenn ich viel mit
Chloris
umgegangen,
So nimmt sie erst, und, eh' ich's merke, mich gefangen.
Dort
raubt
man mir mein Herz, hier wird es mir
gestohlen,
Weil Doris
schneller
zwar, doch Chloris
sichrer
siegt.
Die Schönheit zeigt sich dort im freien Feld' und liegt
In Chloris Angesicht, als hinterm Busch, verhohlen.
Wittwentrauer
Clorinde trau'rt um ihren Mann,
Den sie in Wort und Werk – sie schwört es – nie betrogen;
Sie hat ein zierlich Trau'rkleid an,
Ihr Zimmer ist mit Boy bis auf den Grund bezogen,
Schwarz ist die Deck' auf ihrem Bett';
Briefträger, Kuppler, Knecht, Magd, Kutscher, Pferd und Wagen,
Sie alle müssen Trauer tragen:
Es scheint,
als ob sie Freud' an ihrer Trauer hätt'.
Unbestand des Glücks
Weil man auf dieser Welt mehr Kreuz, als Freud', erlebt
Und immer in der Irre schwebt,
So denkt ihr wenig nach, indem ihr so verzagt
Den Unbestand des Glücks beklagt;
Dankt für die
Hoffnung
doch, ihr Thoren, dem Geschick!
Der Unbestand ist unser Glück.
Almosen und Geschenke
1
Man nennet ein
Geschenk,
was
2
Arme Reichen geben,
Und
Gottesgabe,
was von diesen jene
3
heben;
Doch Alles ist dem Geizhals gleich:
Gieb ihm, was auch das Ding für einen Namen habe,
Er nimmt
Geschenke,
weil er
reich,
Und, weil er
arm,
die
Gottesgabe.
Fußnoten
1
Nach d. Ausg. v. 1701.
2
das.
3
Gottesgab, was die von diesen.
Ulysses und die Geschichtschreiber
Wir irren beiderseits; der Streit ist leicht zu schlichten:
Ulysses in der See und wir in den Geschichten.
Die neue Welt
Man fand in Indien der ersten Unschuld Spur,
Ein Volk, das ohne Zwang gehorchte der Natur,
Das einen eiteln Ruhm nie sucht' in der Gefahr
Und keine Tugend kannt', als die kein Laster war,
So daß hier jedermann erkannte mit Erfreuen,
Es sei die
alte Welt
gefunden in der
neuen.
Physik und Ethik
Erforsche, wie die Welt, also auch dein Gemüthe,
Und sei gelehrt und tugendhaft;
Die
Güte der Natur
zeig' in der
Wissenschaft,
Im
Wohlthun
die
Natur der Güte.
Vare, redde mihi legiones!
Wie ist
August
entstellt, daß seine Kriegesschaar
Mit unbezwungner Hand
Arminius
besieget!
Ihn schlägt ein schlecht'rer Feind, weil tapfern Feinden zwar
Sein
Feldherr,
aber er den Schmerzen unterlieget.
Glück und Verdienst
Wie selten findet man, daß Glück und Reichthum grünet,
Wo Ehr' und Tugend wohnt! Es ist an Wunders statt,
Wenn
der so
viel erlangt, als er mit Recht verdienet,
Und
der so
viel verdient, als er erlanget hat.
Est mala res mulier
Der irret, wer der Weiber Ehr'
Nur nach dem Schein von außen wiegt;
1
Die
Eingezogene
betrügt,
Die
Freie,
die betrügt noch mehr.
Fußnoten
1
So die Ausg. von 1701. Die späteren haben dafür:
Mehr, als den blosen Schein, zufüget.
An Mopsus
»Die Morgenstund' hat Gold im Mund«, und du bleibst arm,
Obgleich manch früher Tag dir deinen Kopf macht warm.
Mich dünkt, das Sprichwort ist verführerisch und eitel;
Weil sie's im
Munde
hat, so hast du 's nicht im
Beutel.
Fruchtbarkeit französischer Schriftsteller
Daß ein französcher
bel-esprit
Manch artig Buch mit goldnem Schnitt
1
In Holland uns bescheert,
Daß er uns nicht sein Pfund verhehlt,
Das Jahr nach Monatbüchern
2
zählt,
Ist nicht Verwunderns werth.
Er macht kaum seine Feder naß
Und künstelt ohne Müh';
Wahr ist's, er schreibt,
ich weiß nicht, wie;
Doch auch,
ich weiß nicht, was.
Fußnoten
1
Manch artlich Buch vergüldt im Schnitt.
2
durch Monat-Bücher.
An einen Splitterrichter
Magst du, was meine Fehler sind,
Von meinem Feinde gerne hören,
So laß auch meinen Freund dich lehren,
Was man bei mir für Tugend find't;
Spricht man dort übel ohne Maaße,
Und legt man hier zu viel mir zu,
So wähle du die Mittelstraße
Und denk', ich bin ein Mensch, wie du.
An Amaryllis
Die Tugend wird zwar meist verlacht;
Doch deine theure Schönheit macht,
Daß jene man auch in dir preist.
Die Schönheit fällt zwar oft in's Netz;
Doch deiner Tugend streng Gesetz
Beschützet das, was jene weist.
Es fällt die Welt dem Zeugniß bei,
1
Das dir mein schwacher Mund itzt giebt:
Man lobt dich ohne Heuchelei,
Wie man dich ohne Hoffnung liebt.
Fußnoten
1
Die Welt fällt dem Gezeugniß bey.
Der Kriegsheld
Der saure Thraso schlägt durch bloßes Ansehn wund:
Ein schwarzer Stutzbart ziert den aufgeschwollnen Mund;
Er trägt ein langes Schwert und ein dick spanisch Rohr,
Die Feder auf dem Hut, den Hut auf einem Ohr;
Rock, Hosen, Wamms und Strümpf' und Alles muß sich gatten;
Er sieht so grausam aus, daß er sich selbst kaum traut,
Daß, wenn er ungefähr in einen Spiegel schaut,
Er selber sich entsetzt vor seinem eignen Schatten.
Seemanns-Liebe
Daß man ein Fräulein preist, indem man sie betrüget,
Und sie durch Umschweif' oft zu überreden strebt,
Daß man die Händ' ihr küßt und ihr zu Füßen lieget,
Indem man sie empor bis an die Sterne hebt,
Das steht Cleant nicht an, der nicht beredtsam ist,
Der, was er ohne Müh' und in dem ersten Griff
Nicht haben kann, verschmäht. Er ist ein
Orlogschiff,
1
Das nur mit dem
Geschütz,
nicht mit der
Flagge
grüßt.
Fußnoten
1
Lesart der ältern Ausg. für:
Kriegesschiff.
Sape hodie
Marull verschiebet seine Sorgen
Und seine Vorsicht bis auf
morgen,
Auf morgen seine Reu' und Buß'
Und in Gefahr den letzten Schluß,
Auf morgen, Freunde sich zu machen
Und vor der Feinde Trug zu wachen,
Auf morgen Fleiß und Aemsigkeit –
Und ist allein ein
Narr für heut.
An unsere Poeten
1
Ihr Dichter, wenn ein Vers aus eurer Feder quillt,
Um eure Phyllis zu bedienen,
So zeigt sich gleich ein »Marmorbild«,
Ihr Aug' ist von »Achat«, die Lippen sind »Rubinen«,
Die Adern aus »Saphir« gemacht,
Und eure Buhlschaft wird, weil ihr sie preist, verlacht.
Die Welschen sind zwar auch nicht klug,
Weil sie in einem weiten Flug
Mit einer Göttinn stets bis an die Sterne fliegen;
In Frankreich macht man sie von lauter Geist und Witz,
Der Freundschaft fähig und verschwiegen,
Kurz ein Gefäß ohn' einen
2
Ritz;
In England, wo sie schalt- und walten,
Da werden sie für nichts, als Fleisch und Blut, gehalten;
Ihr aber, umgekehrt, wollt all' Pygmalions sein,
3
Denn eure Phyllis ist ein
Bild,
ein
Bild von Stein.
Fußnoten
1
Insbesondere gegen den Schwulst der Lohensteinschen Schule gerichtet.
2
eine.
3
Ihr aber wollt verkehrt
Pigmalions
alle sein.
Schuldner oder Gläubiger?
Manch ungehobelt Holz wird zum Merkur gemacht,
Weil mancher theure Mann, aus aller Höfling' Acht,
1
Sich sonst bei keinem Maaß, als seinem Schatten mißt.
Viel hebt das Glück empor, Viel' hält es auch zurück;
Doch wer die Welt recht kennt, der findet, daß das Glück
Mehr Schulden ausstehn hat, als es selbst schuldig ist.
Fußnoten
1
den kein Höfling achtet.
Hoc unum scio, quod nihil scio
Du denkst, daß Jedermann aus deinen eiteln Schlüssen
Und falscher Wissenschaft sehr große Klugheit schleußt;
Was nützt es, wenn du gleich weißt, daß du gar nichts
1
weißt,
Wenn du nicht weißt, daß dies auch Andre von dir wissen!
Fußnoten
1
nichtes.
Amaryllis Bildniß
Wie
eine
Venus einst kam aus der Muschel her,
So steigt die
andre
hier aus ihres Malers Schalen, –
So gleich, daß Keiner nicht sie gleicher könnt', als er,
Und auch so schön, daß er nichts Schön'res könnte
1
malen!
Fußnoten
1
So schön, daß keiner nicht, die schöner ist, kann.
Auf Cäsar's Ermordung
Der Mörderhaufe dringt so unversehns herfür,
Daß keine Rettung nicht, o Cäsar, ist zu hoffen.
Wer flieht?
Geist
oder
Leib? Dem
steht kaum
eine
Thür,
Hingegen jenem stehn so viel, als Wunden, offen.
Das Bildniß
1
Du schminkst Gesicht und Brust mit wohlgemischten Farben.
Dies thut dein Maler nicht; der stellt die Fleck' und Narben
Mit grobem Pinsel dar. Mathilde, glaub', es ist
Dein Bild dir ähnlicher, als du dir selber bist.
Fußnoten
1
Zum Theil nach d. ält. Ausg.
Mäßigkeit
Der seiner vollen Krüge schonet,
Ist mäßig, und nicht Der, der Durst gezwungen leid't;
In einem
leeren Fasse
wohnet
Der
Durst
und nicht die
Mäßigkeit.
Vorsicht
1
Wer mit Vernunft der Zeit und dem Verhängniß weicht,
Wer seinem Glück nicht traut auch in den besten Tagen,
Den stört kein Zufall nicht; das Kreuz ist Beiden leicht,
Wer
lang darauf gedacht,
und wer es
lang ertragen.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Schlaue Aufrichtigkeit
Scheint, was ihr seid, bekennt eu'r Herz im Angesicht,
Die albern-kluge Welt wird dies Verstellung nennen;
Sprecht rund heraus, man glaubt euch nicht;
Geht nackt, und man wird euch nicht kennen.
Sicherheit im Glück
Sag' einem, der erfreut dem Glück im Schooße lieget,
Daß dessen Stille stets die Sicherheit betrüget,
Daß es uns, ehe wir es recht erkannt, verläßt;
Er höret dich nicht mehr, denn junge Hochzeitgäst'
Den Wächter, der des Nachts die Stunden rufet, hören;
Er spottet deiner Gunst und lachet deiner Lehren,
Und alle deine Wort' entführt der schnelle Wind.
Ein Glücklicher ist taub, sowie das Glück ist blind.
Neupoetischer Unsinn
1
Artemon hat gelernt, an mehr als einem Ort'
Ein unverständlich Nichts durch aufgeblas'ne Wort'
In wohlgezählte Reim' ohn' allen Zwang zu bringen;
In jedem Abschnitt hört man klingen:
»
Schnee, Marmor, Alabast, Musk, Bisam
und
Zibeth,
Sammt, Purpur, Seid'
und
Gold, Stern, Sonn'
und
Morgenröth',
«
Die sich in Unverstand verschanzen
Und in geschloßner Reihe tanzen.
Zwar les' ich selten sie vom Anfang bis an's Ende;
Doch klopf' ich lachend in die Hände
Und denk': es sind nicht schlechte Sachen,
Aus
Schell'n
ein
Glockenspiel
zu machen.
Fußnoten
1
Gegen Lohenstein und seine Nachahmer.
Großer Herren Gnade
1
Der, welcher sich
Einfältiglich
Verlässet auf die Erdengötter,
Der ihrem holden Lächeln traut,
Auf Blicke Rechnung macht, der schaut
In den Kalender nach dem Wetter.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Guter Name in Verfolgung
Melintes, den der Feinde Macht
Um seine Wohlfahrt hat gebracht,
Dem sprach man tröstlich also zu:
»Melintes, stelle dich zur Ruh',
Weil deiner Unschuld Nichts gebricht
Und Jeder von dir rühmlich spricht,
Der sich mit jenen nicht verschworen.«
Melintes hört' es an und rief:
»
Was nützt ein guter Wind dem Schiff,
Das Mast und Segel hat verloren?
«
An Melintes
Laß auf Verfolgung nicht sich ändern deine Triebe,
Noch sich in Zorn und Haß verkehren Gunst und Liebe;
Thu' jetzt mit
Vorsatz
Das, was erstlich
Neigung
war,
Und mache durch Geduld die Unschuld offenbar;
Sonst würden Die, die jetzt ihr Unrecht selbst erkennen,
Das, was die
Wirkung
ist, verkehrt die
Ursach
nennen.
Die Tugend
1
Die Tugend ist ein
Lorbeerbaum,
Der dichte Zweig' ausschießt in einem engen Raum,
Der mit den Zweigen so, wie mit dem Schatten dienet,
Im Winter in der Kält', in Hitz' im Sommer grünet.
Zwar pflegt die Welt ihr Spott und Hohn,
Statt der verdienten Ehre, zu bezeigen;
Doch sie ist ihr selbsteigner Lohn:
Es krönt ein Lorbeerbaum sich selbst mit eignen Zweigen.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
»Und alle Gräber werden bewegt werden«
Es wird die
Wiege
zwar, doch nicht das
Grab
bewegt,
In das man unsers Leibs entkernte Schalen legt;
Doch wann der Lebensfürst erscheinen wird und wann
Die donnernde Posaun' erschallen wird auf Erden,
Dann wird das Grab bewegt, und unser Grab wird dann
Der
Neugebornen Wiege
werden.
Almosen
1
Es reicht der Armuth Hand das beste Bettelbrot;
Wer selbst in Drangsal, hilft am rühmlichsten aus Noth,
Und der wird meist von Gott geliebt,
Der, weil er Andern giebt, die Hände selbst läßt leer;
Denn Der, der wenig giebt von Wenigem, giebt mehr,
Als Der, der viel von Vielem giebt.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Glücklicher Irrthum
Daß Kalkas oftmals sich in seiner Arzenei
Verirrt, das macht euch vor ihm scheu?
O Thorheit! Euch ist nicht die Art, zu heilen, kund:
Er macht durch Irrthum oft gesund.
Neujahrswünsche
Es spricht Marcolphus mir am neuen Jahrstag zu
Und wünscht mir, was er mir entwendet
1
, Fried' und Ruh';
Er wünscht mir lange Jahr' und raubt mir meine Zeit,
Veranlaßt mich zum Fluch und wünscht mir Seligkeit;
In seinem Antlitz sitzt das Merkmal böser Tage,
Und sein
Neujahrswunsch
ist des
Neujahrs erste Plage.
Fußnoten
1
benimmet.
Narren die besten Lehrmeister
Ein rechter Geck ist mehr, als mancher Schulfuchs, werth,
Und man lernt mehr von ihm, als auf der hohen Schule
1
;
Der
hustet Wort' und schwitzt vor Weisheit in dem Stuhle,
Weil
jener,
wenn er tanzt, singt, lachet, spricht und schwört,
Verkehrt, was ansteht, zeigt. Die Weisheit
dort
besteht
In vielen Worten,
2
hier
in einem krausen Zug:
Dort lernt man sich zum Narr'n, hier lachet man sich klug.
Fußnoten
1
Schul. So unten: Stuhl.
2
Dort in viel Wort' und etc.
An einen Tagelöhner der Verleger
Schreib' eilends; denn es steht der Drucker vor der Thür
Und bringt gespartes Geld für dein verschwend't Papier;
Ein jeder Bogen gilt zwei Thaler, find gleich nicht
Die Worte, wie das Gold, von einerlei Gewicht.
Die
Anzahl
wird dem
Werth
im Drucken vorgezogen;
Drum wäge du sein
Gold,
er zählt nur deine
Bogen.
Unnütze Klagen
1
Man klagt, daß wir die Lieb' und alte Treu' verloren,
Und daß der Segen sich verkehrt in einem Fluche;
Jedoch wenn ich mit Fleiß die vor'ge Zeit durchsuche,
So dank' ich Gott, daß ich in dieser bin geboren.
Fußnoten
1
Meist n.d.ä.A.
Kleiner Mangel
Der Abschnitt? gut. Der Vers? fließt wohl. Der Reim? geschickt.
Die Wort'? in Ordnung. Nichts, als der Verstand verrückt.
Schifffahrt des Lebens
Wir irren auf der See der Welt,
Weil eine Fluth die andre schwellt;
Kein Vorgebirg' erscheint zur Rechten noch zur Linken.
Wir sind der Wellen Gaukelspiel,
Süd, Ost, Nord, West gilt uns gleichviel,
Weil wir den Hafen nur erreichen, wenn wir sinken.
Schönheit ohne Verstand
Nichts, als nur falsche Münz' ist Schönheit ohne Witz;
Denn das Gepräg' ist gut, doch ist das Erz nichts nütz'.
Disputax
Die Ursach' ist, mein Herr, daß ich dies Ding behaupt',
Dieweil die – – – »O, das wird von Niemand nicht geglaubt!« –
Wie? Eh' er mich gehört? Und darauf hebt er an
Und widerlegt ein Ding, davon ich nie geträumt,
Und das so wenig er, wie ich, verstehen kann.
Er redet, daß der Mund ihm schäumt;
Ein ungeduldig Wort, das läuft die andern über
Und setzet den Verstand fast in ein hitzig Fieber.
Ich segne mich und merke wohl,
Daß ich der Thorheit sehr verdächtig mich gemacht,
Weil ich vermessentlich gedacht,
Daß einer, der sich selbst nicht hört, mich hören soll.
Die neue Fräuleinschaft
Daß Mancher jetzt heißt Wohlgeboren,
Der erst die Schuh', hernach den Bart für Lohn geputzt,
Das klingt was hart in meinen Ohren;
Doch wenn das Wort der Sache nutzt,
So geb' ich Alles nach, und ich bin nicht entrüst't,
Daß man
Die Fräulein
heißt, die
keine Jungfer
ist.
Eitelkeit weltlicher Lust' und Ehren
Daß eine Fürstinn mich umfing mit heißen Küssen,
Und mich ein König
Freund
und Grafen
gnädig
hießen, –
Das
träumt'
ich. Mein Gemüth war durch die Lust zerstört,
Ich schmeckte, was ich fühlt', und fühlte, was ich hört'.
Als aber ich erwacht' und nach den sanften Zeichen
Der ungewohnten Küss' auf meinen Lippen sucht',
Auch den entwich'nen Schall der Titel in der Flucht
Durch mein verwöhnt Gehör gedachte zu erreichen,
Da war so wenig hier zu hören und zu sehn,
Als wenn, was ich geträumt, wär' in der That geschehn.
Klugheit der Welt
1
Du hast den Seneca und Plato wohl gelesen;
Allein du kennest nicht der Welt verkehrtes Wesen.
Menalcas, glaub', es steckt viel Weisheit im Betrug,
Viel Wissenschaft in den Gebehrden.
Du hast Verstand, doch nicht Geschicklichkeit genug,
Auch von den Narren selbst für klug geschätzt zu werden.
Fußnoten
1
Größtentheils n.d.ä.A.
An Gaurus
Daß meinen Namen du durch bösen Leumund
1
kränkst,
Und ich mich nicht an dir auf andre Weise räche,
Als daß ich allezeit von dir viel Gutes spreche,
Gereichet mir zum Schimpf mehr, als du wohl gedenkst:
Es läßt die Welt sich nicht betrügen
Und strafet mich, wie dich, der Lügen.
Fußnoten
1
durch Nachred' arghaft.
Verkehrte Welt
Es kehrten
Lieb'
und
Tod
in eine Herberg' ein
Und legten beide müd'
1
die Köcher und die Pfeile
Von ihren Seiten ab. Sie schliefen, bis der Schein
Der Sonn' im Süden war, so daß aus großer Eile
Beim Abzug keines nicht sein recht Gewehr bekam.
Wie nun bei
Jungen die, er
sich bei
Alten
übte,
Und jedes
fremde
Pfeil' auf eignen Bogen nahm,
So starb die Jugend ab, das Alter ward verliebt.
Fußnoten
1
Im Orig. beid' ermüdt.
Gute Lehre
1
Ich schau' bestürzt den vollen Mann
Und sein unsinnig Laster an.
Er lässet weder mir, noch seinen Gläsern Ruh';
Doch muß ich seiner Thorheit lachen:
Der Unmensch will mich trunken machen
Und trinkt, je mehr er trinkt, die Mäßigkeit mir zu.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Uebermaß der Schönheit
Schau ich Mirandola, so schwellt
Mein Herz und zittert, wenn sie spricht.
Mirandola gefällt mir nicht,
Weil sie mir gar zu sehr gefällt.
An einen Weltmann
1
Du sorgest, daß dein Ruhm auf Erden nicht vergeh',
Und Jeder nennet dich ein Wunder seiner Zeit.
Wo aber bleibt die Ewigkeit?
Du bist der Rhone gleich, die durch den Genfersee
Erkenntlich, unvermischt ihr stolzes Wasser führt,
Nachgehends sich im Meer verliert.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Der Wucherer
Man sagt, daß Spurius an seinen Gott nicht denket;
Doch irrt man, weil er ihm sein ganzes Herz geschenket,
Weil er ihn brunstig liebt und stets vor Augen hält. –
Versteht mich aber recht:
Es ist sein Gott – sein Geld.
»Seid fromm, wie die Tauben, und listig, als die Schlangen«
Ob von der Weisheit selbst wir gleich den Spruch empfangen:
»Seid, wie die Tauben, fromm, und listig, wie die Schlangen«,
Doch folg' ich, weil ich ihn nicht recht verstehe, lieber
Der Einfalt Sittenlehr' in Allem, was ich thu': –
Ich eigne mir allein die
erste Hälfte
zu;
Die
andre
lass' ich euch, ihr
Schriftgelehrten,
über.
Schriftsteller-Eile
Was Marcus schreibt, das ist geschrieben,
Und was ihm aus der Feder fällt,
Ist, wie es fällt, auch liegen
1
blieben.
Und fragst du, was die Ursach sei?
Weil er Nachdenklichkeit für Beutelschneiderei,
Und ein durchstrichen Wort für Mord und Todtschlag hält.
Fußnoten
1
beliegen.
Geringe Feinde
Was groß ist, wird gefürcht't, was klein ist, wird verlacht,
1
Und dieses macht, daß wir geruhig niemals sitzen.
Laß uns den Himmel nur vor
kleinen Feinden
schützen,
Vor
großen
nehmen wir uns selber wohl in Acht.
Fußnoten
1
veracht.
Der sichere Spieler
Rebuff ist gutes Muths; er weiß ein Meisterstück,
Wodurch er seinen Zorn an seinem Unglück kühlet:
Das Glück betrüget ihn, weil er viel Geld verspielet,
Und er, weil er es nicht bezahlen kann, das Glück.
Staatsweisheit
Zu große Schatzung stört der Unterthanen Fleiß,
Und Dürftigkeit benimmt den Muth;
Drum spart und denkt, es sei der Unterthanen Blut
Ein edler Opfer, als ihr Schweiß.
Uneigennützige Liebe
Lieb'
ist der
Großmuth
Frucht, und die sich darin üben,
Die schlagen in den Wind der Liebe Widerschein.
Du kannst, sei, wie du willst, geliebt, unglücklich sein,
Sei, wie du willst, unglücklich, dennoch lieben.
Geistlose Schönheit
1
Wahr ist's, es ist ein gut Gesicht
Ein öffentlich Empfehlungsschreiben,
Wenn der Besitzer nur dem selbst nicht widerspricht
Und seinen Leser läßt bei seiner Meinung bleiben.
In deinem Briefe sind die Züg' und Zeilen schön,
Den
Inhalt
kann kein Mensch verstehn.
Fußnoten
1
Zum Theil n.d.ä.A.
Alte und neue Zeit
Wenn man der
alten
Zeit Geschichte fleißig liest
Und was
jetzt
im Gebrauch, nicht läßt aus seiner Hut,
So ist die
alte
Zeit, sowie die
neue,
gut;
Man lernt, wenn man bedachtsam ist,
Von
jener,
was am besten glücket,
Von
der,
was sich am besten schicket.
Zwiefache Erkenntnißquelle
1
Ich stelle mir mit Lust dein ganzes Wesen vor:
Verstand und Schönheit sind verknüpft mit deiner Jugend;
Das
Auge
weiß, daß du bist würdig deiner Tugend,
Und daß du würdig bist der Schönheit, weiß das
Ohr.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Xerxes
Ich hör' am Hellespont noch Xerxes Ketten klingen,
Und seine Wuth ergötzet mich;
Der ungeheure Thor kann nicht das
Feu'r in sich
Und will die
Fluth in jenem
zwingen.
Alexander
Ja, eine Welt war ihm zu wenig,
Und Alexander wollte König
Noch über mehr, als eine, sein;
Drum setzte der gekrönte Zecher
Sich oft bei Herkuls trunknem Becher
Und trank
1
den Wein, wie Wasser, ein:
Dieweil, wenn Dunst das Aug' umziehet,
Ein Trunkner Alles doppelt siehet.
Fußnoten
1
soff.
Friedenstractaten
Du sagest zwar, daß du dem Feinde nach Belieben
Den Frieden habest vorgeschrieben,
Nimmst aber nicht in Acht, obgleich es sonnenklar,
Daß dir es drum mit ihm gelungen,
Weil du ihn nur zu thun,
was er gewünscht,
gezwungen,
Und dein Beding
sein Vortheil
war.
Ruhe bei Hofe
Wenn über viel Geschäft' Hofjunker, Spieler, Rath,
Fuchsschwänzer und was sonst nach Hof' in Kutschen fähret,
Sich hundertmal des Tags beschweret,
So lach' ich über sie: dieweil sie in der That
Sonst nicht und nur allein,
wie in der Wieg' ein Kind,
In der
Bewegung
ruhig sind.
Fabel und Historie
Sucht nach der
Wahrheit
in Gedichten,
Und nach den
Lügen
in Geschichten,
Daß die Gedicht' euch nützlich sein
Und die Geschicht' euch nicht betrüge;
Denn jene zeigen uns die
Wahrheit
unter'm
Schein
Der
Lügen,
unter'm
Schein der Wahrheit
diese
Lüge.
Cato
1
Zwei herrschten über Rom, nicht aber über dich;
Vor Cäsars Stahl trug Rom, der Tod vor deinem Scheu;
Du starbst, wie du gelebt. Die
Freiheit
duldet
Zwei;
Ein
Freier
aber duld't nicht
Einen
über sich.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Geheime Absicht
Verlangst du, daß ich dir des Damons Zweck erklär',
Wenn du so tief ihn schau'st vor Jedermann sich neigen?
Er will hierdurch, wie man ihn selbst soll ehren, zeigen,
Und seine Demuth kommt von seiner Hoffahrt her.
Zweideutiger Ruhm
An Armida.
Willst du, daß ich dich rühmen soll,
So deute meine Meinung wohl;
Tiefsinnig bin ich nicht, meist schreib' ich ungefähr
Und denk', indem ich rühm', auf keine Heuchelei:
Fromm
bist du, wie – –
ein stilles Meer,
Und wie ein
guter Wind – – getreu.
Leutseligkeit
Verachte Niemand nicht, obgleich du größer bist,
Damit sich Niemand nicht vor deinem Anspruch scheu';
Lieb' Einen,
weil er würdig ist,
Den Andern,
daß er würdig sei.
Erfahrung ohne Klugheit
Es ist ein ungereimter
1
Wahn,
Daß Klugheit man nach Jahren mißt;
Erfahrung ohne Klugheit ist
Ein Blinder auf gewohnter Bahn.
Fußnoten
1
So d.ä.A. Die züricher hat – wohl durch Druckf. – »ungemeiner«.
Klugheit ohne Erfahrung
Der, wenn er geht, den Weg erst mißt,
Den machet mancher Umschweif träge;
Denn Klugheit ohn' Erfahrung ist
Ein Sehender auf fremdem Wege.
Erfahrung mit Klugheit
Wer Keinen
1
,
was
noch
wie
es sei zu thun, darf fragen,
Und nach dem rechten Zweck auf rechtem Wege zieht,
Von dem allein nur kann man sagen,
Daß er mit
zweien Augen
sieht.
Fußnoten
1
Niemand.
Glücks- und Unglücksstern
1
An einen Glücklichen.
Es hat ein Unglückskind, wie du, gewisse Stunden,
Mit welchen sich sein Glück verbunden,
Der Sonnenweiser zeigt sie an;
Nur daß er sie nicht so, wie du, erkennen kann:
Wenn
deine
Stunde naht,
so
ist es
hell und licht;
Wenn aber
seine
kommt, dann
scheint die Sonne nicht.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Warum zwei Augen?
1
Dieweil uns die Natur zwei Augen wollte gönnen,
Da man mit
einem
doch genugsam sehen können,
So fragt' Amyntas mich,
Warum dies sei geschehen.
Du sollst mit
einem
Aug', antwortet' ich, auf
dich,
Auf
Andre
mit dem
andern
sehen.
Fußnoten
1
Zum Theil n.d.ä.A.
»Car tel est notre plaisir«
1
Zu
Regensburg
fünf kurze Fragen,
Auf welche
mancher Mund
muß seine Meinung sagen,
Und zu
Versailles
so viel Worte,
Die
manche Hand
ausführt an mehr als einem Orte,
Die sind's, die Ursach sind, daß Frankreich Deutschland pflückt
Und manche Lilienblum' auf unsern Adler drückt.
Bei
uns
heißt's: »
Ob? Wie? Wen? Was? Wer?
«
Und dort: »
Denn das ist mein Begehr!
«
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Die grausame Schöne
1
Wär' Hyra nicht so schön, wär' sie so grausam nicht,
So hätt' ich minder Freud' und fühlte minder Schmerzen;
Das
Paradies
schau' ich in
ihrem Angesicht
Und fühle
Höll'
in
meinem Herzen.
Fußnoten
1
Zum Theil n.d.ä.A.
Wahrheit im Wein
1
Lobt immer den Diogenes,
Sagt Celidor, ihr Andern!
Ich, der den Wein mit Eimern mess',
Ich halt's mit Alexandern;
Ich bin ein Held beim vollen Glas,
Und wär' ein Narr im leeren Faß.
Fußnoten
1
Wir haben es und erlaubt, die ersten Zeilen nach
Ramler
zu geben; im Orig. heißt es:
Es liebe den Diogenes,
Sagt Celidor, ein ander;
Ich, der den Wein mit Eimern meß',
Ich halt's mit Alexander.
Freundeswort
Versichre dich, mein Freund, daß ich dir niemals sage,
Was ich nicht in dem Herzen trage,
Noch daß ein zweifelnd Wort aus meinem Munde fall'.
Mit Liebe weiß ich nicht zu scherzen;
Ein jedes Wort klopft in dem Herzen,
Im
Munde
hörst du nur desselben
Wiederschall.
Der Scheinheilige
Thrax spricht, wenn ich ihn unbewacht
1
Bei einer schönen Thais finde,
Sein Amt hab' ihn hieher gebracht,
Um sie von ihrer schnöden Sünde
Durch seinen treuen Unterricht
Gewissenhaftig abzuschrecken:
Er wärmt sich an der Sonn' und spricht, –
Er schaue nur nach ihren Flecken.
Fußnoten
1
unverwacht.
Sittliche Grazie
Clorinde sagt nicht oft, was sie nicht sagen soll;
Doch was sie sagt und thut, wird durch die Art beschönet,
Mit der sie Alles thut. Es steht ihr Alles wohl,
So daß die Tugend selbst ihr keinen Zierrath lehnet,
Den ihre Schönheit nicht der Tugend wiedergiebt:
Sie
macht die
Tugend
so, wie
diese sie
beliebt.
Wesentlicher Unterschied
Mich dünkt, wenn Koridon von
andern Leuten
spricht,
Daß es ihm an
Verstand
gebricht,
Und, wenn er, was
er selbst
verrichtet hat, erzählt,
Daß es ihm an
Gedächtniß
fehlt.
Schuldenlast
1
Daß Kolax Keinen nicht bezahlt
Und doch mit vielen Dienern prahlt,
Daß er in einer Kutsche fährt,
Ist nicht so sehr Verwunderns werth.
Laß seine Gläub'ger sich gedulden:
Zwei Pferde haben gnug zu ziehn an seinen Schulden.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Zwiefacher Sieg
1
Wie leicht ist Einer überwunden,
Wenn man die rechte Zeit zur Rache hat gefunden! –
Erdrück' ihn! er verdient's! Es steht dir Alles frei;
Doch wo du ihm vergiebst, so überwind'st du
Zwei.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Gleiche Thorheit
1
An einen Geizigen.
Darfst du darum auf Chlorus schmähn,
Daß er vergebens hofft auf, was nicht kann geschehn?
Stell' ein dein nichtiges Geschwätze,
Das Jedermann zum Zorn bewegt,
Und denke, daß die Welt auf
eine
Wagschaal' legt
Die Hoffnung eines Narr'n und eines Geiz'gen
2
Schätze.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
2
Geizhals.
Der bestechliche Richter
Die Strafe scheut er nicht, wenn er sich läßt bestechen;
Denn er zahlt die, wird er entdeckt,
mit dem Verbrechen.
»Es ist uns gut, Herr, daß du uns züchtigst«
Wie Mancher dünket sich im Glück ein Held zu sein,
Der in der Noth verzagt! Das Unglück ist's allein,
Das in das Innerste des falschen Herzens dringet
Und den verführten Tropf zur Selbsterkenntniß bringet.
Ein
Glas
zeigt, wenn es ist
durchsichtig,
nur das
Licht;
Doch wenn's
verfinstert
ist, so zeigt's dir
dein Gesicht.
An einen Waghals
Warum erzürnst du dich, mein Freund, wenn ich dich schelt',
Daß du dich ohne Noth so oft giebst in Gefahr?
Gestehe nur, du seist ein
Narr,
So geb' ich's zu, du bist ein
Held.
Verständige Rede
Wenn Strephon spricht, schweigt Jedermann
Und hört ihn oft mit Lust, oft mit Verwundrung an;
Es wird kein Wort von ihm verschwendet.
Viel ist es, was er sagt, doch, was er nicht sagt, mehr;
Dem denkt man nach, wenn er geendet,
Und giebt ihm dann auch noch, wann er schon schweigt, Gehör.
Eitle Dankbarkeit
Daß für erwies'ne Dienst' oft Kremon mich gepriesen,
Ist keine Dankbarkeit und nichts, als Gaukelei:
Er trachtet, darzuthun, was
er,
nicht, was
ich
sei,
Mehr, daß
er sie verdient,
als, daß
ich sie erwiesen.
Müßiggang
Such' in der Arbeit deine Ruh',
Nachdem du emsiglich den Himmel angefleht;
Die
Arbeit
hört
1
der
Welt,
dem
Himmel
das
Gebet,
Der
Müßiggang
der
Hölle
zu.
Fußnoten
1
gehört.
Reisen in's Ausland
1
Als Krato reisen wollt' und von uns Abschied nahm,
Da war er noch zu jung für einen weiten Ritt;
Drum bracht' er, als er wiederkam,
Aus fremden Ländern nichts, als ihre Thorheit, mit.
So war er
außer Lands des Vaterlandes Schande
Und
fremder Länder Schimpf in seinem Vaterlande.
Fußnoten
1
Zum Theil n.d.ä.A.
Erzwungene Gunst
Es war Verachtung meine Frucht,
So lang' ich Kreon's Gunst in tiefster Demuth sucht';
Doch
1
als mir die Geduld entfiel,
Erreicht' ich unverhofft durch Keckheit Zweck und Ziel.
Er war besorgt für seine Ruh'
Und schrieb mir einen Brief voll Anerbietung zu.
Ich las ihn und erkannt' hierbei,
Daß eines Narren Gunst gleich seinem Briefe sei, –
Daß, eh' man lieset seinen Gruß,
Man erst sein Siegel brechen muß.
Fußnoten
1
Im Orig. Denn, wohl nur aus Versehen. In der ä.A.: Als aber die etc.
Buhlereien der Deutschen in Frankreich
Daß
Frankreich
uns pflegt zu verwunden
Durch Pulver, welches
wir
erfunden,
Daß es in Büchern uns verlacht,
Nachdem das Drucken
wir
erdacht,
Daß wir dort unser Geld verschwenden,
Mit dem es uns hernach besticht,
Daß es durch unsre Länder bricht
Mit Pferden, die wir ihnen senden, –
Geht eh' in meinen Kopf hinein,
Als wenn wir dort die Kraft verlieren,
Daß ihre Weiber wir verführen
Und unsrer Feinde Väter sei'n.
Kleiderordnung
In deiner Kleidung sei bedacht
Auf
Nothdurft
mehr, als
Zierd',
auf
Zierde
mehr, als
Pracht,
Und nimm dir dies zur Richtschnur hin:
Was deinen Leib bedeckt, das zeiget deinen Sinn.
Das Gerücht
Der Ruf ist selten ohne Grund,
Vergrößert er gleich alle Sachen;
Die Wahrheit öffnet ihm den Mund
Und lehret ihn die Lügen machen;
Er setzt, um mehr uns zu betrügen,
Zur Finsterniß ein wenig Klarheit,
Spricht keine Wahrheit ohne Lügen
Und keine Lügen ohne Wahrheit.
Cäsar und seine Geschichtbücher
1
Daß Cäsar, was er selbst gethan, auch selbst beschrieben,
Macht, daß man ihn zugleich hochschätzen muß und lieben;
So tapfer, so beredt, daß er allein
ein Paar,
–
Ein
Schreiber der Geschicht'
und die
Geschichte
war.
Fußnoten
1
N.d.ä.A.
Ungleiche Wirkung
Durch
Weisheit,
die der Welt ein weiser Grieche lehrt,
Wird ein
gesetzter Glaub'
in uns gewiß vermehrt;
Steht aber dieser nur auf Schrauben,
So wird er insgemein durch jene ganz zerstört.
Die Weltweisheit wirkt in dem Glauben
Das, was bei einem Feu'r der Wind ausrichten kann:
Das kleine löscht er aus, das große bläst er an.
Witz ohne Einsicht
Ich geb' es gerne zu,
Witz
hast du mehr, als g'nug;
Doch schreibst du, wenn du schreibst, als wär'st du nicht recht klug;
Dein scharf- und spitzer Kiel verletzet den Verstand
Und ist ein blankes Schwert in eines Tollen Hand;
Du schreibst, was sinnreich ist, doch was sich nicht geziemt,
Und deine Thorheit wird durch deinen Witz berühmt.
»Das Eine weiß ich, daß ich Nichts weiß«
1
Der Menschen Weisheit ist nur lauter Gaukelei,
Und daß auch deine hier nicht ausgenommen sei,
Ist klar; denn du weißt nichts, als daß du gar nichts
2
weißt.
Und willst du wissen, was dies heißt?
Die Sach' ist nicht so ungereimt:
Hat niemals dich, mein Freund, geträumt, daß du geträumt?
Fußnoten
1
Zum Theil n.d.ä.A.
2
nichtes.
Der Spieler
Gerontes hält nichts auf sein Amt
Und denkt nur, wie er insgesammt
Im Spiel die Spieler mög' entkräften,
Und macht Betrug zu seinem Ziel.
Er spielet nur mit den Geschäften,
Und ist geschäftig in dem Spiel.
Glück der Unverschämten
In einem Wirthshaus die Geehrtsten,
Und in der Schule die Gelehrtsten;
Die Klügsten nach mißlungnem Rath
Und Tapfersten nach einer That;
Die größten Helden im Erdulden,
Die besten Schläfer bei viel Schulden,
Die weitsten Wandrer in der Welt
Und schärfsten Spieler ohne Geld;
Die Günstling' unversuchter Weiber
Und der Lucrezien Zeitvertreiber,
Am fremden Tisch die Ersten satt
Und reich, wo Niemand sonst was hat;
Die besten Heuchler, Lügner, Wäscher,
Wahrsager, Aerzt' und Zungendrescher,
Die Ersten so im Welt- als
1
Kirchenstand, –
Propheten all' im Vaterland.
Fußnoten
1
Die erst im Welt- und.
Feinde
Du mußt mit deinen Feinden leben
So, daß du das Gesetz erfüllst.
Den
Stärkern
magst du, wo du willst,
Du
mußt
den
Schwächeren
vergeben.
An einen Empfindlichen
Greif hurtig, greift ein Geck dich an,
Zur Feder oder zum Gewehr;
Denn wer den Schimpf verachten kann,
Der muß viel besser sein, als er.
Sprachkunde
Neära ist geschickt, ich geb' es gerne nach;
Sie spricht Französisch, Welsch
1
, wie ihre Muttersprach',
Und lernt noch Griechisch leicht
2
, Hebräisch und Latein;
Denn Alles, was sie spricht, besteht in Ja und Nein.
Fußnoten
1
französch und welsch.
2
lernte leicht noch griech'sch.
Gefährliche Freundschaft
Meinst du, Kleantes sei dein Freund,
Daß er am Hofe dich so hoch sucht zu erheben
Und ein so hohes Amt vor Andern dir läßt geben,
Das über dein Vermögen scheint?
Ein Adler hebt die Schildkröt' himmelan,
Damit er sie zerschmettern kann.
Des Prassers Philosophie
Klar ist die Weltweisheit, die er als neu uns schenkt,
Die er mit vollem Mund' uns aus der Schüssel liest;
Es sagt
Cartesius:
»Der Mensch ist, weil er denkt,«
Und
Menedemus
sagt: »
er ist, dieweil er ißt.
«
An einen ungerathenen Sohn
Du wohlgeborner Bösewicht,
Du maßest dir zwar an der Ahnen hohe Ehre,
Folgst aber nicht, wie sie, der Tugend strenger Lehre;
Du kennest nur dein
Recht,
nicht aber deine
Pflicht.
Ihr
Wappen prangt mit wilden Thieren,
Und
du
zeigst im Gemüth, was sie im Wappen führen,
Arglistig, wie ein
Aff',
und gleich dem
Bären
wild.
O wärst du nach Verdienst geviertheilt, wie dein Schild!
Freundschaft und Ehe
Wer Hülfe nöthig hat und, was ihm nützt, verstehet,
Der seh', statt eines Weibs
1
, sich um nach einem
Mann.
Ein Narr ist, der zu Wasser gehet,
Wenn er zu Lande reisen kann.
Fußnoten
1
sehe für ein Weib.
An einen hungrigen Poeten
Dir bringt, o
Jambus
1
, nichts dein Fleiß,
Als eines Dichterlings verwelktes Lorbeerreis;
Selbst dein Verleger giebt dir nichts,
Und Adam's Fluch ist dir gedoppelt zugemessen:
Du mußt im
Schweiß des Angesichts
So
fasten,
wie ihr Brot die Andern
essen.
Fußnoten
1
Sonst bringt dir, Jambus.
Zwiefache Wirkung
Du rühmst und tadelst mich zu sehr,
Nachdem ich dich und dich nicht hör';
Das Erst' ist nicht nach meinem Sinn,
Das Andre fällt mir ungelegen:
Du machst mich roth, wenn ich zugegen,
Und schwarz, wenn ich abwesend bin.
Eitle Mühe
Kein prächtig Kleid, mein Freund, entfernt dich von der Bahre,
Und du versteckst umsonst dein Haupt in fremde Haare;
In jeder Runzel sitzt des Todes rauhe Spur,
Ein kahler Scheitel ist ein Grenzstein der Natur.
Grabschrift
Der weder Nothdurft noch den Lecker
Bezahlt, noch Weinschenk' oder Bäcker,
Noch Krämer, Schuster oder Schneider,
Der Allen lehrte die Geduld,
Der hat – o Wunder! und o leider! –
Bezahlet der Natur die Schuld.
Vermummte Wahrheit
Kalisto, der die Haut kaum an den Knochen hing,
Die traf ich an, als sie vermummt im Grünen ging.
Ich naht' herzu und, gleich als ob ich sie nicht kennte
Und ihr Gesicht zu sehen brennte:
»Die Sonne möcht' ich sehn, die eine Wolke deckt,«
Sagt' ich, als ich die Hand nach ihrer Maske streckt'. –
»Glaubt Ihr«, versetzte sie, »daß insgemein auch meine
Den Thoren wie den Klugen scheine?« –
Erzürnt durch dieses Wort »Ei, ist Euch nicht bekannt,«
Sprach ich, »ein schlaues Weib, Semiramis genannt?
Sie ließ, als sie noch lebt', auf ihren Leichstein graben:
Wer einen Schatz verlangt zu haben,
Der findet ihn gewiß hier unter diesem Stein.
Ein Fremdling fand sich drauf nach vielen Jahren ein;
Er las und dachte: Geld verachten nur die Narren,
Und fing die Gruft an aufzuscharren.
Es kostet' ihm viel Müh', und oftmals schöpft' er Luft,
Eh' er den
Sarg
entdeckt' in der verstörten Gruft.
Als aber er zuletzt den Deckel aufgebrochen,
So fand er nichts, als – dürre Knochen.«
Ich schwieg; sie aber sprach: Freund, ich versteh' Euch nicht. –
»Nein?« sagt' ich; »
ei, so zieht die Maske vom Gesicht!
«
Der Hofmann
Corantes sagt mit vielen Flüchen,
Daß Niemand fleißiger zu Hofe geh', als er,
Und ich sah einmal ihn hier selbst von ungefähr,
Jedoch nicht
gehen,
sondern –
kriechen.
Buße
Es fand sein zartes Weib ein Ehmann in Gefahr
Und wollte, weil es so zu Rom gebräuchlich war,
Aus großer Liebe sich bequemen,
Die Ruthenstreich' ihr abzunehmen,
Die in der Beicht' ein Mönch ihr auferlegt.
Als nun der Pater ihm den Rücken lustig fegt',
So rief das Weib: »Haut zu, Herr Pater; denn ich bin
Gar eine große Sünderinn!«
Der Trompeter des Prinzen Moriz
Es war dem
Spinola
bekannt,
Daß Moriz mit dem Heer sich zu verschanzen trachte.
Als ein Trompeter nun ihm wurde zugesandt,
Der ein Gewerb' vom Prinzen brachte,
So fragt' er ihn: »Wie kommt's, daß euer junger Held
So blöd' und furchtsam sich in der Verschanzung hält?« –
»Es möcht'«, antwortet' er, sich neigend bis zur Erden,
»Mein Herr auch gern, wie Ihr, ein
alter Feldherr
werden.
Staatslehre
Ein Abgesandter sprach einst mit
Elisabeth
Im königlichen Vorgemache,
Und als er ihr verwies, daß, was in einer Sache
Sie kurz zuvor gesprochen hätt',
Nicht Gottes Wort gemäß gewesen,
Auch manchen Bibelspruch ihr zum Beweise brachte:
»Ihr habt die
Bibel
zwar«, versetzte sie und lachte,
»
Die Bücher aber nicht der Könige
gelesen.«
Claudite jam rivos etc.
1
Schließt eure klaren Bäch', ihr Musen! es ist Zeit;
In Deutschland find' ich euch von keiner Nutzbarkeit.
Hätt' ich gelernt, wie man im Felde sich läßt schlagen,
So hätt' ich schon vielleicht zwei Wachen vor der Thür.
Und hätt' ich bunte Schnür' auf meinem Rock getragen,
So ging mir auch vielleicht anitzt kein Staatsrath für.
Hätt' ich durch Schatzungen gelernt, das Volk zu drücken,
So trüg' ich auch vielleicht bereits ein
2
Ritterband.
Und wüßt' ich leckerhaft die Tafel anzuschicken,
So hätt' ich manchen Sitz
3
zu einem Unterpfand.
Es muß, wer Etwas hier gedenket zu erwischen,
Statt eures klaren Bachs in trüben Wassern fischen.
Fußnoten
1
Dieses Epigramm schließt das neunte Buch der Ueberschriften; die drei vorhergehenden sind dem zehnten entlehnt.
2
schon einen.
3
Rittersitz.