55. Ecce iterum Maevius
In Knittel-Versen.
Als nach dem Fall des
Lobesans
Ein
Philipp
herrschte nach dem
Hans;
1
Als man
verundeutscht
frembde Wörter,
Und in dem
Reimen
ward gelehrter:
Da
Brandmarckt'
alle Dichterling'
Ein Kayserlicher
Palatin,
So woll die Blinden als die Lahmen,
Mit einem
Funckelneuen Nahmen.
Itzt da der Streich nichts mehr vermag,
So kommt ein neuer
Dudelsack,
Und machet sich ohn' all Erröhten,
Zugleich zum
Pfaltzgraf
und
Poeten.
Nimmt selber einen
Nahmen
an,
So gutt als er ihn machen kan;
Und der
verneute
Meister-Sänger
Wächst eine gantze Sylbe länger.
2
Kriegt' er nicht
einen
in der
Tauff?
Warum nimmt er den
andern
auff?
Ich merck' es: Er hat
zwey Gesichter,
Eins als ein
Christ,
eins als ein
Tichter.
Der eine Nahm' ist
abgenützt,
Den andern nimmet er
zum Staat an;
3
Und
segnet
sich mit beyden itzt
4
Vor'm
Hoffmanswaldau,
und dem
Satan.
Fußnoten
1
Ein Philipp herrschte nach dem Hans.
Weil man
Könige
und
Fürsten
bey dem blossen
Tauff-Nahmen
nennet; so wäre es unbillig wenn man die berühmte
Hans Sachs
und
Philipp von Zesen,
als Fürsten der Deutschen Pritschmeisterey, mit jenen nicht auf einen
gleichen Fuss
setzen solte.
2
Wächst eine gantze Sylbe länger.
. Sintemahl der
eigne Nahm
nur von
zwey Sylben;
der
angenommene
aber von
dreyen
ist. Der Schlich ist gutt, und, wie es scheinet, so ist er schon in
Augustus
Zeiten unter den
Römischen Pritschmeistern
im Schwange gewesen, wie aus folgenden Worten zu ersehen;
Quis, nisi Callimachus? Si plus adposcere visus
Fit Mimnermus: et optivo cognomine crescit.
Horat. Ep. 2. 1. 2.
Das angenommene Wort ist auch von dreyen Sylben, und fängt sich gleichfals mit einem M. an: so dass hieraus erhellet, dass
grosse Leute,
ohngeachtet sie über tausend Jahre von einander unterschieden sind,
dennoch allezeit mit einander sympathisiren.
3
Zum Staat an.
Wie man zuvor
Dichterling
mit
Palatin;
also hat man hier, um einen Reim auf
Satan
zu finden, so gar aus
zwey einsilbigen Wörtern
einen
Weiblichen Reim
gemacht: so dass wenn man die Worte:
Staat an:
liesst, der
Accent
auf die
Penultima
muss gesetzet werden. Nun bin ich versichert, dass kein
geschickter Leser
sich an
diese Reime
stossen werde; sintemahl dieselbe der
Kunst gemäss,
und ein
unterscheidendes Zeichen der Knittel-Gedichte sind.
So gar, dass wer dergleichen Verse aus Kurtzweil schreibet, nicht allein dieselbe
nicht vermeiden;
sondern
mit allem Fleiss aufsuchen muss.
4
Und segnet sich mit beyden itzt etc.
Sintemahl ein
schlimmer Poet
sich eben so sehr vor einem
Hoffmanswaldau;
als ein
guter Christ
vor dem
Satan
zu fürchten hat. Die
Vergleichung
ist etwas
seltsam;
aber je
abentheurlicher
dieselbe ist, je besser schicket sie sich zu einem
Knittel-Gedicht.