11. Warheit zu Hofe
Die Ursach ist, dass niemand nicht
Dem
Fürsten
frey ins Auge spricht,
Und dass ihm jederman die
Warheit
vorenthält;
Weil man eh'
ohne Straff'
ihm
schadet,
als
missfällt.
1
Fußnoten
1
Weil man eh' ohne straff' ihm schadet als missfällt.
Wer an diesem Schluss zweiflet, der muss nicht die Hertzen der
Menschen,
und noch minder die Hertzen der
Könige
kennen. Hundert Fehler wieder seinen
Staat
werden nicht halb so sehr aufgemutzet, als ein einiger wieder seine
eigne Person.
Drücke das Land unnöthiger Weise, beraube seinen Schatz, verunehr ihn in frembden Reichen durch deine thörigte Raht-und Anschläge; vielleicht entgehest du der wollverdienten Straffe:
wiedersprich aber nur einmahl seinen Neigungen, und sey ein verlohrner Mann.
Es giebet so gar einige verschmitzte Hoffleute, welche sich für verlohren schätzen, so bald ihr Herr gewahr wird,
dass sie mehr Verstand als er selber haben. Antonio Perez
erzehlet, dass ein
König
von Portugall als er einst einen
Brief
an den
Pabst
schicken wollen, einem seiner Geheimen Rähte anbefohlen, dass er einen deswegen aufsetzen solte; dass er selber auch einen schreiben, und hernach
den besten
an den
Pabst
abgehen lassen wolte. Als nun beyde zu Papier gebracht waren, so befand der König, dass
seines geheimen Rahts Brief besser als sein eigner sey,
und beschloss derohalben denselben dem Pabst zuzusenden. Worauf der argwöhnische Raht, so bald er nach Hause kam, alle seine Sachen also anschickte, damit er auf das geschwindeste sich nach
Spanien
begeben könte; sich festiglich einbildende,
dass er nicht sicher in Portugal leben könne, nachdem der König und sein Herr befunden, dass sein Diener klüger als er selber sey.
O wie glücklich ist das Land, welches einen so
tugendhafften König
hat, dass er alle Warheiten ohne Zorn und Eifer hören; oder wie glücklich ist der König, welcher einen so tugendhafften und zugleich so
geschickten Günstling
hat, dass wie er auf einer Seite ihm
keine Warheit vorenthält;
er auf der andern dieselbe ihm auf eine so
ungezwungene
und
fröliche Art
zu verstehen giebt, dass er sich unmüglich darüber erzürnen könne.
Tanta benignitas Principis,
sagt
Plinius
von dem
Trajanus, tanta securitas temporum est, ut ille nos principalibus rebus existimet dignos, nos non timeamus quod digni esse videmur.
In Paneg.