59. Gemähld der Gloriana
Kam
Gloriana
gleich auf einem
Thron
zur Welt,
Und findet man gleich in den Strahlen,
Die ihr
holdseelig Antlitz
mahlen,
Was alle
Welt verehrt,
und aller Welt
gefällt;
So weicht doch ihrem
Glaub'
ihr
Königlicher Stand,
Und vor der
Tugend
wird die
Schönheit
kaum erkant.
Gereitzt durch
Hoheit
und durch
Liebe,
Weil ihr ein
junger Held
die
erste Krohn
anträgt;
So
meistert
sie so ihre Triebe,
Dass
wegen des Bedings
sie seuftzend beyd' abschlägt.
Was vormals
Römisch war,
das war auch insgemein
Dem
Königlichen Nahm'
unhold;
1
Hergegen
Gloriana
wolt'
Zwar eine
Königin,
nicht aber
Römisch
sein.
Die selber, welche sie im
Glauben irrig
nennen,
Die müssen doch in ihr der
Tugend Wehrt
erkennen:
Weil alle Welt mit mir gesteht,
Dass niemand über diesen geht,
Den man
so jung
erwehlt
die erste Krohn zu tragen;
Als die, die sie hat abgeschlagen.
Fußnoten
1
Dem Königlichen Nahm' Unhold.
Der
Königliche Nahm
war bey den
alten Römern
so verhasst; dass
Titus Vespasianus
selbst, seine
geliebte Berenice
nur deswegen verlassen musste, weil sie
eine Königin
war.