Eilfter Gesang 1. Die Hoffnung, die ihr schimmerndes Gefieder Um Hüon wieder schwingt, Sie, die er einzig liebt, Bald wieder sein zu sehn, die goldne Hoffnung gibt Ihm bald den ganzen Glanz der schönsten Jugend wieder. Schon der Gedanke bloß, daß sie so nah ihm ist, Daß dieses Lüftchen, das ihn kühlet, Vielleicht Amandens Wange kaum geküßt, Vielleicht um ihre Lippen kaum gespielet; 2. Daß diese Blumen, die er bricht Und malerisch in Kränz und Sträuße flicht, Um in den Harem sie, wie üblich ist, zu schicken, Vielleicht Amandens Locken schmücken, Ihr schönes Leben vielleicht an ihrer lieblichen Brust Verduften, – der Gedank erfüllt ihn mit Entzücken; Das schöne Rot der Sehnsucht und der Lust Färbt wieder seine Wang und strahlt aus seinen Blicken. 3. Die heiße Tageszeit vertritt das Amt der Nacht In diesem Land, und wird verschlummert und verträumet. Allein, so bald der Abendwind erwacht, Fragt Hüon, den die Liebe munter macht, Schon alle Schatten an, wo seine Holde säumet? Er weiß, die Nacht wird hier mit Wachen zugebracht; Doch darf sich in den Gärten und Terrassen Nach Sonnenuntergang nichts Männlichs sehen lassen. 4. Die Damen pflegen dann, beim sanften Mondesglanz Bald paarweis, bald in kleinen Rotten, Die blühenden Alleen zu durchtrotten; Und ziert die Fürstin selbst den schönen Nymphenkranz, Dann kürzt Gesang und Saitenspiel und Tanz Die träge Nacht; drauf folgt in stillen Grotten Ein Bad, zu dem Almansor selbst (so scharf Gilt hier des Wohlstands Pflicht) sich niemals nähern darf. 5. Amanden (die, wie unser Ritter glaubte, Im Harem war) zu sehn, blieb keine Möglichkeit, Wofern er nicht sich um die Dämmrungszeit Im Garten länger säumt als das Gesetz erlaubte. Er hatte dreimal schon die unruhvollste Nacht In einem Busch an dem vorbei zu gehen Wer aus dem Harem kam genötigt war, durchwacht, Gelauscht, geguckt, und ach! Amanden nicht gesehen! 6. Fußfällig angefleht von Fatme, Ibrahim Und Scherasmin, ihr und sein eignes Leben So offenbar nicht in Gefahr zu geben, Wollt er, wiewohl der Sonnenwagen ihm Zu schnell hinab gerollt, am vierten Abend (eben Zur höchsten Zeit) sich noch hinweg begeben, Als plötzlich, wie er sich um eine Hecke dreht, Almansaris ganz nahe vor ihm steht. 7. Sie kam, gelehnt an ihrer Nymphen eine, Um, lechzend von des Tages strengem Brand, Im frischen Duft der Pomeranzenhaine Sich zu ergehn. Ein leichtes Nachtgewand, So zart als hätten Spinnen es gewebet, Umschattet ihren Leib, und nur ein goldnes Band Schließt's um den Busen zu, der durch die dünne Wand Mit schöner Ungeduld sich durchzubrechen strebet. 8. Nie wird die Bildnerin Natur Ein göttlicher Modell zu einer Venus bauen Als diesen Leib. Sein reizender Kontur Floß wellenhaft, dem feinsten Auge nur Bemerklich, zwischen dem Genauen Und Überflüssigen, so weich, so lieblich hin, Schwer war's dem kältsten Josefssinn, Sie ohne Lüsternheit und Sehnsucht anzuschauen! 9. Es war in jedem Teil, was je die Phantasie Der Alkamenen und Lysippen Sich als das Schönste dacht und ihren Bildern lieh; Es war Helenens Brust, und Atalantens Knie, Und Ledas Arm, und Erigonens Lippen. Doch bis zu jenem Reiz erhob die Kunst sich nie, Der stets, so bald dazu die Lust in ihr erwachte, Sie zur Besiegerin von allen Herzen machte. 10. Der Geist der Wollust schien alsdann Mit ihrem Atem sich den Lüften mitzuteilen, Die um sie säuselten. Von Amors schärfsten Pfeilen Sind ihre Augen voll, und wehe dann dem Mann, Der mit ihr kämpfen will! Denn, könnt er auch entgehen Dem feurig schmachtenden Blick, der ihn so lieblich kirrt, Wie wird er diesem Mund voll Lockungen, wie wird Er seinem Lächeln widerstehen? 11. Wie dem Sirenenton der zauberischen Stimme. Der des Gefühls geheimste Saiten regt? Der in der Seele Schoß die süße Täuschung trägt, Als ob sie schon in Wollustseufzern schwimme? Und wenn nun, eh vielleicht die Weisheit sich's versah, Verrätrisch jeder Sinn, zu ihrem Sieg vereinigt, Den letzten Augenblick der Trunkenheit beschleunigt: O sagt, wer wäre dann nicht seinem Falle nah? 12. Doch, ruhig! Fern ist noch und ungewiß vielleicht Der Schiffbruch, der uns itzt fast unvermeidlich däucht. Zu fliehen – sonst auf alle Fälle Das klügste – ging in diesem Augenblick Nicht an – sie war zu nah – wiewohl an Hüons Stelle Ein wahrer Gärtner doch geflohen wär. Zum Glück, Hilft, falls sie fragt, ein Korb mit Blumen und mit Früchten. Den er im Arme trägt, ihm eine Antwort dichten. 13. Natürlich stutzt die schöne Königin, In ihrem Wege hier auf einen Mann zu treffen. »Was machst du hier?« fragt sie den Paladin Mit einem Blick, der jedem andern Neffen Des alten Gärtners tödlich war. Doch Hüon, unterm Schirm gesenkter Augenlider, Läßt auf die Kniee sich mit edler Ehrfurcht nieder, Und stellt den Blumenkorb ihr als ein Opfer dar. 14. Er hatte, (spricht er) bloß es ihr zu überreichen, Die Zeit versäumt, die allen seines gleichen Die Gärten schließt. Hat er zu viel getan, So mag sein Kopf den raschen Eifer büßen. Allein die Göttin scheint in einen mildern Plan Vertieft, indes zu ihren Füßen Der schöne Frevler liegt. Sie sieht ihn gütig an, Und scheint mit Mühe sich zum Fortgehn zu entschließen. 15. Den schönsten Jüngling, den sie jemals sah – und schön Wie Helden sind, mit Kraft und Würde – fremde Der Farbe nach – in einem Gärtnerhemde – Dies schien ihr nicht natürlich zuzugehn. Gern hätte sie mit ihm sich näher eingelassen, Hielt nicht der strenge Zwang des Wohlstands sie zurück. Sie winkt ihm endlich weg; doch scheint ein Seitenblick, Der ihn begleitet, viel, sehr viel in sich zu fassen. 16. Sie schreitet langsam fort, stillschweigend, dreht sogar Den schönen Hals, ihm hinten nachzusehen, Und zürnt, daß er dem Wink so schnell gehorsam war. War er, den Blick, der ihn erklärte, zu verstehen, Zu blöde? Fehlt's vielleicht der reizenden Gestalt An Seele? Trügt das ungeduldge Feuer In seinem Auge? Macht Gefahr ihn kalt? Wie, oder sucht er hier ein andres Abenteuer? 17. Ein andres? – Dieser Zweifel hüllt Ihr plötzlich auf, was sie sich selber zu gestehen Errötet. Unruhvoll, verfolgt von Hüons Bild, Irrt sie die ganze Nacht durch Lauben und Alleen, Horcht jedem Lüftchen das sich regt Entgegen, jedem Blatt, das an ein andres schlägt: »Still!« spricht sie zur Vertrauten, »laß uns lauschen! Mir däucht, ich hörte was durch jene Hecke rauschen.« 18. »Es ist vielleicht der schöne Gärtner«, spricht Die schlaue Zof, »er ist, wofern mich alles nicht An ihm betrügt, der Mann sein Leben dran zu setzen, Um hier, im Hinterhalt, an einen Busch gedrückt, Mit einem Anblick sich noch einmal zu ergetzen, Der ihn ins Paradies verzückt. Wie wenn wir ihn ganz leise überraschten, Und auf der frischen Tat den schönen Frevler haschten?« 19. »Schweig, Närrin«, spricht die Haremskönigin; »Du faselst, glaub ich, gar im Traume?« Und gleichwohl richtet sie geraden Wegs zum Baume, Woher das Rauschen kam, die leichten Schritte hin. Es war ein Eidechs nur gewesen, Der durchs Gesträuch geschlüpft. – Ein Seufzer, halb erstickt, Halb in den Strauß, den sie zum Munde hielt, gedrückt. Bekräftigt was Nadin' in ihrem Blick gelesen. 20. Unmutig kehrt sie um, und mit sich selbst in Zwist, Beißt sich die Lippen, seufzt, spricht etwas, und vergißt Beim dritten Wort schon was sie sagen wollte, Zürnt, daß Nadine nicht die rechte Antwort gibt, Und nicht errät, was sie erraten sollte; Die schöne Dame ist, mit Einem Wort – verliebt! Sogar ihr Blumenstrauß erfährt's – wird, ohn ihr Wissen, Zerknickt, und, Blatt für Blatt, verzettelt und zerrissen. 21. Drei Tage hatte nun das Übel schon gewährt, Und war, durch Zwang und Widerstand genährt, Mit jeder Nacht, mit jedem Morgen schlimmer Geworden. Denn, so bald der Abendschimmer Die bunten Fenster malt, verläßt sie ihre Zimmer, Und streicht, nach Nymphen-Art, mit halb entbundnem Haar, Durch alle Gartengäng und Felder, wo nur immer Den Neffen Ibrahims zu finden möglich war. 22. Allein, vergebens lauscht ihr Blick, vergebens pochte Ihr Busen Ungeduld: der schöne Gärtner ließ Sich nicht mehr sehn, was auch die Ursach heißen mochte. Unglückliche Almansaris! Dein Stolz erliegt. »Wozu dich selbst noch länger quälen, (Denkt sie) und was dich nagt Nadinen, die gewiß Es lange merkt, aus Eigensinn verhehlen? Verheimlichung heilt keinen Schlangenbiß.« 23. Sie wähnt, sie suche Trost an einer Freundin Busen; Doch was sie nötig hat ist eine Schmeichlerin. In dieser Hofkunst war Nadine Meisterin. Der Saft von allen Pompelmusen In Afrika erfrischte nicht so gut Der wollustatmenden Sultanin gärend Blut, Als dieser Freundin Rat und zärtliches Bemühen, Den Mann, den sie begehrt, bald in ihr Netz zu ziehen. 24. Um Mitternacht und bei verschloßnen Türen Ihn in den Teil des Harems einzufahren Worin Almansaris ganz unumschränkt befahl, Schien nicht so schwierig, seit der Sultan, ihr Gemahl, Der Leidenschaft zur schönen Zoradinen (Wie sich die junge Fremde hieß Die durch ein Wunder jüngst an diesem Strand erschienen) Ganz öffentlich und frei sich überließ. 25. Die Amme hatte sich im Schließen nicht betrogen; Es war Amanda selbst, die aus der Räuber Macht Titania durch einen Blitz gezogen Und unverletzt an diesen Strand gebracht. Ihr wißt, was sich begab als sie ans Land gekommen; Wie ihr Almansor stracks sein flüchtig Herz geweiht, Und wie mit neidischer verstellter Zärtlichkeit Almansaris sie aufgenommen. 26. Der Sultan war vielleicht der allerschönste Mann Auf den die Sonne je geschienen, Und wußte dessen sich so siegreich zu bedienen, Daß ihm noch nie ein weiblich Herz entrann. Zum ersten Mal bei dieser Zoradinen Verlor er seinen Ruhm. Für Sie ist nur Ein Mann Auf Erden; Sie hat keine Augen, keinen Gedanken, keinen Sinn, als nur für diesen Einen. 27. Die Würde ohne Stolz, die edle Sicherheit, Die anstandvolle, unverstellte Gleichgültigkeit und ungezwungne Kälte, Womit sie ihn, der hier befehlen kann, so weit Von sich zu halten weiß, daß er, wie sehr er brennet, Ihr kaum durch einen stummen Blick Zu klagen wagt, – dies alles sieht und nennet Almansaris der Buhlkunst Meisterstück. 28. Gewohnt, des Sultans Herz nach ihrer Lust zu drehen Zu herrschen über ihn, im Harem unbeschränkt Zu herrschen, könnte sie den Zepter ungekränkt Von dieser Fremden aus der Hand sich spielen sehen? Zwar leiht sie ihrem Haß ein lächelndes Gesicht, Und tut als zweifle sie an Zoradinen nicht; Doch überall ist's in des Harems Mauern Verborgner Augen voll, die all ihr Tun belauern. 29. Allein, seitdem des schönen Gärtners Reiz Mit Amors schärfstem Pfeil ihr stolzes Herz durchdrungen Hat Lustbegier die Eifersucht verschlungen. Ihr Ehrgeiz weicht nun einem süßern Geiz, Dem Geiz nach seinem Kuß. Ihn wieder zu besiegen Ist nun ihr einzger Stolz. Mag doch die ganze Welt Zu Zoradinens Füßen liegen, Wenn Sie nur den sie liebt in ihren Armen hält! 30. Sie selbst befördert nun den Anschlag – Zoradinen, Entfernt von ihr, in einem andern Teil Des Harems, den Almansor schon in Eil Für sie bereiten ließ, anständger zu bedienen: Der Fremden wahrer Stand, wiewohl sie ihn noch nicht Gestanden, mache dies zu einer Art von Pflicht; Beim ersten Anblick könn es keinem Aug entgehen, Sie sei gewohnt nichts über sich zu sehen. 31. Indem Almansaris, mit listger Höflichkeit, Auf diese Weise sich in ihren eignen Zimmern Von einer Zeugin, die ihr lästig ist, befreit, Läßt, ohne sich um sie, und wie sie sich die Zeit Vertreiben kann und will, im mindesten zu kümmern, Almansor, der nun ganz sich seiner Liebe weiht, Ihr freien Raum, Entwürfe auszubrüten, Wozu im Harem ihr sich hundert Hände bieten. 32. Unmäßig grämt indes der schöne Gärtner sich, Daß ihm – der schon seit mehr als sieben Tagen Die Mauern, wo Amanda traurt, umschlich, (Denn daß sie traurt, das kann sein eignes Herz ihm sagen) Das holde Weib auch durch ein Gitter nur Zu sehn, nur ihres leichten Fußes Spur, (Er würd ihn, o gewiß! aus tausenden erkennen!) Die unmitleidigen Gestirne noch mißgönnen. 33. Er wirft sich unmutsvoll bei seinen Freunden hin: »Könnt ihr, wenn ihr mich liebt, denn keinen Weg ersinnen, Nur einen einzgen Mund im Harem zu gewinnen, Der meinen Namen nur und daß ich nah ihr bin Ins Ohr ihr flüstre?« – »Still! da kommt mir was zu Sinn«, Ruft Fatme aus, »Ihr sollt ihr einen Mahneh 1 schicken! Geht nur, die Blumen, die uns nötig sind, zu pflücken; In dieser Sprache bin ich eine Meisterin.« 34. Und Hassan eilt, wie Fatme ihm befohlen, Ein Myrtenreis, und Lilien, und Schasmin, Und Rosen und Schonkilien herzuholen. Drauf heißt sie ihn ein Haar aus seinen Locken ziehn, Nimmt dünnen goldnen Draht, und windet Und dreht das Haar mit ihm zusammen, bindet Den Strauß damit, und drein ein Lorberblatt, Worauf er A und H, verschränkt, gekritzelt hat. 35. »Nun«, spricht sie, »wenn ich's noch mit Zimmetwasser netze, So ist's der schönste Brief, den je ein Herzensdieb Von eurer Art an seine Liebste schrieb. Wollt ihr, daß ich's geschwind euch übersetze?« »Verliere keine Zeit«, ruft Hüon, »tausend Dank! Du kannst nicht bald genug mir eine Antwort bringen; Die Liebe schütze dich und laß es dir gelingen! Geh, wir erwarten dich auf dieser Rasenbank.« 36. Die gute Fatme ging. Allein, weil ihr kein Zimmer Im innern Teil des Harems offen stand, So lief der Strauß durch manche Sklavenhand, Und ward zuletzt (wie sich der Zufall immer In alles ungebeten mischt) Durch einen Irrtum von Nadinen aufgefischt, Und ihrer Königin, nachdem sie erst durch Fragen Das Wie und Wann erforscht, frohlockend zugetragen. 37. Weil Fatme diesen Brief gebracht, Die Sklavin Ibrahims, so konnte der Verdacht Auf keinen andern als den schönen Hassan fallen; Und daß er aus des Harems Schönen allen Der Schönsten gelten muß, scheint eben so gewiß, Zumal nach dem was jüngst sich zugetragen. Was könnte denn das A und H sonst sagen, Als – Hassan und Almansaris? 38. Und hätte sie, wiewohl es nicht zu glauben, Auch eine Nebenbuhlerin; Nur desto mehr Triumph für ihren stolzen Sinn, Der Feindin mit Gewalt die Beute wegzurauben! Die Eifersucht, die dies auf einmal rege macht, Vereinigt sich mit andern sanftern Trieben, Nicht länger als bis auf die nächste Nacht Den schönen Sieg, nach dem sie dürstet, zu verschieben. 39. Indessen kommt, entzückt von ihres Auftrags Glück, Und ohne Argwohn, hintergangen Zu sein, fast atemlos, mit glühend roten Wangen Vor Freud und Hastigkeit, die Amme nun zurück. Ihr Blick ist schon von fern als wie ein Sonnenblick Aus Wolken, die sich just zu teilen angefangen. » Herr Ritter (raunt sie ihm ins Ohr) was gebt ihr mir, So öffnet heute noch sich euch die Himmelstür! 40. Mit Einem Wort, ihr sollt Amanden sehen! Noch heut, um Mitternacht, wird euch die kleine Tür Ins Myrtenwäldchen offen stehen: Der Sklavin, die euch dort erwartet, folget ihr Getrost wohin sie geht, und fürchtet keine Schlingen; Sie wird euch unversehrt an Ort und Stelle bringen.« Das gute Weib, dem nichts von Arglist schwant, Verläßt sich auf den Weg, den sie ihm selbst gebahnt. 41. »Wie hoch, o Fatme! bin ich dir verbunden!« Ruft Hüon aus – »Ich soll sie wiedersehn! Noch diese Nacht! Und wär's, durch tausend Wunden Unmittelbar von Ihr in meinen Tod zu gehn, Kaum würde weniger die Nachricht mich erfreuen!« »Mein bester Herr, ich habe guten Mut; Die Sterne sind uns hold, ihr werdet sie befreien, (Spricht Scherasmin) und alles wird noch gut! 42. Gebt mir drei Tage nur, um heimlich eine Pinke Zu mieten, die nicht fern in einer sichern Bucht Vor Anker liegen soll, bereit, beim ersten Winke, So bald der Augenblick zur Flucht Uns günstig wird, frisch in die See zu stechen. Noch läßt's das Kästchen uns an Mitteln nicht gebrechen; Nur Gold genug, so ist die Welt zu Kauf; Ein goldner Schlüssel, Herr, schließt alle Schlösser auf!« 43. Indes daß unser Held die Zeit von seinem Glücke Mit Ungeduld an seinem Pulse zählt, Und, weil sein Puls mit jedem Augenblicke Behender schlägt, sich immer überzählt, Seufzt, nicht geduldiger, die reizende Sultane, Gerüstet schon zum Sieg, die Mitternacht herbei. Gefällig bot der Zufall ihrem Plane Die Hand, und machte sie von allen Seiten frei. 44. Ein großes Fest, der schönen Zoradinen Zu Ehren im Palast vom Sultan angestellt, Wobei die Odalisken all' erschienen, Gab ihr in ihrem Teil des Harems offnes Feld. Daß sich Almansaris für überflüssig hält Bei dieser Lustbarkeit, schien keinem ungebührlich: Im Gegenteil, man fand das Kopfweh sehr natürlich. Das, wie gebeten, sie auf einmal überfällt. 45. Die Stunde ruft. Der schöne Gärtner nahet Sich leise durchs Gebüsch der kleinen Gartentür. Wie klopft sein Herz! Ihm fehlt der Atem schier, Da eine weiche Hand im Dunkeln ihn empfahet, Und sanft ihn nach sich zieht. Stillschweigend folgt er ihr, Mit leisem Tritt, bald auf bald ab, durch enge Sich oft durchkreuzende lichtarme Bogengänge, Und nun entschlüpft sie ihm vor einer neuen Tür. 46. »Wo sind Wir?« flüstert er und tappt mit beiden Händen. Auf einmal öffnet sich die Tür. Ein matter Schein (Wie wenn sich, zwischen Myrtenwänden Mit Efeu überwölbt, in einem Frühlingshain Der Tag verliert) entdeckt ihm eine Reihe Zimmer Die ohne Ende scheint; und, wie er vorwärts geht, Wird unvermerkt das matte Licht zu Schimmer, Der Schimmer schnell zum höchsten Glanz erhöht. 47. Er steht betroffen und geblendet Von einer Pracht, die alles, was er je Gesehn, beschämt; so sehr ist Gold und Lapis Lazuli, Und was Golkond und Siam Reiches sendet, Mit stolzer Üppigkeit hier überall verschwendet. Doch unbefriedigt sucht sein liebend Auge – Sie. »Wo ist Sie?« seufzt er laut. Kaum ist sein »Ach!« entflogen, So wird, in einem Blitz, ein Vorhang weggezogen. 48. Zu beiden Seiten rauscht der reiche Goldstoff auf, Und welch ein Schauspiel zeigt sich seinen starren Blicken! Ein goldner Thron, und eine Dame drauf, So wie ein Bildner sich, verloren in Entzücken, Die Liebesgöttin denkt. Zwölf Nymphen, jede jung Und voller Reiz, wie Amors Schwestern, schweben In Gruppen rings umher, – um, gleich der Dämmerung, Den steigenden Triumph der Sonne zu erheben. 49. Von rosenfarbner Seide kaum Beschattet, schienen sie, zu ihrer Dame Füßen, Wie Wölkchen, die in einem Dichtertraum Um Cythereens Wagen fließen. Sie selbst, im reichsten Putz und mit Juwelen ganz Belastet, zeigt ihm bloß, daß all dies bunte Funkeln Nicht fähig ist, den angebornen Glanz Von ihrer Schönheit zu verdunkeln. 50. Herr Hüon, (der sich nun der Gärtner Hassan nennt) So wie sein Auge sich zu ihr erhebt – erkennt Almansaris, erschrickt, verwirrt sich, wankt zurücke. Dies allverblendende wollüstge Traumgesicht, Was soll es ihm? – Er sieht Amanden nicht! Sie suchte hier sein Herz, Sie suchten seine Blicke. Almansaris, die sehr verzeihlich irrt, Glaubt, daß ihr Glanz allein ihn blendet und verwirrt. 51. Sie steigt vom Thron herab, kommt lächelnd ihm entgegen Und nimmt ihn bei der Hand, und scheint bereit, für ihn Die Majestät, vor der ihm schwindelt, abzulegen, Und allen Vorteil bloß von ihrem Reiz zu ziehn. Unmerklich wird ihr Anstand immer freier; In ihren Augen brennt ein lieblich lodernd Feuer Und spielt elektrisch sich in seinen Busen ein; Sie drückt ihm sanft die Hand, und heißt ihn fröhlich sein. 52. Halb unentschlossen scheint sein Blick ihr was zu sagen: Sie winkt die Nymphen weg, und weg ist auch sein Mut; Er scheint zu furchtsam nur die Augen aufzuschlagen. Die Szene ändert sich. Ein zweiter Vorhang tut Sich auf. Almansaris führt ihren blöden Hirten In einen andern Saal, wo rings umher die Wand Bekleidet war mit Rosen und mit Myrten, Und mit Erfrischungen ein Tisch beladen stand. 53. Beim Eintritt werden sie mit Sang und Klang empfangen, Aus Saiten und Gesang ertönt der Freude Geist; Und Hassan setzt, wie ihm's die Dame heißt, Ihr gegenüber sich. Errötendes Verlangen Und schöne Ungeduld bekennet, furchtsam dreist, In ihrem schwimmenden Blick, auf ihren glühenden Wangen Ihm seinen Sieg: allein, aus seinen Augen bricht Wie aus Gewölk ein traurig düstres Licht. 54. Zwar irrt, nicht blöde mehr, sein Blick von freien Stücken Auf ihren Reizungen umher; Doch nicht aus Liebe, nicht mit schmachtendem Entzücken, Nicht, wie sie wünscht, vom Tau wollüstger Tränen schwer. Er ist zerstreut, er scheint sie zu vergleichen, Und jeder Reiz, der ihm nachstellend sich enthüllt, Malt nur lebendiger Amandens edles Bild, Und muß, beschämt, dem keuschen Reize weichen. 55. Vergebens reicht sie ihm den blinkenden Bokal Mit einem Blick, der Amors ganzen Köcher In seinen Busen schießt. Beim frohsten Göttermahl Reicht ihrem Herkules den vollen Nektarbecher Mit süßerm Lächeln selbst die junge Hebe nicht. Umsonst! Mit frostigem Gesicht Nimmt er den Becher an, den kaum ihr Mund berührte, Und trinkt, als ob er Gift auf seiner Zunge spürte. 56. Die Damewinkt; und schnell schlingt sich die Schwesterschar Der Nymphen, die vorhin den goldnen Thron umgaben, In einen Tanz, der Tote auf der Bahr Mit neuen Seelen zu begaben, Und Geister zu verkörpern fähig war. In Gruppen bald verwebt, bald wieder Paar und Paar, Sieht Hüon hier die lieblichsten Gestalten In tausendfachem Licht freigebig sich entfalten. 57. Vielleicht zu deutlich nur, scheint alles abgezielt Begierden ihm und Ahnungen zu geben: Er fühl es immerhin, denkt sie, wenn er nur fühlt, Wie reich das Schauspiel ist das hier die Schönheit spielt! Wie reizend ist der Arme leichtes Schweben, Der Hüften üppiger Schwung, der Knöchel wirbelnd Beben! Wie schmachtend fallen sie, mit halb geschloßnem Blick, Als wie in süßen Tod itzt stufenweis zurück! 58. Unwillig fühlt die überraschten Sinnen Der edle Mann in dieser Glut zerrinnen. Er schließt zuletzt die Augen mit Gewalt, Und ruft Amandens Bild zum mächtgen Gegenhalt; Amandens Bild, aus jener ernsten Stunde, Als er, den Druck noch warm auf seinem Munde Von ihrem Kuß, zu Dem, der die Natur Erfüllt und trägt, den Eid der Lieb und Treue schwur. 59. Er schwöret ihn, aufs neue, in Gedanken Auf seinen Knien vor diesem heilgen Bild: Und plötzlich ist's als hielt' ein Engel seinen Schild Vor seine Brust, so matt und kraftlos sanken Der Wollust Pfeile von ihr ab. Almansaris, die Acht auf alles gab Was ihr sein Blick verriet, klopft schnell in ihre Hände, Und macht in einem Wink dem üppgen Tanz ein Ende. 60. Und ob sie gleich mit Müh kaum über sich gewann, Dem marmorharten jungen Mann In ihren Armen nicht Empfindung abzuzwingen, Versucht sie doch noch eins, das schwerlich fehlen kann: Sie läßt sich ihre Laute bringen. Auf ihrem Polstersitz mit Reiz zurück gelehnt, Und, zum Bezaubern fast, durch ihre Glut verschönt, Was wird ihr durch die Gunst der Musen nicht gelingen? 61. Wie rasch durchläuft in lieblichem Gewühl Der Rosenfinger Flug die seelenvollen Saiten! Wie reizend ist dabei aus ihrem offnen weiten Rückfallenden Gewand der schönen Arme Spiel! Und, da aus einer Brust, die Weise zu betören Vermögend war, das mächtige Gefühl Sich in Gesang ergießt, wie kann er sich erwehren Auf seinen Knien die Göttin zu verehren? 62. Süß war die Melodie, bedeutungsvoll der Sinn. Es war das Lied von einer Schäferin, Die lange schon ein Feur, das keine Rast ihr gönnet, Verbarg – doch nun dem allgewaltgen Drang Nicht länger widersteht, und dem, der sie bezwang, Errötend ihre Pein und seinen Sieg bekennet. Das Lied stand zwar im Buch; allein, so wie sie sang, Singt keine, die nicht selbst in gleichen Flammen brennet. 63. Hier weicht die stolze Kunst der siegenden Natur; So lieblich girrt der Venus Taube nur! Die Sprache des Gefühls, so mächtig ausgesprochen, Der schönen Töne klarer Fluß Durch kleine Seufzerchen so häufig unterbrochen, Der Wangen höhers Rot, des Busens schnellers Pochen, Kurz, alles ist vollströmender Erguß Der Leidenschaften, die in ihrem Innern kochen. 64. Im Übermaß von dem was sie empfand Fällt ihr zuletzt die Laute aus der Hand. Die Arme öffnen sich – Doch, Hüon, dem es graute, Greift eilends noch im Fallen nach der Laute Wie ein Begeisterter, und stimmt mit mächtgem Ton Die Antwort an, gesteht, daß eine andre schon Sein Herz besitzt, und daß im Himmel und auf Erden Ihn nichts bewegen kann ihr ungetreu zu werden. 65. Fest war sein Ton, und unbestechlich streng Sein edler Blick. Die Zaubrerin, wider Willen, Fühlt seine Obermacht. Sie blaßt, und Tränen füllen Ihr zürnend Aug; die Lust kommt ins Gedräng Mit ihrem Stolz. Sie eilt sich zu verhüllen; Verhaßt ist ihr das Licht, der weite Saal zu eng: Mit einem kalten Blick auf ihren Rebellen, winket sie, ihn schleunigst abzuführen. 66. Die Gipfel glänzten schon im ersten Purpurlichte, Als unser Held, die Stirn in finstern Gram Gehüllt, zurück zu seinen Freunden kam. Erschrocken lasen sie in seinem Angesichte Beim ersten Blick die Hälfte der Geschichte. »Unglückliche«, spricht er zu Fatmen, die vor Scham Zur Erde sinkt, »wohin war dir dein Sinn entflogen? Doch – dir verzeih ich gern – du wurdest selbst betrogen.« 67. Und als er drauf, was ihm in dieser Nacht Begegnet war, erzählt, faßt er den guten Alten Vorn an der Brust, und schwört: ihn soll die ganze Macht Von Afrika nicht länger halten, Mit Schwert und Schild, wie einem Rittersmann Geziemt, in den Palast zu dringen, Und seine Rezia dem Sultan abzuzwingen. »Du siehst nun«, spricht er, »selbst, was ich mit List gewann!« 68. Zu seinen Füßen fleht ihm Scherasmin, und lange Vergebens, nur drei Tage noch dem Zwange Der nötigen Verborgenheit Sich in Geduld zu untergeben, Und nicht durch einen Schritt, den selbst die Tapferkeit Verzweifelt nennt, sein und Amandens Leben Zu wagen; bittet nur um diese kurze Zeit, Um jedes Hindernis von seiner Flucht zu heben. 69. Auch Fatme fleht auf ihren Knieen, streckt Ihr Haupt der Rache dar, wofern sie zu Amanden Ihm binnen dieser Frist den Zugang nicht entdeckt. Sie schwört, zum zweiten Mal soll kein Betrug zu Schanden Sie machen – Kurz, der Ritter selber fühlt, Daß ihm sein Unmut nicht den besten Weg empfiehlt Er gibt sein Wort, und kehret in den Garten Zurück, um seines Diensts und des Erfolgs zu warten. Fußnoten 1 Mahneh, XI. 33, auch Salam genannt, ist eine unter den Türken und Maurischen Sarazenen gewöhnliche Art von geheimen Liebesbriefen, wobei Blumen, Spezereien und tausend andere Dinge, als symbolische Zeichen, die eine gewisse abgeredete Bedeutung haben, statt der Worte gebraucht werden. In Plants Türkischem Staatslexikon ist ein Beispiel davon gegeben, wo eine Weinbeere, ein Strohhalm, eine Jonquille, ein seidener Faden, Papierschnitzel, ein Schwefelhölzchen, eine Pistazie, eine verwelkte Tulpe und ein Stückchen Goldfaden, in einem Beutel der Geliebten überschickt, ihr ungefähr so viel sagen, als: »Holdes Mädchen, erlaube daß ich dein Sklave sei und laß dir meine Liebe gefallen. Ich brenne vor Sehnsucht nach dir, und diese Flamme verzehrt mein Herz. – Meine Sinne verwirren sich. Ach möchten wir doch zusammen auf Einem Bette ruhen! Ich sterbe wenn du mir nicht bald zu Hülfe kommst.« – Eine ähnliche Probe teilt Lady Worthley Montague im vierzigsten der oben angezogenen Briefe ihrer Korrespondentin mit. Ihrem Berichte nach ist mit jedem symbolischen Zeichen dieser geheimen Sprache ein gewisser Vers aus einem Dichter kombiniert; und sie sagt, sie glaube, es sei eine Million Verse zu diesem Gebrauch bestimmt; – was, wenn wir auch neun Zehnteile von der Million fahren lassen, diese Sprache zu einer der schwersten in der Welt machen würde.