Zwölfter Gesang 1. Indessen sucht auf Polstern von Damast Almansaris, mit Amors wildstem Feuer In ihrer Brust, umsonst nur eine Stunde Rast. Ist's möglich, oder hat das schnöde Abenteuer Der letzten Nacht ihr nur geträumt? Ein Mann Verachtet dich, Almansaris? Er kann Dich sehen und für eine andre brennen, Kann dich verschmähn, und darf es dir bekennen? 2. Zur Wut treibt der Gedanke sie; Sie schwört sich grenzenlose Rache. Wie häßlich wird er ihr! Ein Ungeheur, ein Drache Ist lieblicher, als ihre Phantasie Den Undankbaren malt – Wie lang? – In zwo Minuten Ist sie des vorigen sich schon nicht mehr bewußt: Bald soll er tropfenweis im Staub vor ihr verbluten, Bald drückt sie ihn entzückt an ihre Brust. 3. Nun steht er wieder da in seiner ganzen Schöne, Der erste aller Erdensöhne, Ein Held, ein Gott! – Unmöglich ist er nur Der Neffe Ibrahims; in seinem ganzen Wesen, In seinem Ton und Anstand ist die Spur Von dem, was er umsonst verbergen will, zu lesen; Wo ist der Stempel der Natur, Der einen König macht, sichtbarer je gewesen? 4. Er, er allein, ist ihrer wert, Ist wert in ihrem Arm sich zu vergöttern. Und, o! ihr fehlt ein Blitz, die Feindin zu zerschmettern Die ihn bezaubert hält und ihr den Sieg erschwert! »Doch, wie, Almansaris? Fühlst du dich selbst nicht besser? Gönn ihm den kleinen Stolz, sich pfauengleich zu blähn In seinem Heldentum! Selbst Dir zu widerstehn! Das alles macht doch nur die Lust des Sieges größer! 5. Bestürm ihn erst, eh du den Mut verlierst, Mit jedem Reiz, auf den sich wahre Schönheit brüstet; Begib, damit du ihn um so viel sichrer rührst, Der fremden Waffen dich, womit die Kunst uns rüstet; Er fühl und seh was Götter selbst gelüstet! Und wenn du dann sein Herz noch nicht verführst, Er dann dich noch verschmäht – dann, Königin, erwache Dein Stolz, und schaffe dir die süße Lust der Rache!« 6. So flüstert ihr aus einer Zofe Mund Der kleine Dämon zu, den ihr, mit vollem Köcher, Gebietrisch sitzen seht auf diesem Erdenrund! Der alle Welt aus seinem Zauberbecher Berauscht, und den, wer ihn nicht besser kennt, Zur Ungebühr den Gott der Liebe nennt! Denn – jeder jungen unerfahrnen Dame Zur Nachricht sei es kund! – Asmodi ist sein Name. 7. Almansaris, in deren warmem Blut Schon ein Verführer schleicht, ist gegen den Betrüger Von außen, weniger als jemals auf der Hut; Sein Anhauch nährt und fächelt ihre Glut, Und kaum daß sie, zur Zier, dergleichen tut Als widerstände sie, so ist Asmodi Sieger. Die Zofe Schmeichlerin, sein würdiges Organ, Legt den Entwurf sogleich mit vieler Klugheit an. 8. O! raubet nun dem Blitz die Feuerschwingen, Ihr Stunden, ihn herbei zu bringen, Den saßen Augenblick! Zu langsam schleichet ihr (Wie schnell ihr eilt!) der lechzenden Begier! Doch – Sie ist's nicht allein, die jetzt Sekunden zählet: Auch Hüon überlebt, von Ungeduld gequälet, Den trägen Gang der drei verhaßten Tage kaum, Und wachend und im Schlaf ist Rezia sein Traum. 9. Der zweite Morgen war dem sehnlichen Verlangen Der Haremskönigin nun endlich aufgegangen; Goldlockig, schön und rosenatmend stieg Er, wie der Herold, auf, der ihr den schönsten Sieg Verkündigte; schon säuselt durch die Myrten, Die, dicht verwebt, der Grotten schönste gürten, Ein leichter Morgenwind, und tausendstimmig schallt Der Vögel frühes Chor im nah gelegnen Wald. 10. Doch um die Grotte her ist unterm Myrtenlaube In ewger Dämmerung das Heiligtum der Ruh. Hier girret nur die sanfte Turteltaube Dem Tauber ihre Sehnsucht zu. In diesen lieblichen Gebüschen, Dem dunkeln Sitz verborgner Einsamkeit, Pflegt öfters sich zur stillen Morgenzeit Almansaris mit Baden zu erfrischen. 11. Der anmutsvolle Morgen rief Den schönen Hassan auf, indes noch alles schlief, Die Blumenkörbe voll zu pflücken, Die er an jedem Tag dem Harem zuzuschicken Verbunden war: als ihm ein Sklav entgegen lief, Und keichend ihm befahl die Grotte aufzuschmücken. Der Neger fügt, zur Eil ihn anzuspornen, bei, Daß eine Dame dort zu baden Willens sei. 12. Verdrossen geht Herr Hüon auszurichten Was ihm befohlen war. Er füllt mit bunten Schichten Von Blumen, Florens ganzem Schatz, Den größten Korb, und eilt zum angewiesnen Platz. Fern ist's von ihm, der Sache mißzutrauen. Allein, beim Eintritt in die Grotte fällt auf ihn Ein dumpfes wunderbares Grauen, Und ein verborgner Arm scheint ihn zurück zu ziehn. 13. Betroffen setzt er seine Blumen nieder; Doch faßt er Augenblicks sich wieder Und lächelt seiner Furcht. Das zweifelhafte Licht, Das unter tausendfachem Flittern In diesem Labyrinth mit sichtbarm Dunkel ficht, Ist ohne Zweifel Schuld an diesem kindschen Zittern, Denkt er, und geht getrost, bei immer hellerm Schein, Mit seinem Blumenkorb ins Innerste hinein. 14. Hier herrscht ein Tag wie zu verstohlnen Freuden Die schlaue Lust ein Zauberlicht sich wählt, Nicht Tag nicht Dämmerung; er schwebte zwischen beiden, Nur lieblicher durch das, was ihm zu beiden fehlt; Er glich dem Mondschein, wenn durch Rosenlauben Sein Silberlicht zerschmilzt in blasses Rot. Der Held, wiewohl ihm hier noch nichts Gefährlichs droht, Erwehrt sich kaum, bezaubert sich zu glauben. 15. Was er am wenigsten sich überreden kann, Ist, daß man hier, wo alles um und an Von Blumen strotzt, noch Blumen nötig hätte. Doch, wie sein Auge nun auf allen Seiten irrt, O wer beschreibt, wie ihm zu Mute wird, Da ihm auf einem Ruhebette Sich eine Nymph aus Mahoms Paradies Im vollen Glanz der reinsten Schönheit wies! 16. In einem Licht, das zauberisch von oben Wie eine Glorie 1 auf sie herunter strömt, Und, durch die Dunkelheit des übrigen erhoben, Mit ihres Busens Schnee die Lilien beschämt; In einer Lage, die ihm Reizungen entfaltet Wie seine Augen nie so schön entschleiert sahn; Mehr wert als alles was zum Farren und zum Schwan Den Jupiter der Griechen umgestaltet. 17. Die Gaze, die nur, wie ein leichter Schatten Auf einem Alabasterbild, Sie hier und da umwallet, nicht verhüllt, Scheint mit der Nacktheit selbst den Reiz der Scham zu gatten. Weg, Feder, wo Apell und Tizian Bestürzt den Pinsel fallen ließen! Der Ritter steht, und bebt, und schaut bezaubert an, Wiewohl ihm besser war die Augen zuzuschließen. 18. In süßem Irrtum steht er da Und glaubt, doch nur zwei Augenblicke, (So schön ist was er sieht) er sehe Rezia. Allein, mit Recht mißtrauisch einem Glücke Das ihm unglaublich däucht, tritt er ihr näher, sieht, Erkennt Almansaris, und wendet sich und flieht; Er flieht, und fühlt im Fliehn von zwei elastisch runden Milchweißen Armen sich gefangen und umwunden. 19. Er kämpft den schwersten Kampf, den je seit Josefs Zeit Ein Mann gekämpft, den edlen Kampf der Tugend Und Liebestreu und feuervollen Jugend Mit Schönheit, Reiz und heißer Üppigkeit. Sein Will ist rein von sträflichem Entzücken; Allein, wie lange wird er ihrem süßen Flehn, Den Küssen voller Glut, dem zärtlich wilden Drücken An ihren Busen, widerstehn? 20. O Oberon, wo ist dein Lilienstengel, Wo ist dein Horn in dieser Fährlichkeit? Er ruft Amanden, Oberon, alle Engel Und Heilige zu Hülf – Und noch zu rechter Zeit Kommt Hülf ihm zu. Denn just, da jede Sehne Ermatten will zu längerm Widerstehn, Und mit wollüstger Wut ihn die erhitzte Schöne Fast überwältigt hat, läßt sich Almansor sehn. 21. Gleich einem angeschoßnen Wild, Und wütend, eine Frau, die ihn verschmäht, zu lieben, Hat er, verfolgt von Zoradinens Bild, Schon eine Stunde sich im Garten umgetrieben: Der Zufall leitet ihn in dieses Myrtenrund; Er glaubt die Stimme von Almansaris zu hören, Und, weil die Grottentür nur angelehnet stund, Geht er hinein, sich näher zu belehren. 22. Der Dämon, der durch seiner Priesterinnen Gefährlichste des Ritters Treu bestritt, Wird schon von fern an seinem Sultansschritt Almansors nahe Ankunft innen. »O Hülfe, Hülfe!« schreit das schnell gewarnte Weib, Und wechselt stracks mit Hüons Ihre Rolle, Stellt sich, als kämpfte sie um ihren eignen Leib Mit einem Wütenden, der sie entehren wolle. 23. Ihr wilder Blick, ihr halb zerrissenes Gewand, Ihr fliegend Haar, des jungen Gärtners Schrecken, Der von der unversehnen kecken Beschuldigung wie blitzgetroffen stand, Der Ort, wo ihn der Sultan fand; Kurz, alles schien in ihm den Frevler zu entdecken. »O! Allah sei gelobt!« rief die Betrügerin, »Daß ich Almansorn selbst die Rettung schuldig bin!« 24. Drauf, als sie schamhaft sich in alle ihre Schleier Gewickelt, lügt sie, mit dem Ton Der Unschuld selbst, ein falsches Abenteuer: Wie dieser schändliche verkappte Christensohn, Da ihr die Lust im Kühlen sich zu waschen Gekommen, sich erfrecht sie hier zu überraschen, Und wie sie mit Gewalt sich seiner kaum erwehrt, Als ihn, zu größtem Glück, der Sultan noch gestört. 25. Um von dem häßlichen Verbrechen, Des er beschuldigt wird, den Ritter los zu sprechen, Bedurft's nur Einen unbefangnen Blick; Doch seinem Richter fehlt auch dieser einzge Blick. Der Held verachtet es, mit einer Frauen Schande Sich selbst vom Tode zu befrein; Er schmiegt den edeln Arm in unverdiente Bande, Und hüllet schweigend sich in sein Bewußtsein ein. 26. Der Sultan, den sein Unmut zum Verdammen Noch rascher macht, bleibt dumpf und ungerührt. »Der Frevler werd in Ketten weggeführt, (Herrscht er den Sklaven zu, die sein Befehl zusammen Gerufen) werfet ihn in eine finstre Gruft; Und morgen früh, so bald vom Turm der Imam ruft, Werd er, im äußern Hof, ein Raub ergrimmter Flammen Und seine Asche streut mit Flüchen in die Luft!« 27. Der Edle hört sein Urteil schweigend, – blitzet Auf das verhaßte Weib noch Einen Blick herab, Und wendet sich, und geht in Fesseln ab, Auf einen Mut, den nur die Unschuld gibt, gestützet. Kein Sonnenblick erfreut das fürchterliche Grab, Worin er nun tief eingekerkert sitzet; Der Nacht des Todes gleicht die Nacht, die auf ihn drückt Und jeden Hoffnungsstrahl in seinem Geist erstickt. 28. Ermüdet von des Schicksals strengen Schlägen, Verdrossen, stets ein Ball des Wechselglücks zu sein, Seufzt er dem Augenblick, der ihn befreit, entgegen. Schreckt ihn das Vorgefühl der scharfen Feuerpein: Die Liebe hilft ihm's übertäuben; Sie stärkt mit Engelskraft die sinkende Natur. »Bis in den Tod (ruft er) getreu zu bleiben, Schwor ich, Amanda, dir, und halte meinen Schwur! 29. O daß, geliebtes Weib, was morgen Begegnen wird, auf ewig dir verborgen, Auf ewig auch, Dir, treuer alter Freund, Verborgen blieb'! – Wie gern erlitt' ich unbeweint Mein traurig Los! Doch, wenn ihr es erfahret, Erfahret wessen ich beschuldigt ward, und mit Dem Schmerz um meinen Tod sich noch die Schande paaret Zu hören, daß ich nur was ich verdiente litt – 30. O Gott! es ist zu viel auch dies noch zu erdulden! Es büße immerhin für meine Sündenschulden Der strengste Tod! Ich klage niemand an! Dies einzge nur, o Oberon, gewähre Dem, den du liebtest, noch: beschütze meine Ehre, Beschütze Rezia! – Du weißt, was ich getan! Sag ihr, daß ich, den heilgen Schwur der Treue Zu halten, den ich schwor, den Feuertod nicht scheue.« 31. So ruft er aus, und, vom Vertraun gestärkt Daß Oberon ihn hört, berührt ihn unvermerkt Der mohnbekränzte Gott des Schlummers Mit seinem Stab, dem Stiller alles Kummers, Und wieget ihn, wiewohl nur harter Stein Sein Küssen ist, in leichte Träume ein. Hat ihm vielleicht, zum Pfand, daß bald sein Leiden endet, Der gute Schutzgeist selbst dies Labsal zugesendet? 32. Noch lag die halbe Welt mit Finsternis bedeckt, Als ihn aus seiner Ruh ein dumpfes Klirren weckt. Ihn däucht er hör im Schloß die schweren Schlüssel drehen; Die Eisentür geht auf, des Kerkers schwarze Wand Erhellt ein blasser Schein, er höret jemand gehen, Und stemmt sich auf und sieht – in schimmerndem Gewand, Die Krone auf dem Haupt, die Lampe in der Hand, Almansaris zu seiner Seite stehen. 33. Sie reicht die Lilienhand ihm, reizvoll lächelnd, dar, Und – »Wirst du«, spricht sie, »mir vergeben, Was nur die Schuld der Not, nicht meines Herzens, war? O du Geliebter, hängt an Deinem schönen Leben Mein eignes nicht? Ich komme, der Gefahr Dich zu entziehn, (trotz deinem Widerstreben!) Vom Holzstoß dich, wozu dich der Barbar Verdammt, auf einen Thron, den du verdienst, zu heben! 34. Die Liebe öffnet dir der Hoheit Sonnenbahn: Auf, mache sie von deinem Ruhm erschallen! Nimm diese Hand, die dir sich schenket, an: In einem Wink soll dein Verfolger fallen, Und all sein Volk, wie Staub, um deine Füße wallen. Im ganzen Harem ist mir alles untertan; Vertraue dich der Liebe sichern Händen, Und, was sie wagte, wird dein eigner Mut vollenden!« 35. »Hör auf, o Königin! Dein Antrag häufet bloß Mein Leiden durch die Qual dir alles abzuschlagen. O! warum zwingst du mich's zu sagen? Ich kaufe mich durch kein Verbrechen los!« »Ist's möglich«, ruft sie, »kann so weit der Unsinn gehen? Unglücklicher, im Angesicht Der Flamme, die bereits aus deinem Holzstoß bricht, Kannst du Almansaris und einen Thron verschmähen?« 36. »Sag mir«, versetzt er, »Königin, Ich könne dir mit meinem Blute nützen, So soll die Lust, womit ich eil es zu verspritzen, Dir zeigen, ob ich unerkenntlich bin! Ich kann, zum Danke, dir mein Herzensblut, mein Leben, Nur meine Ehre nicht, nicht meine Treue geben. Wer Ich bin weißt du nicht, vergiß nicht wer Du bist, Und mute mir nichts zu, was mir unmöglich ist.« 37. Almansaris, aufs Äußerste getrieben Durch seinen Widerstand, sie wendet alles an, Was seine Treu durch alle Stufen üben Und seinen Mut ermüden kann. Sie reizt, sie droht, sie fleht, sie fällt, verloren In Lieb und Schmerz, vor ihm auf ihre Kniee hin: Doch unbeweglich bleibt des Helden fester Sinn, Und rein die Treu, die er Amanden zugeschworen. 38. »So stirb denn, weil du willst!« – ruft sie, des Atems schier Vor Wut beraubt, »ich selbst, ich will an deinem Leiden Mein gierig Aug mit heißer Wollust weiden! Stirb als ein Tor! des Starrsinns Opfertier!« Schreit sie mit funkelndem Aug, und flucht der ersten Stunde Da sie ihn sah, verwünscht mit bebendem Munde Sich selbst, und stürmt hinweg, und hinter ihr Schließt wieder klirrend sich des Kerkers Eisentür. 39. Inzwischen hatte das Gerüchte, Das Unglücksmären gern verbreitet und verziert, Von ihrem Herrn die traurige Geschichte Auch Scherasmin und Fatmen zugeführt. Der schöne Hassan, hieß es, sei im Bade Vom Sultan mit Almansaris allein Gefunden worden, und morgen ohne Gnade Werd er, im großen Hof, ein Raub der Flammen sein. 40. Ob Hüon schuldlos sei, war ihnen keine Frage; Sie kannten ja der Sachen wahre Lage. Doch, hätt er auch gefehlt, so war er mitleidswert. In Fällen dieser Art wird echte Treu bewährt. Anstatt die Zeit mit Jammern zu verderben, Beschlossen sie, das Äußerste für ihn Zu wagen, um ihn noch aus dieser Not zu ziehn, Und, schlüg es fehl, mit ihrem Herrn zu sterben. 41. Kurz eh der Tag begann, gelingt es Fatmens Mut Und Wachsamkeit, die Hüter zu betrügen, Und unerkannt sich bis ins Schlafgemach zu schmiegen, Wo Rezia, von Hüon träumend, ruht. Des unverhofften Wiedersehens Freude Macht einen Augenblick sie sprachlos alle beide. Das erste Wort, das Fatme sprechen kann, Ist Hüon, ist Bericht von dem geliebten Mann. 42. »Was sagst du, goldne Amme?« ruft Amande, Und fällt ihr um den Hals – »Mein Hüon, mir so nah? Wo ist er?« – »Ach! Prinzessin, was geschah! (Schluchzt jene weinend) Hilf! zerreiße seine Bande! Spreng seinen Kerker auf! Dem Unglückselgen droht, Aus Liebe bloß zu dir, ein jämmerlicher Tod.« Und drauf erzählt sie ihr genau die ganze Sache, Und ihres Ritters Treu und der Sultanin Rache. 43. »Schon«, ruft sie, »steht der Holzstoß aufgetürmt, Nichts rettet ihn, wenn ihn nicht Zoradine schirmt!« Mit einem Schrei der Angst, halb sinnlos, fährt Amande In wilder Hast von ihrem Lager auf, Wirft, wie sie steht, im leichten Nachtgewande, Den Kurdé 2 um, und eilt in vollem Lauf Des Sultans Zimmer zu, durch alle Sklavenwachen, Die sie mit Wunder sehn, und schweigend Platz ihr machen. 44. Sie dringt hinein, nichts achtend daß es früh Am Tage war, und wirft mit lilienblassen Wangen, Und Haaren, die zerstreut um ihre Schultern hangen, Sich vor dem Sultan auf die Knie: »Almansor, laß mich nicht vergebens Dir knieen! Schwöre, wenn mein Leben dir Erhaltenswürdig scheint, daß du die Bitte mir Gewähren willst! Es gilt die Ruhe meines Lebens!« 45. »Begehr, o Schönste«, spricht erstaunt und froh zugleich Der Sultan, »laß mich nicht in Ungewißheit schweben! Dir zu gefallen ist mein feurigstes Bestreben; Begehre frei! Mein Schatz, mein Thron, mein Reich, Nichts ist zuviel, was ich zu geben Vermag. Ein einzigs nur behält sich Mansor vor, Dich selbst!« – »Du schwörst es mir?« – Der liebestrunkne Mohr Beschwört's. – »So schenke mir des Gärtners Hassan Leben!« 46. »Wie?« ruft er mit bestürzter Miene, »Welch eine Bitte, Zoradine? Was geht das Leben dich von diesem Sklaven an?« »O, viel, Almansor, viel! Mein eignes hängt daran!« »Sprichst du im Fieber? Schwärmest du? Verzeihe, Doch, du mißbrauchst des unbegrenzten Rechts Das dir die Schönheit gibt. – Am Leben eines Knechts Der sein Verbrechen büßt?« – »Er büßt für seine Treue! 47. Mir ist sein Herz bekannt, er hält an seiner Pflicht, Ist schuldlos, ist ein Mann von unverletzter Ehre; Und doch – o Mansor! – wenn er schuldig wäre, So räche sein Vergehn an Zoradinen nicht!« Mit Augen die von kaum verhaltnem Grimme funkeln Ruft Mansor: »Grausame, was quält dein Zögern mich! Welch ein Geheimnis dämmert aus dem dunkeln Verhaßten Rätsel auf! Was ist dir Hassan? Sprich!« 48. »So wiß es denn, weil mich die Not zum Reden zwinget, Ich bin sein Weib! Ein Band, das nichts zerreißen kann, Ein Band, gewebt im Himmel selber, schlinget Mein Glück, mein Alles fest an den geliebten Mann. Uns drückt mit seiner ganzen furchtbarn Schwere Des Schicksals Arm – Wer weiß, wie bald an dich Die Reihe kommt! – Du siehst mich elend – Ehre Mein Leiden, Glücklicher! – Du kannst es, rette mich!« 49. »Wie? du bist Hassans Weib, und liebst ihn?« – »Über alles!« »Unglückliche, er ist dir ungetreu!« »Er ungetreu? Die Ursach seines Falles, Ich bin's gewiß, ist einzig seine Treu.« »Ich glaube was ich sah!« – »So ward er erst betrogen, Und du mit ihm!« – Mit zürnendem Gesicht Spricht Mansor: »Spanne nicht den Bogen, Zu stolz auf deinen Reiz, so lange bis er bricht! 50. Dein Hassan stirbt – und ich kann nichts, als dich beklagen.« »Er stirbt?« schreit Rezia – »Tyrann, Er, dem ein Wort von dir das Leben schenken kann, Er stirbt? Du hast ein Herz mir das zu sagen?« »Er hat des Harems Zucht verletzt«, Erwidert Mansor kalt; »ihm ist der Tod gesetzt! Doch, weil du willst, so sei des Sklaven Leben, Sein Leben oder Tod, in deine Hand gegeben! 51. Gib, Schönste, mir ein Beispiel edler Huld Gib mir die Ruh, die du mir raubtest, wieder Ich lege Kron und Reich zu deinen Füßen nieder Ergib dich mir, so sei dem Frevler seine Schuld Geschenkt! Er zieh, mit königlichen Gaben Noch überhäuft, zu seinem Volk zurück! O zögre nicht, die Güte selbst zu haben Die du begehrst! – Ein Wort macht mein und sein Geschick.« 52. »Unedler!« ruft mit eines Engels Zürnen Das schöne Weib, »so teuer kauft der Mann, Den Zoradine liebt, sein Leben nicht! – Tyrann, Kennst du mich so? – Die schlechteste der Dirnen, Die mich bedienten einst, verschmähte deinen Thron Und dich um solchen Preis! Zwar steht, uns zu verderben, In deiner Macht: doch, hoffe nicht davon Gewinn zu ziehn – Barbar, auch Ich kann sterben.« 53. Der Sultan stutzt. Ihn schreckt des edeln Weibes Mut. Sein feiges Herz wird mehr von ihrem Dräun gerühret Als da sie bat; doch, ihre Schönheit schüret Das Feuer der Begier zugleich in seinem Blut. Was sagt' er nicht ihr Herz mit Liebe zu bestechen! Wie bat er sie! wie schlangenartig wand Er sich um ihren Fuß! – Umsonst! Ihr Widerstand War nicht durch Drohungen, war nicht durch Flehn zu brechen. 54. Sie blieb darauf, ihr soll der Tod willkommner sein. Der Sultan schwört mit fürchterlicher Stimme Bei Mahoms Grab, nichts soll vor seinem Grimme Sie retten, geht sie nicht sogleich den Antrag ein. »Ist's nicht mein letztes Wort, soll Allah mich verdammen!« Hört man den Wütenden bis in den Vorsaal schrein: »Entschließe dich, sei auf der Stelle mein, Wo nicht, so stirb mit dem Verworfnen in den Flammen!« 55. Sie sieht ihn zürnend an, und schweigt. – »Entschließe dich!« Ruft er zum zweiten Mal. – »O so befreie mich Von deinem Anblick«, spricht die Königin der Frauen; »Des Todes Grinsen selbst erweckt mir minder Grauen.« Almansor ruft, und gibt, von Wut erstickt, Den grausamen Befehl, und Höllenfunken sprühen Aus seinem Aug. Der Schwarzen Erster bückt Sich bis zur Erde hin, und schwört, ihn zu vollziehen. 56. Schon steht der gräßliche Altar Zum Opfer aufgetürmt; schon drängt sich, Schar an Schar, Das Volk herzu, das, gern in Angst gesetzet, An Trauerspielen dieser Art Die Augen weinend labt, und schaudernd sich ergetzet. Schon stehn, zum Leiden und zum Tode noch gepaart, An einen Marterpfahl gebunden, Die einzgen Liebenden, die Oberon rein erfunden. 57. Ein edles Paar in Eins verschmolzner Seelen, Das treu der ersten Liebe blieb, Entschlossen, eh den Tod in Flammen zu erwählen, Als ungetreu zu sein selbst einem Thron zu Lieb! Mit nassem Blick, die Herzen in der Klemme, Schaut alles Volk gerührt zu ihnen auf, Und doch besorgt, daß nicht den freien Lauf Des Trauerspiels vielleicht ein Zufall hemme. 58. Den Liebenden, wie sie gebunden stehn, Ist zwar der Trost versagt einander anzusehn; Doch, über alles, was sie leiden Und noch erwarten, triumphiert Die reinste, seligste der Freuden, Daß ihre Lieb es ist, was sie hierher geführt. Der Tod, der ihre Treu mit ewgem Lorbeer ziert, Ist ihres Herzens Wahl; sie konnten ihn vermeiden. 59. Inzwischen siehet man mit Fackeln in den Händen Zwölf Schwarze sich dem Opfer paarweis nahn. Sie stellen sich herum, bereit es zu vollenden, So bald der Aga winkt. Er winkt. Sie zünden an. Und stracks erdonnert's laut, die Erde scheint zu beben, Die Flamm erlischt, der Strick, womit das treue Paar Gebunden stand, fällt wie versengtes Haar, Und Hüon sieht das Horn an seinem Halse schweben. 60. Im gleichen Augenblick, da dies Geschah, zeigt sich von fern in zwei verschiednen Reihen, Von ängstlicher Bekümmernis Gespornt, Almansor hier, und dort Almansaris, Er Zoradinen, Sie den Hassan zu befreien. »Halt!« hört man sie aus allen Kräften schreien. Auch stürzt mit blitzendem Schwert durch die erschrockne Menge Ein schwarzer Rittersmann sich mitten ins Gedränge. 61. Doch Hüon hat das Pfand, daß nun sein Oberon Versöhnt ist, kaum mit wonnevollem Schaudern An seinem Hals erblickt, so setzt er ohne Zaudern Es an den Mund, und lockt den schönsten Ton Daraus hervor, der je geblasen worden. Sein edles Herz verschmäht ein feiges Volk zu morden: »Tanzt«, ruft er, »tanzt, bis euch's den Atem raubt; Dies sei die einzige Rache, die Hüon sich erlaubt.« 62. Und wie das Horn ertönt, ergreift der Zauberschwindel Zuerst das Volk, das um den Holzstoß steht, Schwarzgelbes, lumpiges, halb nackendes Gesindel, Das plötzlich sich, wie toll, im schnellsten Wirbel dreht; Bald mischet sich mit allen seinen Negern Der Aga drein; ihm folgt – was Füße hat Bei Hof, im Harem, in der Stadt, Vom Sultan an bis zu den Wasserträgern. 63. Unlustig faßt der Schach – Almansaris beim Arm; Sie sträubt sich; doch was hilft sein Unmut und ihr Sträuben, Der Taumel reißt sie fort, sich mitten in den Schwarm Der Walzenden mit ihm hinein zu treiben. In kurzem ist ganz Tunis in Alarm, Und niemand kann auf seiner Stelle bleiben: Selbst Podagra, und Zipperlein und Gicht Und Todeskampf befreit von dieser Tanzwut nicht. 64. Indessen, ohne auf das Possenspiel zu blicken, Hält das getreue Paar, in seligem Entzücken, Sich sprachlos lang umarmt. Kaum hat ihr Busen Raum Für diesen Überschwang von Freuden. Er ist nun ausgeträumt der Prüfung schwerer Traum! Nichts bleibt davon als was ihr Glück verschönt: Gebüßt ist ihre Schuld, das Schicksal ausgesöhnt, Aufs neu von ihm vereint, kann nun sie nichts mehr scheiden! 65. Teilnehmend inniglich, sieht, noch auf seinem Roß, Der biedre Scherasmin (Er war der schwarze Ritter) Der Wonne zu, worin ihr Herz zerfloß. Er ist's, der wie ein Ungewitter Vorhin daher gestürmt, um das geliebte Paar Zu retten aus der feigen Mohren Händen, Und, schlüg's ihm fehl, ein Leben hier zu enden, Das, ohne sie, ihm unerträglich war. 66. Er springt herab, drängt durch den tollen Reigen Mit Fatme, die ihm folgte, sich hinan, Den Liebenden von ihrem Throne steigen Zu helfen, und sie im Triumphe zu empfahn. Groß war die Freude, doch sie schwoll noch höher an, Da sie den wohl bekannten Wagen, Von Schwanen durch die Luft, stets niedriger, getragen, Zu ihren Füßen nun auf einmal halten sahn. 67. Sie stiegen eilends ein – Die Mohren mögen tanzen So lang es Oberon gefällt! (Wiewohl der Alte raspeln oder schanzen Für eine beßre Kurzweil hält.) Der lüftge Phaethon, fliegt leicht und ohne Schwanken, Sanft wie der Schlaf, behender als Gedanken, Mit ihnen über Land und Meer, Und Silberwölkchen wehn, wie Fächer, um sie her. 68. Schon tauchte sich auf Bergen und auf Hügeln Die Dämmerung in ungewissen Duft; Schon sahen sie den Mond in manchem See sich spiegeln, Und immer stiller ward's im weiten Reich der Luft; Die Schwanen ließen itzt mit sinkendem Gefieder Allmählich sich bis auf die Erde nieder: Als plötzlich, wie aus Abendrot gewebt, Ein schimmernder Palast vor ihren Augen schwebt. 69. In einem Lustwald, mitten zwischen Hoch aufgeschoßnen vollen Rosenbüschen, Stand der Palast, von dessen Wunderglanz Der stille Hain und das Gebüsche ganz Durchschimmert schien – »War's nicht an diesem Orte«, Spricht Hüon leis und schaudernd – Doch, bevor Er's ausspricht, öffnet schnell sich eine goldne Pforte, Und zwanzig Jungfraun gehn aus dem Palast hervor. 70. Sie kamen, schön wie der Mai, mit ewig blühenden Wangen. Gekleidet in glänzendes Lilienweiß, Die Erdenkinder zu empfangen Die Oberon liebt. Sie kamen tanzend, und sangen Der reinen Treue unsterblichen Preis. »Komm«, sangen sie (und goldne Zimbeln klangen In ihren süßen Gesang, zu ihrem lieblichen Tanz) »Komm, trautes Paar, empfang den schönen Siegeskranz!« 71. Die Liebenden – sich kaum besinnend – in die Wonne Der andern Welt verzückt – sie wallen, Hand in Hand, Den Doppelreihen durch: als, gleich der Morgensonne In ihrem Bräutgamsschmuck, der Geist vor ihnen stand. Nicht mehr ein Knabe, wie er ihnen In lieblicher Verkleidung sonst erschienen – Ein Jüngling, ewig schön und ewig blühend, stand Der Elfenkönig da, den Ring an seiner Hand. 72. Und ihm zur Seite glänzt, mit ihrer Rosenkrone Geschmückt, Titania, in milderm Mondesglanz. In beider Rechten schwebt ein schöner Myrtenkranz. »Empfange«, sprechen sie mit liebevollem Tone, »Du treues Paar, zum edlen Siegeslohne, Aus deiner Freunde Hand den wohl verdienten Kranz! Nie wird von euch, so lang ihr dieses Zeichen Von unsrer Huld bewahrt, das Glück des Herzens weichen.« 73. Kaum daß das letzte Wort von Oberons Lippen fiel, So sah man aus der Luft sich eine Wolke neigen, Und aus der Wolke Schoß, bei goldner Harfen Spiel, Mit Lilien vor der Brust drei Elfentöchter steigen. Im Arm der dritten lag ein wunderschöner Knab, Den sie, auf ihren Knien, Titanien übergab. Süß lächelnd bückt zu ihm die Königin sich nieder, Und gibt, mit einem Kuß, ihn seiner Mutter wieder. 74. Und, unterm Jubelgesang der Jungfraun, die in Reihn Vor ihnen her den Weg mit Rosen überstreun, Ziehn durch die weite goldne Pforte Die Glücklichen hinein in Oberons Freudenhaus. Was sie gesehn, gehört, an diesem schönen Orte, Sprach ihre Zunge nie beim Rückerinnern aus. Sie sahn nur himmelwärts, und eine Wonneträne Im glänzenden Auge verriet wohin ihr Herz sich sehne. 75. In einen sanften Schlaf verlor sich wonniglich Der selge Traum. Und mit dem Tage fanden Sie beide, Arm in Arm, wie neu geboren, sich Auf einer Bank von Moos. Zu ihrer Seite standen Im leicht umschattenden Gebüsch, Reich aufgeschmückt, vier wunderschöne Pferde, Und ringsum lag ein schimmerndes Gemisch Von Waffen, Schmuck und Kleidern auf der Erde. 76. Herr Hüon, dem das Herz von Freude überfloß, Weckt seinen Alten auf; Amande Sucht ihren Sohn, der noch auf Fatmens Schoß Sanft schlummernd lag. Sie sehn sich um. Wie groß Ist ihr Erstaunen! – »Herr, in welchem Lande Glaubt ihr zu sein?« ruft Scherasmin entzückt Dem Ritter zu – »Kommt, seht von diesem Stande Nach Westen hin, und sagt, was ihr erblickt!« 77. Der Ritter schaut hinaus, und traut Dem Anblick kaum. – Er, der so viel erfahren, Und dessen Augen so gewöhnt an Wunder waren, Glaubt kaum was er mit offnen Augen schaut. Es ist die Sein', an deren Bord sie stehen! Es ist Paris, was sie verbreitet vor sich sehen! Er reibt sich Aug und Stirn, schaut immer wieder hin, Und ruft: »Ist's möglich, daß ich schon am Ziele bin?« 78. Nicht lange schaut er hin, vor Freude ganz betroffen, So stellt sich ihm ein neues Schauspiel dar. Ihm däucht, daß alles um die Burg in Aufruhr war. Man hört Trommetenschall, und eine Ritterschar Trabt dem Turnierplatz zu, die Schranken stehen offen. »Mein Glück«, ruft Hüon, »läßt mein Hoffen Stets hinter sich. Geh, Freund! wofern nicht alles mich Betrügt, gibt's ein Turnier; geh, und erkundge dich.« 79. Der Alte geht. Inzwischen wird Amande Von Fatmen angekleidt. Denn, was sie haben muß, Sich, mit dem Glanz, der ihrem hohen Stande Und ihrer Schönheit ziemt, in diesem fremden Lande Zu zeigen, fanden sie im reichsten Überfluß Gehäuft zu ihren Füßen liegen. Herr Hüon läßt indes, mit manchem Vaterkuß, Den kleinen Hüonnet auf seinem Knie sich wiegen, 80. Und sieht, mit inniglicher Lust, Das schöne Weib, durch alles fremde Zieren Und Schimmern nichts gewinnen noch verlieren. Ob eine Rose ihre Brust Umschattet, ob ein Strauß von blitzenden Juwelen In Glanz sie hüllt – stets durch sich selber schön Und liebeatmend, scheint durch Den Ihr nichts geliehn, bei Jener nichts zu fehlen. 81. Der Alte kommt itzt mit der Nachricht an, Drei Tage sei bereits der Schranken aufgetan. »Karl, (spricht er) immer noch durch seinen Groll getrieben, Hat ein Turnier im Reiche ausgeschrieben: Und ratet, welchen Dank der Sieger heut erhält! Nichts Kleiners, Herr, als – Hüons Land und Lehen! Denn, euch aus Babylon mit Ruhm gekrönt zu sehen, Ist was dem Kaiser nicht im Schlaf zu Sinne fällt.« 82. »Auf, waffne mich«, ruft Hüon voller Freuden; »Willkommner konnte mir kein andre Botschaft sein. Was die Geburt mir gab, sei nun durch Tugend mein! Verdien ich's nicht, so mag's der Kaiser dem bescheiden Der's würdig ist!« – Er sagt's, und siehet Rezia Ihm lächelnd stillen Beifall nicken. Ihr Busen klopft ihm Sieg! – In wenig Augenblicken Steht glänzend schon ihr Held in voller Rüstung da. 83. Sie schwingen sich zu Pferd, die Ritter und die Frauen, Und ziehen nach der Stadt! und allenthalben schauen, Von ihrer Pracht entzückt, die Leute nach, und wer Die Gassen müßig tritt, läuft hinter ihnen her. Bald langt mit Rezia Herr Hüon vor den Planken Der Stechbahn an. Er läßt, nachdem er sich bei ihr Beurlaubt, Scherasmin zu ihrem Schützer hier, Zieht sein Visier herab, und reitet in die Schranken. 84. Ein lautes Lob verfolgt von beiden Seiten ihn, Ihn, der an Anstand und an Stärke Den besten, die der ritterlichen Werke Bisher gepflegt, weit überlegen schien. Scheel sehend stand am Ziel, auf seinem stolzen Roß, Der Ritter, der in diesen dreien Tagen Des Rennens Preis davon getragen, Und mit den Fürsten sah der Kaiser aus dem Schloß. 85. Herr Hüon neigt, nach ritterlicher Weise, Sich vor dem Kaiser tief, dann vor den Damen und Den Richtern – tummelt drauf im Kreise Den mutgen Hengst herum, und macht dem Sieger kund, Daß er gekommen sei, den Dank ihm abzujagen. Er sollte zwar erst Stand und Namen sagen; Allein sein Schwur, daß er ein Franke sei, Und seines Aufzugs Pracht, macht vom Gesetz ihn frei. 86. Er wiegt und wählt aus einem Haufen Speere Sich den, der ihm die meiste Schwere Zu haben scheint, schwingt ihn mit leichter Hand, Und stellt, voll Zuversicht, sich nun an seinen Stand. Wie klopft Amandens Herz! wie feurige Gebete Schickt sie zu Oberon und allen Engeln ab, Als itzt die schmetternde Trompete Den Ungeduldigen zum Rennen Urlaub gab! 87. Dem Ritter, der bisher die Nebenbuhler alle Die Erde küssen hieß, schwillt mächtiglich die Galle, Daß er gezwungen wird, auf diese neue Schanz Sein Glück und seinen Ruhm zu setzen. Er war ein Sohn des Doolin von Maganz, Und ihm war Lanzenspiel kaum mehr wie Hasenhetzen. Er stürmet, wie ein Strahl aus schwarzer Wolken Schoß, In voller Wut auf seinen Gegner los. 88. Doch, ohne nur in seinem Sitz zu schwanken, Trifft Hüon ihn so kräftig vor die Brust, Und wirft mit solcher Macht ihn seitwärts an die Planken Daß alle Rippen ihm von seinem Fall erkranken. Zum Kampf vergeht ihm alle weitre Lust; Vier Knappen tragen ihn ohnmächtig aus den Schranken. Ein jubelnd Siegsgeschrei prallt an die Wolken an, Und Hüon steht allein als Sieger auf dem Plan. 89. Er bleibt am Ziel noch eine Weile stehen, Ob jemand um den Dank noch kämpfen will, zu sehen; Und da sich niemand zeigt, eilt er mit schnellem Trab Amanden zu, die, hoch auf ihrem schönen Rosse, Wie eine Göttin glänzt, und führt sie nach dem Schlosse. Sie langen an. Er hebt gar höflich sie herab, Und führt sie, unterm Vivatrufen Des Volks, hinauf die hohen Marmorstufen. 90. Wie eine Silberwolk umwebt Amandens Angesicht ein undurchsichtger Schleier, Durch den sich jedes Aug umsonst zu bohren strebt. Voll Ungeduld, wie sich dies Abenteuer Entwickeln werde, strömt die Menge ohne Zahl Dem edeln Paare nach. Itzt öffnet sich ein Saal; Hoch sitzt auf seinem Thron, von seinem Fürstenrate Umringt, der alte Karl in kaiserlichem Staate. 91. Herr Hüon nimmt den Helm von seinem Haupt, Und tritt hinein, in seinen schönen Locken Dem Gott des Tages gleich. Und alle sehn erschrocken Den Schnell-erkannten an. Der alte Kaiser glaubt Des Ritters Geist zu sehn. Und Hüon, mit Amanden An seiner Hand, naht ehrerbietig sich Dem Thron, und spricht: »Mein Lehnsherr! siehe mich, Gehorsam meiner Pflicht, zurück in deinen Landen! 92. Denn, was du zum Beding gemacht Von meiner Wiederkehr, mit Gott hab ich's vollbracht! In diesem Kästchen sieh des Sultans Bart und Zähne, An die, o Herr, nach deinem Wort, ich Leib Und Leben aufgesetzt – und sieh in dieser Schöne Die Erbin seines Throns, und mein geliebtes Weib!« Mit diesem Worte fällt von Reziens Angesichte Der Schleier ab, und füllt den Saal mit neuem Lichte. 93. Ein Engel scheint, in seinem Himmelsglanz, (Gemildert nur, damit sie nicht vergehen) Vor den Erstaunten da zu stehen: So groß, und doch zugleich so lieblich anzusehen, Glänzt Rezia in ihrem Myrtenkranz Und silbernen Gewand. Die Königin der Feen Schmiegt, ungesehen, sich an ihre Freundin an, Und alle Herzen sind ihr plötzlich untertan. 94. Der Kaiser steigt vom Thron, heißt freundlich sie willkommen An seinem Hof. Die Fürsten drängen sich Um Hüon her, umarmen brüderlich Den edeln jungen Mann, der glorreich heim gekommen Von einem solchen Zug. Es stirbt der alte Groll In Karls des Großen Brust. Er schüttelt liebevoll Des Helden Hand, und spricht: » Nie fehl es unsern Reiche An einem Fürstensohn, der Dir an Tugend gleiche! « Fußnoten 1 Glorie, XII. 16. »Wie eine Glorie.« – Wenigstens in dieser zu unsrer Malerkunstsprache gehörigen Bedeutung, in welcher es das Bild des sich öffnenden Empyreums und der Erscheinung himmlischer Wesen, Engel, und Heiligen, in der Phantasie erregt, sollte, dünkt uns, dieses zwar fremde, aber schon in Kaisersbergers Postille und einigen unsrer ältesten Kirchenlieder vorkommende, und also längst verbürgerte Wort beibehalten werden. Aber auch bloß als poetische Farbe ist es der Dichtersprache, um den höchsten Grad von Ruhm, Herrlichkeit und Majestät auszudrücken, (wie so manche andre Wörter, deren man uns ohne Not oder Nutzen berauben will) unentbehrlich. 2 Kurdé, XII. 43. Ein weites Oberkleid der Türkischen Damen. S. Letters of Lady M. Worthley Montague, L. XXIX.