Ernst von Wildenbruch Die Karolinger Trauerspiel in vier Akten [Motto] Motto: Der Historiker liest im Buch der Geschichte die Zeilen, Zwischen den Zeilen den Sinn liest und erklärt der Poet. Vorwort zur zweiten Auflage Vorwort zur zweiten Auflage In die erfreuliche Notwendigkeit versetzt, der ersten Ausgabe meiner »Karolinger« jetzt schon eine zweite Auflage folgen zu lassen, fühle ich mich im Hinblick darauf, daß diese neue Auflage gleichzeitig als eine teilweise neue Bearbeitung des Stückes erscheint und einen von der früheren Fassung abweichenden, nicht unerheblich veränderten Schluß aufweist, denjenigen gegenüber, welche das vorliegende Drama in seiner ersten Gestalt kennen gelernt und für dasselbe Interesse gewonnen haben, zu einigen Worten der Erklärung veranlaßt. Die Eigenartigkeit der dramatischen Dichtungsweise bringt es mit sich, daß das Werk mit seiner Entstehung auf dem Papiere noch nicht vollendet und abgeschlossen ist, sondern erst in der Berührung mit der Bühne, unter der lebendigen Mitwirkung der Zuhörerschaft zu voller Körperlichkeit sich entwickelt. Erst wenn er als Zuschauer unter Zuschauern die eigenen Gestalten an sich vorüberwandeln sieht, ist der dramatische Dichter in die perspektivisch richtige Entfernung von seinem Werke geruckt, um prüfen zu können, ob sein dramatischer Gedanke imstande gewesen ist, sich einen dramatischen Leib zu schaffen; das eigene Werk löst sich von ihm los und tritt ihm wie ein fremdes gegenüber, und je mächtiger der in ihm treibende dramatische Instinkt ist, um so energischer wird diese Loslösung sich vollziehen. Mit der Stunde der Aufführung, mit welcher das Publikum das Werk des Dramatikers für beendet hält, beginnt daher für letzteren, vorausgesetzt, daß er sich nicht am eigenen Werke berauscht, und daß er ein nicht nur für kurze Augenblicke blendendes, sondern auf fernere Zeiten hinaus wirkendes Gebilde zu schaffen sich bestrebt, die eigentliche Tätigkeit, denn mit dem Bewußtsein von den Unzulänglichkeiten seiner Schöpfung wird ihm gleichzeitig das unabweisliche Bedürfnis geboren werden, nachbessernd in das eigene Werk zu greifen, um alles, was an dramatischer Wirkungsfähigkeit in seiner Erfindung schlummert, zu nachdrücklichstem Leben hervorzurufen. Dieses Bedürfnis erscheint mir als ein so entscheidendes Merkmal wahrhaft dramatischer Begabung, daß ich nicht anstehe, zu behaupten, daß aus dem Maße der Schonungslosigkeit, mit welcher der Dichter sein eigenes Gebilde wieder und immer wieder in die umgestaltenden Hände nimmt, ein unmittelbarer Rückschluß auf das Maß seiner dramatischen Fähigkeit überhaupt gezogen werden kann. Nicht Willkür, sondern innerste drängende Notwendigkeit ist es daher gewesen, welche mich trieb, den Karolingern denjenigen Schluß zu verleihen, mit dem sie jetzt vor das Auge des Lesers treten. Durch das Gesagte aber hoffe ich den Einwendungen derer begegnet zu sein, die geneigt sein möchten, dem Dichter dieses unaufhörliche Ringen mit seinem Stoffe als Schwäche auszulegen. Diejenigen, welche so urteilen, befinden sich im Irrtum; es ist nicht Schwäche, denn nur derjenige, der das Feuer des Prometheus in seiner Hand empfindet, darf es wagen, die eigenen Gestalten zu vernichten, um neue, bessere an ihre Stelle zu setzen. Berlin , am 31. Dezember. 1881. Ernst von Wildenbruch Personen Personen. Ludwig (genannt der Fromme), Kaiser der Franken. Judith (Tochter Welfs), seine Gemahlin zweiter Ehe (etwa vierunddreißig Jahre alt). Lothar, König von Italien, Ludwig (der Deutsche), König von Bayern, seine Söhne aus erster Ehe mit Irmengard, im besten Mannesalter. Karl, Ludwigs und Judiths Sohn (etwa sechzehn Jahre alt). Ebo, Bischof von Rheims. Agobard, Bischof von Lyon. Wala, Abt von Corvey. Elisachar, Kanzler des Kaisers. Matfried, Herzog von Orleans. Hugo, Graf von Tours. Bernhard, Graf von Barcelona. Rudthardt, Ottgar, Humfried, deutsche Große. Hamatelliwa, eine Maurin. Abdallah, ein alter Maure in Bernhards Diensten. Satilatlas, Temin, edle Mauren. Frechulf, Hausmeister des kaiserlichen Palastes. Diener und Ritter. Drei Herolde. 1. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Hamatelliwa. Abdallah. sitzt an eine der Säulen der Hinterwand zurückgelehnt. Ihre Augen sind geschlossen, sie bietet das Bild äußerster Erschöpfung. steht hinter ihr, düster auf sie niederblickend. ohne die Augen zu öffnen. Abdallah – Was begehrt Hamatelliwa? ebenso. Sieh mich nicht an mit deinen düstern Augen, Sie scheuchen von den Wimpern mir die Ruh'. Dein Auge ist geschlossen, und du siehst? ebenso. Durch die geschlossnen Augenlider fühl' ich Wie kummervoll du blickst. So geh' ich! Nein! Sie öffnet die Augen und ergreift seine Hand. Wer bleibt der Tochter El Moheiras noch Wenn auch Abdallah geht? Dann bleibt ihr niemand – Die weite Reise, die von Barcelona Nach Worms uns führte, raubte deine Kraft – Worms nanntest du die Stadt? Das ist ihr Name. Hier ist der Hof des Christenkaisers Ludwig. Wie weit von hier mag unsre Heimat sein? Wohl hundert Meilen sind's von Saragossa. Wie dieser holde grüne Garten mich An meines Vaters Haus erinnert. Vater, Den ich verließ, um diesem Mann zu folgen – O Bernhard, der du wie ein Meteor Am Himmel meines jungen Lebens aufgingst, Warst du ein Stern des Unheils? Beim Allmächtigen – Nein. – du Prophet des Zorns. – Du sahest ihn, Als er am Tage nach der Maurenschlacht, Verfolgt von meines Vaters grimmen Schwertern Verzweifelnd kam ins Schloß, darin ich wohnte – Daß ihm zehntausend Damaszenerklingen Den Weg versperrten in das stille Tal, In dem die Tochter El Moheiras wohnte! Blutdürstend griff nach ihm der Tod – Abdallah – Du sahst ihn, wie er mir zu Füßen sank, Mein zitternd Knie anpressend an sein Herz – Und seine Augen – weh' mir, diese Augen – Wie sie sich rollend, eine Welt voll Leid, Flehend zu mir erhoben! Schuld und Sünde, Daß ich ihn rettete vor meinem Vater! Zwiefache Schuld – Abdallah, könnt' es sein, Daß er vergäße was ich tat für ihn? Solang wir reisten mied er deine Augen – Seit wir in Worms sind kennt er dich nicht mehr. Du Echo meiner stummen Sorgen, nein! Hamatelliwa, Tochter meines Herrn, Mit der ich floh aus unsrem Vaterlande, Weißt du, warum ich solche schwere Schuld Aufs graue Haupt mir lud? Weil ich dich liebe, Wie man sein Kind liebt; nahe dir zu sein, Wenn niemand nahe sein wird der Verlornen, Wenn dich der Christenhund verlassen wird. Dann wär' das Blut in seinen Adern Gift! Es kann nicht sein! Es kann's, doch darf es nicht. Hüte dich, Bernhard, Graf von Barcelona, Die Rose, die du brachst in Spaniens Flur, Hat einen Dorn nur, doch er heißt Abdallah. O still – In sein Vertrauen bohrt' ich mich, An jedem Tag ein hundertfacher Heuchler Versteckt' ich unter Demut meinen Haß, Und er, der keinem seines Volkes traut, Er traut auf mich. Er weiß, daß ich sie kenne Die Pflanzen, deren Saft den Tod gebiert, Er traut mir, wie der Schlangenbändiger Der Klapperschlange, die er sich gezähmt. Hüte dich, Christ – Still, grausenvoller Mann! Nach Liebe dürst' ich, und du gibst mir Rache? 2. Auftritt Zweiter Auftritt Bernhard kommt von rechts und bleibt in einiger Entfernung von den vorigen stehen. Abdallah! Horch die Stimme! leise. Es ist er. Abdallah tritt mit tiefer Verbeugung auf Bernhard zu. Was forderst du, Gebieter? leise auf Hamatelliwa deutend. Führ' sie fort Zu den Gemächern, die ich Euch gewiesen. leise zu Abdallah. Was sagt er dir? ebenso zu ihr. Ich soll hinweg dich führen Zu deinen Zimmern. zu Bernhard. Währt der Augenblick Da ich dich sehen darf nach langen Tagen Dir schon zu lang? Wir sind am Hof des Kaisers. Doch du – bist du nicht Bernhard mehr? Ich bin's, Allein der Kaiser naht – es ist nicht Zeit Zu Liebeständeleien Barcelonas. Was sagst du, Bernhard? Liebeständelei? War es ein Spiel, was mich von meinem Vater – Nein, es ist Ernst, was dich und mich verband. Meinst du, daß ich vergaß was du getan? O sprich noch einmal das geliebte Wort. Nein – du vergaßest nicht? Heißblütig Kind, Ein jeder Pulsschlag, der mir sagt, ich lebe, Mahnt mich an dich. O, Himmel Spaniens, Tiefblauer, heißer, wahre mir sein Herz, Daß es der fahle Himmel nicht erkalte Der hier herabsieht. O, geliebter Christ, Nun geh' ich ruhig – Geh, Hamatelliwa. Wie hold und süß von diesen fränk'schen Lippen Mein Name tönt. – Abdallah laß uns gehn. Hamatelliwa, Abdallah nach rechts ab. allein. O Liebe, du Betrügerin der Frauen. – Gutherzig Kind, du rettetest mein Leben, Doch nicht in Barcelonas sonn'ger Flur Gedenk' ich's dir am Herzen zu vertändeln. Mein Leben ist mein Gut; ich will es mir Zu einem Bau von Macht und Ehre türmen. Dein Werk ist abgetan; du warst die Schwelle, Hier sei die Werkstatt, hier am Hof zu Worms; Dies Haupt der Meister, Werkzeug dieser Arm; Maurin fahr' wohl – mir winken andre Sterne. 3. Auftritt Dritter Auftritt König Lothar. König Ludwig. Hugo von Tours. Matfried von Orleans und andere Großen treten aus dem Garten in den Saal ein. Bernhard mischt sich unbemerkt unter das Gefolge. 'nen Preis für den, der etwas ausersinnt, Das diesen Tagen, die wie Greise schleichen, Den gliederlahmen Stundenlauf beschwingt! Wo ist der fromme Kaiser, unser Vater? Mit Ebo ging er und mit Agobard, Den Bischöfen von Rheims und von Lyon, Versunken in Gesprächen. Wette biet' ich – Wette worauf? Daß er im Psalter Davids Mit seinen beiden Heiligkeiten forscht, Wie man Beschwornes unbeschworen macht, Wie man geschmeidig das Gewissen macht, Daß es die läst'ge Fessel des Versprechens Glatt von sich streife – wie man seinen Söhnen Gelobtes Erbteil kürzt. Auf deinen Vater Laß deiner Worte gift'gen Regen sprühn, Doch von dem meinen will ich es nicht hören. Eintracht, Ihr Herren, es verlangt's die Zeit. 4. Auftritt Vierter Auftritt Elisachar von links zu den vorigen. Wir werden sehen was die Zeit uns bringt! Hier kommt der Schreibefinger Kaiser Ludwigs, Kanzler Elisachar. Ihr wart beim Kaiser? Ja, mein gnäd'ger Herr. Nun, was bespracht Ihr? Edle Herren, erlaubt – Ja, diese Herren sind zu ungestüm. Von andrem laßt uns plaudern. Kanzler sagt, Ihr wißt mit Pergamenten umzugehen – Wo führt das hin? Wenn auf ein Pergament Ich gestern schrieb, was heute mich gereut, Wißt Ihr's wie man sich Ruhe schafft dafür? Ist's weiter nichts, als nur ein Pergament, Nun, so vernichtet man's. Sehr wahr gesprochen. Doch wenn es mehr ist als ein Pergament, Wenn das Geschriebene festgeankert liegt Mit heil'gem Eidschwur an dem Grund des Rechts, Wie schafft man solch Versprechen aus der Welt? Kein redlich Mittel kenn' ich, Herr, dafür. Und wenn zu Aachen Kaiser Ludwig einst Sein Reich verteilte unter die drei Söhne, Die ihm die blonde Irmengard gebar – Ja, Irmengard ist tot und Judith lebt. Doch ihre Söhne leben. Judiths Sohn lebt auch. Wenn er nach Worms den Reichstag dann beruft, Ratschläge hält mit Geistlichen und Herrn – Welch Mittel sann er aus, ich will es wissen, Daß ihn zu Worms der Eidschwur nicht mehr hält, Der ihn zu Aachen band? Liegt dieses Worms Auf anderem Planeten denn als Aachen? Gilt hier ein ander Menschenrecht als dort? Schmäht Euren Vater nicht, sein weiches Herz Ringt bitterlichen Kampf, von zwei Gewalten Heiß angefallen: An dem Tag zu Aachen Verteilt' er unter Euch das Reich der Franken Und »Amen« schrie das Volk, »so soll es sein«. Auf ewig soll es sein, so rief das Volk. Auf ewig, ja. Gesprochen war das Wort, Doch Irmengard ging hin und Judith kam. Fluch sei dem Tage! Und statt dreier Söhne Zählt Kaiser Ludwig vier. Und dieser vierte Er ist zu viel! Wahr ist's. Wo Raum für drei ist, Da ist nicht Platz für vier. Doch Kaiser Ludwig, Wie er Lothar, Pipin und Ludwig liebte, So liebt er Karl. Unwahr gesprochen, Kanzler, Den Nachgebornen liebt er mehr als uns. Und Karl zuliebe will er neu verteilen? Kanzler Elisachar, Ihr seid ein Mann, Der Ludwigs Herz, dies große Meer der Launen, Öfter befuhr und besser kennt als wir Welche der Stimmen wird in seiner Brust Die Macht behalten: Ehre, Pflicht und Recht? Oder das lüstern buhlende Geflüster Erhitzter Sinne? Nennt Ihr so die Liebe, Die er zu Judith hegt? Geht mir mit Liebe! Ein alter Mann bei einem jungen Weib – Sprich nicht von unsrem Vater so, ich will nicht. Welche der Stimmen? Sagt! Ich weiß es nicht. So wär' es möglich – Aber dieses weiß ich, Daß wer ein Schwert im Frankenreiche trägt Und wer den Krummstab fuhrt der heil'gen Kirche, Ihm sagen wird: bleib deinem Worte treu. Ist das gewiß? Ich kenne die Gemüter Von Volk und Geistlichkeit; es ist gewiß. Dann steht es gut. – Wohlan, Ihr fränk'schen Herren, Ihr wart dabei, als er auf unsre Häupter Die Kronen der drei Königreiche setzte. Soll nun die Tochter Welfs, die kecke Judith, Zerbrechen unsre Kronen und die Zacken Hinwerfen in den Schoß dem Buben Karl? Solang' ich lebe nicht! Sie soll es nicht! Bernhard, der bisher schweigend unter den übrigen gestanden hat, geht in den Hintergrund und dann nach dem Garten ab. Wohlan – hier stehn die Söhne Irmengards, Wer ist für sie? Wir alle! Wer für Judith? Tiefe Stille. Wer war der Herr, der eben uns verließ? Wen meint Ihr, König Ludwig? Ein Gesicht, Das ich noch nie am Hof des Kaisers sah. Ich gab nicht acht; er ging? Ja, eben jetzt, Da du die Herren frugst: wer ist für uns. So laßt uns sehn – Geht auf den Garten zu. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Karl aus dem Garten zu den vorigen. Ah – seht, welch ein Besuch. geht auf Lothar zu. Ich grüße Euch, mein kaiserlicher Bruder. streckt ihm die Hand zum Kusse entgegen. Ich grüß' dich, Karl – wie nun? tritt zurück. Dem Bruder brauch' ich nicht die Hand zu küssen! O hört doch, wie die Mutter aus ihm spricht. Er ist nicht schuld, daß er geboren wurde, Quäle ihn nicht. Die Augen aus dem Kopf Lass' ich dir stechen! Sage, Bruder Karl, Was meinst du zu der Kutte eines Mönchs? Ich will kein Mönch sein. Überlege dir's. Die Welt ist voll Gefahren. Schwerter gibt es, Die sich verirren. Er tritt auf ihn zu und blickt ihm in die Augen. Denke, welch ein Schade, Wenn sich in diese hellen jungen Augen Stahlspitzen tauchten. weicht vor ihm zurück, ihn entsetzt anblickend. O mein Bruder Ludwig – 6. Auftritt Sechster Auftritt Judith aus dem Garten zu den vorigen. Bei ihrem Eintritt entsteht eine peinliche Stille, während sich alle ehrfurchtsvoll verneigen. zu Lothar. Ihr seid bei Laune, kaiserlicher Sohn, Ihr scherzt mit Eurem Bruder, wie ich hörte. Euer kluger Geist, wie immer, hohe Mutter, Traf ganz die Sache. zu Mutter gewandt. Heiß' ihn anders scherzen! Mir graust vor seinen Scherzen! leise zu Karl. Törichter – Zu den andern. Verzeiht ihm – er ist jung. flüsternd. Hör' was er sprach! hastig, leise. Still – sprich kein Wort! ebenso. Aus meinem Haupt die Augen – Ich weiß – sei stumm! Sie geht mit Karl bis in den Vordergrund der Bühne und bleibt mit ihm, den Rücken gegen die anderen gewendet, stehen, so daß ein Zwischenraum zwischen ihnen entsteht. Lothar unterhält sich flüsternd mit den anderen, Ludwig blickt stumm auf die Gruppe vorn. Wie steht es mit der Jagd? Wir wollten jagen. Ja, wir wollen jagen. Nun, Bruder Karl, gehst du mit uns zur Jagd? Geht, bitt' ich, heute ohne ihn zur Jagd, Ich hab' ein Wort mit meinem Sohn zu sprechen. Wie Ihr es wünscht. zu Judith. Erhabene Frau Mutter, Wir nehmen Urlaub. Geht mit Gott, Ihr Herren. All meine Wünsche folgen Euch. Wir wissen Und danken Eurer Gnade – kommt Ihr Herren. Alle verneigen sich ehrerbietig vor Judith, welche ihren Gruß leicht erwidert und gehen nach dem Garten ab. bleibt unbeweglich stehen, bis daß der letzte aus dem Saale ist, dann öffnet sie die Arme und umarmt Karl, während sie in leidenschaftliche Tränen ausbricht, die ihr zuerst die Sprache rauben. Ihr Sterne meines Trosts, geliebte Augen, Euch will er blenden! Kind und Kindeskinder, Verdirb ihm, Gott, wenn du gerecht dich nennst! Karl weint. Nicht weine, Knabe, laß die Mutter weinen, Sie ist ein Weib, du aber bist ein Mann, Du hasse ihn! Ich wollt' ihn lieben, Mutter, Doch warum haßt er mich? Nicht lieben sollst du! Ein Tiger ist er, Tiger liebt man nicht! Komm, laß mich deine süßen Augen küssen – In diese Augen seine Stachel bohren – Nicht er alleine, alle diese Männer, Sie alle hassen mich. Für welche Schuld? Daß du geboren wardst ist deine Schuld, Daß du zum Vater einen Kaiser hast, Doch keinen Mann, das ist dein Unheil, Karl! Verlaßner Sohn – unglücklich du wie ich, Und dennoch glücklicher als deine Mutter, Dir lebt ein Herz, in diesem Busen schlägt, An das du flüchten kannst in deiner Not – Doch ich – in diese böse Welt gestoßen – Gekrönt mit Ehren, die mein Leid verhöhnen – Weib eines Mannes, der mich nicht beschirmt – Bin ich nicht Fleisch und Blut? Ich brauche Menschen, Und wilde Tiere lagern um mich her! Im Zwinger leb' ich! – Still – der Kaiser naht – Glätte dich, Stirne, lächle, Angesicht – Lächeln ist der Gekrönten bittre Pflicht. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Kaiser Ludwig. Ebo von Rheims. Agobard von Lyon. Wala von Corvey treten auf von links. Judith und Karl sinken beim Eintritt des Kaisers in die Knie. die Knienden betrachtend. Seht, welch ein Bild – Liebreizende Gemahlin, Erhebt Euch, kommt, ich biet' Euch meine Hand. Er reicht ihr die Hand. erhebt sich, ebenso Karl. Erhabner Kaiser – Nein, von diesen Lippen, Die heute noch in gleicher Blüte prangen Wie damals, als ich sie zuerst geküßt, Laßt meinen Namen zärtlicher ertönen. – Wie geht es meinem süßen Sohne Karl? Es geht ihm wohl mein gnädiger Gemahl, Wenn ihn sein Vater liebt. O dann mein Sohn, Geht es dir wohl. Glaubst du, daß ich dich liebe? küßt seine Hand. Ja, gnäd'ger Vater. Ihr geliebten beiden – Ihr strengen Männer, seht den Knaben an: Ist dieses Haupt nicht ganz so königlich Wie meiner andren Söhne? Ja, das ist's! Wir wissen wohl – Das Blut in seinen Adern Stammt aus dem Quell, aus welchem seine Brüder Das ihre tranken. Judith, Tochter Welfs, Ist schlechter nicht als Irmengard es war! zu Ludwig. Mein gnäd'ger Herr, wir hören, was wir wissen, All dies ist uns bekannt und wohl erwogen. – Und dennoch heischt Ihr, daß ich diesem Jüngsten Unväterlich das Teil der Ältren weigre? Ihr seid nicht nur der Vater Eurer Söhne, Ihr seid der Kaiser, Herr, des Frankenreichs, Das heißt, der Vater vieler Millionen – Doch zwischen ihm und diesen Millionen Ward nicht das heilig große Band geschürzt Wie zwischen ihm und diesem seinem Sohn, Sie sind nicht seines Bluts – Erhabene Frau, Dies hier ist Reiches Sache. Meine Sache Geht vor: es ist die Sache der Natur! Geliebtes Weib, seid ruhig; glaubt, mein Herz Spricht so für Euch und unsern teuren Sohn, Daß es unnötig ist – O mein Gemahl, Ich weiß, des Weibes Stimme ist verbannt Von da, wo staatsklug Männer sich beraten, O mein Gemahl, den Worten jener Männer Leiht Euer Ohr – doch Eures Weibes Worten Leiht Euer Herz, denn aus dem Herzen kommt es: Der Ruf des Sohnes ist es an den Vater, Der große Schrei der Menschheit an das Recht. Wer nimmt sein Recht dem Knaben? Diese dort; Und wenn Ihr diesen beiden zustimmt, Ihr! Beim Himmel, Ihr sprecht kühn. Und Ihr, beim Himmel, Ihr sprecht nicht fein zu Eurer Kaiserin! Nun solches – zu Judith. Nein – seid nicht zu hitzig, Liebe. Zu Wala. Denkt, werter Abt, sie spricht für ihren Sohn. Zu Karl. Geh, Karl, mein Sohn, dies hier ist nicht für dich. Karl durch die Mitte ab. Und weil ich's tue, darf er kühn mich schelten? Wer darf zum Sohne sagen, du tust unrecht, Wenn er vom Vater, der ihm Leben gab, Den Boden heischt, auf dem er leben kann? Wer nimmt den Boden ihm? Noch einmal frag' ich. Gebt Eurem jüngsten Sohne, Kaiser Ludwig, Soviel an Land und Lehen als er braucht, Daß er der Erste sei der fränk'schen Edlen – Doch König sei er nicht. Ah! zu Judith. Laßt – ich bitte. Ich saß im Rate Eures Vaters, Kaiser. Im Namen denn des allgewalt'gen Karl, Der von der Ostmark, wo die Slawen hausen, Bis an die Küsten, die der Ozean Dumpf brandend anspült, baute dieses Reich, Und der es trug auf dem granitnen Nacken, Zerbrecht das heil'ge Reich der Franken nicht. Gott schütze mich – Ihr meint, daß ich zerbräche – Es ward geteilt; noch einmal teilen heißt Zerspalten dieses Reiches große Einheit. zu Judith. Wie dünkt Euch, Liebe? Nein – er rät Euch falsch. Tollkühne Frau, so meistert Ihr den Willen Des großen Karl? Der große Karl ist tot, Doch mein Sohn lebt, und mit ihm lebt sein Recht. Er soll Vasalle seiner Brüder sein? Kraft welchen Rechtes? Kraft des Rechtes, Weib, Das Ihr nicht ändern sollt, der Erstgeburt. Kaiser, es drängt die Zeit, trefft Eure Wahl: Dort Euer Weib, mit wilder Seele eifernd Für ihren und den Vorteil ihres Sohns, Hier Walas schneebedecktes Haupt, und drunter Ein Wunsch, ein Ziel: das Heil des Frankenreichs. Wie von zwei Seiten Ihr mein Herz zerreißt. Entscheidung, Herr; der Reichstag endet morgen, Auf Euren Lippen ruht das große Wort, Das Frieden birgt und Krieg: haltet den Schwur, Und friedlich rollt das heil'ge Reich der Franken Den großen Lauf ins Meer zukünft'ger Zeit; Zerbrecht den Eid – und pflanzet die Zerstörung, Neid, Gift und Haß in Euer eignes Haus. Wer soll den Eid verletzen, den er schwur? Und wer ein Herz zerbrechen, ein geliebtes? Besser, ein Herz gebrochen, als ein Eid! Entscheidet Euch: bleibt's bei dem Schwur zu Aachen? Es kann nicht anders sein, geliebte Judith. O – seht mich nicht mit solchen Augen an, Dies Wort zerreißt mich ganz so sehr wie Euch – Ich kann nicht anders teilen, als ich teilte. Judith zuckt auf; dann steht sie stumm und starr da. Gesegnet seid für dieses Wort. Gesegnet! Kommt, Kaiser Ludwig – folgt uns zur Kapelle, Tragt Euer Herz vor Gott, und wenn sie singen »Frieden auf Erden«, dann erhebt das Haupt, Denn Frieden schenktet Ihr der Christenheit. So gehen wir. – Zu Judith. O tröstet, Teure, Euch, So reichlich statt' ich unsern Knaben aus – Er wendet sich mit Wala, Ebo und Agobard zum Abgehen nach links, in demselben Augenblick kommt. 8. Auftritt Achter Auftritt Bernhard durch die Mitte zu den vorigen, geht auf Ludwig zu und läßt sich auf ein Knie nieder. Wer naht uns hier? Ich grüße meinen Kaiser. Bernhard bin ich, der Graf von Barcelona! Der Graf der span'schen Mark? Den Ihr zum Pförtner Am Pyrenäenfelsentor bestellt. Ich wähnt' Euch kämpfend mit den Sarazenen? Der Kampf ist aus! Der dunkle Wüstensturm Er ist gebrochen – rückwärts bis Toledo – Sie sind besiegt? Sie sind es, gnädiger Herr, Durch Gottes Gnade und durch Bernhards Schwert. O hört, Ihr Herrn, die große Freudenbotschaft! Ach, wackrer Streiter für die Christenheit, Gebt uns Bericht nachher – doch dies sogleich: Von heute seid Ihr Kämmerer des Reiches. In Ehrfurcht dank' ich meinem gnäd'gen Herrn. Kommt zum Gebete; Dank gebühret Gott Für solche Gnade. Im Abgehen zu Judith. Folgt uns, meine Liebe. Ludwig, Wala, Ebo, Agobard ab nach links. ist ihnen bis an die Tür gefolgt, dann bleibt er stehen und schließt hinter ihnen. hat den Abgehenden den Rücken gewandt, so daß sie Bernhard nicht gewahrt. Nicht zur Kapelle will ich! Nicht zu Gott! Du danke ihm, daß er dir Männer sendet, Die dich, du halber Mann, zum ganzen machen. Mut – Hoffnung – Leben – nun lisch aus, lisch aus! Denn was soll Mut, dem keine Hoffnung leuchtet? Und was soll Leben, dessen Zweck dahin? Sie wirft sich verzweifelnd, das Haupt in den Kissen bergend, auf das Ruhebett. Der Hirsch bekämpft den Hirsch für seine Hindin – Das Weib des Menschen nur ist ausgestoßen Aus dem Gesetz der liebenden Natur. Mönchische Lehre stampft mit rohen Füßen Das Weib in Staub! O Welt der Feiglinge, Die sich verschwören wider eine Frau! So viele tausend Männer und kein Mann! tritt auf sie zu und wirft sich vor dem Ruhebett nieder. Hier ist er, den Ihr sucht und der Euch hilft! richtet das Haupt auf. Seid Ihr nicht jener Graf von Barcelona? Was wollt Ihr? Hebt Euch auf. Nein, laßt mich knien Vor dieser schmerzgebrochenen Gestalt, Vor diesen Augen, die in Tränen schwimmend, Mich anschaun – ein verletztes Götterbild – richtet sich mit dem Leibe auf. Was soll mir dieser Überfall? Was wollt Ihr? Euch dienen will ich! Mir? Und Eurem Sohn, Dem ich, zum Trotz den Söhnen Irmengards, Zur Krone helfe! springt auf. Sagt mir wer Ihr seid! Wenn ich vertraute – doch ich trau nicht! Sie schicken Euch! Zeig' mir das Netz, Verräter, Das du um meine Füße schlingen willst! erhebt sich. So schwör' ich denn bei Gott – Schwört nicht bei Gott, Denn Eid und Meineid hört er schweigend an, Doch etwas ist in Euch – – ah – wenn Ihr täuscht Und so mich fangt, dann brecht den Ritterschild, Denn keine Kaiserkrone deckte jemals Die unermeßne Schande solchen Siegs! Bei meiner Seele denn – o, meine Herrin – Herz, Leib und Leben geb' ich Euch zum Pfand – Nicht heut zum ersten Male seh' ich Euch. Ihr saht mich schon? Am Tage war's, zu Straßburg, Als nach dem Tod der blonden Irmengard Ludwig der Kaiser sich die schönste wählte Von all den schönen Frankenjungfrauen – Ihr wart dabei? Ich war es, und ich sah Den holden Kranz von blühnder Frauenschönheit – Doch da kam eine – und ein staunend Flüstern Lief durch die Reihen – und mein knirschend Herz Schrie auf zum Himmel: Alle laß ihn wählen, Nur diese nicht! Nicht Judith, Tochter Welfs – Und unter allen wählte Ludwig Euch! – – Euer Herz ging hohen Gang. Den Gang des Blutes, Das edel ist wie das des Karolingers! Wilhelm erzeugte mich, Graf von Toulouse. Und also raubte mir der Karolinger, Kraft des Verdiensts, daß er geboren ward Als Sohn des Kaisers – Wißt Ihr, was Ihr redet? Ja, denn ich weiß, was ich gefühlt! Er gab Euch, Was ich nicht geben konnte, eine Krone, Doch was er nicht zu geben Euch vermocht, Das hatte ich! O Herrin meiner Seele, Viel tausend Tage gingen hin seitdem; Viel tausendmal vom Purpurstrahl des Abends Sah ich geküßt das Haupt der Pyrenä'n – Allein ihr Antlitz voller Majestät Nie glich's dem wonneholden Angesichte, Das tieferglühnd in bräutlich süßer Scham Zu Straßburg sich vor Kaiser Ludwig neigte. Und während Ihr zum Bett des Kaisers gingt, Trug ich mein Herz wie einen wunden Adler Hinunter in den Sarazenenstreit! Nicht für dies Reich, nicht für die Christenheit Rang ich mit ihnen wütend Jahr um Jahr – O Weib, in dessen Leid mein Herz dahinsiecht Hier lieg' ich vor Euch Wirft sich auf die Knie. – geht nun hin zum Kaiser, Sagt ihm, was ich gesagt – Ich könnt' es tun – Doch wenn ich schwiege? Dann seht diese Hand Und dieses alles, Mannheim Kraft und Mut, Bereit zu Eurem Dienst, ersehnte Frau. Tödliche Schuld ist jedes dieser Worte – Verbrecher, wer sie spricht, und Frevlerin, Wer ihnen lauscht! Ich weiß – dies war die Sprache, Die in der Menschheit unbewachter Stunde Vom Sündenbaume der Versuchung klang – Nein, warum quälen solche Bilder Euch? Ein Bangen gibt's, dawider hilft kein Mut: Das Bangen vor uns selbst. Für Euren Sohn So glaubt' ich, wollt Ihr kämpfen? Karl, mein Sohn – Soll ich mich Euch vertrauen? Nicht vom Himmel, Nicht von der Sterne sanftem Friedenslicht Stammt Eure Glut – Herrin, vertraut Euch mir. Sei's Himmelslicht – sei's wild Höllenflamme, Berater meiner Not, o, seid mir treu Wie ich mich Euch vertraue – Hier das Pfand. Sie streckt ihm die Hand zu. springt auf. O, Hand – wie aus dem Alpenschnee geformt Und heiß durchglüht vom Purpurquell des Lebens; Gestalt der Wonne, Antlitz meiner Lust, Nun fesselt uns ein königlich Geheimnis. Und also weih' ich den verschwiegnen Bund. Er küßt ihre Hand. Ihr zittert? Ja – weil Ihr von Weihe spracht. Nein, unsern Feinden bleibe Angst und Zittern, Für uns Triumph! Mag dieses Frankenreich Zerkrachen unter unsrem Schritt; das ist Gesetz der Welt: was morsch ist, das zerbricht. Stellt Wächter auf die Zinnen Eures Hauses, Ihr Karolinger! In den Pyrenäen Hebt sich ein Wetter – – langsam stieg's herauf; Schnell wird es wandeln – Schicksal heißt sein Lauf. Der Vorhang fällt. 2. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Diener stellen auf der Erhöhung zwei Thronsessel und zu Füßen der Erhöhung rechts und links davon je einen Halbkreis von Stühlen auf, so daß man vom Zuschauer aus in den geöffneten Kreis hineinsieht. Sie schwatzen und lärmen bei der Arbeit. zum zweiten. Du willst mich Sarazenen kennen lehren? Wenn ich Euch sage, daß ich sie gesehn. Also wie sahn sie aus? Wie sahn sie aus – Gesichter gelb wie Quitten. Das trifft zu. Bart, Haar und Augen – alles teufelschwarz, Und auf dem Kopfe solch eine rundes Ding – Wie nennt man's – Turban? Richtig – einen Turban. Nun, Sarazenen sind's – es ist kein Zweifel. Du sahst sie? Ja, ich sah sie alle beide, Als ich heut morgen an dem Tor der Pfalz Beim Pförtner saß – mein Vetter, wie Ihr wißt. Was woll'n die Heiden? Wie der Pförtner meint, Mein Vetter, sind's Gesandte. Sind wir Heiden, Daß man uns solche Heiden schicken darf? Sie fragten nach dem Graf von Barcelona Und dann nach unserm Könige Lothar. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Frechulf der während der letzten Worte von links zu den vorigen gekommen ist. Was schwatzt Ihr da! Wollt Ihr an Eure Arbeit! Heil'ger Eustach, der Lohn für meine Sünden, Daß solche Schufte meine Knechte sind. Alle Diener ab nach links. ruft dem ersten Diener nach. Du da – was schwatztest du von zwei Gesandten – Zwei Mauren, ganz gewiß, ich sah sie selbst, Die nach Lothar, dem König, fragten. Fort. Erster Diener hinter den anderen ab. 3. Auftritt Dritter Auftritt Matfried von Orleans. Hugo von Tours von links. Kämmrer des Reiches – wie gefällt Euch das? Ganz so wie Euch – Ihr könnt's danach bemessen. Die Karolinger waren Kämmerer Der Merovinger, und sie wurden groß, Heut in den Schlund des Pyrenäenwolfes Geben sie selbst ihr Haupt. Die Karolinger? Der alte Ludwig tut's – doch, Gott sei Dank, Er ist nur einer – Und die anderen? Die andren werden schlagen, wenn man schlägt. der sich bis dahin mit den Stühlen zu schaffen gemacht hat, tritt heran. Gestrenger – wollt verzeihn! Wer ist der Mann? Der treue Frechulf; nun was gibt's, mein Wackrer? Die Knechte sagen von zwei Sarazenen, Die heut als Boten kamen für Lothar. Ha, das ist eine Botschaft von Pipin. Was? Von Pipin? Ihr sollt sogleich erfahren – Zu Frechulf. Wo sind sie? Herr, ich hab' sie nicht gesehn. Geh gleich, sieh zu, ob wahr ist, was man sagt, Und siehst du sie, bring augenblicks Bescheid. Immer zu Euren Diensten. Ab nach links. Das ist wichtig. Was ist das mit Pipin? Matfried, Ihr wißt, Um was es sich beim heut'gen Reichstag handelt. Abrede ist getroffen mit Pipin: Wenn heut der alte Ludwig töricht ist Und heut noch einmal teilt zugunsten Judiths, So dringt Pipin, der mit den Aquitaniern Nicht eine Stunde Wegs von Worms mehr steht, In diese Pfalz – wir greifen Kaiser Ludwig Samt Judith und dem Buben – Gut erdacht! Doch Ludwig, hört' ich, läßt es bei der Teilung? So wollt' er – doch von gestern bis zu heute Ist grad' so weiter Weg als wie vom Wollen Bis zum Vollbringen. Und die Boten, denkt Ihr – Sie bringen, der Verabredung gemäß, Die Nachricht, daß Pipin bereit steht. Doch Mauren? Sollt' er Mauren schicken? Freilich. Er kann von seinen Leuten keinen senden, Will er Verdacht nicht wecken; wer kommt da? 4. Auftritt Vierter Auftritt Bernhard und Abdallah von rechts zu den vorigen. leise zu Hugo. Der Pyrenäenwolf. So laßt uns gehn. Beide links ab, sich kalt mit Bernhard begrüßend. ihnen nachblickend. Wenn Blicke töten könnten, wär' ich tot. Zu Abdallah. Die Mauren sind bei dir? In meinem Zimmer Kehrten sie ein, weil sie bei Hofe fremd. Zwei Boten El Moheiras. Führ' sie vor. öffnet die Tür rechts. Der Kämmrer wartet Eurer – tretet ein. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Satilatlas. Temin von rechts zu den vorigen. Wir, denk' ich, sahn uns schon? Ihr saht uns, Herr, So oft Ihr an des Ebro grünen Ufern Das Sarazenenbanner flattern saht. Satilatlas? So nannte mich mein Vater. zu Temin. Und Euer Name, edler Herr? Temin. Euch sendet El Moheira. Wißt Ihr's schon? Und da ich's weiß, so glaub' ich auch den Grund Zu kennen, der Euch führt: Hamatelliwa. Jawohl, das ist der schmerzensvolle Grund. Gebt sie uns wieder, Graf von Barcelona. Das ist es, was der Emir uns befahl. Ei – er befiehlt? Es scheint mir richtig, Herrn, In Bitte den Befehl zu übersetzen. Wohlan, er gibt sein Recht als Vater auf, Der Emir bittet, gebt sein Kind zurück. Ihr wißt, daß ich Hamatelliwa liebe, Und mitten in das Herz der Christenheit Schickt El Moheira seine Boten mir Mit solcher Fordrung? Euer Emir baut Auf meinen Rittersinn. Er ist bereit, Die Tochter auszulösen, nennt den Preis. Was? Preis? Soll ich für Gold und Silber Mein Herz verkaufen? Christ, mich freut dies Wort, Birgt es gleich wenig Gunst für unsre Wünsche. Ward El Moheiras Tochter Euer Weib? Sie ward es nicht. So ward sie – beim Propheten – Doch davon nichts. – Sie ward die Eure nicht, So blieb sie ihres Vaters – gebt sie wieder. Ward sie gleich nicht mein Weib, so ward sie mein Und bleibt bei mir. Ist's Euer letztes Wort? Ja, Maure. Nun wohlan, so sind wir fertig, Zu betteln hieß uns El Moheira nicht. Doch seid gewiß, Herr Graf von Barcelona, Wir rechnen nach. Nur nicht so stolz, Ihr Herren; Denkt, wo Ihr seid; des Kämmrers guter Wille Schützt Euer Leben – Kämmerer bin ich. O Herr, Ihr irrt; uns schützt wohl noch ein andrer. Wer wäre das? Lothar, des Kaisers Sohn, An den wir Botschaft haben. Botschaft? Was? Botschaft von wem? Vom Könige Pipin. Ich bin der Kämmrer; Botschaft für Lothar Ist auch für mich – sagt mir – Nein, edler Herr – Ausdrücklich wurde Weisung uns gegeben, Nur an Lothar – Nennt Eure Botschaft mir Und Euer soll Hamatelliwa sein. Versprecht Ihr das? Bei meiner Ritterehre! Nun, so erfahrt: Als auf dem Weg hierher Wir bei Lyon die Rhone überschritten, Da stießen wir aufs kriegerische Lager, In dem der Aquitanierkönig lag. Er heischte unser Reiseziel zu wissen, Und da er's hörte, gab er für Lothar Uns diese Botschaft. Alles ist bereit; Ich bin vor Worms zum festgesetzten Tag, Und halte Euch das Netz – schafft Ihr die Fische. Schafft Ihr – So sagt' er, wir verstanden nicht. für sich. Doch um so besser ich. Ihr wißt es nun. Gebt Ihr das Mädchen? Ja, doch eines noch: Ihr sollt die Botschaft an Lothar bestellen; Doch jetzt noch nicht, nicht ohne mein Geheiß. Ich werde Euch bestimmen, wann und wo. Wo soll's geschehn? Vor Kaiser und vor Reich. Das, fürcht' ich, widerspricht dem Willen König Pipins. Was kümmert Euch Pipin ? Diese Bedingung stell' ich. beraten sich einen Augenblick leise. Gut – es sei; Ihr laßt uns rufen? Ja, bis dahin wartet. Satilatlas, Temin ab nach rechts. zu Abdallah. Geh jetzt – doch sei gewärtig meines Winks, Wenn ich sie brauche – nun, was blickst du so? Vergib mir, Herr – du willst Hamatelliwa – Zum Vater schicken, hast du nicht gehört? Ich gab nicht acht – so hab' ich recht gehört. Ab nach rechts. allein. Mit seinem Heerbann rückt Pipin auf Worms. – Haupt werde fruchtbar, zeuge mir Gedanken, Verdoppelt, Taten, euren Sturmesschritt. Er hält das Netz – ah wart', in deine Netze Spring' ich hinein, daß Euch die Maschen reißen! Nun soll's ein Krachen geben durch die Welt, Wenn ich dies Band der Karolingerfreundschaft, Dies klägliche, mit meinen Händen fasse Und so und so in die vier Winde reiße. Lothar – Pipin, ei seht, Ihr mut'gen Füllen Im wurmzerfressnen Karolingerstall Schlagt Ihr so mutig aus? Seid auf der Hut, Der Pyrenäenwolf steht vor der Türe. 6. Auftritt Sechster Auftritt Rudthardt. Ottgar. Humfried und andere deutsche Herren von links zu dem vorigen. für sich. Die Stunde naht – hier kommt bereits der Vortrab; Laut. Ich grüß' Euch, edle Herrn. leise. Wer ist der Herr? ebenso. Kennt Ihr ihn nicht? Das ist der neue Kämmrer. Nun Herr, Gott grüß Euch; und da Ihr's vermögt, So laßt den Reichstag heut zu lang nicht dauern. Dem Kaiser meld' ich Eure Pünktlichkeit. Mit höflicher Verneigung nach links ab. Ein art'ger Herr. Er kommt von Spanien drunten, Es ist der Graf von Barcelona. Der? Der mit den Sarazenen focht? Der ist es. Ein gutes Schwert nach allem, was man hört. Und gar kein Freund der Franken, wie man sagt. Das lohne ihm der heil'ge Bonifaz. Sieht sich um. Dies also sind die Schranken des Turniers, Wo Irmengard und Judith streiten sollen? 7. Auftritt Siebenter Auftritt Matfried von Orleans, Hugo von Tours und andere Franken von links zu den vorigen. zu Matfried. Als hätte sie der Boden eingeschluckt. Ich fand sie nicht. Vielleicht war's nur Geplauder. zu Rudthardt und den andern. Was sagen diese Herrn zum neuen Kämmrer? Von Paderborn ist's weit nach Barcelona. Was meint Ihr mit dem Worte? Daß wir Schlechtes Von ihm so wenig je gehört als Gutes. zu Rudthardt. Sie hofften eine andre Antwort. Möglich; Und darum eben gab ich ihnen diese. zu Hugo. Laßt diese deutschen Büffel. Ah – gebt acht! 8. Auftritt Achter Auftritt Von links kommen: Chorknaben – dann die Bischöfe Ebo und Agobard – und der Abt Wala – dann Ludwig, Judith links neben ihm – dann Lothar, Ludwig, Karl – dann Bernhard – dann wieder Chorknaben. Kaiser Ludwig tritt mit Judith auf die Thronerhöhung; Bernhard hinter beide. Die Chorknaben schreiten singend rund um die Bühne. Der du flammend in der Wolke Zeigtest Israel den Pfad, Neige dich dem Frankenvolke, Gib ihm Weisheit, schenke Rat – Die Chorknaben stellen sich so, daß sie den Hintergrund rechts und links abschließen. Alles setzt sich. steigt herab, tritt auf die unterste Thronesstufe, das Gesicht zur Versammlung. Im Namen Kaiser Ludwigs frag' ich Euch, Seid Ihr versammelt hier zu rechtem Reichstag? sich kurz erhebend und gleich wieder setzend. Das sind wir. Kamt Ihr zu dem Tag des Kaisers Ohne Gefährde? Friedlich? Immer langsamer sprechend. Ohne Waffen? Ohn' bösen Willen, freies Wort zu hindern Durch eigne Macht – oder die Macht von andren, Die Ihr bewaffnet wißt zu Eurem Dienst? wendet sich hastig und unwillkürlich zu Matfried und Hugo, die hinter ihm sitzen. Die Frag' erfand er! Weiß er von Pipin? ebenso. Unmöglich. leise. Still nur. sich wie oben erhebend. Also kommen wir. Ehrwürdig Denkmal unsres alten Reiches, Abt von Corvey, tut diesen Edlen kund Den Zweck und Grund, warum wir sie beriefen. erhebt sich. So preis' ich Gott, daß ich zu froher Botschaft Die Lippen heut den Franken öffnen kann: Ihr wißt, daß Karl, des Kaisers jüngster Sohn, Den Judith ihm, die Tochter Welfs, gebar, Zu seinen Jahren kam. Das Herz des Kaisers In schwerem Kampfe mit dem Vaterherzen Wog hin und her, ob er des Reiches Teilung, Die er am Tag zu Aachen festgesetzt, Zugunsten seines jüngsten Sohnes ändre. Doch Gott erleuchtete sein Haupt und hieß ihn, Dem Kaiser heut den Vater unterordnen. Dies ist der Wille Ludwigs, unsres Herrn: Drei Kronen sollen sein, doch viere nicht Im Frankenreich. Lothar, Pipin und Ludwig, Sie sollen Erben sein des großen Karl. So ward's beschworen an dem Tag zu Aachen – Erhebt Euch denn, gebt Euren Willen kund, Soll dies bestätigt sein am Tag zu Worms? Alles erhebt sich, die fränkischen und die deutschen Großen teilen sich in zwei Gruppen und treten in flüsternder Beratung zusammen. nach einer kleinen Pause. Wenn Ihr berietet, sprecht. Ja, wir berieten. Wir heißen gut den Ratschluß unsres Herrn Und wie er teilte an dem Tag zu Aachen, So bleibe es beschworen und geteilt. Eh' wir entscheiden wünschen wir zu wissen, Wodurch entschädigt man den jungen Karl Für den Verlust? Durch reichliche Verleihung Von Gut und Lehn für seinen Hausbesitz. Zwar ist es altes Recht bei unsren Vätern, Daß jüngster Sohn gleich ält'stem Sohne erbt; Doch, weil der Kaiser selber so entschied Und weil es gut ist für des Reiches Einheit, So sagen wir: die Teilung bleibe stehn. Einmütiger Beschluß! Einmütig; ja! Heil sei den Söhnen Irmengards! Heil ihnen! die bis dahin starr und ohne Lebenszeiten gesessen hat. Verlangt Ihr, daß ich länger bleibe, Herr? Geliebte, bleibt. – Nicht solchen Ruf Ihr Herrn, Er mahnt an alte Schmerzen der Parteiung. Nein – nichts von Hader jetzt und nichts von Streit. O Sohn des Himmels, wundervoller Friede, Durchwandle nun die Gauen dieses Reichs, Und wer an diesem hohen Freudenfeste Noch eigne Schmerzen leidet, geh zu dem Und zeige ihm das Antlitz deiner Schönheit Und sprich: Du leidest – doch du bist ein einz'ger, Die Leiden deines Herzens sind der Preis, Der für Millionen Glück und Heil erkaufte. zu Judith. Er spricht zu deinem Trost. Ich höre es. Der Reichstag ist beendet. Heil dem Kaiser. Freudige Bewegung. Alle drücken sich wechselseitig die Hände. Dann sammeln sich die Chorknaben, um nach links abzugehen, wie sie gekommen. singend. Der du flammend in der Wolke – Chorknaben halt! Verstumme der Gesang! Chorknaben schweigen. Der Kämmrer hat zu künden, ob der Reichstag Beendet ist. Worauf denn wartet Ihr? Er ist's. Der Reichstag ist noch nicht beendet. Allgemein staunende Bewegung. Was ist noch, Herzog? Dieses, gnädiger Herr: Ungültig ist, was hier beschlossen ward. Ungültig, was das ganze Reich beschloß? Ja, denn dem Reichstag ward Gewalt getan. – Durch wen? Durch wen? Durch Euch, die Ihr mich fragt! Das lügst du, Elender! Er lügt! Er lügt! wirft den Handschuh zu Bernhards Füßen. Ich fordre Urteil nach dem Recht der Franken. Hier liegt mein Handschuh. desgleichen. Und der meine hier. Ich trete ein für diese edlen Herrn. zu Lothar. Braucht Euer Ansehn für Euch selber, rat' ich, Ihr werdet's brauchen. Welch ein Ton ist das? Was untersteht sich dieser Herr von gestern? Welch giftig lauernde Verdächtigung Verbirgt in Euren Worten sich? Verbirgt sich? Nun denn, Ihr wollt, so sollt Ihr's deutlich haben: König Lothar, auf dessen Haupt die Krone Italiens prangt – und Ludwig, dessen Stirn Die Bayernkrone schmückt – auf Eure Häupter Schleudr' ich Anklage. Allgemeiner Tumult. Herzog – Du Verleumder! Und klag' Euch an, daß Ihr auf meine Frage Falsch' Antwort gabt; daß vor der Pfalz von Worms Ein Heer für Euch in Wehr und Waffen steht, Bereit, das Recht der Söhne Irmengards Mit Waffen Eurem Vater abzutrotzen, Wenn er zugunsten heute Karls entschied. Ist Wahrheit dies? Sagt nein, wenn Ihr es dürft! Nein! mit dem Fuße stampfend. Nein! Ah – nun mit einem einz'gen Wort Zerschmettr' ich Euer keckes »Nein« Pipin! Was soll es mit Pipin? Mein Herr und Kaiser, Ward Euer Sohn Pipin zum heut'gen Tag Nicht eingeladen? Nun, ich denke so. Und ich erstaune, daß er nicht erschien. Fragt Euren ältsten Sohn, er wird Euch sagen, Warum er nicht erschien. Lothar – mein Sohn, Was weißt du von Pipin? Mein Herr und Vater – Hier stehe ich, dein Selbst, dein Blut, dein Sohn, Und dort ein Knecht, aus deiner Gunst geboren, Und aufgeschossen wie ein giftig Kraut, Reiß ihm das Wort vom Mund! Tut es, o Herr, Schenkt diesem Manne, der sich wie ein Wolf Auf dieses Tages heil'gen Frieden stürzt, O schenkt ihm kein Gehör! Ehrloser Priester! Herr, meine Klage steht gleich einem Turm, Beweise schaff' ich Euch für meine Worte. Könntet Ihr das – Beweis! Er soll beweisen! ruft nach dem Hintergrunde. Führt die Gesandten El Moheiras vor. Ein Ritter nach rechts ab. Wenn dieses Mannes Worte sich bestät'gen – O, meine Söhne – Sarazenen? Wie? 9. Auftritt Neunter Auftritt Satilatlas. Temin von rechts zu den vorigen. Ja, Sarazenen, doch so echte Ritter, Als jemals fochten in der Christenheit. zu Hugo. Die Mauren – Fluch und Tod. O das wird schlimm. Mein Herr und Kaiser, diese edlen Mauren, Sie haben Botschaft; wollt Ihr es erlauben, Daß sie des Auftrags sich entledigen? Für wen ist Eure Botschaft? Für Lothar, Den König von Italien. Und von wem? Vom Aquitanierkönige Pipin, Allgemeine Bewegung. Den vor zehn Tagen wir am Strom der Rhone Im Lager fanden. Meldet Eure Botschaft. zu Lothar. Herr, also hieß uns Euer Bruder sprechen: »Ich bin vor Worms am festgesetzten Tag, Und halte Euch das Netz – schafft Ihr die Fische.« Große stürmische Bewegung. Fluchwürd'ger Hohn! Das mir von meinen Söhnen? Ein Wort nur Herr – erhebt sich. Mein Herz steht in mir auf Und sieht mich mit den Augen meines Jüngsten Vorwurfsvoll an. – Karl, mein geliebter Sohn, Komm an mein Herz, das Unrecht will ich sühnen, Das ich dir tat. Karl erhebt sich, tritt zum Vater. Und hier aus meinem Herzen Stoß' ich Euch aus, Euch beide, fort mit Euch! Heim nach Italien, du, der Wall der Alpen Türme, Lothar, sich zwischen dir und mir, Und Ludwig, heim zur Donau! Vater! Du tust mir unrecht! Brut der Unnatur. Ihr küßt des Vaters Hand, solang sie schenkt Und beißt hinein, wenn sie zu schenken aufhört. Ha, schnödes Unrecht! Bruder Ludwig, laß, Man rechtet nicht mit Kindern und mit Greisen. Aus meinen Augen, gottverlass'ner Sohn! Allmächt'ger Gott, erbarme dich der Franken! Gedenkt, o Herr, was Ihr zu Aachen schwurt! Was geht uns Aachen an. Wir sind in Worms! Des Reiches einst'ge Teilung ist zerrissen Durch den Verrat der Söhne Irmengards. Sprich das ein einzig Mal noch – winkt. Krone her! Mit Händen sollt Ihr meine Antwort greifen! Von rechts ein Ritter, welcher eine goldene mit bunten Steinen besetzte Krone auf purpurnem Kissen trägt. nimmt ihm Kissen und Krone ab. Dies Kleinod riß ich, Herr, im Maurenstreit Vom Haupte des gekrönten Sarazenen. Erweist mir Gnade, nehmt es zum Geschenk Und krönt damit das Haupt des jungen Karl. Kaiser, du nimmst sie nicht! Bedenk' dich, Vater! Gebt mir die Krone her. Nein – wir verwehren's! Stellen sich zwischen Bernhard und die Thronesstufen. steigt vom Throne herab. Laßt sehn, ob Ihr auch mir zu wehren wagt. Herzog, die Krone. reicht ihr die Krone, leise. Königliches Herz. Ah! Wär't Ihr etwas andres als ein Weib – Tritt mit Ludwig zurück. Besorgt für Kaiser Ludwig eine Spindel Und aus dem Flachs macht seinem Weib 'nen Bart! zu Bernhard. O Mann und Held. – Bernhard, du hast gesiegt. Sie ersteigt mit der Krone den Thron. nimmt ihr die Krone ab. Knie' nieder, Karl. stürzt sich vor dem Kaiser nieder. Hört mich in letzter Stunde Zum letztenmal! Hütet Euch vor der Krone Und vor der Hand, die Euch die Krone reicht! Mir sagt mein Herz – Ein Narr mit Eurem Herzen! Wo zielen Eure giftigen Worte hin? Wen meint Ihr, Abt? Dich mein' ich, du Verderber! Noch sehe ich die düstre Quelle nicht, Die deinen Eifer nährt – Spart Euch die Mühe, Und laßt's genug sein mit der Litanei! Hört nicht auf diesen Schwätzer, Herr und Kaiser, Krönt Euren Sohn. Noch nicht, o Herr, noch nicht! Tritt auf Bernhard zu. Arm kam ich in die Welt, arm werd' ich gehn, Ein Gut nur hatte ich, es war das Reich Des Großen Karl, das du mir heut zertrümmerst, Legt die Hand auf Bernhards Schulter. Sieh mir ins Angesicht und schwöre, Bernhard, Daß du dies alles, was du heute tatest, Daß Haß du sä'test zwischen Kind und Vater, Zwieträchtig machtest Kaiser und Vasall, Schwör', daß du's tat'st aus Absicht reinen Wollens, Aus Treue nur für Ludwig, deinen Herrn. Laßt es genug sein. LOTHAR, LUDWIG, DIE FRANKEN. Schwören! Er soll schwören! erhebt die Rechte. So schmett're mich der Donner Gottes nieder Und tilge mich hinweg von diesem Fleck, Wenn Falschheit wohnt in meinem Eid – ich schwör's! Was sagt Abt Wala nun? Er – hat – geschworen. – Bricht auf den Thronesstufen zusammen. Auf deine Knie, Karl. Karl kniet vor dem Kaiser. Blickt her, Ihr alle, So heb' ich ihn aus Staub und Niedrigkeit Zu gleichem Recht empor mit seinen Brüdern – Setzt ihm die Krone aufs Haupt. Und so steh auf als König. Büberei! Ah! Du scheinheiliger, gleißnerischer Graubart! Um Jesus, denkt, Ihr sprecht zu Eurem Vater! Dort predigt Buße, wo man Eide bricht! Komm, Bruder Ludwig, kommt, Ihr Edlen alle, Sein männlich Angesicht erhebt der Zorn, Nichts von Versöhnung mehr, Partei! Partei! Ja gegen diesen ungerechten Vater Wird Unnatur Gebot; empor das Banner Und unser Recht! Für Ludwig und Lothar! Rebellen Ihr vom ersten bis zum letzten, Ist keiner, der für seinen Kaiser steht? Heil Kaiser Ludwig! Für den Kaiser wir! Bedenkt Euch, deutsche Herrn! Es ist bedacht, Treulos undankbar pflichtvergeßne Söhne! Nichts mehr zu diesen, und in diesen Staub, Den scheidend ich von meinen Füßen schüttle, Tret' ich hinunter jedes letzte Band, Das zwischen mir und diesem Vater war! stürzt auf Lothar zu, ihm zu Füßen. Geht nicht, Lothar, die heilige Natur Wirft jammernd sich zu Euren Füßen nieder Und fleht Euch an, laßt ab von diesem Streit! Natur ist tot, nur eins noch ist geblieben. Auf unsrer Seite steht das gute Recht! Lothar, Ludwig, die Franken stürmisch links ab. Weh', Reich der Franken, wehe, großer Karl! Er sinkt in die Arme der Geistlichen. Vorhang fällt. 3. Akt 1. Auftritt Erster Auftritt Karl liegt schlafend auf dem Ruhebett. Judith sitzt neben ihm, ihn in Gedanken betrachtend; sie trägt einen dunklen, von Haupt zu Füßen niederwallenden Schleier. Schlaf, trauter Sohn; nicht scheuchet mehr Gefahr Den süßen Schlummer fern von deinem Lager. Auf dieser Stirn, umduftet und umweht Vom Fittiche der Jugend, lastet nicht mehr Der dunkle Schatten der Rechtlosigkeit; Der königliche Tag ist angebrochen Sie erhebt sich und beugt sich über ihn. In dieses Antlitz schrieb mit tiefen Zügen Natur das Zeugnis, daß du Ludwigs Sohn – Und das Gesetz des angestammten Blutes Hält klammernd dich an ihn. – Sei Leibeserbe, Doch Erbe seiner schwachen Seele nicht O, könnt' ich deinem Geist den Vater geben, Ich wüßte, Karl, wen ich für dich erwählte – Du, König nicht, doch aus dem Löwenmark Entsprossen, das die Könige gebiert – Bernhard – – sprich leise diesen Namen, Herz, Daß er nicht töne in den Traum des Sohnes Ihr wilden Ströme, die in diesem Busen Aufbrandend steigen, wo ist euer Ziel? 2. Auftritt Zweiter Auftritt Bernhard in Mantel und Barett, kommt aus dem Garten heran. durch den Bettvorhang verhindert ihn zu sehen, horcht. Horch – wessen Gang? Geräuschlos wie der Wille – Und jeder Schritt das Denkmal einer Tat. – tritt in den Saal. geht ihm entgegen, nachdem sie rasch den Vorhang vor Karl gezogen. O Gott, er ist's! – Ich bin's, geliebtes Leben, Eilt auf sie zu, streckt ihr die Arme entgegen. Warum erschrickst du? – weicht zurück. Bernhard, gib mich frei – Dich zu befreien, Judith, komm' ich her. – Pflicht ist ein Wort, das Menschen sich erfanden, Natur war längst geboren vor der Pflicht, Und dies ist ihre Stunde. – Glanzgestirn, Das meinem Tage leuchtend, in der Nacht Mit süßem Lichte mir emporsteigt, Judith – Er nimmt sie in die Arme. O leise – wecke nicht den Schläfer auf. Dort hinterm Vorhang? Karl? Dort hinterm Vorhang – Wenn er vernähme, Bernhard, wenn er sähe – So säh' er heute das, was sich der Welt Dereinst im Lichte offenbaren soll. O, dies Geheimnis ist ein Knechtsgewand Für unsrer Herzen königlichen Bund. Soll unsre Liebe ewig wie ein Bettler Almosen heischen von der blinden Nacht? Flieg' nicht so wild, du ungestümer Adler – Kann ich dich anders lieben als geheim? Du stolzes Herz, es ist dir nicht genug, Wenn du mich siehst, vom Sturm, den du entfachtest, In deine Arme willenlos getrieben? Laß mich zerschellen nicht an deiner Brust. Doch dies ist nur der Anfang unsres Glücks. Sprich, Judith – wenn das Hindernis nicht wäre, Das zwischen uns sich drängt, das unsre Liebe Zu schmählicher Verborgenheit verdammt – Das Hindernis? Ja, – dies grauhaarige, Das seiner greisen Tage dürft'gen Rest Auf Borg vom Leben hat – Um Gott – was sinnst du? Glück sinne ich, das deiner wert und meiner! Wir leben einmal nur auf dieser Erde; Nur einmal einen Willen sich und Kräfte Und sagen uns: gebrauche, wir sind da, Ein Stümper, wer aus diesem Leben geht, Das halb er kostete, die andre Hälfte Zur Beute lassend schwachgesinnten Toren, Sprich – wenn du frei wärst – O – bei diesem »wenn« Erstarrt mein Herz – sag' mir, furchtbarer Mann – Nein, laß mich schweigen, wenn mein Wort dich schreckt, Doch dieses eine sage: liebst du mich? Wenn Liebe ist, was so in dunklen Tiefen, Aus Widerstreben und allmächt'gem Drang, Aus Scheu geboren wird und aus Bewundrung – O dann – Und wenn – ich sage nicht, es wird – Wenn jenes eine fehlte, das uns scheidet, Weib meines Lebens – wärst du mein? flüsternd. Ich glaube. küßt sie. O dies »ich glaube« wandle dieser Kuß Zum Zauberwort des großen Glückes, »ja«. Hinweg von hier – mir deucht, er regte sich – Siehst du den Garten, der uns schattend winkt? Der Wangen Glut erlischt in seinem Dunkel – Geh in den Garten, bitt' ich, harre mein. Und du bleibst noch? Und wenn er nun erwacht? Er soll erwachen, denn ich weck' ihn selbst. O du, vor dem sich Schrecken und Gefahren Wie zahm gewordne Tiger niederbeugen, Ist's Schuld, die mich zu deinem Herzen reißt, So ist es Sünde, der kein Weib entginge, Die dich gesehn! Im Garten find' ich dich. – Er führt Judith bis an den Ausgang des Saales, Judith kehrt noch einmal hastig um. Sag' mir noch eins: – Du schwurest einen Eid – Erschreckt dich das? Wie konntest du ihn schwören? – Denn schwurst du wahr, so hintergingst du mich, Und schwurst du falsch, wie soll ich dir vertraun? Kraft meiner Liebe sollst du mir vertraun. Und fürchtest du nicht Gott? Holdsel'ge Törin, Man fürchtet nur den Gott, an den man glaubt. nach dem Hintergrunde ab. tritt an das Fußende des Lagers. Heut morgen ward er König – und er schläft. – Knabe, du hast zu viel von deinem Vater, Zu wenig von der Mutter stolzem Geist. Karl – ganz und gar in Schlafes Banden – Karl! erwacht. Mutter, bist du's? Nein, König, nicht die Mutter. richtet sich auf. König? – Ja so – Schlaf macht mein Auge trübe – Wer bist du? Wie? der Graf von Barcelona? Ich grüße Euch – doch warum brecht Ihr so Ins friedliche Gehege meines Schlafs? So in der Nacht? Was gilt hier Tag und Nacht? Die Zeit, in der wir leben, hat das Fieber, Die Stunden rollen wie empörtes Blut, Und fern am dunkel nächt'gen Firmamente Zuckt die Gefahr. Gefahr? Wem dräut Gefahr? Seltsame Frage; Ludwig und Lothar Sind bei Pipin. Muß ich Euch mehr noch sagen? Schlägt den Mantel auseinander, zeigt aufs Schwert. Seht Ihr dies Schwert? Ich selber halte Wache Und Rundgang heute in der Kaiserpfalz; Befürchtend jede Stunde und Minute – Befürchtend? Was? Das Mordgeschrei zu hören, Wenn sich Pipin mit seinen Aquitaniern Auf Euch und Eure Mutter stürzt! erhebt sich. So schlief ich Arglos an des Verderbens Schwelle – Herzog, Denkt nicht, ich bitte, daß ich furchtsam sei, Wenn Ihr mich schaudern seht. Ihr hieltet Wacht – Reicht mir die Hand – Ihr mögt es unklug schelten, Wenn ich Euch sage, was ich sagen muß – Was müßt Ihr sagen? Bis zu dieser Stunde War etwas in mir – nein, ich bitte, zürnt nicht – Das mir verwehrte ganz Euch zu vertraun. O junger Fürst die Luft geht scharf und rauh Auf jenen Höhen, wo die Throne stehn. Freundschaft ist eine Blume, die im Tale, Nicht auf der Menschheit strenger Höh' gedeiht. Euch feßle Liebe nicht und nicht Gefühl. Glaubt dem Gefühle nicht, es ist ein Maler, Der falsch die Dinge schildert. Der Verstand Sei Euch Genosse – er allein betrügt nicht. Lest jedem Herzen seine stummen Wünsche Und jedem Auge seine Ziele ab; Und wo Ihr Vorteil seht, der mit dem Euren Verschwistert geht, von gleichem Feind bedroht, Wie Euer Vorteil, da vertrauet Euch. Ihr malt mir diese Welt mit düstren Farben. Die Wirklichkeit führt eine rauhe Sprache, Wer mannbar werden will, muß sie verstehn. Der Kaiser, Euer Vater, Herr, ist alt. Alt? Nun bei Gott, ich dachte nie daran. Ihr seid der letzte heut von Euren Brüdern, Stirbt Euer Vater, seid Ihr vogelfrei, Und Kampf mit Euren Brüdern Euer Leben. Und wenn Ihr siegt, was ist der Preis des Sieges? Ihr werdet König, Kaiser wird Lothar. Ein König neben größrem Könige, Was ist es anders als ein großer Knecht? Wahr – allzuwahr. Nun denn, statt dieses Lebens, Unköniglich, unmenschlich, unfruchtbar, Hört, was ich biete. Was könnt Ihr mir bieten? Herrschaft für Knechtschaft, Ehre für Gefahr: Wollt Ihr der Kaiser sein des Frankenreichs? Was sagt Ihr mir? Was ich zu halten denke. Könnt' es denn möglich sein? Ja, wenn Ihr wollt. Kaiser der Franken – in der Menschenwelt Nicht einer, neben dem Ihr zweiter seid – Der erste überall – von Eurem Haupte Geht Ehrfurcht wie ein heil'ger Sturmwind aus Und beugt die Menschenhäupter vor Euch nieder – Ihr malt zu üppig mir dies Bild – hört auf. Warum wollt Ihr's nicht hören? Weil – ich weiß nicht – Ist's Torheit, ist es Weisheit; diese Krone Ward mir vom Schicksal, denk' ich, nicht bestimmt. Wollt! Menschenwille ist des Menschen Schicksal! Tu' ich nicht Unrecht an den ältren Brüdern? Karl, Euer großer Ahnherr, wie Ihr wißt, War Karlmanns jüngrer Bruder – Karl ward Kaiser Und Karlmann mußte weichen. Mußte weichen – Heißt das – Das heißt, daß Unrecht nur ein Wort ist, Dem jeder Inhalt gibt, soviel er will. Sah' ich das letzte Ziel von Euren Worten – So fürchte ich – Ach laßt – und fürchtet nichts. Dies Wort, das ich wie eine Wünschelrute In Euer Herz getaucht, um Stahl zu finden, Ihr wägt es ängstlich sorgend hin und her? Karl will nicht Kaiser sein, so sei's Lothar; Doch legt die Krone heut noch, rat' ich, nieder, Denn nie vergißt er Euch den einen Tag, An dem Ihr König wart – Herzog, dies eine Erklärt mir nur – so tu' ich wie Ihr wollt. Was ist dies eine? Seht; Ihr türmt auf mich Von Stund' zu Stunde wachsend Ehr' auf Ehre. Den Reichstag sprengtet Ihr – es war für mich. Des Reiches Ordnung stoßt Ihr um – für mich – Für Ludwig konntet Ihr und für Lothar All dieses tun – Ihr tatet es für mich – Was ist's, das so mir Euer Herz gewonnen? Seltsam – Ihr seid so jung noch an Entschlüssen Und schon so alt an Zweifeln und an Fragen? Sagt mir – Wohlan denn – für das Wohl des Reichs Ersah ich Euch zum Kaiser. Sprecht Ihr wahr? O zürnt mir nicht – doch wenn Ihr fühlen könntet Was dieses Wort mir gilt – Wollt Ihr? Es sei. Nun denn, im Kampfgebiet der großen Dinge Begrüß' ich Euch, gekrönter junger Karl. Nun keines Auges feiges Blinzeln mehr! Kein Schaudern, wenn der Taten großer Sturm Den blut'gen Schaum Euch bis zum Kinn emporwirft! Ihr gabt zwei Kronen mir an einem Tage – Ich gebe Euch dafür den Frieden hin Des Herzens – das ist wenig nur für Euch, Doch alles ist es mir – o teurer Herzog, Ich bitte Euch, seid sparsam mit dem Gut. Nein, seid nicht weich – ein zu gefühlvoll Herz In harten Zeiten, ist selbstmörderisch. In meinen Händen ruhen Eure Taten. Ich will nun gehn. Wohin? Dort in den Garten; Laßt mich für einen kurzen Augenblick Die Stirn mir kühlen. Geht nicht in den Garten. Warum? Der Garten hat verborgne Gänge Und Eure Brüder haben Meuchelmörder. O Kaiserkrone, wirfst du solche Schatten? Die Mutter saß vorhin an meinem Lager – Wißt Ihr, wohin sie ging? Ich weiß es nicht. So mein' ich, find' ich sie in ihren Zimmern – Denn meine Mutter, denk' ich, schlummert nicht. Ab nach links. betrachtet seine Hand. Betracht' ich's recht, so gleicht die Hand des Menschen, Wenn sie die Finger ausreckt, einer Spinne – Ein Griff – sie hält – und läßt nicht wieder los. Doch solche Kunst gehört in die Paläste – Im Blachfeld nun, Ihr Söhne Irmengards Zeig' ich die Künste Euch, die ich mir lernte In hundert Kämpfen wider's krumme Schwert. Ja, Tod sei mein Genoß; du Bluterfrischer In dieses Lebens schalem Einerlei, Tragöde du im Possenspiel der Welt. Ludwig, du mußt hinweg, du bist zuviel – Und diese Welt ist dann für Karl und mich. Für Karl? Jawohl, so lang in Judiths Herzen Auf gleichen Schalen Karl und Bernhard ruhn – Doch du, armsel'ger Knabe, bist zu leicht; Nein – kommen soll die Stunde, da ihr Herz Nur noch den Namen Bernhard kennt – und dann – Dann Karolinger, Bernhard über Euch! Er geht an den Ausgang, blickt hinaus und winkt. 3. Auftritt Dritter Auftritt Abdallah kommt aus dem Garten zu dem vorigen. Nun – bist du da? Zu deinem Dienst, Gebieter. Du standst dort im Gebüsch? Dort in den Büschen, Wie du's befahlst. Du sahst, mit wem ich sprach? Ja, Herr – Du sahst's? Du sprachst mit König Karl. Doch vorher? Vorher? War noch jemand da? So kam ich vorher nicht – denn als ich kam, Sprachst du mit Karl. So lange ich dich kenne, Mir fällt es ein, sah ich dir nie ins Auge, Denn immer stehst du tiefgesenkten Haupts – Wie es dem Diener ziemt vor seinem Herrn. Doch heut, gebiet' ich, sieh mir ins Gesicht. Abdallah sieht auf. Ich seh', du kannst, was man von dir verlangt. – Ist das Gerücht begründet, welches sagt, Daß du, vertraut mit grauser Lehre, jedes Giftkraut der Erde kennst? Es ist begründet. Und ist es wahr, daß tief in Afrika Ein Kraut gedeiht, das, wenn man's richtig braucht, Den Tod wie einen Diener uns bestellt, Pünktlich auf Tage, Stunden und Minuten? Solch Kraut ist da. Besitz'st du's? Ich besitz' es. So schaff' mir das – und bald. Du sollst es haben; Doch muß es sorgsam zubereitet werden. So tu dein Werk und bring's mir, wenn's getan. Will gehen, wendet sich. Abdallah! Herr? Du lachst? Ich lache nicht. Mir schien, du lachtest, weil ich dir vertraute. Schatten sind stumm und taub – ich bin dein Schatten. nach dem Garten ab. blickt ihm nach. Schatten sind stumm und taub – doch sie sind dunkel – Weh' dem, auf dessen Weg ein Schatten fällt! Er wendet sich zum Abgehen nach rechts. 4. Auftritt Vierter Auftritt Satilatlas. Temin kommen von rechts. geht auf Abdallah zu und faßt ihn an der Brust. Treuloser Maure, halt! Wo ist die Tochter Von El Moheira? Beim Propheten Gottes – Bernhard versprach sie uns, doch sie ist fort – Seit heute morgen hält sie sich verborgen Und spottet unsres Suchens – Hund, du weißt, Wo sie sich barg; du stehst im Bund mit ihr; Bei dem Propheten, nein, ich weiß es nicht. Wo ist der Herzog Bernhard? Dort im Garten. zu Satilatlas. Halt' diesen fest – ich suche Bernhard auf. Wendet sich nach dem Garten, bleibt stehen. Still – was kommt da? Im Garten sieht man Hamatelliwa erscheinen. Sie ist's. Hamatelliwa! Abdallah, du bleibst stehn und rührst dich nicht. Mir nach, Temin, der Vorhang hier verbirgt uns. Satilatlas und Temin treten hinter den Vorhang – Abdallah mitten auf der Bühne, den Rücken nach dem Garten. 5. Auftritt Fünfter Auftritt Hamatelliwa huscht aus dem Garten herein. flüsternd. Abdallah! dumpf vor sich hin. Unglückselige; woher? Im Garten war ich – und ich sah allda – O – wo ist Bernhard? Satilatlas und Temin kommen hinter dem Vorhang vor. Frage nicht nach ihm. Die Tiger, die mein Vater schickte! Weh! Sie springt auf und will nach dem Hintergrund entfliehen. – Temin versperrt ihr den Weg. Treulose! Deines Vaters treue Diener. Weh' dir, daß du vor ihnen zittern mußt. Wie sie die Schwerter lockern! Wie ihr Auge Mich wild durchbohrt! Laßt mich nicht doppelt sterben Durch Tod und Todesangst! Nicht wir sind Richter, Dein Richter sitzt auf El Moheiras Thron. Komm, sei bereit, wir gehn nach Saragossa. Und er ist fern von mir in dieser Stunde! Verlorene, er selber gab dich preis. Das lügst du! Nein! Befrage diese Männer. 6. Auftritt Sechster Auftritt kommt von links. Vergebens such' ich sie in ihren Zimmern – Wo ging sie hin? Ah – was ist das? eilt auf ihn zu, fallt ihm zu Füßen, umfaßt seine Knie. Erhöre! Dein Äußeres rundet einen Hohen mir. Du bist noch jung – dein Antlitz ward noch nicht Durchätzt von dieses Lebens Bitternissen, Laß deine Seele deinem Antlitz gleichen, Du wirst noch Unglück sehn auf dieser Erde, Nie schwereres als dies, das vor dir liegt! Sohn Ludwigs, höre dieses Weib nicht an. Was willst du, Maurin? Hör' sie nicht zu Ende, Denn eine Bitte wird sie an dich tun, So unnatürlich, daß das Herz des Sohnes Sich schaudernd schließen wird – So sprich, was willst du? Dort – diese Männer – Diese Männer, wisse, Ihr Vater schickt sie, dessen stolzes Haupt Der graue Reif des Alters überfiel Als schmählich ihn sein Kind verließ. Mein Vater! Zerbrach mein Herz nicht, als ich dich verließ! Und blieb die eine Hälfte nicht bei dir? Ist's wahr, was diese Männer sagen? Wahr! Wahr, daß ich treulos floh von meinem Vater Und daß mir graust vor seinem heil'gen Haupt! Wahr, daß ich bei den Feinden meines Volkes Schutz suche vor den Männern meines Volks. Wahr jeder Vorwurf grauser Unnatur, Der mich getroffen – aber eins noch ist, Was sie nicht sagten – Sohn des Christenkaisers – Wende dein Ohr noch nicht von der Verlornen, Ruf Bernhard her, den Grafen Barcelonas. Bernhard, den Herzog? Was hast du mit ihm? Zu fragen hab' ich ihn, ob über Christen Der Gott nicht ist, der über Mauren thront! Hier kommt der Mann, nach dem du suchtest. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Bernhard aus dem Garten zu den vorigen. springt auf, ihm entgegen. Bernhard! Ach, du bist da. – Ins Grausen dieser Nacht Trägst du wie eine unbeirrte Sonne Dein teures Angesicht – ich träumte, Bernhard, Furchtbaren Traum. zu Satilatlas. Wie nun? Ihr seid noch hier? O, nicht zu ihnen – mein sei Blick und Wort; Sieh diese grimmen Jäger, die mich hetzen – Asyl an deiner Brust, gib mir Asyl! Ihr haltet schlecht uns das Versprochne, Herzog. Wir suchten sie umsonst den ganzen Tag. Verstumme nicht! Er mahnt dich an Versprechen – Bernhard, ein Wort! Sag', daß du nicht versprachst! Pause. Hamatelliwa, geh mit ihnen. Bernhard!! Dein Vater heischt dich, und des Vaters Rechte Sind größer als die meinen – kehr' zurück. Des Vaters Rechte. – Graf von Barcelona, Wißt Ihr, daß mich mein Vater töten wird? Das wird er dir nicht tun. stürzt Abdallah um den Hals. Prophet – Prophet! Wer lehrte dich die Schrift in diesem Herzen Zu lesen, die ich, ach, so falsch verstand? So tut der Mann – Abdallah tritt vor ihn, Denn du und Gott, Ihr habt's mit angehört, Erinnre ihn des Weibes, dessen Knie Er einst umschlang – frag' diesen Mann, Abdallah, Ob sie gesprochen, wie er heute spricht? Abdallah, laß; hör' mich, Hamatelliwa, Mit Schmerzen tu' ich, was mir Pflicht gebietet. Christ, fürchte deinen Gott und lüge nicht. Wer darf mich Lügen strafen? Deine Lippen, Die heute wie zersprungne Glocken tönen Und welche einst – o Mond und ew'ge Sterne, Ihr keuschen Geister lauschender Natur, Ihr habt gehört, wie sie zu sprechen wußten. Dies Herz, in dem ich jeden Pulsschlag zahlte, Nachrechnend dran die Stunden meines Glücks, So ganz zum Bettler ward es, daß es heute Nichts für mich hat als schal erlognen Trost. leise zu Bernhard. Mich jammert dieses Weibes, Herzog Bernhard; Muß es so sein, wie Ihr beschließt? Es muß. Fasse dich, Mädchen. Nennt mich, wie sich's ziemt. Bernhard so geh' ich nun? Geh und leb' wohl, Und sei beglückt durch deines Vaters Liebe. – Wie du freigebig bist mit fremder Liebe. – Und nur weil Pflicht gebietet, nur dem Rechte Des Vaters beugend, scheidest du? Nur darum. Kein Vorwurf quält dich? Treulos wardst du nicht? Im Herzen, wo Hamatelliwa wohnte, Lebt jetzt kein ander Bild? Kein ander Weib? Nein. Nein und nein. Du Fels, an dem ich scheitre – Wer war's, den ich im Garten sah? Im Garten? Wo ich auf dunkel schwellndem Rasensitz, Verborgen ganz von hangenden Gebüschen, Verstohlen wie ein schuldiges Gewissen, Jetzt eben einen Mann sah – Was soll mir das – Und tief in dieses Mannes Arm geschmiegt Haupt dicht an Haupt, und flüsternd bang und süß, Worte, wie man sie lernt an Bernhards Herzen – Ein Weib – Nehmt sie hinweg. Warum erschrickst du? Wär's so und wußtest du von diesem Weib? blickt nach dem Garten. Ah – was ist das? Im Garten – Was, im Garten? Kam eben jetzt ein Weib den Gang herauf, Ganz eingehüllt in langen, dunklen Schleier, Und da sie uns erblickte, trat sie seitwärts In das Gebüsch. Im langen, dunklen Schleier? Was ficht mich an? Laßt sehn – Er geht auf den Garten zu; Bernhard vertritt ihm den Weg. Bleibt, König Karl! zu Abdallah. Welch nächtliches Geheimnis spinnt sich hier? Sahst du in ihr Gesicht? Laßt, gnädiger Herr, Die Frau hat nichts zu tun mit dieser Sache, Denn trog mein Auge nicht, so war's – So war's? Laßt, gnäd'ger Herr – So war's? Die Kaiserin. Die Kaiserin? zu Bernhard. In langem, dunklem Schleier Saß jenes Weib geschmiegt an deine Brust!! Wagst du, zu lästern meine Kaiserin? Er reißt einen Dolch vom Gürtel und stößt ihn Hamatelliwa in die Brust. Ach – konnt'st du das mir tun? Sie sinkt in Abdallahs Arme. Hamatelliwa! O blut'ge, blut'ge, allzuschnelle Tat! um welche die Mauren in dumpf betäubter Gruppe stehen. Laß mich dein Antlitz sehn, greiser Abdallah, Es gleicht dem seinen – geh' zum Vater heim Und wenn er zürnt, so sag' ihm, was du sah'st, Dann wirst du sehn, was du nie sah'st zuvor. Tränen in El Moheiras Heldenaugen. Kein Weib auf Erden trug je Schuld, wie ich; Kein Weib auf Erden litt je solche Buße. Stirbt. Meineidiger, verräterischer Christ! Rache für unsre Herrin! Wahre dich! Sie ziehen. zieht. Kommt an, ich bin dabei! Die Klinge hier Durchschnitt so manchen Turban schon. 8. Auftritt Achter Auftritt Ein plötzlicher Drommetenstoß außerhalb der Szene. Gleichzeitig kommen von rechts und aus dem Garten Rudthardt, Ottgar, Humfried und andere. Gebt Frieden. Stellt sich zwischen sie. Nach draußen, Herzog, brauchet jetzt das Schwert, Hört Ihr die Stimme der Drommeten nicht? Was bringen sie? Den Frieden sicher nicht. Drei Herolde der Söhne Irmengards Drommeten sie uns auf den Hals. Willkommen! Sturmwind der Taten blase mir durchs Herz – Nun bin ich wieder ich. Welch Weib ist dies? Hier ward Gericht gehalten über eine, Die sich an ihrer Kaiserin verging. Läst'rer der Toten, wagst du, ihrem Schatten Noch Steine nachzuwerfen? Deine Buhle Entlarvte sie! wie rasend. Verdammter! Sprich's noch einmal Und aus dem Haupt die Zunge reiß' ich dir! Was geht hier vor? Erklärung soll Euch werden, Wenn's Zeit sein wird. Jetzt ist es Zeit für diese. 9. Auftritt Neunter Auftritt Drei Ritter ganz dunkel gepanzert, durch die Mitte. Mich schickt Lothar, der König vo Italien. Pipin der Aquitanier sendet mich. Und Ludwig sendet mich, der Bayernkönig. So sprechen sie zu Ludwig, ihrem Vater: Und so zu ihrem jüngsten Bruder Karl: So sprechen sie zu Judith, Tochter Welfs: Wir drei, vereint, zu wahren unser Recht Und abzuwehren Ungerechtigkeit, Euch dreien künden Fehde wir und Krieg Und laden Euch zur blutigen Entscheidung Aufs rote Feld bei Kolmar. – Kommt Ihr? laut und wild. Ja!! So wolle Gott dem guten Rechte helfen. Gott helfe ihm und unser männlich Schwert! Zu Karl. Gedenkt an das, was ich vorhin Euch sagte: Die Kaiserrose blüht auf Kolmars Feld Laut. Und nun kein Säumen mehr; ans Werk, zur Tat. Weckt auf die Pfalz; zu seinen Völkern jeder, Zählt jeden Kopf und wäget jedes Herz. Ihr, König Karl, zum Kaiser, bitt' ich, geht, Und sagt ihm, wenn die Sonne morgen früh Aufs stahlbeschuppte Blachfeld niederfunkelt, Wird ihm das tausendarm'ge Reich der Franken Bereitet stehn, ein einz'ges mächtiges Schwert, Gericht zu halten über seine Feinde. Zu den drei Herolden. Nach Haus Ihr drei! Noch nie zu Tanz und Reigen Schlug so das Herz mir wie zu diesem Kampf! Ein jeder Fluch, der Unheil je gebar, Begleite dich zum Kampfe! Fluch dir! Fluch! Bernhard mit den Deutschen und den Herolden nach der Mitte ab. Der Vorhang fällt. 4. Akt 1. Szene 1. Auftritt Erster Auftritt König Ludwig. Hugo von Tours. Matfried von Orleans. Andere fränkische Große kommen aus dem Hintergrunde. Nein, sagt mir, edle Herrn, es ist nicht wahr. Noch denke ich, es ist nur ein Gerücht, Entstanden aus dem heiß erregten Blute, Das diese Zeit regiert. Nein, gnäd'ger Herr, Gott wollte, daß es wäre, wie Ihr glaubt, Doch leider sah ich's an mit eignen Augen. 2. Auftritt Zweiter Auftritt Lothar aus dem Hintergrunde zu den vorigen. Was regt die Herren auf? Was ist geschehn? geht ihm entgegen. Ein schweres Unheil, das uns plötzlich traf; Erfuhrst du von Pipin? Ich hörte nichts – Was ist mit ihm geschehn? Pipin ist tot. Nein, das verhüte Gott! Und dennoch ist's so. Heut nachmittag ritt er aus seinem Lager, Des Feindes Stellung drüben zu erspähn – Er ritt das Pferd, vor dem man oft ihn warnte, Den ungestümen, schwarzen Berberhengst – Und als wir gerad' der Stelle gegenüber, Wo drüben lag das kaiserliche Zelt, Fügt sich's, daß plötzlich sich ein Wind erhebt, Der von des kaiserlichen Zeltes Spitze Das Wimpel reißt und der es gradenwegs Zu ihm hinüberwirft. – Sein Pferd darauf, Wie angepackt von einem wüt'gen Schrecken, Dreht zweimal, dreimal wirbelnd sich im Kreis, Und eh' wir noch zu Hilfe eilen können, Wirft es den König krachend in den Sand Und schmettert ihm das Haupt an einen Feldstein, Daß augenblicks das Leben ihn verließ. Das ist ein düstrer Anfang unsrer Sache, Denn morgen, rechn' ich, haben wir die Schlacht. Dem kaiserlichen Zelte gegenüber – Ein sonderbarer Zufall, in der Tat. Ein Zufall, weiter nichts, doch sorgt dafür, Daß man im Heer den Umstand nicht erfährt, Sonst nährt's den Aberglauben in den Köpfen Und ängstigt die Gemüter. Gnäd'ger Herr, Ich fürchte sehr, es sprach sich schon herum. Das wär' nicht gut. Daneben ist noch eins, Das seltsam schreckend alle Herzen aufwühlt. Ein alter Maure kam von drüben an, Mit abenteuerlicher Nachricht, sagt man. Was bringt er? Herr, ich weiß es nicht genau, Doch munkelt man im Volk, er brächte Kunde Von grausigen Verbrechen, die am Hofe Des Kaisers sich begeben. Nun, bei Gott, Das wäre günstige Fördrung unsrer Sache. Schafft mir den Mauren her wir woll'n ihn brauchen Wie den gemalten Teufel, unsre Tugend So heller dran zu zeigen – Lachend. unsre Tugend! Im Angesicht des väterlichen Zelts – Ja, er ist tot, daran ist nichts zu ändern, Und da, wo dreie waren, sind jetzt zwei. Kommt, nichts von Weichheit jetzt und Grübelei; Die Herren seh' ich, sind zumeist versammelt, So laßt uns Kriegsrat halten und beraten, Denn morgen, denk' ich, rücken wir ins Feld. 3. Auftritt Dritter Auftritt Wala aus dem Hintergrunde zu den vorigen. Eh' ihr zum Kriegsrat schreitet, höret mich. Wala, der Abt. Ja, Wala, der Euch beide Am Herzen trug, als Ihr noch Knaben wart – Wir wissen, daß wir's waren – was beliebt? Der Euch die jungen Hände falten lehrte Zum ersten, heiligsten Gebet des Christen: »Vater vergibt!« Euch beide und Pipin. – Wir sind beschäftigt, Herr. Nein, er soll sprechen. Was habt Ihr uns zu sagen werter Abt? Den Preis sollt Ihr mir nennen, Söhne Ludwigs, Den Ihr auf Eures Vaters Kopf gesetzt. Ihr sollt mir sagen, wie Ibrs tragen werdet,. Wenn morgen sich, im Staub vor Euren Rossen, Der blut'ge Leichnam Eures Vaters wälzt Und wenn sich die empörte Kreatur, Mit einem dumpfen Aufschrei des Entsetzens Von Euch, den Vatermördern, wenden wird? Ihr sprecht sehr schön, nur leider etwas lang Und nicht am rechten Ort. Was predigt Ihr Vor unsren Ohren Buße? Gebt hinüber Und predigt da. Ich war bei Eurem Vater, Ich sah das gramgefurchte Angesicht, Den müden Nacken und das graue Haupt – Sein Haupt – o, eines Vaters graues Haupt Ist heilig, jedes Haar auf seinem Scheitel Ruft seine Kinder auf zu Schutz und Ehrfurcht; Wahrzeichen ist's der mahnenden Natur, Daß uns das teure Gut nicht lange mehr Gehören wird! Er faßt Ludwig und Lothar an der Hand und geht mit ihnen zwei Schritte nach vorn. Sagt mir, Ihr Schrecklichen, Was eilt Ihr der Natur so wild voraus? Ist Euch ihr Schritt zu langsam? Seid beruhigt, Mißgönnt ihm seine letzten Tage nicht, Nur wen'ge sind's noch. Sagt, um Gottes willen, Was wißt Ihr, Abt? Wie steht's mit meinem Vater? Schlecht, König Ludwig. Ist er krank? Er ist's. Es gibt 'nen Ausdruck in des Menschen Zügen, Wenn Ihr den seht, dann wißt, daß ihn der Tod Gezeichnet hat, daß er ihn wiederfinde Auf seinem nächsten Rundgang durch die Welt. 4. Auftritt Vierter Auftritt Abdallah erscheint im Hintergrunde, von den übrigen vorläufig noch nicht bemerkt. zu Wala. Saht Ihr in seinem Antlitz diesen Ausdruck? Ich sah in seinem Angesicht die Krankheit, Die keine Heilung kennt: gebrochnes Herz. Ha ha ha! Alles wendet sich zu Abdallah. Wer wagt es, hier zu lachen? Wer ist da? Der Maure, wie es scheint, von dem wir sprachen. Verzeiht ihm, Abt, es ist ein blinder Heide, Der nichts von priesterlicher Würde weiß. Komm, du Aushängeschild für unsre Tugend, Du führst dich trefflich ein. – Abdallah kommt vor. Was lachtest du Zu dieses Priesters Worten? Weil er spricht, Als kenne er die Krankheit Kaiser Ludwigs, Die er nicht kennt. Die ich nicht kenne, Maure? Die ich nicht kenne? Nein, die du nicht kennst. Nur einer weiß den Keim zu dieser Krankheit? Was ist der Keim zu seiner Krankheit? Gift. Allgemeine tiefe Bewegung. Gift? Unserm Vater? Laßt – das Ding wird ernsthaft. Maure – wer so viel weiß, weiß auch noch mehr – Wer gab dem Kaiser Gift? – Maure, du weißt es – Sag's – oder – Meinst du, daß ich zum Verschweigen kam? Ihr kennt ihn alle, alle haßt Ihr ihn – Zu zahm war Euer Haß, verdoppelt ihn – Erschlagt, zerreißt ihn, tilget seinen Namen Aus der befleckten Reihe der Lebend'gen. – Wer gab ihm Gift? Bernhard von Barcelona! Bewegung. Ha – ob ich diesen gift'gen Molch erkannte! Bernhard von Barcelona. Nein – unmöglich! Unmöglich? Ihm? Ich weiß, du hassest ihn, Weil er die Mauren zwang. Hass' ich ihn gleich, Als meinen schlimmsten Feind, doch glaub' ich's nicht – Solch grause Tat verlangt nach einem Grund – Der Grund? Der Grund? Ich weiß es, bei Euch Christen Muß alles Namen haben und getauft sein – Wenn es ein Recht zum Dasein haben soll – Wohlan, der Grund zu seiner Freveltat Hat einen Namen – taufen will ich ihn – Und er heißt Judith. Ah – hört alle, hört! Was spielst du mit verruchten Rätseln, Maure? Was mengst du hier die Kaiserin hinein? Weil zwischen ihr und Bernhard, ihrem Buhlen Ludwig, der Kaiser stand. Wilde Bewegung. Um Gottes willen Seid leise, Herrn, laßt dies verdammte Wort Nicht weiter dringen. Maure, hör' mich an, Gib mir Beweis untrüglich, unzweideut'gen, Sonst samt der Lästerzunge schlag' ich dir Das Haupt vom Rumpf. Schatten Hamatelliwas Sieh, wie Abdallah ganz sich dir ergibt! Das Gift, das Bernhard Kaiser Ludwig reichte, Erfahrt, ich hab' es selber ihm gemischt! Lautlose Pause. O Vater – Vater – Gottverfluchte Zeit! 5. Auftritt Fünfter Auftritt Ein fränkischer Edler kommt aus dem Hintergrunde, winkt Matfried zu sich heran und flüstert ihm einige Worte zu, dann kommt Matfried in den Vordergrund. Höchst sonderbar – Was ist's? Was bringt Ihr uns? Mir wird gemeldet, daß am Rand des Lagers Ein Reiter hält, auf schaumbedecktem Roß, Der Einlaß zu den Königen begehrt. Nannt' er sich nicht? Er wollte sich nicht nennen, Und mit dem Mantel barg er das Gesicht. Doch – fast unglaublich – nach dem Klang der Stimme Glaubt man, es sei – Wer? Euer Bruder Karl. Ah! Judiths Brut! Läufst du in unsre Hände? Fort – laßt ihn ein. Matfried will abgehn. tritt ihm in den Weg. Halt da – hier bin noch ich. – Zu Lothar. Was hast du mit ihm vor? Das wird sich zeigen, Wenn wir ihn haben. Fort, noch einmal. Nein. Er soll nicht kommen, eh' du nicht geschworen, Daß er frei bleiben soll und ungefährdet. O hört des frommen Ludwigs frommen Sohn! Den Segen Gottes, König Ludwig, Euch. Lothar – 's ist Euer Bruder. Was, mein Bruder! Der Schößling aus dem Blute, das ich hasse – Des abgefeimten Weibs dummdreister Sohn – Ist er dein Bruder nicht, so ist's der meine Und unsres Vaters vielgeliebter Sohn! Schwörst du ihm Sicherheit? Schwachherz'ge Torheit! Wenn wir ihn halten, schreiben wir dem Kaiser Jede Bedingung vor, die uns gefällt. Fühlloser Wucherer! Du sollst mir nicht Die Hand auf meines Vaters Kehle setzen! Und dir Gewinn aus seinem Jammer ziehn! zu der Umgebung. Entscheiden diese Herren – sollen wir So großen Vorteil aus den Händen lassen, Weil's dem weichmüt'gen Manne dort gefällt? dumpf murrend. Wie König Ludwig sagt, so soll es sein. giftig lachend. So soll es sein. – Winkt Matfried, dieser ab durch den Hintergrund. Ich merk', es kommt die Zeit, Wo Klugheit Frevel wird und Dummheit Tugend. Nun will ich mein Gesicht in Falten ziehn Und Liebe heucheln. 6. Auftritt Sechster Auftritt Karl erscheint auf der Schwelle der Halle. der ihn bemerkt. Ah – das Maskenspiel. Dreht sich kurz um. zögert auf der Schwelle. Eh' ich eintrete, sagt mir, ob ich komme Als Bruder unter Brüdern? geht auf ihn zu, reicht ihm die Hand, führt ihn vor. Hier die Antwort – Ich bin dein Bruder Ludwig. Ja, ich seh's – An deinen Augen. – O, mein Bruder Ludwig, Wie wenig Tage und wie viele Dinge Sind zwischen uns. – Mein teurer Bruder Ludwig! Fällt ihm um den Hals. Du weißt, daß unser Vater schwer erkrankt ist? Ich weiß – und darum hinter seinem Rücken Kam ich zu Euch – o, hört mich, meine Brüder. – Wir brauchen's nicht, wir wissen ohne dich, Was Bernhard tat an unsrem Vater. Wie? Was – Bernhard tat –? Fasse dich, Bruder Karl. Dein Vater steht nicht mehr vom Lager auf, Er stirbt am Gift, das Bernhard ihm gegeben. Nein – ew'ger Gott im Himmel! Bruder Ludwig! Ich glaube diesem nicht, sprich du – sprich du! Hier ist der Mann, der selbst das Gift ihm mischte – Sieh diesen Mauren. zu Abdallah. Höllisches Gespenst! – Stürzt auf Abdallah zu. Verdammter, wenn du ihm den Trank gebraut, So weißt du auch das Mittel, das ihn rettet, Nenn' mir das Mittel! Ihn errettet nichts, Es wächst kein Kraut auf dieser weiten Erde, Das jenes Gift bewältigt. O – verloren. Mein greiser Vater rettungslos verloren! Sein mildes Herz, in dem die Güte wohnte, Bedeckt von einem kalten, schweren Stein – Sein Angesicht von Grabesnacht umschattet, Sein Auge – Gott beschütze mich in Gnaden Ich sehe ihn – sein Auge blickt mich an Mit einem langen schweren Blick des Vorwurfs – Mein Heil und Glück war seine Tagessorge, Sein Traum zur Nacht. – Es bleichten seine Haare In Sorg' um mich – und ich, ich steh' dabei Und seh' die Schlange, die ans Herz ihm kriecht – Und ich zertrat ihn nicht, den Höllenwurm! Und ich vertraut ihm, folgte seinem Rat. In meinem Herzen war die Warnerstimme Des Abscheus, der uns vor dem Feinde warnt. – Zu Abdallah. Giftmischer, sag', wie lange hat mein Vater Noch Frist zu leben? Wen'ge Stunden noch. nach dem Hintergrund. Führt auf der Stelle mir mein Roß heran. – Wir waren Feinde, Brüder, sind wir's noch? – Pause. Ihr zürnt mir? Jedem Anspruch, der Euch kränkte, Entsag' ich, Brüder – lauter als der Zorn Tönt durch die öde Nacht das Sterberöcheln Des alten Manns, der einsam drüben liegt, Verlassen, ohne Kinder – zürnt Ihr noch? fällt ihm um den Hals. Gott soll sein Antlitz ewig von mir wenden, Wenn ich dich wen'ger liebe, als mich selbst! Mein Roß herbei, mit dir reit' ich hinüber Und fleh' um meines Vaters Segen. Ludwig – Gehst du ins Netz, das Bernhard dir gestellt? Weh über dich, daß du in dieser Stunde So denken kannst! Hier reiß' ich Bernhards Namen Aus meiner Brust und weih' ihn meiner Rache. Versprich zu viel nicht, sei vorsichtig, Knabe, Es möchten Stimmen sich für ihn erheben, Gewicht'ge Stimmen – Wessen Stimme meinst du? Du hast die Hälfte nur von dem erfahren, Was dieser Maure brachte, hör' ihn ganz. Maure, tritt her. Lothar! Maure, tritt her! Maure, du schweigst! Lothar, es ist dein Bruder. Ich will doch sehn, ob du auch mir den Mund Verbieten wirst. tritt drohend auf ihn zu. Erfahr' es denn: Du schweigst! zu Ludwig. Um Gott, was geht hier vor? Still – forsche nicht – Ich führe deine Sache. Seine Sache? Tritt deinem ältern Bruder aus dem Weg, Was maßest du für Recht dir an? Das Recht, Von dem dein unnatürlich Herz nichts weiß, Weil die Natur es gab. Aus meinem Wege, Du täppischer Gesell! Den will ich sehn, Der mir das Recht verwehrt, schandbaren Frevel Ans Licht zu ziehn. reißt das Schwert heraus. So wende Gott die Augen Vom Haus der Karolinger! Sprich ein Wort Und diese Klinge, in dein Herz gestoßen, Soll prüfen, ob es fühllos sei für Stahl, Wie für die Menschlichkeit! zur Umgebung. Seht Ihr das an? Vor Euren Augen droht man Eurem König Mit blankem Schwert? Dumpfes Gemurr der Anwesenden. tritt vor. Vergebt uns, gnäd'ger Herr, Wir können es nicht bill'gen, was Ihr tut. Wer hat nach Eurer Meinung Euch befragt? Mein Wille ist der Eure. Nein, mein König, Wir dienen Eurem Recht, nicht Eurem Haß. Wir alle hatten einmal eine Mutter, Und was Ihr tut an Eurem jüngsten Bruder, Ist wider Satzung und Gefühl. So ist es! Was spricht er von der Mutter! Was geht vor? Erklärt es mir – Laßt, teurer, junger König, Es ist nur ein Gerücht, das uns erschreckt. Gerücht? Nur ein Gerücht? Was weiß der Maure? Nichts weiß er, nichts! Du Sohn der schönen Judith, Des Schleiers denke, der im Garten rauschte, Zur Mitternacht, zur Zeit verbuhlter Liebe. Reißt ihn hinweg! Alle stürzen sich auf Abdallah. sträubt sich. Ihr sollt mich reden lassen – Hamatelliwas denke, welche drüben Erschlagen liegt vom Buhlen deiner Mutter – Erfahre seinen Namen – Reißt ihn fort. Sperrt den verfluchten Mund ihm! Sie reißen Abdallah hinaus. wendet im Abgehen das Haupt. Bernhard!! aufschreiend. Ah!! Bricht in die Knie. tritt zu ihm. Stark, junger Fürst, seid stark – Hier kommt etwas, Das wie der Wahnsinn aussieht! Bringt mein Pferd, Bringt augenblicks mein Pferd! Ich reite mit dir. Niemand begleite mich! Verflucht das Auge, Das meinem Wege folgt, verflucht das Ohr, Das meine Worte hört! Laßt mich allein sein Auf dieser Welt mit einer Einzigen! Er springt auf und stürzt durch die Mitte ab. Hier nun verbünde ich mich seinem Rechte: Karl soll der König sein von Aquitanien. Beifälliges Gemurmel. Ei, seht, wie rasch man hier die Kön'ge macht. Ich denk', man fragt auch mich? Erkennst du ihn Als König an? Und wenn ich sagte nein? Dann mit der stahlbewehrten Faust des Krieges Greif' ich dich an, bis daß du ja gesagt. Es scheint uns gut, was König Ludwig sagte. Karl soll der König sein! Er sei's! Er sei's! Spart Euch den Lärm, ich weiß auch ohne Euch, Daß zwanzig Stimmen lauter sind als eine. – So sei er König. Das ist nicht genug. Du sollst mit mir vor unseres Vaters Antlitz Bekräft'gen dein Versprechen. Ha – auch das noch? Ihr sollt es tun, Ihr sollt mit Eurem Vater Versöhnung schließen. Ja das sollt Ihr! Sollt Ihr! Ah – Felonie! Noch nicht, doch treibt's nicht weiter! Vasallen sind wir, aber keine Knechte. Ihr kennt nicht Sohnespflicht, nicht Bruderpflicht, So sollt Ihr auch nicht Pflichten fordern dürfen Von andren – vor die Füße werf' ich Euch Die Treue des Vasallen, kämpft alleine Für Euer Recht! Alleine, kämpft alleine! Pause. Die Pferde vor und auf den Weg zum Kaiser! Verwandlung. 2. Szene 1. Auftritt Erster Auftritt Bernhard. Rudthardt. Ottgar. Herzog, nun sagt, wie geht es mit dem Kaiser? Ihr Herrn, ich darf Euch nicht mit Hoffnung täuschen, Der Kaiser ist weit kränker, als man glaubt. Solch plötzlich Unheil – Ja, sehr wahr – so plötzlich, Daß man – – nun wohl, Ihr wißt so gut ich, Wem diese Krankheit Nutzen bringt und Vorteil. Natur ist unsren Feinden seltsam günstig! Ihr scheint noch mehr zu meinen, als Ihr sagt? Ei nun – ich dachte, daß es Mittel gibt, Nach unsrem Willen die Natur zu leiten. Arzneien, meint Ihr das? Man ruft auch Krankheit, Wenn die Gesundheit überlästig wird. Das wäre – Gift! Um Gott, was sprecht Ihr da? Ich sage nicht, sie taten's – doch ich sage, Betrachtet, welchen Gang die Dinge gehn, Und sagt, es sei undenkbar. Gift! Dem Vater! Und dennoch – greuelvolle Möglichkeit. Setzt nun den Fall, der Kaiser stirbt – was dann? Ja freilich auch – was dann? Dann kommt Lothar. Und dann? Nun, was dann weiter noch geschieht, Wird seine Sorge sein; gut wird es nicht. Euch sagt des Herzens richtiges Gefühl, Was wir von diesem Mann zu hoffen haben. Sagt, wollt Ihr willig an den Block Euch geben? Und soll Lothar der Kaiser sein? Was tun? Er ist und bleibt des Kaisers ältster Sohn; Wer kann ihm wehren? Wir, wenn Ihr mir folgt. Das wäre – laßt uns wissen. Hört mich; Den Augenblick, da Kaiser Ludwig stirbt, Den laßt uns wahren. Diesem Frankenreich, Das wie ein kopflos ungeheurer Rumpf Im Taumel gehn wird, laßt ein Haupt uns finden Und unser ist der Sieg. Und dieses Haupt? Ist Karl. Er soll der Kaiser sein der Franken! Kühn – kühn bei Gott. Ein Plan der mit dem Rechte Sich schwer vereint. Im Buch der Weltgeschichte Gibt's nur ein einzig Recht, es heißt Erfolg. Und den versprech' ich Euch. Versprecht Ihr den? Seid Ihr gewiß, daß Karl bereit sich findet? Karl ist bereit. So spracht Ihr schon mit ihm? Es ist geschehn. Wenn ich Euch Pläne biete, So seid gewiß: es ist geklärter Wein. Wahr ist's, und ich erkenn' es willig an. Karl, Ludwigs jüngster Sohn, sei unser Kaiser. Nun, Rudthardt, wenn Ihr meint – ich bin dabei. streckt ihnen die Hände zu. Schlagt ein, Ihr Herrn – so darf ich auf Euch zählen? schlägt ein. Ruft mich, Ihr sollt mich finden. desgleichen. So auch mich. Ich gehe jetzt und mustre unsre Stellung; Begleitet Ihr mich, Ottgar? Ja, ich komme. Beide ab nach rechts. allein. Wißt Ihr's, wem diese Krankheit Vorteil bringt? Ah – wie sich Stufe mächtig baut an Stufe, Wie Ring in Ring sich fügt – und diese Hände, Gleich zwei Titanen voll allmächtiger Kraft, Zu Füßen mir zu ketten diese Welt! Nun könnt' ich wie ein König der Ägypter Anbetend knien vor meinem Genius. Wohl weiß ich, unterm Grundstein meines Bau's Liegt ein Begrabener Kaiser; aus der Tiefe Sieht Ludwig mich mit toten Augen an Und murrt mit fahlen Lippen: »Du«. Ja ich denn! Mit meiner Mutter rechtet, der Natur. Auch sie trägt Blutschuld; eine jede Stunde Sieht tausendfält'gen Tod, dem Schwächeren Vom Stärkeren verhängt. – Und dies Wort »Schuld« Ist nur der Seufzer der Ertrinkenden, Die in dem Lebensozean der Kräfte Zu schwach zum Schwimmen. – Du sei meine Göttin, Die du den Abgrund zwischen Recht und Unrecht Im Löwensprunge überwältigst: Tat! 2. Auftritt Zweiter Auftritt Judith von links. O Herzog, er ist krank, zum Tode krank. Mut, teures Herz, ich weiß, daß er es ist, Kön'ge sind Menschen, Tod ist Menschenlos. Doch jetzt in dieser Stunde der Gefahren, Wenn jetzt er stirbt? So bist du heute abend Die Mutter eines Kaisers. Bernhard? Hör': Sag' deinem Sohne, alles ist bereit, Das Heer ist unser, wenn sein Vater stirbt, So ruf' ich ihn zum Kaiser aus der Franken. Wär's möglich, Bernhard? Mehr, es ist gewiß. Gieß in das Herz ihm deine Flammenworte, Damit er stark sei – Mut – die Wogen rollen, Noch einen Ruderschlag – wir sind am Ziel. Doch Karl – er fehlt seit gestern – weißt du das? Was sagst du mir? Er ließ das Roß sich zäumen Und ritt hinaus zur Nacht. Höchst sonderbar – Und kam noch nicht zurück? Ich sah ihn nicht. Er wird auf Kundschaft ausgeritten sein, Ich gehe gleich und suche ihn im Lager; Befürchte nichts. O wäre ich wie du – Bernhard, ich fürchte mich. Du fürchtest dich Und weißt, ich lebe? Mut, geliebtes Herz, Wer landen will, darf nicht die Brandung fürchten – O Judith – bald ist nichts mehr, was uns trennt. Er führt sie nach rechts, dort verläßt er sie, indem er nach rechts abgeht, währenddessen erscheint. 3. Auftritt Dritter Auftritt Karl aus der Mitte und bleibt, beiden nachsehend, stehen. wendet sich, gewahrt ihn. Ah – du kamst wieder? Geht auf ihn zu. Sprich, wo gingst du hin? tritt einen Schritt zurück, da sie die Arme ausbreitet, um ihn zu umarmen. Bernhard war bei dir? Ja, er ging hinaus, Im Lager dich zu suchen; sag', wo warst du? Bernhard war bei dir? Also sagte ich. Pause. Dein Aug' ist düster, was geschah dort draußen? Du blickst mich an, als kenntest du mich nicht? Die Augen sind's voll süßer Majestät – Die Stimme – alles ist's was ich besaß – O nein – nicht wahr, du bist noch meine Mutter? Welch düstre Geister zeugte diese Nacht, Die zwischen dich und deine Mutter traten? Geister von Fleisch und Blut. – Er war bei dir, Was war's, wovon Ihr spracht? Du warst es. Ich? Ja, trauter Sohn, dein Heil und deine Größe, Die ihm am Herzen ruhn. An seinem Herzen Will ich nicht ruhn! Verdammt sei der Gedanke! O, dies ist undankbare Unnatur! Du weißt, was er getan, so höre denn Das Größte, was er dir zu tun gedenkt: Die Großen unsres Heeres sind gewonnen, Bereit ist alles, wenn dein Vater stirbt, So wirst du Kaiser sein des Frankenreiches Ah – sagt' er das? Er hat es mir gesagt. O du, mein Kind, für das ich jahrelang In Angst gelebt, die Stunde ist gekommen, Die all mein Sehnen krönt in dir – o Kind, Vergälle nicht der Mutter diese Stunde! Und nannt' er auch den Preis für diese Krone? Den Preis? Was meinst du? Mutter – was ich meine? Um Gott – was lauert dir im Auge? Mutter, Die Krone will ich nicht, die du mir bietest, Viel Höh'res, Teureres verlang' ich! Was? fällt vor ihr nieder, sie umschlingend. Mutter, gib meine Mutter mir zurück! Gott helfe mir! Weißt du, was du mir warst? Dies Licht des Lebens, das du mir geschenkt, Es einte alle seine holden Strahlen In einem himmlisch leuchtenden Juwel. Dein Tun und Denken Muster war's des meinen, Und wenn ich betete, so trat dein Bild Dicht neben Gottes Bildnis. – Mutter – Mutter – Gib das mir wieder. Karl – verlorst du es? Sage mir du, ob ich es noch besitze! War's Dankbarkeit, war's Mutterliebe nur, Die dir für ihn so heiß das Wort entflammte, Oder – Karl! Karl! Oder – o einen Raum mir Öde und leer, wo nie der süße Laut Der Menschlichkeit erklang – oder ist's wahr, Daß sich ein Räuber schlich in meinen Himmel? Mutter, man sagt – weh, unter diesem Worte Zerbricht die Zunge wie ein Scherben mir Mutter, man sagt mir, daß du Bernhard liebst? Pause. Judith wendet sich zum Abgehen. springt auf. Mutter! bleibt stehen. Darfst du der Richter deiner Mutter sein? Nacht, wirf dich über die entweihte Erde, Das Heilige ist tot! So sei die Krone Verflucht, die Ihr mir botet, und die Hände, Die sie mir reichten – Karl – was tust du mir? Willst du der Mutter fluchen? Sage »nein«, Und Segen einem jeden, der dich segnet! O, nur die Lippen rege, denn mein Herz Spart deinem Wort den Weg und ruft »unschuldig«. Denk', o gedenk', im Lauf so vieler Jahre Wie viele Bitten hab' ich dir erfüllt, Für all die tausende, nur eine einz'ge: Karl, frage nicht! Ah! Bohre nicht die Augen Ins Herz, an dem ich dich getragen! Ah! sinkt in die Knie. Natur, sieh mich nicht knien vor meinem Kinde. In Schmerzen gab ich Leben dir, in Schmerzen Bewahrte ich dein Leben unter Feinden, Sei dankbar, Sohn; ich lernte Haß ertragen, Nur deinen nicht; Karl, Karl, nicht deinen Haß. tritt zurück. Ich habe nichts zu schaffen mehr mit dir. Das meines Kindes Dank. Dank dir? Wofür? Für diese Krone? Ah, des schändlichen Ersatzes für mein Herz! Für dieses Leben? O, eine Blume war's, die ihren Duft Aus deinem Leben sog – heut aus der Wurzel, Aus der vergifteten, sog es sich Gift. Die Schuld ist abgetragen – Weib, steh auf. Schrecklicher Sohn! Gott, sprich zu ihm! zeigt nach links. Sieh dorthin! So redet Gott! – – Sieh an, o sieh ihn an, Den alten, heil'gen Mann. – Mutter, o Mutter, Heut muß auch ich ihn hintergehen, komm, Vor seinem Antlitz bin ich noch dein Sohn. Judith erhebt sich, von Karl unterstützt. Betrug ist seine Liebe, nur sein Haß Ist Wahrheit – so erfüllte sich mein Sehnen. 4. Auftritt Vierter Auftritt Kaiser Ludwig auf Diener gestützt, von links zu den vorigen. Fühlt sich mein gnäd'ger Herr und Vater besser? Ja – denn zwei Stunden näher meinem Gott. Die Luft ist dumpf und schwer in diesem Zelte, Öffnet den Vorhang – o, der Mattigkeit! – Läßt sich in einen Armsessel nieder, den Diener hereingetragen haben. Der Zeltvorhang wird aufgezogen. Wie schön die Erde ist – und wie so häßlich Die Menschen auf der Erde. – Seht, der Tag Kommt wie ein heiliger Apostel Gottes, Sanft und voll Frieden; seine lichten Füße, Sie werden waten durch der Menschen Blut, Und wenn er schaudernd in die Nacht versinkt, Dann wird das Angesicht des Gottgesandten Unkenntlich sein durch Menschenfreveltat. – Vier Söhne hatt' ich – Gott, ich danke dir, Daß ihrer einer meinen Tod nicht wünscht! kniet neben ihm nieder, während Judith sich über die Lehne des Sessels beugt. Nein teurer Vater, lebe! Laß mich nicht! O, diese Stunde voller Schmerzen bricht Die lang getragene Fessel kalter Sitte – Du nicht mein Herr, nicht Kaiser, du mein Vater, O, dies mein Herz, das sich an deines klammert, Hält flehend dich in diesem Leben fest! drückt Karl an sich, streckt Judith die Hand zu. Judith, hab' Dank, daß du den Sohn mir schenktest. Danke mir nicht – o Ludwig – mein Gemahl! Ja, Ihr verliert heut viel, Ihr, meine Teuren. Der Mensch braucht Liebe, wie die Blume Licht, Das Herz, das Euch geliebt, nehm' ich hinunter Und lass' Euch einsam in feindsel'ger Welt. Allmächt'ger, der du Berge rückst vom Ort, Du kannst noch mehr, du läßt das Herz des Menschen Den weiten Weg vom Bösen gehn zum Guten, Gott rühre meiner ältern Söhne Herz! Ein Hornruf hinter der Szene. Horch – hörtet Ihr? steht auf. Gott hörte deine Bitte, Und Gott erfüllt sie! Was bedeutet das? 5. Auftritt Fünfter Auftritt Rudthardt, Ottgar, Humfried, andere Deutsche aufgeregt von rechts. Verzeiht den hast'gen Eintritt, gnäd'ger Herr, Die beiden Kön'ge, Ludwig und Lothar, Verlangend, Euer Angesicht zu sehn, Sind vor dem Lager. aufschreiend. Meine Kinder kommen! Ja, diese Teile deines Herzens, Vater, Die sich in Haß und Hader losgerissen, Ich bringe sie zurück in deine Brust. Kein Haß, kein Streit mehr – wir sind Brüder wieder Und Friede, Vater, ist in deinem Haus! 6. Auftritt Sechster Auftritt Ludwig der Deutsche, Lothar, Bernhard, andere Deutsche von rechts. Lebt unser Vater noch? Gott sei gepriesen, Daß sich mein Knie vor ihm noch beugen kann! Kniet nieder. Schenk' deinem Sohne Ludwig deinen Segen! kniet nieder. Vergib auch deinem ältsten Sohne. richtet sich langsam auf. Ach – Ein König bin ich heut – denn ich bin reich – Greift mit zitternden Händen um sich. Legt meine Händ' auf ihrer aller Haupt – Wankt. Ach – meine Kinder – meine lieben Kinder – Sinkt zurück, stirbt. 7. Auftritt Siebenter Auftritt Wala. Matfried. Hugo. Eine große Zahl von Rittern und Edlen sind unterdessen eingetreten und füllen den Hintergrund. Karl, Ludwig und Lothar knien am Sessel des Kaisers. Judith lehnt über die Rücklehne des Sessels. Rudthardt kommt mit Bernhard in den Vordergrund. Ottgar, Humfried zu ihnen. Was wird aus dem, was wir vorhin besprachen, Da er mit seinen Brüdern sich versöhnte? Seid stark und fest, Lothar und Ludwig dürfen Nicht lebend mehr hinaus aus diesem Zelt! Karl, Ludwig, Lothar erheben sich. Nun kraft des zwiefach heil'gen Rechts, das mir Natur verlieh und dieses Reiches Satzung, Leg' ich die Hand auf diese Krone. Berührt die Stirnbinde auf Kaiser Ludwigs Haupt. Sprecht – Soll dieses Zeichen heil'ger Majestät, Das seinen altehrwürd'gen Platz verlor, Auf meinem Haupte wieder Ruhe finden? Das soll es nicht! läßt die Hand sinken. Wer sprach? Er sprach für uns! Wir wollen nicht, daß Ihr der Kaiser seid. Hier steht der Kaiser, den uns Gott bestimmte: Karl, Judiths Sohn! Karl sei der Frankenkaiser! Und Tod auf jeden, der sich widersetzt! Tod jedem! Nieder mit den Söhnen Irmengards! tritt auf Kaiser Ludwig zu. Zu Karl. Aus meiner Hand ward Euch die Königskrone, Empfangt nun hier den dreimal heil'gen Reif. – Fort, deine blut'ge Hand von meinem Vater! Siehst du nicht, wie der Tote auferwacht Und wie die welke Hand, zur Faust geballt, Nach deinem mörderischen Herzen zuckt? Das mir – von Euch – – Das dir vom Sohne Ludwigs! – Das dir von dem, den du dreimal Verdammter Zum Werkzeug deiner Höllenpläne schufst! Das dir, du Mörder meines Vaters! Karl! Mörder? Was sagt Ihr? Mörder? Wessen? Wer? Und wärst du König der geschaffnen Erde Und nicht ein König nur durch meine Gunst – Du sollst mir Rede stehn – Wirft den Handschuh hin. nimm auf mein Pfand! ruft. Wo ist der Maure? Ruft Abdallah her! Abdallah? Fluch und Hölle! Kennst du ihn? 8. Auftritt Achter Auftritt Abdallah erscheint in der Zeltpforte. Hier ist Abdallah! – Wer verlangt nach ihm? Schleichender Hund! Bernhard, was schmähst du mich? Da du mir danken solltest! – Dort sieh hin – Pünktlich, wie du befahlst, ist er gekommen, Der Tod, den ich aus Afrika berief. – Wem schufst du Tod? Wer gab dir Auftrag? Wißt: Nicht in dem dunklen Schoße der Natur, Im Hirn des Menschen ward der Keim geboren, Der dieses Leben tödlich überwuchernd, Zu Tod den Kaiser streckte. – – Dieser da – Bernhard von Barcelona ist der Mann – wütend. Nieder den Kaisermörder! Nieder! – Nieder! – Sag, daß sie dich verleumden, Bernhard! mit gellender Stimme. Ach! Die Buhle hört, die für den Buhlen spricht! sinkt am Sessel des Kaisers nieder, ihr Gesicht in die Hände gedrückt. Schurke! Ergreift den Mauren, schleppt ihn fort! Gebt ihm zehnfachen Tod. – Hamatelliwa, Du bist gerächt, nun lache ich des Todes! Abdallah wird abgeschleppt, kurze Pause. Ich weiß, es ist nicht einer unter Euch, Der glauben könnte – – Nein, doch nach dem Recht Laßt uns verfahren; und es scheint mir gut, Daß Ludwigs Mörder falle durch den Spruch Von Ludwigs Witwe. – Ja, das scheint mir auch! Die Kaiserin soll richten! halblaut zu Judith. Hörtest du – erhebt sich, von Karl unterstützt. Ihr Herrn – ich bin ein Weib – bin nicht geschaffen Zu solchen schweren Dingen. Kaiserin, Gekrönte Frauen tragen Mannespflichten. Und dieses – Urteil – wäre – Tod durchs Schwert, Wie es dem Mörder zukommt. lallend. Tod durchs Schwert. Sie steht, die Hände ineinander gekrampft; ihre Lippen bewegen sich lautlos; dann wendet sie langsam das Haupt zu Bernhard hin. Bernhard – ich soll dich – ach – – Sinkt ohnmächtig zusammen. stürzt zu ihr. Mutter! stürzt zu ihr. Judith! fährt zurück. Vermaledeiter – fort von diesem Weib! kniend bei Judith. Aus meinem Wege du! Verderben jedem, Der mir mein Recht an diesem Weibe nimmt! Mein war sie, eh sie Eures Vaters war, Mein ist sie heute, und mein soll sie bleiben Diesseits und jenseits, mag der Schlund der Hölle Sich vor uns öffnen, jauchzen werden wir In ihren Flammen, und Euch nicht beneiden Um Euren Himmel! reißt sein Schwert heraus. Wehr' dich deines Lebens! springt auf, zieht. Feuer der Hölle, stähle meinen Arm, Judith, so räch' ich dich an deinem Sohne! LOTHAR, LUDWIG ziehen. Stirb, Schänder unsres väterlichen Betts! – zieht. Stirb, Kaisermörder! Sie dringen auf Bernhard ein, kurzer Kampf, Bernhard fällt. O – – Das Urteil Gottes! Zerrissen von der Karolinger Meute – Die Flammen, die die Welt durchloderten, Erstickt vom Schwalle der Alltäglichkeit! Richtet sich halb auf, starrt auf Judith. Wer tat mir das? Wer riß die tote Maurin Aus ihrem Grab? Ihr wollt mich glauben machen, Sie lebe – doch ich weiß es, sie ist tot! Bleib – sie erhebt vom Boden sich – sie kommt – Das tote Antlitz beugt sie über mich – Hamatelliwa – o – kalt ist der Tod. – – Stirbt. wirft das Schwert weg. Dich rufe nie mehr der Drommeten Stimme Aus deiner Scheide, Waffe des Gerichts – Ins Grab, ins Grab, wo unser aller Ende. – Die Welt ist tot. – Das schweigende Entsetzen Sitzt auf den Trümmern und gebiert das Nichts. Bruder, dir lebt dein Bruder! Hör' auch mich – Reich' mir die Hand, mein Bruder. zu Lothar. Nein, dir nicht. – Nach Recht verfuhrst du, sieh hier, was dein Recht An mir getan hat – von der Stunde heut – Sei zwischen dir und mir nur noch das Recht. – Kniet zu Judith, wendet sich zu den Anwesenden. Der König hat gesprochen und gerichtet, Geht, laßt den Sohn mit seiner Mutter sein. tritt zu Karl. Reißt vom Vergangnen Eure Seele los – Zeigt hinaus. Dort ist das Licht, das Leben und die Tat. Kommt, auf die Zukunft richtet Eure Augen, Die Zukunft ist des Mannes wahre Zeit. Der Vorhang fällt. Ende.